Mai 272014
 
Lernen und Arbeiten in der Großstadt

Stephanus Stiftung, Berlin-Weißensee, 27.04.2014

Begleittext der Ausstellung „Horst Symanowski“

Horst Symanowski stammte aus Ostpreußen, war dort Mitglied der Bekennenden Kirche (BK) und Mitarbeiter der Gossner Mission. Nach einer schweren Kriegsverwundung wurde er zurückgestellt und versah Botengänge für die Bekennende Kirche. In dieser Zeit begleitete er Menschen jüdischer  Herkunft aus dem bombengefährdeten Berlin in noch sichere Verstecke in Ostpreußen.

Nach dem Krieg wurde er Leiter des Seminars für kirchlichen Dienst in Berlin-Weißensee und Zehlendorf für die Jahre 1946-48. Er half auf diese Weise beim Aufbau eines neuen katechetischen Dienstes, der Christenlehre, in bewusster Entgegensetzung zum staatlich  alimentierten Religionsunterricht.

Mit den Seminaristen und den jungen Pfarrern des Unterwegskreises, einer Gruppe vormals illegaler BK-Pfarrer, widmete er sich dem Wiederaufbau der zerstörten Gemeinden des Oderbruchs in der sog. Wohnwagenarbeit. Der letzte Wohnwagen wurde im Jahre 1952 in der damaligen Adolf-Stöcker-Stiftung aufgebaut und nach Briesen bei Frankfurt/Oder und später in einer Stadtrandsiedlung nach Wittenberg geschickt. Die „Kirche auf Rädern“ wurde zu einem Symbol für eine neue Kirche unterwegs.

Im Jahre 1948 ging Horst Symanowski nach Mainz und begann als Hilfsarbeiter in den Dykerhof-Zementwerken. Er wollte die für die Kirche fremde Welt des Industriearbeiters kennenlernen. Wo liegen die Ursachen für die Entfremdung des arbeitenden Menschen von der Kirche? Was hat die Kirche zu lernen? Nach seinem Vortrag „Die Kirche und die Welt der Arbeit“ 1955 vor der Synode der Ev. Kirche in Deutschland in Espelkamp bekam er den Auftrag, das Seminar für den kirchlichen Dienst in der Industriegesellschaft aufzubauen. Die Absolventen bildeten in den Folgejahren den Gossner Konvent und halfen, den neuen Arbeitszweig des Industrie- und Sozialpfarrers zu schaffen. In der DDR nahmen im Laufe von 40 Jahren etwa 30 Theologen und Pfarrer eine Arbeit in säkularen Berufen auf. Damit folgten sie nicht nur den Anregungen Symanowskis, sondern auch dem Rat Dietrich Bonhoeffers  „Pfarrer sollten ausschließlich von den finanziellen Gaben der Gemeinden leben, evtl. einen weltlichen Beruf ausüben.“

Auch die ökumenische Jugendarbeit wurde durch Mainz-Kastell angeregt. Im Sommer 1956 nahmen Dietrich Gutsch und Willibald Jacob am Aufbau des dortigen Gossner-Hauses teil. Sie nahmen die Idee der Ökumenischen Jugendaufbaulager in die DDR mit. Die Gossner Mission und später der Ökumenische Jugenddienst beim Bund der Ev. Kirchen in der DDR wurden Träger dieser Arbeit. Eines der ersten Aufbaulager fand am Weißen See statt. Ein zerstörtes Umspannwerk wurde zum Park. „Die damalige Adolf-Stöcker-Stiftung wurde zur Heimstatt für die „Camper“ und zum Versammlungsort für ihre Jahrestreffen.

Mit großem Interesse verfolgte Symanowski die Sammlung neuer Gemeinden in Dörfern, Kleinstädten und den neuen sozialistischen Städten der DDR (z.B. Stalinallee, Lübbenau, Nitzahn, Treuenbrietzen, Hoyerswerda, Halle-Neustadt). Er wollte wissen, inwieweit der mündige Mensch in Gemeinde und Betrieb in Erscheinung trat. Dabei ging es ihm immer auch um neue Strukturen der Wirtschaft, in denen nicht Leben zerstört, sondern Leben gefördert wird.

Noch im hohen Alter besuchte er im Jahre 1992 Berlin-Weißensee, um sich vom Betriebsrat und der Geschäftsleitung der NILES-Werke (bis dato VE Schwermaschinenkombinat „7. Oktober“ sagen zu lassen, was „Abwicklung“ heißt. Durch die Veränderungen in der DDR wurden nicht die lebensfördernden Strukturen geschaffen, der er sich erhofft hatte.

Flyer zur Ausstellung

„Er war eine herausragende und prägende Gestalt des deutschen Protestantismus im 20. Jahrhundert. Er gilt in Deutschland und in der internationalen ökumenischen Bewegung als einer der einflussreichsten und kreativsten Pioniere der kirchlichen Industrie- und Sozialarbeit. Sein Name verbindet sich mit der Bekennenden Kirche, mit frühen Warnungen vor einer Wiederbelebung des Faschismus in Deutschland, mit seinem Kampf gegen den „Radikalenerlass“ und die Berufsverbote, mit der Ostermarschbewegung und mit seinem Einsatz für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als Beitrag zur Versöhnung mit Polen.

Nicht zuletzt wurde er und seine, damals schon verstorbene erste Frau Isolde zu „Gerechten der Völker“ von der israelischen Holocaust-Gedenk-stätte Yad Vashem ernannt. Damit wurde ihr Engagement gewürdigt, die in Berlin in ihren Verstecken ausgebombten Menschen jüdischer Herkunft in Ostpreußen in neuen Verstecken unterzubringen.

Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Gossner Mission gründete Horst Symanowski Mitte der 1950er Jahre das „Seminar für kirchlichen Dienst in der Industriegesellschaft“. Es erlangte in der weltweiten Ökumene große Bedeutung und spiegelte in seiner Struktur die Einheit von kirchlichem und gesellschaftlichem Engagement, die für Horst Symanowskis eigenes Leben so charakteristisch war. Sein Leitbild vom mündigen Menschen soll in der Ausstellung zum Tragen kommen.“

Gottesdient mit Willibald Jacob

Liebe Stephanus-Gemeinde, liebe Freunde und Kolleginnen des Gossner-Konventes, bevor ich den Predigttext vorlese, möchte ich diejenigen vorstellen, die in diesem Gottesdienst in der Friedenskirche in Berlin-Weißensee mitwirken:

  • Zuerst Herrn Kirchenmusikdirektor Grünert an der Orgel; sein Vor-und Nachspiel stammen von Johann Sebastian Bach.
  • dann den Chor des Gossner-Konventes und das Flötenquartett; herzlich willkommen!
  • die Schriftlesung aus Jes. 52,7-10 wird von Pfarrer Frank-Peter Schultz aus Nienburg in Niedersachsen vorgetragen,
  • die Fürbitten halten Pfarrerin Anja Zademak von der Stephanus-Stiftung, Claire Mey aus Mainz, Krankenschwester, und ich selbst.

Einen Gruß soll ich von meinem ehemaligen Arbeitskollegen Wolfgang Schadow, Steinsetzer vom ehemaligen Straßenwesen Weißensee bestellen. Er ist krank geworden und konnte daher leider nicht die Horst-Symanowski-Ausstellung  mit aufbauen. Ich danke aber Josef Göbel und Hartmut Czirnik, die tatkräftig beim Aufbau geholfen haben.

Das Thema des Gossner-Konventes, die jährliche Versammlung der Schüler und Schülerinnen von Horst Symanowski, lautete: „Lernen und Arbeiten in der Großstadt“.

Dazu hörten wir einen einführenden Vortrag und wir besuchten vier Ausbildungsbetriebe in Marzahn und in Weißensee, u.a. die Stephanus-Werk-stätten in der Darßer Straße.

Die Besonderheit unserer diesjährigen Tagung war die Anwesenheit von drei jüngeren Pfarrern, die seit Jahren in säkularen Betrieben arbeiten. Sie berichteten von ihren Erfahrungen einen ganzen Vormittag lang und veranlassten wichtige Diskussionen. Für mein Empfinden entstand dadurch ein interessantes Unterthema für unsere Tagung, das folgendermaßen lauten könnte:

Vom Industriearbeiter zum Prekariatsarbeiter„, d.h. vor 60 Jahren gab es noch Industriearbeitsplätze mit dem Hintergrund einer kampf- und leiderfüllten Geschichte. Am Ende stand ein Beruf mit Sozialversicherung im Acht-Stunden-Tag.

Durch die Dienstleistungen und spätestens seit der Agenda 2010 entstanden prekäre Arbeitsverhältnisse, die den Berufstätigen nicht mehr ernähren konnten.

Horst Symanowski und einige von uns beteiligten sich in Ost und West an den Kämpfen um Verbesserungen in den alten Arbeitsverhältnissen. In prekären Arbeitsverhältnissen sind Wuk Lienhard und Johannes Hildmann in München und Thomas Dietrich Lehmann in Berlin tätig. Diese „Arbeitswelt“ sollte uns eigentlich vertraut sein. Aber vielleicht ist diese prekäre Welt für die Kirche und ihre Gemeinden so weit entfernt wie einst die Welt des Industriearbeiters im 19. Jahrhundert. Was ist zu tun?

Ich lese jetzt den Predigttext aus dem Johannisevangelium Kap. 21, die Verse 1 – 14:

Danach offenbarte sich Jesus den Jünggern noch einmal am See Tiberias.

Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas mit dem Beinamen Zwilling und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere Jünger. Da sagt Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sagten zu Ihm: Dann wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, aber in dieser Nacht fingen sie nichts.

Als es schon Morgen war, trat Jesus ans Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Da sagte Jesus zu ihnen: Kinder habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.

Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz an der rechten Seite des Boots aus, so werdet ihr etwas finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr herausziehen vor lauter Fischen.

Da sagte der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus; Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, warf er sich das Obergewand über, denn er war nackt und sprang ins Wasser.

Die an  deren Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her.

Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.

Jesus sagte zu ihnen: Bringt ein paar von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land: darin waren hundertdreiundfünfzig große Fische. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.

Da sagte Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.

Da kam Jesus und nahm das Brot und gab’s ihnen, ebenso auch die Fische. Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Liebe Gemeinde, liebe Kolleginnen und Brüder, unser Thema in diesen Tagen des Gossner Konvents 2014 lautete „Lernen und Arbeiten in der Großstadt“. Wir sind Staatsbürger, bezogen auf öffentliche Angelegenheiten, bezogen auf öffentliche Kampfplätze.

Und das heißt heute und ausdrücklich seit dem Jahre 1992: Wegen der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft werden Kriege geführt, wegen natürlicher Ressourcen und wegen der Absatzmärkte. Ja, wir müssen sagen: Wegen unserer Arbeitsplätze werden Kriege geführt; so sagen es wenigstens die Planer.

Wir machen es uns in diesen Tagen wieder einmal klar: Wir sind Berufstätige und Staatsbürger zugleich. Die Osterbotschaft gilt uns hier und dort: Schluss mit dem Morden! Diese Wirtschaft mordet, sagt auch Papst Franziskus. Schluss damit. Und wer es nicht glauben will, der sei ausdrücklich gewarnt.

Das Johannesevangelium steht in der Tradition des Markusevangeliums. Markus schildert uns den Weg Jesu von Galiläa nach Jerusalem, einen Weg; im Unterschied zu Matthäus und Lukas, die Jesus mehrmals diesen Weg gehen lassen. Bei Markus ist dieser Weg einmalig, ein Weg des Leidens und des Kampfes. Es ist der Weg, auf dem das große Trauma des Volkes Israel verarbeitet wird. Alle Evangelisten schreiben ihre Bücher nach dem Jahre 70, nach der Zerstörung Jerusalems durch die 10. Legion der römischen Armee, geführt von den Generälen und den nachmaligen Kaisern Vespasian und Titus.

Der jüdische Historiker Flavius Josephus schildert den Weg dieser Legion. Er begann im Jahre 66 in Nordgaliläa mit dem Kampf gegen Aufständische. Am See Genezareth stieß die 10. Legion auf besonderen Widerstand in der Stadt Tiberias. Sie versprachen den Umzingelten Schonung und freien Abzug. Während des Abzuges der Aufständischen brachen sie ihr Wort und trieben die Überlebenden in den See. Die flüchteten auf Booten. Die Römer bauten Flöße und erstachen die Flüchtlinge in den Booten und im Wasser mit ihren Lanzen. Die Leichen schwammen im See wie die Fische.

Dieses Massaker war unvergessen, als Markus und die anderen ihre Evangelien schrieben. Für sie war der See Genezareth ein Ort der Arbeit. Fischer taten ihr Handwerk für den Lebensunterhalt ihrer Familien. Aber im Hintergrund stand die furchtbare Erinnerung: Der Arbeitsort war zum Schlachtfeld und zum Ort der Täuschung geworden. Die Übersetzung des Ortes Betsaida am See hat eine doppelte Bedeutung: Ort der Fischer und Ort der Jäger, der Menschenjäger.

Als Jesus an den See Genezareth kommt, beruft er nicht nur seine Jünger, die Fischer Simon, Jakobus, Johannes und Andreas. Er begegnet auch dem Tollwütigen aus Gerasa. Dieser zerbricht jede Fessel, jede Kette. Im 5. Kapitel wird erzählt: Der Tollwütige möchte, dass Jesus ihn zufriedenlässt.  Jesus aber fragt: Wie heißt Du? Antwort: Legion. Jesus gebietet der Legion Dämonen, den Menschen zu verlassen und in eine Schweineherde zu fahren. Die Dämonen fahren in die Schweine. Die Schweine stürzen in den See und ersaufen.

Flavius Josephus erzählt uns, dass die 10. Legion neben dem Legionsadler, den jede römische Armee vor sich hertrug, ein besonderes Legionszeichen hatte, nur für sie als Kennzeichen: den Eber.

Was sagt uns Markus auf burleske Weise? Die 10. Legion „Eber“ ersoff im See Genezareth.

Nie zuvor hatte ich diesen Zusammenhang begriffen. Erst kürzlich las ich den Hintergrund dieser Geschichte. Die 10. Legion unter Titus, die Jerusalem eroberte, die Römer, die Jesus kreuzigten, die Armeen, die aus Arbeitsorten Schlachtfelder machen, die die Unterdrückten und Aufständischen vernichten bis heute, werden untergehen wie die Schweine von Gerasa. Das ist die Warnung und Verheißung bis heute.

Johannes führt uns nochmals an den See Genezareth oder See Tiberias. Oder vielmehr: Jesus nimmt uns mit nach Galiläa, wo alles begann. Und er zeigt uns, wo alles endet.

Die Kreuzigung und Zerstörung liegen hinter uns. Und dennoch ist die Erinnerung wach. In dieser Situation sagt einer der Jünger: „Ich will fischen gehen“, ich will arbeiten gehen, wir können nicht ewig warten. Und ein Fremder bestärkt den Jünger in seinem Wunsch. „Kinder habt ihr nichts zu essen?“ Weder der Jünger, der nach Arbeit fragt, noch der unerkannte Fremde, der nach Nahrung, nach dem Ergebnis der Arbeit fragt, können die Erinnerung, den Hintergrund des Geschehens auslöschen. Der Arbeitsort ist gleichzeitig der Ort des Massakers, der Ort des Brudermordes. Wir können an dieser Stelle an den Konflikt von Bauer und Hirte denken, an Kain und Abel. Auf dem Feld erschlägt Kain seinen Bruder Abel mit der Hacke, dem Arbeitsinstrument.

Dennoch sagt der Fremde: „Werft die Netze aus.“ „… und sie konnten das Netz nicht herausziehen…“.

Und der Jüngste der Fischer sagt: „Es ist der Herr!“

Auf dem Höhepunkt des Geschehens wird die Geschichte für uns traditionslosen modernen Menschen rätselhaft. Was heißt das? Sie zählten 153 Fische. Warum exakt 153 Fische? In Erinnerung an die alte Zahlensymbolik heißt das: 150 plus 3. Nach 150 Tagen endete der Anstieg der Todesflut, der Sintflut des Noah. Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

150 plus 3, die Schrift der Alten wird vollendet durch das Zeugnis vom Leben Jesu. – Und als sie  an Land kommen, ist schon alles bereit. Bei Jesus brennt ein Feuer, die Fische braten und er hat Brot. „Bringt noch ein paar von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt.“ Und sie fügen seine und ihre Fische zusammen.

„Kommt und haltet das Mahl…“ Und er nahm das Brot und gab’s ihnen. Und sie wussten: Am Rande der Todesflut, nach getaner Arbeit treten sie in die Mitte. Denn Er steht dort am Rand. Er hat die Situation verändert. Und mit der Arbeit und während des gemeinsamen Mahles wächst die Hoffnung auf neues Leben. Alles ist gegenwärtig und dennoch ist alles anders. Nach dem Jahre 70, nach dem lebenszerstörenden Werk der 10. Legion „Eber“ sind Männer und Frauen dazu fähig, die Geschichte vom Leben und Leiden des Jesus aus Galiläa zu sammeln und aufzuschreiben, d.h. seine Auferstehung zu bezeugen. Ein neues Leben beginnt. Und so ist es bis heute.

Am Anfang dieses Jahres besuchte ich das große sächsische Straßendorf Lohmen bei Pirna. Es liegt am Rande der sächsischen Schweiz. Seit Jahrhunderten ist dieses Dorf der Lebens- und Arbeitsort eines Teiles meiner Familie.

Ich besuchte mit meiner Schwägerin den Gottesdienst in der Winterkirche, d.h. im alten Pfarrhaus. Ein schöner Raum. Die Gemeinde feierte das Abendmahl.

Als wir an den Altartisch traten, sah ich mit Erstaunen den See Genezareth und das Mahl Jesu vor mir. Die Tischplatte war von innen erleuchtet. Auf ihr standen Brot und Wein. Aber darunter wogte, künstlerisch in Stein gestaltet, die graue Masse des Wassers. Da hatte ein Mensch erfasst, was da geschehen war und was bedeutsam ist bis heute. Ein Beispiel findet ihr auch hier im Stephanusstift am Glockenturm. Er symbolisiert das Meer, in dem die Glocken schwingen.

Jesus mischt sich ein in unsere realen Verhältnisse, indem er selbst nach Arbeit und Essen fragt, ohne dass wir vergessen, welche Verbrechen wegen der Arbeit und in der Wirtschaft geschehen. Und vom Rande her stiftet er Gemeinschaft, hat schon selbst Nahrung beschafft. So macht er uns gesund, heilt unsere Verletzungen, unsere Traumata, wie es die Zeugen der alten Zeit erfuhren. Sie fanden den Mut zu bezeugen: Christus ist auferstanden.

Die Todesflut weicht. Auf neue Weise wird gearbeitet und gefeiert. So geschieht es auch an uns. Amen.

Schlussgebet

Zademack: Herr, Du Gott Israels und der ganzen Welt,
Durch Jesus haben wir hoffen und beten gelernt.
So danken wir, dass Du uns anredest in jeder Lage unseres Lebens.

Mey: Wir danken Dir, dass Du unser Leben veränderst.
Du heilst. Du schaffst Frieden gegen alles Kriegsgeschrei.

Lass uns erkennen, wie Du handelst.
Lass uns Dir folgen.

Jacob: Wir danken Dir, dass wir Dir alles bringen können, unsere Sorgen, unseren Unfrieden, die Menschen, die wir lieben und die anderen, mit denen wir nicht klar kommen.

Zademack: Herr, Du Haupt der Gemeinde und Herr der Völker, wir bitten Dich für diese Stephanus-Gemeinde und für alle Gemeinden in der großen Stadt Berlin, für alle Gemeinden, aus denen wir kommen.

Mey: Wir bitten Dich für die Kinder und die Jugendlichen, für die Eltern und Lehrer, für die Schwachen, Kranken und Sterbenden; für die Leitungen und alle Mitarbeiter, dass sie ihre Hoffnung allein auf Dich setzen.

Jacob: Wir bitten Dich für alle Regierungen auf allen Kontinenten, für die Medien und alle Wirtschaftsführer, dass Sie ihre Macht nicht missbrauchen und sich vor dem Krieg fürchten. Gib den Bürgern und Bürgerinnen Weisheit, mitzuarbeiten ohne Gewalt anzuwenden.
Wir bringen Dir alle unsere Anliegen… und beten mit der ganzen Christenheit:

Vater unser …

Nachwort zur Symanowski-Ausstellung von Willibald Jacob

Aus meiner Sicht war diese Ausstellung über das Wirken von Horst Symanowski bitter notwendig. In den zwanzig Tagen, in denen sie vom 25. April bis zum 14. Mai 2014 in der Friedenskirche der Stephanus-Stiftung in Berlin-Weißensee zu sehen war, ist einiges geschehen. An elf Tagen waren vormittags Ansprechpartner zugegen. Auch an den Nachmittagen war die Kirche geöffnet, sodass wir davon ausgehen können, dass täglich etwa zehn Besucher kamen, d.h. im Ganzen etwa 200 Personen. Das sind nicht viele. Dafür waren darunter wichtige und interessante Menschen, Kirchenälteste, Pfarrer und Diakone aus Weißensee, MitarbeiterInnen der Stephanus-Stiftung und Besucher aus der weiteren Umgebung, von denen ich einige nennen möchte:

Heinz Scholz, Diakon, Stephanus-Stiftung
Anja Zademak, Pfarrerin, Stephanus-Stiftung, die ein ausführliches mündliches Echo formulierte
Ulrich Schröter, Oberkonsistorialrat a.D.
Gerhard Metze, ehem. GKR Weißensee
Frau Iwohn, Ehefrau von Martin Iwohn
Bernd Krause, ehem. Gossner Mission
Michael Sturm, ehem. Gossner Mission
Dr. Reiner Symanowski, Arzt Großcousin von Horst S.
Elfriede Spitzner, ehem. Team Treuenbrietzen
Christa Dünger, ehem. Team Treuenbrietzen
Mechthild Weber, ehem. Team Treuenbrietzen
Stefan Schottstädt, Sohn von Bruno Sch.
Ruth Weckerling-Knaak, Tochter von Rudolf Weckerling, der am 03.05.2014 103 Jahre alt geworden wäre und Ende Januar 2014 verstarb, ein alter Freund von Horst Symanowski aus dem Unterwegskreis

Die Gespräche mit den Genannten waren für mich das Wichtigste an dem Unternehmen.

Hartmut Czirnik von der Gossner Mission war an drei Tagen Ansprechpartner.

Wenn die Ausstellung durch Peter Heyroth jetzt nach Halle geht, dann wird sie auch dort ihre Wirkung tun.

Für die Betrachter standen die Inhalte, die die Ausstellung vermitteln wollte, in einem deutlichen Kontrast zu dem, was üblicherweise in christlichen Gemeinden gedacht, geglaubt und getan wird.

Willibald Jacob bei der Ausstellungseröffnung

Willibald Jacob bei der Ausstellungseröffnung
© Gerd Herzog

Die Offenheit denen gegenüber, „die nicht wieder zurückkehren werden“, wurde deutlich bemerkt. Einige wollten nochmals Revue passieren lassen, was sie im Prinzip von SYMA schon wussten. Andere reflektierten den Kontrast zum offiziellen Berlin, in dem auf museale Weise das adlige und bürgerliche Leben (evangelisches Pfarrhaus) in Erinnerung gebracht wird, nicht selbstkritisch, sondern auf indirekte Weise vorbildhaft.

Generell wurde vermerkt, dass die Ausstellung eine westlich-hessische Sicht auf Horst Symanowski bietet, die durch den Weißenseer Flyer und zwei Vitrinen mit Schriften von Symanowski aus West und Ost ergänzt werden konnte. SYMAS direkte und indirekte Wirkung in Berlin-Weißensee war eine notwendige Ergänzung, gerade an diesem Ort.

In zwei Fällen löste die Ausstellung eine unmittelbare politisch-ökonomische Diskussion aus.

Welche Verantwortung tragen wir Christen für die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens für das Leben einer radikal säkularisierten Großstadtgesellschaft, aber auch für das Leben einer religionskritischen Bevölkerung in Dörfern und Kleinstädten? Gerade das Ergebnis der Berliner Volksabstimmung zum Religionsunterricht aus dem Jahre 2009 sollte uns nüchtern machen und uns aufs Neue fragen lassen, was es heißt, dass „Gott die Weltlichen liebt“.

An einem der Sonntage während der Ausstellung bat mich der amtierende Pfarrer, noch einmal etwas zu Horst Symanowski zu sagen. Ich tat das gerne nochmals für die ganze Stephanus-Gemeinde, verbunden mit einem Dank an die Gastgeber. In seiner Reaktion auf meine Worte betonte der Pfarrer ausdrücklich, dass Horst Symanowski „ein Mann der Kirche“ gewesen sei.

An dieser Stelle erfordert es die Redlichkeit mitzuteilen, dass keiner der etwa 50 Pfarrer und Pfarrerinnen des Kirchenkreises Berlin Nordost, zu dem Weißensee gehört, die Ausstellung besucht haben. Selbstkritisch muss zugegeben werden, dass weder der Vorbereitungskreis noch das Büro der Gossner Mission dazu in der Lage waren, die Einladung zu der Ausstellung in einer breiten und guten Weise in dieser Großen Stadt Berlin zu streuen bzw. zu vermitteln. Vielleicht ist dies ein Grund sie nochmals nach Berlin zu holen.

Auf alle Fälle aber folgendes: Thomas Dietrich Lehmann und ich haben die Idee, aus der Ausstellung ein kleines Buch zu machen. Wir nehmen damit eine Forderung auf, die verschiedentlich erhoben wurde. In Vor- und Nachwort werden wir eine „Berliner Perspektive“ eröffnen, die die Wirkungsgeschichte von Horst Symanowski fortschreibt und gleichzeitig die Erfahrungen der Prekariatsarbeiter mitteilt, eingebettet in einen ökumenischen Kontext. Es geht um das Heute. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört…„.


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