Sep 122013
 

Noch allerlei aus Ahmednagar

Die drei Lager in Ahmednagar sind einem älteren Oberstleutnant als dem Lagerkommandanten unterstellt. Ich hatte stets von ihm den Eindruck, dass er die Gefangenen mit Milde zu behandeln sucht und keinerlei persönliche Gehässigkeit gegen sie an den Tag legt. Mir gegenüber hat er sogar manche Liebenswürdigkeit gezeigt. So hat er zum Beispiel alles getan, um einen Urlaub nach Kodaikanal für mich zu erwirken, als uns im April 1915 dort ein kleiner Sohn geboren wurde. dass daraus nichts wurde, lag an dem ungünstigen Bericht des amerikanischen Missionsarztes in Kodaikanal, der meine Frau behandelte. Aus Furcht vor den Engländern hat er durch falsche Angaben mein Gesuch vereitelt. Er war zugleich der Prinzipal der Schule für Missionarskinder in Kodaikanal (auf den Palnibergen) und hat Anfang 1916 meine beiden Knaben lediglich deswegen, weil es deutsche Kinder sind, aus der Schule gestoßen, nachdem er noch kurz vorher als Zeichen nachbarlicher Freundschaft unverlangt meiner Familie Christbaumschmuck ins Haus geschickt hatte.

Der Lagerkommandant macht einen sehr einfältigen Eindruck. Deutschland ist ihm ein völlig unbekanntes Land. Von den Bayern dachte er, sie seien ein wildes Bergvolk, also könnten sich die Deutschen nicht darüber beklagen, dass England und seine Verbündeten auch wilde Volksstämme gegen die Deutschen aufböten. Er ist ein „ranker“, einer, der von der Pike auf gedient hat und im Südafrikanischen Kriege zum Offizier befördert wurde. Der alte Herr weiß kaum in seinem eigenen Gefangenenlager Bescheid. Um so mehr liegt alles in der Hand des Adjutanten, eines Oberleutnants, der den Gefangenen wenig wohl gesinnt ist und oft eine harte, schadenfrohe Gesinnung durchblicken läßt. Gar kein Verständnis hatte er für die bittere Lage verheirateter Männer, und besonders unangenehme Saiten zog er den Missionaren gegenüber auf.

Hingegen waren alle englischen Ärzte, mit denen ich in Berührung kam, Herren von großer Liebenswürdigkeit. Ich könnte nur Lobenswertes von ihnen berichten, aber natürlich bleibt auch auf ihnen die Verantwortung sitzen für die ungesunde und unwürdige Unterbringung so vieler Gefangener in den früher beschriebenen engen und heißen Wellblechbaracken.

Unter den Unteroffizieren, die dem Lager zugeteilt waren, gab es nur zwei oder drei, die geflissentlich darauf aus waren, den Gefangenen ihr Los zu erschweren. Die meisten sind ganz umgängliche Leute, einige suchen sich bei den Deutschen anzubiedern, namentlich wo sie Aussicht haben, mit einem Trunk in Gestalt von Whisky und Soda traktiert zu werden.

Ein Kerl von niederträchtiger Gesinnung ist ein alter Feldwebel und Quartiermeister mit dem ominösen Namen Sly (Schlau). Er ist kurz und dick und von brennendroter Gesichtsfarbe. Mehr noch als die deutschen Gefangenen bestiehlt er die Vorräte der britischen Militärverwaltung. Kurz, er nimmt, was er kriegen kann, und soll sich trotz der teuren Getränke, denen er zugetan ist, ein erkleckliches Vermögen zusammenräubern.

Wer die schlimmste Person, deren Habgier die Gefangenen aus« geliefert sind – dies ist einer der größten Schandflecke der Lagerverwaltung – das ist der parsische Kaufmann, der die Kantine hält. Dieser Mann ist ein Parsi, also ein brauner Eingeborener und Halsabschneider ersten Ranges. …

Einige deutsche Schiffsoffiziere im Parolelager verwalten die aus privaten Mitteln bedachte Kasse für Verbesserung der allgemeinen Mahlzeiten. Unter Umgehung des Parsis gelang es ihnen, bei einem Lieferanten für die englischen Soldaten Kartoffeln zu beziehen. Mr. Sly kam aber dahinter, und sofort wurden die zwei zuletzt gekauften Sack Kartoffeln, die 18 Rup. gekostet hatten, beschlagnahmt. Sie sollten eben vom Parsi genommen werden, der dafür 36 Rup. (40 Mark) fordert.

So wurden wir in allem überteuert; doch genug davon. Ich habe dessen mit so vielen Worten Erwähnung getan, weil ich es für meine Pflicht halte, diese grausame Ausbeutung wehrloser Gefangener bekanntzugeben. Unsere Landsleute in Indien, deren Hab und Gut von der englischen Regierung verschleudert worden ist, leiden schwer unter diesem Raubsystem, das durch die Länge des Krieges immer härter wird. Diese Sache ist natürlich auch an den amerikanischen Konsul gegangen. Aber ob unsere Regierung je davon gehört hat?