Jul 062014
 

Internierung 1939

Von Johannes Stosch

Am 3. September 1939 gegen 11 Uhr abends wurde mein Garten von Polizei umstellt. Der Assistent Superintendent of Police erklärte mich als Gefangenen, Ich dürfe mein Haus nicht mehr verlassen. Otto Wolff und Karl Theodor Jellinghaus wurden noch am Abend in mein Haus gebracht. Mein Fernglas wurde mir abgenommen, die genauen Karten der fünf Distrikte Ghota Nagpurs, meine Briefe. Maine Akten fing ich an in zwei kleine Kisten zu packen. Als die Polizei sah, dass die Akten noch mehrere Kisten füllen würden, wurde es ihr zu viel; sie nahm an diesem Abend die beiden Kisten mit, brachte sie aber am anderen Morgen wieder. Polizeiwachen machten sich auf den vier Veranden meines Hauses ihr Nachtlager.

Am nächsten Morgen wurden unsere Bücher durchgesehen; bei mir fand man die Kinderbilderbücher zum Leben des Alten Fritz und der Königin Luise von Röchling und Knötel verdächtig, außerdem wurde mir ein Buch über den Islam, eins über Japan, Reiseführer einiger italienischer Städte und mehrere Werneuchner Calender weggenommen. Für alle unsere Bücher, meine sowohl wie Wolffs und Jellinghaus, kam die Order, sie nach Patna zu verfrachten, Ich schrieb an Dr. E. Russell, Adviser to the Governor, der dies Verhängnis abwendete. Alle unsere Bücher blieben in unseren Häusern unter Polizei-Aufsicht. In wenigen Tagen sollten wir drei nach Danapur ins Lager gebracht werden. Klimkeit war am 5. September ebenfalls nach Ranchi gekommen. Da er einen litauischen Pass hatte, wurde er nicht interniert, sondern konnte mit seiner Frau und seinem kleinen Jungen Hans Joachim Klimkeit, geb. 22. Juli 1939, den ich am 6. September in meinem Hause taufte, nach Kinkel zurückkehren. Die Frauen kamen zu den Mahlzeiten in mein Haus. Ich durfte auch eine Liste von Leuten aufstellen, die ich zu sehen wünschte, für die ein Pass ausgestellt wurde. Auf der Liste standen obenan die Mitglieder der Executive des Church Councils (C.C.), mit denen ich eingehend die Maßnahmen für meine Abwesenheit treffen konnte. Ich hatte das Vertrauen, dass ich nach kurzer Zeit wiederkommen würde, und teilte dies Vertrauen dem C.C. mit. Ich gab die Weisung, keinerlei eingreifende Änderungen während dieses Interims vorzunehmen. Als meinen Stellvertreter wünschte ich mir Luther Jojovar. Aber Th. Surin machte geltend, dass die Lage vielmehr J.J. P. Tiga fordere, da dieser ordentlich englisch könne und schon darum für den Verkehr mit der Regierung und der Lutheran Federation geeigneter sei. Ich sah das Gewicht dieses Gesichtspunktes und willigte ein, die Vertretung an Tiga zu übergeben. Auch Wolff hatte Gelegenheit, mit Tirkey und seinem Managing Commlttee die Sachen der Highsohool zu ordnen. 

Mein Vertrauen, dass die Internierung nur von kurzer Dauer sein würde, gründete sich auf ein Gespräch, das ich einige Wochen vor Kriegsausbruch mit Mr. Russell hatte, in dem er mir anvertraute, im Kriegsfälle müssten zwar alle Männer zunächst interniert werden, dann würden aber die besonderen Fälle geprüft werden, wer für seine Arbeit unentbehrlich sei und das Vertrauen der Lokalen Stellen habe, dass er der Regierung keine Schwierigkeiten bereiten werde, dürfte wieder freigelassen werden. Mit Dr. Russell verband mich gegenseitiges Vertrauen, er war Schüler des Evang. Pädagogiums in Godesberg gewesen, als ich dort in meinen Kandidatenjahren Lehrer war. Dass Russell der erste Beamte der Provinz Bihar nächst dem Governor war und dass ihm das Dezernat über die Ausländer In der Provinz übertragen wurde, darin habe ich eine freundliche Fügung Gottes gesehen. Ich hatte in allen Sachen Zugang zu Ihm, konnte Dinge mit ihm in 10 Minuten erledigen, als auf dem Instanzenwege langwierig und unangenehm geworden waren, wahrscheinlich hat Russell uns Deutschen mehr geholfen als wir wissen. 

Am 7. September wurde uns morgens gesagt, wir würden am Abend abreisen. Mittags kam noch Irene Storim aus Govindpur und half mir beim Packen. Es war uns gestattet, bis 4 mounds, d.h. annähernd 4 Centner Gepäck mitzunehmen. So konnte ich nicht nur Kleidung für allen möglichen Temperaturwechsel einpacken, sondern auch etwas Geschirr; meine Cafémaschine, mein Bocciaspiel und eine Menge Bücher, vor allem meine Tagebücher und Notizbücher. 

Gegen ½ 6 kam eine special Lori für uns, zu deutsch ein kleiner Omnibus, mit dem Sergeanten, der uns nach Danapur geleiten sollte. Während das Gepäck verstaut wurde, sammelte sich eine große Schar Christen vor meinem Hause. Wir sangen „Jesu, geh‘ voran“ die beiden ersten Verse. Tiga betete, ich sagte den Segensspruch aus dem 121. Psalm: „Der Herr segne unseren Ausgang und Eingang nun und ewiglich.“ Wir stiegen ein. Der Wagen ruckte an – wir sahen im Vorbeifahren unsre Christuskirche im Glühen der untergehenden Sonne. Auf Wiedersehn! Wir nahmen den Weg nach Norden“, über Urumanji nach Ranchi Road. Um 8 waren wir dort. Unser Sergeant hatte augenscheinlich Instruction, uns unser Schicksal so angenehm wie möglich zu gestalten, er spendete uns ein ausgezeichnetes Abendbrot auf Staatskosten, ehe um 9 der Zug bestiegen wurde zur nächtlichen Fahrt über Gaya nach Patna. Dort gab es Frühstück: noch eine kurze Fahrt, und wir waren In Danapur.

Ranchi - Danapur

Aufs Datum genau, am 8. September, war ich vor 24 Jahren mit Wagner für meine erste Gefangenschaft in Danapur eingetroffen. Wir fuhren die 4 miles (6½ km) bis zu unserem Camp in einer klapprigen Pferdedroschke, unser Gepäck in einer eben solchen hinterher; diese wunderschöne, fruchtbare Gangesebene, weiße Wolken am tiefblauen Himmel. Ich sah am Wege die Baracken liegen, in denen wir vor 24 Jahren untergebracht waren. Diesmal fuhren wir viel weiter. An unserem Bestimmungsort angelangt, werden wir vom Major in Empfang genommen, die Namen werden eingetragen, unser Geld wird uns abgenommen (meine Barschaft war 225 Rs.), das Gepäck wurde nachgesehen. Nur gegen mein altmodisches langes Rasiermesser erhob der Major Einspruch. Ich sagte: aufs Datum genau heut vor 24 Jahren hat mich das Rasiermesser das erste Mal nach Danapur in die Gefangenschaft begleitet (das war buchstäblich wahr, eine so konservative Natur bin ich), es hat damals keinen Schaden angerichtet und ist inzwischen noch um 24 Jahre verständiger geworden. Der Fall erregte Heiterkeit bei den herumstehenden englischen Soldaten, und mein Rasiermesser gewann mir die Sympathie des Majors, der mich während unseres Danapur-Aufenthalts mit ausgesuchter Höflichkeit behandelte. Mein Messer gab er mir zurück, nachdem er den Fall im Logbook des Lagers vermerkt hatte. Wir fanden in Danapur die deutschen Männer aus Tata Nagr vor, meist Monteure, und Herrn Duckstein aus Gaya, der uns bekannt war, da er und seine Frau zuweilen Kerschis‘ Gäste gewesen waren. Mit ihnen zusammen waren wir 20 Mann. Uns Dreien gab man ein Doppelzimmer, Wolff und Jellinghaus gingen mit dem Scheuerlappen dem Dreck tapfer zu Leibe. Namentlich Wolff war ein guter Kamerad, fand auch schnell den Kontakt mit den anderen Deutschen, richtete einen Hindikurs und einen englischen Kurs ein. Ich machte mich beliebt als Besitzer und immer williger Verleiher eines Bocciaspiels, das den Leuten stundenlang ihre Langeweile vertrieb. So sah man mir mein zurückgezogenes Leben nach. Von Goethes Lebenskunst habe ich gelernt, dass man nach Schicksalsschlägen sich sofort eine Arbeit vornehmen muss, an der man Freude hat. Ich hatte seit Jahren Notizen gesammelt zur Geschichte der theologischen Fakultäten. Diese  Kladde und viele  Zettel  packte  ich  aus  und  brachte sie in die Form fließender  Darstellung. Dilettantisch, natürlich. Ich nannte diese Aufsätze „Plaudereien zur Geschichte der deutschen Universitäten“. Mit meiner Heimatstadt Helmstedt fing ich an, es folgte noch in Danapur: Göttingen, Halle; später in Ahmednagar: Wittenberg, Frankfurt (Oder), Jena, Rostock, Greifswald, Erlangen, Kiel, Heidelberg, Gießen. In Ranchi habe ich in meinen Mussestunden  diese  Arbeit  fortgesetzt  und  zu relativem  Abschluss  gebracht. Noch jetzt in Satara habe ich Freude an dieser Arbeit und mache noch fortwährend Nachträge aus meiner Lektüre. Abgesehen von der Bereicherung meines kirchengeschichtlichen Wissens hat mich diese Beschäftigung über den ersten Schmerz der Trennung von meiner kirchlichen Arbeit hinweggebracht. Ich kann bei solcher Arbeit alles um mich vergessen. Auch las ich in Danapur viel in meiner schönen, von Rahlfs adierten, Segtuaginta. Daß Danapur drückend heiß ist im September, wusste ich noch von dem Aufenthalt vor 24 Jahren. Dooh empfand ich es diesmal nicht so unangenehm, denn wir hatten jetzt elektrische Fans (Pankhas). Die Verpflegung war leidlich. So waren die Leute gar nicht erfreut, als uns am 13. September gesagt wurde, wir müssten am 16. oder 17. nach Ahmednagar übersiedeln. In einem Nachmittagsvortrage erzählte ich den Leuten von Ahmednagar und von dem Reiseweg, den wir vor 24 Jahren genommen hatten. Als die Order herauskam, machte ich noch einen Versuch für Wolff, Jellinghaus und mich, von Danapur nach Ranchi zurückzukehren, anstatt nach Ahmednagar zu fahren, denn ich fühlte, dass ein Loskommen schwieriger sein würde., wenn man einmal in einem großen Militärlager interniert war. Meinem Antrag wurde aber nicht Folge gegeben. Dies erfuhr ich erst am 28. September durch einen Privatbrief von Dr. Russell, des Inhalts, dass meine Eingabe erwogen würde, eine sofortige Entscheidung aber nicht herbeigeführt werden könne. Auch mit dem Metropoliten Westcott war ich in Verbindung getreten. Am 30. September teilte er mir mit, schon vor Eingang meines Briefes vom 22. September habe er nach Simla für meine Freilassung geschrieben.

Map from Danapur to Ahmednagar

Zunächst mussten wir also alle nach Ahmednagar. In der Nacht vom 16. zum 17. September verließen wir Danapur, kamen am Morgen nach Allahabad, von da ging es weiter über Jubbulpore, Itarsi, Bhushaval, Manmad nach Ahmednagar, wo wir am 19. September mittags eintrafen. Es war eine angenehme Fahrt, wir drei Missionare hatten ein Abteil 2. Klasse für uns, die Verpflegung war ausreichend. Ahmednagar war als Militärlager aufgezogen. Wir wohnten zu je 20 bis 30 Mann in einer Baracke, wurden um 6 durch Trompetenstöße geweckt, um 7 gab es Appell mit Namensaufruf, dann gab es Freiübungen (da ich über 60 war, war ich vom Turnen befreit), dann Frühstück. Abends wieder Appell. Es bestand eine A und eine B-Klasse; A-Klasse bekam Offiziersverpflegung und hatte auch sonst einige Vergünstigungen. Da wir drei etwas Geld hatten, meldeten wir uns zur A-Klasse und zahlten täglich 3 Rs. Wolff und Jellinghaus gingen nach wenigen Wochen zur B-Klasse über, ich blieb der A-Klasse treu. Für mich war schon das Leben in der A-Klasse eine Überforderung der Nerven, mein Schlaf wurde schlecht, nach einigen Wochen ließ auch der Appetit stark nach, ich ging oft gar nicht mehr zum Abendbrot. Anfang November bekam ich roten Ausschlag, ging zum Arzt, der Gürtelrose feststellte. Es war unser guter Dr. Bartelt, den ich in Satara wieder getroffen habe, der mich sorgsam behandelte. Doch hat mich diese nervliche Belastung nicht einen einzigen Tag gehindert, meine kleinen Pflichten zu erfüllen. Sie bestanden vornehmlich In dem freundlichen Entgegenkommen allen Kameraden gegenüber, Deutschen und Tschechen, Nazis und Antinazis, Juden und Judengenossen – allein die Mitglieder von Verbrecherorganisationen, wie Gestapo, ließ ich mir nicht nahe kommen. Es gab manches Gespräch in Laufe des Tages, nachmittags öfter ein Boocia, abends nach dem Appell oder nach dem Abendbrot ein Mahyon. Anfang Oktober wurden Sprachkurse eingerichtet; ich übernahm „Colloquial Hindustani“, d.h. Einführung in die lebende Sprache, wie sie im täglichen Leben der Europäer gebraucht wird, mit dem Ziel, dass man sich auf dem Bazar und mit seinen Diener zu helfen weiß. Ich hatte 20 Schüler, dreimal wöchentlich eine Stunde. Einige meiner Schüler haben in den 6 Wochen sehr schöne Fortschritte gemacht. Unter den Besten war ein junger Wiener Ethnologe, Baron Christoph von Fürer-Haimendorf. Er beteiligte sich auch an dem Lesen des Lukas-Evangeliums in Hindi, das ich für Jellinghaus und Borutta einrichtete. Als die Breklumer Missionare ins Lager kamen, wurde ein Exegeticum über die ersten Kapitel des Lukasevangeliums unter Heinrich Meyers Leitung begonnen, an dem ich mich mit Freuden beteiligte. Bei den Breklumern habe ich mich allzeit am wohlsten gefühlt. Nachdem wir uns an den ersten Sonntagen in kleinem Kreise zum Gottesdienst mit Vorlesen einer Predigt Helms versammelt hatten, hatten wir vom 8. Oktober an unsere Morgengottesdienste erst in einem Zelt, dann in einer Baracke. Von Anfang an waren außer den Missionaren nur sehr wenige Teilnehmer. Ich predigte am 15. Oktober über Acta 21, 10 – 14 „Ich bin bereit“ und am 19. November (Totensonntag) über Psalm 90. Am Abend desselben Sonntags hielt ich für das ganze Lager einen Vortrag über Buddha und den Buddhismus, die vorzügliche Aufmerksamkeit meiner Zuhörer war für mich ein schöner Abschluss meines Lagerlebens, es war mein vorletzter Abend in Ahmednagar.

Am 30. September kam ein großer Schub Kriegsgefangener aus dem Süden, darunter 20 Leipziger und Basler Missionare. Am 1. Oktober trafen die Deutschen aus Calcutta ein, unter ihnen Radsick und Borutta. Der Platz im Lager wurde knapp, viele wurden in Zelten untergebracht. Das Leben wurde durch die Enge und den vermehrten Spektakel noch ungemütlicher. Hatte ich in den ersten Wochen an meines Plaudereien über deutsche Universitäten weiter geschrieben, die Septuaginta gelesen und mit großer Freude Otto Dibelius Buch über die Apostelgeschichte „Die werdende Kirche“ durchdacht, so musste ich mich in der zweiten Hälfte meines Ahmednagar-Aufenthalts in Folge der Nervenanspannung dabei bescheiden, meinen Kursuspflichten zu genügen und in meinen alten Tagebüchern zu lesen.

Unabhängig von der Teilung in A und B-Klasse bestand im Lager noch eine andere Klassifizierung. Gleich in seiner Begrüssungsrede, die uns der Commandant bei unserer Ankunft hielt, erklärte er, jeder habe sich für eine der drei Gruppen eintragen zu lassen. N: Nazi, G: German, J: Jude. Die Sonderung zwischen N. und G. war deshalb unscharf, weil bei der Befragung die verschiedenen Sergeants und Leutnants verschiedene Fragen stellten: die einen fragten, ob man Parteimitglied sei, die anderen, ob man für die Naziregierung eintrete. Ich ließ mich natürlich als G. einschreiben. Als ich am Abend Wolff und Jellinghaus im Lager traf, sagte mir Jellinghaus, die Kameraden aus Tata Nagar seien wütend, dass ich G sei und nicht N. Es gäbe noch etwas, wir kämen nicht lebend aus dem Lager. Aus Sorge um sein liebes Leben hatte dieser Mann, der nie hämisch genug von Hitler und seinem Werk reden konnte, sich als N bezeichnet. Und Wolff? Kaum glaublich, aber er sagte mir, er habe in der Meinung, Jellinghaus habe sich für G entschieden, dem ihn befragenden Offizier erklärt, er gehe mit seinem Freunde Jellinghaus. Ich riet Wolff dringend, den Irrtum gleich am nächsten Morgen zu berichtigen. Aber am Morgen sagte Wolff, die Umänderung durfte jetzt ihre Schwierigkeiten haben, er hatte sich auch überlegt, er wolle es nun bei N belassen.

Borutta wiederum ließ sich als G eintragen! Es gab noch viele solche komischen „Verwechslungen“. Kurz nach unserer Ankunft begann das Interrogation Committes seine Arbeit, während des Oktobers beschäftigte es sich ausschließlich mit den Juden, von denen viele freikamen. 

Von den protestantischen Missionaren waren Wilhelm Radsick, der Leipziger Missionar Karl Heller, und ich die ersten; wir waren bei weitem die ältesten. Am 7. November wurden wir zum ersten Male gerufen, nur zur Feststellung unserer Personalien. Am 15. November verhörte uns dann der Polizei-Superintendent Wood, einzeln natürlich, und am 16. November wurde ich zu Sir Malcolm Darling, den Vorsitzenden des Committees, gerufen. Was mich persönlich betraf, war bald besprochen. Dann fragte mich Sir Malcolm, wie ich mir die Formulierung der Parole für die zu entlassenden Missionare dächte, ich antwortete, meiner Meinung nach müsse es ausreichen, wenn die Parole, die jeder Missionar unterschrieben habe, bevor er einen Pass für Indien erhalten habe, in Erinnerung gebracht würde. Verlange die Regierung darüber hinaus noch eine besondere Sicherung in Anbetracht der Kriegszeit, so habe man an der Parole von 1914 ein Vorbild, die zu dem Versprechen des Gehorsams gegen die Regierung hinzufügte, man würde sich aller Gespräche über Krieg und Politik mit Indern enthalten.

Sir Malcolm wusste nichts von der Parole, die bereits jeder Missionar vor Beginn seiner Arbeit in Indien unterschrieben habe. Ihm war dieser Hinweis sehr willkommen, und er sah in der Aufnahme dieser Parole die Lösung des Problems. Auch dafür hatte Sir Malcolm Verständnis, dass ich ihm sagte, es dürfe, wenn man seitens der englischen Regierung wirklich die Freilassung der Missionare ins Auge fasse, keinem eine Erklärung gegen die deutsche Regierung zugemutet werden. Eine solche würden die deutschen Missionare nicht abgeben. In der Tat ist auch eine solche Erklärung nicht verlangt worden.

Am Tage nach dieser Besprechung sagte mir Sir Malcolm, ich sei entlassen, ebenso Radsick; wir leisteten den Eid auf die Parole. Wolff wurde kurz nach uns verhört, er galt auch als besonderer Fall, vermutlich weil sich das Managing Committee der Highschool einen Antrag auf seine Entlassung eingereicht hatte. Noch bevor Radsick und ich am 21. November das Lager verließen, hatte Wolff die Zusicherung seiner Entlassung. Er traf 4 Tage nach mir in Ranchi ein. Radsick fuhr von Ahmednagar direkt nach Assam. Der Wortlaut unserer Parole war dieser:

(Name) swear in the Presence of God that I will faithfully observe the promise which I made to the British Government through the International Missionary Society, London, before coming to India to do nothing contrary to the government established by law in India, and I include in this promise not obedience to any rules laid down by His Majesty’s representatives, and also an undertaking to refrain from doing, saying or writing anything, either publicly or privately, to the prejudice of the British Government in Indien.

Von mir als Präses wurde verlangt, dass ich für die Loyalität der Missionare in Chota Nagpur einstünde. Ich hatte meinen Namen unter ein Schriftstück folgenden Wortlauts zu setzen:

I (Name) the Head of the Mission in Chota Nagpur faithfully promise to be responsible for the ettact obedience of the undertaking given by any member of my Mission whilst resident at Ranchi. I undertake further to report to the Civil Authoritlis concerned any serious infringement of the undertaking by any member of my Mission. 

Als die Kunde von meinem Einfluss auf die Gestaltung der Parole sich im Lager verbreitete, baten mich einige Kameraden, auch für die Nicht-Missionare einen Versuch zu wagen. Ich ließ mich am 20. November noch einmal bei Sir Malcolm melden. Ich ging aus von dem Grundsatz, den Sir Malcolm in der Besprechung am 16. November formuliert hatte, die Absicht der englischen Regierung sei, niemanden im Lager festzuhalten, von dem man gewiss sein könne, dass er den Willen und den Takt besäße, sich ohne Schaden für die Regierung in Freiheit zu bewegen – andererseits niemanden aus dem Lager zu entlassen, über den in dieser Beziehung Zweifel bestünden. Dann bot ich, die Fälle der Nichtmissionare nach demselben Grundsatz zu behandeln und dabei, keinen Wert zu legen auf die Eintragungen N und G, da diese Eintragungen infolge einer verschiedenen Fragestellung ein falsches Bild gäben.

Zunächst befasste sich das Committee weiter mit den Missionaren, die im Laufe des Dezember und Januar – wenn ich nicht irre – alle entlassen wurden. Jellinghaus, als letzter Goßner-Missionar, wurde Mitte Januar frei. Eine Schwierigkeit ergab sich hinsichtlich Boruttas. Als seine Entlassung beschlossen war, wurde Radsick schriftlich von dem Interrogation Committee gefragt, ob er bereit sei, die Verantwortung für Borutta in Teppur zu übernehmen in der Weise, wie ich sie für die Missionare in Ranchi übernommen hatte. Radsick antwortete, er könne diese Verantwortung nicht übernehmen, weil der Deputy Commissioner in Tezpur Boruttas Rückkehr nicht wünsche, weil Borutta sowohl wie seine Frau bei verschiedenen Damen und Herren den Eindruck hinterlassen hatten, das sie Nazi und anti-britisch seien. 

Indem mir dies von dem Interrogation Committee mitgeteilt wurde, wurde ich gefragt, ob ich für Boruttas Wohlverhalten einstehen würde, wenn er für Ranchi entlassen würde; ich antwortete bejahend. Daraufhin wurde Borutta entlassen und zunächst nach Tezpur in Assam dirigiert, damit er dort die ihm gemachten Vorwürfe widerlege. Als er am 29. Januar 1940 nach Ranchi kam, erzählte er, man hätte ihn in Assam für einen Spion gehalten, der nur zum Schein Theologie studiert habe; es sei ihm aber gelungen, die Beamten in Tezpur von seiner Unschuld zu überzeugen. Hierin irrte er sich. Am meisten hat in Ahmednagar der arme Jellinghaus gelitten. Er litt an Nierensteinen und musste ins Hospital. Voller Kritik auch gegen seine Kameraden in der Missionarsbaracke, meldete er sich nach seiner Genesung als Krankenwärter, um sich dieser Gesellschaft zu entziehen. Brummig kehrte er nach Ranchi zurück. Was er jetzt gegen mich hatte, habe ich nie erfahren. Er hatte allen Grund gehabt, dankbar zu sein, denn die Gossner-Missionare waren die ersten, die alle entlassen wurden. 


Quelle: http://kab.scopearchiv.ch/report.aspx?rpt=1&id=83330, Seite 94-100


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  One Response to “Gossner Missionare in Danapur und Ahmednagar”

  1. Gerne erinnere ich mich an Johannes Stosch, der mit meiner Familie im Lager Satara sehr oft Mah-Jongg gespielt hat. Anlässlich meines ersten Aufbaulagers in Berlin-Weissensee 1957 habe ich ihn in Berlin-Wannsee besucht und gemeinsame Erinnerungen ausgetauscht.