Aug 182014
 

Sie hielten uns damals für dumm und heute wieder?

Von Willibald Jacob, MdB/ PDS 

Der Verdacht ist gegen mich ausgesprochen worden, ich hätte vor 20 Jahren mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR zusammengearbeitet, und zwar sieben Jahre lang. Das ist falsch. Richtig ist, daß ich in den Jahren 1976-77 Vorsitzender der Niederländischen Ökumenischen Gemeinde war, einer Gemeinde, die nach dem 2. Weltkrieg aus den Familien ehemaliger niederländischer Zwangsarbeiter in Nazideutschland entstanden war. (siehe dazu das 1996 erschienene Buch „Niederländer und Flammen in Berlin 1940-45, KZ-Häftlinge, Inhaftierte, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter“ Hrsg. Niederländische Ökumenische Gemeinde ISBN 3-89468-215-9) Unsere Pfarrerin Domina Be Ruys hatte sie gegründet. In ihr war ein lebendiger Antifaschismus spürbar. Wir waren eine Grenzlandgemeinde. Unsere internationalen Mitarbeiter mußten fast wöchentlich durch die damalige Staatsgrenze in Berlin. 

Im Herbst 1976 wurde ich von einem Mitarbeiter des MfS befragt, wie mein Schweizer Pfarrerkollege dazu komme, in der ganzen DDR Informationen und Daten zu sammeln, um dann über unsere Verhältnisse Vorträge zu halten. Ich informierte die Pfarrerin und meinen Schweizer Kollegen. Wir kamen überein, dem MfS-Mitarbeiter einen Vortrag zu übergeben, den mein Kollege im Frühjahr 1977 in Basel öffentlich gehalten hatte und dessen Inhalt wir oftmals in unseren Gemeindegruppen diskutiert hatten. Sein Thema lautete: „Grenzen und Möglichkeiten der Kirchen in einem sozialistischen Land“; noch heute lesenswert, um zu verstehen, worum es uns damals ging. 

Willibald Jacob bei der Ausstellungseröffnung

Willibald Jacob 2014
© Gerd Herzog

Wir halten diesen Vortrag praktisch gemeinsam erarbeitet. Wir hatten nichts zu verbergen, so wie das Evangelium von Jesus Christus nicht verborgen bleiben soll. Heute steht dieser Vortrag einzig und allein in meiner Sachakte in der Gauckbehörde. Nichts konnte hinzugefügt werden; eine für damalige und heutige Aktenverwalter erstaunliche und unbegreifliche Tatsache. 

Ein letztes Gespräch mit dem Mitarbeiter des MfS im Herbst 1977 beendete ich mit dem Hinweis, daß ich nicht bereit sei, über weitere Themen mit ihm zu sprechen, da das Staatssekretariat für Kirchenfragen für Konfliktlösungen und für Verhandlungen zwischen Staat und Kirche da sei. Heute weiß ich durch die Akteneinsicht, daß irgendein Mitarbeiter des MfS erst 1984 ein Formular ohne Unterschrift ausfüllte, das meinen Klarnamen und meine Adresse und die Bemerkung enthält: „Verweigerung der Zusammenarbeit“. Er hätte dies 1977 tun müssen. Daß er es nicht tat, ist für mich ein Zeichen dafür, daß er sein Soll erfüllen wollte, oder ernster, daß er hoffte, mich doch noch binden und korrumpieren zu können. 

Was dem MfS mißlang, will nun die Gauckbehörde vollenden. 

Ich werde mich heute nicht rechtfertigen für die böswilligen Manipulationen damaliger und heutiger Aktenverwalter. Ich frage aber: Warum interpretieren mein Kollege Pfarrer Joachim Gauck und andere die vorliegende Texte auf eine tendenziell böswillige Weise? Können sie etwa nicht verwinden, daß Pfarrer Willibald Jacob Bundestagsabgeordneter der PDS ist? Das paßt nicht in ihr Schema. Warum kommen sie so spät mit der „Entdeckung“ meiner Akten? 

  • 1991 Archivierung meiner Akten durch die Gauckbehörde 
  • 1990-95 Überprüfung der Pfarrer durch die Kirchen 
  • 1994 meine Wahl in den Bundestag 
  • 1996 meine Berufung in den Verteidigungsausschuß nach strengen Überprüfungen 
  • August 1997 „Auffindung“ meiner Akte

Warum hat Joachim Gauck sechs Jahre gebraucht, um seine Pflicht zu erfüllen, just bis zum Wahlkampf 1997/98? 

Die interessierten Leser und Leserinnen mögen mit mir sprechen, lebendige Menschen, mich befragen und möglicherweise kritisieren. Ehemalige und heutige Aktenverwalter, die ihr Brot mit der Fälschung von Lebensdaten verdienen, mögen ihre Arbeit einstellen und für wirkliche Versöhnung zwischen zerstrittenen Menschen Sorge tragen.