Aug 212014
 

Zur Diskussion um deutsche Waffen und Einsätze der Bundeswehr am Beispiel Nordirak
Versuch einer Intervention 

Von  Olaf Simonsen, Glashütten im Taunus 

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Die Charta der Vereinten Nationen und das Grundgesetz dürfen nicht verbogen werden! 

Seit einiger Zeit sendet die Politik verstärkt Signale, dass sie einen Wechsel vorbereiten will von der bisherigen Politik der Nichtintervention in Krisengebiete hin zu einer „humanitären Intervention“. Begründet wird dies mit dem fragwürdigen Argument, die Bundesrepublik Deutschland müsse aufgrund ihrer Bedeutung mehr Verantwortung in der Weltpolitik übernehmen. 

Für militärisches Eingreifen bemüht man den Deckmantel humanitärer Intervention 

Diese Auffassung ist unverantwortlich. Sie verstößt gegen das Völkerrecht und das Grundgesetz. Hier wird versucht, das strikte Gewalt – und Interventionsverbot der VN-Charta aufzuweichen und den eigenen machtpolitischen und wirtschaftspolitischen Interventionsinteressen (Handelswege, Rohstoffe etc.) anzupassen. 

  1. Die Charta der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1949 hat aus der Erfahrung der Weltkriege das Recht zum Kriege („ius ad bellum“) eines souveränen Staates abgeschafft und ein striktes Gewaltverbot festgelegt. Es gibt nur zwei Ausnahmen von diesem Verbot: Die erste Ausnahme sind Zwangsmaßnahmen des dazu legitimierten Weltpolizisten, des VN Sicherheitsrates. Zu diesen gehört als letztes Mittel auch der Waffeneinsatz. Die zweite Ausnahme ist das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 VN-Charta.
  2. Alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben „in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“ zu unterlassen. Es soll verhindert werden, dass Konflikte zwischen den Völkern mit Waffengewalt ausgetragen werden. Zwangsmaßnahmen, auch militärische Interventionen, sind deshalb nur mit einem Mandat des VN-Sicherheitsrates legitimiert. Der einzelne Staat hat hierzu kein Recht.
  3. Nach Art. 1 Ziffer 1 der VN-Charta ist es vorrangiges Ziel der Vereinten Nationen, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen können durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen“.
  4. Um einen Politikwechsel zu rechtfertigen, also auch militärisch eingreifen zu können, wird der Deckmantel „humanitäre Intervention“ bemüht. Dieser Begriff hat nichts mit humanitären Dienstleistungen für die existenziell bedrohte Bevölkerung zu tun, die vom Roten Kreuz oder vergleichbaren Hilfsorganisationen geleistet werden. An deren Notwendigkeit und Berechtigung bestehen keine Zweifel. Bei einer „humanitären Intervention“ geht es vielmehr um die Anwendung von Gewalt mit Einsatz von Kriegswaffen. Die Begründung derartiger „humanitärer Interventionen“ war schon vor einiger Zeit im Völkerrecht als nicht tragfähig und damit rechtswidrig beerdigt worden. Sie wurde aus dem Arsenal des Völkerrechts wieder herausgeholt. Die weiterhin bestehende Rechtfertigungslücke wird neuerdings über ein Gemisch aus Moral (responsibilty to protect) und einem „zivilisatorischen Mindeststandard“ (Menschenrechte) zu schließen versucht (Norman Paech/Gerhard Stuby, Völkerrecht). Diese moralische Argumentation vermag aber den offensichtlichen Rechtsverstoß nicht zu rechtfertigen.
  5. Das Grundgesetz hat die Regeln des Völkerrechtes übernommen und daraus ein Friedensgebot des Grundgesetzes normiert. Daraus lässt sich schließen, dass das Grundgesetz eine Politik gebietet, die auf Gewaltfreiheit ebenfalls dorthin wirkt, wo die Verteidigung Deutschlands nicht zur Debatte steht. Aus diesen Gründen haben die bisherigen Bundesregierungen sich in ihren Antworten regelmäßig zu dem politischen Ziel bekannt, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern. Dieser Grundsatz hat auch Eingang gefunden in die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahre 2000. Auch die jetzige Koalition hat sich diese politischen Grundsätze zu Eigen gemacht. Die SPD hatte im Rahmen der „Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts“ (2013) versucht, diese Grundsätze Bestandteil des Aussenwirtschaftsgesetzes werden zu lassen.
  6. Auch wenn der VN-Sicherheitsrat sich in vielen Fällen wegen politischer Differenzen der Vetomächte (USA, Russland, China, Frankreich, England) als nicht handlungsfähig erwiesen hat, besteht das Problem nicht in der Kritik der mangelnden Durchsetzbarkeit des Völkerrechts. Vielmehr ist das Problem die Schlussfolgerung, dass sich die internationale Politik deshalb auch nicht diesem Recht zu unterwerfen hat.

Der Bundespräsident und die Minister sollten an ihren Amtseid erinnert werden, im Rahmen dessen sie geschworen haben, ihre Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen und das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen. 

Zu diesen Gesetzen gehört auch die VN-Charta und damit das strikte Gewaltverbot. 

Leserforum der Frankfurter Rundschau vom 21.08.2014 


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