Aug 112014
 

Erinnerungen von Werner Hanschmann, 2010 

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Meine Mutter Elsa Erna Hanschmann geborene Hamm wurde am 13. April 1896 in ihrem Elternhaus in Oetzsch (bei Mügeln) geboren. In der evangelisch lutherischen Kirche in Atmügeln wurde sie am 26. Mai 1896, am Pfingstsonntag getauft. Ihre Mutter war Amalie Auguste Hamm geborene Claus. Ihr Vater war Ernst Richard Hamm, Maurerpolier und Gemeindevorstand der Gemeinde Oetzsch-Wetitz. 

Während der ersten sechs Jahre genoss Erna eine frohe Kindheit unter Obhut ihrer fürsorglichen Mutter im Kreise ihrer Geschwister. Zu Ostern 1902 wurde sie Schülerin der Volksschule in Schweta, dem Nachbardorf. Die Gemeinde Oetzsch gehörte zum Schulverband Schweta. Erna war eine lernbeflissene, gute Schülerin. Sie konkurrierte bezüglich des Lerneifers mit gleichaltrigen Töchtern des damaligen Schwetaer Rittergutsbesitzers. Ihr war damals leider der Besuch einer weiterführenden Schule nicht möglich. 

Am 10. Februar 1903 widerfuhr der Familie Richard Hamm ein schwerer Schicksalsschlag, denn die Mutter Amalie Auguste Hamm verstarb im Alter von 44 Jahren, vermutlich an Kindbettfieber nach der 11. Niederkunft. Sie fand ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof neben der Kirche in Altmügeln. Sie hinterließ fünf Kinder und nahm wahrscheinlich das neugeborene mit auf ihrem letzten Weg.

Amalie Auguste hinterließ den ältesten Sohn Arthur, geb. am 28 8.1891, 11½ Jahre alt, den 2. Sohn Emil, vermutlich 9 Jahre alt und die beiden Töchter Erna, geb. am 13.04.1896, waren 6¾ Jahre und Hedwig, geb. am 18.10.1899, 3¼ Jahre alt. (Die Geschwister Hamm sollen später noch ausführlicher Erwähnung finden).- Die Kinder hatten ihre Mutter als fleißige, geschickte, Kinder liebende und fürsorgliche Frau in Erinnerung. 

Nach dem unverhofften Ableben seiner Ehefrau befand sich Ernas Vater, mein Großvater Richard Hamm, der Maurerpolier, der täglich auf verschiedenen entfernten Baustellen tätig war, zu Hause in sehr schwieriger Lage. Vier Kinder, der Haushalt und die kleine Nebenerwerbslandwirtschaft mussten versorgt werden. Das alles hatte bislang seine Ehefrau getan. Zu ähnlicher Zeit war damals in Oetzsch Frau Wilhelmine Schulze Witwe geworden. Sie hatte ihren Ehemann durch Krankheit verloren und lebte mit zwei Töchtern allein.

Richard heiratete Wilhelmine wahrscheinlich nach der Trauerzeit. Wilhelmine, genannt „Miene“, zog mit ihren Töchtern in Richards Haus. Sie versorgte den Haushalt, die 6 Kinder und die kleine Landwirtschaft nach besten Kräften. Die schweren Aufgaben überforderten sie wohl erheblich. Es ist kein Wunder, dass sie nicht allem gerecht werden konnte.

Die Kinder aus erster Ehe fühlten sich oft von ihr benachteiligt. Erna und ihre Schwester Hedwig äußerten beide, sie hätten zu ihrer Stiefmutter wenig Zunei-gung gehabt. Vertrauen und Zuwendung fanden sie bei ihrer Großmutter Friederike Amalie Hamm (71). Die Volksschule in Schweta besuchte Erna Hamm bis zum Ende der 8. Klasse und verließ sie mit einem guten Abschlusszeugnis. 

Seit ihrem 14. Lebensjahr musste sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Sie arbeitete ein Jahr lang als „Ostermädchen“ in einem kinderreichen Haushalt. Für geringen Lohn musste sie schmutzigste Arbeiten verrichten. Nachher wechselte sie mehrmals die Arbeitsstellen als Dienstmädchen, später als Stubenmädchen in herrschaftlichen Häusern, um jeweils bessren Lohnes wegen.
Besonders schlechte Erfahrungen machte sie im noblen Haushalt eines sehr reichen Pelzhändlers in Leipzig. Die Hausherrin ließ es nicht an Herabwürdigung und Schikane gegenüber dem Dienstpersonal fehlen, jedoch der Hausherr zahlte guten Lohn. Erna kündigte schon nach einem Jahr. Sie sparte den Lohn als Lehrgeld für die Damenschneiderlehre. – Damals musste der Lehrling dem Lehrherren das Lehrgeld für die Handwerkslehre bezahlen. – Über Ernas Lehrzeit und berufliche Ausbildung ist mir sehr wenig bekannt. 

Am 2. August 1914 brach der Krieg aus. Das Leben änderte sich wesentlich, denn viele Männer wurden Soldaten an der Kriegsfront und in der Heimat wurde die Tatkraft der Frauen besonders gefordert. 

Zu Ernas großem Kummer verstarb am 6. September 1914 ihre Großmutter in Neuweida bei Riesa.- Während Ernas Kindheit hatte Friederike Amalie Hamm geb. Schumann in ihrem Haus in Oetzsch gewohnt. Im hohen Alter begab sie sich in die Obhut ihrer Tochter in Weida. 

Amalie lebte als Witwe des Zimmermannes Christian Gottlieb Hamm in Oetzsch, als Näherin (Damenschneiderin) geschätzt, in Nachbarschaft von Ernas Elternhaus. Sie war den Hamm-Kindern der Ersatz für die zu früh verstorbene Mutter. Unter ihrer Obhut wurde auch Erna von Kindheit an vertraut im Umgang mit Nadeln und Faden, mit Kleiderstoffen und Schere. Damals wurde das Interesse an den Dingen geweckt, die ihr ganzes Leben erfüllten, der Schneiderei. In der Zeit, als Erna in fernen Orten diente, lernte und arbeitete, war ihre Grossmutter Friederike Amalie von Oetzsch nach Weida bei Riesa umgezogen. Ihren Lebensabend verbrachte sie in der Nähe ihrer Tochter Marie Simmchen geborene Hamm, die dort mit dem Eisenbahnbeamten Gustav Simmchen verheiratet war. In Weida endete Großmutter Friederike Amalies Lebenslauf. Von ihrer Großmutter erzählte Erna später stets mit Achtung und Dankbarkeit. 

Während des 1 .Weltkrieges waren alle Textilien zwangsbewirtschaftet, zugeteilt. Die Schneiderinnen waren meist gefordert Altes aufzutrennen und umzuarbeiten. Neue Stoffe zu verarbeiten wurde seltener. Aus alt mach neu, in dieser Situation begann die Berufsarbeit meiner Mutter Erna. – Jahrzehnte später, nach dem 2. Weltkrieg erlebte sie ähnliches noch einmal, allerdings viel miserabler. Dann kamen ihre wieder früh geübten Fähigkeiten zugute.

Gegen Ende des 1. Krieges arbeitete Erna in verschiedenen fernen Orten. Als die Not in der einfachen Bevölkerung immer größer wurde, kehrte sie in ihr Geburtshaus in Oetzsch zurück. Im Haus ihres Vaters konnte sie ihre Schneiderwerkstatt einrichten, selbständig arbeiten und Kundinnen anwerben. Dank ihrer Geschicklichkeit gelang ihr das alsbald.

Der Krieg endete im Winter 1918, jedoch die Notzeiten nicht. Nach dem miserablen Friedensdiktat von Versailles begann in Deutschland die Entwertung des Geldes, Tauschhandel wurde üblich und die Ersparnisse der Handwerker, Arbeiter und Bürger wurden in wenigen Jahren wertlos. Diese Verhältnisse wirkten sich bremsend und deprimierend auf die Wirtschaft und die meisten Gewerbebetriebe aus.
Im Frühjahr 1921 absolvierte Erna an der Deutschen Schneiderlehranstalt in Leipzig einen Kursus, um ihre Fähigkeiten im Schnittzeichnen, Maßnehmen und Zuschneiden zu vervollkommnen, mit sehr gutem Erfolg, wie ein Zeugnis zeigt. – Während dieser Monate wohnte sie bei ihren Verwandten Hugo und Selma Lange in Leipzig. Ernas Cousine Selma geb. Simmchen war die Tochter von Großvaters Schwester in Weida. Die Verbindung zu Familie Hugo Lange blieb uns stets gut freundschaftlich erhalten.
Dennoch war die Nachkriegsnotzeit auf dem Lande in den Dörfern besser zu überstehen als in Großstädten damals. Man hatte Haus und Grundstück oder Garten, nebenbei noch ein wenig Landwirtschaft. Die Grundbedürfnisse des Lebens waren gesichert. In der Nachkriegszeit kamen sich Erna Hamm aus Oetzsch und Max Hanschmann aus dem Nachbardorf Schweta wieder näher.

Die Familien kannten sich seit langen Zeiten. Der Tischlermeister Max Hanschmann und der Maurerpolier Richard Hamm, Ernas Vater, schätzten einander sehr wegen guter handwerklicher Arbeitsleistungen. Auch war Erna Schulkameradin von Alma Hanschmann, der früh verstorbenen Schwester von Max gewesen. Erna hatte die ein Jahr ältere Alma als eine sehr kluge, lerneifrig ehrgeizige und selbstbewusste Mitschülerin in Erinnerung.

Im Jahr 1922 war Max Hanschmann zum Bürgermeister der Gemeinde Schweta gewählt worden. Mit 37 Jahren noch immer ledig betrieb er die Tischlerei auf dem Grundstück seiner Mutter. Obwohl die Inflation stetig stieg und Zukunftsaussichten sehr unsicher waren, beschlossen Max und Erna zu heiraten. Am 14. Oktober 1923 wurde das Ehepaar in der altehrwürdigen Kirche Altmügeln eingesegnet nach der Trauung am Standesamt in Oetzsch. Zur Hochzeitsfeier im Haus von Richard Hamm hatte sich zahlreiche Verwandtschaft eingefunden, wie das Hochzeitsfoto bezeugt. Max war 38 Jahre alt und Erna zählte 27 Lenze. – Spät gefreit hat nicht gereut., Ihre Ehe dauerte 40. Jahre. Begütert waren anfangs beide nicht, aber jeder hatte akkurat solide sein Handwerk gelernt und konnte sich auf seine Fähigkeit und Geschicklichkeit verlassen. Das war ihr einziges Anfangskapital in dieser unsicheren Zeit. Mut gehört zum Leben!

Weil die Inflation ungeahnte Höhen erreicht hatte, waren alle Ersparnisse einfacher Bürger wertlos geworden. (1 US-Dollar war mehrere Billionen Reichsmark wert .Die Rentenmark Brachte erst ein Jahr später stabile Verhältnisse.) Für den Rest ihrer Ersparnisse erwarb Erna den Dekorationsstoff für ein Sofa und zwei Polstersessel. Deren Holzgestelle fertigte Max in der Tischlerei. Sattler Alfred Knof in Naundorf, ein alter Freund, lieferte die Polsterung und das nötige Material als Hochzeitsgeschenk.- Handwerker unter sich. So waren die Verhältnisse damals. 

Nach der Hochzeit zog Erna zu ihrem Mann Max nach Schweta um und verlegte ihre Damenschneider-Werkstatt ins Haus ihrer Schwiegermutter Selma Hanschmann. Auf gleichem Grundstück gegenüber dem Gasthof stand Vaters Tischlerwerkstatt. Alte Kunden in Oetzsch blieben Erna meist treu und in Schweta gewann sie neue hinzu. Arbeit bekam sie mehr als genug. Deshalb konnte sie sich nicht um die Hauswirtschaft kümmern, wie es einer jungen Ehefrau zugestanden hätte. Haushalt, Vieh und Garten versorgte weiterhin Vaters Mutter Selma, damals 69 Jahre alt und sehr rüstig.. Für die große Wäsche kam monatlich einmal die Waschfrau. Feld und Wiese wurden nebenher mit bestellt, dabei wurde jede Hand gebraucht. Zudem war seit 1922 das Gemeindeamt mit der Gemeindekasse in diesem Haus etabliert. Es war wie ein inoffizielles Zentrum des Dorfes geworden, wo Erna nun wirkte. 

Am 20. September 1924 wurde ich im Elternhaus geboren und wurde zunächst zum Mittelpunkt des Familienlebens. Meine frühesten Erinnerungen reichen an die Spielplätze in der Tischlerei und in der Schneiderstube. Auch Großmutters Küche, die Viehställe mit Ziege Schweinen und Hühnern waren mir Betätigungsfeld, während ich Kind war. Inmitten der Arbeit der Eltern und Großeltern wuchs ich auf in einer interessanten dörflichen Welt, in der man nicht unbekannt war und außerdem vielerlei Einblicke in Gewerbebetriebe bekam.

In der Gemeinde war nach dem Krieg und der Inflation das Vereinsleben wieder erwacht. Beide Eltern wirkten aktiv im Gesangverein mit, den der jeweilige Kirchenkantor leitete. Jedes Jahr richtete der Verein im Gasthof mehrmals ein Fest aus, ein Stiftungsfest, ein Kappenfest, vergleichbar mit Fastnacht, und ein Schlachtfest. Der Gesangverein war aber nicht der einzige im Dorf. Damals verstand man auch in Sachsen Feste zu feiern, und die Eltern waren stets mit dabei. Als Kind lernte ich bald, im Haus allein zu schlafen, während Eltern und Großmutter im Gasthof gegenüber zum Fest gingen.

Meine Kindheit und Jugendzeit erlebte ich bis zu meinem 18. Lebenslahr 1942 im Elternhaus in Schweta. – Am Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts waren die Handwerksbetriebe, das Gewerbe und die Landwirtschaft in den Dörfern von der Misere der Arbeitslosigkeit in den Großstädten noch wenig betroffen. Erst um 1930 setzte die große Flaute ein.

Die Eltern nutzten 1932 die Gelegenheit günstiger Löhne, um unser Wohnhaus umzubauen aufzustocken und mit neuem Dach einzudecken. Viele Verwandte halfen damals mit. Die Bauaufsicht oblag natürlich dem Großvater Richard Hamm. Erna war in ihrer Schneiderei voll mit Arbeit ausgelastet, konnte sich um den Umbau wenig kümmern, verdiente aber gut Geld. Denn sie hatte meist begüterte Kundinnen, die ihre Arbeitskraft voll in Anspruch nahmen. 

Im Jahr 1934 wurde Erna Hanschman von der Schneiderinnung zur Damenschneidermeisterin ernannt. Wenige Jahre später übernahm sie in der Volksschule Schweta, nachher auch in Limbach, den Unterricht in Nadelarbeit für die Mädchen. – Den erteilte sie bis zum Frühjahr 1945 mit viel Engagement.

Vor Ostern 1935 bestand ich die Aufnahmeprüfung für die Deutsche Oberschule in Oschatz und wurde dort aufgenommen. Das Schulgeld zahlt meine Mutter von den Einnahmen ihrer Werkstatt zunächst. Ihr verdanke ich vor allem den Besuch der höheren Schule. Sie gab mir dafür den Anstoß, den Mut und die finanzielle Grundlage. 

Nach meiner Erinnerung war es 1936, als unser Haushalt große Änderung erfuhr. Die Haustiere wurden abgeschafft, der Stall in Waschküche und Toilette umgebaut und mein Zimmer heizbar und wohnlich eingerichtet. Großvater Rich-ard Hamm und Onkel Reinhold Lösche (Maurer in Niedergoseln) führten den Umbau aus. Großmuter Selma wurde wesentlich entlastet, ihr oblag nun nur die Küchenarbeit. Diese besorgte sie gern und mit großem Geschick noch zwei Jahre lang. Sie war damals 82 Jahre alt. 

Im Jahr 1938 wurden beide Großeltern altersschwach und kränklich. Großvater nahm öfters Wohnung bei uns in Schweta, der besseren Betreuung wegen. Großmutter leistete ihm Gesellschaft. In ihren Gesprächen ließen sie Erinnerungen längst vergangener Zeiten vor dem 1. Weltkrieg aufleben. Denen lauschte ich gern. – Jedoch war Mutter Erna fortan im Haushalt mehr gefordert, was ihrer Arbeit in der Schneiderei abträglich war. Aber ihrem Vater zuliebe war ihr keine Anstrengung zu schwer. Ihn achtete und schätzte sie über alle Maßen, wie auch ihre Schwester Hedwig (Geißler).

Das Jahr 1939 wurde unserer Familie ein besonderes Schicksalsjahr. Großvater Richard blieb am Ende die Pflege im Krankenhaus Mügeln nicht erspart. Er erkrankte an Leber und Blase. Am 17. März 1939 ist er dort verstorben nach einem arbeitsreichen, anstrengenden Leben. Auf dem Friedhof in Altmügeln neben der altehrwürdigen Kirche fand er seine letzte Ruhe, wo auch 36 Jahre vorher seine erste Ehefrau bestattet worden war. 

Am 2. April 1939 wurde ich in der ev. luth. Kirche St. Andreas Schweta konfirmiert. Gefeiert wurde im Elternhaus mit wenigen Verwandten, auch die Großmutter nahm noch teil. Es sollte ihre letzte Familienfeier sein. 

Großmutter Selma Hanschman verstarb am 15. Juni 1939 im Alter von 85 Jahren an Altersschwäche in ihrem Haus, welches seit ihrer Einheirat 1879 über 60 Jahre Heimat gewesen war. Auf dem Friedhof in Schweta im Grab ihres 1907 verstorbenen Ehemannes wurde sie beigesetzt.
Während des Sommers 1939 zeigten beide Eltern ihre volle Schaffenskraft. Neue Textilien zu verarbeiten, machte Mutter Erna Freude, auch bei Änderungen war sie sehr geschickt, was ihre zahlreichen Kundinnen schätzten. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie der Vorbereitung und Erteilung des Unterrichtes in Textilhandarbeit an den Schulen in Schweta und Limbach. 

Obwohl die politische Weltlage voller Spannungen war, verlief das dörfliche Leben ruhig in gewohnter Weise, bis am 1. September 1939 der Ausbruch des Krieges tiefgreifende Veränderungen ankündigte. Wer den 1. Weltkrieg erlebt hatte, ahnte nichts Gutes. Die wehrpflichtigen Männer wurden als Soldaten zur Wehrmacht einberufen. Den Menschen in der Heimat wurden Lebensmittel, Textilien, Schuhe und andere notwendige Dinge rationiert zugeteilt. Lebensmittelkarte und Bezugsscheine wurden wichtiger als Geld. Damit wurde die Hauswirtschaft schwieriger, unruhiger und zeitaufwendiger in den nächsten Kriegsjahren. In der Schneiderei bahnte sich ein Wandel an. Neue Stoffe zu verarbeiten wurde seltener, dafür kamen Reparaturen und Änderungsaufträge in Überfülle. 

Nach der Welle der Blitzkriege und sieghaften Eroberungen zu Anfang des Krieges erfolgte im Herbst 1941 der Angriff der Wehrmacht auf Russland mit dem Vormarsch über den Fluss Bug. – Bei diesem Sturmangriff soll auch mein früherer Lehrer der Studienrat Gerhard Singer aus Oschatz gefallen sein. – Mein Vater sagte mir damals: „Von heute ab ist der Krieg für uns verloren, denn wir haben nun Zweifrontenkrieg. Den können wir nicht gewinnen.“ Das Urteil eines Frontsoldaten des ersten Weltkrieges bewahrheitete sich auf so verderblich bittere Weise.
Ich verehre meinen Vater heute noch, ob seiner vorausschauenden kompromisslosen Klugheit bei aller Schlichtheit seines Lebensstils. Mutter Erna war nicht immer seiner Meinung. Sie war mehr vom Zeitgeist beeinflusst, erfuhr aber Ende 1942 die Widerwärtigkeiten des andauernden Kriegszustandes in der Heimat in Schweta selbst. Ende 1942 wurde ich zum Wehrdienst in der Kriegsmarine einberufen und verließ damit mein Elternhaus für immer, wie sich später herausstellte. 

In den letzten drei Kriegsjahren änderte sich das Leben in meinem Elternhaus bedeutend, denn zwei Flüchtlingsfamilien wurden in den kleinen Zimmern einquartiert. Die enge Küche wurde von drei Hausfrauen gebraucht. Man musste zusammenrücken und teilen mit den aus Schlesien von den Polen vertriebenen deutschen Menschen, die kaum noch das Nötigste besaßen, denn sie hatten ihr gesamtes Eigentum verlassen müssen. Die Schneiderwerkstatt wurde im Wohnzimmer eingerichtet, die Gemeindeamtsakten, die Vater verwaltete, zogen um in die Lackierstube neben der Tischlerwerkstatt. Bei der entstandenen Enge stiegen noch die Anforderungen an beide Eltern sowohl in ihrem jeweiligen Gewerbe wie in Vaters Gemeindeamt sehr an. Die Arbeitskraft und die psychische Belastung beider Eltern waren äußerst stark in Anspruch genommen in dieser Zeit. 

Anfang Mai 1945 endete der Krieg. Die Rote Armee besetze Sachsen. Furcht und Schrecken griffen um sich. Mein Vater wurde mehrmals von russischen Soldaten tätlich bedroht, wenn er deren unverschämten Forderungen nicht nachkam, mit denen sie ihn als Bürgermeister belästigten. Jedes Mal mischte Mutter Erna sich in diese Auseinandersetzungen mit lauter Stimme und Vehemenz ein und konnte die brutalen Herausforderer vertreiben, wurde mir berichtet. Somit bewahrte sie Vater vor dem, was seinem Freund, dem Bürgermeister Hugo Kaiser im Nachbardorf Naundorf widerfuhr, der nach so einem Streit mit Sowjetsoldaten erschossen aufgefunden wurde. Im Sommer 1945 wurde Vater die Last der Verantwortung des Gemeindeamtes los. Aber das Leben auf dem Land wurde nach Kriegsende schwieriger. Für nötige Lebensversorgung wurde wie in alten Zeiten wieder das Feld bestellt, Viehställe eingerichtet und Haustiere gehalten. Erna behagte die Landarbeit gar nicht, sie hatte in der Schneiderei reichlich Arbeit. Den Unterricht an den Schulen war sie seit Kriegsende los.

Nach der Entlassung aus dem Kriegsdienst nahm ich in Westdeutschland Wohnung, bestätigte mein Abitur, um an der Pädagogischen Hochschule in Göttingen zu studieren. Während dieser Jahre erhielt ich von meinen beiden Eltern wesentliche Unterstützung und Beihilfe zu dem kümmerlichen Studentenleben, meist als Brotmehl und andere haltbare Lebensmittel in kleinen Päckchen. Nach meinem Eintritt in den aktiven Schuldienst konnte ich ihnen ihre Hilfeleistungen teilweise vergelten. Denn in der Ostzone wurde der Handel verstaatlicht, eingeschränkt, Warenknappheit griff um sich. Alle möglichen Dinge für die Lebensbedürfnisse und für die Handwerksarbeit wurden „nach drüben“ geschickt, soweit von Staats wegen erlaubt. Wegen der Mangelwirtschaft dort war damals großer Bedarf. In Schweta wurden die Lebensbedingungen für die Eltern zunehmend eingeschränkter und primitiver, während bei uns in der Bundesrepublik der Wiederaufbau voranschritt, Gewerbe und Wirtschaft stetig stärker wurden. Aber notwendige Medikamente zu schicken war verboten!

Gästebucheintrag von Werner und Erna Hanschmann in Oesselse 1947

Gästebucheintrag von Werner und Erna Hanschmann 1947

Erstes Wiedersehen mit meiner Mutter nach dem Krieg war 1947 im Pfarrhaus Oesselse bei Hannover, vermittelt durch Familie Gäbler, ein Höhepunkt in unserem Leben. Einige Jahre lang blieb unsere Verbindung auf Briefe und Päckchen beschränkt. Damals wohnte ich in Weener in Ostfriesland. Nach meinem Wohnungswechsel nach Bremen im September 1951 konnten mich die Eltern besuchen, wenn es die DDR-Verwaltung gestattete. Das war höchstens einmal im Jahr. Auch der Post- und Paketverkehr war sehr stark reglementiert. Ende Juli 1954 kamen meine Eltern nach Kassel, um meine Verheiratung mit der Kindergärtnerin Charlotte Orth zu feiern. Dabei lernten sie meine ehemaligen Schwiegereltern Heinrich und Anna Orth kennen. Zwischen beiden entstand ein einvernehmlich freundliches Verhältnis. 

Während der kommenden Jahre wurden drei Kinder geboren, Erna wurde Großmutter. Darüber war ihre Freude groß und sie bemühte sich, ihren Enkelkindern alles ihr denkbar Gute zukommen zu lassen und zu tun. Vor allem nähte sie gern Kinderkleidung. Jedoch fand ihr Stil oft nicht die Zustimmung ihrer Schwiegertochter. 

In den kommenden Jahren fanden mehrmals gegenseitige Besuche in Schweta oder in Bremen statt. Wir reisten als Familie, aber die Eltern kamen meist einzeln zu Besuch, Für sie war es ein Urlaub, wenn sie der Trostlosigkeit ihrer damaligen Verhältnisse in Mitteldeutschland entfliehen konnten. Inzwischen hatten wir in der Bundesrepublik uns einen beachtlichen Wohlstand erarbeiten können. Meine Eltern erfreuten sich an ihren Enkelkindern.
Zu Pfingsten 1963 besuchte ich mit meinen Sohn die Eltern in ihrem Haus in Schweta. Die Wiedersehensfreude war groß. Vor allem Vater freute sich, noch einmal mit seinem Enkelsohn spielen zu können. Es sollte die letzte Zusammenkunft vor seinem Ableben bleiben. In den folgenden Monaten wurde sein Gesundheitszustand schlechter, die Körperkräfte nahmen ab. Ende August 1963 legte er sein Tischlerwerkzeug aus der Hand. Vorbereitete Teile zweier Holzhocker, die für unseren Haushalt bestimmt waren, blieben halbfertig liegen, die Vollendung schaffte er nicht mehr. Vater war nun im September 1963 völlig auf die fürsorgende Pflege seiner Ehefrau Erna angewiesen. Tatkräftig betreute sie ihn, bis er am 21. September 1963 im Wohnzimmer seines Hauses für immer einschlief und seine treue Lebensgefährtin verließ.

Fast vierzig Jahre Gemeinsamkeit waren zu Ende. Erna und Max Hanschmann hatten Freude und Sorgen mit einander geteilt, schöne Zeiten erlebt, in schwersten Stunden einander gestützt, sich tatkräftig für Menschen ihrer Gemeinde eingesetzt und vielen helfen können.

Nach Vaters Tod wohnte Mutter Erna Hanschmann noch 14 Jahre mit wechselnden Mietern in ihrem Haus in Schweta. Schikanen von der damaligen Verwaltung erschwerten das Leben der Menschen in vielen Bereichen. Nach dem Bau der Mauer in Berlin und des Trennungswalles mitten durch Deutschland wurden Besuchsreisen zu nahen Verwandten wesentlich eingeschränkt, auch das der Mutter. Im April 1976 feierten wir Mutters 80. Geburtstag im kleinen Kreis im Gasthof Naundorf. Nachher bereitete sie die Ausreise aus der DDR und Übersiedelung in die Bundesrepublik vor. Nur sehr wenig eigne Sachen durfte sie mitnehmen. Das Grundstück mit Wohnhaus, Werkstattgebäude und Scheune musste sie zu einem schändlich niedrigen Preis verkaufen, sonst hätte sie die Ausreiseerlaubnis nicht bekommen. Dieses Grundstück war nachweislich länger als 200 Jahre im Besitz unserer Familie gewesen, ein ehemaliger SED-Funktionär soll es bekommen haben. 

Am 4. November 1977. wurde Erna Hanschmann die Aussiedlung aus Sachsen nach vielen Schwierigkeiten genehmigt. Vorübergehend konnte sie im Souterrainzimmer meines Hauses in Bremen wohnen. Während dieser Zeit war ich in Munster mit der Leitung der Bundeswehrfachschule betraut, wohnte dort und kam nur selten nach Bremen. Deshalb konnte ich mich nur wenig um die Verhältnisse im Haus Karkmeyerstraße in Bremen kümmern. Im Zusammenleben meiner damaligen Ehefrau mit ihrer Schwiegermutter entwickelten sich Spannungen persönlicher Art.

Am 14. Mai 1978 nahm Oma Erna an der Hochzeitsfeier der jüngeren Enkeltochter in Wiesbaden teil. – Inzwischen hatte sie die Zuweisung ihrer vollen Renten erhalten, welche meinen Eltern von der DDR-Regierung vorenthalten worden war. Vater hatte seit 1905 bis 1945 in die Invalidenkasse, später in die Angestelltenversicherung seine Beiträge einbezahlt. 

Mutter seit 1912 in die gleichen Kassen bis 1945 regelmäßig eingezahlt. In Schweta war ihnen nur die Mindestrente zuerkannt worden. – Nun war Mutter auch finanziell sichergestellt, denn sie erhielt zu ihrer vollen Angestelltenrente auch den Witwenanteil aus Vaters Anwartschaft. – Im November 1979 zog sie in eine Seniorenwohnung der Beamtenbaugesellschaft-Bremen am Johann-Rösing-Weg 1 und richtete ihren kleinen Haushalt ein. Bald konnte sie eine Nähmaschine mit Pedal leihen und wieder schneidern. In der Wohnung, bestehend aus einem geräumigen Wohnzimmer mit Balkon und Schlafnische, Küche, Bad und Flur, (51 qm) lebte sie selbständig, zufrieden bis zum Ende. Nachdem sie in ihrer relativ geräumigen Küche ihre Schneiderwerkstatt eingerichtet hatte, wurde sie wieder froh und glücklich nach den Misshelligkeiten, denen sie in meinem Haus in Bremen während meiner Abwesenheit ausgesetzt gewesen war. Sie reparierte und änderte alle möglichen Textilien und Kleidungsstücke, stopfte Strümpfe und Stricksachen aufs Akkurateste. Froh war sie darüber, dass ihre Geschicklichkeit und Arbeitskraft im hohen Alter, mittlerweile 84 Jahre überschritten, noch Nutzen hatte und Anerkennung fand. 

Am 4. Dezember 1981 erlebte Mutter Erna Hanschmann einen der glücklichsten Tage ihres hohen Alters, nämlich meine zweite Hochzeit mit Gabriele geb. Koch in Munster. Nach Trennung der ersten Ehe Ende Oktober 1978 und Scheidung im September 1981 verlobte ich mich mit der Leiterin der Orientierungsstufe Gabriele Koch, Studienfreundin von der Hochschule in Oldenburg, am Freitag, 13. November 1981 in Munster und wir luden Mutter zur Hochzeit ein. Am Freitag, 4. Dezember 1981 um 11 Uhr fand die Trauung im Standesamt der Stadt Munster statt. Mutter Erna Hanschmann und Gabrieles Bruder waren die Trauzeugen. Am Nachmittag um 14 Uhr vollzog der Onkel Kirchenrat Kurt Böhm in der St. Stephanus-Militärkirche in Munster die kirchlich Trauung unter dem Vers Gal. 6.2: „Einer trage des anderen Last.“ Uns gab auch meine Cousine Ingeborg die Ehre des Besuchs. Über das Wiedersehen mit ihrer geliebten Nichte freute sich Mutter ganz besonders.

Aber anlässlich unserer kleinen Hochzeitsfeier lernte sie die wesentlichen Mitglieder meiner neuen Verwandtschaft kennen. Der Hochzeitsschmaus im Kaiserhof in Munster bereitet sowohl Onkel Kurt wie auch Mutter Erna besonderen Genuss. Alle Gäste verließen Munster mit guten Erinnerungen.

Zu ihrer neuen Schwiegertochter entwickelte Mutter Erna ein gutes Vertrauensverhältnis, gegenseitige Zuneigung und Achtung entstanden sowie beiderseits Hilfe geben und nehmen. 

In Bremen hatte Erna bald nach Übersiedlung aus Schweta sich der ev.-luth. Kirche, der Abrahamsgemeinde in Obervieland angeschlossen. Nach ihrem Einzug ins Altenwohnheim der BBG-Bremen am Johannes-Rösing-Weg 1 wurde sie regelmäßig von der Gemeindeschwester der Kirchgemeinde betreut. Sie war nicht kleinlich mit einer Spende für die Kirchenglocke, auch nähte sie dreißig Sitzkissen für den Gemeindesaal. – Ihr festes Gottvertrauen hat ihr lebenslang geholfen, schwierige Zeiten zu überstehen!

Im Herbst 1983 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, Magenbeschwerden nahmen zu. Der Arzt ihres Vertrauens wies sie ins Krankenhaus Links der Weser ein. Damals 87 Jahre alt unterzog sie sich einer großen Magenoperation, ein Tumor wurde am 28. November 1983 entfernt. Ihr widerstandsfähiger Körper überstand den robusten Eingriff, sie erholte sich langsam. Vom 14. bis zum 27. Dezember 1983 nahmen wir sie in Munster in Obhut. Nach Weihnachten verlangte sie wieder nach der eigenen vertrauten Wohnung in Bremen. Ihre Gesundung schritt voran und ihr Lebensmut kehrte zurück. Jedoch im Abstand einiger Monate bekam sie im Krankenhaus regelmäßig Bluttransfusionen zur Regeneration verabreicht.

In ihrer Wohnung fühlte sie sich wieder wohl und geborgen. Gabriele und ich besuchten sie fast regelmäßig mittwochs. Sie pflegte nach wie vor einen regen Briefwechsel mit den meisten Verwandten und vielen guten Bekannten drüben und hüben. Auch ihre Reiselust kam wieder. Mitte Juni 1985 fuhr sie allein mit der Eisenbahn von Bremen nach Wiesbaden zu Taufe ihres Urenkels am 16 Juni 1985. Das war ihre letzte große Fahrt. Sie war damals 89 Jahre alt. 

Ihren 90. Geburtstag am 13. April 1986 feierten wir im Gasthof Bremer Tor in Brinkum. Ihre Gäste waren meist von weither angereist. Am Vormittag hatten bereits der Vertreter der Stadt Bremen und der Sparkasse Glückwünsche überbracht. Wir Verwandten und das Hausverwalterehepaar Salzmann feierten mit Mutter vom Mittag bis in die Nachtstunden bei fröhlicher Stimmung. Der Geburtstag war wohl einer der schönsten Tage ihres Alters, sie genoss das Fest bis nach Mitternacht. Unwillen äußerte sie, als wir, Gabriele und ich uns um 23 Uhr verabschieden mussten, weil am nächsten Morgen unsere Pflichten riefen. („Ich habe noch eine ganze Stunde Geburtstag und Ihr wollt schon heim!“ war ihr erstaunte Antwort.) – Die Glückwünsche der Abraham-Kirchengemeinde bekam sie am nachfolgenden Montag reichlich. 

Die erste Hälfte des Jahres 1987 war bei uns mit dem Hauskauf in Breloh und mit Fernreisen neben den vollen Dienstpflichten ausgefüllt. Mutter kam allein zurecht, freute sich, wenn sie Beschäftigung bekam. Allerdings wurde ihr Gesundheitszustand langsam schlechter. Bluttransfusionen mussten öfter ihr Befinden aufbessern. Ihr Interesse am Leben und ihren Angehörigen blieb rege. Ihr 91. Geburtstag wurde in ihrer gewohnten Umgebung in Bremen begangen, zunächst feierte sie mit Bekannten ihrer Hausgemeinschaft. Am nächsten Tag gratulierten wir und Alexandra Bohm, der sie indirekt zum Besuch in der Bundesrepublik verholfen hatte.

Während ihres Besuches zu Pfingsten 1987 sah Mutter unser neu erworbenes Haus mit dem Grundstück von außen. Erst im Oktober konnte sie das Haus innen eingerichtet kennen lernen. Sie interessierte sich sehr für unser neues Anwesen. – Nach wie vor besuchten wir sie regelmäßig mittwochs. Gabriele versorgte sie mit frischer Wäsche und sie reparierte Notwendiges. 

Anlässlich des Geburtstages von Gabriele am 15. November 1987 holte ich Mutter mit dem Wagen nach Munster. Wir feierten im kleinen Kreis gemütlich in unserem Haus. Ein Verwandter war zum Kurzbesuch aus Münster gekommen. Am Spätnachmittag bei seiner Heimfahrt wählte er den Weg über Bremen, nahm sie im Wagen mit und begleitete sie in ihre Wohnung. Über seine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft war sie sehr erfreut. – Dieser Besuch bei uns war meines Wissen ihr letzter auswärtiger, nachher hat sie Bremen nicht mehr verlassen. 

Bei unseren regelmäßigen Besuchen bemerkten wir kaum Veränderungen ihres Befindens. Am 4. Adventssonntag, am 20.12.1987 konnten wir sie zum letzten Mal besuchen. Wir verließen sie, hoffend, zu Weihnachten mit ihr Gänsebraten genießen zu können, den sie besonders schätzte. Jedoch am Abend des 21. Dezember 1987 meldete die Hausmeisterin telefonisch, Mutter Erna erlitt einen schweren Schwächeanfall. Wir sollten umgehend kommen. Das war unmöglich wegen des Wintereinbruches mit Schneetreiben und vereisten Straßen. Alleingelassen in ihrer Wohnung hat Mutter Erna Hanschmann am 21. Dezember 1987 etwa um 22 Uhr ihre nimmermüden Augen für immer geschlossen. 

Acht glückliche Jahre voller Zufriedenheit waren ihr am Ende beschieden gewesen. Sie hatte alle ihre Verwandten und Vorfahren bei weitem überlebt, 91 Jahre 8 Monate und 8 Tage alt war sie geworden. 

Im Bestattungsinstitut Pietät nahmen wir am 28.12.1987 Abschied von ihr. Pastor Schubert von der Abraham-Kirchengemeinde Kattenturm legte der würdigen Trauerrede den Bibelvers Röm. 14.8 zugrunde. In dieser Kirchengemeinde hatte sich Mutter in ihren letzten Jahren geborgen gefühlt und manches Gute für sie getan. Außer Gabriele und mir waren Kondolenten von fern her angereist, außerdem die Hausmeisterin, ihre letzte Betreuerin, und Mitbewohnerinnen des Altenwohnheimes.

Die sterblichen Teile von Erna Hanschmann geborene Hamm fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Heidefriedhof in Munster-Breloh; im Januar 1988 wurde dort ihre Urne beigesetzt. Ein Lebenskreis voller Wechselfälle, Kümmernisse, Entbehrungen, Not, aber auch Erfolg und Freude hatte sich geschlossen. – Mir verbleibt ehrendes Andenken voller Dankbarkeit. 


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