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Sadhu Sundar SinghVon Paul GäblerInhaltsverzeichnis dieser Webseite Sechstes Kapitel 2. Teil5. Sundar Singh und Swift 1917a) Sundar Singh's erneute Begegnung mit SwiftAm 4. Dezember, einem Dienstag (240), teilte Sundar Singh unverhofft Nugent mit, er habe in der vorhergehenden Woche Swift wieder getroffen. Dieser habe seinen Fehler zugegeben, einen entsprechenden Brief an den Herausgeber des "Indian Witness" geschrieben, sich aber geweigert, auch an Nugent zu schreiben. Gleichzeitig habe er seine Adresse mitgeteilt: Mr. G. Swift, Pankes House, Byculla, Bombay (241). Über die gleiche Episode äußerte sich Sundar Singh Heiler gegenüber in zwei Briefen (242). Darin spricht er vor allem über den Entschuldigungsbrief Swift's, der uns weiter unten beschäftigen wird. Im zweiten erfahren wir außerdem, dass er Swift in der B. N. Ry., d. h. Bengal-Nagpur-Bahn getroffen habe. Damals "hatte er ein langes, dunkelbraunes Kleid an, jedoch keinen Bart; er sagte mir, er sei sehr krank gewesen und habe seitdem seinen Bart und Schnurrbart rasiert". Nach zwei Seiten hin wurden Nachprüfungen dieser Aussage unternommen. Zunächst war es Nugent, der natürlich Erkundigungen über die B o m b a y - Adresse betr. Swift einzog. Und zwar schickte er Sundar Singh's Brief vom 4. Dezember an Missionar J. Smith, seinen Vetter, der jahrelang in Byculla gewohnt hatte, mit der Bitte, Swift aufzusuchen (244). Dessen Antwort bedeutete eine große Enttäuschung:
Daraus ist zu folgern, dass die angegebene Adresse eine Schwindeladresse ist. Sundar Singh selbst, der an Swift zu zweifeln angefangen hatte, sich dann aber durch dessen Worte hatte beschwichtigen lassen, lebte dann bis 1919 in dem Wahne, es sei nun alles mehr oder weniger in Ordnung. Erst dann erfuhr er, dass die Adresse nicht stimmte; und erst jetzt "merkte ich, dass er mich die ganze Zeit hindurch getäuscht und angelogen hatte, um mir Schaden zuzufügen ..." (246), und nunmehr wusste er auch endgültig, dass die Todesdepeschen in übler Absicht abgesandt waren. Hosten versuchte, die Frage nach dem Ort und dem Zeitpunkt der Begegnung von Sundar Singh und Swift zu klären. Als Ort gibt Sundar Singh, wie wir sahen, die Bengal-Nagpur-Bahn an und als Zeitpunkt die dem 4. Dezember vorangehende Woche, d. i. die Zeit vom Sonntag, dem 25. November, bis Sonnabend, den 1. Dezember. Wo befand sich Sundar Singh damals? Für November 1917 besitzen wir nur zwei feste Daten, können aber von da aus einen ziemlich klaren Überblick gewinnen. Am Sonnabend, den 3. November, befand sich Sundar Singh in Ranchi (248), der bekannten Station der Gossnerschen Mission; das ergibt sich aus einem Brief, den er mit diesem Datum an den Herausgeber des Nûr Afshân richtete (249). Darin schrieb er: "Am nächsten Montag (250) werde ich nach Bilaspur (251) abfahren und von dort via Raipur (252) nach Nagpur (253) gehen". Über seine Tätigkeit in Nagpur sind wir durch zwei Berichte unterrichtet (254), die jedoch kein Datum bringen. Die einzige Mitteilung, die uns eine chronologische Hilfe bietet, ist die, dass Sundar Singh in Nagpur insgesamt 10 Ansprachen gehalten habe. Das lässt auf einen etwa einwöchigen Aufenthalt schließen. Aber Näheres wissen wir nicht (255). Das zweite Datum ergibt sich aus einem Brief Sundar Singh's im Nûr Afshân: "Am 20. November 1917 gelangte ich von Nagpur nach Bombay. Dort fanden eine Woche lang Versammlungen statt ... Unser gelehrter Freund Kanonikus D. L. Joshi, M. A., war mein Dolmetscher ... Später ... in Ahmednagar ... Von Ahmednagar fuhr ich nach Kedgaon zu Pandita Ramabai's Niederlassung ... Von Kedgaon wurde ich nach Poona ... gerufen" (256). Aus diesen Angaben ergibt sich einigermaßen klar zweierlei: Erstens befand sich Sundar Singh während der Woche, die er für das Zusammentreffen mit Swift nannte, nacheinander in Bombay (20. - ca. 27. Nov.), Ahmednagar, Kedgaon (2 Vorträge) und vielleicht auch bereits am Sonnabend in Poona (257). Zweitens aber ergibt sich bei einem Blick auf die Eisenbahnkarte Indiens, dass sich alle diese Orte im Bereich der G. I. P. Ry. (Great India Peninsula Eisenbahn) also nicht der Bengal-Nagpur-Bahn, befinden. Denn die letztere erstreckt sich östlich von Nagpur und auf ihr reiste Sundar Singh, als er Ranchi, Bilaspur und Nagpur besuchte, also vor Mitte November. Das zeigt, dass eine von den beiden Aussagen Sundar Singh's, entweder die chronologische oder die topographische, irrig ist. Ich selbst neige zu Letzterem, zumal Sundar Singh die diesbezügliche Aussage erst sieben Jahre später gemacht hat. Der Selbstwiderspruch Sundar Singh's ist in der Tat befremdlich. Aber für sich allein genommen ist er nicht ein hinreichender Grund um Sundar Singh's Begegnung mit Swift als Erfindung hinzustellen. b) Swift's EntschuldigungsbriefDa einerseits von Hosten die Behauptung aufgestellt worden ist, dass dieser Brief eine Fälschung Sundar Singh's sei (258), und andererseits Heiler mit der Möglichkeit rechnet, "dass dieser Brief apokryphisch ist und einen wohlmeinenden, aber törichten Freund des Sadhu zum Verfasser hat" (259), sehen wir uns genötigt, uns näher mit ihm zu befassen. Hinsichtlich seiner Entstehung erfahren wir von Sundar Singh, dass er die Folge seiner 1917 mit Swift gehabten Aussprache sei:
"Und er schrieb einen Brief an den Herausgeber von "The Indian Witness" in Lucknow. Ich lege eine Abschrift dieses Briefes bei, welcher in der Redaktion des "Indian Witness" aufgehoben wurde. Frau Parker hat nun das Original dieses Briefes für sich erhalten" (261). Hiernach hätte Swift den fraglichen Brief nach seinem Zusammentreffen mit Sundar Singh geschrieben und an diesen eine Abschrift gesandt. Der englische Wortlaut dieses Briefes liegt uns in drei Abschriften vor, die fast wörtlich miteinander übereinstimmen (262). Die erste befindet sich in einem Brief von Frau Parker (263). Diese teilt hierüber mit:
Von wem sie die Kopie erhalten hat, wird nicht deutlich, offenbar von Sundar Singh. - Die zweite Kopie ist ein loser Zettel, auf dem sich auch eine Abschrift des Briefes von Price - von ihm haben wir weiter unten zu reden - befindet; er ist ebenfalls unter Heilers Papieren zu finden (265) und scheint gleichfalls durch Frau Parker in seine Hand gelangt zu sein. - Die dritte Abschrift, die existiert, befindet sich in Nugents Besitz; sie ist nicht mit Schreibmaschine geschrieben, sondern handschriftlich hergestellt (266). Ursprünglich war Nugent der Ansicht, sie sei von seiner Tochter, Frau Missionar Donald, angefertigt (267); aber er muss ein Jahr später bekennen, dass diese die Urheberschaft ablehnte und er sich somit getäuscht habe (268). Im übrigen war ihm gänzlich entfallen, wann und woher er diese Abschrift erhalten hatte, ob 1917 oder 1919 oder zu einer anderen Zeit (269). Der Brief Swift's, der undatiert ist und keine Unterschrift trägt, hat folgenden Wortlaut:
Natürlich wurden lebhafte Anstrengungen gemacht, das Original dieses Briefes sicherzustellen. Auf Veranlassung von Frau Parker richtete Rev. Ralla Ram an Mr. Insko, den damaligen Herausgeber des "Indian Witness". die Bitte, die Korrespondenzakten seiner Zeitschrift nach dem Swiftbrief zu durchsuchen (271). Aber die Antwort lautete:
Später versuchte Hosten bei einem der späteren Herausgeber, Missionar Pickett, nochmals mehrfach sein Heil (273), aber alles Suchen blieb umsonst. So hat sich das Original nicht auffinden lassen. Unter Berücksichtigung der von Insko angegebenen Gründe kann man jedoch hieraus nicht ohne Weiteres schließen, dass der Brief niemals beim "Indian Witness" eingetroffen wäre. Wer einigermaßen mit den indischen Verhältnissen vertraut ist, weiß, wie sorglos oft mit derartigen Aktenbündeln umgegangen wird, und wundert sich nicht, wenn gelegentlich etwas abhanden kommt. Um nun zu entscheiden, ob für diesen Brief unter Umständen Sundar Singh selbst als Verfasser in Frage käme, hat man sich verschiedener Kriterien bedient. Zunächst hat man den Stil des englischen Briefes geprüft, der durch seine Ungelenkigkeit auffällt. Dabei kommt Dr. Nugent zu dem Resultat, dass er "den Stil und Wortgebrauch" von Sundar Singh besitze (274). Dagegen Frau Parker stellt fest, er sei "äußerst unähnlich allem, was ich je von Sundar Singh gelesen habe" (275). Wer will entscheiden, wer von beiden Recht hat! In Wirklichkeit dürfte es überhaupt nicht möglich sein, zu einem klaren Entscheid in der Frage nach dem Stil zu kommen, weil erstens keine anderen literarischen Proben der englischen Sprachkenntnisse Sundar Singh's aus dem Jahre 1917 vorliegen und zweitens, wie es oft in Indien zu gehen pflegt, die englische Formulierung ebenso gut auf die Hilfe von Freunden zurückgehen könnte. Wie oft erhalten wir Missionare in Indien englische Briefe von Indern, die kein Englisch verstehen und sich, den Brief von anderen haben aufsetzen und wohl gar tippen lassen! Ein anderer Prüfstein ist die Wendung "stumm wie ein Schaf vor seinen Scherern" aus Jes. 53, 7. Bei Swift heißt es in allen Abschriften übereinstimmend: "dumb like a sheep before her shearers". Hosten stellt fest, dass dies ein wörtliches Zitat der englisch-protestantischen Bibel, und zwar der sog. revised edition, aus Jes. 53,7 ist, während der Wortlaut der katholischen Bibel an der entsprechenden Stelle statt dessen lautet: "like a lamb dumb before its shearers". Um dieser drei Abweichungen willen komme ein Katholik, wie es ja Swift sein soll, nicht als Schreiber in Frage (276). Dass das Zitat tatsächlich aus der protestantischen Bibel genommen ist, lässt sich nicht bestreiten; aber die Folgerung, dass der Schreiber daher auch selbst ein Protestant sein müsse, ist nicht, unbedingt stichhaltig, weil ja einerseits Swift gerade zur Irreführung der anderen mit Bedacht aus der protestantischen Bibel zitiert haben könnte und andererseits, falls er diesen Brief gar nicht selbst auf Englisch verfasst hätte, derjenige, der für ihn den Brief auf Englisch ausgearbeitet hat, - vielleicht irgendein Basar-Mann, der eine Schreibmaschine besaß -, selbst ein Protestant gewesen sein könnte. Wie dem auch sei: Auch die Fassung des Bibelzitates ist kein sicherer Prüfstein. So müssen wir uns damit abfinden, dass die Urheberschaft des Briefes bei dem gegenwärtigen Stand der Forschung und infolge des fehlenden Originales dunkel bleibt. Gedruckt wurde diese Zuschrift, die von Swift kommen soll, im "Indian Witness" nicht, wie Nugent irrtümlicherweise angab (277). Vielmehr teilte der Herausgeber, Missionar Price, unter dem 7. 12. 1917 Sundar Singh mit, er verzichte auf eine Veröffentlichung des Swift-Briefes, um nicht neue Diskussionen heraufzubeschwören; doch wolle er Sundar Singh's Briefe vom 15. November und 4. Oktober samt Swift's Brief aufbewahren, um sie gegebenenfalls vorlegen zu können. Er schloss mit den Worten: "Wir freuen uns, von dem Werk zu hören, dass Sie tun, und wünschen Ihnen Gottes Segen in Ihrem Bemühen, das Volk für Christus zu gewinnen. Vielleicht schöpfen Sie Trost aus 1. Petr. 3, 14: ‚Und wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Guten nachkommt.’". Diesen Brief veröffentlichte Heiler in deutscher Übersetzung (278). Hosten bezweifelte auch die Echtheit dieses Price-Briefes, der ihm durch Heilers Veröffentlichung (279) zu Gesicht gekommen war. Deshalb besuchte er am 14. April 1926 Frau Missionar Price, die sich damals in Darjeeling aufhielt, nachdem er seine Bedenken sowohl betreffend des Swift-Briefes wie des Price-Briefes in einem für diesen Zweck verfassten Aufsatz (280) niedergelegt hatte. Den Gang der Aussprache mit ihr legte er nachher ebenfalls schriftlich fest (281). Aus dieser Niederschrift ergibt sich, dass Missionar F. B. Price tatsächlich seit 1915 den "Indian Witness" in Lucknow herausgegeben hatte und inzwischen am 30. Oktober 1923 verstorben war. Frau Price erzählte, sie und ihr Mann seien im Mai oder Juni 1917 (282) von Sundar Singh während ihres Urlaubes in Simla besucht worden; er sei sehr bescheiden aufgetreten und habe wenig geredet. dass ihr Mann Sundar Singh im fraglichen Briefe "lieber Freund" angeredet haben sollte, erschiene ihr nicht befremdlich, ebenso wie die ermunternden Worte und das Bibelzitat am Ende des Briefes. Waren so im Stil und in der Ausdrucksform Bedenken nicht aufrecht zu erhalten, so erhebt sich nunmehr die Frage, ob Heilers Übersetzung das Original des Price-Briefes vorlag. Die Antwort lautet, dass das Original zuerst von Zahir verwahrt wurde (283), sich aber jetzt in Frau Parkers Besitz befindet (284), die ihrerseits Heiler ein bis zwei Abschriften davon geschickt hat (285). Es bleibt noch ein weiteres Bedenken gegen diesen Brief, das Hosten geltend macht. Der Brief ist nach Heilers Wiedergabe und entsprechend auch bei Pfister (286) unterzeichnet: H. B. Price, während der Autor tatsächlich F. B. Price heißt (287). Die Erklärung hierfür ist sehr einfach. Die Unterschrift im Original scheint sehr unleserlich gewesen zu sein; denn Frau Parker schreibt in ihrer Abschrift als Unterschrift des Price-Briefes: "H (or F.) B. Price" (288). Heiler selbst hat aber die Übersetzung nach dem losen Zettel ausgeführt, der tatsächlich bloß "H. B. Price" als Unterschrift trägt (289). Tatsächlich ist aber die von Frau Parker für möglich gehaltene Unterschrift "F. B. Price" richtig. Und somit ist auch diese Schwierigkeit geklärt (290). Demnach dürfte die Authentizität des Price-Briefes als gesichert gelten. Er zeigt, dass wenigstens Price von Sundar Singh's Erklärung wie von dem Swift-Brief, den er demnach erhalten haben muss, befriedigt war, wie das Bibelzitat beweist, mit dem er seinen eigenen Brief an Sundar Singh abschließt (291). Da sich allerdings das Original des Swift-Briefes nicht hat auffinden lassen, lässt sich ein Beweis für seine Echtheit nicht antreten, ebensowenig wie seine Unechtheit erwiesen wäre. So bleibt es bei einem non-liquet. 6. Weitere Erklärungsversuchea) ZahirZahir berichtet erstmalig in der zweiten Auflage von Lover (1918) vom Fasten Sundar Singh's und im Anschluss daran mit wenigen Worten von der Telegramm-Angelegenheit. Dabei fußt er auf Sundar Singh's eigenen Worten im Reisebüchlein, die wir oben zitieren. Zahir berichtet zunächst, dass Sundar Singh in Annfield gesund gepflegt worden sei. Als ihn dann die Leute wieder gesehen hätten, seien sie über sein Wiedererscheinen erstaunt gewesen, da sein Tod gemeldet worden war. Dann fährt Zahir im Ichstil fort: "Dies war hauptsächlich die Folge der Übereilung meines Freundes Mr. S ..., der zu diesem Schlüsse gelangt war. Als er keine Lebenszeichen von mir für solch eine lange Zeit erhalten hatte, folgerte er, dass ich entweder von irgendeinem wilden Tier verschlungen oder unterwegs infolge von Hunger und Kälte zugrunde gegangen wäre. Als er später seinen Irrtum erkannte, bedauerte er ihn außerordentlich und war sehr betrübt, dass er so viele Freunde für nichts in Kummer versetzt hatte" (292). b) Frau ParkerVorerst wusste Sundar Singh nichts von der Unstimmigkeit der Swiftschen Bombay-Adresse. Sundar Singh's Erklärungsversuche von 1915 (Reisebüchlein) und 1917 (Campbell und Nugent) waren 1918 gefolgt von seinen Aussagen gegenüber Frau Parker. Sie liegen weiter konsequent in der Richtung seiner früheren Angaben, bauen sie jedoch weiter aus. Unmittelbar zwei bis drei Stunden nach der Unterhaltung mit dem Sadhu im Juli 1918 schrieb Frau Parker Notizen hierüber nieder (293), deren wissenschaftliche Zuverlässigkeit durch das spätere Geständnis Frau Parker's beeinträchtigt wird: "Ich schrieb die Erzählung des Sadhu von dem Fasten (die die Telegrammaffäre mit einschließt) zwei oder drei Stunden, nachdem er sie mir erzählt hatte, auf, aber als ich dazu kam, brauchte ich die Hilfe meines Mannes dazu, und auch dann hatten wir nochmals den Sadhu über eine oder zwei Einzelheiten zu befragen, welche für die Geschichte von Bedeutung zu sein schienen" (294). Dr. Swift wird hier ausdrücklich als Arzt bezeichnet, weil er Sundar Singh erklärte, er würde auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht länger als 13 Tage fasten können (295):
Der gleiche Gedankengang, wenn auch weniger ausführlich - allerdings mit dem Zusatz, dass Dr. Swift ein Franziskaner war und damals die Absicht gehabt habe, in eine katholische Bruderschaft einzutreten (298) - findet sich dann in Frau Parker's Buch (299). Ob die Bezeichnung Swift's als Franziskaner auf Sundar Singh selbst zurückgeht oder ob Frau Parker dies aus dessen braunem Gewand geschlossen hat, ist nicht ersichtlich. Auf alle Fälle bleibt es überraschend, dass Frau Parker sich nicht veranlasst gesehen hat, ihren Bericht selbst in der letzten revidierten Auflage zu modifizieren; hier wird nur der Name Dr. Swift (300) und seine Bezeichnung als Franziskaner ausgelassen (301). Es ist also auch offenbar Frau Parker nicht zum Bewusstsein gekommen, dass das Datum des Telegramms die Theorie von der Benachrichtigung Dr. Swift's durch einen Freund gänzlich unmöglich macht. c) Harvest-FieldVor allem der im letzten Absatz unterstrichene Umstand veranlasste Missionar Gulliford, den Herausgeber der indischen Missionszeitschrift "The Harvest-Field" zu einer kritischen Besprechung des Parker'schen Buches in seiner Zeitschrift im März 1919, p. 109, wobei er sich, wie auch bei der nachfolgenden Diskussion, auf Informationen von Dr. Nugent stützte (302). Infolgedessen zogen Missionar Popley und Passmore bei Sundar Singh, nachdem dieser von seiner Reise nach Burma und dem fernen Osten zurückgekehrt war, sowie bei Sandys und anderen Erkundigungen ein und schrieben ein Eingesandt an den Harvest-Field (303), in dem sie Sundar Singh in Schutz nahmen. Bezüglich der Telegramme wiesen sie dabei vor allem auf zweierlei hin: Erstens, dass nach Aussage des Stationsbeamten in Nimoda der Telegrammabsender einen schwarzen Rock getragen habe, was bei Sundar Singh nie der Fall gewesen sei, und zweitens, dass Sundar Singh nach seinem Fasten an Bischof Lefroy geschrieben habe, was undenkbar sei, wenn er ihm kurz vorher selbst ein Todestelegramm gesandt habe. Diesem Eingesandt folgte eine Erwiderung Gulliford's, die ein weiteres Eingesandt von Popley und Passmore nach sich zog (304), das jedoch kein neues Material beibrachte. Die beiden angeführten Gegenbeweise werden uns unten beschäftigen. d) Zusammentreffen Sundar Singh's mit Nugent im Dezember 1919Einen Monat vor seiner ersten Europareise, und zwar auf dem Wege nach Bombay, besuchte Sundar Singh Dr. Nugent - dies war nach dem Besuch von 1913 das erste Mal -, um sich mit ihm in persönlicher Aussprache von dem Verdacht der Telegrammabsendung zu reinigen. Vorhergegangen war in den ersten Monaten des gleichen Jahres ein Briefwechsel Nugent's mit Kanonikus Sandys, durch den Nugent's Zweifel an Sundar Singh weiter genährt wurden (305). Außerdem hatte Nugent Erkundigungen über das Fasten eingezogen, besonders über Annfield und Daud Elias (306), wobei er befriedigendere Antworten erhalten hatte. Aber seine Zweifel an der Telegramm-Episode waren eher größer als kleiner geworden und wurden von seinem Schwiegersohn Donald (307) geteilt. Der Besuch Sundar Singh's in Ujjain erfolgte am Sonnabend, den 20. Dezember 1919 (308). Nugent berichtet über diese Unterredung:
Sundar Singh's Bericht ist noch kürzer:
So viel ergibt sich aus den beiderseitigen Berichten deutlich, dass die Aussprache ergebnislos verlief (316). Der Gang des Gespräches lässt sich einigermaßen ahnen. Sundar Singh wird in aller Harmlosigkeit seine Theorie über Swift entwickelt haben wie z. B. Frau Parker gegenüber. Dann wird er von Nugent nicht bloß über die chronologische Möglichkeit dieser Theorie, sondern auch über das negative Ergebnis der Nachforschungen betr. der Swift'schen Bombay-Adresse belehrt worden sein. Jetzt fiel es Sundar Singh wie Schuppen von den Augen, und er erkannte, dass Swift ihn sowohl 1913 wie 1917 betrogen hatte -: "Ich weiß, dass er die Telegramme aus übler Absicht und aus Hass absandte, was ich aber nicht vor 1919 erfuhr" (317). Er beteuerte erneut Nugent gegenüber seine Unschuld; aber dessen Verdacht hatte sich schon zu tief eingenistet, als dass Sundar Singh's Versicherungen, denen greifbare Beweise fehlten, das entschwundene Vertrauen hätten wiederherstellen können, Sundar Singh seinerseits sah auch keine Möglichkeit, solche Beweise zu bringen, und die Folge war ein vollständiger Bruch zwischen beiden. In der Tat ein tragischer Ausgang! Sundar Singh ließ sich in der Folgezeit zu bitteren Worten über Nugent hinreißen (318), wenn man auch glauben darf, dass er sich sonst mühte, sachlich zu bleiben (319). Nugent seinerseits verwahrt sich dagegen, dass er je feindliche Gefühle gegen Sundar Singh gehegt habe oder noch hege (320). Gleichwohl konnte er in einem Brief an Hosten in aller Seelenruhe sehreiben: "Ich bin überzeugt, dass die in meinem Besitz befindliche Korrespondenz jegliches (any) Gericht davon überzeugen würde, dass er (Sundar Singh) ein Betrüger ist" - und das wurde, zwar ohne Nugent's Zutun, aber doch ohne seinen Protest, in einer katholischen Zeitschrift gedruckt (321). Unsere eigene Stellungnahme folgt im nächsten Abschnitt. 7. Abschließende BeurteilungWenn wir nunmehr die Frage zu beantworten suchen, ob Sundar Singh selbst die Todesdepeschen aufgegeben hat bzw. bei ihrer Absendung indirekt beteiligt gewesen ist oder nicht, müssen wir nunmehr zusammenfassend die Indizien nennen, die einerseits für das erstere und andererseits für das letztere zu sprechen scheinen. Wir führen die Argumente im einzelnen an. A) Sundar Singh als Telegrammabsender oder Mitbeteiligtera) Swift unauffindbarSchon der Name des Unbekannten ist nicht mit Gewissheit festzustellen. Er hat sich, wenn Sundar Singh richtig berichtet, diesem gegenüber stets als Swift bezeichnet; dagegen waren die Telegramme mit Smith gezeichnet. Welches sein wirklicher Name war, lässt sich nicht einwandfrei ausmachen. Auch über die Persönlichkeit des Unbekannten erfahren wir verhältnismäßig wenig; alles beruht lediglich auf Aussagen Sundar Singh's. Danach war Swift - wir wiederholen schon Gesagtes - ein Inder aus Madras (322), und zwar ein "Priester" in einem langen schwarzen Rock und anfänglich mit einem Bart, der als Sadhu einherzog (323). Er befand sich 1913 auf der Reise nach Nordindien, wo er in eine katholische Bruderschaft eintreten wollte. 1917 trug er dann ein langes, dunkelbraunes Gewand. Frau Parker berichtet sogar, er sei nunmehr Franziskaner gewesen. Auf Grund dieser Aussagen fand Hosten heraus, dass es einen katholischen Priester mit Namen William Smith gibt, der 1913 mit dem Gedanken umging, Franziskaner zu werden (324), diese Absicht aber nicht ausführte (325). Hosten beschreibt ihn als einen Eurasier, seiner Hautfarbe nach ziemlich dunkel, 1926 als Weltpriester in der Diözese Agra tätig, Hosten bereits seit 1893 bekannt, wo er ihn als etwa 18jährigen jungen Mann im Priesterseminar zu Kandy (Ceylon) kennen lernte; 1917 traf er ihn wieder in Darjeeling und 1924 in Delhi (326). Er ließ sich nach seiner Rückkehr aus Ceylon einen Bart wachsen (327). Über sein Leben erfahren wir nur wenig:
Für die beiden entscheidenden Daten (Januar 1913 und November-Dezember 1917) erhalten wir somit keine zuverlässige Nachricht. Als sich Hosten nun mit Smith in Verbindung setzte und ihn wegen Sundar Singh und der Telegrammaffäre interpellierte (333), gab dieser zunächst im Jahre 1923, also vor seiner Romreise, ein lahmes Dementi (334), das Heiler als nach reservatiomentalis riechend bezeichnete (335), wogegen sich jedoch Hosten ausführlich verwahrte (336). Sein neues Dementi von 1927, das bisher noch nicht veröffentlicht worden ist, lässt indessen kaum etwas zu wünschen übrig (337):
Sundar Singh wurde von Heiler 1925 auf Smith verwiesen. Sundar Singh erwiderte am 20. April: "Ich will der Sache nachgehen" und erwähnte gleichzeitig, er würde am 26. April zu einer Konferenz nach Lahore fahren (339). Von dieser kehrte er am 29. April wieder zurück (340) und muss unterwegs Samastipur besucht haben; denn er berichtet: "Was nun den katholischen Kaplan Smith in Samsatipur (341) betrifft, so bin ich nicht ganz sicher, ob er derselbe Mann "Swift" ist; denn er sieht ein wenig anders aus als dieser" (342). Da Smith sich während der fraglichen Zeit auf einer Auslandsreise in Palästina und Syrien befand (343), muss Sundar Singh entweder jemand anders getroffen haben, oder er hat - dieser Verdacht wird dadurch nahe gelegt, dass er den Namen des Ortes nicht korrekt wiedergibt - Samastipur überhaupt nicht besucht. Jedenfalls ist dieser tatsächliche oder angebliche Identifikationsversuch wertlos. Auch sonst stellte Hosten bei den Franziskanern in Indien Nachforschungen an, die jedoch ergebnislos verliefen (344). Das Resultat ist demnach, dass sich ein katholischer Priester mit Namen Swift überhaupt nicht hat auffinden lassen, während Pater Smith, von dem eben die Rede war, nachdrücklich bestreitet, etwas mit Sundar Singh oder den Todesdepeschen zu tun gehabt zu haben. Alle Versuche, Swift's habhaft zu werden, sind somit fehlgeschlagen. Überdies erwies sich die Bombay-Adresse als trügerisch, und das Original des Swift-Briefes hat sich auch nicht beibringen lassen. Sundar Singh selbst hat nach seiner Bekundung Swift nicht wieder getroffen seit 1917 (345), so sehr er es gewünscht haben mag. Wenn er schreibt: "Indien gleicht einem gewaltigen Kontinent, und es ist nicht leicht, Swift zu finden, der mich immer wieder betrog. Wohlan, Gott wird die Wahrheit eines Tages offenbaren, wie er schon andere Dinge offenbar gemacht hat ..." (346), so kann man das nicht als eine bloße Redensart abtun. Denn tatsächlich geschieht es öfter in Indien, dass Menschen von der Bildfläche verschwinden, ohne dass sie selbst die Polizei jemals wiederfindet. Es ist wahrhaftig etwas viel verlangt, wenn man von Sundar Singh verlangt, er solle Swift herbeischaffen. Könnte man so etwas selbst in einem Ordnungsstaat wie Deutschland von jemand verlangen? So befremdlich demnach die Unauffindbarkeit Swifts ist, sie allein kann nicht hinreichen, um nun einfach Swift als eine Erfindung Sundar Singhs zu betrachten und Sundar Singh selbst mit der Telegrammabsendung zu belasten. b) Die Todesdepeschen in Sundar Singh's eigenem Interesse?Vor allem zwei Gründe sind geltend gemacht worden, die, wie man meint, eine Telegrammabsendung durch Sundar Singh psychologisch verständlich machen würden: Erstens sein Bestreben, sich der Canada-Reise zu entziehen, und zweitens sein Wunsch, durch die Todesnachricht in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und der Teilnahme der Mitmenschen zu treten (347). Dass das Erstere kaum in Frage kommen kann, wurde bereits oben bei den Ausführungen über den Canada-Plan angedeutet. Wenn Sundar Singh tatsächlich nicht nach Canada hätte fahren wollen, warum redete er dann in Aurangabad, Bombay, Indore und Ujjain das Gegenteil? Er hätte ja die ganze Sache erst richtig kompliziert gemacht, wenn er bis zum 23. Januar nach außen hin den Canadaplan vertreten und sich dann durch die lügnerischen Telegramme aus der Affäre gezogen hätte. Wäre er tatsächlich der Canadareise überdrüssig geworden, hätte er sich doch auf sehr viel einfachere Weise von ihr lossagen können. Er hätte beispielsweise die Korrespondenz mit Sandys einfach einschlafen lassen können, wenn er nicht den Mut gehabt hätte, nach einigen Wochen seine Meinungsänderung offen an Sandys zu schreiben. Er hatte diesen ja schon dadurch in gewisser Weise vorbereitet, dass er angedeutet hatte, es sei vielleicht nicht Gottes Wille, dass er nach Canada ginge. Sundar Singh hätte mit Kanonen nach Spatzen geschossen, wenn er statt dessen die widerliche Komödie aufgezogen hätte, über sich Todestelegramme zu verschicken. Vor allem: wozu bedurfte es da einer so großen Anzahl von Telegrammen? Wigram, Lefroy und Redman hatten ja mit der Sache absolut nichts zu tun. Ein Telegramm an Sandys hätte vollständig genügt. Höchstens wäre noch ein Telegramm an Nugent in Frage gekommen; aber gerade dieser blieb von einer Depesche verschont. Was dann das zweite Argument betrifft, dass Sundar Singh sich durch seine eigene Todeserklärung habe interessant machen wollen, so leuchtet mir schlechterdings seine Beweiskraft nicht ein. Und zwar vor allem aus drei Gründen. Erstens ist ja der Endeffekt der Telegramme das Gegenteil gewesen, nämlich ein starkes Misstrauen gegen die Ehrlichkeit Sundar Singh's. Mit dieser Möglichkeit hätte doch Sundar Singh von vornherein auch rechnen müssen. Man höre doch endlich auf zu behaupten, dass Sundar Singh durch die Telegramme nur habe profitieren können. Sollte er tatsächlich so wenig davon gewusst haben, dass Lügen kurze Beine haben und er sich durch etwas Derartiges einem schweren Risiko aussetzte? Pfister verweist auf den lobenden Nekrolog von Sandys (348), den ihm die Telegramme eingetragen haben. Gewiss, aber mit dem kurzlebigen Nekrolog auch die langwährende Entfremdung von Sandys. Zweitens passt es auch gar nicht in das Bild Sundar Singh's, dass er dermaßen ehrgeizig gewesen sein soll. Denn der Ehrgeiz wäre ja die einzige Triebfeder für die Absendung der Telegramme. Sollte die große Bescheidenheit Sundar Singh's, die immer wieder von allen Beteiligten gerühmt wird - sie wird nicht einmal von Nugent oder Sandys in Frage gestellt - nichts als Heuchelei gewesen sein? Drittens aber erscheint es als durchaus unindisch, eine falsche Todesbotschaft ausgerechnet über sich selbst auszustreuen. Dass dagegen falsche Todesbotschaften über andere ausgesprengt werden, sei es, um dem Totgesagten oder auch den Empfängern dieser Botschaft Schaden zu tun, sei es, um dabei für sich selbst etwas herauszuschlagen, ist in Indien nichts Ungewöhnliches, wie ich es in Indien selbst mehrfach erlebt habe (349). Es dürfte keine Heuchelei sein, sondern ehrliche Überzeugung - eben weil aus dem Munde eines Inders kommend -, wenn Sundar Singh ausruft: "Aber jeder vernünftige Mensch wird es einsehen: Was sollte ich denn für einen Vorteil davon haben, wenn ich Telegramme über mich versende, dass Sundar Singh starb? Davon habe ich weder einen geistlichen noch einen weltlichen Vorteil ..." (350). "Nur ein Verrückter oder ein Feind kann so handeln" (351). Vor allem aber: wenn sich jemand in Indien interessant machen will, dann trompetet er auf jede Weise seine vermeintlichen Heldentaten aus; aber auf die Idee, zu diesem Zweck das Gerücht von seinem Tode auszustreuen, käme er nach meinem Verständnis der indischen Psyche nicht. Dies Argument ist demnach gekünstelt und abwegig. B) Sundar Singh an den Todesdepeschen unbeteiligtWenn wir nunmehr zur Würdigung der Umstände kommen, die für eine Nichtbeteiligung Sundar Singh's an den Todesdepeschen sprechen, so hat sich allerdings das Hauptargument für Sundar Singh's Unschuld, das zuerst von Popley und Passmore geltend gemacht wurde, als nicht zweifelsfrei erwiesen: "Die Telegramme mit der Nachricht vom Tode des Sadhu wurden von einem Mann in einem schwarzen Gewand abgeschickt, und folglich wurden sie nicht vom Sadhu abgesandt" (352). Denn bei näherer Nachforschung hat sich herausgestellt, dass Sundar Singh tatsächlich zu verschiedenen Zeiten über seinem safranfarbigen Sadhugewand oder aber statt seiner einen schwarzen Rock getragen hat (353). Die Sache wird dadurch noch kompliziert, dass Sundar Singh einen Doppelgänger hatte, einen Sadhu Harbans Paulus, der in schwarzer Gewandung umherreiste und sich selbst gelegentlich als Sundar Singh ausgab (354). Auch Heiler hat den zweifelhaften Wert dieses Argumentes erkannt (355). Allerdings ist ja Sundar Singh 1913 in Ujjain zweifellos in einem safrangelben Sadhugewand aufgetreten - daher der schon erwähnte Unwille Dr. Nugents über das Sadhutum Sundar Singh's; aber das beweist selbstverständlich nicht - und das ist das Entscheidende -, dass Sundar Singh deshalb auch am nächsten Tage an einem anderen Orte das safrangelbe Gewand getragen haben müsste. Hiervon abgesehen, gibt es nun jedoch eine Anzahl Gründe, die für Sundar Singh's Unschuld sprechen und die, soviel ich sehe, bis jetzt überhaupt noch nicht geltend gemacht worden sind. a) Sundar Singh's Darstellung einheitlichStellt man die verschiedenen Aussagen Sundar Singh's über Swift und die Telegrammangelegenheit wahllos nebeneinander, so erhält man zweifellos den Eindruck der Uneinheitlichkeit und des Bestehens von Widersprüchen. Kein Wunder, dass man sie aufgezählt und als Indizien zu Sundar Singh's Ungunsten gewertet hat (356). Macht man jedoch den Versuch, die Aussagen in ihrem historischen Zusammenhang zu prüfen, so wie wir es auf den vorausgehenden Seiten eingehend getan haben, erklärt sich alles als eine gerade Entwicklungslinie, und Sundar Singh's Erklärungsversuch, dass Swift die Depeschen abgesandt haben müsse, passt durchaus dazu. Es ergibt sich nämlich eine völlig konsequente Haltung Sundar Singh's: Zunächst glaubte er, Swift habe bona fide gehandelt (Reisebüchlein 1915, - anschließend Zahir 1918, 1919 -, Campbell 1917, Sundar's Brief an Nugent vom 2. September 1917). Zum ersten Male tauchen dann bei ihm Zweifel an Swift's Ehrlichkeit auf (Sundars Brief an Nugent vom 18. September 1917, die bereits in seinem Unterbewusstsein geschlummert haben mögen, die dann aber durch seine Begegnung mit Swift wieder eingeschläfert wurden (Brief an Nugent vom 4. Dezember 1917 und ihn Frau Parker, Popley und anderen gegenüber weiterhin für Swift eintreten ließen. Erst durch seinen Besuch bei Nugent im Dezember 1919 wurde ihm das Ränkespiel Swift's offenbar und führte nunmehr dazu, dass er entschlossen von ihm abrückte. Verwunderlich bleibt lediglich eins: dass er zwar 1917 von Swift erfuhr, dass dieser die Depeschen am 22. oder 23. Januar abgesandt habe, aber nicht erkannte, dass dies Datum vor dem Fasten lag. Dies wird aber erklärlich, wenn wir bedenken, dass Sundar Singh keinen Sinn für Daten besaß und ausgesprochen unchronologisch veranlagt war. b) Das Motiv für die Absendung der Depeschen durch SwiftEin unbedingt einleuchtendes Motiv für die Absendung der Telegramme durch Sundar Singh zu finden, ist, wie wir sahen, nicht gelungen. Demgegenüber erscheint das Motiv, das Sundar Singh für Swift's Autorschaft an den Depeschen angibt, nicht ohne Überzeugungskraft: "Swift hatte einen bestimmten Zweck. Zuerst versuchte er, mich zu bekehren und auch zu einem römischen Katholiken zu machen. Und als er keinen Erfolg hatte, versuchte er, mir auf jede mögliche Weise zu schaden" (357). Vor allem gehört hierher Sundar Singh's Aussage, dass er den römisch-katholischen Priester in Thana als Götzenpriester bezeichnet habe, und seine Vermutung, dass dieser - so sind offenbar Sundar Singh's Worte zu verstehen - Swift angestiftet habe, Sundar Singh zu schaden. Wir vergessen natürlich nicht, dass der katholische Priester in Thana bestreitet, Sundar Singh in seinem Hause, wenn überhaupt, getroffen zu haben und infolgedessen bei diesem Vorfall Aussage gegen Aussage steht. Auch der Entschuldigungsbrief Swift's würde sich somit als ein feindseliger Akt entpuppen. - Die Bedenken, die Pfister gegen dieses Argument Sundar Singh's vorbringt (358), erscheinen mir nicht als stichhaltig. Denn die Kirchengeschichte liefert genug Beispiele für die Macht des konfessionellen Hasses. Wollte Swift wirklich Sundar Singh schaden, so ist nicht einzusehen, warum er nicht dafür Reisekomfort (Weiterfahrt von Nimoda im Personenzug statt im Schnellzug) und Geld (Ausgabe für 6 Telegramme) habe hingeben sollen. Seine Warnung vor dem Fasten war es gerade, die ihn in Sundar Singh's Augen als besorgten Freund erscheinen ließ und ihm dazu half, Sundar Singh die Adressen der Freunde zu entlocken. dass das angegebene Motiv als solches für Swift's Handlungsweise einen einleuchtenden Grund abgeben würde, lässt sich somit schwerlich ganz in Abrede stellen. Immerhin bewegen wir uns hierbei gänzlich im Bereich der Hypothese. c) Sundar Singh's öffentliches Auftreten unmittelbar nach Absendung der TelegrammeWie wir oben sahen, ergibt sich aus Sundar Singh's Reisebüchlein, dass er in den Tagen nach Absendung der Todestelegramme in verschiedenen Orten, zuletzt in Delhi, öffentlich aufgetreten ist. Im Einzelnen hat sich dies allerdings infolge der langen Zeitspanne, die inzwischen vergangen ist, nicht durch Zeugen beweisen lassen. Immerhin kann man es nicht als unwahrscheinlich bezeichnen, weil sich zu dem Zeitpunkt, wo das Reisebüchlein erschien, die diesbezüglichen Angaben Sundar Singh's leicht hätten nachprüfen lassen und es wenig glaubhaft erscheint, dass Sundar Singh sich dem Risiko einer falschen Berichterstattung ausgesetzt hätte. Denn gerade die Beteiligten (Andrews, Rudra, Sir Ali Imam) haben gewiss Sundar's Reisebüchlein in die Hand bekommen. Ist aber Sundar Singh tatsächlich bald nach dem 22. - 23. Januar öffentlich in Delhi aufgetreten, so ist dies, bereits ganz allein für sich genommen, ein geradezu durchschlagender Grund für Sundar Singh's Unschuld hinsichtlich der Absendung der Todesdepesche. Eine Bestätigung hierfür sind die nachfolgenden Worte von Pater Hosten:
Nach allem, was Hosten über die Telegrammaffäre geschrieben hat, konnte er schwerlich anders als den Delhipassus im Reisebüchlein zu einer Lüge zu stempeln. Den Beweis dafür vermag er nicht zu liefern. Sundar Singh "darf" dort nicht öffentlich aufgetreten sein, sonst bricht das Gebäude von Hosten zusammen. d) Sundar Singh's Briefe im Frühjahr 1913Wir haben uns bei der Erörterung der in mancher Hinsicht noch dunklen Briefe von Sundar Singh aus dem Frühjahr des Jahres 1913 - vor allem des Khyber-Pass-Briefes an Sandys und des Annfield-Briefes an Bischof Lefroy - eines Urteils über ihre Bedeutung für die Telegrammaffäre bis jetzt enthalten. An der Geschichtlichkeit dieser Briefe kann, wie wir sahen, nicht im Geringsten gezweifelt werden. Wenn wir nunmehr fragen, was sie für unsere Untersuchung austragen, so ist zunächst negativ festzustellen, dass Sundar Singh tatsächlich am Rande des Wahnsinnes gewesen sein müsste, wenn er selbst das Todestelegramm an Sandys aufgegeben und dann wenige Tage darauf den Delhibrief an ihn geschrieben hätte. In der Tat hat ja auch Sandys geglaubt, Sundar Singh sei zumindest kopflos gewesen. Ebenso unverständlich wäre es, wenn Sundar Singh an Lefroy unter falschem Namen ein Todestelegramm gesandt haben sollte, um ihm dann wenige Wochen später zu schreiben, es seien falsche Todesnachrichten über ihn ausgestreut worden, er sei jedoch noch am Leben. - Aber nicht nur das: wenn wir es positiv ausdrücken wollen, so sind gerade diese Briefe, am meisten der Khyber-Pass-Brief, ein Zeichen dafür, dass Sundar Singh an der Telegrammabsendung unbeteiligt war. Wir vergessen dabei natürlich nicht, dass der Beweis insofern lückenhaft ist, als die näheren Umstände dieses Briefes sowie dessen Inhalt nicht zweifellos geklärt werden konnten. e) Die späteren TodesnachrichtenEs gibt zu denken, dass in späteren Jahren noch zweimal die Nachricht ausgesprengt wurde; einmal veranlasste dies Missionar Popley zu einer telegraphischen Rückfrage bei Rev. Yunas Singh in Dwarahat in der Almoragegend, ob Sundar Singh tatsächlich ermordet sei (360). Und 1923 erschien Mitte Juni die Nachricht in den Zeitungen, Sundar Singh sei von einem Fanatiker in Tibet umgebracht worden (361). Sollten etwa auch diese Telegramme von Sundar Singh veranlasst sein? Nur Nugent sagt: "Ich war in Canada, als ich über das 1923 Telegramm hörte, und glaubte, es könnte mit der Absicht ausgesprengt sein, um das Telegramm von 1913 wegzuerklären" (362) - eine nicht gerade überzeugende Idee. Im Gegenteil, niemand sonst hat es gewagt, die Todesnachrichten von 1919 und 1923 Sundar Singh in die Schuhe zu schieben. Dann muss man doch aber auch wenigstens von entfernt mit der ernsthaften Möglichkeit rechnen, dass bereits auch 1913 ähnliche oder gar die gleichen Kräfte ihre Hand im Spiele hatten. Die Argumente, die für Sundar Singh's Unschuld ins Feld geführt worden sind, mögen, jedes für sich betrachtet, manche Fragen offen lassen. Alle zusammengenommen sind sie von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Freilich liefern sie auch so keinen schlüssigen, wissenschaftlich unbedingt befriedigenden Beweis. Wägt man aber die Argumente, die einerseits für und andererseits gegen die Unschuld Sundar Singh's aufzuführen sind, sorgfältig gegeneinander ab, so neigt sich die Waage zweifellos zugunsten Sundar Singh's. Glaubt man an die Existenz von Swift-Smith, so lösen sich die Probleme erheblich leichter als im entgegen gesetzten Falle. Das Ergebnis dieses Teiles unserer Untersuchung ist demnach, dass nach dem jetzigen Stand der Forschung die Wahrscheinlichkeit besteht, dass Sundar Singh an der Absendung der Todestelegramme unbeteiligt gewesen ist und er recht zu haben scheint, wenn er in Swift den Telegrammabsender sieht. Anmerkungen
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