Feb 152015
 

Siegrid Kruse erlebte im Zweiten Weltkrieg viele Stunden im Dunkeln unter der Erde 

Siegrid Kruse hat den Krieg als Kind erlebt Sie wohnte in einem Dorf in der Nähe der damaligen Stadt Breslau. Heute heißt die Stadt Wroclaw und liegt in Polen. Wie sie im Interview mit Keres Ludwig, Elisabeth Ma, Ida Peterhans, Hanne Kühl und Johann Kruse berichtet, waren die Besitzer großer Bauernhöfe verpflichtet, für die Dorfbevölkerung Erdbunker anzulegen. 

Wie muss man sich einen Erdbunker vorstellen? 

Siegrid Kruse: So ein Erdbunker wurde zweieinhalb bis drei Meter in die Tiefe gebaut und die Wände wurden mit Holz verschalt. Oben auf die Decke wurden dann wieder Grassoden gelegt. Der Eingang zum Erdbunker war sehr niedrig. Ich musste hineinkriechen. Wenn alle Dorfbewohner im Bunker waren, wurden die Eingänge verschlossen. Erst dann konnte eine Petroleumlampe angemacht werden. Es durfte kein Licht nach draußen dringen, sonst hätte man sich vor den Gegnern verraten. 

Wie lange wurde Ihr Dorf bombardiert, und wie lange mussten Sie unter der Erde bleiben? 

Eigentlich wurden die Dörfer nicht bombardiert Nur wenn die Tiefflieger, die größere Städte bombardierten, auf dem Rückflug zu ihrem Stützpunkt noch Bomben an Bord hatten, warfen sie die über den Feldern und Dörfern ab. Es dauerte etwa 20 bis 30 Minuten. Wir durften aber meistens erst nach zwei, drei Stunden wieder aus dem Bunker klettern, denn manchmal brannten noch Häuser. Der Bunkerwart gab die Entwarnung an uns weiter, und dann gingen wir nach Hause. Unser Haus wurde nicht zerstört. 

Hatten Sie Angst, wenn der Alarm losging? 

Ja, immer. Ich hatte sogar Angst, wenn ich hoch oben am Himmel die Flugzeuge sah, die nur vorüberflogen. 

Dachten Sie als Kind, dass der Bunker einkracht? 

Ja, die Angst war groß und immer da. Wenn die Bomben auf die Felder fielen, dann dröhnte es, und der Erdbunker bebte. Man fühlte sich immer bedrückt. 

Was haben Sie in den Bunker mitgenommen? 

Ich hatte einen kleinen Koffer, darin waren Verbandsmaterial und mein Teddy sowie ein Schild, auf dem mein Name und mein Geburtsdatum eingetragen waren. Das war an einem Band befestigt. Ich trug es um den Hals. 

Warum das? 

Es bestand die Gefahr, dass Erdbunker einstürzten, und meine Eltern oder ich konnten verschüttet werden. Durch das Schild wusste man, wer ich bin und wo ich hingehöre. Wir haben auch Gasmasken mitgenommen, denn wir wussten nicht ob die Tiefflieger Phosphorbomben abwerfen würden. 

Was hat man im Erdbunker gemacht? 

Wir haben dort still gesessen, man hafte Angst und hat gezittert.

Haben Sie auch mal etwas gespielt, um sich abzulenken? 

Nein, eigentlich haben wir nicht ans Spielen gedacht Es gab keine Fröhlichkeit. Vielleicht haben wir mal „Ringlein, Ringlein … “ gesungen, aber eigentlich gab es keine Spiele. Außerdem war ich immer sehr müde, wenn ich mich im Erdbunker aufhielt Ich glaube heute, dass meine Eltern mir manchmal Beruhigungstee gegeben haben, damit ich die Zeit im Bunker überstehe. Für uns Kinder war es sehr anstrengend.

War es in einem Bunker laut? 

Ja. Als ich mit meinem Vater in Breslau meine Tante besuchte, da gab es Fliegeralarm. Wir mussten mit meiner Tante zu einem Hochbunker rennen. Da wir nicht in der Stadt wohnten, wollte man uns erst nicht hineinlassen.

Was ist dann geschehen? 

Meine Tante überredete den Bunkerwart In dem Hochbunker waren Betten, die in drei oder vier Etagen eng übereinander gestellt waren. Ich wurde in ein Bett hineingeschoben, und mein Vater musste sich woanders hinsetzen. Ich hörte, wie die Bomben auf die Stadt krachten. Es war sehr laut. Das war eine schreckliche Zeit. Ich habe viel geweint und nach meinem Vater gerufen. Aber ich durfte nicht zu ihm, ich durfte das Bett nicht verlassen.

Danke, Frau Kruse, dass Sie uns so viel berichtet haben. 


Schutz in lauten Bombennächten 

Bremen und seine Werften waren im Zweiten Weltkrieg häufig Ziel von Luftangriffen 

Der erste Luftangriff auf Bremen fand am 18. Mai 1940 um 0.36 Uhr statt. Das schildert Christoph Schminck-Gustavus in dem Buch „Bremen kaputt“.

Beim ersten Luftangriff auf Bremen gab es demnach keinen Fliegeralarm. Englische Flugzeuge warfen 124 Sprengbomben und 79 Brandbomben auf die Stadt. Bremen wurde im Verlauf des Zweiten Weltkrieges häufig aus der Luft angegriffen, weil es dort Werften gab, wichtige Industrien, Militärtransporte und die Flugzeugherstellung. Zum Schutz der Bevölkerung wurden zuerst Erdbunker eingerichtet. Wie Gisela Zach vom Förderverein Schulgeschichtliches Museum berichtet, entdeckte man unter dem Schulhof der Schule. „Auf der Hohwisch“ zufällig einen zerstörten Erdbunker. Auf dem Schulhof sollten Bäume gepflanzt werden, beim Graben stieß man auf Beton.

Im Bunker kamen Menschen unter, die gerade in der Nähe waren. Vor etwa zehn Jahren wurde der teilweise zusammengefallene Erdbunker wieder so aufgebaut, wie er wahrscheinlich im Krieg gewesen ist. 16 Stufen führen hinunter. Elektrisches Licht gibt genügend Helligkeit in einem kleinen Raum mit gewölbter Decke. Die Decke ist rund gebaut weil sie so stabiler ist. An den Seitenwänden stehen Bänke aus Holz. Am Ende des Raumes ist eine kleine Nische – eine Toilette. Sie sieht aus wie ein rostiger Mülleimer. In einer anderen Ecke fällt von oben ein Luftrohr in den Raum. Ober den Bänken waren damals noch Ablagen aus Holz angebracht auf die man Gepäck legen konnte. Bei Alarm musste die Bevölkerung rasch den Erdbunker aufsuchen. Deswegen standen in der Wohnung meist schon ein kleiner Koffer oder eine Tasche mit den wichtigsten Dingen bereit.

Da man nicht absehen konnte, wie lange man im Bunker bleiben musste, nahm man eine Decke mit etwas zu essen, zu trinken und die Lebensmittelkarten. Man wusste schließlich nicht, ob nach dem Luftangriff die eigene Wohnung abgebrannt war. Wenn eine Bombe den Erdbunker traf, wurden die Schutzsuchenden dann verschüttet Darum, so Andreas Calic von „StattReisen Bremen„, wurden Hoch-, Spitz- und Tiefbunker aus viel Stahl und Beton gebaut Diese Bunker gaben den Menschen genügend Schutz vor Luftangriffen.

Insgesamt gab es mehr als 100 Hochbunker in Bremen, überwiegend in Wohngebieten. Ein Bunker war ungefähr so hoch wie die Wohnhäuser. Manchmal tarnte man den Hochbunker. Oben auf den Bunker setzte man ein kaputtes Dach, damit er aus der Luft aussah wie ein Haus.

  • Aus der Klasse 3a der Grundschule an der Freiligrathstraße in Schwachhausen von Mattis Lange, Marwa Bounouar, Jule Dietrich, Paul Nerstheimer, Niklas Rühl, Alexander Stern, Liva von Appen und Karl-Henri Wohltmann

Im Tiefbunker am Bahnhof in Bremen

Platz für 2000 Menschen

Dort, wo sich viele Menschen aufhielten, aber kein Platz war, Hochbunker zu errichten, wurden Tiefbunker gebaut Im September 1940 begannen die Ausschachtungen für einen Tiefbunker am Domshof. Zu dieser Zeit bauten Gefängnisinsassen und Kriegsgefangene auch den Tiefbunker am Hauptbahnhof.

Andreas Calic von „StattReisen Bremen“, einem Verein, der Interessierten die Städte nahe bringen will, zeigt ein Foto aus der Kriegszeit. Dort ist neben dem Bahnhof eine „Holzstraße“ zu sehen, die zum Dach des Bahnhofs führt. Rund um den Bahnhof und das Überseemuseum wurde alles zerstört.“

Mit Calic geht es in den Tiefbunker unter dem Bahnhofsvorplatz. Eine breite Rampe führt hinunter zu einer großen Stahltür. Sie ist etwa 30 Zentimeter dick, verschloss beim Luftangriff den Bunkerraum und hielt sogar starken Druckwellen nach Explosionen stand. Der riesige Bunkerraum sieht aus wie eine Tiefgarage. Man fühlt sich eingesperrt. Die Luft ist stickig und staubig. An den Seitenwänden haben während des Krieges 2000 Betten gestanden.

Manchmal kamen aber wohl mehr als 2000 Menschen in den Bunker. Wie müssen sie sich gefühlt haben? Sie mussten sich dort fünf bis sechs Stunden aufhalten, bis ein Angriff vorüber war.

Um frische Luft zu bekommen drehten zwei bis vier Erwachsene an einem Rad. Damit wurde die Luftpumpe in Gang gesetzt, und Sauerstoff gelangte in den Raum. Der Bunkerwart bestimmte, wer kurbelte. Er legte auch fest, wann der Bunker geschlossen und wieder geöffnet wurde und wer hinein durfte.

Ungefähr in der Mitte des Bunkers machte eine Dehnungsfuge aus einer gummiartigen Masse den Bunker „beweglich“, wenn die Erde bebte. Manchmal fiel dann auch der Strom aus. An den Wänden waren Phosphorleitstreifen angebracht. An ihrem Licht konnte man sich orientieren.

  • Ayda Bakhshi, Tim Evers, Felix Mysegades, Mario Michelitsch, Niclas Keller, Gabriel Siagas, Greta von Weihe und Fynn Wohlfromm 

Weser Kurier vom 09.02.2015 


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