Jul 162013
 

Die neuesten Missionsversuche

Von Carl Paul

Missionsstunden von R. W. Dietel, 5. Heft, Leipzig 1901, Seite 127 – 148

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Achte Missionsstunde

Inhalt

  • Die Sendboten der schwedischen Vaterlandsstiftung unter den Kunama an der Massauaküste im Mensalande und Nordabessinien
  • Hoffnungsvolle Anfänge
  • Der Evangelist Tajeleni
  • Hylander in Harrar
  • Neue Missionare im Niltal

1. Kor. 13, 7. Die Liebe verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles.

Abessinien - Seite 127

Abessinien – Seite 127

Die Mission ist ein Glaubenswerk, wenn man die Stellung des Missionars zu seinem Gott und zum Herrn der Kirche ins Auge fasst; sieht man aber auf sein Verhältnis zu den Menschen, denen seine Arbeit gilt, so muss man sie als ein Liebeswerk edelster Art bezeichnen. Die Heiden, Mohammedaner, Juden und wem sonst noch der Segen der Missionsarbeit zugedacht ist, bringen den Glaubensboten oft glühenden Hass oder eisige Kälte entgegen: aber gerade dabei bewährt sich die Liebe, welche ausgeht, das Verlorene zu suchen. Wenn ein Missionar nicht jene Gesinnung im Herzen trüge, von welcher der Apostel Paulus schreibt: „Die Liebe Christi dringet uns also“, er  würde schon nach den ersten vereitelten Versuchen von der selbsterwählten Arbeit abtreten. Nun aber ist die Missionsgeschichte reich an Beispielen unerschrockenen Mutes, unwandelbarer Treue und rührender Geduld, Man kann sie auf den Missionsfeldern fast mit Augen sehen, jene himmlische Erscheinung, die im Hohenliede des neuen Testamentes besungen ist, die Liebe, die alles verträgt, die alles glaubt, alles hofft und alles duldet. Diese von oben stammende Liebe war es, die den Grafen Zinzendorf jene berühmte Grabschrift auf die zehn ersten in Westindien geopferten Missionare dichten ließ:

„Es wurden zehn dahingesät
Als wären sie verloren;
Auf ihren Gräbern aber steht:
Das ist die Saat der Mohren.“

Die Liebe gab den Brüdern Stach und David samt ihren Nachfolgern in Grönland solche Geduld beim Bekehrungswerk unter den stumpfsinnigen Eskimos; sie trieb den edlen Allen Gardiner zu den rohen Feuerländern, unter denen er eines elenden Todes starb, bevor er auch nur einer einzigen Seele aus jenem unwirtlichen Lande den Weg in den Himmelssaal zeigen konnte. Diesen Beispielen selbstverleugnender Liebe, die man noch reichlich vermehren könnte, wenn man die Blätter der Missionsgeschichte aller Zeiten durchforschen wollte, schließen sich auch die auf Abessinien gerichteten Missionsbestrebungen würdig an. Wir haben in den vorigen Missionsstunden gesehen, wie sauer den evangelischen Glaubensboten dort das Leben gemacht wurde, namentlich unter der Regierung des Negus Theodoros II. Die Schreckenstage von Magdala waren gewiss ganz dazu angetan, den Leuten, die es auf die Ausbreitung des Evangeliums abgesehen hatten, die Lust zu erneuten Versuchen zu nehmen. Aber die Liebe verträgt alles, sie glaubet alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Kaum waren die aus der Gefangenschaft Befreiten ihres Weges gegangen, so traten schon neue hervor, um die bisher immer wieder misslungene Aufgabe zu lösen.

Der in den letzten Jahrzehnten eingeschlagene Weg zur Belebung der erstorbenen abessinischen Kirche unterscheidet sich wesentlich von der bisherigen Art und Weise. Die evangelischen Glaubensboten von Heyling bis Flad waren jedes Mal sogleich in die abessinische Hochburg eingezogen und hatten sich darin festzusetzen gesucht. Die, welche jetzt Hand ans Werk legten, begannen mit ihrem Angriff an den Umgebungsmauern der Festung vielleicht weniger nach eigener Wahl und kluger Berechnung, als vielmehr durch die Verhältnisse gezwungen. Zuerst ward vom Roten Meere aus an der Nordostgrenze Abessiniens ein kleines Missionsfeld angebaut; dann kam ein weiterer Vorposten im Süden hinzu. Und schließlich gewinnt die evangelische Mission auch vor dem westlichen Eingangstor des Landes wieder den eine Zeitlang verlorenen festen Punkt in Khartum.

Die Hauptarbeit fiel diesmal den Sendboten der schwedischen Kirche zu. Im Jahre 1861 ward in den Kreisen der Evangelischen Vaterlandsstiftung zu Stockholm, die bis dahin nur der Inneren Mission gedient hatte, der Beschluss gefasst, auch an den Bestrebungen der Heidenmission teilzunehmen. Man fasste verschiedene Gebiete der Heidenwelt nacheinander ins Auge, vereinigte sich aber schließlich in dem Wunsche, der namentlich von Deutschland her beeinflusst war, das Evangelium zu den vom Islam bedrohten, aber zur Zeit noch heidnischen Gallanegern zu tragen. Maßgebend für die ersten Schritte war der Rat des Dr. Krapf, die Schweden sollten eine Mission am blauen Nil oder unter den Völkern an der Nordgrenze Abessiniens beginnen. Diese Gebiete standen zur Zeit unter ägyptischer Oberhoheit, wenigstens dem Namen nach, und da die europäischen Mächte in Ägypten ein Wort mitzusprechen hatten, konnte man dadurch besser über die Anfangsschwierigkeiten hinwegzukommen hoffen. Später sollten sich die Missionare, nötigenfalls mit Umgehung des gerade sehr aufgeregten Abessiniens, den Gallastämmen zuwenden.

Um die Mitte der sechziger Jahre kam es zu der ersten Aussendung. Drei Missionare schwedischer Herkunft, Lange, Kjellberg und Karlsson, von denen der erstere in Basel ausgebildet war, traten mit Beginn des Jahres 1866 von Kairo aus die Reise aufs Missionsfeld an. Man hatte ihnen keine bestimmte Anweisung gegeben, wo ihre erste Niederlassung zu errichten wäre. Sie sollten selbst an Ort und Stelle Entschließung fassen. Es war aber ausgemacht, dass der Ausgangspunkt in Massaua genommen werden sollte. Mit einem ägyptischen Dampfer, der viele Mekkapilger von Suez nach Dschidda beförderte, kamen sie zunächst an die arabische Küste und in weiteren zehn Tagen auf einer Somalibarke nach Massaua. Hier fanden sie einen guten Berater in dem Schweizer Werner Munzinger, der das Gebiet zwischen dem Nil und dem Roten Meere vielfach bereist hatte. Von einer Ansiedelung am Blauen Nil riet er wegen des ungesunden Klimas, des erschwerten Verkehrs mit der Außenwelt und des dort in voller Blüte stehenden Sklavenhandels entschieden ab. Weit günstiger lägen die Verhältnisse bei dem nur zwei oder drei Tagereisen nordwestlich von Massaua wohnenden Mensavolke, das sich, wie die Abessinier, dem Namen nach zum Christentum bekenne. Aber noch mehr empfahl er den Beginn der Missionsarbeit unter dem weiter landeinwärts an der Nordostgrenze Abessiniens sitzenden Kunamavolke.

Munzinger war fünf Jahre vorher dort gewesen und erklärte geradezu, wenn er selbst Missionar wäre, würde er sich in diesem Lande niederlassen. Die Bewohner wären noch ganz heidnisch, verehrten aber keine Götzenbilder. Der Rat des sachkundigen Mannes war entscheidend für die Wahl des Missionsfeldes. Die Glaubensboten stellten mit seiner Hilfe eine Karawane zusammen, zogen von Massaua hinauf nach Keren im Bogoslande, wo sie 20 Tage auf frische Kamele warten mussten, und kamen nach acht Wochen in Mogelo an der Grenze des Kunamalandes an. Hier bekamen sie bereits einen Einblick in die besonderen Schwierigkeiten ihrer künftigen Arbeit. Die Eingebornen klagten bitterlich über die ägyptischen Beamten aus den benachbarten Militärstationen, die mit Abgaben und andern Leistungen kaum zufriedenzustellen wären. Gleichzeitig war aber auch eine abessinische Truppenabteilung da, die für ihren Herrscher Tribut forderte. Das unglückliche Volk sollte also zweien Herren dienen. Die Schweden beschlossen, die nahe bei Mogelo liegende Kunamastadt Tendar zum Ausgangspunkt ihrer Tätigkeit zu machen. Der Vorsicht halber holten sie erst die Genehmigung des in Adiabo residierenden abessinischen Statthalters ein, die ihnen auch gegeben wurde, freilich nur gegen reiche Geschenke. Anfang Juni kamen sie in ihrem Standquartier an. Einige Grashütten, welche die Stadtbewohner zur Verfügung stellten, dienten als erste Wohnstätten.

Die Missionare gingen zunächst ans Sprachstudium, Dabei stellten sich besondere Schwierigkeiten heraus. Es fehlte nicht nur jede, auch die kleinste Vorarbeit, sodass sie den Leuten, unter denen sie sich niederließen, jedes Wort vom Munde ablesen mussten; noch hinderlicher war die Verschiedenheit der Dialekte. Bald zeigte es sich, dass Tendar gar nicht einmal im eigentlichen Sprachgebiet der Kunama lag. Infolgedessen hielten es die drei für richtiger, sich zu teilen. Lange und Kjellberg blieben in Tendar, Karlsson aber siedelte nach dem 1½ Stunde entfernten Oganna über, wo der Kunamadialekt rein gesprochen wird. Das Verhältnis zu den Landesbewohnern gestaltete sich freundlich, aber die Missionare bekamen es bald mit einem unsichtbaren Feinde zu tun, dem Fieber. Lange erkrankte so bedenklich, dass er sich im Dezember 1866 mit schwerem Herzen zur Heimkehr entschloss. Die Freunde in Schweden schickten sofort reichlichen Ersatz. Im nächsten Frühjahr kamen bereits drei neue Missionare in Massaua an und erreichten bald darauf, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, die beiden Freunde im Kunamalande. Mit ihrer Hilfe ward noch ein dritter Ort, zwischen Tendar und Oganna gelegen, besetzt, der den Namen Frida, d, h, Friedensort, erhielt. So die schwedische Benennung; die Eingebornen aber nannten ihn Kokobita (d. i. ohne Blut) oder Ausasoka (Milchstadt). Ja zufolge einer Einladung der Landesbewohner ließen sich die Missionare gegen Ende des Jahres sogar zur Anlage einer vierten Station in Kulluko bewegen. Für die nötigen Arbeitskräfte sorgte die opferwillige Vaterlandsstiftung. Sie sandte im Jahre 1868 neun Missionsgeschwister (sieben Männer und zwei Bräute) auf einmal. Die Verstärkung war umso willkommener, weil das Klima schon wieder schwere Opfer gefordert hatte. Karlsson und Olof Hedin starben am Fieber, letzterer nach nur einjährigem Aufenthalt im Lande. Die Überlebenden aber konnten auch nur mit halber Kraft arbeiten. Ihre vier Stationen waren zeitweise in ebenso viele Krankenhäuser verwandelt. Darunter musste natürlich die begonnene Missionsarbeit, von der noch nicht viel Frucht zu sehen war, leiden. Dennoch lauteten die nach Schweden gesandten Berichte nicht hoffnungslos. Die Missionare glaubten das Vertrauen des Kunamavolkes gewonnen zu haben. Da wurden sie plötzlich auf grausame Weise eines Andern belehrt, Sie lebten, wie schon oben angedeutet, in einem Lande, auf das der in Nord-Abessinien residierende Statthalter in gleicher Weise Anspruch erhob, wie der Khedive von Ägypten. Dadurch waren sie schon wiederholt in schwierige Lagen gekommen. Die ägyptischen Befehlshaber der Grenzfestungen nötigten sie sogar, in ihrem Auftrage Steuern einzunehmen. Nur um diesen Preis durften sie im Lande verweilen, als dessen Machthaber sich jene gebärdeten. Und mit den abessinischen Statthaltern gab es ebenfalls peinliche Auseinandersetzungen, wenn es galt, für das Kunamavolk, das auch gern einmal in das Nachbarland auf Raub ausging, als Friedensvermittler einzutreten. Sie konnten es schließlich, wie es den Zwischenhändlern oft geht, beiden Parteien nicht recht machen. Als im Januar ein Raubzug der Ägypter das ganze Land in Aufregung brachte, verwandelte  sich die scheinbare Freundschaft der Kunama in bitteren Hass. Einige Häuptlinge des Volkes, die es mit den Missionaren gut meinten, rieten zu schleuniger Abreise. Die Glaubensboten, in der Mehrzahl von Krankheit geschwächt, wussten kaum, wie ihnen geschah. Sie packten schnell das Notwendigste zusammen und flüchteten unter unsäglichen Schwierigkeiten aus dem undankbaren Lande. Im Februar 1870, vier Jahre nach dem Beginn der Kunamamission, zogen sie betrübten Herzens wieder in Massaua ein. Ihre Hoffnungen waren geknickt, wie die Halme eines jungen Saatfelds nach schwerem Hagelschlag. Ihre Vertreibung hatte übrigens noch ein verdrießliches Nachspiel. Es war gerade ein Nachschub von Missionsleuten aus der Heimat unterwegs: drei Männer und eine Missionarsbraut. Diese hatten lange in Ägypten warten müssen und als endlich ein Dampfer sie von Suez mitnahm, konnten sie nicht weiter, als bis Suakin gelangen. Nach Massaua war keine Fahrgelegenheit ausfindig zu machen. Unter diesen Umständen hielt es Ingenieur Ahlborg, der Führer der kleinen Schar, für gerate auf dem  Landwege von Suakin über Kassala nach Tendar zu reisen. Es war ein höchst beschwerlicher Zug. Nach einem 26-tägigen Wüstenritt auf dem Rücken von Kamelen kamen sie in Kassala an. Hier erreichte sie die niederschmetternde Nachricht, dass die Mission ihrer Brüder unter dem Kunamavolke zerstört war. Sie sahen sich nun genötigt, auf demselben mühsamen Wege zur Küste zurückzukehren und mit der nächsten Schiffsgelegenheit nach Massaua weiter zu reisen.

Was sollte nun das schwergeprüfte Häuflein der Missionsgeschwister anfangen? Dass die aus dem nordischen Klima stammenden Männer und Frauen auf die Dauer im Glutofen von Massaua blieben, schien ausgeschlossen. Aus der schwedischen Heimat kamen Anfragen, denen der Gedanke an ganz neue Missionsfelder zu Grunde lag, aber die Missionare baten, das einmal gesteckte Ziel nicht aus den Augen zu lassen, „Gebt Afrika nicht auf!“ schrieben sie zurück. Wieder war Konsul Munzinger ihr Berater. Er drang darauf, sie sollten nun auf jeden Fall den Eingang ins Hochland von Abessinien zu gewinnen suchen, und empfahl sie an den Statthalter von Hamasen, der nördlichsten Provinz Abessiniens. Sie machten sich dorthin auf den Weg und wurden auch angenommen. Ihre dauernde Niederlassung im Lande hing aber von der Zustimmung des Negus Johannes ab, der nach Theodoros II. zur Herrschaft gekommen war. Es dauerte lange, ehe man klar sehen konnte, wie er sich zu dem Missionsunternehmen stellte. Die beiden Missionare Swensson und Karlsson, die mit ihm verhandeln sollten, wurden von 1877 – 79 in Adua hingehalten, und als ihnen endlich die erbetene Audienz vom Negus bewilligt wurde, schien alle Hoffnung auf Abessinien gänzlich zerstört. Johannes wollte von einer Mission der Schweden in seinem Lande nichts wissen, da er nicht zweierlei Evangelium unter seinem Volke haben mochte. Die Arbeit an den Falascha habe er bereits Flads Schülern übergeben, sagte er, also könne er weitere evangelische Glaubensboten nicht brauchen.

So sahen sich die Missionare also wieder hinunter an die heiße Küste gedrängt und haben mit rührender Geduld dort ein kleines, aber stetig sich ausbreitendes Missionswerk in Angriff genommen. Neben Massaua ward das am Fuße der Berge liegende Eilet ihr Arbeitsplatz. Dort sprudeln heilkräftige Quellen, an denen sich Leidende aller Art aus den verschiedenen Teilen Abessiniens, ja auch von weiter her, einstellen. Die Missionare Lager und Hedenström richteten bei den Heilquellen ein Krankenhaus ein und suchten sich dadurch die Mühseligen und Beladenen aus dem Lande zu Freunden zu machen. In der Tat verfehlte die Sprache der Liebe auch diesmal ihre Wirkung nicht. Es knüpfte sich eine Verbindung nach der andern an, die für das spätere Vordringen lehrender Missionare von Wert war. Neben der Krankenpflege ward in Eilet auch eine Schule eingerichtet, und so oft Handelskarawanen an der Station vorüberzogen, hielt einer der Missionare eine Predigt an die Leute. Auch war man auf Verbreitung der Bibel und anderer christlicher Schriften bedacht. Von einem sichtbaren Erfolge konnte dabei zunächst freilich kaum die Rede sein. Genug, dass die edlen Samenkörner des Glaubens und der Liebe nach allen Seiten hin ausgestreut wurden.

Ein Teil der Missionsgeschwister war in Massaua zurückgeblieben und suchte sich Arbeit. Dem Missionar Lundahl gelang es, eine Anzahl Kinder zum Schulunterricht um sich zu sammeln. Es waren die Ärmsten der Armen in der schmutzigen Küstenstadt, teils vater- und mutterlose Kinder, teils Sklaven. Nach der Sitte der Eingeborenen sass da der Missionar auf einer am Boden liegenden Matte und die Schüler im Kreise rings um ihn her. Aus diesem unscheinbaren Anfange ging nach einigen Jahren eine Art Evangelistenseminar hervor, das im Jahre 1879 nach dem wasserreichen und gesünderen Monkullu, 1½ Stunden von Massaua gelegen, verlegt ward. Weil die Missionare nicht wussten, ob ihnen nicht für immer der Eingang in Abessinien und dem weiteren Inlande versagt bleiben würde, waren sie darauf bedacht, eingeborene Jünglinge als Evangelisten für ihre Heimat auszubilden. Die Folgezeit hat diesen Gedanken als einen sehr glücklichen erwiesen. Unter Lundahls ersten Schülern befand sich ein Gallaknabe mit Namen Nesib, der in seiner frühesten Jugend als Sklave aus seiner Heimat entführt worden war. Einer seiner Besitzer kam nach Massaua. Dort sah der Bursche zum ersten Mal weiße Leute und fürchtete sich schrecklich vor ihnen, weil man ihm gesagt hatte, sie wären Menschenfresser. Durch eine besondere Fügung fand er aber Aufnahme in die Missionsschule und wurde Ostern 1872 getauft. Er erhielt den christlichen Namen Onesimus. Gleichzeitig wurde auch ein junger Mohammedaner, der von nun an Nathanael hieß, in die christliche Gemeinschaft aufgenommen. Das waren die beiden Erstlinge der schwedischen Mission. Onesimus verriet besondere Begabung. Sein Lehrer gab ihm daher den sorgfältigsten Unterricht und sandte ihn vier Jahre später zur weiteren Ausbildung nach Schweden. Der christliche Gallajüngling hat seinerzeit in den europäischen Missionskreisen viel von sich reden gemacht. Die auf seine Unterweisung verwandte Mühe ward später reichlich belohnt. Nach Afrika zurückgekehrt half er zuerst in der Schule und Übersetzungsarbeit; hernach aber hat er eine Brücke für das Evangelium in seine Gallaheimat gebaut. Wir werden später noch von ihm hören.

Etwa 15 Jahre harrten die Schweden in der ungesunden Niederung der Massauaküste aus. Ihre Reihen wurden in dieser Zeit durch das schädliche Klima wiederholt furchtbar gelichtet. Ihr Begräbnisplatz, der zum Schutz gegen die Hyänen besonders fest ummauert werden musste, füllte sich schnell. Um einem massenhaften Sterben vorzubeugen, wechselte die Vaterlandsstiftung die Missionsleute nach einiger Zeit gegen solche aus, die in gesünderen Gegenden, etwa als Seemannspastoren in Alexandria stationiert wurden, aber auch bei dieser Vorsicht blieben die schmerzlichsten Verluste nicht aus. Nimmt man noch die Invaliden hinzu, die mit gänzlich gebrochener Gesundheit in die Heimat zurückkehrten, so kann man die schwedische Massauamission wohl zu den opferreichsten afrikanischen Missionsunternehmungen zählen.

Endlich schlug die Stunde der Erlösung. Wie oft hatten die Missionare sehnsüchtige Blicke zu den kühlen Bergen in ihrer Nähe hinaufgesandt! Einige hatten sich, wie wir oben sahen, auch mutig in die verrufene abessinische Löwenhöhle begeben, ohne doch einen günstigen Bescheid erlangen zu können. Da traten politische Ereignisse ein, die ihnen die Wege ebneten. Als unter den europäischen Mächten der Wettlauf um den afrikanischen Kolonialbesitz begann, suchte auch Italien einen Anteil zu gewinnen, und zwar richtete es seine Blicke auf Abessinien. Massaua ward zum Ausgangspunkt einer italienischen Expedition gemacht. Die selbstbewussten Abessinier stellten den Eindringlingen freilich entschlossenen Widerstand entgegen. So leicht, wie in andern Teilen Afrikas, war die Festsetzung hier  nicht. Es gab hartnäckige Kämpfe, in deren Verlauf die europäische Truppe wiederholt bis ans Rote Meer zurückgejagt wurde. Dennoch gelang es den Italienern sich zu behaupten und ihre Kolonie Eritrea zu begründen, deren Stützpunkte gegenwärtig bei Massaua und in Kassala liegen. Unter dem Schutze der freilich immer noch nicht auf festen Füßen stehenden Europäer-Herrschaft gelang es den Missionaren, ihre Vorposten wieder in die Berge hinaufzusenden. Der letzte Regierungswechsel in Abessinien scheint auch für die Mission günstigere Zustände herbeigeführt zu haben. Der jetzige König Menelik, welcher seinen Thron der Begünstigung durch die Italiener verdankt, nimmt keine feindliche Stellung mehr zu den Glaubensboten ein, sodass man sich der Hoffnung hingeben darf, dass endlich auch Abessinien dem Evangelium erschlossen wird.

Es würde zu weit führen, wollten wir das Vordringen der mutigen Schweden in die abessinischen Berge im Einzelnen verfolgen. Wir müssen uns mit einem Überblick über den gegenwärtigen Bestand ihrer Arbeit begnügen. Was wir da sehen, ist umso erfreulicher, weil sie anfangs mit so großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Ohne Rückschläge ist es natürlich auch in neuerer Zeit nicht abgegangen, aber der Stand ihres Werkes ist gegenwärtig hoffnungsvoller denn je.

Es sind zwei Gebiete zu unterscheiden, die Tigremission und die im eigentlichen Abessinien. Zur ersteren werden alle Niederlassungen gezählt, die wir bisher kennen lernten. Da ist Monkullu mit einer kleinen Gemeinde von 14 Seelen zu nennen; von hier aus wird das ungesunde Massaua als Filialstation bedient. Infolge des aufreibenden Klimas haben sich die Europäer ganz aus beiden Orten zurückgezogen und die Arbeit den eingeborenen Gehilfen überlassen. Eine Zeitlang stand in Monkullu die Missionsdruckerei, sie ist aber neuerdings auf einer der Bergstationen aufgestellt. Besonders lebhaft ging es in der Schule zu, als die Italiener sich bei Massaua festsetzten. Sie befreiten eine Menge Sklavenkinder und übergaben sie den Missionsleuten zur Erziehung. Im Jahre 1886 kamen 30 Gallakinder auf einmal in ihre Hände. Die armen Kleinen wussten sich zuerst gar nicht in ihre Freiheit zu finden, waren dann aber für die entgegengebrachte Liebe sehr dankbar. Es wurden ihrer im Laufe der Jahre viele getauft, in der Adventszeit 1888 einmal acht zugleich.

Der Badeort Eilet, an dessen Namen sich manche schöne Erinnerung knüpft, hat wieder aufgegeben werden müssen. Die Gegend wurde mit einemmale so von Krankheiten heimgesucht, dass der Kurort fast ganz ausstarb.

Dafür ist das höher gelegene Geleb im Mensalande eine aufblühende Station geworden, auf der im Jahre 1899 eine neue Kirche eingeweiht werden konnte. Ihr Vorsteher, Missionar Rodén, sieht seine Herde jährlich wachsen. Er hat 47 Gemeindeglieder, besondere Hoffnungen setzt er aber auf sein Knabenheim mit 22 Insassen und seine beiden Schulen mit 35 Knaben. Es handelt sich hier, wie oben schon erwähnt, um eine namenchristliche Bevölkerung, die aber, von jeder größeren Gemeinschaft losgelöst, in Gefahr ist, vom Islam aufgesogen zu werden. Die Einwohner gehören teilweise zum Amharastamm, doch sind sie ohne Priester und Führer. Infolgedessen machte der Islam sichtliche Fortschritte. Die Mission kommt hier gerade zu rechter Zeit, um das Völkchen ihm zu entreißen. Leider haben die Missionare mit großem Stumpfsinn zu kämpfen. Die Eingeborenen beantworteten ihre Aufforderung, ein neues Leben zu beginnen, mit den niederschlagenden Worten: „Niemand kann das tun, was ihr sagt; wir sind wie das Vieh. Rauben, stehlen, unsere eigenen Wege gehen – das haben wir bisher getan.“ Und als sie vor dem Islam gewarnt wurden, antworteten sie: „Gott hat Mohammedaner wie Christen geschaffen; für die einen ist Muhammed, für die andern Christus; wer selig wird, das weiß Gott allein.“ Wer hört hier nicht das berühmte Kismet der Araber hindurchklingen? Es ist eine mühsame Arbeit, die an diesem kleinen Volke getan wird. Unter solchen Umständen freut man sich mit den wackeren Missionaren über jeden kleinen Fortschritt.

Gehen wir nun zu den Stationen im eigentlichen Abessinien über. Es sind drei: Zazega, Bellesa und Asmara. Die schwedische Mission arbeitete anfangs nach dem Grundsatz, keine eigenen Gemeinden zu bilden, sondern nur durch Evangelisation die abessinische Kirche zu beleben. Aber der Widerstand der eingebildeten Priesterschaft zwang schließlich dazu, ganz nach der Art wie auf andern Missionsfeldern zu verfahren, nur dass den eingeborenen Evangelisten hier im Wesentlichen die Aufgabe der Pfadfinder zufällt. Es zeigt sich immer mehr, dass es ein guter Griff war, Knaben aus dem Lande in  den Missionsanstalten von Monkullu und anderswo zu erziehen und dann wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Die drei genannten Stationen sind in ihrer Entwickelung ungefähr gleichweit fortgeschritten, Zazega, bei dessen Gründung die Italiener wertvolle Hilfe leisteten, hat nach dem letzten Bericht 114 Gemeindeglieder, im Jahre 1899 konnten 16 Taufen vollzogen werden. Neben der Evangelisation unter den abessinischen Christen gibt es also auch noch reine Missionsarbeit. Bellesa ist mit Missionsleuten besonders reich besetzt. Neben dem Dr. med. Karl Winqwist, der die Station leitet, finden wir hier einen verheirateten Missionar, eine europäische Lehrerin und eine Diakonisse. Es gibt aber auch viel Arbeit. Die Gemeinde zählt 121 Glieder. In der Umgegend, besonders auf der Außenstation Schumanegos, wird die Evangelisationspredigt gern gehört. In Bellesa selbst befindet sich ein Mädchenheim mit 33 Insassen. Asmara endlich ist als der wichtigste Ort des ganzen Gebiets zu bezeichnen. Hier liegt ein Stützpunkt der italienischen Macht; leider haben sich auch die Römischen festgesetzt und eine prächtige Kirche gebaut. Wenn man bedenkt, wie oft sie im Verlauf der abessinischen Geschichte offenkundige und versteckte Angriffe gegen die evangelische Mission ins Werk gesetzt haben, bringt man ihnen bei jeder Begegnung Misstrauen entgegen. Die evangelische Station ist mit vier Missionaren besetzt, die Gemeinde zählt nahe an 100 Seelen, für die eben eine neue Kirche gebaut wird. Die alte wurde vor einigen Jahren durch Blitzschlag eingeäschert, wobei eine Diakonisse erschlagen und der leitende Missionar Ivarson betäubt ward. Von besonderer Wichtigkeit für das ganze Missionswerk ist die in Asmara stehende Druckerei, aus der schon allerlei Drucksachen, wie Fibeln, Biblische Geschichten, ein Gesangbuch, Katechismen und andere Erbauungsschriften hervorgegangen sind. Die Missionare, welche der Landessprache mächtig sind, lassen es an Übersetzungsarbeit nicht fehlen.

Eine erfreuliche Erweiterung erfuhr die Mission kürzlich in das früher schon besetzte, aber bei politischen Unruhen notgedrungen aufgegebene Kunamaland. Es kam erst zur Besetzung der Grenzstation Agordat durch Missionar Nilsson. Auch hierzu ebnete die italienische Besetzung des Landes die Wege.

Der genannte Missionar machte Reisen ins benachbarte Kunamaland, wobei er die uns von früher her bekannten Orte Kulluko und Tendar aufsuchte. Er fand dort noch Reste der ehemaligen Niederlassungen und beim Volke eine gute Erinnerung an die schwedische Mission. Infolgedessen ward Kulluko zur Station erhoben. Die Leute stellen sich freundlich zu den schwedischen Brüdern, die sich besonders freuten, als sie sahen, dass sie einzelne schwedische Brocken im Gedächtnis behalten hatten und bei der Begrüßung sagten: „Ihr seid unsere Freunde. Ihr habt uns Gutes getan.“ Nach den früheren Erfahrungen werden die Brüder freilich vorsichtig sein müssen, denn, wie damals, kann auch jetzt die Freundschaft leicht wieder ins Gegenteil umschlagen.

Für die Art, wie die Evangelisation in Abessinien durch eingeborene Gehilfen getrieben wird, möge schließlich ein Beispiel hier Platz finden. Der tüchtigste unter diesen Evangelisten ist zurzeit Tajelenj Gebra Mariam. Seine Heimat ist Amhara. Schon in jungen Jahren hatte er äthiopisch gelernt und die in dieser Sprache geschriebene Bibel gelesen. Tiefer angelegt und geistig regsam, wie er war, fühlte er sich von der Bibelauslegung seiner abessinischen Lehrer nicht befriedigt. Er kam im Alter von 18 Jahren nach Monkullu und ließ sich in die schwedische Missionsschule aufnehmen. Mit großem Eifer studierte er die ihm dort zugänglichen amharischen Bücher. Für das, was die Missionare ihm gaben, leistete er ihnen Gegendienste bei der Übersetzung der Gerlachschen Bibelerklärung ins Amharische. Die damit verbundene Versenkung in die evangelische Geschichte förderte ihn sehr und ließ in ihm den Wunsch rege werden, die so erworbenen Kenntnisse seinen Landsleuten mitzuteilen. Weil er aber fürchtete, er möchte ohne genaue Kenntnis der äthiopischen Literatur nicht imstande sein, mit ihnen erfolgreich zu disputieren, begab er sich ganz in der Stille auf drei Jahre nach Amhara zurück und studierte in den Klöstern die theologischen Werke der Abessinier. Als er auch in diesen Schriften Bescheid wusste, kehrte er nach Monkullu zurück. Er erhielt dort eine Stellung als Lehrer an der Knabenschule und verfasste jetzt eine gelehrte äthiopisch-amharische Grammatik, wo-durch er sich zum Range eines Alaka (etwa unserm Doktortitel entsprechend) emporarbeitete. Nach einiger Zeit gab er die Schularbeit auf und wurde Evangelist. Als solcher kehrte er nun in sein Heimatland zurück und erregte hier Aufsehen. Der Statthalter Mengescha fand besonderes Wohlgefallen an seiner Tätigkeit. Die abessinischen Priester und Gelehrten waren ihm freilich umso weniger zugetan. Sie stempelten ihn zu einem Irrgeist und gedachten ihn so bei seinem Gönner zu verdächtigen, erreichten aber ihre Absicht nicht. Der Statthalter fand Gelegenheit, einer großen Disputation zwischen dem Evangelisten und den Priestern beizuwohnen, wobei sich Tajelenj seinen Widersachern entschieden überlegen zeigte. Daraufhin empfahl Mengescha seinen Schützling an den Negus Menelik und auch dieser stellte sich auf die Seite des Evangelisten. Er gab ihm einen mit dem kaiserlichen Siegel versehenen Schutzbrief mit, um ihm eine ungehinderte Wirksamkeit zu sichern. Der Negus soll bei der Audienz sogar die Worte gesprochen haben: „Sei guten Muts und fürchte dich nicht! In dieser Sache hast du keinen Grund, besorgt zu sein. Wer die Bibel hochhält, der ist in meinem Reiche nicht gehasst.“

Sind das nicht hocherfreuliche Zeichen für den Anbruch einer neuen Zeit? Wenn man weiter hört, dass einer der abessinischen Statthalter, Ras Makonnen, sich von jedem aus der Missionsdruckerei hervorgehenden Buche ein Exemplar ausgebeten hat und dass Missionar Svensson eine Sendung neuer Testamente für den Kaiser, die Kaiserin, den Abuna und die Statthalter vorbereitet, so muss tatsächlich jetzt eine bessere Stimmung für das Evangelium unter den Großen des Landes vorhanden sein, als seit langer Zeit. Und auch in den niederen Schichten des Volkes scheint es zu gären. Von manchen Orten, deren Namen bisher gänzlich unbekannt waren, hört man, dass die Zusammenkünfte der Leute ganz von selbst zu biblischen Besprechungen werden. In Schumanegos haben sich die Evangelischen, weil sie ausgestoßen wurden, ein eigenes Versammlungshaus gebaut. Das sind lauter frohe Botschaften. Es ist freilich eine Freude mit Zittern, wenn man an die  großen Rückschläge früherer Zeiten gedenkt. Aber die unverkennbaren Erfolge der schwedischen Brüder können doch auch das Morgenrot einer neuen Zeit sein, in der das  lange unterdrückte Evangelium endlich als das sieghaft scheinende Licht auf den Leuchter gestellt wird. Es ist lange nach dem Johanneswort gegangen: „Das Licht scheinet in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen.“ O möchte nun das Paulus-Wort zur Wahrheit werden: „Ihr waret weiland Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn!“

Werfen wir zum Schluss noch einen flüchtigen Blick auf die Missionsversuche, die an den anderen Grenzen Abessiniens ins Werk gesetzt worden sind. Sie kommen der schwedischen Mission an Umfang und Bedeutung bei weitem nicht gleich, auch haben sie es nicht eigentlich auf die Abessinier abgesehen. Es kann aber doch nicht ohne Einfluss auf die Stellung dieses Volkes zum Evangelium bleiben, wenn sich auf allen Seiten Brennpunkte evangelischen Glaubens und Lebens zeigen.

Hier ist vor allem die von dem schwedischen Massaua-Unternehmen abgezweigte Gallamission zu nennen. Wir entsinnen uns des Gallajünglings Onesimus, den die Missionare als einen ihrer Erstlinge in Massaua taufen konnten. Sie sahen ihn als ein von Gott gesandtes Werkzeug an, mit dessen Hilfe sie ihrem eigentlichen Ziele, unter den Gallanegern zu missionieren, näher treten konnten, Tatsächlich hat er ihnen in dieser Richtung die wertvollsten Dienste geleistet. Jahrelang half er ihnen beim Unterricht an den in ihre Schulen aufgenommenen Gallakindern, Dann wurde er der Sprachlehrer des Missionars Hylander, der zu den Galla gehen sollte. Von größtem Werte aber waren seine Übersetzungsarbeiten. Die in der Druckerei zu Monkullu gedruckte Übersetzung des neuen Testaments in der Gallasprache ist sein Werk. Überdies verdankt man ihm die Aufzeichnung vieler Gallalieder, die Vorarbeiten zu einem Wörterbuch und vieles andere.

Das Beste aber sollte noch kommen. Die Vaterlandsstiftung gedachte eine Missionsexpedition ins Gallaland zu schicken, und Onesimus sollte ihr Führer sein. Ein kleiner Anfang war schon vorhanden. Im Jahre 1877 verließen drei eingeborene Männer, die in der Schule zu Massaua ihre Ausbildung empfangen hatten, die dortige Missionsstation, um auf den gewöhnlichen Reisepfaden durch Abessinien das Gallaland zu erreichen. Es war der von dorther stammende Emanuel und die beiden Abessinier Negusie und Johannes. Unangefochten durchwanderten sie weite Gebiete, die jedem Europäer verschlossen waren, und  ließen sich erst eine Zeitlang in der noch zu Abessinien gehörigen Provinz Godscham, später aber endgültig zu Djimma im Gallalande, westlich von Schoa nieder. Anfangs erhielt man ab und zu durch reisende Kaufleute Nachricht; als aber Abessinien wieder einmal in Aufregung geriet und die Wege unsicher wurden, hörte man nichts mehr von ihnen. Nach den Absichten der Vaterlandsstiftung sollten sie nur Vorläufer eines größeren Unternehmens sein, dessen Ausrüstung mit Eifer betrieben wurde. Der Missionar Arrhenius war dazu ersehen, den Plan zu verwirklichen; ein zweiter Missionar Pohlman und Onesimus sollten ihn begleiten.

Den geraden Weg ins Gallaland durch Abessinien konnten sie aus Gründen der Sicherheit nicht einschlagen. Daher wählten sie den Umweg über Ägypten. Sie kamen auch glücklich nach Khartum und noch eine Strecke den Blauen Nil hinauf bis Famaka, der letzten ägyptischen Grenzstation gegen das Gallaland. Hier wurden sie aufgehalten. Es schienen dabei politische Machenschaften im Spiel zu sein. Zu den vereitelten Hoffnungen kam schwere Krankheit. Arrhenius starb und ward in Khartum begraben. Auch Pohlmans Gesundheit war so erschüttert, dass er nach Schweden zurückkehren musste. Onesimus, der ebenfalls dem Tode nahe gewesen war, kehrte nach Massaua zurück.

Die Missionsgesellschaft ließ sich dadurch nicht abschrecken. War die Expedition von Norden her nicht an ihr Ziel gelangt, so war es vielleicht von Südosten her möglich. Im Anfang 1895 machte sich Missionar Hylander auf und ging über Zeila nach Harrar, einem wichtigen Knotenpunkt des Verkehrs südlich von Abessinien. Der dort gebietende Statthalter Makonnen gestattete ihm gern, in der Stadt zu wohnen, nachdem der bei ihm gut angeschriebene Gobao Desta, ein Angestellter der britischen Bibelgesellschaft, sich für ihn verwandt hatte, Hylander sah den Aufenthalt in Harrar nur als Durchgangsposten oder Beobachtungsstation an. Er suchte durch ärztliche Hilfe das Vertrauen der Leute zu gewinnen. Aber statt von hier weiter zu den Galla vorzudringen, musste er nach 20 Monaten aus dem Lande weichen, wie es hieß, infolge einer durch den Negus Menelik verfügten Ausweisung, nach Hylanders Überzeugung aber, weil die Katholiken, die in Harrar auch eine Niederlassung besaßen, gegen ihn hetzten. Es waren gerade die Jahre, wo die Kämpfe zwischen Italienern und Abessiniern am heißesten tobten, für das Friedenswerk der Mission eine sehr ungünstige Zeit. Auch dieser Versuch, das Evangelium zu den Galla zu tragen, schlug also fehl. Aber Hylanders Aufenthalt in Harrar hatte der Missionsgesellschaft doch etwas eingetragen: zuverlässige Nachrichten über den Verbleib der im Jahre 1877 von Massaua aufgebrochenen eingeborenen Evangelisten. Eines Tages erschien im Missionshause zu Harrar ein von Gallanegern begleiteter Mann namens Woldo Mariam, der bei den nahegelegenen Heilquellen Genesung suchte. Es war, wie sich herausstellte, der Bruder des Negusie, eines jener Evangelisten. Hylander erfuhr nun, dass die drei christlichen Männer, denen später noch ein vierter, Ajane, zu Hilfe geschickt worden war, zwar vollständig von der Außenwelt abgeschnitten lebten, aber sich als treue Zeugen ihres Glaubens bewiesen. Sie hatten, wie gesagt, in Djimma und zwar in der Hauptstadt Djiren, ihre Wohnung aufgeschlagen. Einer von ihnen, Negusie, war zu besonderem Ansehen und Wohlstand gelangt und zu einem einflussreichen Posten beim Landesfürsten Abadjifar emporgestiegen. Sie erhielten Freiheit zu lehren und hatten mit der Zeit eine kleine Gemeinde von etwa 69 Seelen um sich gesammelt. Was seitdem aus diesem christlichen Häuflein geworden ist, das ganz von Mohammedanern umgeben lebt, darüber hat in den letzten Jahren kein Bericht wieder Europa erreicht. Man darf aber hoffen, dass sie, die an die 20 Jahre ihren Glauben unter sehr schwierigen Verhältnissen bewahrten, auch bei den jetzigen friedlichen Zeiten Treue halten, sodass, wenn die Vaterlandsstiftung wieder Boten zu den Galla schickt, aus dem Funken von Djimma ein scheinendes Licht werden kann.

In den letzten Jahren ist auch auf der Westseite Abessiniens wieder eine Missionsstraße eröffnet worden. Man glaubte schon vor 20 Jahren dort den Anbruch einer neuen Zeit kommen zu sehen. Der bekannte Gordon Pascha hielt damals die mohammedanischen Horden im Zaum und sicherte auch den christlichen Glaubensboten den freien Zugang zu den Gebieten des oberen Niltals. Eine Zeitlang reisten sogar die für Innerafrika (Uganda) bestimmten Missionare über Kairo und Khartum. Es schien, als wollte der Traum von einer Apostelstraße durch den dunkeln Erdteil schon am Ende des 19. Jahrhunderts zur Wahrheit werden. Da kam der furchtbare Rückschlag durch das Auftreten des Mahdi. Das bedeutsamste und zugleich traurigste Ereignis dieser Zeit war der 1885 erfolgte Tod des „Helden von Khartum“. Infolgedessen blieb der Nilweg als Missionsstraße bis zur Jahrhundertwende geschlossen. Endlich gelang es dem von Lord Kitchener geführten ägyptischen Heere, die fanatischen Scharen des Mahdi zu zerstreuen und Khartum wieder zu besetzen. Auf den Kriegsmann aber folgten alsbald die Glaubensboten. Die Kirchliche Missionsgesellschaft zu London, die schon so viele Opfer für diesen Teil Afrikas gebracht hat, schickte zwei Missionare, Dr. Harpur und Rev. Gwynne, aus, um die jetzigen Verhältnisse im Niltal zu erkunden. Sie haben in Omdurman, das hart neben den Ruinen von Khartum liegt, eine Station errichtet. Um den kaum beschwichtigten Fanatismus der Mohammedaner nicht wieder zu erregen, begnügten sie sich vorläufig damit, Gottesdienste für die dort wohnenden Engländer einzurichten. Der erste wurde zu Weihnachten 1899 in dem ehemals vom Mahdi bewohnten Palast gehalten. Ihre Gedanken sind aber auf ein anderes Ziel gerichtet. Sie haben bereits eine sechswöchentliche Erkundigungsreise aus-geführt, wobei sie den Blauen Nil aufwärts bis nach Sennar gelangten. Sie näherten sich also der Westgrenze Abessiniens. Wenn der Friede erhalten bleibt, hoffen sie das Evangelium unter  die Volksstämme des oberen Niltals tragen zu können. Dadurch würde ein neues Glied in der christlichen Kette geschaffen, die sich auf allen Seiten um Abessinien legen soll.

Die abessinische Missionsgeschichte hat, so alt sie auch ist, doch nur sehr wenige sichtbare Erfolge aufzuweisen. Es gab Zeiten, wo die Hoffnungen der Missionskreise, die das Evangelium in das schöne afrikanische Bergland sandten, hochgespannt waren. Aber diese frohen Erwartungen wurden bald von Rückschlägen und schmerzlichen Enttäuschungen abgelöst. Die tiefsten Schatten lagen in den Schreckenstagen von Magdala über dem Missionswerke. Seitdem sind wieder einzelne Strahlen der Morgenröte am dunkeln Himmel aufgegangen. Wir wollen von dem Lande voll Sünde und Not mit der Hoffnung scheiden, dass ihm endlich ein Tag des Heils beschieden ist.

König Jesu, streite, siege,
Dass alles bald dir unterliege,
Was lebt und webt in dieser Welt!
Blick‘ auf deine Friedensboten,
Lass wehen deinen Lebensodem
Durch dieses ganze Totenfeld!
Erhöre unser Flehn
Und lass es bald geschehn!
Amen! Amen!
So rühmen wir
Und jauchzen dir
Ein Halleluja für und für.
Amen.


Anmerkungen

Missionaries and marriage

… The prospective wife therefore had to be scrutinized and approved by the Board before being accepted. The first women were sent in October 1868 at the request of two missionaries. The issue had first been discussed both by the Board and by the Committee for Foreign Mission. Missionaries Englund and Kjellberg had written from Eritrea to ask the Board to send them wives, suggesting the two teachers Sofia Löwendahl and Maria Carlsson. The request was approved and the two prospective brides were sent to Ethiopia already the same autumn. The marriages took place according to the Swedish ceremonial. … Maria Kjellberg nee Carlsson, who became widowed after having been married only two months, because her husband was murdered on 17 April 1869. On 26 October 1869 she gave birth to a son who died on November 1. Maria Kjellberg herself died on 6 November 1869 so she was already dead when the Board decided to give Lundholm a warning because of his engagement… P.E. Kjellberg b. 1837 d. 1869, Lay missionary. Arrived in Eritrea in 1866. In Febr. 1869 married Maria Karlsson d. 1869, Primary school teacher.

Quelle


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