Sep 012015
 
Über Mission und Kolonialismus in Ozeanien

Von Klaus A. Baier

Inhalt

I. Kolonialismus, Imperialismus und christliche Mission
     1. Kulturbegegnung und Kulturchauvinismus
         1.1  Geo- und wirtschaftspolitische Interessen
         1.2  Südseeutopien
         1.3  Das Bildungsideal der europäischen Aufklärung
     2. Gott „tut alles fein zu seiner Zeit …“ – Mission und Kolonialismus in der Südsee
     3. „Kultureller Imperialismus“ der Missionare?

II. Die Verwandlung von Rapa Nui in die Osterinsel
     1. Der „Weiße Mann“ trifft ein 
     2. Das Geheimnis der Moais 
     3. Ein folgenschweres Missverständnis
     4. Überfälle

III. Die Christianisierung der Rapa Nui
     1. Erster Missionsversuch und erstes Scheitern
     2. Ein Neubeginn
     3. Die Schreckensherrschaft durch Juan I. 
     4. Missionarische Erfolge?
     5. Kultureller Neubeginn?
     6. Wenn es eine Menschenwürde gibt, dann gilt sie für alle

Anmerkungen

I. Kolonialismus, Imperialismus und christliche Mission

„Die elf Jünger aber zogen nach Galiläa zu dem Berg, zu dem Jesus sie beordert hatte. Und als sie ihn sahen, huldigten sie ihm; einige aber zweifelten. Da trat Jesus zu ihnen und sprach: ‚Mir ist alle Macht übertragen – im Himmel wie auf Erden. Darum geht hin und macht alle Völker zu meinen Jüngern. Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis diese Weltzeit sich vollendet.“ (Mt 28, 16 – 20)

Dieser sogenannte Missionsbefehl wurde wenige Jahrzehnte nach Jesu Tod formuliert. Er spricht das Selbstverständnis der jungen christlichen Gemeinden aus. Sie haben einen eindeutigen Auftrag erhalten: Sie sollen das Evangelium bis an die Enden der Erde verkünden.

Die von dem Menschen im Römischen Reich als bewohnt wahrgenommene Welt reichte damals etwa von Finisterre in Nordspanien bis zum Hindukusch. Im Osten, im Norden bis an die Inseln des Nordmeers (dem heutigen Sylt und Rømø) und im Süden bis an die Grenzen der großen Wüste Sahara. Und tatsächlich wurde die Botschaft Jesu Christi in relativ kurzer Zeit in jenen Gegenden verkündet. Schon im vierten und fünften nachchristlichen Jahrhundert gab es Gemeinden in Schottland und Irland, vier bis fünf Jahrhunderte später kam das Christentum in die heutigen skandinavischen Länder, etwas früher schon drang es über Bulgarien bis nach Russland vor, viel früher schon war es nach Indien gekommen und Nordafrika war bereits im sechsten Jahrhundert durchweg christlich geprägt. Die „Enden der Erde“ der damaligen Welt waren erreicht, der christliche Glaube hatte sich überall etabliert. 

Für viele Jahrhundert stagnierte die christliche Missionstätigkeit. Im siebten, achten und neunten Jahrhundert erstarkte der Islam und bis zum 14. und 15. Jahrhundert legte sich die islamische Welt wie ein Gürtel um die zentraleuropäischen Länder. Der Islam drängte vor allem im Süden und im Osten, aber auch im Westen hin bis Zentralspanien das Christentum zurück und verhinderte seine weitere Ausbreitung. Das änderte sich erst im abendländischen Zeitalter der Entdeckungsreisen (etwa seit dem Ende des 15. Jahrhunderts) und der sich daran anschließenden Kolonialisierung Afrikas, Südamerikas, Nordamerikas und Asiens einschließlich Australiens – und endlich auch Melanesiens und Polynesiens. Im Gefolge des Kolonialismus setzte eine rege Missionstätigkeit fast aller bis dahin entstandenen Kirchen ein. Die orthodoxen Kirchen missionierten bei den von Russland eroberten Völkern in Sibirien, die katholischen Kirchen Spaniens und Portugals vor allem in Lateinamerika, aber auch in Indien und auf den Philippinen und verstärkt in Melanesien und Polynesien. Die protestantischen Kirchen vor allem in Afrika, China und Indien. Mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Aber „flächendeckend“. So kam das Christentum am 2. Januar 1864 mit dem 43jährigen französischen Missionar Eugene Eyraud auch auf die Osterinsel, jenes Eiland auf der Rückseite des Globus, das uns vor allem wegen ihrer rätselhaften Statuen bekannt ist. Bevor ich Ihnen aber davon erzähle, möchte ich Ihnen einen Einblick in die Ambivalenz der Kulturbegegnung zwischen Weißen und Südseeinsulanern geben, in die auch die christliche Mission hineingezogen wurde und dann einige allgemeine Bemerkungen über den Zusammenhang von Mission und Kolonialismus machen; denn was auf der Osterinsel geschah, versteht man besser, wenn man diesen Hintergrund beachtet.

1. Kulturbegegnung und Kulturchauvinismus
1.1 Geo- und wirtschaftspolitische Interessen

Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die im Pazifik seit der zweiten Hälfte des 18. begonnene Missionstätigkeit ihren ersten Höhepunkt erreichte, war die vor den zahlreicher Missionaren liegende Inselwelt längst keine terra incognita mehr. Die geographische Erkundung der letzten bewohnten Großräume der Erde war nahezu abgeschlossen und konnte nur noch von den Forschungsexpeditionen uns unzulängliche Innere Afrikas und Australiens und in die Polzonen weitergeführt werden. Schon in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts hatten handelspolitische Fahrten der Engländer Nachrichten von der Südsee bis nach Europa gebracht; bald ließen die ethnographischen Berichte Kapitän Bougainvilles und des deutschen Gerhard Forster, der James Cook auf dessen zweiten Reise als Zeichner und wissenschaftlicher Assistent seines Vaters begleitet hatte, in Frankreich und Deutschland ein Bild vom Südsseeinsulaner entstehen. Die Beschäftigung mit den Südseekulturen vertiefte sich nach den Expeditionen des Franzosen La Pérouse oder der Russen (Kotzebue) in den Jahrzehnten um 1800, bis in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts die wissenschaftliche Zielsetzung der Weltumseglungen dem Interesse an der wirtschaftsgeographischen Erschließung des Raumes wich und die koloniale Aufteilung des Pazifik begann. Es war für den Fortgang der Mission in Ozeanien schicksalhaft, dass sie in eben der Epoche verstärkt einsetzte, als die wirtschafts- und geopolitischen Interessen der damaligen Weltmächte sich durchzusetzen begannen. Aber das erklärt nicht hinreichend, warum sie sich fast kritiklos auf dem Kolonialismus einließ. Ein weiterer Aspekt der Kulturbegegnung darf nicht außer Acht gelassen werden, der in der Zeit vor der imperialistischen Inbesitznahme aller pazifischen Inseln (außer Tonga) dominierte.

1.2 Südseeutopien 

Die Weltreisen von La Pérouse, von Cooks und Kotzebue, die Bougainvilles und Forsters, ähnlich auch die Alexander von Humboldts in Südamerika fanden in der Zeit der europäischen Aufklärung statt. Man erwartete von den Forschungsreisen Erkenntnisse zu Fragen der Menschheitsgeschichte sowie Aufschlüsse über fremde Kulturtechniken, Religionen und Sitten. So ist in der Planung und Bestattung zu den späten Entdeckungsreisen ein beträchtliches Potential an kulturphilosophischen Fragestellungen und Legendenbildungen aus der Zeit Rousseaus eingegangen, das seinerseits im europäischen Südseebild wiederkehrt. Sowohl die utopische Idyllik der Robinsonaden wie die vorromantische Zivilisationskritik sind an dem Mythos beteiligt, der in den vorrevolutionären siebziger und achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts den Persontyp des „Edlen Wilden“, wie Rousseau ihn in seinem „Emile“ entworfen hatte, mit der Verklärung der Südseeinseln, insbes. Tahitis, verbindet. Die physiognomisch argumentierende Völkerkunde der Zeit hebt vor allem die Ähnlichkeit des Südseeinsulaners mit dem Schönheitsideal der antikisierenden Spätaufklärung hervor.

In der Histoire des révolutions de Tahiti (1782) von Poncelin de la Roche-Tilhac liest man über die tahitianischen Frauen: „Es sind dies alle ebenso liebreizende Nymphen wie jene, mit denen Homer seine sinnesfreudige Calypso umgab. Weil sie sich nie der Sonne aussetzten, ohne sich mit einem blumengeschmückten Hut aus Strohgeflecht zu bedecken, der ihr Gesicht vor den Strahlen schützt, sind sie weiß wie Alabaster; ihre Züge sind angenehm und fein; ihre Gestalt wirkt geschmeidig, elegant und majestätisch; ihrem reizenden Antlitz entspricht ein Körper von anmutig gerundetem Umriss und vollkommener Ebenmäßigkeit; der es verdient, den Preis vor allen Europäerinnen zu empfangen“.

In dieser Geschichtsphantasie schimmert hinter dem Bild des „Edlen Wilden“ das spätgalante Frauenideal durch, das man auch in anderen Beschreibungen der Menschen Tahitis findet. Bougainville z.B. erkennt in den tahitianischen Mädchen Züge schöner Südeuropäerinnen und die Gestalt griechischer Nymphen. Der Vergleich wird ergänzt durch die Einpassung der ethnographischen Tatsache in ein seit der Antike überliefertes Ideal vom unschuldigen Leben im Naturzustand. Ich erinnere an das Bild von Arkadien und das christliche-jüdisch-muslimische Bild vom Paradies. Bougainville entdeckt in Tahiti geradezu den biblischen Garten Eden. Seine Argumente leuchten ein: Der natürliche Reichtum der Insel befreit die Bewohner weitgehend von Arbeit; ihr Leben wird durch kein moralisches Gesetz beschränkt, das den Sinnengenuss zur Sünde erklärt, Friedfertigkeit, Anmut, Müßiggang und freie Liebe der jungen, unverheirateten Mädchen bestimmen das gesellige Miteinander. Die in Europa geltenden Normen und Wertvorstellungen erscheinen auf dem Hintergrund dieser archaisierenden Utopie wie Fesseln, deren man sich entledigen kann, wenn man in die Südsee auswandert. Johann Heinrich Voß und andere Mitglieder des sog. Hainbundes verfielen deswegen auch auf den naheliegenden Plan, nach Tahiti auszuwandern, ja selbst Johann Wolfgang von Goethe soll mit seiner geliebten Auguste von Stolberg Auswanderungspläne geschmiedet haben, um dort mit ihr ein freies Leben zu beginnen. Kurz: Die Berichte Bougainvilles und anderer Reisender führten vielfach dazu, mit den vermeintlich verfehlten Gesetzen, die Staat und Kirche und Gesellschaft dem Europäer auferlegten, abzurechnen. Dieses aufgeklärte kulturpolitische Räsonnement wurde nur selten durch nüchterne Berichte über die wirklichen Zustände auf den Inseln relativiert. Georg Forsters nüchternen anthropologische orientierten Beschreibungen z.B. stellen ein wichtiges Korrektiv des utopischen Ideals dar und stärkte eine andere in der europäischen Aufklärung angelegte Tendenz.

1.3 Das Bildungsideal der europäischen Aufklärung

In deutsche Aufklärungsphilosophie verfolgte eine emanzipatorische Linie. Aufgeklärt ist nach Kant derjenige, der sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen wagt. Wer das tut, ist zugleich ein gebildeter Mensch. Der Gebildete ist nicht ein mit Faktenwissen vollgestopfter Kopfmensch, sondern jemand, der sich und anderen Rechenschaft darüber abzugeben in der Lage ist, was er warum gestern, heute und morgen getan hat, tut und zu tun gedenkt; der dem Mitmenschen das gleiche Recht zusteht und sich für dessen Recht einsetzt (Menschenrechte); der alle Autorität hinterfragt und unendlich der Wahrheitssuche verpflichtet ist, weil hier und jetzt die endgültige Wahrheit nicht postuliert werden kann. Die Wissenschaftler, die mit den Erkundungsreisen und Expeditionen in die Südsee gelangten, fühlten sich deswegen den Eingeborenen zumeist überlegen, weil diese in alten Traditionen und archaischen Religionsvorstellungen befangen waren; aber sie fühlten auch die Verantwortung, das „Licht der Aufklärung“ jenen Menschen zu bringen, die von ihm bisher ausgeschlossen waren. Die Last dieser Verantwortung wuchs, als man merkte, wie sehr der Kontakt mit den Weißen die Kulturen der Südseeinsulaner veränderte, ja, zu vernichten drohte. Schon Georg Forster ahnte das. Später sprach man dann von der „Last des weißen Mannes“, der verpflichtet sei, den Eingeborenen, wenn er sie schon ihrer ursprünglichen Kultur entfremdete bzw. entfremdet hatte, das „neue Denken“ und die wissenschaftliche Perspektive des Abendlandes zu vermitteln, damit sie den neuen Herausforderungen begegnen konnten und letztlich ermächtigt wurden, sich endlich ihres eigenen Verstandes auch gegen die Wirtschaftsinteressen und politischen Ambitionen der Weißen zu bedienen. In kirchlichen Kreisen sah man es ähnlich: die Eingeborenen sollten an den industriellen und wissenschaftlichen Errungenschaften der Weißen teilhaben, aber damit sie das konnten, mussten sie den Glauben z.B. an die Göttlichkeit der Erde, an Geister und Ahnen ablegen, der ihnen den Zugang zum Wissen der Weißen versperrte. Und wenn sie ihn abgelegt haben, bedürfen sie des christlichen Glaubens, denn nur er sei in der Lage, das neue Wissen und die neuen Fertigkeiten in ethisch und moralisch angemessener Weise zu formen, damit die Menschen nicht um des schnöden Mammons willen und aus Rivalität um die Bodenschätze übereinander herfallen. Kurz: die Idee war, die Eingeborenen zu christlich gebildeten Bürgern zu machen, die vor Gott und den Menschen Verantwortung füreinander zu übernehmen bereit sind. Und sie hofften, dass sie in dem „Paradies“ der Südsee dafür durch die Erfahrungen der Abendländer unbelastete und darum eher bereite Menschen finden würden und im „Alten Europa“ und materialistisch verdorbenen Amerika. Worte wie „empor führen“, „reif machen“ und „bilden“ verraten die Intention: es geht um die Erziehung des ganzen Menschengeschlechts im Sinne der europäischen Aufklärungsphilosophie.

Soweit das Ideal. Die Realität sah dann anders aus. Das Anliegen der aufgeklärten Reisenden des 18. Jahrhunderts verblasste im 19. im Mahlstrom des Kolonialismus und Imperialismus – und zerschellte an der Unfähigkeit der meisten Missionare, die Eigenheit der fremden Kultur und die Autonomie der sog. wilden Völker wahrzunehmen und zu verstehen. Sie sahen all überall lockere Sitten, sexuelle Promiskuität, Nacktheit und finsteres Heidentum. Der Sittenwandel müsse mit Strenge und Härte herbeigeführt werden – und dabei konnten die Kolonialherren behilflich sein. Im Vorwort zu seinem Roman „Die Missionäre“ schreibt der im 19. Jahrhundert viel gelesene Reiseschriftsteller Friedrich Gerstäcker: „Der Erfolg zeigt, daß überall die Verbindung mit den Weißen allen wilden Völkern zum verderben gereichte und sie ausrottete, und ich fürchte, ohne sie wirklich gebessert zu haben.“ Liest man den Satz gegen den Strich, so sagt Gerstäcker: Hätten die Missionare die Wilden gebessert, so wäre gegen ihr Tun nichts einzuwenden gewesen; aber sie haben das hehre Ziel der Aufklärung verraten. Darum sind sie zu kritisieren. Heute meinen manche Kritiker, die Mission hätte überhaupt nicht stattfinden, man hätte den Völker ihre Religion nicht rauben dürfen. Das war jedoch völlig unmöglich; jeder länger anhaltender Kulturkontakt führt zur Veränderung der involvierten Kulturen. Auch die Begegnung mit anderen religiösen Vorstellungen ist unvermeidlich. Aus der zeitlichen Entfernung gesehen haben wir es heute leicht, die Missionare des 19. Jahrhunderts zu kritisieren; aus ihrer Perspektive heraus haben sie folgerichtig gehandelt. Aber dadurch, dass unsere Kultur mit der fremden der Südsee in Kontakt gekommen ist, hat sich unsere Perspektive auch verändert; darum sehen wir heute anders auf das damalige Handeln der Missionare und Missionarinnen. Hoffentlich selbstkritischer und sensibler für anderes Denken als unsere Vorväter, die – wie ich gleich zeigen will – dem Kolonialismus ziemlich unkritisch gegenüberstanden.

2. Gott „tut alles fein zu seiner Zeit …“. Mission und Kolonialismus in der Südsee 

Es ist nicht zu bestreiten, dass die christliche Mission zusammen mit den portugiesischen und spanischen Eroberern des 15. und 16. Jahrhunderts einhergegangen ist und spätestens seit Beginn des 18. Jahrhunderts mit westlichem Kolonialismus und Imperialismus in Verbindung stand. Umstritten ist freilich, wie dieses Verhältnis näher zu beschreiben ist. Auf der einen Seite wird die Verquickung von Mission und Imperialismus betont. Auf der anderen Seite wird darauf hingewiesen, dass das Verständnis der Kolonialherrschaft im Sinne einer „Treuhandschaft“, die „auf das Wohlergehen aller Eingeborenen ausgerichtet war“, besonders in England immer wieder eingefordert wurde, und dass das Verhältnis von Mission und Kolonialmacht je nach Region und den handelnden Personen sehr unterschiedlich war: Regierungen und Kolonialbeamte nahmen ganz verschiedene Positionen ein, die sich dazu im Laufe der Zeit änderten. Ebenso vertraten die Missionare unterschiedliche Standpunkte und übten manchmal auch Kritik. Verallgemeinerungen sind deshalb schwierig.1

Zweifellos haben sich viele Missionare die Anwesenheit und das Auftreten der Kolonialmächte zunutze gemacht. Im Fall Portugals und Spaniens sahen sich die Regierungen selbst zur Mission und zur Aussendung von Missionaren verpflichtet. Auch die holländische Handelsgesellschaft war, da sie in den Kolonien die Aufgaben der Obrigkeit übernahm, nach der Confessio Belgica von 1561 dazu verpflichtet, „den heiligen Dienst am Wort zu beschirmen und alle Abgötterei und falschen Gottesdienst abzutun und zu zerstören, das Reich des Antichrist zu stürzen, stattdessen Jesu Christi Reich zu befördern und Mühe daran zu wenden, dass das Wort vom Evangelium allerorten gepredigt wird …“.2 Die holländische Handelsgesellschaft, die sog. Vereinigte ostindische Compangnie, kam dieser Aufgabe nach, indem sie Geistliche und andere kirchliche Mitarbeiter/innen in ihre Kolonien aussandte, die sich der Betreuung der Holländer widmen, aber auch „bei jeder sich bietenden Gelegenheit … um das Heil der dort wohnenden Barbaren kümmern“ sollten.3 Die holländische Handelsgesellschaft hielt das kirchliche Leben in den Kolonien allerdings unter strengster Kontrolle und verlangte von den Geistlichen absolute Loyalität. Manche Missionare gingen zwar in Gebiete, die von keiner europäischen Macht kontrolliert wurden. Aber selbst da profitierten sie oft von ihren Verbindungen zu europäischen (und später verstärkt amerikanischen) Handelsunternehmungen und Gesellschaften, die sich dem Abbau und Transport von Rohstoffen zur Weiterverarbeitung in die jeweiligen Heimatländern widmeten. Ähnlich war es im 19. Jahrhundert auch in (Indo-)China. Die französischen und die deutschen Missionare forderten für ihre Arbeit dort von den Kolonialmächten Schutz und Unterstützung für ihre Arbeit. Die dann auch gerne gewährt wurde. Obwohl sich manche Missionare um eine relative Freiheit gegenüber der Kolonialmacht bemüht haben, so machten sich doch viele von ihnen (und den einheimische Christen) oft die Tatsache zunutze, dass sie hinter ihnen stand. So schrieb im Jahre 1871 ein Missionar, nach dem Kambodscha schon 1863 französisches Protektorat geworden war, an die Missionsleitung in der Heimat: „Es gibt keinen Kambodschaner, der heute nicht wüsste, dass man einem Christen nicht ungestraft ein Haar krümmen kann.“

Da die Mission im großen und ganzen Nutznießerin der Kolonialherrschaft war, konnte sie schon aus Selbstinteresse die im 19. Jahrhundert entstehenden nationale Bewegung in Indien, China und anderen Ländern nicht unterstützen. Die Missionare wollten auf die gepanzerte Faust und Kanonenbootpolitik nicht verzichten. Schließlich kam in ihren Augen der weltliche Schutz dem Werk der Bekehrung und damit dem Heil der Seelen zugute. Missionare und einheimische Christen zogen sich dadurch verständlicherweise häufig den Hass der nichtchristlichen Mehrheit zu, und nachdem die asiatischen Länder ihre Unabhängigkeit erlangt hatten, wurde es für viele Christen zum Problem, der „Religion der Imperialisten“ anzugehören. In Afrika waren die Verhältnisse etwas anders, weil die politisch handelnden Personen, die nach Erlangen der Unabhängigkeit das Heft in die Hand nahmen, meist bereits Christen in der zweiten Generation waren.

Nur nebenbei sei erwähnt, dass sich auch die Kolonialverwaltung die Anwesenheit der Missionare zunutze machte. Denn diese kannten die Sprache der Menschen und waren mit ihren Sitten vertraut – Kenntnisse, die viele Kolonialbeamte, die meist nur kurzzeitig im Land waren, fehlten.

Die Mission hat nicht nur den Schutz und die Unterstützung der Kolonialmacht in Anspruch genommen, sondern gelegentlich auch selbst die Errichtung imperialistischer Herrschaft gefordert und sogar in die Wege geleitet. Das traf – wie erwähnt – besonders für die katholische Mission in Indochina zu. Überhaupt war in europäischen Missionskreisen die Ansicht weit verbreitet, in den imperialistischen Aktionen vollziehe sich das Handeln Gottes oder – wie man häufig sagte – der Vorsehung, möglicherweise verborgen sogar unter Geschehnissen, die in keiner Weise moralisch zu rechtfertigen waren, wie etwa in den Opiumkriegen in China. Die mit militärischer Gewalt erzwungene Öffnung Japans wurde im Evangelischen Missionsmagazin folgendermaßen kommentiert: „Auch der Blödsichtigste muss erkennen, dass eine höhere Hand auch hier die Dinge geordnet hat; denn es bleibt dabei, was schon Salomo erkannt und (Pred. 3, 11) ausgesprochen hat: ‚Er tut Alles fein zu seiner Zeit‘.“4 Ich habe bereits darauf hingewiesen: Wir können derartige Äußerungen nur vor dem Hintergrund der frömmigkeitlichen und theologischen Prägung der Mehrzahl der Missionare verstehen. Für sie waren die Menschen, die noch nicht von der Botschaft des Evangeliums erreicht worden waren, dem ewigen Verderben verfallen. Von daher wird verständlich, das die Ermöglichung der Verkündigung und des missionarischen Wirkens für sie höchste Priorität genoss. Wenn sie das Eingreifen der Kolonialmacht forderten, dann nicht aus Handelsinteresse, sondern vor allem, um die Mission überhaupt erst zu ermöglichen. Mission und Vermittlung westlicher zivilisatorischer Werte wurden allerdings in enger Verbindung zueinander gesehen. Ich habe eben schon darauf hingewiesen. Daher drängten die Missionen die weltlichen Machthaber zur Gründung von Schulen und Werkstätten, in denen das Wissen des Heimat – dosiert wohlgemerkt – weitergegeben werden konnte.

Man muss auf der anderen Seite aber auch sehen, dass die Missionare an den Kolonialmächten Kritik geübt haben. Das geschah freilich eher selten und eigentlich nur in gravierenden Fällen der Verletzung der Menschenwürde. Gelegentlich haben Missionare gegen die inhumane Behandlung der Einheimischen durch Europäer protestiert. Der Augustinerpater Martin de Rada und der erste Bischof auf den Philippinen, der Dominikanerpater Domingo de Salazar, stellten schonungslos das brutale Vorgehen der spanischen Behörden gegen die Filipinos dar und berichteten darüber nach Spanien. In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts setzten sich protestantische Missionare in Bengalen für die Arbeiter in den Indigo-Plantagen ein, die ihrer Ansicht nach in unmenschlicher Weise ausgebeutet wurden. Sie erwirkten eine Behandlung der Frage im englischen Unterhaus. Der anglikanische Missionar James Long (CMS) wurde schließlich wegen seines Einsatzes für die Indigo-Arbeiter in Kalkutta zur Zahlung von 1.000 Rupien und zu einer Haftstrafe verurteilt. In einer in Kalkutta erscheinenden, den Indigo-Farmen nahestehenden Zeitung wurde Long vorgeworfen, er predige Aufruhr statt Christus. Auch die Mission unter den Ureinwohnern Indiens, den Adivasi oder (wie sie sich selbst nennen) Dalis geschah gegen den ausdrücklichen Befehl der britischen Verwaltung in Bengalen. Und ein Aufstand der Adivasi in der Gegend um Ranchi / Bihar wurde (wohl nicht ganz zu Unrecht) von den Behörden auf das Wirken der Missionare zurückgeführt, die den Dalits zum ersten Mal in ihrer Geschichte von der Freiheit der Kinder Gottes erzählten und sich für die Belange der Ureinwohner einsetzten.

Einer grundsätzlichen Ablehnung des Kolonialismus begegnet man bei den Missionaren aber eher selten. Manche der Missionare allerdings verließen aus Protest gegen die Kolonialherrschaft die Mission und wurden zu ihren erbittersten Gegnern. Franz van Lith (1863 – 1926) z.B. vertrat die Ansicht: „Die Zeit der Oberherrschaft der weißen Rasse ist aber vorbei … Holländer, Indo-Europäer und Javaner werden von nun als Brüder zusammenleben, oder aber sie werden bald überhaupt nicht mehr zusammenleben.“5 Auf jeden Fall müsse sich die katholische Kirche klarmachen, auf welcher Seite sie stehe, nämlich nicht auf der Seite der „Geldschrapper und Unterdrücker“. Im Falle eines Kampfes müssten die Missionare die Indonesier unterstützen.

Ähnliche Stimmen wurden auch auf protestantischer Seite laut. Der Kongregationalist Frank C. Laubach richtete sich besonders gegen die amerikanischen Kolonialpolitik und fragte, ob die Christen nicht sympathisieren müssten mit der Haltung „tropischer Menschen“, dass das Land ihnen gehört, da sie zuerst auf ihm wohnten, und dass sie in keiner Weise dazu verpflichtet sind, es schneller zu entwickeln als sie möchten, dass sie es sich selbst und ihren Kindern schuldig sind, Einwanderer fernzuhalten, mit denen sie nicht konkurrieren können. Laubachs Anfragen sind nicht nur wegen der in ihnen enthaltenen bis heute aktuellen Kritik bedeutsam, sondern besonders deshalb, weil er die Überlegenheit des westlichen Wertesystems hinterfragt. Damit ist auch der vorhin erwähnte Erziehungs- und Zivilisierungsgedanke in Frage gestellt, der das imperialistische Sendungsbewusstsein beflügelt hatte, und diesem selbst der Boden entzogen. Laubach löste sich von der allgemeinen Sendungsideologie. Er begann, deren Zweifelhaftigkeit zu durchschauen und sich auf die Seite der Filipinos zu stellen. Ein so tiefgreifendes und grundsätzliches Urteil über die Kolonialpolitik findet sich freilich in missionarischen Äußerungen nur selten.

Vor allem solche kritischen Stimmen trugen dazu bei, dass das Verhältnis zwischen Mission und Kolonialmacht nicht immer unbeschwert war. Beider Ziele berührten sich im Bereich von Bildung und Erziehung, im übrigen aber lagen sie weit auseinander. Das Ziel der Mission war die Gewinnung der Seelen für Jesus Christus, das der Kolonialbeamten die Gewinnung von Rohstoffen und Arbeitern, die sie ernteten oder abbauten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Kolonialpolitiker und Kolonialverwaltungen der Mission durchweg kritisch bis ablehnend gegenüberstanden. Drastisch kam dies in einer Eingabe an das englische Parlament im Jahre 1793 zum Ausdruck: „… Die Aussendung von Missionaren … ist das tollste, extravaganteste, kostspieligste, unverantwortlichste Projekt, das je von einem mondsüchtigen Schwärmer vorgeschlagen worden ist. Ein solcher Plan ist verderblich, unpolitisch, nutzlos, unheilbringend, gefährlich, unfruchtbar, phantastisch. Er streitet wider alle Vernunft und gesunde Politik, er bringt den Frieden und die Sicherheit … in Gefahr.“

Ähnliche Vorbehalte haben Vertreter der englischen East India Company geäußert. Sie setzten alles daran, dass Missionare in den Gebieten, mit denen sie Handel trieben, nicht Fuß fassen konnten. Als beispielsweise 1853 die anglikanische Missionsgesellschaft (CMS) eine Missionsstation im afghanischen Peshawar eröffnen wollte, erklärte der dortige englische Regierungsvertreter Mackeson kategorisch: „Kein Missionar wird den Indus überschreiten, solange ich Regierungsbevollmächtigter in Peshawar bin: Wollt ihr, dass wir alle getötet werden?“6

Missionare sahen dann die strafende Hand Gottes am Werk, als Mackeson kurze Zeit später von einem Afghanen ermordet wurde. Bereits im Jahre 1706 erfuhr der Hallensische Missionar Bartholomäus Ziegenbalg von Seiten der Kolonialverwaltung im dänischen Tranquebar in Südindien Ähnliches, obwohl er sogar die Rückendeckung des dänischen Königs für sein Tun hatte. Von einer strafenden Hand Gottes war hier allerdings nicht viel zu verspüren; Ziegenbalgs Missionstätigkeit wurde von der Kaufmannschaft wo immer es ging gehindert.

Überblickt man die verschiedenen Aspekte des Verhältnisses von Mission und Kolonialismus zueinander, so fällt zuerst auf, wie sehr die Mission sich die Anwesenheit der Kolonialmacht zunutze zu machen suchte und so in die Problematik von Kolonialismus und Imperialismus verstrickt wurde. Auf der anderen Seite verfolgte sie aber doch ein völlig anderes Ziel und scheute -wenn auch selten – auch den Konflikt mit der Kolonialmacht nicht. Durch die Vermittlung von Bildung und Selbstbewusstsein befähigte sie die Menschen indirekt zur Kritik an der Kolonialmacht. Freilich gehörten die Missionare auch dann noch zur sozialen Schicht der Imperialisten, der sie schon aufgrund ihrer Herkunft nicht entkommen konnten. Selbst wenn sie sich gegen die Kolonialmacht stellten, gewannen ihre Äußerungen und Aktionen ihre Wirkungskraft dadurch, dass sie irgendwie doch auch zur Kolonialmacht gehörten. Der Protest von James Long gegen die englischen Indigo-Farmer war deshalb so wirkungslos, weil es der Protest eines Europäers war. Selbst dann, wenn manche Missionare die indische Staatsbürgerschaft angenommen hatten, haftete ihnen doch etwas von der kolonialen Herkunft an, was man ihnen allerdings nicht zum Vorwurf machen kann. Bestehen bleibt freilich die Frage nach dem „kulturellen Imperialismus“ der Mission. Darauf will ich im folgenden zu sprechen kommen.

3. „Kultureller Imperialismus“ der Missionare?

Bis tief ins Gedächtnis westeuropäischer Menschen hat sich der Eindruck gegraben, dass die Mission letztendlich nichts anderes als eine Form des kulturellen Imperialismus gewesen sei. Ich fragte meine Studenten neulich in einem Seminar, das sich mit der ökumenischen Bewegung befasste, was ihnen einfällt, wenn sie das Stichwort „Mission“, das in der Ökumene eine große Rolle spielt, hören. Es fielen Begriffe wie Ausbeutung, Unterdrückung, Imperialismus, Vernichtung einheimischer Kulturen und Zerstörung von menschlichen Identitäten. Wenn in der deutschen Presse denn überhaupt über Mission berichtet wird, dann meist im negativen Sinne. Viele Autoren haben den „kulturellen Imperialismus“ der Missionare angeprangert. Dazu gehörte neben dem bereits erwähnten Gerstäcker die auch heute noch viel gelesene Schriftstellerin Pearl S. Buck, die selbst als Lehrerin in chinesischen Missionsinstitutionen gearbeitet hat. Sie bezeichnete die Mission als „eine feine Form des Imperialismus“. Und der Ethnologe Christoph von Fürer-Haimendorf war der Ansicht, die Mission habe „Menschen, die … ein fröhliches, arbeitsames und freies Leben führten“, zu „unzufriedenen, mit ihrem eigenen Volkstum zerfallenen und nach Fremdem strebenden Geschöpfen“ gemacht. Verrier Elwin schließlich stellte die Missionare in eine Reihe mit Geldverleihern und Branntweinverkäufern. Beliebig viele Beispiele könnte man für diese Sicht noch anführen. Man sieht in der Mission eine kulturzerstörende Kraft des Westens. Ist das berechtigt?

Wieder muss ich sagen: Ja und nein. Es ist gar nicht zu bestreiten, dass die Missionare ihr Verständnis von einem anständigen christlichen Leben aus Europa oder Amerika mitbrachten, und dass die meisten von ihnen von der Überlegenheit der westlichen Kultur und Zivilisation überzeugt waren. Christentum und westliche Bildung gehörten für die zusammen. Westliche Vorstellung von Hygiene und Sauberkeit, von Ordnung und Pünktlichkeit, von Fleiß und Korrektheit wurden weithin als allgemein gültig betrachtet, was oft zu pauschalen Urteilen über Charakter und Lebensweise der Menschen in jenen Ländern führte. In der Berichterstattung der Missionare bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts finden wir dann auch sehr vieles, was die Überlegenheit der Weißen gegenüber den armen Heiden ins Rechte stellen sollte: Man erzählte davon, wie den Frauen in China die Füße verstümmelt wurden, von Witwenverbrennung und Kinderheirat im Blick auf Indien war die Rede, man schilderte die Behandlung von Wunden mit Kuhdung, das Aussetzen von Sterbenden am Ufer des heiligen Ganges, Schmutz usw. Vor allem der angeblich verbreitete Kannibalismus in Polynesien wurde als ein unerklärbarer charakterlicher Grundzug insbesondere der Maori auf Neu-Seeland aber auch anderer Gegenden zur Legitimation der Mission herausgekehrt, finsterster Ahnenverehrung und Geisterglaube seien verbreitet, Neid, Hass und Willkür seien die natürlichen Charakterzüge de Wilden. Generalisierend meinte man also durch und durch negative Züge des sog. Volkscharakters feststellen zu können. Der Missionswissenschaftler Julius Richter z.B. identifizierte „Hang zur Lüge, Geldgier und eine gewisse Verschmitztheit“ als „die allgemein-chinesischen Fehler“. Polynesier wurden durchweg als Diebe und Schlitzohren dargestellt, denen man erst einmal Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit beibringen musste. Missionarsfrauen und zunehmend auch Missionarinnen vermittelten Frauen das im Europa und Amerika des 19. Jahrhunderts vorherrschende – vermeintlich christliche – Frauenideal. Dass die Mädchen dabei nur Hausarbeit, Kindererziehung und Stricken lernten, ist allerdings ein Märchen; die Lage der Frauen in jenen Ländern war alles andere als idyllisch. Durch Vermittlung der Missionarinnen wurden ihnen nicht nur allerlei nützlich Kenntnisse beigebracht, sondern auch ihr Selbstbewusstsein gestärkt.

Überhaupt: Die Missionsarbeit der Europäer fiel nicht nur mit der Zeit der Aufklärung zusammen, sondern mit dem Zeitalter der Revolutionen in Nordamerika und Frankreich. Von den fortschrittlichen Ideen des Abendlandes sollten nun auch jene profitieren, die in anderen Erdteilen wohnen: von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Menschenrechten, Demokratie. Und auch die traditionellen christlichen Werte müssten allen zugute kommen: das Gebot der Nächstenliebe und die Grundannahme, dass vor Gott alle Menschen gleich sind und als seine Geschöpfe auch seiner Liebe gewiss sein können. Der Aufbruch zur Mission hat auch mit diesen Idealen zu tun, sie schwingen in den Erneuerungs- und Heilsbewegungen der frommen Christen mit, erfahren bei ihnen freilich eine gewisse Veränderung: erst wer sich zu Jesus Christus bekehrt und sich zum Glauben an ihn erwecken lässt, kann wahrhaftig befreit werden – nicht nur von nackter weißer Gewalt, sondern von des Teufels List und Macht. Brüderlichkeit und Gleichheit werden sich dann schon einstellen, dafür zu sorgen, sei nicht Sache der Mission. Hier müssten auch die Einheimischen selbst tätig werden und einen ihrer Mentalität angemessene politische Struktur geben; nur eine Bedingung sei zu erfüllen: sie müsse der Grundannahme entsprechen, dass vor Gott alle Menschen gleich sind. Wer Christ wird, muss nicht zugleich Europäer werden – weder hinsichtlich seiner Frömmigkeit, noch als homo politicus.

Bereits 1659 veröffentliche Rom eine Anweisung für die katholischen Missionare, in der es heißt: „Versucht in keiner Weise, diese Völker zu überreden, ihre Sitten, Gewohnheiten und Verhaltensweisen zu ändern, solange diese nicht offensichtlich im Widerspruch zu Religion und Moral stehen. Was könnte absurder sein, als Frankreich, Italien oder irgendein europäisches Land zu den Chinesen zu bringen. Bringt ihnen nicht unsere Länder, sondern unseren Glauben …“.7 Zuvor schon hatten die Jesuitenpadres Franz Xavier seit 1543 und sein Schüler Roberto de Nobili seit 1606 sowie seit 1572 Matteo Ricci in Indien bzw. China ganz frei von kolonialen Einfärbungen den Dialog zwischen Hindus und Angehörigen des Konfuzianismus gesucht und das Evangelium in einer Weise verkündet, die die kulturellen Gegebenheiten ernst nahm (de Nobili gab sich als „römischer Brahmane“ um die Brahmanen zu gewinnen, Ricci anerkannte den chinesischen Ahnenkult), was dann freilich in Rom als zu freizügiger Umgang mit christlichen Grundüberzeugungen gewertet wurde (Ritenstreit bis 1742) und schließlich zum Verbot und damit zum Ende dieser vielversprechenden Anfänge führte. Aber auch den Missionaren der protestantischen LMS wurde 1873 von ihrem Vorgesetzten mitgegeben: „Macht eure Konvertiten nicht zu Engländern. Bedenkt, dass die Menschen Fremde sind. Lasst sie dies weiter sein. Sorgt dafür, dass ihre fremde Individualität erhalten bleibt. Baut darauf auf, soweit es vernünftig und gut ist, und christianisiert sie, aber verändert sie nicht unnötig …“.8

Freilich – auch so ist unübersehbar: Die Missionare sollten den Charakter der Menschen bilden und damit auch verändern. Die patriarchalische Haltung, die über die einheimischen Christen wie über Kinder verfügt, die den Weißen zur Erziehung anvertraut sind, ist nicht zu leugnen. Auch wenn sie sagten, sie seien nicht da, um die Polynesier z.B. zu Duplikaten westlicher Baptisten, Methodisten, Katholiken oder Protestanten zu machen, sondern um sie zu Christus zu führen und sie so anzuleiten, dass sie ihrem eigenen Charakter entsprechend eine eigene Kirche bilden können, bleibt doch evident, dass sie die Verkündigung des Evangeliums gleichzeitig als einen Erziehungsprozess ansahen, in dem bestimmte als allgemein gültig angesehene christliche Werte, die im Westen entstanden sind, vermittelt werden sollten.

Aber hatten die Missionare überhaupt eine andere Chance? Sie kamen doch aus diesem Kulturkreis? Und den fremden Kulturkreis, in den sie eindrangen, lernten sie nur mühsam kennen. Immerhin: Damit, dass sie sich wie kaum andere Angehörige der westlichen Länder damals darum bemühten, die Einheimischen zu verstehen, leisteten sie auch einen Beitrag zum Verständnis zwischen den Kulturen. Nicht wenige Missionare erlernten die Sprachen der Polynesier. Sie verfassten Grammatiken und Wörterbücher und erforschten Lebensweise und Religionen. Es waren vor allem Missionare, die die heiligen Schriften der Inder und das medizinische Wissen der Chinesen nach Europa vermittelten. Es wäre zu gar keinem Kulturaustausch gekommen, wenn die Missionare sich nicht der gewiss mühseligen Aufgabe unterzogen hätten, die Kultur der Menschen, denen sie das Evangelium verkündigen wollten, so gut es irgend ging, kennen zu lernen. Es ist freilich zuzugeben, dass im 18. und 19. Jahrhundert der koloniale Typus der Mission vorherrschte, der sich erst im ausgehenden 19. und dann im 20. Jahrhundert abschwächte und einer anderen Sichtweise Platz machte.

Manche (ost-)asiatischen Autoren haben dann auch zu einem differenzierteren Urteil über die kulturellen Auswirkungen der Mission aufgefordert. Einerseits hat die christliche Mission dazu beigetragen, dass sich die Kultur der Stammesgesellschaft in Polynesien veränderte und manche Aspekte der traditionellen Kultur verschwanden, die später schmerzhaft vermisst wurden. Dafür war freilich die Mission nicht allein verantwortlich, wie wir noch sehen werden. Mindestens ebenso folgenschwer war die Einwirkung der chilenischen, spanischen, englischen und französischen Kolonialverwaltung. Das Verbot der Kopfjagd bei den Dayak auf Borneo z.B. beseitigte nicht einen etwas gefährlichen Zeitvertreib, es nahm den Menschen eine gesellschaftlich anerkannte Möglichkeit sich auszuzeichnen, sich zu bewähren und sich als Mann zu erweisen. Andererseits: Können wir die Kopfjagd als einen heute noch legitimen Ausdruck zur Erlangung männlicher Identität ansehen?

Wie auch immer. Die Ansicht, der „kulturelle Imperialismus“ der Missionen habe die einheimischen Kulturen zerstört, geht von der Voraussetzung aus, dass die Bewohner Melanesiens und Polynesiens urteils- und hilflose Opfer waren, die den Missionaren die Entscheidung darüber überließen, was für sie kulturell wertvoll und wichtig war. Vor allem die Christen der zweiten und dritten Generation haben nicht selten zu einer wirklichen Begegnung von Nord und Süd beigetragen, bei der sehr wohl ausgewählt wurde und bei der eine Synthese von christlicher Lebens- und Frömmigkeitspraxis entstand, die Bewahrung des Überkommenen mit Veränderung verband. Allerdings: Eine Veränderung war unausweichlich. Allein die Begegnung mit einer fremden Kultur nötigte die Bewohner der pazifischen Inseln dazu, sich mit ihr auseinander zu setzen. Freilich verlief dieser Prozess bis ins 20. Jahrhundert hinein völlig asymmetrisch. Viele Europäer begannen sich für die andere Kultur erst zu interessieren, als sie den Kolonialismus in seiner ganzen geopolitischen Problematik, mehr noch in seiner menschenverachtenden Gewalttätigkeit erkannten. 

Der Prozess der Begegnung zwischen den Kulturen ist bis heute nicht abgeschlossen und vermutlich wird es nie zu einem definitiven Ende kommen. Doch das ist ein weites Feld. Ich lasse es jetzt links liegen und lenke Ihre Aufmerksamkeit auf die Insel am Ende der Erde, auf die Osterinsel. Was ich Ihnen in diesem Vortrage im allgemeinen über Mission, Kolonialismus und kulturellen Imperialismus, aber auch über die zukunftsweisenden Aspekte kultureller Begegnung sagte, möchte ich am Beispiel der Osterinsel in meinem nächsten Kapitel konkretisieren.


II. Die Verwandlung von Rapa Nui in die Osterinsel

1. Der „Weiße Mann“ trifft ein 

Am 6. April 1722 ankerte die aus drei Schiffen bestehende Flotte des holländischen Admirals Jacob Roggeveen vor der Insel Rapa Nui. Und da es zufällig der Tag der Auferstehung Jesu war, gab der Seefahrer ihr den Namen Paasch-Eiland, Osterinsel. Der Name ist geblieben, aber mit der Auferstehung hatte das Schicksal der von den Weißen entdeckten Insulaner nicht das geringste zu tun. Es begann eine Geschichte des Niedergangs voller Leid, Elend, Unterdrückung und Versklavung. Dazu gleich mehr. 

Als Jacob Roggeveen Ostern 1722 die Insel entdeckt, wundert er sich über die seltsame Welt, in die er da geraten ist. Vor allem die geheimnisvollen Statuen, die die Insulaner Moais nannten, versetzten die Entdecker in erstaunen. Kein Baum ist höher als drei Meter. „Wir konnten nicht verstehen“, schreibt Roggeveen in sein Tagebuch, „wie Menschen, die weder über dicke Holzbalken zur Herstellung irgendwelcher Maschinen noch über kräftige Seile verfügten, dennoch solche Bildsäulen aufrichten konnten.“ Immerhin sind die meisten Statuen vier bis sechs Meter hoch und in manchen Fällen mehr als 10 Tonnen schwer. Und überhaupt: Wie sind diese Menschen hier hergekommen? Ihre Boote seien nicht nur klein und zerbrechlich, sondern auch undicht, stellt der Holländer fest, „weshalb sie gezwungen sind, die Hälfte der Zeit mit Schöpfen zu verbringen“. Wie aber sollen sie mit solchen Nussschalen wochenlang auf dem Meer unterwegs gewesen sein – die nächsten Nachbarn lebten immerhin 2.200 km weiter westlich auf den Pitcairn-Inseln und zum nächsten Festland, zur südamerikanischen Küste im Osten, sind es gar 3.700 km.

Die meisten der Rätsel sind inzwischen halbwegs befriedigend gelöst. Sprachforscher haben nachgewiesen, dass die Osterinsulaner nicht vom Osten her, aus den indianischen Reichen Südamerikas eingewandert sind, wie Thor Heyerdahl mit der Reise der Kon-Tiki nachzuweisen versuchte, sondern von Westen her kamen, also aus Polynesien eingewandert sind. Allerdings ist der Zeitpunkt umstritten. Manche meinen, das sei etwa um 900 nach Christus der Fall gewesen, andere datieren die erste Ankunft erst für das 1200. Wahrscheinlich sind es zwei Einwanderungswellen gewesen, eine um 900, die andere nach einer mündlichen Überlieferung unter dem legendären König Hotu Matua um 1400 herum. Man wird das wohl nie mehr sicher feststellen können. Kahl war die Insel zur Zeit der Einwanderungswellen jedenfalls nicht, das jedenfalls ist sicher. Pollenanalysen haben nämlich ergeben, dass auf der Insel einst die größten Palmen der Welt wuchsen. Wo sind sie geblieben? Nun, sie wurden abgeholzt, um damit sog. Kanuleitern zu bauen, wie man sie von anderen polynesischen Inseln her auch kennt. Man hat auf den Inseln der Südsee zur Herstellung von Kanus große Bäume im Urwald gefällt, die oft kilometerweit von der Küste entfernt im Urwald standen. Nachdem der Stamm ausgehöhlt worden war, transportierte man sie auf solchen Kanuleitern bis zur Küste. Man muss sich das so vorstellen: Dünnere Baumstämme wurden wie Schienen parallel nebeneinander gelegt und durch Querbalken miteinander verbunden. Darauf legte man dann das Kanu und mit Hilfe von aus Lianen geflochtenen Seilen zog man es an die Küste. Nicht ganz anders finden heute die Stapelläufe der großen Schiffe statt. So ein Kanu hatte sein Gewicht. Aber die steinernen Statuen, die auf der Osterinsel gefertigt wurden, waren auch nicht viel schwerer. So kann man sich durchaus vorstellen, dass die Osterinsulaner von Ranu Raraku, wo sie aus dem Gestein gehauen wurden, die Statuen über viele Kilometer hin transportierten. Man hat ausgerechnet und auch praktisch ausprobiert, wie das funktioniert, und dabei festgestellt, dass man für die Strecke von 15 km vom Steinbruch bis zur Küste nur ungefähr eine Woche brauchte. Auch das Aufrichten der Statuen hatte nichts Geheimnisvolles. Mit Hebelkraft und Unterlegsteinen wurde der Koloss Zentimeter um Zentimeter aufgerichtet, bis er auf der Plattform, die man dafür vorbereitet hatte, aufrecht stehen bleib. Den letzten Schliff sozusagen bekam die Statue dann erst an Ort und Stelle.

Nach und nach hatte man für das alles so viel Holz verbraucht, dass der Wald verschwand. Schon für die Zeit nach 1300 ist auf der Halbinsel Poike eine zunehmende Bodenerosion nachgewiesen worden. Die Erosion schritt im Laufe der Jahrzehnte fort, die Folge war, dass viele Tiere ausstarben, fruchtbares Land ins Meer gespült wurde und also eine einst blühende Landwirtschaft nicht mehr möglich war. Von den 10.000 bis 30.000 geschätzten Einwohnern der Osterinsel im 14. und 15. Jahrhundert waren bei der Ankunft von Roggeveen nur noch zwischen 3.000 und 4.000 übrig. Für den Beststellerautor des Buches Kollaps, Jared Diamond, gilt die Osterinsel darum auch als Lehrbeispiel für eine ökologische Selbstzerstörung – noch bevor das Eiland von den Weißen entdeckt und „kolonisiert“ worden war.

Wir haben es hier mit einem merkwürdigen Phänomen zu tun. Die Statuen, die heute jeden Besucher faszinieren und in neuester Zeit auch manche esoterischen Spekulationen freigesetzt haben, waren die Ursache für die ökologische Katastrophe. Kürzer gesagt: Religion führte zur Zerstörung der Lebensgrundlagen. Und da man zwischen Religion und Kultur nicht unterscheiden kann, muss man wohl sagen, dass die Insulaner in, mit und durch ihre Kultur den Ast absägten, auf dem sie saßen.

Die ökologische Katastrophe führte zu Stammenskriegen um die verbleibenden knapper werdenden Ressourcen und schließlich – gegen Ende des 17. Jahrhunderts – zum rapiden Rückgang der Bevölkerung. Die Ursache der ökologischen Katastrophe ist also vermutlich kein großer Klimawandel, wie gelegentlich behauptet wird, da es dafür keine Hinweise gibt, sondern sie liegt in den religiösen Überzeugen der Inselbewohner Rapa Nuis selbst begründet. Die lernen wir kennen, wenn wir versuchen, das Geheimnis der Moais, der 638 katalogisierten, ursprünglich aber wohl über 1.000 kolossalen Steinstatuen besser zu verstehen.

2. Das Geheimnis der Moais

Wie auf anderen polynesischen Inseln haben die Bewohner ihre Ahnen verehrt. Die Ahnenverehrung ist die rituelle Verehrung der Verstorbenen, die als Ahnen von der Gesellschaft anerkannt werden und deren primäre Funktion es ist, den Zusammenhalt der Generationen zu gewährleisten und das soziale Leben einer Gruppe auf Dauer zu stellen. Auch in unserem Kulturkreis spricht man manchmal von den Ahnen, meint damit aber eigentlich nur die Angehörigen der Generationen, die vor uns gelebt haben. In polynesischen Gesellschaften (wie auch bei vielen anderen asiatischen und afrikanischen Völkern) ist die Ahnenverehrung Bestandteil religiöser Systeme, zu welchen auch weitere Glaubensüberzeugungen gehören. Am wichtigsten ist die Verehrung jenes Ahnen, der als der Gründer eines Stammes (als sein „Vater“) verehrt wird. Alle Nachkommen sind „Kinder“ dieses Ahnen. Er starb, damit die Kinder das Leben, das sie ihrem Vorfahr verdanken, weiterführen können. Er gab sozusagen „sein Leben für Viele“ und wird deshalb von den Nachkommen verehrt. Mehr noch: Der Ahn lebt in den Nachkommen weiter, ohne dass sich die Nachkommen mit dem Ahn identifizieren können. Sie sind sozusagen der sichtbare Leib des Ahn. Seine Lebenskraft ist in ihnen gegenwärtig, und die Kraft wird auch dann noch wirksam sein, wenn die Nachkommen selbst gestorben sind und sie den nachfolgenden Generationen weitergegeben haben. Diese Kraft des Ahnen wird symbolisiert in der Ahnenfigur. Vor der Figur des Ahnen wird gebetet und geopfert. Dadurch wird die Kontinuität zwischen den Nachkommen und dem Ahn aufrecht erhalten. Aber nicht nur die „Lebenskraft“ wird damit erhalten, sondern auch alle jene Gebote und Moralvorstellungen, die auf den Ahn zurückgeführt werden. So ist die Ahnenverehrung als ein Bestandteil der Religion zugleich der „Kitt“, der eine Stammesgesellschaft zusammenhält.

Es müssen mehrere Familien gewesen sein, die etwa um die Jahrtausendwende von den westlichen Inseln Polynesiens bis auf das Eiland kamen, das sie Rapa Nui nannten. Schätzungen gehen von bis zu 600 Personen aus, die mit großen seetüchtigen Kanus angekommen sein könnten. Jede der Familien brachte ihren Ahn mit, wohl ursprünglich eine Holzfigur wie auf anderen polynesischen Inseln auch. Die Familien teilten die Insel auf wie eine Torte: Im Zentrum der Insel, etwa beim Kegel des Terevaka, liefen die Grenzlinien zusammen und zogen sich dann sternförmig bis zur Küste hinab. Die Ahnen wurden so aufgestellt, dass sie mit dem Rücken zum Meer auf das Land schauten, das von den Nachkommen der Ahnen bewohnt wurde. Schon bald entdeckte man, dass das vulkanische Gestein sehr gut zu bearbeiten war, und man begann, steinerne Ahnenfiguren herzustellen, die die ursprünglichen aus Holz ablösten.

Und nun begann etwas für unsere Vorstellung Merkwürdiges, dass wir aber auch in anderen Gegenden dieser Erde finden – ja, was zu einer der Grundformen menschlichen Lebens gerechnet werden muss. Die Familien begannen sich gegenseitig durch die Größe ihrer Ahnenfiguren auszustechen. Je größer die Moias waren, umso mehr Prestige hatte die Familie, auf deren Territorium die Steinfigur stand. Dieses durch den Ahnenkult fundierte Prestige ermöglichte den Angehörigen der Oberschicht der einzelnen Familie bzw. Clans auf Rapa Nui, in der Vorbild-Rolle des „Paten“ ihre Herrschaft mit Patron-Klient-Beziehungen zu zementieren. Dadurch konnte die herrschende Klasse ihren Verhaltenskodex als verbindlich und vorbildlich für die ganze Gesellschaft erklären. Je stärker ein Clan war, umso wichtiger wurde er auch für die anderen Clans. Und nun setzte ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen Clan Häuptlingen ein, in dem alle Ressourcen der Insel, die Kraft der Menschen und die Energie, eingesetzt wurden, um immer größere und größere Statuen zu errichten. Schließlich brach dadurch die ganze Volkswirtschaft zusammen, die Folge waren Stammesfehden, man warf sich gegenseitig die Statuen um, um damit die Machtlosigkeit des Clan-Ahns zu demonstrieren, vielleicht gab es sogar Kannibalismus (weil man anders nicht mehr die notwendigen Eiweißstoffe beschaffen konnte); und endlich kollabierte eine ganze Gesellschaft. Als die ersten Weißen nach Rapa Nui kamen, fanden sie nur noch den Schatten einer einstmals blühenden Kultur vor. Nur noch wenige der Statuen standen aufrecht, d.h. nur wenige Häuptlinge hatten ihre Herrschaft behaupten können.

3. Ein folgenschweres Missverständnis

Das war im Jahre 1722. Auf drei großen Schiffen kommen die Fremden an. Einige Rapa Nui paddeln ihnen neugierig entgegen. Doch dann fällt der erste Schuss, „woraufhin sie alle ins Wasser sprungen und davonschwummen“, wie der Mecklenburgische Korporal Carl Friedrich Behrens, damals 21 Jahre alt, in seinem Tagebuch vermerkt. 10 bis 12 der Schwimmer sterben. Auch hier ist die erste Begegnung der beiden Welten in der Südsee gekennzeichnet von Arroganz, Angst und Aggression. Behrens berichtet dann weiter, dass sich viele Menschen am Strande versammelten. „Weil Einige sich unterstanden, unser Gewehr anzugreiffen“, schreibt der Korporal, der als erster Europäer die Insel betritt, „ward Feuer unter sie gegeben, worüber sie hefftig erschracken, und auseinander lieffen.“

Als die Rapa Nui ihre Toten abholen, bringen sie den Weißen zugleich Feigen, Nüsse und Hühner mit. Wie ist diese Geste zu verstehen? Die Weißen deuteten sie als Geste der Unterwerfung. Aber es ist durchaus auch möglich, dass sie hellhäutigen Europäer für Abgeordnete ihrer verstorbenen Ahnen, denen sie so wuchtige Denkmäler gesetzt hatten, interpretierten. Als Farbe der Toten galt auf den melanesischen und polynesischen Inseln das Weiß. Es spricht Einiges dafür, dass die Weißen wie in anderen Gegenden Ozeaniens auch hier als Abgesandt der Ahnen angesehen worden sind. Zwei Sinnwelten trafen aufeinander, die eine verstand die andere nicht, und wir werden wohl nie mehr herausbekommen, was damals in den Köpfen der Rapa Nui vor sich ging.9 Was die Weißen dachten, ist uns immerhin durch die Reisenotizen hinlänglich bekannt, die sie hinterlassen haben. Für sie waren die Rapa Nui wilde, gefährliche und womöglich kannibalische Wilde.

Nachdem die holländischen Schiffe am Horizont verschwunden waren, dauerte es fast ein halbes Jahrhundert, bis die Osterinsel wieder Besuch erhielt. Diesmal aus Spanien. Im Jahre 1770 kommt Felipe Gonzalez de Haedo mit seiner Fregatte an, wird freundlich Willkommen geheißen, hisst auf der Insel die spanische Flagge und nimmt sie für seinen König in Besitz. Man stelle sich das aus heutiger Sicht vor: da ist eine Insel, da sind Menschen, die sie bewohnen, deren Heimat sie ist – und dann kommen Fremde, und nehmen sie ihnen im Namen eines Königs, dem sie nicht gehören, einfach ab. De Haero lässt sich den Akt auch noch in einem Dokument bestätigen, das von drei Bewohnern der Insel mit großzügigen Kringeln unterzeichnet wird. Sicherlich haben sie nicht verstanden, was sie da unterschrieben – wenn sie überhaupt wussten, was es heißt, etwas zu unterschreiben.

1774 erreicht der Engländer James Cook bei seiner zweiten Weltumseglung Rapa Nui. Auch er wird freundlich empfangen, und diesmal klappt die Verständigung etwas besser. Cook hat einen Tahitianer mitgebracht, der sich mit den Bewohnern der Osterinsel auf polynesisch einigermaßen verständigen kann. Dem jungen Georg Forster, der – wie ich bereits erwähnte – zusammen mit seinem Vater Cooks Expedition begleitete und der später mit der Beschreibung dieser Reise um die Welt (1778 bis 1780) berühmt wird, fällt vor allem auf, dass die Einheimischen zwar Geschenke bringen, andererseits aber den Fremden sorglos die Taschen stehlen und sogar die Mützen vom Kopf ziehen. Einer der Kapitäne Cooks, Tobias Furneaux notierte: „Sie waren die größten Diebe, die wir auf der Reise fanden … Wir waren genötigt, einen zu erschießen.“

Aber warum mögen die die Rapa Nui mit dem Eigentum der Eindringlinge so sorglos umgegangen sein? Hätten wir sie fragen können, hätten sie wahrscheinlich gesagt: „Ja, warum denn nicht! Warum soll uns, was die Abgesandten unserer Ahnen uns senden, nicht gehören? Warum sollen wir es uns also nicht nehmen, wenn sie es uns schon nicht freiwillig geben, wie sie doch müssten?“

Auch spätere Ankömmlinge, ob Seefahrer oder Missionare, klagen, dass die Rapa Nui bedenkenlos stehlen was ihnen in die Finger kommt. Und das ist offenbar eine Angewohnheit, die ihnen bis heute erhalten geblieben ist, wie Hermann Fischer in seinem Buch „Schatten auf der Osterinsel“ (Oldenburg 1997) schreibt.10 Die Rapa Nui haben ganz andere Wertvorstellungen als die Europäer. Persönliches Eigentum ist ihnen darüber hinaus kaum bekannt. Sicherlich aber dachten sie, dass die Geister der Ahnen ihnen die fremden Güter geschickt haben, um ihnen zu bringen, was sie brauchen. Das ist eine in Polynesien verbreitete Hoffnung, die zu mannigfachen Missverständnissen zwischen den Eindringlingen und den Einwohnern der Insel geführt hat.

In den Folgejahren landen immer mehr Fremde auf der Insel. Der französische Graf La Pérouse bringt 1786 Samen, Schafe und Schweine auf die Insel. Der russische Kapitän Lisjanskij erreicht die Insel 1804 auf der Suche nach neuen Handelsgründen und tauscht Waren.

4. Überfälle

Doch auf diese friedlichen Besucher folgen andere. Die Mannschaft der amerikanischen Nancy verschleppt im Jahre 1805 12 Männer und 10 Frauen, die auf einer fernen Insel Robben für sie jagen sollen. 1811 landet der amerikanische Walschoner Pindos, die Seeleute kidnappen einige Frauen, bringen sie aufs Schiff, vergewaltigen sie und werfen sie danach ins Meer. Kein Wunder, dass eine russische Expedition unter dem Kommando Otto von Kotzebues (eines Sohnes des preußischen Erfolgsdramatikers) 1816 von einem Steinhagel empfangen wird und sie das Weite suchen müssen. Aber die Rapa Nui haben keine Ruhe. 1855 hat Peru die Sklaverei abgeschafft, aber in den Minen und auf den Plantagen fehlt es an billigen Arbeitskräften. Die freigelassenen Sklaven werden durch Zwangsarbeiter aus der Südsee ersetzt. Kapitäne und Abenteurer stechen in See, um Polynesier zu fangen, wo immer sie ihrer habhaft werden können. Innerhalb eines halben Jahres landen auf der Osterinsel nicht weniger als 18 Schiffe an, fast alle aus Peru. An die 1.500 Menschen, über ein Drittel der Bevölkerung damals, werden verschleppt, 800 an einem einzigen Tag, dem 23. Dezember 1862. Augenzeugen berichten von grausamen Metzeleien der Sklavenjäger. Wie viele der Bewohner bei der Menschenjagd getötet wurden, lässt sich nicht mehr sagen; ebenso wenig, wie viele dann in den Minen und auf den Plantagen zugrunde gingen. Die Rapa Nui waren ihrer gesamten Führungsschicht beraubt, und damit gingen viele Kenntnisse und fast das ganze Wissen, das diese Kultur auszeichnete, verloren – einschließlich der im pazifischen Raum einzigen entstandenen Schrift, des Rongo-Rongo.

In der pazifischen Welt war man entsetzt. Ein Sturm der Entrüstung brach unter den „zivilisierten“ Kolonisatoren aus, und man versuchte der Verbrecher habhaft zu werden – allerdings mit mäßigen Erfolg. Immerhin: Auf den heftigen Protest der Briten, Franzosen und Chilenen hin setzten Perus Behörden den Deportationen ein Ende. Vor allem der Bischof von Tahiti drängt auf die Rückführung der Polynesier. Auch 100 Rapa Nui sollen auf ihre Insel heimkehren. Die Reise führt über Tahiti, wo sie sich mit Pocken infizieren. 85 sterben unterwegs, die übrigen 15 schleppen das Virus auf die Osterinsel ein, das dort weitere 1.000 Einwohner dahinrafft.

Erst jetzt kommt die Mission ins Spiel.


III. Die Christianisierung der Rapa Nui

1. Erster Missionsversuch und erstes Scheitern

Am 2. Januar 1864 betrat Eugène Eyraud die Insel. Mit welchen Erwartungen war er gekommen? Hatte er von den ungeheuerlichen Verbrechen der Sklavenjäger gehört? Glaubte er, dass er ein verstörtes, verängstigtes Häuflein vorfinden würde, dessen Männer und Söhne in der Fremde elend zugrunde gegangen waren und dessen Frauen und Kinder kaum wussten, wie sie ihren Hunger stillen könnten? Dachte er in seinem Enthusiasmus, dass dieser klägliche Rest vom Leid Gezeichneter ihn hilfesuchend mit offenen Armen empfangen würde? Nun, sie empfingen ihn misstrauisch. Er war ein Weißer, also ein Angehöriger jener Menschen, die den Rapa Nui nur Elend gebracht hatten.

Ich zitiere aus einem Brief, den Eyraud an seinen Bischof auf Tahiti, Tespano Jaussen, geschrieben hat:

„Ich habe Papeete auf Tahit mit sechs Begleitern verlassen, darunter war Pana, den einst Sklavenhändler von der Osterinsel entführt hatten. Er sollte mir als Dolmetscher dienen. Außerdem nahm ich Daniel mit, einen jungen Christen aus Mangareva … Auf dem Schiff hatte ich außer dem Tischlerwerkzeug eine Tonne Mehl, fünf Schafe, einige Setzlinge für Baumanpflanzungen … und schließlich hatte ich noch eine große Glocke in meinem Gepäck, die mir sehr wichtig erschien … (Als erstes schickte ich Daniel mit einem Boot an Land.) Aber Daniel blieb nicht lange. Schreckensbleich kehrte er zurück, stürzte auf mich zu und rief ‚Herr, am Ufer stehen Dämonen, die schwarz und rot bemalt sind! Sie haben mich singend, heulend und tanzend mit ihren Waffen bedroht. Nicht für tausend Piaster gehe ich noch einmal an Land. Es ist entsetzlich! Diese Leute sind gefährlich! Außerdem haben die Pocken auf der Insel viele Menschen getötet. Wir werden uns alle anstecken! Lasst uns nach Tahiti zurückkehren!‘ An Bord erschraken sie alle aufs Heftigste und wollten sofort umkehren. Ich blieb als einziger ruhig und widersetzte mich diesem Plan und verlangte an Land gebracht zu werden … Aber ich hatte mir das alles doch ein bisschen leichter vorgestellt … Als Pana und ich an Land kamen, drängten sich dort viele Männer, Frauen und Kinder. Die Männer waren mit Stöcken bewaffnet, an deren Spitzen sie Splitter aus Obsidian befestigt hatten … Aber ich konnte sie nicht lange betrachten, denn Pana und ich mussten unsere wenigen Sachen, die wir mit an Land genommen hatten, vor den Eingeborenen verteidigen“.

Es gelingt nach einigen Schwierigkeiten, die mitgebrachten Gegenstände vom Schiff auf die Insel zu transportieren, wenn es auch nicht leicht war, die Rapa Nui davon abzuhalten, sich gleich ihrer zu bemächtigen. Eyraud schreibt dann weiter:

„Meine Freude währte aber nur kurz, denn gleich darauf erschien ein anderer, der sich Torometi nannte … Der fühlte sich als mein Beschützer. Ich wurde von ihm und seiner Familie mit Lebensmitteln versorgt. Seine Hütte lag dicht neben meinem Häuschen, und Tag und Nacht kam er immer wieder zu mir, untersuchte alles, was ich besaß und betrachtete mich – so schien es mir – wie sein Eigentum. Während meines Aufenthalts auf der Insel fuhr der Kerl fort, mich um alles zu erleichtern, was ich mitgebracht hatte, was mich aber durchaus nicht störte. Er war ein Kriegshäuptling. Er bevormundete mich aber nicht nur, er gewährte mir auch den Schutz seiner Leute. Ich bin bis jetzt nicht dahintergekommen, warum er das wohl getan hat. Vielleicht glaubte er, meine Person als Priester würde sein Ansehen steigern und ihm Macht über die anderen Häuptlinge verschaffen.“ 

Eyraud dürfte die wundersame Kraft seines Priesteramtes eher überschätzt haben. Der Schutz Torometis wird wohl eine Vorsichtsmaßnahme gewesen sein. Hatte Eyraud nicht bedacht, dass nach dem Desaster des Vorjahres die Insulaner gegenüber jedem Fremden aufgebracht waren, und er, der Missionar, in Lebensgefahr war? Vielleicht schützte Torometi den Priester vor der Wut seiner Leute. Oder beobachtete er den Fremden mistrausiech, ob er, wie andere vor ihm, gewalttätig werden könnte? Der Häuptling mag auch den Horizont in der Furcht abgesucht haben, ob dieser weiße Mann ihn täuschte und er nur die Vorhut einer neuen Armada fürchterlicher Schlächter sei. Dass der „Schutz“ eher einer wirksamen Kontrolle über den ungebetenen Fremden gegolten haben könnte, durchschaute Eyraud nicht. Er hatte wohl auch nicht daran gedacht, dass mit dem Verlust der Führungsschicht auf Rapa Nui alle Herrschaftsstrukturen zusammengebrochen waren und diese neue Machtkämpfe um die Häuptlingswürde geradezu herausforderte. Vielleicht sah Torometi in diesem Fremden einen Konkurrenten, den er in den Griff bekommen musste? Vielleicht aber glaubte er, indem er den Fremden in „Schutzhaft“ nahm, könne er sich einen Vorteil gegenüber anderen Aspiranten auf die Häuptlingswürde verschaffen. Das lässt sich mehr mit Sicherheit sagen.

Wie auch immer, Eyraud beginnt mit seiner Arbeit. Er schrieb an seinen Bischof:

„Ich glaube viele kamen, um mir zuzusehen und zuzuhören, weil in ihrem langweilen Dasein damit für Unterhaltung gesorgt war … Ich hatte schon bald ihre Sprache gelernt. So konnte ich recht geläufig mit ihnen reden. Schon am frühen Morgen kamen die Ersten zu meiner Hütte, klopften und riefen mich heraus. Kam ich gleich, dann war es gut, und die Stunde begann unter freiem Himmel im Gras vor meiner Hütte. Ließ ich mir Zeit, so begannen sie, an alle Wände zu klopfen. Und genügte das immer noch nicht, so warfen sie Steine aufs Dach, zuerst kleinere, dann größere, bis ich des Lärms überdrüssig heraustrat. Dann begann der Unterricht. Meine Methode, indem ich ihnen die Verse und Gebete vorsprach und sie wiederholen ließ, schien ihnen Spaß zu machen. Vielleicht spürten sie etwas von der Kraft unseres Glaubens.“

Wirklich? Oder sahen die Rapa Nui in den Gesten, dem Singsang der Verse und Gebete, deren Bedeutung sie gar nicht verstehen konnten, vielleicht eine Möglichkeit, den mächtigen Zauber, den die Abgesandten der Ahnen ihnen offenbar nicht freiwillig herausgeben würden, zu erhalten, um das nächste Mal die Güter, die ihnen doch die Ahnen mit Hilfe der weißen Männer geschickt hatten, in Besitz zu nehmen? Wir wissen es nicht. Nur eines wissen wir: Mit welcher Inbrunst der Priester aus der fernen Welt seinen Glauben auch immer vertrat, er reichte nicht aus, um aus den Rapa Nui „brave Christen“ zu machen. Alles, was der Missionar mitgebracht hatte, wurde der gewohnten Bestimmung zugeführt: Die Schafe zur Aufzucht wurden geschlachtet. Das Saatgut aufgegessen, und der demütige Eyraud musste sich mit Bataten begnügen. Dazu herrschte sein „böser Geist“, wie er Torometi nannte, über ihm. Der ließ sich alles Hab und Gut des Missionars zeigen und nahm, was er gebrauchen konnte.

Eines Tages verlangte Torometi die wohlbehütete Glocke. Als der Priester die Herausgabe verweigerte, begann ein fürchterlicher Lärm, und von den Familienmitgliedern des Häuptlings wurden Steine gegen die Hütte des frommen Bruders geworfen. Der hielt es schließlich für ratsam, das begehrte Objekt herauszugeben, als abzuwarten, bis seine Hütte in Flammen aufgehen würde. Ein anderes Mal wollte Eyraud Ziegel brennen, da nahm sein Aufpasser ihm das Stroh weg, um seinen Erdofen anzuheizen. Doch der demütige Mann erduldete alles, ob aus Angst oder in dem festen Glauben, dass das heilige Werk der Verkündigung am Ende doch noch herrliche Früchte tragen würde, ist ungewiss.

Der September des selben Jahres nahte, und in Orongo am Kraterrand des Ranu Kao versammelten sich die Stämme zum jährlichen Wettkampf, einem jahrhundertealten Ritus des „Vogelmanns“, von dem man auf Rapa Nui ein in den Tuffstein gehauenes Abbild vorgefunden hat. Der Ritus des „Vogelmanns“ hatte damals nach Meinung mancher Archäologen begoennen, den Ahnenkult abzulösen, nach Meinung anderer habe er neben dem Ahnenkult her bestand und nach Meinung Dritter gehöre er mit dem Ahnenkult zusammen. Wenn Letzteres zutrifft, dann könnte man der Ritus des „Vogelmanns“ wie folgt erklären: Derjenige eines Clans, der ein Ei der schwarzen Küstenseeschwalbe (Manutara) von der nahegelegenen Insel Moto Nui als Erster dem obersten Priester übergibt, dessen Häuptling wird für ein Jahr zum „Vogelmann“ gekürt, was soviel bedeuten könnte, dass er zum Mittler zwischen dem Ur-Ahn und den Menschen erhoben wird.

Wie immer: Da Torometi und sein Clan dort nicht fehlen durften, nahm er den Eyraud in Schutzhaft und führte ihn samt seiner Habseligkeiten mit sich. Der fromme Mann sah darin eine arge Demütigung und floh, begleitet von einigen Gegnern Torometis aus einem anderen Clan. Diesen drohenden Autoritätsverlust konnte Torometi nun seinerseits nicht hinnehmen und machte sich auf, den Flüchtenden zu verfolgen. Es kam zum Kampf um die „Beute“, Eyraud wurde zu Boden gerissen, an Händen und Füßen hin- und hergezerrt. Torometis Hütte wurde in Brand gesteckt, Eyraud wurde geschlagen, seiner Kleider beraubt und fast zu Tode gebracht. Eyraud, erschrocken über die Brutalität der Feinde Torometis, schlug sich dann doch wieder auf die Seite seines „Beschützers“, und als wenige Tage danach die Theresa Ramos die Osterinsel erreichte, nahm Torometi den nackten, nur in eine Decke gehüllten Priester auf seine Schultern, trug ihn durch die streitende Volksmenge und durch die Brandung des Pazifik zum Schiff. Dort wurde der völlig Entkräftete, weil er partout auf die Insel zurückwollte, von den sich an Bord befindenden Priestern Barnabie und Delpesch hilfreich in die Arme genommen und festgehalten. Mit Erfolg, denn die Theresa Ramos lichtete am 11. Oktober 1964 die Anker und brachte Eyraud nach Valparaiso. Der erste Versuch einer Missionierung war damit beendet. Was sich in den darauffolgenden anderthalb Jahren auf Rapa Nui zugetragen hat, wissen wir nicht. Hatte die Kraft des christlichen Glaubens Spuren hinterlassen, oder bestimmte Make-Make, wie ihr oberster Schöpfer-Gott hieß, wieder ihr Leben? Hatten sich neue Führungsstrukturen herausgebildet und Regeln des Zusammenlebens nach dem furchtbaren Exodus? Waren die Äcker wieder bestellt worden und Männer genug da, um auf Fischfang zu gehen? Wir wissen nur, dass Eyraud seine ganze Kraft eingesetzt hat, um sein Missionswerk zu vollenden.

2. Ein Neubeginn

Mit Pater Hippolyt Roussel gemeinsam betrat er am 25. März 1866 abermals die Insel. Die beiden errichten eine Kirche in Hangaroa, das auf dem Territorium Torometis lag. Der hatte wohl nach wie vor Interesse daran, die Missionare unter Aufsicht zu behalten, wenn sie denn nicht davon abzuhalten gewesen sind, wieder auf der Insel zu erscheinen. Ich erwähnte bereits, dass in den Wirren nach den Raubzügen der Sklavenhändler weder die Vorherrschaft zwischen den Stämmen der Osterinsel geklärt, noch Sicherheit im Zusammenleben der Menschen eingekehrt war. Es herrschten Verzweiflung und Angst, nicht nur vor weiteren Gewalttaten, sondern auch weil die Pocken unbarmherzig wüteten. Die Sterblichkeitsrate war erschreckend hoch. Es wird überliefert, dass die Anzahl der Toten sei so groß gewesen sei, dass sie nicht bestattet werden konnten. Man warf sie in Höhlen und Felsspalten.

In dieser unübersichtlichen Lage war es für die Padres nicht leicht, das Wort Gottes zu verkünden. Sie besuchten die Dörfer an den Küsten, halfen so gut sie konnten und gaben Zuspruch. Im November 1866 kamen mit der Tempico der 43jährige deutsche Pater Caspar Zumbohm und Pater Théodule Escolan (geboren 1818 in Frankreich) als Verstärkung der Mission nach Rapa Nui. Allerdings hatte der französische Kapitän des Schiffes, ein gewisser Dutrou-Bornier, ein begehrliches Auge auf die Osterinsel geworfen. Und knapp ein halbes Jahr später – im März 1867 – kam er wieder, um in bewährter peruanischer Methode „Arbeitskräfte“ anzuwerben. Wohl aufgrund einer Intervention der Missionare gelang ihm das nicht. Aber im April 1868 kam er zum dritten Mal und warf sich zum Herrscher über die Insel auf.

3. Die Schreckensherrschaft durch Juan I.

Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Angehörigen der Mission und Dutrou-Bornier. Er nannte sich Juan I., der Osterkönig, und behauptete von sich selbst, sehr fromm zu sein und darum zu Recht als ein christlicher König abgesehen werden zu können. Tatsächlich aber gehörte er zu einer Gruppe von Geschäftsleuten, die in Polynesien, teils privat, teils gemeinsam, Land und Leute ausbeuteten. Der Kopf dieser ehrenwerten Gesellschaft war ein gewisser John Brander, Schotte von Geburt, der auf Tahiti Plantagen und eine Reihe von Schiffen besaß und hohe Summe beim Spiel verlor. Dieser Brander heiratete eine Tochter seines Partners, des Plantagenbesitzers Alexander Salmon, dessen Sohn wiederum 1879 die Schaffarm auf Rapa Nui leitete, und dessen Bruder schließlich Mitte der 80er die Verkaufsverhandlungen mit der Kirche über den Besitz auf Rapa Nui führte. Eine einzige Familie also hatte die Insel an sich gerissen! Der bei weiten, skrupelloseste dieser illustren Clique war aber zweifellos Jean Baptiste Ounèsime Doutrou-Bornier alias Juan I. Er heiratete eine Rapa Nui namens Koreto und herrschte mit seiner „Königin“ unerbittlich und brutal.

Er nahm die Ländereien einfach in Besitz, stahl die Feldfrüchte der „Feinde“, zerstörte deren Felder und wiegelte die Rapa Nui auf, zum Heidentum zurückzukehren. Er schied nach Gutdünken vor den Priestern geschlossene Ehen, entband einheimische und zugereiste junge Nonnen von ihrem Gelübde und nahm sie in seien Harem auf. Die Einheimischen wurden in Hangaroa zusammengepfercht und mussten die Mauern des Ghettos, kin dem sie von nun an leben sollten, selbst errichten. Wie Sklaven hatten sie auf den Ländereien und in der Schaffarm des Königs zu arbeiten. Wer sich wehrte, wurde umgebracht.

Hatte das Wirken der Missionare in den wenigen Jahren, die ihnen bis zur endgültigen Inbesitznahme der Insel durch Bornier geblieben waren, schon eine leichte Konsolidierung der Verhältnisse bewirkt, brach diese nun wieder zusammen. Gewalttaten, Ängste und Qualen stürzten über die Insulaner erneut herein, die dazu noch im inneren Streit mit dem neuen Gott lagen. Hatte der diesen Despoten geschickt? Wie konnte man in dieser blutbesudelten Zeit überleben? Sollte man bei den Missionaren Schutz suchen, die waffenlos waren oder sich denen unterwerfen, die diese tödlichen Feuerrohre besaßen? Torometi und wahrscheinlich viele von denen, die nicht ihrem alten Glauben abgeschworen hatten, entschieden sich für die Überlegenheit der bewaffneten Macht: Sie liefen zu Bornier über und bildeten von nun an dessen Leibwache und Privatarmee. Wer sich Bornier entgegen stellte, wurde eliminiert. Die Missionare, die Nonnen und zum Christentum, konvertierte Rapa Nui widersetzten sich der Zwangsherrschaft. Ein Religionskrieg brach los, der letztlich keiner war; wie alle Religionskriege, in denen es nur um die Macht geht. Was sich hier auf diesem fernen Eiland zutrug, findet in der Geschichte immer wieder seine Parallelen, wie z.B. bei den nordamerikanischen Indianern gegen die eindringenden Weißen oder den irischen Stämmen in ihrem jahrhundertelangen Kampf gegen die englische Oberhoheit. Anstatt zusammenzuhalten, bekämpfte man sich gegenseitig und kollaborierte mit dem eigentlichen Feind. Der Kampf ums nackte Überleben schreibt seine eigenen Gesetze. Und die Religion spielt dabei nicht immer eine gute Rolle.

Wie auch immer: Der gewissenlose Bornier schürte das Feuer der alten Stammesfehden neu an. Er greift die Mission an und lässt sie niederbrennen. Schließlich lässt er auch auf Kinder schießen. Torometi hatte sich inzwischen ganz und gar auf die Seite des Königs geschlagen und war von ihm zum Leutnant befördert worden. Die Lage der Mission wurde unhaltbar. Roussel hatte Kapitänen, die auf dem Weg nach Tahiti kurz Aufenthalt auf der Osterinsel genommen hatten, Briefe an seinen Bischof mitgegeben, in denen er die aussichtslose Lage geschildert hatte. Beunruhig durch diese Nachrichten bat der Bischof John Brander, Borniers Partner auf Tahit, eiligst in See zu stechen, um auf der Osterinsel zwischen Bornier und den Missionaren zu vermitteln. Brander traf am 20. Februar 1871 auch ein, sah jedoch erst einmal seine Geschäftsinteressen berührt, wünschte sich vielleicht insgeheim auch die Missionare weit weg, und nachdem der Ehrenmann nur die verkohlten Trümmer der Mission und vieler Wohnhäuser der Rapa Nui in Hangaroa gesehen hatte, machte er sich auf und davon, ohne vermittelt zu haben. Wie sollte es weitergehen? Für den herrschsüchtigen Bornier war diese Hängepartie unerträglich. Die Missionare wie die christlichen Rapa Nui (aber eigentlich alle Eingeborenen) waren ihm auf seinem Weg zur absoluten Macht über die Insel ein ärgerliches Hindernis. In blinder Wut setzte er ihre Dörfer und Felder in Brand, um sie alle zu verjagen. Mochte das Pack im Feuer umkommen oder ins Meer springen und ersaufen. Ausrotten wie Ungeziefer musste man diese lästige Brut, soll er getobt haben.

So siegte die Gewalt. Am 4. April 1871 befahl Bischof Jaussen von Tahiti schweren Herzens die Evakuierung der Missionsangehörigen, die am 6. Juni die Insel verließen. Sie nahmen 186 Männer, Frauen und Kinder, die dem Grauen entkommen wollten, auf andere polynesischen Inseln mit.

Nüchtern geworden sah Bornier, dass sich in dieser Flucht eine intelligentere Lösung bot als die Ausrottung: nämlich die Deportation. Er schickte noch im selben Jahr über 200 Rapa Nui als Arbeitskräfte auf die Plantagen seines Partners nach Tahiti. Viele folgten, so dass Jahre später nur noch 230 Eingeborene auf ihrer Heimatinsel lebten. Sogar Torometi und sein Clan emigrierten, weil die Demütigungen durch Juan I. selbst für diesen Überläufer unerträglich wurden. Man hat nie wieder von ihm gehört. Fünf Jahre später kam es unter den Zurückgebliebenen zu einem Aufstand gegen Bornier, der, seiner Leibwache beraubt, ermordet wurde. Mitglieder seiner Familie entkamen dem Verderben; einer seiner Leute konnte die beiden Töchter Caroline und Heriette-Marthe verstecken. Ihre Nachkommen leben noch heute auf der Insel.

4. Missionarische Erfolge?

Die Sklavenjäger, die Pocken und dieser widerliche Despot hatten eine erschreckende Todesspur auf Rapa Nui hintergelassen, und die Missionare hatten es nicht hindern können. Sicher war es nicht ihre Schuld. Sie waren zuerst Priester. Sie waren keine Politiker, keine Kaufleute und schon gar nicht so skrupellos wie dieser Dutrout-Bornier. Sie mussten fliehen wie viele andere auch. Aber warum hatten sich so viele der verbliebenen Osterinsulaner überhaupt dem christlichen Glauben angeschlossen? Hatte sich die Kraft der Ahnen als der Macht der Weißen unterlegen erwiesen? Hatten sie darum ihren Glauben an sie verloren? In der Tat muss die Bereitschaft, sich taufen zu lassen und dem alten Glauben abzuschwören, etwas mit einem Ereignis zu tun gehabt haben, das wohl im September 1866 stattfand. Die Missionare hatten in ihren Predigten die Rapa Nui immer wieder aufgefordert, von ihren Göttern abzulassen und die heidnischen Riten und den abergläubischen Zauber, wie sie Beschwörungen der Geister und der bösen Mächte nannten, nicht mehr auszuüben. Aber trotz aller nachdrücklichen Aufforderungen ließen sie nicht davon ab. Ihre innere Welt, ihre Identität mit dem Kosmos war seit Jahrhunderten unmittelbar mit ihnen verbunden und bestimmte ihr Denken und Handeln. So gingen wohl nur wenige zur Taufe; wenige nahmen den neuen Glauben an. Die Ahnen hatten bereits an Einfluss verloren, denn sie hatten sich ja als ohnmächtig erwiesen, einmal dadurch, dass sie die ökologische Katastrophe nicht verhindern konnten, dann vor allem, dass sie sich als den fremden Eindringlingen unterlegen erwiesen hatte. Ihre Funktion wurde nun teilweise mit dem rätselhaften „Vogelmann“ in Verbindung gebracht, der wohl den nach wie vor verehrten Schöpfergott Maku-Maku „als König auf ein Jahr“ auf Erden repräsentierte, eine freilich nicht gesicherte Interpretation, weil wir weder über Maku-Maku noch über die Funktion des „Vogelmann“ genaueres wissen – sie ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Allerdings ist ihr Verlust exakt zu datieren.

Folgendes war geschehen. Nachdem der letzte „Vogelmann“, also jener auf Grund des Sieges beim rituellen Wettbewerb um das erste Ei der Rußseeschwalbe hervorgegangene „König“ von den Sklavenjägern entführt worden war, war die Königswürde auf einen gewissen Manurangi übergegangen. Pater Hyppolyt Roussel erzählt, dass er als Ehrengast bei einer Erntezeremonie dabei gewesen sei, die von dem elfjährigen Manurangi angeführt wurde. Roussel wusste, dass das Berühren des „Vogelmannes“ gegen das strengste Tabu verstieß, besonders aber das Antasten des Haupthaares. Der Pater wollte ein Exempel statuieren, wie einst Bonifazius, als der die Donar-Eiche fällte. Während der Zeremonie ließ Roussel den jungen König plötzlich ergreifen und ihm gewaltsam den Kopf scheren. Das Entsetzen bei den Rapa Nui muss groß gewesen sein. Ein Tabu war unter Verletzung der Gastfreundschaft frevlerisch gebrochen worden. Make-Make musste die böse Tat rächen. Doch die Zeit verging. Nicht Blitz und Donner erhoben sich über dem Eiland, noch stürzten sich die Wogen des Ozeans über die Insel. Hatte der Gott sein Volk verlassen, vielleicht schon, als die peruanischen Mordbuben über sie hergefallen waren? War der neue Gott doch stärker als ihre alten Götter? Beugten sie sich dem neuen fremden Gott und schworen sie allem ab, was jahrhundertelang ihr religiöses Leben ausgemacht hatte? Wie auch immer: Die meisten Rapa Nui ließen sich von nun an taufen.

1883 kam Pater Roussel noch einmal für ein paar Tage auf die Osterinsel zurück. Wohl im Auftrage seines Bischofs ernannte er eine katholische Regierung. Zum König erhob er einen gewissen Tekena, den er auf den Vornamen Atamu (Adam) taufte, und zur Königin Huke Hey, die den Vornamen Eva erhielt. Staatsrechtlich eine Farce! Was sie bewirken sollte, ist unklar. Sicher wollte Roussel mit der Namensgebung aber sagen, dass nun etwas Neues beginne und die Geschichte der Osterinsel mit Adam und Eva neu beginnen würde. Atamu war es dann, der den Vertrag mit Chile unterzeichnete, mit dem – auf alle Ewigkeit! – festgeschrieben werden sollte, dass die Osterinsel zu Chile gehört. Die Ewigkeit dauert einstweilen bis heute.

5. Kultureller Neubeginn?

Ist die alte Kultur der Rapa Nui damit endgültig verloren? Aber können wir überhaupt sagen, was die alte Kultur insgesamt auszeichnete? Uns sind nur Bruchstücke erhalten. Wir können Vermutungen anstellen. Wir können Rückschlüsse aus der Kenntnis ähnlicher kultureller Gegebenheiten in Polynesien ziehen. Aber was die Rapa Nui wirklich „im Innersten“ zusammengehalten hat, was sie bewegte – das wird uns wohl für immer verborgen bleiben. Manche Autoren (wie der schon genannte Hermann Fischer in Schatten auf der Osterinsel) werfen den Missionaren vor, sie hätten eine alte Kultur endgültig zerstört. Der Kult sei ausgestorben, die Ahnen vergessen und der innere Kosmos der Rapa Nui ein für allemal ausgelöscht. Aber können wir das mit dieser Gewissheit wirklich sagen? Man muss auf jeden Fall den Missionaren zugute halten, dass sie vom Streben nach der für sie einzigen Wahrheit erfüllt waren und – sage und schreibe! – den Teufel besiegen wollten. Der deutsche Pater Zumbohm z.B. sagte, „Alle Insulaner (mögen) zu ebenso tapferen Soldaten des Reiches des Lichts werden …, wie sie es früher für das Reich der Finsternis gewesen waren“. Sie hatten nicht die geringsten Zweifel daran, dass die Vertreibung der bösen Geister ein Werk der Wohltätigkeit und Barmherzigkeit sei. Ihnen aber vorzuwerfen, sie hätten alte Kulturen vorsätzlich vernichtet, durch Ignoranz zerstört oder pauschal als Teufelswerk abgetan, trifft den Kern der Sache nicht. Freilich waren auch sie Angehörige ihrer Kultur – der abendländisch-westlichen Kultur, zu der – wie in jeder anderen Kultur auch – Menschen guten Willens, aber eben auch Menschen bösen Willens lebten. Den Missionaren auf der Osterinsel kann man wirklich nicht vorwerfen, sie hätten sich nicht gegen jene, die den Rapa Nui böse wollten, zur Wehr gesetzt. Sie taten es aber nicht um einer allgemeinen Menschenwürde willen (die Menschenrechte wurden erst nach 1945 formuliert), sondern aus Verantwortung gegenüber den neu getauften, zu Christen gewordenen Insulanern. Ist das ganz verwerflich?

Die alte Osterinsel-Kultur war schon zwei Jahrhunderte zuvor weitgehend zusammengebrochen. Sie fanden nur noch Bruchstücke vor, einen schwachen Abglanz davon, wie es früher einmal gewesen sein mag. Mit dem Niedergang des Ökosystems, dem damit verbundenen Zusammenbruch der Volkswirtschaft und der damit wohl auch zusammenhängenden zunehmenden Verzweiflung der Insulaner im Blick auf den Glauben an die Macht der Ahnen mag ihr ursprünglicher „Kosmos“ schon breite Risse bekommen haben. Das bedeutet aber nicht, dass sie von den Missionaren unbesehen die sittlichen und moralischen Werte Europas (wie manchmal gesagt wird) übernommen hätten. Würde man die Sache so sehen, dann würde man das alte europäische Missverständnis auf Dauer stellen, dass in den Rapa Nui (und in anderen Bewohnern jener Weltgegenden) nur wilde, grausame, dumpfe Kreaturen zu erkennen vermochte, die nur durch die Begegnung mit dem Abendland und mit der christliche Taufe zu fühlenden menschlichen Wesen gemacht werden könnten.

Aber fühlende menschliche Wesen waren sie immer gewesen. Und dumm waren sie auch nicht. Zunächst einmal werden sie sich gewundert haben, dass fremde Menschen, Angehörige jener Weißen, die ihnen bisher so viel Elend gebracht haben, sich in Zeiten der Not um sie kümmerten. Das ist nicht wenig. Und man kann es nicht als frommen Trost für die Sterbenden abtun, wenn die Nonnen und Priester sich um die ins Elend gestürzten Insulaner kümmerten. Es stimmt aber: Im Unterschied zu späteren Missionaren auf der Osterinsel waren diese ersten Pioniere des Christentums sicherlich wenig an der ursprünglichen Osterinsel-Kultur interessiert. Später haben Theologen, die auf die Insel kamen, zusammen mit Wissenschaftlern aus vielen Nationen doch so viel über das Denken und Leben der alten Rapa Nui herausgefunden, dass man heute sagen kann: Die alte Kultur ist nicht ganz verschwunden, sondern sie hat in der neuen Kultur, der christlichen, überlebt und prägt nun den Glauben der christlichen Rapa Nui. Das alte Weltbild mit all den Riten fand im neuen Weltbild sozusagen eine neue Heimat. In der Kirche von Hangaroa stehen zwei lebensgroße Figuren von Christus und Maria. Sie sind gekrönt von einem Symbol des „Vogelmanns“ von Orongo. Der Künstler, Benedicto, der diese Statuen geschnitzt hat, erklärt auf die Frage, wie das zu verstehen sei, dass ja auch der Heilige Geist ein Vogel wäre. Und dass dieser Geist schon lange bevor die ersten Missionare kamen, da gewesen sei. Gott war früher als die Missionare, sagt er damit. Aber damit sagt er auch, dass die Rapa Nui den „Vogelmann“ nun als den Träger dieses göttlichen Geistes interpretieren, also als Jesus Christus, der ihnen – wie das auch der alte „Vogelmann“ in gewisser Weise tat – das Heil bringt, also zurechtbringt, was Menschen an Unrecht und Bosheit zustande gebracht haben.

6. Wenn es eine Menschenwürde gibt, dann gilt sie für alle

Wer heute auf die Osterinsel kommt, wundert sich vielleicht darüber, dass die Bewohnerrinnen und Bewohner der Insel ihn als Tourist freundlich begrüßen. Er wundert sich vielleicht auch über den hübschen Anblick der kleinen Häuschen, der Gärten und der Bäume, die neu angepflanzt worden sind. Es gibt Schulen, eine kleine Kirche, ein Krankenhaus, Krankenstationen, ursprünglich alle von der Mission errichtet und betrieben, die das Land dazu Tati Brander, dem Sohn des Pflanzers John Brander auf Tahiti; abgetrotzt hatten; heute sind sie weitgehend in staatlicher Hand. Es gibt einen großen Flugplatz, Anlandemöglichkeiten für Schiffe usw. Viele Bewohner scheinen vom Festland zugezogen zu sein, und in der Tat machen die Rapa Nui-Leute nur noch etwa die Hälfte der Bevölkerung aus. Seit dem Schreckensregiment des Franzosen Dutrout-Bornier vor 130 Jahren hat sich also allerlei geändert. Der französische Anthropologe Pinart hat 1877 auf der Insel noch genau 111 Einheimische gezählt. Heute wohnen wieder etwa 4.000 Menschen auf Rapa Nui.

Aber der Weg in die Gegenwart war verlustreich, demütigend und für die Kultur der Rapa Nui desaströs. 1888 annektiert Chile das Eiland, auf dem die Spanier, die (mit Ausnahme von Kuba) ihre lateinamerikanischen Kolonien (dazu gehörte Chile) inzwischen verloren haben, trotz der förmlichen Inbesitznahme durch von Gonzales 1770 nie aufgetaucht sind. Die Rapa Nui treten in einem Dokument „die vollständige und ganze Souveränität für immer und ohne Vorbehalt an die Regierung der Republik Chile“ ab. Unwahrscheinlich ist abermals, dass die unterschreibenden Häuptlinge überhaupt begriffen, was sie da unterschrieben. Doch noch heute erzählen die Insulaner, dass sich ihr damaliger Häuptling vor dem Repräsentanten Chiles verbeugt habe – mit einem Büschel Gras in der einen Hand und mit Erde in der anderen. Das Gras habe er dem Chilenen gegeben, die Erde aber behalten. Was soviel heißt wie: Ihr dürft das Land nutzen, aber es bleibt in unserem Besitz. 1895 verpachtet der chilenische Staat die ganze Insel an den Geschäftsmann Merlet, dessen örtlicher Vertreter gleichzeitig Repräsentant der chilenischen Regierung und oberster Richter ist. Als Merlet vor dem Bankrott steht, borgt er sich Geld bei einer schottischen Schafzuchtfirma, die praktisch die ganze Insel zu ihrem Eigentum erklärt: Die Einwohner werden wie zu Zeiten Juans I. in ein tausend Hektar großes, mit Mauer und Stacheldraht umzäuntes Areal gepfercht, niemand darf ohne Erlaubnis das Lager verlassen, einmal pro Jahr kommt ein Versorgungsschiff mit Mehl, Bohnen, Reis, Zucker und Textilien. Ein Aufstand der Rapa Nui im Jahre 1914 scheitert. Berichte von chilenischen Besuchern auf der Insel über den Zustand und das Elend dort finden in Chile kein Interesse.

Auch der deutsche Kapuzinermönch Sebastian Englert, der sich 1935 auf der Insel niederlässt und das kirchliche Leben, das bis dahin von einheimischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und chilenischen Nonnen aufrecht erhalten wurde, in seiner priesterlichen Funktion deutlich belebt, ändert wenig am traurigen Los der Eingeborenen. Englert kümmerte sich sehr um die Seelen der Menschen, wie es heißt, weniger um ihre Rechte gegenüber den Besitzern der Schaffirma. Darum werfen ihm heute manche, auch Einheimische, vor, dass er die Arbeit der Firma (Williamson-Company) letztendlich unterstützt hat. In wissenschaftlicher Hinsicht hat er Großes geleistet: Er hat die Sprache der Rapa Nui erforscht, ihre Mythen und ihre Lebensweise untersucht und gilt daher als ausgewiesener Ethnologe und Anthropologe. Als Kind seiner Zeit kam es ihm damals noch gar nicht in den Sinn, dass „Seelsorge“ auch Sorge für das leibliche Ergehen und für die gesellschaftlichen Zusammenhänge bedeutet. Ein Rapa Nui sagte einmal über Sebastian Englert: „Der Pater wollte keinen Kontakt zur Außenwelt. Ich habe zu ihm einmal gesagt: Wer im Fluss steht, wird mit fortgerissen. Aber davon wollte er nichts hören.“11 Englert scheint gehofft zu haben, dass die Osterinsel im Windschatten des Weltgeschehens verbleiben möge und ein im westlich-abendländischen Sinne geprägtes christliches Musterländle werden könnte. In einem Brief an seine Schwester am 31. März 1956 schreibt er: „Es scheint sicher, dass innerhalb weniger Jahre der Flughafen Tatsache sein wird. Dann werden häufig Flugzeuge kommen, was zwar materielle Vorteile bringen wird, aber auch moralische Übel … Ich persönlich freue mich nicht darüber, im Gegenteil, ich bedaure es. Die Abgeschiedenheit von der Außenwelt war in religiöser und moralischer Beziehung eine Wohltat für die Eingeborenen. Je mehr Verbindung mit der sogenannten ‚zivilisierten‘ Außenwelt, desto mehr unheilvoller Einfluss. Das kann ich leider seit einigen Jahren feststellen, denn … Eingeborene haben mehr Reisen nach Chile gemacht und sind nach einem Jahresaufenthalt auf dem Festland verändert hierher zurückgekommen. Ich fürchte sehr, dass in den kommenden Jahren ein bedauerlicher Rückgang des religiösen Lebens hier wahrgenommen wird. Gott bewahre uns und die Insel davor. Aber ich fürchte sehr.“12

Nun geschah auch auf der Osterinsel, was auf vielen Inseln Melanesiens und Polynesiens einige Jahre zuvor auch schon eingesetzt hatte: So wie einst die einheimische Kultur und Religion, die Lebensweise und die Wertvorstellungen durch die Verkündigung der Missionare verändert, in manchen Fällen sogar beseitigt worden ist, so kam nun auch die „christliche Idylle“, die manche Missionare sich für ihre „Missionsgebiete“ erhofft hatten (vielleicht sogar gelegentlich verwirklichen konnten) durch den Einfluss einer der bisherigen christlichen Weltanschauung, Lebensweise und Ethik kritisch bis gleichgültig gegenüberstehenden westlichen Zivilisation in Bedrängnis. Englert sah wohl, dass im Fahrwasser der Mission all jene Anschauungen mitschwammen, die schließlich auch zur Auflösung des religiösen Bewusstseins selbst beigetragen haben. Wir können das, je nach subjektiver Betrachtung, bedauern oder begrüßen. Aber vor allem war es im Blick auf Englert widersprüchlich. Der Pater sorgte sich um die Christen unter den Rapa Nui. Die alte Kultur, die er so sorgfältig studiert hatte, betrachtete er wohl eher als ein Phänomen der Vergangenheit. Aber nun merkte er, die Art, wie er das Christentum lebte und lehrte, könnte auch bald ein Phänomen der Vergangenheit sein.

Englert starb im Alter von 80 Jahren im Jahre 1969. Sein Grab liegt neben der Kirche in dem Areal, in dem auch der erste Missionar der Osterinsel, der Priester Eyraud liegt. Es ist nicht überliefert, ob er den Wandel, der dann in der Tat seit 1964 einsetzte, überhaupt noch richtig wahrnahm. Chiles neu gewählter christdemokratischer Präsident Eduardo Frei bringt im Parlament eine Gesetzesvorlage ein, um endlich die Gleichstellung der Insulaner mit den Festlandschilenen durchzusetzen. Kurz danach sorgt Alfonso Rapu, ein 22jähriger Rapa Nui, der von einer Chilenin aufs Festland geholt wurde und nach seiner Ausbildung auf die Insel zurückkehrte, für Aufruhr. In einem Brief an Frei beklagte er sich über den Terror auf der Insel, der nach wie vor von den chilenischen Gouverneuren ausgeübt wurde. Er schrieb in einem offenen Brief an den Präsidenten: „Wir sehen uns verpflichtet, Ihre Aufmerksamkeit zu wecken, weil wir das, was wir wollen, nicht auf unserer Insel beschließen können, weil die Gouverneure, die vorher auf der Insel waren, so wie die, die sie heute regieren, unsere Probleme nicht lösen, sondern uns betrügen. Wir, Herr Präsident, wollen damit sagen, dass wir auch unsere Rechte und Pflichten kennen, die für alle Chilenen gelten. Hier können wir sie nicht aussprechen, weil wir bedroht werden … Das heißt, das wir in Unterdrückung leben … Wir leben unter einem kolonialistischen Regime, das uns in unterschiedlichen Klassen hält und zwischen uns und den Kontinentalen rassische Probleme heraufbeschwört.“13  Alfonso wurde darauf vom Gouverneur der Insel aufs Übelste beschimpft, gefangen gesetzt und gefoltert. Er konnte fliehen und verbarg sich in einer Höhle, wo er sich versteckt halten konnte, bis die Behörden 1965 eine freie Bürgermeisterwahl zulassen müssen, nicht zuletzt deshalb, weil die katholische Kirche die Kritik Alfonso bestätigte, dessen Brief die chilenische Öffentlichkeit aufgeschreckt hatte, und weil inzwischen die halbe Welt von den Zuständen auf der Osterinsel gehört hatte. Sie war vor allem durch die Bücher von Thor Heyerdahl weltbekannt geworden.

Die zum Teil wieder errichteten alten Statuen übten auf viele Menschen weltweit eine große Faszination aus. Und wegen dieser Statuen zuerst, dann aber auch wegen der katastrophalen Zustände auf der Insel war dieses Eiland am Ende der Welt in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Es ist, als hätten die Ahnen von Rapa Nui zuletzt doch wieder Besitz ergriffen und begonnen, ihre alte Macht auszuüben. 1966 erhalten die Rapa Nui die chilenische Staatsbürgerschaft. Der Stacheldraht des Lagers wird niedergerissen. 1967 baut man den erwähnten Flughafen, seit den 70er Jahren können hier auch große Flugzeuge landen. Sie bringen Touristen aus aller Welt auf die Insel, die 1995 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wird.

Die meisten Rapa Nui leben vom Tourismus. Die meisten sind Christen – aber die großen Steinstatuen scheinen daran zu erinnern, dass die Ahnen zurückkehren. Man stellt sie sich wahrscheinlich nicht mehr als Geister aus einem wie auch immer verstandenen Jenseits vor. Eher kann man sie als Mahnmale verstehen, die die gegenwärtig Lebenden ermahnen, ihre Wurzeln, ihre Geschichte und ihre Kultur nicht zu vergessen und in die neue Zeit mit hineinzunehmen. Leicht wird das nicht sein. Denn die Sklavenjäger des 19. Jahrhunderts haben die ganze Oberschicht entführt, die Rapa Nui ihrer Schriftsprache und des Expertenwissens beraubt und ihr gesamtes soziales System gestört. Die Missionare haben ihre Kultur als ein Phänomen der Vergangenheit betrachtet und hatten gar kein Interesse daran, sie den Rapa Nui zurückzugeben, selbst wenn sie sie erforschten. Die Rapa Nui lebten weiterhin ohne Schriftsprache als Gefangene auf ihrer eigenen Insel. Aufzeichnungen von ihrer Hand gibt es keine. Und als sie schließlich ein halbes Jahrhundert nach der Annektierung einer ihnen artfremden Schulbildung unterworfen wurden, mussten sie Sprache und Schrift der Kolonialherren lernen.

Heute beginnen sie, sich ihrer alten Wurzeln zu erinnern. Und was die Missionare ihnen vorzuenthalten trachteten, nämlich den Zugang zu ihrer alten Kultur, eröffnen ihnen jetzt paradoxerweise gerade jene Schriften der Missionare, die von ihrer alten Kultur handeln. So werden die Bewohner der Osterinsel heute hineingezogen in einen gewaltigen kulturellen Transformationsprozess, der die ganze polynesische und melanesische Inselwelt erfasst hat. Welche Gestalt die sich abzeichnende neue Kultur einmal haben wird, ist ungewiss. Die alte Kultur hat sich durch die Begegnung mit dem Christentum sehr verändert. Heute ist das Christentum herausgefordert, die Anfragen, die aus der alten Kultur an es gerichtet werden, ernst zu nehmen – und sich seinerseits zu verändern. Prognosen über die zukünftige Entwicklung wage ich nicht zu stellen.


Anmerkungen

1. Vgl. zum Folgenden: F. Huber: Das Christentum in Ost-, Süd- und Südostasien sowie Australien. Leipzig 2005 (= Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, Bd. IV/8), S. 30 ff.

2. Zitiert nach Th. Müller-Krüger: Der Protestantismus in Indonesien, Geschichte und Gestalt, Stuttgart 1968, S. 41.

3. Zitiert nach W. Raupp (Hg.): Mission in Quellentexten. Von der Reformation bis zur Weltmissionskonferenz 1910, Erlangen Bad Liebenzell 1990, S. 75.

4. Die beiden letzten Zitate bei F. Huber, a.a.O, S. 33, S. 34.

5. Bei F. Huber, a.a.O., S. 35.

6. Zitat bei F. Huber, a.a.O., S. 37.

7. Zitat bei F. Huber, a.a.O., S. 41.

8. Ebd.

9. Um 1890 erzählt Kani aus Turubu in Ostsepik auf Neu Guinea die Geschichte von den wahren Weißen, die in ähnlicher Form in vielen Gegenden Ozeaniens verbreitet war, vgl. U. Keller (Hg.): Reisende in der Südsee. Ein kulturhistorisches Lesebuch. Wien 2004, S. 106 ff. Unter den „wahren Weißen“ werden die Gesandten der Ahnen verstanden, die kommen, um den armen Bewohnern der Inseln die Güter zu bringen, die sie so dringend benötigen.

10. Hermann Fischer: Schatten auf der Osterinsel. Plädoyer für ein vergessenes Volk. Oldenburg 1997.

11. Bei Herrmann Fischer, a.a.O., S. 206.

12. Ebd.

13. Bei Hermann Fischer, a.a.O., S. 213.


Das vorliegende Papier ist ein Referat verschiedener Veröffentlichungen

  • Gabriele Riedle, Marcel Bauer: Die Pioniere Gottes, in GEO 02/ 2007, S. 82 ff;
  • Friedrich Huber: Das Christentum in Ost-, Süd- und Südostasien sowie Australien. Leipzig 2005 (= Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, Bd. IV/8), S. 30 ff;
  • Zwei Bücher von Thor Hyerdahl: Kon-Tiki und Aku-Aku. Frankf./M. et al. 1980; Hermann Fischer: Schatten auf der Osterinsel. Plädoyer für ein vergessenes Volk. Oldenburg 1997;
  • Wikipedia zu „Osterinsel“; Thomas Schmidt: Das Eiland am Ende der Welt, in ZEIT Nr. 10/ 12. 4. 2006, S.94 (der viel von Fischer übernimmt) und Johannes Paulmann (Hg.): Ritual-Macht-Natur. Europäisch-ozeanische Beziehungswelten in der Neuzeit. Bremen 2005.
  • Dazu Artikel zu den Stichwörtern „Ahnen“, Polynesien“ und „Moais“ in den einschlägigen Lexika zur Religionswissenschaft, Geographie und Kulturgeschichte.

Oldenburg, den 10.02.2007 


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