Nov 172015
 

Wir müssen uns ändern!

Von Christoph Quarch, 14.11.2015

Es ist Krieg. Werden wir dem gewachsen sein?

Es ist Krieg. Nie hätte ich gedacht, dass der Tag kommen würde, an dem ich diese drei Worte in meinen Computer schreiben muss. Nun starren sie mich an. Sie schneiden ins Herz. Es krampft sich zusammen. Ich denke an meine Kinder. Tränen treten in meine Augen. Es ist Krieg. Und zwar hier.

Als ich jung war, kursierte der Satz: „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin.“ Jetzt muss ich mir das nicht mehr vorstellen. Es ist Realität. Nur so ganz anders, als wir damals meinten. Keiner hier geht zu diesem Krieg. Die Menschen sind ins Stadion gegangen, ins Konzert, ins Café, ins Restaurant. Dorthin ist der Krieg gekommen – und zeigt seine barbarischste Seite. Unschuldige Tote, Frauen, Kinder, Jugendliche – Menschen wie du und ich. Ich weine um sie alle.

Bei Lichte besehen ist das Wort „Krieg“ ein Euphemismus für das, was in Paris geschehen ist. Denn Krieg war in Europa einmal ein Geschehen, bei dem es Recht und Regeln gab. Die islamistischen Terroristen von Paris kennen nichts davon: sie kennen keine Werte und kein Recht: Sie kennen nur ihren religiösen Wahn. Sie verdienen den Namen „Mensch“ nicht, denn sie sind die Schlächter der Humanität.

Es ist ein Krieg der neuen Art: die Feinde sind feige und unsichtbar. Es gibt keine Unterscheidung von Zivilist und Kombattant. Dieser Krieg gilt nicht einer Nation oder einem Volk, sondern er gilt unserer Kultur. Die Ziele der Barbaren waren gut gewählt: ein Fußball-Stadion, der Ort des Spiels, das wie nichts sonst die zivilisierten Völker vereint; ein Konzertsaal, der Ort, an dem (Heavy Metal hin oder her) die schönste Blüte europäischer Kultur zelebriert wird – die Musik; Cafés, Restaurants, Orte der Begegnung, der Liebe, der Kultur.

Der Krieg betrifft uns alle: Er gilt allem, was uns heilig ist und was das Leben adelt: der Kunst, der Kultur, dem Spiel, unseren Werten und Tugenden. Aber wissen wir selbst noch, welches diese Tugenden und Werte sind? Sind wir bereit für sie zu kämpfen? Sind wir bereit, uns um ihretwillen für unser Land und unser Europa aufs Spiel zu setzen? Sind wir bereit, Einbußen an Wohlstand und Freiheit in Kauf zu nehmen, um den Barbaren zu wehren? Sind wir bereit, unseren Eigensinn zu zähmen und einen europäischen Gemeinsinn zu entwickeln?

Es steht uns nicht frei, zu diesem Krieg zu gehen oder nicht: Er ist da, er rückt uns näher. Und wir sind in keiner Weise darauf vorbereitet. Nach den verheerenden Kriegen des 20. Jahrhunderts sind wir pazifistisch erzogen und träumen von gewaltfreier Kommunikation. Wir haben den Wehrdienst abgeschafft. Wehrhaftigkeit ist ein Wort, das im Wortschatz der Jüngeren nicht mehr vorkommt. Wir stehen dem Terror machtlos gegenüber. Ob unsere Politiker der Lage gewachsen sein werden – es muss sich weisen.

Wir müssen diesen Krieg gewinnen. Ohne wenn und aber. Um der Menschheit und um Gottes Willen müssen wir diesen Krieg gewinnen, um unserer Kinder und unserer Ahnen willen, die geblutet und gelitten haben, um dieses Europa zu schaffen. Aber wir werden diesen Krieg nicht mit immer mehr Sicherheitskräften und neuartigen Waffen gewinnen. Wir werden diesen Krieg nur gewinnen, wenn wir uns alle in Europa in den Dienst unserer Werte und Ideen stellen: Wir können dem Islamismus nur wehren, wenn wir ihm das entgegenschmettern, was er nicht kennt, uns aber groß und stark macht: Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Liebe zum Leben, Sinn für Schönheit, Wahrhaftigkeit, Solidarität, Mitgefühl, Vernunft, Anstand und Disziplin.

Dafür müssen wir uns ändern. Das ist am Ende die Lektion der Terrornacht von Paris. Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Wir müssen begreifen, dass das Leben mehr ist als Entertainment, Internet, Shopping und Geld. All das, worum sich das Leben so vieler dreht, wird vor dem Hintergrund des Krieges, der zu uns gekommen ist, vollkommen belanglos. Es ist „nice to have“, aber es ist unwichtig. Wichtig ist der Geist Europas, seine Seele, seine Kultur. Sie gilt es zu verteidigen, denn ohne sie sind all die „nice to haves“ nichts wert. Die Barbarei lässt sich nur mit Geist bezwingen. Die Stunde dafür ist da. Wir können nicht mehr ausweichen. Wir müssen unser Leben ändern. Unsere Liebe zum Leben zwingt uns zum Kampf.


Deutschland bleibt in der Komfortzone

Von Christoph Quarch, 14.11.2015

Es geht kein Ruck durch Deutschland. Eine Woche nach den Terroranschlägen von Paris stelle ich fest: Die Aufregung hat sich gelegt, wir machen so weiter wie bisher. Eine Politisierung der Menschen ist nicht festzustellen, ebenso wenig die von mir erhoffte Belebung des Gemeinsinns. Stattdessen fruchtlose Debatten über das Ob und Wie der Spielabsage in Hannover und die Wiederholung altbekannter moralinsaurer Diskurse.

Aus einem spontanen Impuls hatte ich für Mittwochabend zu einem offenen Gespräch über die Situation in unserem Land nach den Terroranschlägen in die Fuldaer Volkshochschule eingeladen. Ich dachte, es sei gut, sich in einem öffentlichen Raum zu treffen, um dort ein Stück politische Kultur zu pflegen und zu demonstrieren. Ich dachte, es werde womöglich den Menschen gut tun, in einer Zeit wie dieser zusammenzurücken und zu erfahren, dass man nicht allein ist in seiner Sorge und Hilflosigkeit. Ich habe mich getäuscht. Gekommen sind wenige. Einige der Zuhörer meines vorgeschalteten, regulären Abendvortrags sind zur Diskussion geblieben, aber dazu gekommen ist keine Handvoll, keine Presse, keine Medien. Mir scheint: Wir schwadronieren gern über politische Kultur und Freiheit. Aber wenn es darum geht, sie zu üben und zu demonstrieren … Fehlanzeige. Kein Ruck.

Im Gegenteil: In der „Welt“ vom gestrigen Donnerstag wird über den soeben veröffentlichten „Werte-Index 2016“ berichtet. Dort erfährt man, was der Deutschen höchste Werte sind: Gesundheit, Freiheit, Erfolg. Da fällt mir Nietzsches Rede über die „letzten Menschen“ ein: „Man hat ein Lüstchen für die Nacht und ein Lüstchen für den Tag, aber man ehrt die Gesundheit“. Gesundheit, das ist Nietzsches Punkt, ist der letzte Wert, der einer nihilistischen Gesellschaft bleibt: „Hauptsache gesund“ – nichts ist einem näher und wichtiger als das eigene Wohlergehen. Für universale Tugenden wie Gerechtigkeit, Solidarität, Naturschutz ist da kein Platz. Der Egoismus regiert. Das Politische ist tot. Selbst die terroristische Bedrohung unserer Gesellschaft scheint daran nichts zu ändern. Kein Ruck.

Die zweit- und drittplatzierten Werte machen die Sache nicht besser: Erfolg ist ohnehin die Krone jedes Egotrips und Freiheit, so die Autoren der Studie, sei hier „weniger globalpolitisch definiert als eher im Sinne von Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Institutionen“. Wohin man blickt: Eigensinn. Gemeinsinn nicht vorhanden.

So werden wir der Bedrohung durch den Terrorismus nicht beikommen. Nur als Gemeinwesen, nicht aber als unpolitischer Horde gesundheits-, geld- und glücksgieriger Individuen werden in diesem unserer Kultur erklärten Krieg bestehen können. Nur wenn wir unsere Kraft aus den geteilten Werten und Tugenden ziehen, auf denen unser Gemeinwesen gegründet ist, werden wir die passende Antwort auf den Terror finden: Humanität, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Rechtsstaatlichkeit, Liebe zum Menschen, zur Natur und zur Schönheit.

Wir müssen politischer werden. Wie müssen erkennen, dass wir alle eine Verantwortung für dieses Gemeinwesen haben. Wir haben lange genug „an uns gearbeitet“ und unserer körperlichen – zuweilen auch seelischen und spirituellen – Gesundheit gehuldigt. Das alles ist nichts wert, wenn es nicht dazu führt, dass wir in dieser Stunde zusammenrücken und an unserem Gemeinwesen arbeiten. Was muss noch alles passieren, bis dass ein Ruck durch Deutschland geht?!

Quelle: Homepage von Christoph Quarch


 

Der wirkliche dritte Weltkrieg

Nach den Terroranschlägen in Paris sagte der Papst: „Der dritte Weltkrieg hat begonnen.“ Von Krieg sprechen jetzt sehr viele: Frankreichs Präsident Hollande, sein Premierminister Valls, der deutsche Bundespräsident und fast alle Medien.

Genau so reagierte George W. Bush nach dem 11. September 2001 und handelte entsprechend. Was  ist die Folge dieses „Kriegs gegen den Terror“? Immer noch mehr Terror und der „Islamische Staat“ mit seinem Superterror.