Okt 192015
 
Ökumenischer Jugenddienst seit 1955/1956 – Seniorenkreis
Konvent in Neudietendorf  26. – 30. September 2015
„Anpassen – Beharren – Widerstehen“

Jan Hus

Von Jana Slámová, 2015

In diesem Jahr erinnerte man sich in Tschechien aber auch in anderen kulturellen Ländern an den 600. Jahrestag des Todes von Jan Hus. Warum so viel Erregung wegen ihm, wenn täglich viele Leute sterben? Womit ist dieser Prediger für uns interessant?

Bildnis Jan Hus von Johann Agricola, 1562.
Foto: Klabauter2

Es war der polnische Papst Johannes Paul II., der um Vergebung bat. Bei einer Bußprozession äußerte er am Aschermittwoch des Jahres 2000 seine Scham über den Verdammungsspruch von Bischöfen und Kardinälen, die für den tschechischen Priester Jan Hus den Tod auf dem Scheiterhaufen bedeutete.

Als Sohn armer Bauern wurde Jan Hus um 1370 geboren. Bald nach Beginn seines Philosophie- und Theologiestudiums an der Universität in Prag sah er den Dienst am Wort Gottes nicht mehr als Möglichkeit, Karriere zu machen, sondern als Herausforderung, dem Evangelium gemäß zu leben.

1402 hatte man den jungen Priester Hus zum Prediger an der Betlehemkapelle in der Prager Altstadt bestellt. Er predigte auf Tschechisch was das nationale Erwachen im Land deutlich beeinflusste. Die Tschechen fühlten sich benachteilig, begegneten den reichen deutschen Kaufleuten und Stadtbürgern mit Mistrauen. Immer mehr forderten sie von der Behörden und der Kirche die Gleichberechtigung für die tschechische Sprache. Außerdem lehrte Jan Hus seit 1401 an der Prager Universität. Es war eine aufgewühlte Zeit: in Oxford verfasste der Theologe John Wycliff Schriften in denen er die Bibel als einzigen Maßstab für die Christen bezeichnete. Diese Gedanken schwappten natürlich auch nach Prag und Jan Hus hat sie begierig aufgenommen. Sie haben die geistigen Wurzeln der Reformation begründet – rund 100 Jahre vor Luther. Man sagt das rednerische Talent aber vor allem die Schärfe Predigten von Hus brachte in der Bethlehemkapelle bis zu 3.000 Zuhörer unter den Kanzel, unter ihnen auch die böhmische Königin Sophie.

Hus geriet bald mit dem Prager Erzbischof aneinander. Der verbot ihm die Messe, Beichte, Taufen und Abendmahl zu halten. Zum endgültigen Bruch zwischen Hus, der Kirche und der weltlichen Macht kam es als auf Befehl vom Papst dass die sogenannten Ablässe den Gläubigen verkauft werden sollten als ein sichtbares Zeichen der Gottesvergebung. Der Paps brauchte Geld für einen Krieg und der böhmische König hat den Verkauf akzeptiert, weil er Prozente vom Erlös bekommen hat. Jan Hus ist dagegen öffentlich aufgetreten, aber danach musste er Prag verlassen. Er versteckte sich bei befreundeten Adeligen und predigte im Freien. Die Machtverhältnisse im Land waren sehr labil geworden. König Wenzel lag mit dem Adel im Streit und wurde von seinem im Deutschland regierendem Halbbruder Sigmund gerade noch als Regent geduldet. In Rom rivalisierten zwei, später drei Päpste, die uneinig waren einen Ketzer in Böhmen zu haben

Mittlerweile war der Ruf nach einem Konzil immer lauter geworden, dass vor allem die Rivalität von drei Päpsten beenden sollte. Der deutsche König Sigmund lies Hus einladen. Obwohl ihm freies Geleit zugesichert worden war wurde er wenige Wochen nach seiner Ankunft in Konstanz eingekehrkert. Tagsüber trug er Fußfesseln, nachts kettete man ihn an die Wand. Erst nach einem halben Jahr kam Hus zu Wort. Es wurden ihm Thesen vorgeworfen, die er so nie gesagt hatte und er konnte nicht die Hintergründe erläutern oder die Falschinformationen zurückweisen. Verzweifelt appellierte der Todeskandidat an den dabeisitzenden König: Er könne doch nicht etwas wiederrufen, was er niemals behauptet habe, und er könne nur Irrtümer bekennen, die man ihm nachweise. Deshalb rief er nur: Ich will nicht lügen im Angesicht Gottes, womit er betonte, wer für ihn allerwichtigste Autorität ist.

Diebold Schilling d.Ä., Spiezer Chronik (1485): Feuertod des Jan Hus in Konstanz.

Feuertod des Jan Hus in Konstanz
Von Diebold Schilling d.Ä., Spiezer Chronik (1485)
Foto: Fb78

Am 6. Juli 1415 erklärte das Konzil Jan Hus zum hartnäckigen Ketzer, verfügte die Verbrennung seiner Bücher, nahm ihm sein Priesteramt und ließ ihn zum Scheiterhaufen führen. Seine Asche streute man in den Rhein.

Ein paar meiner Gedanken und Fragen  zum Schluss:

  • Ist Jan Hus ein Vorbild, in welcher Hinsicht?
  • Was sind heutzutage die Lebensziele für die man bereit ist zu sterben?
  • Wovon hängt es ab, wie wertvoll ein menschliches Leben ist?
  • Gibt es etwas, wofür ich bereit wäre, mein Leben zu opfern?

An einen ungenannten Würdenträger des Konzils  (etwa 20.VI.1415)

Der allmächtige Vater, der allweise und alliebende, gebe meinem Vater, der mir um Jesu Christi willen gewogen ist, das ewige Leben in Herrlichkeit.

Ehrwürdiger Vater! Ich bin sehr dankbar für Eure freundliche und väterliche Gnade. Aber  ich wage nicht, mich dem Konzil nach dem gegebenen Wortlaut zu unterwerfen. Einerseits müßte ich viele Wahrheiten verurteilen, die man, wie ich von ihnen (= vom Konzil) gehört habe, als ärgerniserregend bezeichnet hat. Andererseits müßte ich meineidig werden durch Abschwören. Wollte ich bekennen, ich hätte Irrtümer gehegt, so würde ich dadurch sehr vielem Volke Gottes Ärgernis geben, das von mir in der Predigt das genaue Gegenteil gehört hat.

Wenn der heilige Eleazar, der Mann des Alten Bundes, von dem wir in den Makkabäerbüchern lesen (2. Makk. 6,18-31), nicht fälschlich gestehen wollte, er habe vom Gesetz verbotenes Fleisch gegessen, um nicht gegen Gott zu handeln und den Nachkommen kein schlechtes Beispiel zu geben – wie sollte dann ich, ein Priester des Neuen Bundes, wenn auch ein unwürdiger, aus Furcht vor Strafe, die doch rasch vorübergeht, mich so viel schwerer am Gesetz Gottes dadurch versündigen, daß ich erstens-von der Wahrheit abfalle, zweitens einen Meineid leiste und drittens den Nächsten Ärgernis gebe!

Wahrlich, es ist für mich besser zu sterben als – um der zeitlichen Strafe zu entgehen – in die Hände des Herrn zu fallen und dann vielleicht ins Feuer und in ewige Pein.

Und weil ich mich auf Jesus Christus, den mächtigsten und gerechtesten Richter, berufen und ihm meine Sache anvertraut habe, bin ich auch seines heiligsten Beschlusses und Urteils gewärtig in der Überzeugung, er werde jeden Menschen richten und belohnen nicht nach falschen Zeugnissen. Sondern nach Wahrheit und Verdiensten.

Quelle: Joachim Dachsel – JAN HUS, Ein Bild eines Lebens und Wirkens – Seine Briefe vom Herbst 1414 bis zum Juli 1415, ins Deutsche übersetzt in Zusammenarbeit mit František Potměšil, Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 1964 


Die Entstehung der Schwan-Legende

Die Gans und der Schwan
Das Nachleben des Jan Hus in der lutherischen Konfessionskultur

Für Luther war an der Biografie des Johannes Hus sein Ende am interessantesten.

Angeblich verkündigte Hus kurz von seinem Tod :

„Heute eine Gans/das Wort Hus nämlich in Übersetzung heißt Gans gebraten wird, der aber Adler und Falken folgen würden, die die Fallstricke der Gegner zerreißen“.

Aus dem Wortspiel von Husa in deutscher Übersetzung die Gans baut nach hundert Jahren Martin Luther nun seine eigene Prophezeiung zusammen, wenn er im Jahr 1531 schrieb:

„So Gott will, werde ich erst nach meinem Tod heftiger wirken als lebendigt. Sanctus Hus wurde als Gans gebraten aber Überhundert Jahre werden sie einen Schwan singen hören, denn sollen sie leiden. Da so es bei bleiben, ob Gott will“.

In abgeschwächte Form findet sich darin der Gedanke, den Luther dem Reformator Hus folgende Worte in den Mund legt:

„Überhundert Jahre sollt ihr Gott und mir antworten…“

Woher kam Luther gerade zum Schwann Beispiel? Wahrscheinlich hat es zu tun mit Mythologie aber es kann auch so sein, dass Luther auf der Suche nach einem Tier, das der  Gans ähnlich ist, sie aber auch übertrifft, auf den Schwann verfiel.

Die Geschichte vom Schwan und von der Gans erfuhr eine enorme Verbreitung durch die sehr populäre Lutherbiographie des Johann Mathesius erstmal 1566. Es gilt, wo immer in kirchlichen Gemälden ein Schwan gezeigt wird, ist die lutherische Erinnerung an Hus nicht weit.

Turm der Evangelisch-lutherischen Kirchen in Carolinensiel

Turm der Evangelisch-lutherischen Kirche in Carolinensiel
(Ostfriesland) mit einem Schwan auf der Turmspitze.
Foto: Blueduck4711

Bis heute lebendig ist der Schwan als Symbol des Luthertums, wenn auch  regional begrenzt, in einer ganz anderen Funktion, nämlich als Abschluss von Kirchentürmen oder als Wetterfahne. Vor allem im konfessionell gemischten Ostfriesenland, mit seiner traditionell starken reformierten Tradition, findet er sich als Turmbekrönung auf lutherischen Kirchen. Reformierte Kirchen dagegen lassen sich an einem Schiff erkennen, katholischen oft an einem Hahn, der den Verrat Apostel Petr erinnern soll.

Zusammenfassend wird man sagen können, dass Johanes Hus, wenn auch indirekt und mittelbar einen erheblichen Beitrag zur konfessionellen Identität des deutschen Luthertums beigetragen hat.

Aus der Literatur zusammengestellt von Jana Slámová, September 2015


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