Unsere indische Missionsarbeit im Jahr 1938
Von
Senior Lic. Paul Gäbler, Trichinopoly
Unsere Missionsarbeit in Indien und Afrika. Ev.-luth.
Mission Leipzig. Seite 1 bis 13
Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in
den Schwachen mächtig (2. Kor. 12, 9).
Gott
nimmt uns deutsche Missionsleute in eine ernste Schule. Der Druck, unter
dem wir hier draußen stehen, war im letzten Jahre oft schwer zu tragen.
Wir hatten manchmal mit der Verzagtheit zu kämpfen. In jenen
Septembertagen, als der Kriegsausbruch vor der Tür stand, schien wieder
einmal das Ende unseres Missionsdienstes gekommen. In jenen schlaflosen
Nachtstunden haben wir wie vielleicht nie zuvor gespürt, wie recht das
Lutherlied hat: "Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald
verloren." Aber wir haben doch auch wie vielleicht nie zuvor erfahren,
dass wir samt unserer Arbeit in Gottes mächtiger Hand stehen. Wir sind
nichts. Er ist alles. Seine Gnade muss uns genügen. Seine Kraft ist in
den Schwachen mächtig. Gott hat einst den Apostel Paulus mit diesem Wort
gestärkt. Er hat seine Wahrheit auch an uns bewiesen. So schauen wir auf
das vergangene Jahr mit ehrfürchtigem Dank gegen Gott zurück. Und im
Blick auf das Werk der Mission wie auf unser eigenes Leben, im Blick auf
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bekennen wir: "Was du Gott Vater
geschaffen, was du Gott Sohn erhalten, was du Gott heiliger Geist
geheiligt, befehlen wir dir, hochgelobte Dreieinigkeit, nach Geist,
Seele und Leib." Es ist nicht unser eigenes Werk, das wir treiben,
sondern es ist Gottes Weinberg, in dem wir arbeiten. So wollen wir Ihn
alles in allem wirken lassen.
In acht
indischen Provinzen, darunter der Madras-Präsidentschaft, führt die
Kongressregierung das Zepter. Trotz mannigfacher und teilweise heftiger
Kritik werden die Punkte, die der Kongress auf seine Fahne geschrieben
hat, zur Ausführung gebracht. Das Experiment mit der Prohibition im
Salem-Distrikt darf als einigermaßen gelungen bezeichnet werden. Deshalb
ist nun die Prohibition auch auf die beiden angrenzenden Distrikte von
Cuddapah und Chittoor ausgedehnt worden; im November 1939 soll der
Nord-Arcot-Distrikt folgen, in dem die dänische Mission arbeitet. Wir
hoffen, dass dann auch bald die Gebiete, in denen unsere Mission
arbeitet, hiervon erfaßt werden. Bei diesem Kampf um den Alkohol wird
nicht bloß in negativer Weise vorgegangen, sondern es werden von der
Regierung Teeläden eröffnet und alles getan, um der Bevölkerung zu
zeigen, wie man am nützlichsten seine Freizeit verwendet. Gelegentlich
hat es den Anschein, dass der deutsche Gedanke "Kraft durch Freude"
dabei Pate gestanden hat.
Die
Schaffung einer Einheitssprache für Indien an Stelle des Englischen
durch Einführung des "Hindi" stößt auf viel Widerstand. Aber die
Regierung greift scharf durch. Demonstrationszüge mit schwarzen Fahnen
werden aufgelöst und die schärfsten Wortführer ins Gefängnis gesteckt.
Die Mohammedaner können es nicht verwinden, dass man nicht das Urdu als
Einheitssprache gewählt hat. Zwar ist das Hindi in Nordindien vielen
geläufig, aber in Südindien ist es ganz unbekannt, und so ist der
Widerstand begreiflich. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis
wir genötigt sein werden, auch in unseren Missionsschulen das Hindi als
Fremdsprache einzuführen; allerdings geht das nur auf Kosten anderer
wichtig erscheinender Fächer.
Ein
anderes Ziel der Kongressregierung, die Hebung des Volksschulwesens,
steht weiterhin im Vordergrund des Interesses. Aber es zeigen sich doch
auch je länger je mehr die großen Schwierigkeiten, die es dabei zu
überwinden gibt. Der Wardha-Plan, nach dem die Schulerziehung eigentlich
ausgerichtet werden soll, möchte in allen Schulen, auch auf den Dörfern,
Werkunterricht einführen. Jeder soll ein Handwerk erlernen, ist das
Motto. Aber man hat inzwischen entdeckt, dass die Verwirklichung solcher
Ideale sehr viel Geld kostet, und so muss manches zurückgestellt werden.
Die Madraspräsidentschaft will zunächst einmal in jedem Distrikt eine
Wardha-Versuchsschule einrichten und sehen, wie diese Experimente
ausgehen.
In
religiösen Dingen versucht der Kongress, wenigstens nach außen hin,
Neutralität zu üben, wenn es da auch nicht an Entgleisungen gefehlt hat.
Als etwa 100 Christen in Devakottai, das zum Ramnad-Distrikt gehört, zum
Hinduismus "zurückbekehrt" wurden, sandte ihnen der Premierminister
Rajagopalachariar einen Glückwunsch. In der gesetzgebenden
Versammlung deshalb zur Rede gestellt, beteuerte er, er habe es nur als
Privatperson getan. Das zeigt, dass man wenigstens nach außen hin den
Schein der Unvoreingenommenheit zu wahren trachtet. Ein anderer
bezeichnender Vorgang ist, dass zu einem früheren Gesetz eine eigentlich
gar nicht dazu passende Ausführungsbestimmung erschien, wonach
christlichen Adidravida-Schülern - das Wort "Harijans", d. h.
Gottessöhne oder richtiger Söhne des Hari (Vishnu), ist neuerdings bei
vielen verpönt, obwohl Gandhi diese Bezeichnung geprägt hat - keine
Schulgeldermäßigung mehr von Distrikts- und Stadtbehörden gewährt werden
dürfe. Als Begründung wurde angegeben, dass für Christenkinder ja
sowieso die Missionen sorgten. Als dann ein Sturm der Entrüstung
entstand, wurde diese Bestimmung gemildert, aber nicht aufgehoben. Aus
derartigen Anzeichen ergibt sich, dass von seiten des Kongresses ein
nicht gerade günstiger Wind für unsere Christen weht. Wenn die Christen
nicht fest auftreten, werden sie sich nur schwer behaupten können.
Schließlich ist noch zu erwähnen, dass die Leitung des Kongresses von
Pandit
Jawaharlal Nehru an
Subhas
Chandra Bose übergegangen ist. Letzterer ist wenigstens kein
Anhänger von Moskau. Aber auch er ist in politischer Hinsicht ein
Radikalist, der die völlige Loslösung Indiens von England erstrebt. Aber
da am Horizont der Schatten von Japan lauert, hat er viel von seiner
Gefolgschaft verloren. Der Mann der Stunde ist wieder
Mahatma Gandhi,
der wieder stark auf der politischen Bühne tätig ist und nach wie vor
das Ohr der breiten Massen wie ihrer Führer hat. Er ist Realpolitiker
genug, um für Indien einstweilen den
Dominion-Status zu
erstreben. Indien soll aufhören, eine Kolonie zu sein, und eine
rechtlich und politisch gehobene Stellung erhalten, wie z. B.
Australien, Kanada und die Südafrikanische Union, die auch ihre eigenen
Gesandten unterhalten dürfen und eigenes Parlament und eigene Regierung
besitzen. Aber selbst bis dahin mag es noch ein weiter Weg. sein, wenn
nicht gerade ein Notstand, wie ein Kriegsausbruch, die Erfüllung solcher
Hoffnungen in greifbare Nähe rückt.
2.
Weltmissionskonferenz in Tambaram
In
kirchlicher und missionarischer Hinsicht stand die Tagung der
Weltmissionskonferenz zu Tambaram im Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses. Es war für unsere Leipziger Mission eine besondere Freude,
dass sie den Besuch von Herrn
Missionsdirektor D. Dr. Ihmels mit sich
brachte. Auch einige der anderen Vertreter der deutschen Delegation
haben unser Leipziger Feld besucht. Wir durften auch anderen
Abgeordneten der Tambaram-Konferenz Einblick in unsere Arbeit geben, z.
V. Präses Scholten, der im Dienst der Bethel-Mission in Ostafrika steht,
und Missionar Großkopf von der Berliner Mission in Südafrika. Von uns
Leipziger Missionaren nahm Lic. Dr.
Stählin an der Weltmissionskonferenz
teil. Wir sind überzeugt, dass von dieser Konferenz eine nachhaltige
Wirkung auf die Missionsarbeit ausgehen wird. Da in Vorträgen, Aufsätzen
und Büchern mannigfach über die Zusammenkunft in Tambaram und ihren
Ertrag berichtet werden wird, brauche ich an dieser Stelle nicht näher
darauf einzugehen.
3. Tagung
des indischen lutherischen Kirchenbundes in Tranquebar
Ein
anderes wichtiges Ereignis war die Tagung des indischen lutherischen
Kirchenbundes, der alle zwei Jahre eine größere Konferenz abhält und
diesmal zur Jahreswende 1938/39 seine Beratungen in der Jerusalem-Kirche
zu Tranquebar hatte. Es war für Missionar
Heller und Missionar
Haupt
keine Kleinigkeit, alle Vorbereitungen für die Unterbringung der rund
80 Besucher zu treffen, da alle Lebensmittel von auswärts beschafft und
besondere Vorkehrungen für die Unterbringung der vielen Gäste getroffen
werden mussten. Es ist hier nicht der Ort, auf die einzelnen
Verhandlungsgegenstände der Konferenz einzugehen. Es mag nur erwähnt
werden, dass Bischof D.
Sandegren den Vorsitz führte. Missionsdirektor
D. Ihmels hielt die Neujahrspredigt. Eine Gedenktafel für Bischof
Bexell
wurde in der Kirche enthüllt. Die Tagung wurde durch eine Reihe von
Ansprachen bereichert, welche Lutheraner aus China, Afrika und Amerika
und den nordischen Ländern hielten - es waren Vertreter, die kurz vorher
die Tambaram-Konferenz besucht hatten. Für die neue Dreijahresperiode
wurden Pastor Paradesi, ein Inder der lutherischen Telugu-Kirche, als
Vorsitzender, Missionar Dr. Strock von der vereinigten lutherischen
Kirchenmission als stellvertretender Vorsitzender und der Schreiber
dieses Berichtes als Geschäftsführer gewählt.
Die
Anwesenheit unseres Missionsdirektors sowie des schwedischen
Missionsdirektors Pastor Bäfverfeldt und Prof. Westmans, der ebenfalls
ein Mitglied des schwedischen Missionsvorstandes ist, wurden von der
lutherischen Tamulenkirche zum Anlass genommen, in den ersten Monaten
des Jahres 1939 eingehende Verhandlungen über das gegenseitige
Verhältnis zwischen Kirche und Mission zu führen. In zahlreichen
Sitzungen und Besprechungen der verschiedenen Räte und leitenden
Körperschaften wurden die Richtlinien festgelegt und die Beschlüsse
gefasst, die eine engere Zusammenarbeit zwischen Mission und Kirche
erstreben, ohne dass die Selbständigkeit und Freiheit der Leipziger
Mission, der schwedischen Mission und der Tamulenkirche preisgegeben
wurde. Dem Ziele der engeren Zusammenarbeit sollen vor allem Freizeiten
und Zusammenkünfte in den verschiedenen Gebieten des Feldes dienen, an
denen sowohl Missionare wie indische Pastoren und Laien teilnehmen
werden. Es ist weiter vorgesehen, dass sich künftig zweimal im Jahre die
beiden Missionsräte und der Kirchenrat zu gemeinsamen Sitzungen
zusammenfinden, um miteinander die wichtigeren Fragen durchzuberaten.
Wir alle hoffen, dass durch diese Maßnahmen der Kirche wie der Mission
Segen erwachsen wird. Vor allem aber ist es unser Wunsch, dass die
Kirche und ihre Glieder dadurch gestärkt werden. Eine innere Festigung
und Neuerweckung tut not, damit nicht nur den äußeren Gefahren, sondern
auch den inneren Anfechtungen gewehrt werde. Es ist ein bedenkliches
Zeichen, dass z. B. die Pfingstbewegung in unserem indischen
Kirchengebiet immer mehr Zulauf findet. Da gilt es, das reformatorische
Erbe neu lebendig werden zu lassen.
Wenn
wir nunmehr zur eigentlichen Arbeit der Leipziger Mission kommen, so
wollen wir dieses Mal einen Überblick in der Weise zu gewinnen
versuchen, dass wir von Station zu Station wandern. Wir beginnen im
Norden.
4.
Theologenausbildung Gurukul in Madras
Wenn
wir unsere Augen auf Madras richten, so fällt unser Blick zunächst auf
Gurukul. Die dortige Theologenklasse trat in das vierte Jahr ihrer
Ausbildung ein. Zu den elf bisherigen Studenten kamen sieben weitere,
von denen vier an der Evangelistenklasse 1931 - 34 sowie drei in
Cuddalore bzw. Vellore an einem früheren dreijährigen theologischen
Kursus teilgenommen hatten. Da diese sieben inzwischen in praktischer
Arbeit gestanden hatten und mit einer etwas andersartigen Ausbildung
kamen, hatten die Dozenten, Lic. Dr.
Stählin, Dr.
Estborn, Pastor
Devaprasadam und Mr. S. W. Savarimuthu, nicht geringe Mühe, die 18
Studenten zu einer Einheit zusammenzuschweißen. Lic. Stählin führte
zunächst die Auslegung des Jesaja und der Korintherbriefe, die
Neutestamentliche Theologie und den ersten Teil der Religionsgeschichte
zu Ende und schloss daran die Behandlung der Alttestamentlichen
Theologie, des Römerbriefes und des zweiten Teiles der
Religionsgeschichte. Während der Herbstferien hatten die Studenten
Gelegenheit zu praktischer Arbeit in der sog. Cheranad-Mission im Gebiet
um Perambalore. Vielleicht darf ich gleich hinzufügen, dass die
Abschlussexamina im Februar 1939 stattfanden, bei denen 16 Studenten das
Examen bestanden. zwölf von ihnen wurden zu Kandidaten erklärt.
Inzwischen sind sieben von denen, die bestanden haben, als Evangelisten
auf verschiedenen Stationen unseres Feldes stationiert worden, und damit
ist dem dringendsten Arbeitermangel unserer Mission Abhilfe geschaffen.
Gurukul hat seine Pforten geschlossen, und Lic. Stählin und Dr. Estborn
sind auf Heimaturlaub gegangen. Wir hoffen, dass 1942 oder 1943 eine
neue Theologenklasse in Gurukul eröffnet werden kann.
5. Fabriciusschule in Madras
Die
Fabriciusschule lässt hinsichtlich des Religionsunterrichtes manches zu
wünschen übrig; es macht sich eben fühlbar, dass kein Missionar den
Unterricht beaufsichtigen konnte. Nachdem nun im April 1939 Missionar
Witte nach Madras versetzt worden ist und im leerstehenden Gurukul
Wohnung genommen hat, erhoffen wir eine Besserung der Verhältnisse.
Dagegen ist die starke Seite der Schule der Sport. Unsere Schule trug
zum dritten Mal den Sieg in den Sportkämpfen der Madras-Präsidentschaft
davon, und damit ist die Siegestrophäe, ein großer silberner Pokal,
endgültig in ihren Besitz übergegangen. Der kürzlich vollamtlich
angestellte Sportlehrer hat sich dabei große Verdienste erworben. Die
Zahl der Schüler stieg von 466 auf 505. Der Handfertigkeitsunterricht
ist weiter ausgebaut worden und hat so sehr das Wohlgefallen der
Regierungsbehörden gefunden, dass diese die Leiter der anderen
Madras-Schulen angewiesen haben, unsere Schule zu besuchen und ihren
eigenen Handfertigkeitsunterricht in ähnlicher Weise aufzubauen. -
Unsere Mädchenschule unter Diakonisse
Magdalene Matthes hat weitere,
erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Am 3. September 1938, am
Altschülerinnen-Tag, konnte eine neue Schulhalle eingeweiht werden,
deren Baukosten zu mehr als der Hälfte durch freiwillige Gaben
aufgebracht waren. Ein neueröffneter Zweig der Arbeit ist eine
Kindergarten-Abteilung mit 28 Kindern, die sich finanziell selbst trägt.
Die Schülerinnenzahl stieg auf 400. In wie gutem Ansehen die Schule
steht, ergibt sich daraus, dass sich auf Veranlassung der Schulbehörden
etwa 450 Lehrerinnen aus Madras fünf Sonnabende hintereinander zu einem
Auffrischungskursus in unserer Schule zusammenfanden. Die Mädels der
Kostschule, d.h. des Internates, erfreuten sich trotz der ungesunden
Lage in diesem dichtgedrängten Stadtteil im ganzen sehr guter
Gesundheit, und wir haben Jahr für Jahr aufs neue dankbar zu sein, dass
wir von Seuchen bewahrt bleiben.
6. Schule an der Brickkiln-Straße
Die
kleine Schule an der Brickkiln-Straße, die sowohl von Jungens wie Mädels
besucht wird, leidet an Platzmangel, da für Neuaufnahmen die
Räumlichkeiten nicht mehr zureichen. Unter den Jungens wurde im
Handfertigkeitsunterricht das Laubsägen eingeführt, das eine
begeisterte Aufnahme gefunden hat. Aus wie armseligen Verhältnissen die
Kinder dieser Schule kommen, ergibt sich aus der Tatsache, dass der
Schulausflug, der veranstaltet wurde, für einen Teil der Kinder etwas
völlig Neues brachte. Manche von ihnen fuhren bei ihm zum ersten Male in
einer Straßenbahn, und wieder andere bekamen bei dieser Gelegenheit zum
ersten Male in ihrem Leben das Meer zu sehen; und dabei kann man von
unserer Schule aus in weniger als einer Stunde den Strand zu Fuß
erreichen! Wie viel mehr wird sich ihnen in geistiger Hinsicht
erschließen, wenn sie im Unterricht Neues lernen und vor allem von
Christus hören!
Die
landwirtschaftliche Arbeit in Pandur wurde, nachdem Missionslandwirt
Kannegießer nach Deutschland gereist war, von Missionar Witte
beaufsichtigt; er musste zu diesem Zwecke regelmäßig von Tiruvallur nach
Pandur fahren. Er hatte auch die Aufsicht über die Kassenangelegenheiten
der Mission, die von Pandur aus erledigt werden. Unsere Dörfler kamen
gegen Ende des Jahres in schwere Nöte hinein, weil der Monsunregen
ausblieb und der Reis auf den Feldern verdorrte. In anderen Bezirken
Südindiens kam es zu einer regelrechten Hungersnot, wo die Menschen und
das Vieh dahinstarben.
Einen
Aufschwung nahm die Arbeit, da gegen Ende des Jahres Diakonisse
Johanna Zimmermann die Poliklinik übernahm. Ihr
stehen ein indischer Heilgehilfe sowie eine voll ausgebildete indische
Krankenschwester zur Seite. Nach wie vor kam wöchentlich einmal die
Ärztin aus dem nicht weit entfernten methodistischen Missionskrankenhaus
in Ikadu zu einer Sprechstunde nach Pandur. Im Laufe des Jahres stellten
sich immer mehr Patienten ein, so dass im ganzen an 3.171 Patienten
10.846 Behandlungen ausgeführt werden konnten. So liegen hier
hoffnungsvolle Entwicklungsmöglichkeiten vor. Schwester Johanna machte
außerdem 93 Hausbesuche. Sie schreibt in ihrem Jahresbericht: "Furunkel
und Abszesse, Hautausschläge und Verletzungen aller Art gibt es das
ganze Jahr hindurch zu behandeln. Große Blutarmut, bedingt durch
Wurmkrankheiten, ist sehr oft die Ursache von allerlei körperlichen
Beschwerden. In der kühleren Jahreszeit gibt es viele Fieberkranke mit
Husten und Bronchitis. Die Monate September und Oktober brachten durch
die vielen Augenfliegen zahlreiche Augenentzündungen. Aber auch mit
Zahn-, Ohren- und Halsschmerzen und Fremdkörpern in Ohren und Nase
kommen Patienten." Dazu kam eine Reihe von Entbindungen. Weiter ist zu
erwähnen, dass der Heilgehilfe wöchentlich einmal nach Ramancheri
hinausfährt, wo er 252 Patienten behandelte. Eine besondere
Schwierigkeit ist es, die Patienten zur Zahlung von Geld anzuhalten.
Selbst ¼ Anna (1-2 Pfennig) erscheint ihnen oft zu viel und schreckt
sie ab. Da bedarf es vielen Zuredens.
Mit dem
Einzug Fräulein Frölichs in Pandur konnte ein Neuanfang mit der Arbeit
unter den Frauen des Pandur- und Ramancheri-Bezirkes gemacht werden.
Fräulein
Frölich wird dabei von zwei Bibelfrauen unterstützt.
Die Arbeit hat Eingang in fünf Sudra-Dörfern gefunden, wo etwa zwei
Dutzend Schülerinnen regelmäßig in Biblischer Geschichte unterrichtet
werden. Auch direkte evangelistische Arbeit wird getan. Fräulein Frölich
und ihre Mitarbeiterinnen sitzen dann auf den Veranden der Häuser und
haben nicht nur Frauen, sondern auch Männer als Zuhörer. Natürlich
bietet auch die Hospitalarbeit Gelegenheit zu evangelistischer
Tätigkeit. Der zweite Hauptarbeitszweig ist die Wirksamkeit unter den
Christenfrauen, die ebenfalls systematisch unterwiesen werden. In einer
Unzahl von Dorfkapellen hält Fräulein Frölich regelmäßig Abendandachten.
Sie hat eine mühsame und körperlich recht anstrengende Arbeit, da sie
bei weiter entfernten Ortschaften oft mehrere Tage fortbleibt und dann
unter höchst primitiven Verhältnissen zu kampieren hat. Sie widmet sich
auch dem Sonntagsschulunterricht zusammen mit Schwester Johanna, zu der
sich sonntäglich etwa 65 Kinder zusammenfinden.
Missionar Witte in Tiruvallur war bis zur Mitte des Jahres
gleichzeitig Pastor von Kondancheri. Aber da er dies Jahr stark mit
Verwaltungsarbeit belastet war, wie schon erwähnt worden ist, musste er
von der Versorgung der zum Kondancheri-Pastorat gehörigen Gemeinden
entbunden werden. Aber auch so predigte er sonntäglich in den
benachbarten Dorfkirchen und Kapellen. Die Schülerzahl in unserer
Schule, die zu Beginn des Jahres etwas gefallen war, konnte im Laufe des
Jahres wieder zur früheren Höhe (etwa 120) zurückgebracht werden. Eine
kleine Mattenwebe-Klasse wurde eingerichtet, und
Frau
Missionar Witte nahm sich der neueingerichteten Nähklasse
für die 20 Mädchen an. Es mag noch erwähnt werden, dass Missionar Witte
auch für unsere kleine Bergstation in Vercaud verantwortlich ist. Wir
versuchen schon lange, das dortige Erholungshäuschen zu verkaufen, aber
bisher ohne Erfolg; es ist beabsichtigt, von dem erhofften Erlös ein
Häuschen in Kodaikanal zu bauen.
Die
evangelistische Arbeit in Chidambaram war im vergangenen Jahr recht
gehemmt, da Missionar
Dr. Graefe weder ein geeignetes
Gefährt noch die Hilfe eines indischen Evangelisten hatte. So wandte er
sich mehr wissenschaftlicher Arbeit zu, deren Ertrag er wiederum den
anderen Missionsarbeitern zugänglich macht.
Frau Graefe
arbeitet mit zwei Bibelfrauen vor allem in der Stadt. Sie berichtet u.a.:
"Durch die Senana-Arbeit ist auch die Möglichkeit gegeben, christliche
Literatur in die Häuser zu bringen. So hat z. B. eine ganze Anzahl von
Männern (namentlich Verwandte und Männer der Frauen, die wir besuchen)
mit großem Interesse D.
Frölichs Gurukul-Notes gelesen. Die Mohammedaner
scheinen den Großen Katechismus mit gelegentlich erstaunlichem
Verständnis zu lesen." Ein neues Arbeitsgebiet eröffnete sich für Frau
Graefe dadurch, dass unsere Mission die Leitung der in Chidambaram
befindlichen und der Tamulenkirche gehörigen Mädchenschule im Juni 1938
übernahm. In kurzer Zeit stieg die Schülerinnenzahl von 63 auf 95. Mit
Ausnahme eines einzigen Mädchens sind alle Kinder Heiden. Daraus ergibt
sich die evangelistische Bedeutung der Schule. Schließlich gelang es
Frau Graefe auch, mit den Studentinnen der Hinduistischen
Anamalai-Universität, die sich in der Nachbarschaft von Chidambaram
befindet, in lebendigere Beziehungen zu treten. Unter den etwa 35
Studentinnen sind nur fünf Christinnen, so dass sich auch hier
evangelistische Möglichkeiten ergeben. Es ist zu erwarten, dass sich
diese Arbeit etwas mehr ausbauen lässt.
Die
Zentralschule in Shiyali hat eine weitere, bemerkenswerte
Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen. Drei neue Schulklassen mussten
eröffnet werden, weil die Schülerzahl von 507 auf 611 gestiegen ist. Von
diesen sind 135 Christen, 100 Brahmanen, 321
Sudras und 55 Adidravidas.
Für Missionar
Missionar Hellinger als den Leiter der Anstalt wie für den
Lehrkörper ist es eine verantwortungsvolle Aufgabe, dieser so schnell
wachsenden Anstalt, bei der nur 22 Prozent der Schülerzahl christlich
ist, weiterhin einen starken christlichen Stempel aufzudrücken. Es ist
eine unvergleichliche Gelegenheit, den Schülern einen lebendigen
Eindruck von der frohen Botschaft zu geben. Gleichzeitig ist auch die
Zahl der Kostschüler erheblich gewachsen (von 80 auf 113); unter ihnen
befinden sich neun Nichtchristen, die natürlich an allen Andachten und
Gottesdiensten teilnehmen. Ist die Zentralschule eine höhere Schule, so
ist die sogenannte Chatram-Schule eine Volksschule. Ihre Schülerzahl ist
von 119 im Jahre 1937 auf 150 im Jahre 1938 gestiegen. Unter ihnen sind
12 Christen, 16 Mohammedaner und 122 Hindus. Finanziell trägt die Schule sich
selbst, wie es auch bei einer Anzahl unserer anderen Missionsschulen der
Fall ist. Wegen mangelnden Raumes können keine weiteren Neuaufnahmen
erfolgen. Weiter ist Missionar Hellinger der Pastor der
Shiyaligemeinde, die auch verschiedene Dorfschulen mit einschließt. Es
war für ihn eine besondere Freude, dass er in Gurumangudi ein neues,
schmuckes Kirchlein bauen konnte, das, auf einer Anhöhe gelegen, weit in
das Land hineinschaut. Der aus Holz geschnitzte Taufstein, der sich wie
eine Lotosblume öffnet, ist ein Geschenk der estländischen
Missionsfreunde.
Frau Hellinger hat wie früher mit ihren Bibelfrauen in Shiyali
und in den dazu gehörigen Dörfern unter den Frauen gearbeitet.
Im
zweiten Missionshaus von Shiyali, im sogenannten Zeilein-Bungalow, ist Missionar
Weinert eingezogen. Er betreut von dort aus das
Manelmedu-Pastorat, wobei er sich eines Fahrrades bedient. Er hat auch
mit evangelistischer Arbeit einen Anfang gemacht.
Fräulein
Hübener in Mayavaram hat fünf Bibelfrauen, von denen
zwei in Mayavaram selbst und drei in benachbarten Ortschaften arbeiten.
Sie tun ihren stillen Dienst in etwa 200 Heidenhäusern, die wöchentlich
einmal erreicht werden. Fräulein Hübener schreibt: "In einem dieser
Dörfer lernen auch etwa 20 Mohammedanerinnen, von denen jedoch vier
Frauen entschieden abbrachen, als wir von Jesus als dem 'Sohn Gottes'
sprachen. Die übrigen jedoch ließen sich bisher durch den Fanatismus
dieser vier nicht beirren." - Gleichzeitig hat Fräulein Hübener die
Aufsicht über unsere zwei Mädchenschulen in Mayavaram. Die kleine
Adidravida-Schule auf dem großen Missionsgrundstück dient im
wesentlichen unseren eigenen Kostschulkindern und wird kaum von auswärts
besucht; sie hat deshalb keine besonderen Entwicklungsmöglichkeiten.
Obwohl die Schule bisher bei ihren augenblicklich 63 Schülerinnen immer
nur vier Klassen gehabt hat, musste eine fünfte Klasse eröffnet werden,
weil die Regierung Schulen mit nur vier Klassen künftig nicht mehr
anerkennt. Haben wir für diese Schule drei Lehrerinnen, so für die
Stadtschule, die ausschließlich von Kastenkindern besucht wird, fünf
Lehrerinnen bei 118 Schülerinnen, von denen nur sechs Christen sind.
Hier hat unsere Mission einen jahrelangen Kampf darum geführt, dass die
Kinder Schulgeld bezahlen. Aber im letzten Jahr mussten wir endgültig
darauf verzichten, da die anderen Stadtschulen kein Schulgeld erheben,
und nunmehr die Eltern ernstlich anfingen, ihre Kinder von unserer
Schule fortzunehmen. Hier wie anderswo macht uns der unregelmäßige
Schulbesuch der Kinder Not, da die Eltern immer wieder aus nichtigen
Gründen ihre Kinder zu Hause behalten, wenn es ihnen gerade in den Sinn
kommt. - Im letzten Jahr war geplant, dass Fräulein Hübener in Mayavaram
eine Bibelfrauenklasse eröffnete. Aber das Dutzend Frauen, das sich
meldete, erwies sich als fast durchweg untauglich. Schließlich wurden
drei
Frauen ausgewählt, die Fräulein Hübener in Unterricht nahm und in die
Arbeit einführte, aber die Befürchtung, dass auch diese Frauen selbst
bescheidenen Ansprüchen nicht genügen würden, scheint sich zu
bestätigen. Die Tatsache, dass für die Bibelfrauenarbeit kein geeigneter
Nachwuchs zu finden ist, stellt einen großen Notstand dar, für den es
einstweilen noch keine Lösung gibt. Auch ein Seminar zur Ausbildung von
Religionslehrerinnen ist eine dringende Notwendigkeit; aber dieser Plan
scheitert vorläufig noch vor allem an den damit verbundenen Kosten.
Die
Leitung der Industrie-Schule ist in die Hände von Fräulein
Studtrucker übergegangen, der Fräulein
Hoernle zur
Seite steht. Die von der Regierung erlassenen neuen Bestimmungen
bedingten mancherlei Änderungen. Die Webschule stellt sich mehr auf das
Weben von Stoffen für Europäer um, weil sich der Absatz von Stoffen für
Inder und Inderinnen zu sehr verringerte. Die Zahl der Kostschulkinder
ging um zehn auf 74 zurück. Der alte Katechet Elieser, der viele Jahre
lang den Religionsunterricht gegeben hat, schied wegen Krankheit aus;
dafür übernahm Fräulein Hübener den Religionsunterricht.
Viel Arbeit bereitete der große Garten mit seinen vielen Pflanzungen.
12. Tranquebar
Die
achtstufige Knabenschule in Tranquebar, die Missionar
Haupt untersteht, zählt 256 Schüler, von denen 72 Knaben im dortigen Internat
untergebracht sind. Bei einer Cholera-Epidemie in Tranquebar erkrankten
etwa 30 Jungen an schwerer Dysenterie. Der Grund dazu liegt wohl am
Trinkwasser, das seit undenklichen Zeiten aus dem einzigen öffentlichen
Brunnen in der Nähe der Dansborg geholt wurde. Wiederholt wurden
Versuche gemacht, auf unserem Schulgrundstück gutes Wasser zu
erschließen, aber immer wieder ergab sich Salzwasser. Nun ist es
Missionar Haupt
gelungen, eine Wasserader zu finden, die nicht salzig
ist, und so besitzt nun unser Grundstück endlich einen
Trinkwasserbrunnen. So dürfen wir hoffen, in Zukunft von ansteckenden
Seuchen verschont zu bleiben.
Neue
Wirkungsmöglichkeiten ergeben sich dadurch, dass unsere Mission in einem
Vorort von Tranquebar, in Pattanachery, eine kleine Schule übernommen
hat, die von Kindern der Fischerkaste besucht wird. Sie war bisher in
den Händen eines Hindu, war völlig heruntergewirtschaftet und hätte
geschlossen werden müssen, wenn wir nicht eingesprungen wären. Eine
kleine Missionsschule, die einst Fräulein
von Gernet in
Pattanachery geleitet hatte, war der Schule des Hindu zum Opfer
gefallen. Nachdem wir nun wieder festen Fuß gefasst haben, hoffen wir,
dass die Schule zu einem Ansatzpunkt für eine gesegnete evangelistische
Arbeit werden wird. Sie untersteht Missionar Haupt, ebenso wie der
Verlag, der wieder eine Reihe von Büchern neu auflegen konnte, ohne dass
die Mission geldliche Zuschüsse zum Druck hätte leisten müssen.
Im
sogenannten Seniorats-Bungalow wohnt Missionar
Heller.
Weite Reisen führen ihn nach wie vor durch das ganze Leipziger
Missionsfeld, da er weiterhin den Vorsitz im Schulausschuss des
Leipziger Feldes führt und die Aufsicht über die rund 100 Kirchschulen
dieses Gebietes hat. Reichlich 16.000 Kilometer hat er im Jahre 1938
zurückgelegt. Die Kirchschularbeit wird von der schwedischen
Schwestermission unterstützt; aber die Geldmittel, die dafür aus
Regierungsfonds und Zahlungen aus Uppsala zur Verfügung stehen, sind so
knapp, dass es sich eigentlich nur darum handeln kann, die Schulen über
Wasser zu halten. Die Regierungsvorschriften sind so verschärft worden,
dass die Arbeit denkbar schwierig ist. Es ist ein sorgenreiches Amt, das
Missionar Heller hat, und es ist nur seiner reichen Erfahrung zu
verdanken, dass bislang noch größerer Schaden verhütet werden konnte.
Gleichzeitig ist Missionar Heller Pastor von Manikramam
und außerdem der Rechnungsrevisor unserer Mission. Mit der wachsenden
Zahl der Missionsarbeiter hat auch die Zahl der Missionsstationen mit
eigenen Rechnungen zugenommen, die jetzt 25 beträgt. Die starke
Geldknappheit, an der wir leiden, vergrößert die Verantwortung und die
Sorgen beim Verwalten der Rechnungen und Verteilen der Mittel an die
Stationen in jedem Monat. Auch der Besitz in Erukattancheri steht unter
seiner Verwaltung wie auch die Aufsicht über die sogenannten dänischen
Ländereien.
Die
Arbeit, die Frau Heller unter den heidnischen,
mohammedanischen und christlichen Frauen von Tranquebar, Porayar und
Umgegend mit ihren Bibelfrauen tut, geht ihren stillen Gang wie bisher.
Die
Leitung unserer Mädchenschule in Porayar, die bisher Fräulein
Hübener unterstanden hatte, ist nach ihrer Versetzung nach
Mayavaram in die Hände von Fräulein
Kallert übergegangen.
Die Schülerinnenzahl ist um 30 auf 242 gestiegen und machte die
Anstellung einer weiteren Lehrerin notwendig. Von den Mädchen sind 111
Christinnen und 131 Hindus. Die Schule musste durch allerlei
Anfeindungen hindurch, wohl veranlasst durch die Missgunst von
Außenseitern, die sich über das Wachstum der Schule und ihren
ausgezeichneten Ruf ärgern. Doch blieb die innere Arbeit davon
unberührt. Die Kostschule ist überfüllt, da die Zahl der Kostschulkinder
um 14 zugenommen hat. Leider wurden die Kinder von mancherlei
Krankheiten heimgesucht, wie von Typhus, Malaria und Lungengrippe. Ein
älteres Kind starb an Lungengrippe. Bei den mangelhaften hygienischen
Verhältnissen Indiens sind wir trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht
immer in der Lage, Ansteckungen zu vermeiden.
Kumbakonam hat seit 1915 keinen Missionar mehr gehabt. Nunmehr hat Missionar
Wagner dort die Arbeit aufgenommen. Fräulein
Paul hat ein Haus in der Stadt unweit des großen Tempelteiches
gemietet und setzt ihre Frauenarbeit fort. Sie hat einen ermutigenden
Eingang unter den Brahmanenfrauen gefunden. Missionar Wagner versieht
die pastorale Arbeit in Kumbakonam und den dazu gehörigen Ortschaften.
Wenn man hört, dass die Christen in 21 Orten zerstreut wohnen, bekommt
man einen Eindruck, wie mühsam die Arbeit ist. Der von Missionar Wagners
indischem Vorgänger begonnene Bau einer Steinkirche in Kanjanur konnte
zu Ende geführt werden. Nachdem in der früheren Zeit alle Dorfschulen
geschlossen worden waren, konnte in Vayyal wieder eine Schule eröffnet
werden. Die von annähernd 200 Kindern besuchte Morgenstern-Schule in der
Stadt Kumbakonam - auch der Kirche gehörig - ist evangelistisch
bedeutsam. Der kleinen Schule auf dem Missionsgrundstück, die unserer
Mission gehört, musste aus den Gründen, die oben im Zusammenhang von
Mayavaram genannt wurden, eine fünfte Klasse hinzugefügt werden. Die
Schülerzahl beträgt annähernd 100.
Im
Kumbakonam- und benachbarten Nannilam-Gebiet bemächtigte sich einer
Reihe von katholischen Gemeinden eine Unruhe, weil lebhafte Klagen über
die Priester geäußert wurden. Von Seiten katholischer Gemeindeglieder
wurde der Wunsch laut, zu unserer lutherischen Kirche überzutreten.
Unsere Mission ging der Sache nach und ließ von zwei Kommissionen die
Verhältnisse an Ort und Stelle untersuchen. Zwar war es nicht möglich,
ein völlig eindeutiges Bild von der Lage zu gewinnen, aber es erschien
ratsam, unsere Arbeitskräfte in diesem Gebiete zu verstärken und die
Entwicklung der Verhältnisse weiter zu beobachten. So wurde einer der
bisherigen Lehrer der Zentralschule, D. D. Rhenius, ein
Sohn des schon erwähnten Pastor Devaprasadam, nach Kumbakonam versetzt
mit dem Auftrag, sich der evangelistischen Arbeit in diesem Bezirk zu
widmen und gleichzeitig die Entwicklung der Vorgänge unter den
Katholiken im Auge zu behalten. Da Rhenius in Gurukul theologisch
geschult worden ist, erschien er für diese Arbeit besonders geeignet.
Jetzt wird man sagen können, dass die Unruhe unter den Katholiken sich
fast ganz gelegt hat, wenn es auch den Anschein hat, dass eine Handvoll
Menschen zu uns übertreten werden. Aber das Entscheidende ist, dass wir
einen fähigen Mitarbeiter für die missionarische Arbeit unter den Hindus
erhalten haben und so die Hände von Missionar Wagner gestärkt worden
sind.
Auch
Tanjore konnte endlich wieder mit einem Missionar besetzt werden. Im
Laufe des Jahres hat Missionar
Gerlach in dem für diesen
Zweck mit, wenn auch bescheidenen, Mitteln wieder hergerichteten
Missionshaus, in dem vor dem Kriege unsere Schwestern gewirkt haben,
seinen Einzug gehalten. Er widmet sich der kirchlichen und
evangelistischen Arbeit in Tanjore und in den benachbarten Gebieten. Oft
führen ihn seine Reisen in das Gebiet des zur Coleroon-Mission gehörigen
Tirukkattuppalli-Pastorates, wo er sich besonders der Kallar annimmt,
die einst zu unserer Kirche gehört haben, aber dann in den Stürmen der
Kriegszeit und vorher ins Heidentum zurückgefallen sind. Die Zukunft
muss zeigen, ob sie den Weg in unsere Kirche zurückfinden.
Schließlich konnte auch Pattukkottai wieder mit einem Missionar versehen
werden. Missionar
Röver wurde nach seiner Rückkehr vom
Heimaturlaub dort stationiert. Doch war er ähnlich wie Dr.
Graefe in
seiner Arbeit dadurch gehemmt, dass er weder ein Gefährt noch einen
indischen Evangelisten hatte. Da sich herausstellte, dass er
gesundheitlich den Anforderungen dieses Gebietes, das viele mühselige
Reisen mit sich bringt, nicht gewachsen war, wurde er im April 1939 nach
Tranquebar versetzt, wo er die Arbeit von Missionar
Haupt
übernimmt, der
nach Deutschland zurückkehrt. Doch soll seine Arbeit in Pattukkottai von
einem der in den letzten Jahren nach Indien herausgekommenen Missionare
fortgesetzt werden.
Das
schnelle Wachstum innerhalb der Coleroon-Mission ist zahlenmäßig,
nachdem die 3.000-Grenze überschritten ist, zu einem gewissen Abschluss
gekommen, wenigstens in den beiden Pastoraten von Lalgudi und
Sengaraiyur; im Tirukkattuppalli-Pastorat dagegen geht die Bewegung im
kleineren Umfange noch weiter. Beim Rückblick auf die vier Jahre, die
ich mit dieser Arbeit verbunden gewesen bin, ist ein beachtlicher
Fortschritt zu beobachten. Freilich manche Hoffnungen, die man im Anfang
hegte, haben sich als unerfüllbar erwiesen. Dazu gehört vor allem der
Traum, dass sich die Coleroon-Mission in verhältnismäßig kurzer Zeit
würde finanziell selbst tragen können. Auch von den Kovilpillais hat man
wohl zu viel erwartet. Aber andrerseits hat die Arbeit allen heftigen
Stürmen getrotzt. Aufs Ganze gesehen, bietet sich dem Beschauer ein
recht erfreuliches Bild. Die Prozesssucht ist fast gänzlich
verschwunden, der Trunksucht ist unerbittlicher Kampf angesagt, der
Gottesdienstbesuch bessert sich, die Gemeinden werden in wachsendem Maße
mit Bibel und Katechismus vertraut, und sie lernen Geistliches und
Weltliches scheiden. So darf man hoffen, dass die Christen in
geistlicher Zucht und Erkenntnis weiter zunehmen werden und bis ans Ende
Treue halten.
Wir
stehen am Ende unseres Überblickes. Wie viel Anlass haben wir zum
Danken, dass trotz aller Nöte der Gegenwart unser Werk nicht nur
erhalten geblieben ist, sondern auch weiter ausgebaut werden konnte.
Wenn wir auf die uns zur Verfügung stehenden Geldmittel und auf uns
selbst schauen, werden wir uns unserer eigenen Ohnmacht und Schwachheit
bewusst. Aber wenn wir daran denken, dass die Missionsarbeit nicht unser
eigenes Werk ist, sondern in den Händen Gottes ruht, werden wir voll
froher Zuversicht und können nicht anders als Gottes große
Barmherzigkeit rühmen. Möchten wir Missionsleute in Gottes Schule aufs
neue die Lektion lernen.
Auszug aus "150 Jahre Leipziger Mission - Gottes Werkzeug für die Welt"
von Niels-Peter Moritzen, Verlag der Ev.-Luth. Mission Erlangen, 1987,
Seite 76 - 77:
"Die Geschichte und ein bisschen auch die
Arbeitsprinzipien der Leipziger Mission haben dazu geführt, dass viele
Communities (Gemeinschaften oder Kasten) Mitglieder in der Tamulenkirche
haben; 5 größere und noch soundsoviele kleinere, manche zählen bis 11,
manche bis 13 Gruppen, die viel mehr prägen als bei uns Landschaft oder
Beruf. Sie prägen so stark, denn man gehört einfach dazu, ob man es will
oder nicht. Alle Verwandten gehören zu einer Community und es ist sehr
selten, dass jemand anders heiratet. Wir haben eine indische Community
in unserer Kultur, nämlich die Zigeuner, ursprünglich eine indische
Kaste. Da ist es auch sehr selten, dass jemand anderer einheiraten kann.
Also gibt es auch einmal Spannungen. Auch den
lutherischen Missionaren lag es nahe zu sagen: wir sind ein Garant der
Einheit. Wir sorgen dafür, dass diese Kirche nicht auseinanderfällt. Wir
sind der Schutzpatron der Schwächeren, die sich nicht selbst vertreten
können, der ganz Armen und ungebildeten Landarbeiter.
Trotzdem ist diese Kirche nicht nur gewachsen durch die
Zahl der Kinder, die dann auch getauft sind und in den Glauben
hineinwuchsen, sondern auch durch Erwachsene, die sich dazu stellten. In
vielen Fällen: Harijans, Kastenlose, arme Leute. Ich will eine
Geschichte ein bisschen ausführlicher illustrieren. Es hieß damals die
Koleroon-Mission. Mission muss es auch heißen, weil die Regeln für
Gemeindeaufbau dann nicht gelten. Es gab noch keinen Pfarrer mit einer
Kirche und keinen Kirchenvorstand, sondern das musste erst neu aufgebaut
werden. In der Koleroon-Mission ging es um Harijans. Eine große Gruppe
von ihnen war katholisch gewesen und in ihrer Kirche nicht besonders gut
behandelt worden, so dass sie sich vernachlässigt fühlten.
Dann gab es eine politische Bewegung. In Tamilnadu war
Gandhi nicht so stark. Aber diese andere Bewegung war eine
religionskritische Bewegung, eine Bewegung der Bramahnenkritik und der
Religionskritik, ganz tamilnationalistisch. Da waren sie eine Zeitlang
mitgegangen und entdeckten nach einer Weile: sie haben uns gute Worte
gemacht, dass wir als Kastenlose gleichberechtigt sind, aber sie haben
gar keinen Glauben. Da ist ja kein Gott, an den man sich wenden kann.
Das wollen wir nicht. So suchten sie eine Zuflucht im Glauben. Was macht
eine Mission, wenn so eine Gruppe kommt? Soll man im Jubel Gott preisen
und so schnell wie möglich alle einkassieren? Die Leipziger Mission war
da sehr vorsichtig. Sie sagte, niemand soll uns vorwerfen, dass wir hier
"Schafe" stehlen. Sondern wir muten ihnen zu, dass sie eine ganze Menge
selber tun und dass sie eine ganze Menge lernen, ehe die Entscheidung
fällt. Wir lassen uns überhaupt nicht darauf ein, sie zu taufen, denn
sie sind gültig getauft.
An dieser Arbeit hat ... Paul Gäbler, einen wesentlichen
Anteil gehabt. Mit dieser Arbeit hängt es auch zusammen, dass Hans
Roever nach dem Krieg durch die Intervention des schwedischen Bischofs
dableiben durfte und dort die große Aufgabe seines Lebens fand. Zunächst
mit einer winzigen Gemeinde, in einem winzigen Winkel und einem winzigen
Schülerheim. Dies Schülerheim wuchs, und er nahm diese Schüler als so
selbständig, wie sie sich selber nicht nahmen. Daraus wurde eine
Bewegung, eine Bruderschaft, eine evangelistische Gruppe, die biblische
Geschichten aufführte. Also Mission fand tatsächlich statt."
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