Kamerun von Carl Paul

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Die Mission in unsern Kolonien

Von Pfarrer Carl Paul

Neue Folge der Dietelschen Missionsstunden, Erstes Heft, Verlag Fr. Richter, Leipzig 1898, Seite 110 - 214 

Kamerun

7,6 MB

Inhalt

1. Land und Leute

    Kamerunfluss
    Kamerungebirge
    Bewohner
    Kleidung
    Schmuck
    Sprachen
    Trommelsprache
    Frauen
    Sklaverei

2. Die christlichen Pioniere in Kamerun

    Alfred Saker 
    Bethel
    Bibelübersetzung
    Victoria
    Bakundu ba Namwili
    Abschließendes Urteil zu Saker

3. Kamerun als deutsche Kolonie

    Geschichte
    Kolonialverwaltung
    Branntweinimport
    Ehen der Europäer mit schwarzen Frauen
    Kirchliche Versorgung der Deutschen in den Kolonien

4. Die Basler Mission

    Geschichtliche Entwicklung
    Viktoria
    Bethel
    Bonankembe
    Mangamba
    Lobetal
    Schluss

Karte von 1896

Inhaltsverzeichnis


Links zur Einführung von  Carl Paul

  1. Was sind wir unsern Kolonien schuldig?
       Begangenes Unrecht wieder gut machen
       Schutzgebiete statt Kolonien
       Verderbliche Einflüsse
       Kolonialpflichten
       Kolonisierung nur mit gleichzeitiger Christianisierung

  2. Die Missionstätigkeit in unsern Kolonien
      Neues Interesse für die Mission
      Neue Herausforderungen für die Mission
      Eifersucht gegen England
      Überblick über Togo
      Überblick über Kamerun
      Überblick über Südwestafrika
      Überblick über Ostafrika
      Überblick über die Südsee
      Missionskräfte in Bewegung setzen

Inhaltsverzeichnis


1. Land und Leute

Da er das Volk sahe, jammerte ihn desselbigen. Matth. 9, 36.

Von allen Küsten Afrikas ist keine dem Herzen des dunklen Erdteils so nahe gerückt, wie die von Kamerun, Am Golf von Biafra, dem innersten Winkel des großen Busen von Guinea, gelegen, scheint es beim flüchtigen Betrachten der Karte Afrikas der natürliche Ausgangspunkt für die Erforschung und Christianisierung Innerafrikas zu sein. Vor einem halben Jahrhundert, als man von der innern Gliederung des afrikanischen Kolosses noch fast gar nichts wusste, richteten sich darum naturgemäß die Blicke auf diese einzige tiefere Einbuchtung der Westküste. So hat auch Dr. Krapf, der berühmte Missionspionier von Ostafrika, als er seinen kühnen Eroberungsplan für den dunklen Erdteil aufstellte und eine Kette von Stationen quer durch Afrika forderte, von seiner Station bei Mombassa verlangend nach Kamerun hinübergeschaut. Diese beiden Küsten sollten seiner Meinung nach die Ausgangspunkte der Missionskette werden.

Die inzwischen so erfolgreich gewesene geographische Forschung und der Gang der Ereignisse in den afrikanischen Kolonien haben gezeigt, dass Kamerun eine so hervorragende Bedeutung nicht erlangen kann. Die beiden großen Ströme der Westküste, der Kongo und Niger, werden in Zukunft die wichtigsten Eingangstore für Innerafrika von dieser Seite her sein. Im Vergleich zu ihnen haben die Wasserstraßen von Kamerun nur einen untergeordneten Wert. Immerhin hat das wissensdurstige und ländergierige Europa während der letzten beiden Jahrzehnte hier mehr gefunden, als man sich erst träumen ließ, nämlich eins der fruchtbarsten und bevölkertsten Gebiete von Afrika. Und die christliche Mission hat nicht weniger Grund, über die angefangene Erschließung von Kamerun ein Lob- und Danklied anzustimmen. Keine afrikanische Mission, wenn wir von der in Uganda absehen, hat bisher so schnelle Erfolge aufzuweisen gehabt, wie die junge Baseler Mission in Kamerun.

Das deutsche Gebiet, das sich bei einer verhältnismäßig geringen Küstenausdehnung nach dem Innern zu strahlenförmig verbreitert, umfasst eine Länderstrecke, deren Ausdehnung (495.000 Quadratkilometer) ungefähr der Fläche des deutschen Reiches gleichkommt. Seine Eingangspforte bildet der vielgenannte Kamerunfluss. Er ist zwar nicht die bedeutendste Wasserader des deutschen Gebietes. Der tiefer im Süden mündende Sanaga übertrifft ihn weit und wird vielleicht bei der späteren Erschließung des Hinterlandes einmal eine größere Rolle spielen; aber der Kamerunfluss ist an der Mündung leichter zugänglich und darum von je der Schauplatz der wichtigsten Ereignisse gewesen. In früheren Tagen hat er viele gräuliche Dinge gesehen. Hier war lange Zeit einer der Haupthäfen für die Sklavenausfuhr nach Amerika, Wenn man diese alte Geschichte Kameruns wirklich schreiben könnte und wollte, so müsste sie mit Menschenblut geschrieben werden.

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Kamerunfluss

Unter dem Namen "Kamerunfluss", den die neueren Karten vielfach gar nicht mehr aufweisen, versteht man den Hauptzufluss des seeartigen Wasserbeckens, das sich hinter zwei vorspringenden Halbinseln des Festlandes auftut, wenn der an der Küste entlang fahrende Schiffer die schöne spanische Insel Fernando Po passiert hat. In dieses vor der Meeresbrandung geschützte große Hafenbecken ergießt sich eine ganze Anzahl von Flüssen und Flüsschen, von denen der Mungo, Wuri (Wouri) und Lungasi (auch Dibamba genannt) die wichtigsten sind. Die mittlere von diesen Flussmündungen, die der Einfahrt gerade gegenüberliegt, ist die des Wuri, der auf seinem Unterlauf noch den kleinen Abofluss aufnimmt. Sie wird von den Europäern mit obigem Namen bezeichnet, der fast in die gesamte Kamerunliteratur übergegangen ist; die Eingebornen nennen den Strom "Madiba-ma-Dualla" d. i. Wasser der Dualla, Er wird vorzugsweise als Hafen- und Anlegeplatz des Kamerungebietes benutzt. Hier befinden sich jene in unsrer kurzen Kolonialeschichte so bekannt gewordenen Ortschaften "King Bell-Stadt". "Akwa-Stadt" und "Didostadt". Sie liegen auf dem südlichen Flussufer, das sich etwa 15 Meter über den Wasserspiegel erhebt und mit reichlichem, tropischen Grün bekleidet ist. Hier stehen unter Palmen und zwischen Bananenpflanzungen die Residenzen der "Fürsten" von Kamerun. Man darf sich von einem solchen afrikanischen Herrscher und seinem Königssitz freilich keine hohe Vorstellung machen. Es sind kleine, weitläufig in langer Reihe angelegte Dörfer. Die Häuser der Neger sind viereckig gebaut, haben Wände aus Bambusrohr und sind mit Palmblättern gedeckt. Die Wohnung des Königs unterscheidet sich äußerlich nur wenig von der seiner Untertanen, nur ist sie im Innern reichlich mit allerlei europäischem Hausrat ausgestattet. Unmittelbar neben den Liegenschaften König Bells erhebt sich jetzt auf der sogenannten Jossplatte das deutsche Gouvernement. Der an dieser Stelle 12 - 1.500 Meter breite Fluss hat bis hierher ein genügend tiefes Fahrwasser, um den mäßig großen Seeschiffen die Fahrt zu gestatten. Der Einfluss der Ebbe und Flut erstreckt sich aber noch viel weiter stromaufwärts, wodurch der Verkehr vom Regierungssitz aus nicht wenig erleichtert wird.

In der Nähe des Gouvernements und zwar dicht am Strande liegen zahlreiche Handelsfaktoreien, die jetzt meist in deutschen Händen sind. Als ein Überbleibsel aus der Zeit, wo die Kaufleute sich unter den Negern noch nicht recht sicher fühlten, sind mehrere "Hulks" im Strom verankert. So nennt man alte außer Dienst gestellte Segelschiffe, die nach Wegnahme der Takelage ein Schindel- oder Strohdach erhielten. Die ehemaligen Fahrzeuge wurden so in wirkliche schwimmende Häuser verwandelt. Steigt man an einem derselben die hohe Schiffstreppe empor, so gelangt man zunächst auf das schattige, luftige Vorderdeck, wo die Handelsgeschäfte vor sich gehen. Hier hantieren die im Dienst des Europäers stehenden Negerjungen, hier kommen und gehen den ganzen Tag die Eingebornen, die etwas verkaufen oder kaufen wollen. Der weiße Händler hat an dieser Stelle auch seine Niederlage für Fässer und Warenballen. Anders auf dem Hinterdeck, das meist etwas höher gelegen ist. Da hat man Wände, Türen und Fenster eingesetzt und so eine Wohnung für den Europäer geschaffen, die neben kleineren Zimmern womöglich gar einen elegant eingerichteten Salon enthält.

Wenn auch diese Hulks jetzt aus Gründen der Sicherheit nicht mehr gebraucht werden, behält man sie doch aus Bequemlichkeit bei, denn diese schwimmenden Kaufhäuser haben für die handeltreibenden Eingebornen ebenso viele Vorteile, wie für den Europäer, der seine Frachtgüter auf die denkbar einfachste Weise verladen kann. Sie sind geradezu charakteristisch für den Verkehr in diesem Teile unsres Schutzgebietes. Die ganze Umgebung des Kamerunflusses ist nämlich mit einem Netz von Wasserstraßen durchzogen. Neben den eigentlichen Flussläufen gibt es eine Unmenge von Wasserarmen oder Verbindungskanälen, die alle die Vergünstigung von Ebbe und Flut mitgenießen und daher auf die leichteste Weise bald nach dieser, bald nach jener Richtung befahren weiden können.

Damit hängt aber eine andre Eigenschaft der Flussniederung zusammen, die für die Gesundheit der Ansiedler sehr nachteilig ist. Zwischen allen diesen Wasserläufen erstreckt sich viele, viele Kilometer weit ein merkwürdiges Mittelding zwischen Wasser und Land. Hier liegen hunderte von größeren oder kleineren Inseln, die zur Flutzelt größtenteils unter Wasser stehen und mit einer eigentümlichen Art Sumpfgewächsen, den Mangroven bedeckt sind. Man kann sie etwa mit den Weidenbüschen in unfern deutschen Flussniederungen vergleichen, nur wachsen sie bei der gar nicht unterbrochenen Vegetation in den Tropen viel mastiger und werden so hoch, wie die Bäume. Ganz eigenartig ist der untere Teil dieser Sumpfgewächse, der nur bei Ebbe sichtbar wird. Die Mangroven stehen auf hohen, stelzenartigen Wurzeln, deren Gewirr jedes Eindringen unmöglich macht. Der Untergrund aus dem sie erwachsen, ist ein scheußlicher, schwarzer Brei, der nie von der Sonne getroffen, eine Brutstätte schädlicher Miasmen ist. Diese Mangroveinseln sind natürlich nicht bewohnt, sie dienen nur Vögeln, Krabben und andern Wassergeschöpfen zum Aufenthaltsort. Überblickt man von einem erhöhten Punkte aus das Mangrovengebiet, so sieht man, soweit das Auge reicht, eine eintönige, flache Landschaft von grangrüner Farbe, durch die sich wie Silberfäden die zahlreichen Wasseradern ziehen.

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Kamerungebirge

Wer von Europa kommt und eben wochenlang an der flachen, eintönigen Westküste Afrikas entlang gefahren ist, findet in der Regel die üppig grüne Pflanzenwelt bei den Kamerundörfern ganz entzückend; und doch wird dieselbe noch weit übertroffen von der des Kamerungebirges, das sich dicht am Meer auf der nördlichen Seite der Flussniederung erhebt. Man wird durch das plötzliche Aufsteigen dieser Berge, die der Küstenlandschaft von Kamerun einen so hohen Reiz verleihen, bei dem ebenen Charakter der ganzen übrigen Westküste aufs höchste überrascht. Die geologischen Untersuchungen haben denn auch ergeben, dass der ganze Gebirgsstock vulkanischen Ursprungs ist und dass mehrere von den kleinen Gipfeln, die jetzt vom schönsten Grün bekleidet sind, vor einigen Menschenaltern noch tätige Vulkane waren. Bei dem höchsten Berge, der nahezu 4.000 Meter hoch ist, scheint die feuerspeiende Tätigkeit schon weiter zurückzuliegen. Er führt den Namen "Götterberg". Die Eingebornen kommen bei ihren Jagdzügen wohl bis zu seinem Fuße, aber hinauf wagen sie sich nicht. Sie scheuen nicht nur den beschwerlichen Aufstieg, sondern vielleicht noch mehr die bösen Geister, die nach ihrer Anschauung auf jener Höhe ihr Wesen treiben. Dass es den Europäern gelingt, den geheimnisvollen Gipfel zu erklimmen, was seit der Mitte der siebziger Jahre wiederholt geschehen ist, schreiben sie dem Umstände zu, dass die weißen Männer eine bessere Medizin hätten, die sie stärker und klüger mache, als die Schwarzen.

Das ganze Gebirge ist dicht bewaldet. In diesen Bergwäldern, die zu jeder Jahreszeit reichliche Niederschläge erhalten, herrscht eine Üppigkeit des Pflanzenwuchses, die von wenig Tropenländern erreicht, von keinem übertroffen werden dürfte. Über der Lava, deren verwitterte Blöcke vielfach umherliegen, lagert eine dicke Schicht dunkelbrauner, fetter Humuserde.. Aus ihr sprießt und wuchert es das ganze Jahr hindurch. In den unteren Teilen des Gebirges beherrscht noch die Palme das Landschaftsbild, weiter oben macht sie andern Arten Platz, mächtigen Baumriesen, die wohl noch lange von keiner Axt berührt werden, den Baumwollenbäumen, Brotfruchtbäumen und dichtbelaubten Mangos; neben ihnen gibt es viele andre, die nur der Botaniker von Fach alle zu benennen weiß. Dazwischen findet man dichtes Unterholz und endlose Schlinggewächse. In einem solchen Urwalde vermischt sich immer Tod und Leben, aufsprießende und absterbende Vegetation. Auch an Blüten und Früchten ist in dieser Waldwildnis kein Mangel. Zwischen feuerroten Cannas und schneeweißen Lilien von ungewöhnlicher Größe hängen Früchte von allerlei Arten und bizarren Formen an Bäumen und Sträuchern, Daneben findet man Zuckerrohr von der Stärke eines Armes und wilde Kaffeestauden mit ihren hagebuttenähnlichen Kapseln. Außer diesen nützlichen Gewachsen aber gibt es eine erstaunliche Menge giftiger Pflanzen. Es werden dem Reisenden dort von kundigen Eingebornen kleine, harmlos erscheinende Wurzeln gezeigt, deren Anlecken schon den Tod nach sich zieht.

Will man wissen, was auf einem Boden, der freiwillig schon ein so großartiges Wachstum erzeugt, unter fleißigen Menschenhänden gedeiht, so braucht man nur die in den unteren Partien des Berglandes angelegten Kaffee- und Kakaoplantagen zu besichtigen Der Boden ist hier von scheinbar unerschöpflicher Fruchtbarkeit. Da gedeihen wohl alle Pflanzen der heißen, wie auch noch die der subtropischen, ja vielleicht selbst der gemäßigten Zone. Man hat ja bei der großen Höhe des Kamerungebirges die Wahl unter den Standorten von der Temperatur des Äquators bis zu der des Polarkreises. Welch ein reiches Feld für den Plantagenbetrieb und welche günstige Situation zur Anlegung von Sanatorien für die in der Niederung erschlafften Europäer, die keine weite Reise erst zu machen brauchen!

Die dem Meer zugekehrte Seite des Gebirges ist landschaftlich von ganz besonderer Schönheit, Es gibt an der ganzen westafrikanischen Küste kein ähnliches Bild. Hier liegt Viktoria, die erste europäische Niederlassung im jetzigen deutschen Gebiet. Der Missionar A. Saker hat sie angelegt. Sie befindet sich dicht am Meer und zwar an der innern Seite der weit ins Land einschneidenden Ambasbucht, in der das Anlanden ziemlich leicht und gefahrlos ist. Hinter dem Orte erheben sich liebliche Hügel, die vom herrlichsten Pflanzenwuchs umkleidet sind. Wenn man das Bild von der See aus genießt, weiß man nicht, worauf man das Auge länger ruhen lassen soll, ob auf den im blauen Duft daliegenden schönen Formen des Gebirges, oder auf der Idylle am Strände, wo ein kleiner Fluss, von Palmen und Kakaobäumen beschattet, sein kristallklares Wasser rauschend über schwarzes Lavagestein dahingleiten lässt.

In dieser paradiesischen Landschaft lauert aber ein unheimlicher Feind des Europäers, das Fieber. Man kennt leider bis zum heutigen Tage noch nicht alle Bedingungen, unter denen man es sich zuziehen oder vermeiden kann. Gerade Viktoria scheint eine gesunde Lage zu haben. Die ganze Umgebung rechts und links sowie im Hintergrunde ist bergig, auch hat der Ort ausgezeichnetes, geradenwegs aus dem Gebirge kommendes Trinkwasser und doch ist es einer der ungesündesten Punkte an der Küste, was viel sagen will, denn das Klima Kameruns gilt als das ungesündeste unter unsern afrikanischen Kolonien. Man hat bisher im ganzen Gebiet noch keinen Platz gefunden, der sicher frei vom Fieber wäre. Jeder Europäer, der hier landet, muss sich auf Anfälle gefasst machen. Malaria und Dysenterie sind die gewöhnlichen Formen; am gefährlichsten ist das Schwarz-Wasserfieber, dem schon ungezählte junge Menschenleben zum Opfer gefallen sind. Auch die Eingebornen leiden am Fieber, das aber bei ihnen nicht so heftig auftritt, wie bei den Weißen.

Dringt man aus dem Küstengebiet ins Hinterland von Kamerun ein, so zeigt sich hier derselbe Aufbau des Landes, wie er dem afrikanischen Kontinent im Allgemeinen eigentümlich ist. Man hat den ganzen Erdteil mit einer umgekehrten Schüssel verglichen, deren flacher Rand von den Küstenebenen, der hohe Boden aber von der Hochebene Innerafrikas gebildet wird. Zwischen beiden liegt ein in den verschiedenen Teilen Afrikas mehr oder weniger steiler Abfall nach den Küsten zu. Derselbe besitzt zumeist eine große landschaftliche Schönheit und groteske Formen. Auch im Innern von Kamerun gibt es herrliche Berglandschaften, die hier und da, z. B. in den Manengubabergen, denen der Wuri entströmt, bis zu der mittleren Höhe der Alpen aufsteigen. Die schöne Naturszenerie hat aber eine für den Reisenden sehr unangenehme Kehrseite in den zahlreichen Stromschnellen, die sich bei allen Flüssen finden. Das Land flacht sich eben nicht allmählich ab, wie bei den deutschen Strömen, sondern terassenförmig in einzelnen Stufen. Infolgedessen ist kein einziger der Flüsse, die sich ins Kamerunbecken ergießen, auf weitere Strecken hin schiffbar, was umso lästiger ist, weil die im Lande reisenden Missionare wegen des vielfach undurchdringlichen Waldes hauptsächlich auf den Wasserweg angewiesen sind. Vielleicht kommt es später noch einmal dahin, dass auch in unserm Gebiet im Bereich der Stromschnellen ähnliche Erleichterungen für den Verkehr geschaffen werden, wie am Unterlauf des Kongo, dessen Stromschnellen mittels der Eisenbahn umgangen werden sollen.

Im Innern hat übrigens auch Kamerun weite Strecken der echten afrikanischen Savanne aufzuweisen, wo die großen, kulturlosen Grasebenen nur vereinzelt durch Palmenhaine und Schattenbäume unterbrochen werden. Dort wird der Marsch durch die sonnige Ebene zu einer rechten Qual, zumal wenn die Savanne bei längerer Trockenheit versengt und tot daliegt. Aber auch in solchen Gegenden zeichnen sich die Flusstäler durch eine reichere Vegetation aus. Dichte Waldstreifen zu beiden Seiten des Wassers, man nennt sie Galeriewälder, lassen den Fremdling, der in einem Kanu der Eingebornen oder einem zerlegbaren europäischen Boote fährt, auf lange Strecken in dem Wahne, als ob die ganze Gegend den schönsten Waldbestand hätte.

Die Fahrt auf einem solchen Flusse bietet dem Naturfreund immer neue Reize. Von kräftigen Ruderern getrieben, gleitet das Fahrzeug bald zwischen hohen, senkrecht abfallenden Ufern bald unter einem schattigen Laubdache dahin, plötzlich macht der dunkle Wald wieder einem offnen von der Sonne beschienenen Gelände mit üppigen Bananenpflanzungen oder niedrigem Gebüsch Platz, über welchem Palmen stolz ihre federbuschähnlichen Kronen erheben. Fische huschen, nach Insekten schnappend am Wasserspiegel dahin, flatternde Schmetterlinge und schwirrende Libellen schweben über demselben. Große Scharen von grauen und roten Papageien bringen abwechselnd mit den behenden Affen Leben und Bewegung in die mächtigen Baumkronen, am Ufer aber halten die zahlreichen Spuren der Elefanten den Reisenden in beständiger Spannung. Hier und da sieht man ein Krokodil langsam den Schlamm nach dem Wasser zu durchfurchen, in welchem es plumpsend verschwindet. Die am Ufer sitzenden Reiher schnappen nach jungen Fröschen, und Pelikane füllen langsam ihre großen Vorratssäcke mit zappelnden Fischen. Hoch in der Luft zieht ein Adler seine Kreise, Habichte und Weihen schweben über dem Walde oder sitzen lauernd auf einem dürren Aste, der über den Flusslauf ragt. An Wild ist in diesen Wäldern, zumal dort, wo die offene Baumsavanne nahe ist, kein Mangel; je weiter man ins Innere kommt, umso zahlreicher werden die gefährlichen Raubtiere, der Leopard, ja auch der Löwe. Die Schlangen sind in zahlreichen Arten vertreten, man muss deswegen bei allen Wanderungen sorgfältig auf den Weg achten. Mindestens ebenso lästig aber sind die kleinen Feinde in der Luft, die Moskitos, die an manchen Stellen das Schlafen ohne Moskitonetz ganz unmöglich machen und fast noch mehr die winzig kleinen Sandfliegen, von denen man immer geplagt wird, sobald man eine Weile still dasitzt. Als eine recht widerwärtige Zugabe in der Tierwelt sind auch die Ameisen zu bezeichnen, die an Größe unsre Rossameisen weit übertreffen und eine unglaubliche Zerstörungswut haben. Sie fressen sich ebenso leicht durch Lederkoffer wie durch Holzwände und können in kurzer Zeit die Ausrüstung eines Reisenden verzehren, wenn er nicht auf seiner Hut ist. Die haushohen Termitenbaue legen Zeugnis ab von der überraschenden Arbeitskraft dieser Tiere, Eine besonders gefürchtete Art sind die Treiber- oder Wanderameisen, die, wenn sie nachts eine ruhende Reisegesellschaft überfallen, unfehlbar die Schläfer aufschrecken und die ganze Karawane von ihrem Lagerplatz verjagen, falls es nicht gelingt, durch ein schnell entzündetes Feuer ihrem Wanderzuge, der sich wie ein wohlformiertes Heer vorwärts bewegt, eine andre Richtung zu geben.

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Bewohner

Die Bewohner unsres Schutzgebietes, deren Gesamtzahl sich noch nicht angeben lässt, weil für die unerforschten Gebiete im Innern jeglicher Zensus fehlt, gehören zwei durchaus verschiedenen Völkergruppen an. Die einen sind zur Klasse der Sudanneger zu zählen, deren Wuchs und Gesichtsform auf eine Verwandtschaft mit der kaukasischen Rasse hindeutet. Sie bevölkern die sogenannten Fullahstaaten im Nordosten des innern Kamerun, von denen Adamaua durch den Afrikaforscher Passarge am bekanntesten geworden ist. Diese deutschen Sudanneger sind meist dem Islam zugefallen oder vielmehr zwangsweise zum Mohammedanismus bekehrt worden, was noch nicht lange her sein dürfte. Für die Mission sind sie zunächst leider unerreichbar, weil sie keinen Verkehr mit dem Küstengebiet unterhalten und die ungenügenden Verkehrsmittel im Hinterlande gleicherweise wie ihr feindseliges Verhalten das Vordringen zu ihnen erschwert.

Viel wichtiger sind vorläufig für uns die zu dem großen Bantustamm gehörigen Neger, die an der Küste und in den benachbarten Ländern bis auf ca. 300 Kilometer landeinwärts wohnen. Sie sind noch reine Heiden und werden mit ihrer großen Zahl der Mission auf Jahrzehnte hinaus immer neue Aufgaben stellen.

Wer als Neuling nach Kamerun kommt, bemerkt vielleicht unter den Negern, die ihm bei den Faktoreien an der Jossplatte begegnen, keinen großen Unterschied; er wird sie ohne weiteres ein und demselben Volke zuweisen, und doch gehören sie vielen verschiedenen Stämmen und Stämmchen an, die sich kaum miteinander verständigen können. Jeder solche Stamm, und wenn er auch nur einige tausend Bewohner umfasst, bildet ein geschlossenes Ganze für sich und unterscheidet sich von andern durch Aussehen, Lebensgewohnheiten, sowie allerlei körperliche und geistige Merkmale. Es zeigt sich auch hier die große Zerrissenheit und gegenseitige Entfremdung der Heiden. Wollte man eine farbige Karte der Negerstämme von Kamerun zeichnen, so würde diese wohl noch viel bunter werden, als die der deutschen Kleinstaaten um die Mitte unsres Jahrhunderts.

Das Volk, welches zu beiden Seiten des Kamerunflusses wohnt und wegen seiner vielen Berührungen mit unsern Landsleuten am bekanntesten geworden ist, führt den Namen der Dualla. Sie stellen die schwarzen Händler von Kamerun. Bis vor kurzem ging aller Verkehr mit europäischen Waren ausschließlich durch ihre Hände. Es hat viel Mühe und Kämpfe gekostet, ehe sie sich ihr Zwischenhandelsmonopol entreißen ließen. Sie haben eine ausgesprochene Neigung und Begabung für Handelsgeschäfte, Unsre Kaufleute, die sie näher kennen gelernt haben, sprechen geradezu die Befürchtung aus, dass sie mit der Zeit die europäischen Händler überflügeln und aus dem Felde schlagen werden, wenn sie erst einmal in den Besitz der wichtigsten Verkehrsmittel gelangt sind. Neben dem Handel widmen sich die Dunlla vielfach dem Fischfang, wozu ihre Wohnsitze am Wasser so viele Gelegenheit bieten. Sie bauen sich dafür von ausgehöhlten Baumstämmen recht stattliche Fahrzeuge und ziehen des Abends in großen Scharen auf den Fang aus. Wenn diese Fischerflotille sich nachts über das breite Kamerunhaff gelegt hat, sieht es von der Jossplatte fast aus, als ob man sich in der Nähe einer Großstadt befände, so viele Feuer leuchten von den fernen Fischerbarken herüber.

Dicht neben den Dualla, denen beim Verkehr mit den Weißen ein geschmeidiges Wesen zu Hilfe kommt, wohnen die Bakwiri auf den Hohen des Kamerungebirges. Diese Bergbewohner gebärden sich als raue, selbstbewusste Leute, die auf ihre Unabhängigkeit stolz sind und wiederholt europäische Niederlassungen in ihrem Gebiet zerstört haben. Sie sind noch ganz Naturvolk und begnügen sich mit dem, was ihnen ihr fruchtbarer Boden freiwillig gibt. Zum Landbau haben sie nicht die geringste Neigung, dagegen sind sie sehr auf die Pflege und Vermehrung ihrer Herden bedacht. Das Vieh bildet ihren Reichtum; sie benutzen ihre Rinder, Schafe und Ziegen als Tauschwaren, wenn sie nach den Handelsartikeln ihrer Nachbarn drunten am Flusse Verlangen tragen.

Es würde zu weit führen, alle einzelnen Stämme hier aufzuzählen und auch nur mit wenigen Zeilen zu charakterisieren; viele sind übrigens bisher kaum dem Namen nach bekannt. Es mag nur noch das am Oberlauf des Wuri wohnende Volk der Bassa, zu dem unter andern die in den Missionsberichten viel genannten Aboleute gehören, erwähnt werden und endlich die ganz im Süden des Schutzgebietes wohnenden Fanstämme, die noch der Menschenfresserei ergeben sein sollen.

Im allgemeinen haben die weiter landeinwärts wohnenden Stämme ein gewinnenderes Wesen, als die durch den vielen Verkehr mit den Weißen verdorbenen Küstenneger. Selbst Zöller, den wir sonst nicht als klassischen Zeugen zitieren möchten, schreibt darüber: "Je weiter man ins Innere kommt, in desto angenehmeren Lichte erscheinen die Eingebornen. Zwar ist ihnen der Anblick des Weißen fremd und sie werden vielleicht seinem weiteren Vordringen Hindernisse in den Weg stellen. Aber ist einmal ein Einvernehmen hergestellt, so zeigen sie unverfälschtere und feinere Sitten, als die Küstenbewohner; sie haben eine eigenartige, nicht uninteressante Kultur, die mit der Afterkultur der Küste nichts zu schaffen hat und ihr in manchen Stücken überlegen ist. Vor allem auch zeigen sie eigene Gewerbe, die an der Küste durch den Einfluss der europäischen Industrie längst ertötet sind: sie schmieden Eisen, verarbeiten die wilde Baumwolle und den Bast einiger Pflanzen, auch treiben sie etwas Holzschnitzerei." Für die Christianisierung der verschiedenen Volkerstämme wird jedenfalls auch hier zutreffend sein, was der große Livingstone für die afrikanische Mission im allgemeinen als Grundsatz ausstellte, dass nämlich Afrika nicht von der Küste, sondern vom Innern her für das Christentum erobert werden müsste. Wie wir später sehen werden, fehlt es zwar auf den Stationen unter den Dualla an Bekehrungen nicht, aber eine viel größere missionierende Kraft wird jedenfalls den weiter nach dem Innern zu wohnenden Stämmen eigen sein, wenn sie erst einmal gewonnen sind.

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Kleidung

Die Kleidung ist bei den Bewohnern unsres Schutzgebiets da, wo sie noch im Naturzustande leben, auf das denkbar geringste Maß beschränkt. Es ist fast lediglich dem vielen Verkehr mit den Europäern zuzuschreiben, dass am Kamerunfluss eine ziemlich vollständige Bekleidung der Eingebornen die Regel bildet. Viele trugen aus Nachahmungstrieb die europäische Tracht, was aber wegen der damit verbundenen geringeren Reinhaltung des Körpers entschieden vom Übel ist. Es entspricht den afrikanischen Verhältnissen viel mehr, wenn andre bunte Baumwollstoffe, die sie lose umnehmen, zur Verhüllung des Körpers benutzen. Man sieht das vielfach, aber es wäre voreilig, daraus den Schluss zu ziehen, dass dieses größere Maß von Kleidung auch eine höhere Kultur anzeige. Je mehr die Küstenneger für Kleidung ausgeben, umso stärker pflegt bei Männern und Frauen die Putzsucht ausgeprägt zu sein. Dass die Schamhaftigkeit sie dazu veranlasste, ist bei diesen Heiden völlig ausgeschlossen. Nur in den christlichen Familien auf den Missionsstationen macht sich dieser Gesichtspunkt nach und nach geltend. Sobald man aus der Nähe der europäischen Niederlassungen wegkommt, verschwindet auch die reichlichere Bekleidung immer mehr. Die "Buschleute", wie die dünkelhaften Küstenneger im verächtlichen Tone die noch nicht vom europäischen Verkehr berührten Stämme nennen, begnügen sich zumeist mit einer schmalen Hüftenschnur und einer Schürze aus Blattwerk. Kinder beiderlei Geschlechts gehen bis zum 6. oder 8. Jahre immer völlig nackt, selbst in den Dörfern am Kamerunflusse. Bei Beurteilung der Kleiderfrage, zu der die Mission aus Gründen der Sittlichkeit ja Stellung nehmen muss, darf man nicht übersehen, dass der Neger in seiner dunklen Hautfarbe, zu der obendrein fast überall ein gewisses Maß von Tätowierung kommt, schon einen gewissen Ersatz für die Kleidung hat. Es kommt dem Europäer, der täglich mit den Schwarzen verkehrt, kaum noch zum Bewusstsein, dass er fast ganz unbekleidete Leute vor sich hat.

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Schmuck

Je weniger Wert der Neger auf die Kleidung legt, umso mehr auf den Schmuck. G. Zenker, dem wir eine eingehende Beschreibung des noch ganz ursprünglichen Jaunde-Stammes verdanken, schreibt darüber:

"Junge Männer und Mädchen lieben es, sich die Arme vom Handgelenk bis zum Ellenbogen mit nicht abnehmbaren Armspangen von Messing zu umgeben, ein unbequemer und gesundheitsschädlicher Schmuck, denn gar oft entstehen Beulen unter diesen Ringen, welche ihre Träger veranlassen, sich dieses Schmuckes unter großen Schmerzen zu entledigen. Fuß- und Armringe sind ungemein beliebt. Die Häuptlinge tragen am linken Arme ein festes Messingarmband, am rechten breite, manschettenartige Elfenbeinringe. Schwarze und blaue Perlen böhmischen und venetianischen Ursprungs und runde, bernsteinartige Glasperlen pflegt man in dicken Schnüren um den Hals zu tragen, Männer sowohl als Frauen und Mädchen, je mehr, desto besser und schöner. Auch Perlen einheimischen Fabrikats werden benutzt, nämlich durchlöcherte Pflanzensamen, welche zusammen mit den Eckzähnen der Hunde ein recht hübsches Halsband abgeben; auch Eckzähne von Affen, Katzen, ferner Vogelkrallen, Antilopenfüße, messingene und kupferne Patronenhülsen, selbst Schlüssel von Vorhängeschlössern, wenn sie ihrer habhaft werden können, dienen als Halsschmuck. Mein Schlüsselbund war stets ein Gegenstand heftiger Sehnsucht bei den Frauen und Mädchen. Aber ihr größtes Verlangen geht nach Porzellanknöpfen, die mehrreihig auf breite Lederriemen genäht werden und an der Stirn als Diadem getragen oder auch als Gürtel benutzt werden. Begegnet man einem Mädchen auf der Straße, so ist ihr erstes Wort: 'ha ma melogo' d. i. 'gib mir Knöpfe'! Die oft sehr kunstvollen Frisuren werden außer mit Perlen und Kaurimuscheln auch noch mit Knöpfen verziert; zwischen den geflochtenen Haarreihen wird außerdem dickes Palmöl aufgetragen, was zwar sehr malerisch, aber wenig reinlich ist."

Mit dieser starken Putzsucht wird die Mission wohl einen langwierigen Kampf auszufechten haben. Wie lange wird es dauern, bis die schwarzen Frauen und Mädchen die rechte Stellung zu 1. Petr. 3, 3 finden und an Stelle der glänzenden Spangen und Haarflechten den verborgenen Menschen des Herzens mit sanftem und stillem Geist schmücken lernen.

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Sprachen

Eine besondere Schwierigkeit für die Christianisierung des Landes liegt in der großen Mannigfaltigkeit der Sprachen, An den verkehrsreichen Orten der Küstengebiete merkt ein flüchtiger Besucher wenig davon, denn hier verstehen fast alle Eingebornen das an der Westküste gesprochene Negerenglisch. Die vorübergehend im Lande anwesenden Kaufleute und Regierungsbeamten behelfen sich vielfach damit, aber für die Mission ist es gänzlich bedeutungslos. Für sie kommt in erster Linie die Duallasprache in Betracht, die das am weitesten nach Nordwesten vorgeschobene Glied aus der Reihe der Bantusprachen zu sein scheint. Sie ist verhältnismäßig leicht zu erlernen. Aber bei der geringen Zahl der Duallaneger, der ganze Volksstamm soll nur aus etwa 20.000 Gliedern bestehen, kommt der Missionar im Inlande schnell über ihr Sprachgebiet hinaus. Schon die Bakwiri im Kamerungebirge und die in ziemlicher Nähe von der Jossplatte wohnenden Abo- und Wurileute reden einen andern Dialekt und je weiter, umso fremdartiger werden die Idiome. Glücklicherweise darf man hoffen, dass sich ohne große Schwierigkeiten eine Brücke über die vielen Sprachgrenzen des Gebietes wird bauen lassen. Der Baseler Missionar Autenrieth, der eine Forschungsreise ins Innere unternahm und dort eine neue Station anlegte, schreibt über diesen Punkt:

"Trotz der Vielstämmigkeit der Bevölkerung konnte ich durch meine Nachforschungen und Beobachtungen doch zu einem günstigeren Resultat kommen, als zu erwarten war. Abgesehen vom Dualla herrscht unter den Stämmen des Kamerunflussgebietes eine ziemlich große Sprachverwandtschaft, die erst in der Nähe des Hochgebirges ihre Grenzen hat. Die Sprachverhältnisse noch begünstigend besteht unter diesen Stämmen auch ein sehr reger Handelsverkehr, der dazu dient, dass fast jedermann mehrere Dialekte versteht und dieselben zum Teil auch spricht. Überall bis zu der genannten Gebirgsgrenze konnten wir uns mit Abo und Bonking verständlich machen und ich zweifle nicht an der Möglichkeit, dass das ganze Gebiet vom Mungo bis zu den östlich vom Wuri wohnenden Bassa mit einer Sprache bedient und unterrichtet werden kann. Am geeignetsten würde mir einer der Dialekte des weitverzweigten Bassastammes erscheinen. Übrigens glaube ich, dass sich diese Stämme auch nicht ungern dazu verstehen würden, die Duallasprache, welche trotz ihrer bedeutenden Verschiedenheit doch schon einen großen Einfluss weit ins Land hinein gewonnen hat, zu lernen und sich darin unterrichten zu lassen, denn das Dualla steht bei den sogenannten Buschleuten in höherem Ansehen, als ihre eigene Sprache, weil es auch von den Weißen gesprochen wird; auch fällt bei ihm der Vorteil, welchen das Dualla als Handelssprache hat, ins Gewicht."

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Trommelsprache

Eine besondere Merkwürdigkeit, die man außer bei den Dualla und den Nachbarstämmen wohl sonst nirgends auf der Erde in dieser Ausgestaltung findet, ist die im Kamerunflussgebiet gebräuchliche Trommelsprache. Diese Neger haben es mit ihren Schallsignalen so weit gebracht, dass ein Telegraphieren oder Telefonieren bei ihnen fast überflüssig erscheint. Vermittelst langer und kurzer Trommellaute werden auf weite Entfernungen alle möglichen Nachrichten mitgeteilt. Bisweilen hört man die ganze Nacht hindurch solche Trommeltöne von Ort zu Ort schallen. Es sind nicht nur Signale, wie sie mit unsern Militärtrommeln gegeben werden, sondern Mitteilungen von ganz komplizierter Art. So war es z. B. den Eingebornen möglich, als ein Forschungsreisender den großen Kamerunberg erstiegen hatte, dieses Ereignis schon lange, ehe es von Mund zu Mund weitergesprochen werden konnte, zu allen umwohnenden Stämmen zu trommeln, und als um die Mitte der achtziger Jahre die ersten deutschen Marineboote den Kamerunfluss entlang fuhren, um einzelne Dualladörfer anzugreifen, wusste man sofort nach Ankunft der Boote im Hafenbecken schon überall in den abseits gelegenen Dörfern die Zahl der Fahrzeuge und die der Bemannung. Die Trommeldepesche war mit erstaunlicher Schnelligkeit von Ort zu Ort weitergegeben worden.

Eigentümlich ist es, dass die Trommelsprache von den Eingebornen auch mit dem Munde nachgeahmt und sozusagen gesprochen wird. Wenn sich Neger in Gegenwart eines Europäers, der ihre Duallasprache versteht, insgeheim untereinander verständigen wollen, benutzen sie dieselbe mit Erfolg, da sie vom Dualla ganz verschieden ist. Sie gilt übrigens als ein Geheimnis der Männer, die Frauen werden nicht eingeweiht.

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Religion

Von der Religion der Eingebornen tritt dem Fremden in Kamerun auf den ersten Blick wenig entgegen. Man sieht nirgends Götzenbilder und Tempel. Es wäre aber ganz verkehrt, daraus auf eine völlige Religionslosigkeit der Neger schließen zu wollen. Eine solche ist höchstens bei den "aufgeklärten" Negern anzunehmen, die alle Tage in den Faktoreien der Europäer verkehren. Wenn man diese fragt, was sie über das Leben nach dem Tode denken, antworten sie vielleicht lächelnd: "no palaver" d. h. da geht nichts mehr vor. Anders bei dem noch unverdorbenen Negervolke. Hier lebt eine Vorstellung von der Fortdauer der Seele; ja sie haben sogar einen gewissen Ahnenkultus. Die Eingebornen sind auffällig zurückhaltend, wenn man sie über ihre religiösen Vorstellungen befragt. Sie geben am liebsten nur ausweichende Antworten und wenn ein Europäer unvermutet zu ihren Festlichkeiten kommt, die mit religiösen Bräuchen verbunden sind, suchen sie ihn so schnell als möglich wieder loszuwerden. Infolgedessen herrscht noch große Unkenntnis über das religiöse Leben der Kamerunneger, Die von ihnen verehrten Götter oder Geister, deren es gute und böse geben soll, werden in den Reise- und Forschungsberichten bald Munji und Elung, bald wieder anders genannt. Zenker erwähnt von den Jaunde, dass sie die Vorstellung von einem unsichtbaren Wesen (Insambo) hätten, das alles erschaffen haben soll, außer ihm aber gebe es Geister (hokwun), die in der Erde lebend gedacht würden. Die Berichte der Reisenden müssen ja in diesem Punkte unzuverlässig sein, weil ihnen in der Regel die Zeit zu genauen Nachforschungen und auch das Vertrauen der Eingebornen fehlen. Daher die verschiedenen, einander oft widersprechenden Angaben in der belletristischen und geographischen Literatur.

Die Missionare sind schon etwas tiefer in das Wesen der heidnischen Religion eingedrungen. Aus ihren Berichten ist zu ersehen, dass es in Kamerun, ähnlich wie im Togogebiet, religiöse Gemeinschaften gibt, die sich zum Dienst einer bestimmten Gottheit verbunden haben. So machten z. B. unter den Aboleuten die Anhänger des Pangadienstes den Missionaren eine Zeit lang heftige Opposition. Panga ist einer von den vielen Geistern (losango), die im Lande verehrt werden.

Der Verkehr mit diesen unsichtbaren Wesen spielt aber bei den Negern eine sehr untergeordnete Rolle im Vergleich zu den Zauberern, die geradezu das tägliche Leben der Eingebornen beherrschen. An diese Betrüger wenden sich die Leute mit allen ihren Anliegen. Wird jemand schwer krank, oder stirbt ein Glied der Familie, verheert ein Trupp Elefanten die Felder, wirft ein Flusspferd das Fahrzeug eines Händlers um, zerreißt der Leopard einen einsamen Wanderer, oder fällt ein Krokodil die Fischer bei ihrer Arbeit an, oder mag sonst irgendein Unglück geschehen, die Heiden von Kamerun wissen keinen andern Trost und Rat, als zum Zauberer zu gehen, um durch ihn zu erfahren, welcher geheime Widersacher das Unglück verschuldet habe. Der schlaue Mann, der sich über alle Streitigkeiten und Händel auf dem Laufenden erhält, weiß zu helfen. Er holt sein schmutziges Säckchen oder Körbchen hervor, in dem sich eine Anzahl von unansehnlichen Gegenständen befindet, die er im Walde zusammengelesen hat, meist Dinge, auf die sonst niemand geachtet hätte. Nun schüttelt er das Zeug durcheinander, horcht mit geheimnisvoller Miene auf das Geräusch, schüttelt wieder und wieder, bis er endlich den ganzen Inhalt des Zaubersäckchens auf ein Brett oder auf den Boden hinwirft und aus der Lage der Gegenstände mit klaren oder auch zweideutigen Worten den Namen des angeblichen Missetäters herausliest. Diesem wird dann entweder kurzweg der Prozess gemacht, oder er muss sich vielleicht noch einem Gottesgericht unterwerfen und den Giftbecher trinken. In seltneren Fällen wird die Sache mit einer Geldstrafe abgetan. Natürlich kommt hierbei meist ein Unschuldiger elend ums Leben oder doch um sein Vermögen. Es ist entsetzlich, wie viele Menschenleben diese gewissenlosen Betrüger des Volkes mit kalter Miene opfern. Sie sind weit und breit gefürchtet. Wer ihnen aus irgendeinem Grunde missliebig ist, wird als der Schuldige angegeben, ja wenn irgend ein reicher Mann jemanden beseitigt haben möchte, so braucht er nur den Zauberer zu bestechen. Der wird bei der nächsten Gelegenheit das arme Opfer beschuldigen und zum Ellongessen (ein Brei, der aus einer giftigen Baumrinde bereitet wird) zwingen. Er hat es ganz in seiner Hand, die Giftdosis so stark zu machen, dass das Gottesurteil zu Ungunsten des Angeklagten ausfallen muss.

Es ist klar, dass die Mission in diesen Zauberern ihre schärfsten Gegner haben muss. Wenn sich der Missionar an einem Orte niederlassen will, der in seinem schändlichen Gewerbe bedrohte Heide wird es so lange als möglich zu hintertreiben suchen. Er ist regelmäßig auch die Seele der Bewegung, wenn nach einer Reihe von Jahren friedlicher Missionsarbeit sich plötzlich wieder eine Reaktion des scheinbar schon überwundenen Heidentums geltend macht.

Mit Entsetzen sieht der Europäer bei vielen Gelegenheiten, wie wenig das Menschenleben in Kamerun geachtet wird. Hierfür noch ein Beispiel aus Jaunde. Wenn dort ein Familienoberhaupt stirbt, werden immer dessen Weiber und Sklaven bezichtigt, ja sie werden oft von dem Sterbenden selbst beschuldigt, ihm die Krankheit gewünscht zu haben, und das genügt zu ihrem Verderben. Noch bevor der Tod eintritt, werden die Verdächtigen gefesselt in ein Haus gesperrt. Sobald der Kranke verstorben ist, sei es bei Tage oder des Nachts, versammeln sich sofort alle angesehenen Männer des Ortes, um das Totengericht abzuhalten, während die Frauen sich an einer andern Stelle unter schrecklichen Wehklagen ebenfalls zusammenfinden. Unter den rhythmischen Klängen einer Trommel werden jene Weiber und Sklaven in den Männerkreis geschleppt, wo schon Schlingen von Lianen nebst der Rinde des Giftbaumes bereit gehalten werden. Ohne jedes Verhör erfolgt hier die Hinrichtung. Die Unglücklichen werden von oben bis unten mit weißem Ton beschmiert, dann erhalten sie einige Giftpillen in den Mund, worauf ihnen eine Schlinge um den Kopf geworfen wird. Nun schleift man sie zum nächsten Savobaum und hängt sie an dessen Ästen auf. Oft haut man ihnen auch noch die Hände ab und spaltet ihnen den Schädel. Wenn dann der Leichnam des Toten feierlich zur Erde bestattet ist, werden die Körper der Frauen und Sklaven, nachdem der Zauberer aus ihren Eingeweiden noch ihre Schuld nachgewiesen, in den Busch geworfen und höchstens oberflächlich mit Erde bedeckt; erstere werden zuweilen auch mit in das Grab des Mannes gelegt.

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Frauen

Die Lage der Frauen ist, wie sich schon hieraus ergibt, eine überaus traurige. Im Heidentum kennt man die Menschenwürde des Weibes nicht. Sie gilt als ein Besitzstück ihres Mannes und als ein Arbeitstier zugleich. Viele Frauen stellen ein großes Kapital dar. Hat der Mann eine Summe erübrigt, so legt er sie in Frauen an, wie bei uns in Wertpapieren. Da die Frau in jedem Falle für Geld erworben werden muss, kann es geschehen, dass ein Armer nicht imstande ist, ein Weib für sich zu erschwingen; er sucht sich dann eins für entsprechende Gegenleistungen zu borgen. Der reiche Mann dagegen kauft Frauen über Frauen. König Akwa soll im Besitz von 50 Weibern gewesen sein. Sie stellen, abgesehen von den Sklaven, die Arbeitskräfte eines wohlhabenden Mannes dar; die meisten, nahezu alle Verrichtungen in Haus und Hof, sowie auf der Plantage fallen ihnen zu. Wie der Gedanke an den Geldwert auch das Verhältnis eines Vaters zu seinen Töchtern bestimmt, geht aus der Beobachtung eines Reisenden in Mapanja (bei den Bakwiri) hervor. Dort war ein junges Mädchen, die Tochter eines angesehenen Mannes, gestorben. Da kamen die Nachbarn, um dem Vater ihr Beileid auszusprechen, aber nicht etwa wegen des Verlustes seines Kindes, sondern wegen der hohen Geldeinbuße. Denn die Tochter wäre binnen kurzem heiratsfähig geworden und dann gewiss gegen 1.000 Mark wert gewesen.

Bei den Dualla besteht obendrein die garstige Sitte der Kinderverlobung. Die Töchter der Häuptlinge und reicher Händler sind wegen der einflussreichen Verwandtschaft sehr begehrt. Um sich nun ihren Besitz zu sichern, lassen sich wohlhabende Männer die Mädchen bald nach der Geburt zusprechen. Es wird eines Tages um sie gehandelt, wie um eine Ware. Ist man handelseinig geworden, so bleibt das Kind eine Zeit lang, höchstens aber bis zum achten Lebensjahr bei den Eltern, worauf es in das Haus des zukünftigen "Gatten" aufgenommen wird. Nach zwei, allenfalls nach vier Jahren findet dann die Verheiratung statt. Da man die Frauen aber doch nur als Handelsobjekte ansieht, versteht es sich in Kamerun von selbst, dass das Weib in ihrem Leben sehr oft den Besitzer wechseln kann. Sie wird ohne jedes Mitgefühl weiter verkauft oder auch vermietet, sobald der Mann sich einen Vorteil davon verspricht. Wie verderblich diese Zustände auf das geistige und moralische Leben der Frauenwelt einwirken müssen, liegt auf der Hand. Es ist eine Riesenaufgabe, diese entwürdigten und vielfach geradezu vertierten Wesen auf die Stufe zu heben, die dem Weibe im Christentum und der Ehefrau im christlichen Hause zukommt.

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Sklaverei

Zum Schluss noch einige Worte über die Sklaverei in Kamerun, die uns auch hier als eine traurige Frucht heidnischer Anschauungen entgegentritt. Sie besteht noch überall im Lande und wird auch in den unter dem Einfluss der deutschen Regierung stehenden Gebieten notgedrungen bis zu einem gewissen Grade geduldet. Es ist eben nicht leicht, ein so alteingewurzeltes Übel kurzer Hand zu beseitigen. Unsre Regierung hat ja die ersten Schritte getan, es abzustellen, indem sie den Menschenhandel verbot, aber an eine Durchführung dieses Gesetzes im ganzen deutschen Gebiet ist zurzeit gar nicht zu denken und selbst in den unter den Augen der Beamten liegenden Landschaften wird es noch Jahrzehnte dauern, bis das ganze Sklavenwesen als aufgehoben und beseitigt gelten kann. Immerhin ist gegen früher schon ein großer Fortschritt am Kamerunfluss zu verzeichnen. Während an dem Platze, wo jetzt das deutsche Gouvernement steht, früher einer der berüchtigtsten Sklavenmärkte in ganz Westafrika abgehalten wurde und das "schwarze Elfenbein", wie es die Händler beschönigend nannten, auf unmenschliche Weise und in ungezählter Menge verschifft wurde, kann von einem offenkundig betriebenen Menschenhandel dank dem christlichen Einfluss an dieser Stelle jetzt nicht mehr die Rede sein. Infolge langjähriger Missionstätigkeit haben sich die neuen Anschauungen des Christentums gerade hier doch schon zu stark geltend gemacht und bei dem kräftigen Auftreten unsrer Kolonialregierung werden es auch die widerstrebenden Elemente nicht leicht wagen, das Verbot des Menschenhandels an einem so exponierten Platze zu übertreten. Trotz alledem besitzen jedoch die reichen Duallas noch immer viele Sklaven, die, getrennt von den freien Leuten, ihre besonderen Sklavendörfer bewohnen; aber die Lage dieser Leibeigenen und das Verhältnis zu ihren Herren ist erträglicher geworden als früher. Die Sklaven sind allerdings ihren Besitzern gegenüber völlig rechtlos, jedoch übt der Gedanke, dass sie wertvolle Arbeitskräfte darstellen, einen mildernden Einfluss auf ihre Behandlung aus. Anders freilich weiter im Innern, wo die vielen "Kriege", d, h. Fehden zwischen einzelnen Stämmen oder auch nur Ortschaften, immer wieder neue Sklaven liefern; denn die Kriegsgefangenen werden, wenn man sie nicht grausam zu Tode quält, als Sklaven verkauft; dabei ist ihr Los zuerst oft sehr traurig. Ihr Leben gilt dem Besitzer nur soviel, als er dafür bezahlt hat.

Leider sind aber auch die Gräuel der Sklavenjagden aus gewissen Teilen unsres Schutzgebietes noch nicht verschwunden. In den unter mohammedanischem Einfluss stehenden Landschaften, die von den Sudannegern bewohnt werden, kommen sie noch vor. Was in Ostafrika die sklavenraubenden Araber waren und zum Teil noch sind, das sind hier die Sultane von Adamaua, Gaschaka, Banjo und Tibati. Die Vorschriften des Koran erlauben ihnen nicht, Mohammedaner zu Sklaven, zu machen, umso ärger wüten sie gegen die heidnischen Stämme in ihrer Nachbarschaft. Zumal der Herrscher von Tibati, der in den letzten Jahren die Volksstämme im Quellgebiet des Sanaga unterjocht hat, gilt als ein gefürchteter Sklavenjäger. Sogar die Haussahändler, die ihm Elfenbein und Sklaven abkaufen, sind nicht gut auf ihn zu sprechen. Man sagt, er ließe ihnen, wenn sie mit ihrer Karawane abgezogen sind, im Busch auflauern und ihre lebendige und tote Ware wieder abjagen, um sie aufs Neue zu verhandeln. Einer unsrer Kolonialoffiziere, der sein Treiben eine Zeit lang beobachtet hat, bezeichnet ihn geradezu als den ärgsten Schandfleck des deutschen Schutzgebiets und seinen Herrschersitz als eins der wichtigsten Zentren des Sklavenhandels im nördlichen Westafrika. Die Hauptstädte dieses afrikanischen Despoten sind fort und fort Stätten der Grausamkeit und des Menschenmords. Entsetzlich ist, was Passarge von Ngaundere. einer wichtigen, stark befestigten Stadt von etwa 30.000 Einwohnern in Ahamaua, berichtet. Er schreibt:

"Ein breites, grasiges Tal, in welchem mehrere Bäche fließen, zieht sich an der Stadt hin und ist mit tausenden von Skeletten gestorbener Sklaven und hingerichteter Verbrecher übersäet. Von allen Seiten grinsen einen die bleichen Schädel an und über die zerstreuten und zerbrochenen Knochen schreitet der Fuß. Allnächtlich hörten wir das widerliche Heulen der Hyäne vor der -Stadt, welche mit den Aasgeiern zusammen das Ausfressen und Fortschleppen der Leichen besorgen. Wenn ein Kriegszug heimkehrt, sollen die Leichen der gestorbenen Sklaven zu Dutzenden vor der Stadtmauer umherliegen. Und das alles am Bache vor dem Stadttor, wo sich allabendlich nach des Tages Last und Hitze ein interessantes Volksleben zu entwickeln pflegt, wo Gruppen von Männern zusammensitzen, um die Abendkühle zu genießen, Frauen und Mädchen am Bache Wasser schöpfen und schwatzen und badende Kinder scherzen."

Wem grauste es nicht bei solcher Beschreibung! Und solches geschieht, hört es ihr deutschen Christen, in einem Lande, das jetzt den deutschen Namen führt! Wir haben Kamerun als ein schönes und fruchtbares Gebiet kennen gelernt, aus dem unser irdisches Vaterland mit der Zeit reichen Gewinn ziehen kann. Aber auf diesem hellen Hintergrunde nehmen sich die Zustände, in denen die Bewohner unsres Schutzgebietes dahin leben, nur umso trauriger aus. Die geistlichen und sittlichen Verirrungen der Heiden schreien in gleicher Weise zum Himmel, wie die Gräuel in den unter der Mohammedanerherrschaft stehenden Gebieten. Über der Natur leuchtet die tropische Sonne, über dem Volksleben lagert eine grausige Nacht. Hier ist eine ergreifende Illustration zu dem Schriftwort: "Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker." Aus dieser Nacht vernehmen wir immer deutlicher die flehentliche Stimme: "Kommt herüber und helft uns!" O dass dieser Hilferuf in allen christlichen Kreisen des evangelischen Deutschland gehört und zu Herzen genommen würde! In hellen Haufen ziehen deutsche Kaufleute und Pflanzer nach Kamerun, um seine irdischen Schätze zu holen; unsre Soldaten und Beamte gehen dahin, um die deutsche Herrschaft zu befestigen. Sollten sich nicht auch christliche Männer und Frauen finden, die bereit sind, das Licht unsres Glaubens und die Segnungen des christlichen Lebens nach Kamerun zu tragen, und eine opferwillige, gebetseifrige Gemeinde, die hinter diesen Glaubensboten steht? Wir brauchen vor dieser Frage, die eine Gewissensfrage für das evangelische Deutschland ist, nicht zu verstummen. Schon lange sind die fragenden Blicke der Missionsfreunde auf Kamerun gerichtet: "Hüter, ist die Nacht schier hin?"

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2. Die christlichen Pioniere in Kamerun

Das Licht scheinet in der Finsternis. Joh. 1,5.

Alfred Saker

Die Anfänge der Missionstätigkeit in Kamerun gehen bis in die erste Hälfte unsres Jahrhunderts zurück. Wunderbarerweise haben christliche Neger den ersten Anstoß gegeben, ihren Brüdern in diesem Teile Afrikas das Evangelium zu bringen und Fernando Po, die herrliche Insel vor der Mündung des Kamerunflusses, an der man jetzt achtlos vorüber fährt, ist seinerzeit die Brücke für die ersten Missionare von Kamerun geworden.

Das ging so zu. Im Jahre 1834 waren in England die Grundsätze für Abschaffung der Sklaverei durchgedrungen und man beeilte sich, in allen englischen Besitzungen die Konsequenzen daraus zu ziehen. So auch in Westindien, wohin bekanntlich unzählige afrikanische Neger als Plantagenarbeiter verschleppt worden waren. Als der Tag der Freiheit für diese geknechteten Kinder Afrikas kam, regte sich bei manchen das Verlangen, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Nun hatten sich aber seit langer Zeit christliche Missionare verschiedener Gesellschaften dieser armen Schwarzen angenommen und viele von ihnen bekehrt. So war z. B. die englische Baptistenmission seit 1813 in Jamaika tätig gewesen. In den von ihnen gesammelten Gemeinden tauchte damals der Wunsch auf, zugleich mit ihrer Rückkehr in die afrikanische Heimat das Christentum dorthin zu tragen. Die ersten schwarzen Christen, die mit dieser Absicht von Jamaika nach Westafrika gingen, waren jedoch ungeschulte Leute und hatten auch versäumt, ihre Arbeit zu organisieren. So wurde nur wenig ausgerichtet, bis die baptistische Missionsgesellschaft sich der Sache im Jahre 1840 annahm. Auf ihre Veranlassung ging der Missionar John Clarke, dem sich ein in Jamaika tätiger Arzt, Dr. Prince anschloss, nach Westafrika, untersuchte die Küste in der Nähe der Nigermündung und wählte schließlich die Insel Fernando Po zu seiner Niederlassung. Der Ort schien, abgesehen von seiner günstigen und sichern Lage, auch um deswillen besonders geeignet, weil die englische Regierung in Clarence an der Nordseite der Insel seit 1827 eine Flottenstation errichtet hatte, von wo aus die britischen Kreuzer den Sklavenhandel im Busen von Guinea unmöglich zu machen suchten. An demselben Punkte ließen sich die Missionsleute nieder und sammelten aus Sierra Leone-Leuten und andern Kolonisten eine Gemeinde. In dieser Station, die eine Zeit lang in den Missionsberichten eine große Rolle gespielt hat, bis der Fanatismus spanischer Jesuiten ihre Auflösung erzwang, hatte die Baptistenmission ihren Stützpunkt, von dem aus das benachbarte Festland beobachtet, untersucht und mit Missionaren besetzt wurde.

Nachdem die grundlegende Arbeit in Clarence getan war, reisten Clarke und Prince nach England, um den dortigen Missionskreisen Bericht zu erstatten und sie für das neue Unternehmen zu erwärmen. Sie zogen von Stadt zu Stadt und wussten in zahlreichen Versammlungen mit ergreifenden Worten für ihr Werk zu werben. Der Erfolg blieb nicht aus. Als sie im August 1843 wieder von England abfuhren, um über Jamaika nach Fernando Po zurückzukehren, waren in ihrer Begleitung vier neue Missionare mit ihren Frauen, die ihr Leben der Christianisierung Westafrikas geweiht hatten, unter ihnen Alfred Saker und seine jugendliche Lebensgefährtin.

Dieser junge Mann sollte nach der Meinung des Missionskomitees eigentlich der Führer eines Missionsschiffes werden, mit dem man von Clarence aus die benachbarten Küsten des Festlandes zu besuchen gedachte. Seine bisherige Tätigkeit ließ ihn gerade für diesen Posten besonders geeignet erscheinen, während andere für die geistliche Arbeit besser vorbereitet waren. Der Herr der Kirche aber, der so oft die Pläne der Menschen durchkreuzt und sich seine besten Werkzeuge selbst bereitet, hat ihm eine ganz andere Stellung in dieser Mission angewiesen. Er ist sehr bald die treibende Kraft, ja der Führer der westafrikanischen Baptistenmission geworden. Nicht als ob es ihr an tüchtigen Leuten gefehlt hätte. Sie hat eine ganze Reihe trefflicher Männer aufzuweisen: Prince, Merrick, Thomson, Comber, Grenfell, Richardson - das sind lauter Namen von gutem Klang, die in der Geschichte der Kamerunmission nicht vergessen werden sollen. Aber die einen von ihnen sind bald gestorben oder mit gebrochener Gesundheit von diesem Arbeitsfelde gegangen, die Kraft der andern ist hier nicht recht zur Entfaltung gekommen, weil die mit der deutschen Besitzergreifung verbundenen Wirren und die Besetzung eines neuen Missionsfeldes am Kongo ihre Arbeit störten, Saker dagegen ist in der ganzen ersten Missionsperiode von Kamerun auf dem Plane gewesen. Dabei zeigten sich so hervorragende Gaben in ihm und er hat sowohl als christlicher Kulturträger, wie als Glaubensbote so viel gearbeitet, dass seine Persönlichkeit der ganzen Baptistenmission in Kamerun das Gepräge gegeben hat. Die Darstellung der Mission in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens wird ganz von selbst zu einer Biographie A. Sakers. Es dürfte darum angezeigt sein, hier auch mit einigen Zeilen seiner Herkunft zu gedenken.

Bild aus Wikipedia

Monument für Alfred Saker
Limbe

Saker ist einer von den in der englischen Missionsgeschichte häufiger, als bei uns vorkommenden Männern, die erst in reifern Jahren und nachdem sie schon in einem andern Berufe etwas Tüchtiges geleistet haben, in den Missionsdienst getreten sind. Er war bereits verheiratet und hatte eine gute Anstellung im Staatsdienst gefunden, als er dem Rufe, unter die Heiden zu gehen, Folge leistete. Seine Heimat war ein Dörfchen in der Grafschaft Kent, wo er am 21. Juli 1814 als Sohn eines Mühlen- und Maschinenbauers geboren wurde. Obwohl er ein schwächliches Kind und nach der Meinung seiner alten Kinderfrau "das Aufziehen nicht wert" war, führte ihn doch sein Vater, nachdem er die Dorfschule besucht hatte, in seinen eignen Beruf ein. In dieser Zeit ahnte noch niemand seine künftige Bedeutung. Erst als er einmal in Geschäften nach Sevenoaks (Siebeneichen) geschickt und dabei in einer Baptistenkapelle erweckt worden war, regte sich ein stärkeres, religiöses Leben in ihm. Als ein Zwanzigjähriger empfing er die Taufe und war von da an nicht nur um sein eigenes Seelenheil, sondern auch um das seiner Mitmenschen mehr besorgt. An die Stelle des Wissensdurstes, der einst den Knaben beseelt hatte, trat jetzt das Verlangen, dem Herrn zu dienen. Aber zunächst schien es, als sollte das nur neben seinem irdischen Berufe im Heimatlande geschehen. Er wurde in Devonport erst als Zeichner und später als Maschinenbauer für die Admiralität angestellt. In dieser Zeit heiratete er die treffliche Helen Jessup, die nicht nur eine gleichgestimmte Seele, sondern auch in hervorragendem Maße die für eine Missionarsfrau nötigen Charaktereigenschaften besaß.

Als diese beiden eben ihr junges Eheglück genossen, kamen die obengenannten Missionare Clarke und Dr. Prince von Fernando Po, um Mitarbeiter für die westafrikanische Mission zu werben. Saker, der schon lange im stillen den Gedanken an Afrika nachgehangen, ließ sich schnell begeistern und seine heldenmütige, junge Frau war weit entfernt, ihn zu hindern; sie willigte mit Freuden in die Meldung zum Missionsdienst. Im Jahre 1843 brach die schon erwähnte Reisegesellschaft von England auf. Nach einem Umweg über Jamaika, wo man eine Anzahl christlicher Neger, die teils als Evangelisten, teils als Ansiedler mitgehen sollten, an Bord nahm, traf sie anfangs 1844 in Fernando Po ein.

Durch den neuen Zuzug erstarkte die Gemeinde von Clarence und unter der Pflege gleichgesinnter Missionsgeschwister nahm das religiöse Leben einen erfreulichen Aufschwung. Unser Saker war teils mit äußerlichen Arbeiten für die Station, teils mit Erteilung von Schulunterricht beschäftigt. Wohl warf ihn gleich im ersten Jahre das Fieber wiederholt nieder und seine Frau hatte auch viel Schweres durchzumachen, aber sein eiserner Wille bezwang die Schwierigkeiten. So wuchs er in bescheidener Stellung, als ein einzelnes Rädchen im Getriebe des ganzen Werkes, in die Aufgaben des Missionslebens hinein.

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Bethel

Die Verhältnisse von Clarence wurden bald zu eng für die hier vereinigten Missionskräfte, alles drängte auf eine Ausdehnung an der Küste des gegenüberliegenden Festlandes hin. Schon hatte Missionar Merrick, der leider sehr bald starb, in Bimbia an den südwestlichen Ausläufern des Kamerungebirges eine Station gegründet. Als Saker diesen aus Gesundheitsrücksichten einmal besucht hatte und dabei auch ein Stück in den Kamerunfluss eingefahren war, reifte in ihm der Entschluss, in der volkreichen Negerstadt, die er auf dem erhöhten linken Flussufer fand, eine Niederlassung zu errichten. Der Plan fand den Beifall der Brüder und so zog er im Juni 1845, zunächst nur von einem schwarzen Christen Horton Johnson begleitet von Fernando Po ins Kamerun-Flussgebiet hinüber; nach einigen Wochen folgte ihm auch seine treue Lebensgefährtin mit ihrem kleinen Töchterchen. Damit wurde der Grund zu der eigentlichen Kamerunmission gelegt. Nach einem ziemlich erregten Palaver (Verhandlung), in dem sich zwei "Könige" um die Ehre stritten, den weißen Mann in ihrer nächsten Umgebung zu haben, wurde entschieden, dass der Missionar beim König Akwa, der als der angesehenste unter den eingebornen Fürsten galt, wohnen sollte. Hier gründete Saker seine Station, die er Bethel nannte. Das ist Zeit seines Lebens sein eigentlicher Wohnsitz gewesen. Er hat zwar viel herumreisen müssen, teils um verwaiste Stationen vorübergehend zu verwalten, teils um neue Anlagen zu schaffen, wie die Kolonie Viktoria, oder weiter landeinwärts neue Missionsstationen, ganz zu schweigen von den längeren Reisen nach England. Aber sein eigentliches Arbeitsfeld blieb hier am Kamerunfluss, wo er in seiner Abwesenheit von seinem farbigen Gehilfen vertreten wurde. Auch seine Frau blieb fast die ganze Zeit daselbst, einmal sogar während einer längeren englischen Reise ihres Mannes, um die Station in der Wildnis nicht ganz verwaist sein zu lassen. In der ersten Zeit hatte der Missionar für sich und seine Familie nur ein höchst bescheidenes Unterkommen. Ihr Haus war nicht viel besser, als die Hütten der Neger. Aber Sakers fleißige und geschickte Hände schufen bald gesundere und schönere Wohnräume und machten aus Bethel binnen wenigen Jahren einen Arbeitsplatz, der in mehr als einer Hinsicht das Staunen der Eingebornen wie der weißen Besucher erregte.

Es waren im Anfang viele Widerwärtigkeiten zu überstehen. Fieber und andere klimatische Leiden suchten das Missionshaus fast ununterbrochen heim. Aber noch schrecklicher waren die Gräuel des Heidentums, das damals am ganzen Kamerunfluss noch in ungebrochener Kraft stand. Von den endlosen Streitigkeiten und Kriegen, in denen sich die zahlreichen Stämme gegengegenseitig zerfleischten, hatte der Missionar schon bei seiner Ankunft einen kleinen Vorgeschmack bekommen. Er sollte in dieser Hinsicht mit der Zeit viel Schlimmeres erleben. Wiederholt tobte der Kampf zwischen den Schwarzen in allernächster Nähe des Missionshauses, das nur mit knapper Not der Zerstörung entging. Und was für entsetzliche Dinge mussten die Missionsgeschwister fortwährend mit ansehen! Als sie einst von ihrem Hause nach Bellstadt hinübergingen, sahen sie einen Leichnam unbeerdigt am Flussufer liegen, den die Hunde schon angefressen hatten. Es war ein Mann, dessen Heimat am Ufer des Wuri lag. Er war bei einer Bootfahrt ertrunken. Der Missionar bat den König, die Leiche beerdigen zu lassen, aber umsonst. Lachend erwiderte man ihm: "Der Mann gehört ja nicht zu den Dualla," Die Anklagen wegen Zauberei waren damals noch ganz an der Tagesordnung und kosteten vielen Menschen, besonders Frauen, das Leben. Wie oft wurden die Missionsleute durch das Geschrei aus dem Egbo-Hause erschreckt, wo die Eingebornen ihre abergläubischen Gebräuche vornahmen. Da sahen sie wohl, durch die Türe blickend, mehrere angeklagte Frauen, denen Stricke um die Handgelenke gewunden waren, an der Decke des Hauses aufgehängt; dabei hatte man sie am ganzen Körper mit einem giftigen Kraut eingerieben, das einen schrecklichen Hautreiz hervorbringt. Die armen Opfer schrien herzerweichend, aber ihre Peiniger waren durch nichts zu bewegen, sie loszulassen. Erst als die Missionsstation einige Jahre bestand, gelang es in einzelnen Fällen, besonders grausame Ausbrüche des Heidentums zu unterdrücken. So fanden sie z.B. die Sitte vor, dass die Säuglinge regelmäßig mit ihren Müttern lebendig begraben wurden. Es hat viel Überredungskunst gekostet, bis man die armen Kleinen von diesem qualvollen Tode befreite.

Es gehörten starke Nerven dazu, solche und ähnliche Dinge, die in der ersten Zeit nicht zu ändern waren, täglich mit anzusehen, und es bedurfte einer Liebe, die alles trägt und alles hofft, um unter solchen Umständen auszuharren und an der Bekehrung des Volkes zu arbeiten.

Saker war von je ein Mann der praktischen Arbeit gewesen; das kam ihm und der ganzen Mission jetzt sehr zu statten. Die Neger waren zu faul, um für sich etwas zu tun, was über die Nächstliegenden Bedürfnisse hinausging, noch viel weniger waren sie natürlich geneigt, für die fremden Ansiedler zu arbeiten. Der Missionar und seine farbigen Gehilfen aus Jamaika mussten eben selbst zugreifen und froh sein, als der Nachahmungstrieb der Eingebornen ihnen nach einiger Zeit mehrere junge Leute zuführte, die sich anstellen ließen. Der Bau eines besseren Wohnhauses, das zur Schonung der Gesundheit dringend nötig war, brachte für diese seine schwarzen Lehrlinge viel Gelegenheit, etwas Neues zu lernen. Saker zeigte ihnen, wie man mit Säge, Axt und Hobel umgehen müsse, denn diese Werkzeuge kannte am Kamerunfluss bisher niemand. Die im Missionsgehöft gelernten Fertigkeiten wurden dann beim Bau neuer Häuser für den König oder andre Leute, die etwas vorstellten, weiter verwandt und fanden so allmählich weitere Ausbreitung im Volke. Der Missionar half ihnen in freundschaftlichster Weise zur Anschaffung von Werkzeugen, ja er stellte sich zuweilen auch selbst an den Ambos, um Geräte zu schmieden. Weil die landesübliche Bauart den gefräßigen Ameisen die Zerstörung der Häuser so leicht machte, sann der Missionar auf ein widerstandsfähigeres Material. Er fand ein ausgezeichnetes Lehmlager am Fluss und errichtete eine Ziegelei, in der bald viele Tausende von Backsteinen hergestellt wurden. Die daraus ausgeführten Häuser und Kapellen in Bethel und seine Zweigstationen standen Jahrzehnte lang und haben wegen ihrer soliden Bauart in den achtziger Jahren die Bewunderung der deutschen Ankömmlinge erregt. Bei diesen Neuerungen kam es dem Missionar nicht nur auf eine bessere Ausstattung seiner Station an, er war immer auch auf die Einführung neuer Kulturelemente in das rohe Volk bedacht; darum nutzte er bei seinen Arbeiten nicht bloß die Arbeitskräfte der jungen Burschen aus, die sich von ihm anstellen ließen, sondern ließ sich angelegen sein, ihr Lehrmeister zu werden und sie mit Kenntnissen und Fertigkeiten bereichert wieder unter ihr Volk zu schicken.

Um eine bessere Feld- und Gartenkultur am Kamerunfluss hat er sich ebenfalls verdient gemacht. Die Eingebornen lebten in dieser Hinsicht als rechte Naturkinder in den Tag hinein. Sie nahmen fast nur, was die reiche Natur ihnen freiwillig bot. An Feldfrüchten erbauten und sammelten sie nur so viel, als für einen Teil des Jahres nötig war. Hatten sie die Vorräte aufgezehrt, so darbten sie, bis wieder bessere Zeiten kamen. Hier griff Saker ein. Er lehrte sie ein besseres Kulturverfahren und bebaute selbst ein Stück Land als Muster. Mit beträchtlichen Kosten führte er Sämereien von andern Teilen der Küste ein; auch die süße Kartoffel hat er in diese Gegend gebracht und er hatte die Freude, zu sehen, wie sich ihr Anbau allmählich ausbreitete. Ja selbst verschiedene hier nicht vorkommende Sorten fruchttragender Bäume wusste er sich zu verschaffen und zu akklimatisieren.

Das sind ja lauter Dinge, die nicht unmittelbar zur Missionstätigkeit gehören, und es hat auch nicht an Stimmen gefehlt, die geradezu einen Vorwurf für Saker daraus gemacht haben, dass er viel Zeit und Mühe darauf verwandte. Besonders ungehalten waren später einige junge Missionare darüber, die zur Unterstützung des alternden Saker nach Kamerun geschickt wurden. Er musste wiederholt nach England reisen, um die gegen ihn erhobenen Anklagen zu entkräften, einmal erschien auch der Sekretär der Missionsgesellschaft, um an Ort und Stelle die Tätigkeit des alten Praktikus zu beobachten. Das Resultat war jedes Mal seine glänzende Rechtfertigung. Gewiss, auch eine solche Pioniertätigkeit hat ihre Zeit. Sie war in dem späteren Stadium der Mission nicht mehr nötig, als die neuen Glaubensboten schon gute Wohnungen, Gemüsegärten und Baumpflanzungen für ihren Lebensunterhalt vorfanden und eine Menge andrer Europäer sich die kulturelle Hebung des Landes angelegen sein ließ. Aber in der Anfangszeit war ein solcher Mann, wie Saker, von unschätzbarem Werte; er hat tatsächlich allen nachfolgenden Europäern die Wege bereitet.

Es verstand sich für ihn jedoch von selbst, dass er mit dem Hineintragen solcher Kulturelemente ins Duallavolk nur Vorhofsarbeit tat, die keinen Wert gehabt hätte, wenn er nicht zugleich der Überbringer höherer Gaben gewesen wäre. Die Menschen zu Christo zu führen, durch den Glauben ihr Herz und ihre Gesinnung zu verwandeln und auf diese Weise von innen heraus ihr Leben zu heiligen, das ist der Hauptzweck der Heidenmission, dem alle äußerlichen Dinge untergeordnet werden müssen. Saker hat durch die Tat gezeigt, dass er die Duallaneger auch ins Heiligtum zu führen verstand. Vom ersten Sonntage an, den er am Kamerunflusse zubrachte, hat er dem Volke gepredigt. Er durfte gleich im Anbeginn eine schöne Erfahrung machen, von der er hernach lange zehrte. Als er in König Bells Stadt am Flusse die erste Predigt halten wollte, kam wegen der Gleichgültigkeit der Leute keine rechte Versammlung zustande, auch in der benachbarten Joßstadt wollte man nicht ruhig zuhören, umso besser aber fand er es an einem Orte, der etwas abseits vom großen Verkehr im Busche lag. Hier veranstaltete er eine Andachtsstunde, von der er sagt, dass er sie nie vergessen habe. Als er erzählte, warum Christus in die Welt gekommen sei und seine göttliche Macht durch seine Wunder illustrierte, sowie von seiner Liebe sprach, die ihn für uns in den Tod getrieben, war das Erstaunen dieser Leute unbeschreiblich groß. Über hundert Eingeborne, alte und junge, saßen im Kreise vor ihm mit so gespannter Aufmerksamkeit, wie er sie in seiner Heimat niemals besser gefunden hatte. Es lässt sich denken, mit wie dankbarer Freude er diesen ersten Predigttag beschloss.

Diese schöne Erfahrung glich freilich einem vorzeitigen Veilchen, das ein warmer Frühlingstag hervorgelockt hat und hernach wieder unter Schnee und Eis begraben wird. Als die erste Neugierde befriedigt war, kostete es viele Mühe, die Leute nur überhaupt zum Hören der Predigt zusammenzubringen. Es war derselbe Stumpfsinn zu überwinden, wie auf fast allen Missionsfeldern Afrikas. Saker streute jedoch unverdrossen seinen guten Samen aus, wobei ihm die farbigen Gehilfen, von denen nur Johnson, Frazer, Fuller und Georg Nkwe genannt seien, treulich halfen. Er setzte diese in die nahe bei Bethel liegenden andern Hauptplätze, unter denen John Akwastadt, Bellstadt und Hickory als Schul- oder Kapellenorte aus dieser Zeit genannt seien.

Leider konnte er selbst nicht stetig bei dieser Predigt- und Seelsorgearbeit bleiben, weil er infolge vieler Todesfälle in der Mission oft unterwegs sein musste. Gerade als er in Bethel die ersten Früchte reifen sah, war er gezwungen, über ein Jahr lang nach Clarence zurückzukehren, um diese ganz verwaiste Mutterstation zu pflegen. Es sind aus dieser Zeit Briefe erhalten, die er an seine Freunde in der englischen Heimat schrieb und aus denen man ersieht, wie stark er das Gewissen der dortigen

Missionskreise zu Gunsten des, von Missionaren entblößten Arbeitsfeldes anrührte: "O, dass uns Gott doch bald Hilfe senden möchte!" schrieb er.

"Sind denn die Gemeinden so arm an jungen Männern, dass gar keine Arbeiter für Afrika gefunden werden können? Gibt es denn niemand mehr, der sein Leben auch in diesem ungesunden Lande in den Dienst seines Heilandes zu stellen bereit ist? Vergessen unsre frommen Jünglinge denn, dass unser Gott derselbe ist in der Heimat, wie in der Fremde? O, dass der heilige Geist doch die Männer und Mittel senden möchte! Wir müssen sie schleunigst haben. Afrika seufzt nach Befreiung von der Knechtschaft der Sünde."

Der Ruf verhallte nicht ungehört. Bei nächster Gelegenheit kamen junge Ersatzmänner für die verlornen Brüder, sodass Saker sich in Fernando Po freimachen und zum ersten Tauffest nach Bethel hinüberfahren konnte. Es war am 5. November 1849, als der erste Duallaneger in die christliche Gemeinschaft aufgenommen wurde. Der Tag wurde natürlich von Saker und den Seinen als ein besonderer Freudentag gefeiert. Es war wieder einer von den Marksteinen in der Geschichte Kameruns. Diesem ersten Täufling folgten übrigens bald darauf fünf andre, unter denen sich ein eingeborner Prinz befand, den wir später unter dem Namen Thomas Horton als Sakers Gehilfen wiederfinden.

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Bibelübersetzung

Besonderen Fleiß verwandte Saker von Anfang an auf ein gründliches Sprachstudium. Dies verdient besonders hervorgehoben zu werden, weil das in der Regel nicht gerade die starke Seite englischer Missionare ist, zumal in Gegenden, wo viele Eingeborne englisch verstehen, wie es mit der Zeit in Kamerun geschah. Dass die Duallasprache schon um die Mitte unsres Jahrhunderts zur Schriftsprache erhoben worden ist, muss man ausschließlich als sein Werk bezeichnen. Er war unermüdlich im Sammeln von Vokabeln und wie freute es ihn, wenn er beim Verkehr mit den Eingebornen in Augenblicken der Erregung oder des Gerührtseins plötzlich einen Ausdruck hörte, der ihm bisher noch nie zu Ohren gekommen war und den er vielleicht besonders geeignet zur Wiedergabe eines biblischen Wortes fand. Neben den Schulbüchern, die er für den Unterricht in den Schulen der Mission verfasste, hatte er sehr bald eine Bibelübersetzung ins Auge gefasst. Er war der festen Überzeugung, dass er von Gott berufen sei, den Dualla die Bibel in ihrer Muttersprache zu geben und dass er nicht eher sterben oder arbeitsunfähig werden würde, als bis dieses wichtige Werk vollendet wäre. Man kann zweifelhaft sein, ob die Zeit damals schon für eine Bibelübersetzung reif war. Aber abgesehen von allem andern hat gerade diese Arbeit Sakers dazu geholfen, dass das heidnische Idiom der Dualla schon so bald zur christlichen Kirchensprache umgebildet wurde und dass er selbst als Prediger die Sprache der Eingebornen ausgezeichnet handhaben lernte, was man unsres Wissens von keinem der andern Baptistenmissionare in Kamerun, denen allerdings meist nur eine Arbeitszeit von wenigen Jahren vergönnt war, sagen kann. Um ein so schwieriges Übersetzungswerk vornehmen zu können, musste er, der seine Jugend als Maschinenbauer nicht zum Studium theologischer Werke und der alten Sprachen hatte verwenden können, erst sein eigenes Wissen vertiefen. Er ließ sich die nötigen Bücher dazu aus England kommen und ging hernach sogar vielfach auf den Grundtext zurück, damit seine Duallabibel so vollkommen als möglich würde. Um den Leser einige Blicke in die Werkstätte des Bibelübersetzers tun zu lassen, mögen die Worte hier einen Platz finden, die er einmal über die Schwierigkeit einiger alttestamentlichen Stellen geschrieben hat:

"Einige Bücher haben mir große Schwierigkeiten verursacht. In Hesekiel kommen Konstruktionen vor, über die ich mir noch jetzt nicht genügend klar bin, um sie in verständlichen Sätzen wiederzugeben; selbst die englische Übersetzung verstehe ich nicht. Wenn etliche Stellen in der Apostelgeschichte mein Gehirn stundenlang abmühten, so hat Hesekiel mich oft tagelang aufgehalten."

Aber diese Tiefen der heiligen Schrift lagen nicht nur als wissenschaftliche Rätsel vor ihm, sie gaben ihm immer neue Anregung sich anbetend in sie zu versenken. Sehr schön ist ein Bekenntnis von ihm, dass er später, als die Übersetzung noch einmal zu revidieren war, ausgesprochen hat. Da sagt er:

"Die Schriften der alten Propheten haben in den letzten Wochen mein besonderes Interesse erweckt. O, dass ich mehr von ihrem Geiste hätte! Je länger ich diese alten hebräischen Schriften betrachte, desto majestätischer erscheinen sie mir. Bei der Übersetzung musste ich oft anhalten, überwältigt von der Offenbarung."

Diese Übersetzerarbeit beschäftigte ihn bis zum Jahre 1872; da konnte er jubelnd nach England berichten, dass jetzt die Hauptarbeit seines Lebens fertig fei, die ganze Duallabibel. Er selbst hat später noch daran gebessert und andre werden kommen, und allerlei Mängel in dieser ersten Bibelübersetzung nachweisen. Wer die Schwierigkeiten einer solchen Arbeit nur ein wenig kennt, wird das als selbstverständlich hinnehmen. Wenn man mit den angeführten Auslassungen Sakers über die Schwierigkeit gewisser Bibelstellen vergleicht, was Luther gelegentlich über die "Wacken und Klötze" sagt, die ihm bei der Verdeutschung der Bibel so viel zu schaffen gemacht hätten, so wird man schon daraufhin annehmen können, dass die jetzige Duallabibel noch keine Musterübersetzung ist. Die neuesten Urteile sprachkundiger Leute bestätigen das. Aber trotz alledem wird Sakers Verdienst bleiben. Er ist auch auf diesem Gebiet ein Bahnbrecher gewesen.

Eine nicht geringe Arbeit erwuchs dem leistungsfähigen Manne noch aus der Drucklegung. Er hatte sich schon lange eine Druckerpresse von England kommen lassen und in Bethel aufgestellt. Auch zu ihrer Bedienung brauchte er keinen gelernten Drucker aus Europa. Er selbst war der Werkführer und gab seinen schwarzen Gehilfen die nötige Anleitung, Neben der Bibel sind noch eine ganze Reihe von Duallabüchern aus dieser Kamerundruckerei hervorgegangen. Alle von der Baptistenmission gebrauchten Schriften sind mit der alleinigen Ausnahme einer neuen Auflage des neuen Testaments, die Sakers jüngste Tochter 1882 in England besorgte, hier gedruckt worden.

Und das alles leistete der Mann, der in seinen Berichten so oft über das Unzulängliche seiner Kräfte klagte und der wiederholt die Arbeit beiseite legen und nach England reisen musste, um seine durch die häufigen Fieberanfälle geschwächte Gesundheit wieder aufzufrischen! Einer der jungen, ihm beigegebenen Missionare, der eben erst in Kamerun angekommene Peacock beschreibt einmal voller Bewunderung den Tageslauf des unermüdlichen Mannes:

"Mitten unter körperlichen Schwächen und Schmerzen kennt er doch kein Einhalten. Wie ein Uhrwerk ist er Tag für Tag im Gange, um der großen Sache unsres Herrn zu dienen. Ich will nur die Umrisse seiner Arbeit zeichnen. Früh am Tage findet man ihn bei der Übersetzerarbeit. Nach einiger Zeit steht er in der Schmiede und arbeitet am Ambos. Dann kann man ihn in der Druckerei vor dem Setzkasten beschäftigt sehen. Darauf zeichnet er vielleicht Pläne von Arbeiten, die er gefertigt haben will. Nun findet man ihn Wieder am Arbeitstisch, wo er im Hebräischen forscht, um irgendeine wichtige Stelle zu übersetzen, bis er sich aufmacht, um den Eingebornen in ihrer Sprache zu predigen. Es ist mir unmöglich, die verschiedenen Pflichten, die er täglich erfüllt, alle aufzuzählen."

Was aber war der Erfolg dieser angestrengten Missionsarbeit? Man liebt es auch in den Missionsberichten unsrer Tage, den Maßstab der Zahlen anzulegen. Nach diesem gemessen hatte Saker am Abend seines Lebens in Bethel vielleicht nicht so viel erreicht, als seiner aufopfernden Treue zukam. Seine gottesdienstlichen Versammlungen wurden zuletzt von etwa 150 Personen einschließlich der Kinder besucht, und die Zahl der Getauften war nicht sehr groß, wenn auch die Tauffeste in ziemlich regelmäßigen Zwischenräumen wiederkehrten. Aber wer die Erfolge eines Pioniers in der Mission nur mit Zahlen messen will, begeht einen großen Fehler. Als die Hauptaufgabe eines solchen ist es anzusehen, dass er das Heidentum unterminiert und eine christliche Atmosphäre um sich zu schaffen sucht. Dass dies unserm Saker in seiner Umgebung am Kamerunfluss gelungen ist, lässt sich an manchen Beispielen erkennen. Eine seiner größten Errungenschaften war die Abschaffung der heidnischen Mysterien mit der Schreckensherrschaft, die sie auf die ganze Bevölkerung ausübten. Die bei ihnen gebrauchten Werkzeuge wurden eines Tages im Missionshaus abgeliefert, in Kisten verpackt und nach England verschickt, sodass fortan niemand mehr durch sie beunruhigt werden konnte. Der Einfluss der Mission auf die Volkssitte am Kamerunfluss war unverkennbar. Die unter den Heiden üblichen Grausamkeiten wurden, wenn auch noch nicht ganz beseitigt, so doch wesentlich gemildert. Wie vielen Sklaven haben die Missionare das Leben gerettet, wie manches kleine Kind vor dem lebendig Begrabenwerden bewahrt. König Akwa ist zwar nicht Christ geworden, aber er zeigte sich doch immer willfähriger, wenn von Seiten der Missionare die Forderungen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit geltend gemacht wurden. Als ein Zeichen für das Durchdringen christlicher Ideen ist es auch anzusehen, dass die Dualla nach einer Volksversammlung nur dann einen Beschluss zur Ausführung brachten, wenn die Christen in der Gemeinde auf Seiten der Majorität gewesen waren.

Wir sind mit dieser Schilderung den Ereignissen in den andern Teilen der Kamerun-Mission vorausgeeilt. Man würde der Wirksamkeit Sakers nicht gerecht werden, wollte man nur von dieser einen Station reden. Neben Bethel kehrt in den alten Missionsberichten immer der Name von Viktoria wieder und auch diese Niederlassung hat der Pioniermissionar ins Leben gerufen.

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Victoria

Wir haben oben gesehen, wie Clarence auf Fernando Po zu einer Pflanzstätte christlichen Lebens geworden war. Es ahnte damals niemand, dass diese evangelische Gemeinde nur wie ein leuchtendes Meteor am nächtlichen Himmel vorüberziehen sollte. Einige Jahre nach ihrer Gründung machte die spanische Regierung, die sich eine Zeit lang gar nicht um die Insel gekümmert hatte, wieder ihre Besitzrechte geltend und schon damals wurde der evangelischen Mission angedeutet, dass sie sich würde zurückziehen müssen. Es vergingen aber weitere zehn Jahre, in denen sich die Gemeinde noch in Frieden bauen konnte. Doch das Verhängnis nahte. Im Jahre 1858 kam ein neuer Gouverneur und mit ihm sechs spanische Jesuiten, diese Wölfe in Schafskleidern, die so oft schon zerstörend in die evangelische Mission eingebrochen sind. Auf ihr Betreiben wurde der öffentliche evangelische Gottesdienst untersagt. Saker eilte herbei, um womöglich den vernichtenden Schlag abzuwenden. Aber umsonst. Er musste in einer letzten Versammlung unter freiem Himmel den Pfleglingen der Mission die Eröffnung machen, dass für die evangelische Gemeinde hier nichts mehr zu hoffen sei. Zugleich aber unterbreitete er den Versammelten den Vorschlag, sie auf das Festland hinüberzuführen und ihnen zu einer Niederlassung behilflich zu sein, wo sie auf freier Scholle sitzend, ihrem Gott dienen könnten, ohne den jesuitischen Fanatismus fürchten zu müssen. Der Plan ward mit Freuden begrüßt. Saker ging sogleich auf die Suche nach einem geeigneten Platze und fand einen solchen an der Ambasbai im Gebiet des Königs William von Bimbia, der schon lange freundschaftliche Beziehungen zur Mission unterhielt. Saker bewies auch bei der Auswahl dieses Platzes wieder sein großes Pfadfindergenie. Eine geschützte Bucht gewährte guten Ankergrund und die bis dicht ans Meer herantretenden Ausläufer des Kamerungebirges ließen eine gesunde Lage erwarten. Der fruchtbare Boden und der Reichtum an fließendem Wasser - alles das kam zusammen, um den Ort so einladend wie möglich erscheinen zu lassen. Nachdem Saker einen großen Landkomplex vom König William erworben hatte, ging er mit einer Anzahl zuverlässiger Männer aus Bethel dahin ab. Sie nahmen mit Gebet das Land in Besitz und nannten es zu Ehren der englischen Königin Viktoria. In leichtgebauten Hütten wohnend richteten sie den Platz zu; sie rodeten den Urwald aus, schafften die Steine aus dem Wege, legten Straßen an, grenzten Gehöfte ab, bauten Häuser und Häuschen, kurz, sie bereiteten alles zum Empfang der Gemeinde vor, die um ihres Glaubens willen von Fernando Po weichen sollte. Als der Tag der Übersiedelung kam, erlebte Saker eine rechte Enttäuschung. Der Eifer der schwarzen Christen, in die angebotene Freistätte zu kommen, war sehr abgekühlt. Viele hatten gutbezahlte Stellungen bei den Spaniern auf der Insel gefunden, andre wollten ihre Handelsbeziehungen nicht aufgeben, kurz, es war nur ein Teil von ihnen zu bewegen, von der durch den fürsorglichen Missionar geschaffenen Wohltat Gebrauch zu machen. So sing das groß angelegte Unternehmen in Wirklichkeit recht bescheiden an und erst nach und nach wurden die vielen Bauplätze und weiten Straßen von Viktoria mit Ansiedlern besetzt. Saker war von Anfang an darauf bedacht, der Kolonie durch gesetzliche Ordnungen ein freiheitliches und christliches Gepräge zu geben. Unter den festgelegten Grundsätzen stand der oben an, dass Viktoria "eine Zufluchtsstätte sein solle für die, welche nicht bleiben können, wo Freiheit des Gottesdienstes verweigert wird und ein Heim für alle diejenigen, die in Frieden mit uns leben wollen. Völlige Freiheit in allem, was sich auf die Anbetung des wahren Gottes bezieht, soll hier herrschen; das Wort Gottes wird als die Grundlage aller unsrer Gesetze und als Richtschnur unsres Lebens anerkannt." Im weitern Verlauf der Stationsordnung wird der Sonntag als Ruhetag erklärt; der Handel ist frei mit alleiniger Ausnahme von Spirituosen, die nur als Arzneimittel geduldet werden. Die Regierung liegt in den Händen der Missionsgesellschaft oder eines von ihr zu ernennenden Gouverneurs und eines Rates von zwölf Männern, von denen sechs vom Gouverneur zu ernennen, die andern von den Hausbesitzern der Kolonie zu wählen sind.

Viktoria vom Strand gesehen

Alle diese Ordnungen waren sehr schön gedacht und wurden zum größten Teil auch in die Wirklichkeit übertragen, aber die Schwäche, zum Teil wohl auch die Bosheit der Menschen haben das Ideal, welches dem Gründer vorschwebte, nicht erreichen lassen. Viktoria hat die großen Hoffnungen nicht erfüllt, die man anfangs hegte. Es scheint, als ob die zur Führung der Gemeinde eingesetzten Männer den Negern zu viel zugetraut und ihnen zu viel Selbständigkeit eingeräumt hätten. Saker hatte ursprünglich darauf gerechnet, dass die englische Regierung die Kolonie unter ihren Schutz nehmen und für eine gute christliche Verwaltung sorgen würde. Sein Wunsch ging aber nicht in Erfüllung. Erst im Anfang der achtziger Jahre, als die kolonialen Erwerbungen und die Eifersucht zwischen Deutschen und Engländern einen stärkeren Druck ausübten, wurde Viktoria eine Zeit lang zum Zankapfel der beiden Mächte. In den ersten zwanzig Jahren blieb es sich selbst überlassen. Nur die ersten Anfänge leitete Saker selber. Als er 1853 nach Bethel zurückkehrte, betraute er den Missionar Diboll mit der Leitung des Gemeinwesens. Es war demselben aber nur kurze Zeit hier zu wirken vergönnt. Im Jahre 1864 kam, wohl mit Rücksicht auf das böse Klima, ein Westinder namens Pinnock, an seine Stelle. Viktoria nahm unter ihm in mancher Hinsicht einen guten Aufschwung. Das Kirchlein sah immer zahlreiche Versammlungen; der tägliche Schulunterricht, gleichwie die Sonntagsschule erfreuten sich guter Benutzung; auch in der Umgegend wurde fleißig gepredigt, wobei der erste Gehilfe Sakers, Horton Johnson, treffliche Dienste leistete. Aber es trat hier, wie an so mancher andern Stelle der von Engländern geleiteten Missionen an der Westküste Afrikas zu tage, dass es nicht gut getan ist, den farbigen Gehilfen eine Verantwortliche Stellung ohne ständige Aufsicht eines weißen Missionars zu übertragen, solange sie nicht ganz bewährt sind, Pinnock kam zu Falle und musste wegen Sünden gegen das sechste Gebot entlassen werden und auch von den Gemeindegliedern waren beim Offenkundigwerden dieses Schadens viele in Kirchenzucht zu nehmen. Unter seinem Nachfolger, dem trefflichen Missionar Thomson, einem Schwiegersohn Sakers, wurde alles getan, die böse Geschichte in Vergessenheit zu bringen. Seitdem lauteten die Berichte von der Station wieder gut. Als beim Beginn unsrer Kolonialära die neue Zeit für das Kamerungebiet anbrach, wurde die Schule in Viktoria von 120 Kindern besucht; die Kirche, in der 300 Personen sitzen konnten, war beim Gottesdienst gewöhnlich gefüllt.

Blick von der Lossplatte auf Viktoria

Den Gesamteindruck, den in dieser Zeit die Station machte, mag uns ein gänzlich unbeteiligter Berichterstatter, der deutsche Forschungsreisende Dr. B. Schwarz schildern. Er hielt sich bei seinen Reisen in Kamerun vorübergehend hier auf und schreibt in seinem bekannten Reisewerke über die Missionsniederlassung:

"In einem Naturpark, wie ihn die fruchtbarste Phantasie nicht reicher erfinden könnte, liegen rechts und links die schmucken Häuschen, aus denen die neugierigen Schwarzgesichter herauseilen, uns mit einem freundlichen "good evening" (guten Abend) zu begrüßen, das aus Kindermund doppelt anheimelnd klingt. Auf einem Hügel am Strande steht die zwar des Turmes entbehrende, im Übrigen aber auffallend stattliche Kirche. Dicht daneben, mit vollem Meeresblick, seitwärts von einem tiefen Tälchen begrenzt, das Missionshaus selbst mit großen blinkenden Fenstern und weiten, eleganten Gemächern, die schönste aller Wohnungen, die ich in Westafrika sah. Als wir von der luftigen Höhe des Missionshauses wieder hinabstiegen, erklang gerade das Abendglöcklein, in so fernem, wildem Lande doppelt ergreifend und aus den versteckten Palmwaldtälern des Kamerungebirges schallte als Antwort ein leises, summendes Echo, wie ein Unterpfand dafür, dass, wenn auch spät, doch auch in diese entlegene und schwer zugängliche Wildnis die christliche Kultur eindringen wird."

Es würde zu weit führen, wollten wir näher auf alle einzelnen Stationen eingehen, die in dieser Zeit unter Sakers Anleitung und Oberaufsicht entstanden sind. An Stelle des schon vor seinem Eintreffen am Kamerunfluss gegründeten Bimbia, das bald wieder aufgegeben wurde, entstand weiter oben im Gebirge das unter den wilden Bakwiri gelegene Bondjongo. Auch südlich vom Kamerunfluss in der Nähe der Sanagamündung wurde eingesetzt. Hier ward in Malimba eine Schule eröffnet, dann ein eingeborner Prediger Dibundu stationiert. Die Früchte seiner Missionstätigkeit reiften aber erst später. Im Jahre 1877, als Saker schon in seine englische Heimat zurückgekehrt war, wurden die ersten Eingebornen dort getauft. Eine weitere Station wurde stromaufwärts am Wuri im Abolande gegründet, aber bei nachfolgenden Kriegsunruhen wieder gänzlich zerstört.

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Bakundu ba Namwili

Wir müssen uns bei diesen Niederlassungen mit der bloßen Namensnennung begnügen. Nur der am weitesten ins Inland vorgeschobenen Station Bakundu ba Namwili soll etwas ausführlicher Erwähnung getan werden, um zu zeigen, wie weit in dieser ersten Missionsperiode Kameruns die Besetzung des Landes gediehen war und wie es auf einem solchen Vorposten im Busch aussah. Wir greifen hierbei allerdings schon etwas über Sakers Zeit hinaus. Sein Schwiegersohn Thomson und der durch seine Reisetätigkeit besonders ausgezeichnete Missionar Comber, der später am Kongo wirkte, sind als die eigentlichen Gründer der Station anzusehen. Sie liegt am mittleren Laufe des Mungoflusses östlich vom Kamerungebirge und ist Wohl 100 Kilometer von Bethel entfernt. Es kostete viele Mühe und Selbstverleugnung, ehe es den Missionaren gelang, dort unter einem vom Christentum noch ganz unberührten Volke festen Fuß zu fassen. Man scheute sie aber nicht, denn Bakundu ist ein wichtiger Mittelpunkt des Verkehrs. Um des Handels willen finden sich häufig Fremde dort ein, die viele Tagereisen weit herkommen. Wenn man diese zur Teilnahme am Gottesdienst bewegen kann, ist das ein bequemes Mittel, die Samenkörner des Evangeliums weithin ins finstre Land zu streuen. Im Jahre 1879 siedelten zwei farbige Missionare mit ihren Frauen von Viktoria aus nach Bakundu ba Namwili über. Der eine von ihnen musste jedoch krankheitshalber wieder weggerufen werden, der andre aber, Richardson mit Namen, hat viele Jahre auf dem einsamen Posten gestanden. Sein Wirken war nicht vergeblich. Nachdem er erst unter der Feindseligkeit und Habsucht der Eingebornen viel gelitten, gewann er doch nach und nach ihr Zutrauen und konnte sie auch zum Hören der Predigt bewegen. Ja es gelang ihm sogar, die Sonntagsstille durchzusetzen. Es klingt echt afrikanisch, was seine Berichte davon erzählen. Damit die Leute erfuhren, wann der Sonntag wiederkehrt, blies Richardson am Freitag Abend auf seiner Trompete und mahnte die Leute, am nächsten Tage genügende Nahrungsmittel von der Plantage mit heimzubringen. Am Sonnabend aber ging der König oder einer seiner Großen durch die Straßen des Ortes und rief aus: "Morgen ist der Tag Gottes." Anfangs wollten nicht alle Eingebornen den Tag feiern, aber der Landesherr, der große Stücke auf Richardson hielt, setzte eine hohe Buße fest, mit der die Sonntagsarbeit bestraft werden sollte. Das half. Man darf ja auf einem so weit vorgeschobenen Posten, der ohne allen Zusammenhang mit andern Stationen im Heidenlande liegt, nicht schnelle und große Erfolge erwarten. Die Keime des christlichen Glaubens, die sich etwa in einzelnen Herzen regen, kommen schwer zur Entfaltung, weil sie unter der erdrückenden Macht des umgebenden Heidentums leiden. Dass aber Richardson in Bakundu nicht vergebens gearbeitet hat, bezeugt unter andern wieder Dr. Schwarz, der einige Tage bei ihm zu Gaste war. Er hat der Station mehr als 30 Seiten seines Reisewerkes gewidmet. Was er da über das Wirken des Missionars und seiner Frau, über den sittigenden Einfluss der Missionsniederlassung auf die ganze Umgebung, sowie über einen der wenigen Bekehrten zu berichten fand, der sich sehr zu seinem Vorteil von den Heiden abhob, das hat ihm das Herz für diesen weit vorgeschobenen Vorposten der christlichen Kirche im Heidenlande abgewonnen. Es mögen hier nur die Worte Platz finden, mit denen er die Beschreibung eines Sonntagsgottesdienstes beschließt. Nachdem er von den guten Ermahnungen und milden Tröstungen der Predigt gesprochen, fasst er den Gesamteindruck zusammen wie folgt:

"Draußen der unermessliche, wilde Urwald, eine Scheidewand zwischen uns und der Kultur, und die fremde Stadt, die noch keinen Raum hat für das nahende Heil. Und doch hier im ärmlichen Gemach, das Wohl kaum besser, als einst der Stall in Bethlehem, auch schon, wenngleich noch in den Windeln, in den ersten Anfängen, mitten unter den staunenden Schwarzen, die welterlösende Botschaft von einer ewigen Gottesliebe und einer unvergänglichen Menschenseele, zur Zeit nur erst ein kleines, schwaches Kindlein, und trotz der unscheinbaren Hülle dennoch eine Macht, die dereinst auch hier die Nacht in Tag verwandeln, auch diese wilde Welt voll Blut und Schrecken überwinden wird, dass Zucht und Sitte, Treue und Glauben, Arbeit und Tüchtigkeit einkehren und Friede sei und den Menschen ein Wohlgefallen."

So stand es in der Baptistenmission, als die Deutschen nach Kamerun kamen. Saker war damals schon nicht mehr unter den Lebenden. Er hatte 30 Jahre unter der Glutsonne Afrikas gewirkt, ein ganz seltener Fall an der fieberreichen Küste, Endlich aber brach auch seine zähe Natur zusammen. Die Neger nannten ihn zuletzt nur noch "den Schatten", so sehr war seine Gestalt verfallen. Was die mittelalterliche Legende vom heiligen Nikolaus v. d. Flühe berichtet, dass er infolge seiner Askese so abgemagert gewesen sei, dass die Sonnenstrahlen durch ihn hindurchgegangen wären, das würden wir, wenn wir Missionsberichte nach katholischem Rezept verfassten, auch von dem abgearbeiteten Saker sagen. Er kehrte im Dezember 1876 nach England zurück, ließ aber, gleichsam als Ersatz für seine der Mission verlorne Kraft eine seiner Töchter als Missionarsfrau in Kamerun und eine andre wurde wenige Jahre später als Lehrerin wieder dahin gesandt. Auch in der Heimat hörte der ehrwürdige Veteran nicht auf, für die ihm ans Herz gewachsene Mission zu wirken. Bei der letzten Gelegenheit, wo er öffentlich redete, in einer Versammlung zu Glasgow rief der müde Greis noch einmal mit flammender Begeisterung aus:

"O, dass ich noch ein Leben hätte, um nochmals nach Afrika hinauszuziehen!"

Bald darauf, am 13. März 1880, ist der treuverdiente Knecht Gottes sanft entschlafen unter den Händen seiner Frau, die das schwere Tagewerk mit ihm geteilt hatte und hochgeehrt von allen, die ihn kannten.

Ein schönes Denkmal, dauernder als Stein und Erz, setzte ihm das dankbare Afrika. Als die Todesnachricht an den Kamerunfluss kam, war die Trauer bei Christen und Heiden groß. König Akwa aber, der die Kunde gerade auf einer Reise empfing, fühlte sich gedrungen, jetzt einen Lieblingswunsch Sakers zu erfüllen, den er ihm bei Lebzeiten immer noch schuldig geblieben war. Er ordnete nach der Rückkehr in seine Stadt an, dass an Sonntagen keine Arbeit mehr verrichtet werden sollte. Mit den 8. Mai 1880 wurde der Anfang gemacht. Da war beim Gedächtnisgottesdienst die Kapelle überfüllt und viele mussten draußen vor der Türe und den Fenstern stehen. Seitdem ist die Sonntagsfeier eine stehende Einrichtung am Kamerunfluss geworden.

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Abschließendes Urteil zu Saker

Es ist nicht ganz leicht, zu einem zuverlässigen, abschließenden Urteil über die kurz nach Sakers Tod abschließende erste Periode der Kamerunmission zu kommen. Die englischen Stimmen reden fast alle in den höchsten Tönen lobender Begeisterung davon, während man in der deutschen Kolonialliteratur hin und wieder recht absprechenden Urteilen begegnen kann. Letztere sind allerdings so unverkennbar von der nationalen Eifersucht beeinflusst, dass man wenig auf sie geben kann. Die deutschen Missionsstimmen stehen etwa in der Mitte zwischen beiden. Der Person Sakers aber spenden alle ohne Unterschied das wärmste Lob. Es mögen hier zum Schluss einige Urteile über ihn und seine Werke stehen, die wir so gruppieren, dass zuerst die äußeren Errungenschaften der Mission, zuletzt die geistlichen Erfolge Erwähnung finden.

Der wiederholt zitierte Forschungsreisende Dr. Schwarz, der unmittelbar nach der deutschen Besitzergreifung am Kamerunfluss weilte, macht auf den Unterschied zwischen Christen und Heiden in den sogenannten Kamerunstädten aufmerksam. Er schreibt:

"Es gibt da Häuser, die sich vornehm von den andern abgesondert haben. Sie besitzen richtige Wände von Holz oder gar aus Backsteinen, sowie Türen und Fenster. Fragt man aber, wer die Eigentümer sind, so heißt es immer: "Christen, Leute von der Mission." Wie unschön erscheinen daneben die andern Wohngebäude, die nichts als dunkle Schuppen sind, nur mit einer Türöffnung versehen. Eine ähnliche scharfe Scheidung wie unter den Bauwerken macht sich auch bezüglich der Menschen selbst geltend. Man sieht nicht wenige, die in den anständigsten Anzügen einhergehen und namentlich Weiber, deren einfache, aber saubere Kattunkleider bis zum Halse hinanreichen. Fragt man aber, wer diese Leute sind, so lautet die Antwort wiederum: "Christen, Leute von der Mission." Das ist gewiss bemerkenswert, wenn auch wirklich das Christentum dieser Menschen eine innere, sittliche Wirkung noch nicht gehabt hat."

Ein andres Urteil, das des deutschen Kaufmanns Thormählen aus der Kolonialzeitung vom Jahre 1884 geht schon mehr auf die Verwandlung der Denkweise bei den Dualla ein. Es lautet:

"Der Tätigkeit der baptistischen Missionsgesellschaft gebührt das Verdienst, die Leute zu humaneren Ansichten bekehrt zu haben. In der uneigennützigsten, aufopferndsten Weise hat ohne Zweifel der verstorbene Rev. Alfred Saker nach dieser Richtung gewirkt, welcher wohl nahezu 40 Jahre seines Lebens diesem schönen Zwecke gewidmet hat. Dem Einfluss des alten Saker ist es auch zuzuschreiben, dass heute die Akwa bei weitem humaner gesinnt sind, als alle übrigen ihres Stammes."

Was insbesondere die persönliche Wirksamkeit Sakers angeht, so hat Dr. Livingstone, gewiss ein kompetenter Beurteiler, über den in der Vollkraft seiner Jahre stehenden Missionar geäußert:

"Alles in allem, besonders wenn man seine Vielseitigkeit ins Auge fasst, ist das Werk Alfred Sakers in Kamerun und Viktoria meinem Urteil nach das bemerkenswerteste an der afrikanischen Küste."

Zur Begründung dieses Urteils, das natürlich nach den Zeitumständen, unter denen es abgegeben ist, verstanden sein will, seien hier noch einige Zeilen aus einem Bericht des Sekretär Underhill nach seiner Kameruner Visitationsreise angeführt. Er erkennt die gesegnete Wirksamkeit des Missionars in König Akwas Stadt

"in der Abschaffung der blutigen Unsitten, die früher herrschten; in dem augenscheinlichen Verfall des Aberglaubens, in dem Einfluss des Missionars bei den Ratsversammlungen der Häuptlinge, in dem zahlreichen Besuch des Hauses Gottes, in der Achtung, welche der Missionar und die Bekehrten genießen und in dem Verlangen des Volkes nach Belehrung."

Zum Schluss möge hier ein Stück aus dem Nachruf stehen, den die Missionsgesellschaft dem Heimgegangenen in ihrem Monatsblatte gewidmet hat, wobei Sakers ganze Wirksamkeit noch einmal in kurzen Zügen an uns vorüberzieht:

"Er hat unter sehr schwierigen Verhältnissen die Mission auf das Festland hinübergetragen, die Eingebornen dahin gebracht, dass sie viele ihrer blutigen und schrecklichen Sitten preisgaben und mit Gottes Hilfe die Kirche Jesu Christi in ihrer Mitte gepflanzt, und ihnen allezeit die Gnade und die versöhnende Liebe des Herrn bezeugt. Er arbeitete mit seinen eigenen Händen, um sie zu unterweisen und durch sein Beispiel zu ermutigen, dass sie sich die Gaben der Zivilisation erwürben. Er bemeisterte ihre Sprache und erhob sie zur Schriftsprache; die Herausgabe von Schulbüchern und grammatischen Lehrbüchern ist sein Werk, das er mit der Übersetzung und dem Druck der ganzen Bibel krönte. Als die Mission durch die Römischen von Fernando Po verdrängt wurde, erforschte er die benachbarte Küste und gründete die Kolonie Viktoria an der Ambasbucht, wo die in Clarence gesammelte Gemeinde ein Asyl finden sollte und einen Platz, an dem sie unbelästigt ihrem Gott dienen könnte ohne Gewissensbedrückung und im Vollgenuss ihrer persönlichen Rechte und Freiheiten. Bei aller Bedrängnis nahm er seine Zuflucht zu dem Gnadenthron und bei aller Anfechtung fasste er seine Seele in Geduld. In allen Kämpfen bewahrte er sich als ein guter Streiter Jesu Christi. Er war getreu bis an den Tod. Sein ganzes Leben war von dem Psalmwort getragen, dass er in seiner letzten Stunde wiederholte: 'Denn du bist bei mir.' Was er war, das war er durch Gottes Gnade. Für sein teures Leben, seinen heroischen Opfersinn und sein gesegnetes Beispiel preisen wir die Hand des Herrn, der ihn uns gegeben hat."

So hat man dem Begründer der Kamerunmission in seiner englischen Heimat gedankt. Bei uns in Deutschland soll aber sein Name nicht weniger in Ehren gehalten werden, denn unsre Landsleute, Missionare sowohl wie Kolonisten, dürfen jetzt ernten, wo dieser selbstlose edle Mann zuerst den Acker bestellt hat.

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3. Kamerun als deutsche Kolonie

Stehe auf Nordwind und wehe durch meinen Garten, dass seine Würze triefen. Hoheslied 4,16.

Der Herr der Kirche hat einst gesagt: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt". Er erklärte damit, weshalb seine Jünger nicht mit irdischen Waffen für ihn und seine Sache kämpften. Im Gedenken an dieses Wort vermeidet es die evangelische Mission, sich weltlicher Machtmittel zur Erreichung ihrer Zwecke zu bedienen, ja sie hütet sich geradezu ängstlich vor der Verquickung ihrer geistlichen Aufgaben mit weltlichen Dingen. Sie möchte auf keinen Fall in diesen Grundfehler der römischen Kirche verfallen, die damit im Laufe der Zeiten, wie die Kirchengeschichte lehrt, der wirklichen Ausbreitung des christlichen Glaubens so sehr geschadet und so viele schlechte Erfahrungen gemacht hat, ohne doch dadurch etwas gelernt zu haben. In der römischen Propaganda scheint man sich eine Bekehrung der Völker ohne weltliche Machtmittel gar nicht denken zu können. Ihre Sendboten greifen begierig danach, wo sie sich ihnen nur bieten. So tat es der erste Jesuitenmissionar Franz Lavier in Indien, so tun es heutigen Tages die Jesuiten in Madagaskar. Der evangelischen Mission ist dagegen ein gewisser weltflüchtiger Zug eigen. Aber ihr Herr, der die Geschicke der Kirche lenkt und sein Reich baut in aller Welt, weiß auch die Weltmächte seinen Zwecken dienstbar zu machen.

Man hat unser Jahrhundert ein Missionsjahrhundert genannt, weil die Heidenmission in ihm so viele neue Wege zu den vorher unbekannten oder verschlossenen Heidenvölkern gefunden hat. und die Christenheit auch viel rühriger geworden ist, ihnen das Evangelium zu bringen. Es lassen sich manche religiöse und kirchengeschichtliche Gründe für diese Tatsache anführen, aber es ist doch sicherlich auch nicht zufällig, dass dieses gegenwärtige Jahrhundert gerade eine Zeit großer technischer und kultureller Fortschritte und einer überraschend schnellen Erschließung der bisher als "unerforschtes Gebiet" bezeichneten Stellen auf unsren Landkarten gewesen ist, Eisenbahnen und Dampfschiffe, Telegraphenlinien und überseeische Kabel, geographische Forschung und Welthandel - das alles sind Faktoren, die auch der Ausbreitung des Reiches Gottes zu Gute kommen, ja, wer die zeitlichen Dinge im Lichte der Ewigkeit anzusehen gewöhnt ist, kann nicht im Zweifel sein, dass diese Fortschritte der Menschheit im letzten Grunde dazu gegeben sind, damit das Wort Gottes schneller laufe und der Tag immer näher komme, wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker.

Die weltlichen Mächte müssen, wenn auch unbewusst, dem Reiche Gottes dienen. Das gilt auch von den Kolonialbestrebungen unsrer Tage. In diesem Lichte angesehen kann man sogar der hässlichen Ländergier der europäischen Völker und ihren mit so viel unliebsamen, ja oft geradezu unchristlichen Dingen verknüpften Wettbewerb bei der Besetzung der "herrenlosen" Gebiete von Afrika eine gute Seite abgewinnen. Als auf dem Berliner Kongress Afrika verteilt ward, sah das kundige Auge, das zwischen den Zeilen der Weltgeschichte den Fortgang der Geschichte des Reiches Gottes zu lesen versteht, bereits die Förderung kommen, die der Mission daraus erwachsen sollte. Jetzt wird es auch den weniger scharfen Augen offenbar. Es sind inzwischen viele neue Türen aufgetan und manche schlummernden Missionskräfte geweckt worden. In einem christlichen Volke füllte die Kolonialpolitik ganz von selbst zu einer Hilfsmacht des Evangeliums werden. Leider ist diese Forderung nicht immer von den europäischen Kolonialmächten erfüllt worden. Die Geschichte der kolonialen Bestrebungen während des Übergangs vom Mittelalter zur neueren Zeit, besonders bei den Spaniern und Portugiesen, hat viel mehr dunkle als lichte Blätter zu verzeichnen; die damaligen Kolonisatoren haben wegen ihres unchristlichen Verhaltens meist den Fluch der durch sie eroberten Völker geerntet. Nun ist Deutschland auch eine Kolonialmacht geworden. Wie nimmt sich der bisherige Verlauf unsrer Kolonialgeschichte im höheren Lichte aus, speziell die von Kamerun? Hat die deutsche Besitzergreifung das dunkle Land und Volk, das eben erst die Morgenröte des Heils aufgehen sah, dem Reiche Gottes näher gebracht? Hat sie die gute Saat gefördert, die von A. Saker und seinen Mitarbeitern auf dem jungfräulichen Boden ausgestreut war?

Als der deutsche Adler in den Gewässern von Kamerun erschien und bald darauf die schwarz-weiß-rote Flagge als Zeichen der Schutzherrschaft inmitten der Handelsfaktoreien bei Akwastadt und Joßstadt flatterte, da brach eine neue Zeit für diesen Winkel des dunkeln Erdteils an. Der Herr der Welten gab die Losung aus: "Stehe auf, Nordwind, und wehe durch meinen Garten!" Und siehe da, der Nordwind wehte ins südliche Land hinein. Wie wenn in schwülen Sommertagen die Wolken sich ballen.

Blitze zucken und der Gewittersturm daherbraust, zwar mit zerstörender Gewalt, aber auch die Luft reinigend und von fruchtbarem Regen gefolgt, so ist die deutsche Kolonialmacht in Kamerun auf den Plan getreten. Es war nach dem Urteil aller, die damals unter den Duallanegern lebten, eine förmliche Gewitterschwüle im Lande, hervorgerufen durch Gewalttaten und Kämpfe der Eingebornen, Eifersuchtszenen unter den Weißen und allerlei Misshelligkeiten zwischen beiden. Der Baptistenmissionar Grenfell, einer der tüchtigsten unter Saters Nachfolgern am Kamerunfluss, führte schon im Jahre 1878 bei Gelegenheit eines Berichtes an seine Gesellschaft bittere Klage über diese eigentümliche Schwierigkeit des Missionsfeldes. Da kam die deutsche Besitzergreifung wie ein reinigendes Gewitter über das Land. Zuerst, als wir nur das schwere Wetter sahen und die grausige Zerstörung, die von den deutschen Waffen angerichtet wurde, überkam ein Schrecken die Missionskreise jenseits wie diesseits des Kanals. Es wurde in ihnen wiederholt der Wunsch laut, dass doch dieser Nordwind niemals in die Gefilde von Kamerun gesandt worden wäre. Aber jetzt, nachdem sich das verderbliche Wetter verzogen, können wir doch auch einen Gewinn feststellen, den das Land und die Mission davon gehabt hat.

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Geschichte

Lassen wir zuerst einmal die wichtigsten Ereignisse in ihrer geschichtlichen Folge an uns vorüberziehen.

Bald nachdem die ersten Missionare als Pioniere in das Kamerun-Flußgebiet vorgedrungen waren, siedelten sich auch Kaufleute dort an. Es waren zunächst nur Engländer. Seit dem Jahre 1875 kamen einige deutsche Handelshäuser dazu, zuerst C. Wörmann, dann Jantzen und Thormählen. Diese beiden Hamburger Firmen erlangten bald das Übergewicht im Tauschhandel, zumal da sie neben den Faktoreien am Kamerunfluss auch eine Anzahl Zweigniederlassungen in Victoria, Bimbia, Hickory, Malimba, Kleinbatanga u.s.w. errichteten. Der geordnete Handel litt aber sehr unter den unsicheren politischen Verhältnissen, besonders den fortwährenden Stammesfehden der Eingebornen. Es ließ sich zwar hin und wieder ein Schiff der englischen Marine vor der Flussmündung sehen, auch empfingen die englischen Kaufleute von Zeit zu Zeit den Besuch ihres auf Fernando Po residierenden Konsuls, den deutschen Handelshäusern half das aber nichts. Letztere machten im Jahre 1874 zum ersten Male den Versuch, in Berlin die Ernennung eines deutschen Konsuls durchzusetzen, jedoch vergebens. Es vergingen noch volle 10 Jahre, in denen der Handel zwar gute Fortschritte machte, aber auch die Schwierigkeiten wuchsen. Zu den früheren Unzuträglichkeiten kam jetzt noch das immer drückender empfundene Handelsmonopol der Duallaneger, die den direkten Verkehr der Kaufleute mit den Inlandstämmen zu verhindern wussten und die immer wachsende Gereiztheit zwischen den Deutschen und Engländern. Unter diesen Umständen versuchten es die Hamburger Kaufleute noch einmal, den Schutz der deutschen Regierung zu gewinnen. Sie wussten einige der eingebornen Herrscher zu bestimmen, eine diesbezügliche Eingabe an das Auswärtige Amt in Berlin zu unterzeichnen. Diesmal hatten ihre Bemühungen Erfolg, Die Regierung sandte den bekannten Afrikaforscher Dr. Nachtigal als ihren Bevollmächtigten. Er erschien mit einem deutschen Kriegsschiff im Juli 1884 auf dem Kamerunfluss und erklärte nach Überwindung vieler Intrigen, die die englischen Kaufleute gesponnen hatten, das Land für deutsches Gebiet.

Leider sollte es nicht bei dieser friedlichen Erwerbung bleiben. Die alten Streitigkeiten zwischen den eingebornen Stämmen, von denen sich jetzt einige als Freunde und Verbündete der Deutschen gebärdeten, brachen wieder aus. Diese Misshelligkeiten, bei denen der Handelsverkehr aufs Neue zu leiden hatte und sogar ein deutscher Kaufmann umgebracht wurde, benutzte die deutsche Regierung zu einem energischen Eingreifen. Es war kurz vor dem Weihnachtsfeste des genannten Jahres, als mehrere Kriegsschiffe unter dem Befehl des Admiral Knorr in der Hafeneinfahrt erschienen. Bewaffnete Abteilungen landeten zu beiden Seiten des Flusses, wo die der deutschen Partei feindlichen Negerdörfer lagen. Es kam zu stundenlangen Kämpfen, wobei unsre Marinetruppen unter den Eingebornen, soweit sie zu erreichen waren, ein Blutbad anrichteten; ihre Wohnstätten aber wurden durch Feuer vernichtet. Auch die Mission, die in allen diesen Dörfern ihre Niederlassungen besaß, hatte bei diesen Kämpfen viel zu leiden. Es kamen zwar keine Missionare, deren Zahl gerade sehr zusammengeschmolzen war, ums Leben, aber ihre Häuser wurden arg mitgenommen, ihre Grundstücke verwüstet. Ob eingeborne Christen unter den Gefallenen gewesen sind, entzieht sich unsrer Kenntnis; jedenfalls war das ganze Missionswerk gestört. Das Missionshaus in Bethel diente eine Zeit lang den deutschen Eroberern als Wohnung.

Als die Ruhe wieder hergestellt war, ward Kamerun der Sitz eines Gouverneurs. Herr von Soden hat ihn zuerst innegehabt und zwar fünf Jahre lang. Ihm gebührt das Verdienst, eine geordnete Verwaltung geschaffen zu haben. Unter ihm ward das prächtige Gouvernement auf der Jossplatte angelegt, d.i. an derselben Stelle, wo die von den deutschen Matrosen erstürmte Joßstadt gestanden hatte. Zum leichteren Verkehr der Regierungsorgane im wasserreichen Schutzgebiet wurden zwei stattliche Regierungsdampfer in der Kamerunmündung stationiert. Als eine hervorragend schöne Regierungsanlage aus dieser Zeit ist auch der botanische Garten in Victoria zu erwähnen. Die junge Kolonie konnte sich jetzt einige Jahre lang friedlich entwickeln.

Auch unter dem zweiten Gouverneur v. Zimmerer herrschte zunächst Ruhe, wenigstens im unteren Flussgebiet; aber als er 1893 auf Urlaub in der Heimat war und Kanzler Leist ihn vertrat, erschallte aufs Neue ein Kriegsgetümmel am Strom. Die durch ihre und ihrer Weiber Behandlung erbitterten Dahomesoldaten, die im Regierungsdienst standen, machten einen Aufstand, der ihnen durch die Sorglosigkeit ihrer Vorgesetzten gelang und - es war wieder kurz vor Weihnachten - zu erbitterten Kämpfen führte. Das Gouvernement ward dabei fast ganz zerstört. Glücklicherweise beteiligten sich die Eingebornen des Schutzgebietes nicht, sodass das ganze Zerwürfnis auf die Fremdlinge beschränkt blieb und auch für die Entwicklung des deutschen Gebietes weiter keine übeln Folgen hatte. Seitdem ist die Ruhe bewahrt geblieben, wenn man von den Expeditionskämpfen im Innern absieht. Die Regierung hat viel zur Erschließung der Kolonie getan. Forschungsreisende haben das Land nach allen Seiten hin durchzogen, das Handelsmonopol der Dualla ward durchbrochen, eine Reihe von Stützpunkten der politischen Macht, zum Teil tief im Innern, ist geschaffen, auch haben unternehmende Pflanzer und Gesellschaften Plantagen angelegt, besonders auf den nahe am Meere gelegenen Ausläufern des Gebirges bei Victoria.

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Kolonialverwaltung

Dadurch, dass Kamerun eine deutsche Kolonie wurde, traten neben der Mission zwei neue Faktoren auf, die nicht ohne Einfluss auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens dort bleiben konnten: der Regierungsapparat und die Kolonisten.

Wer sich der wilden gesetzlosen Zustände am Kamerunfluss um die Mitte unsres Jahrhunderts erinnert, weiß den Wert einer kraftvollen, nach christlichen Grundsätzen herrschenden Regierung zu schätzen. In ihre Hand ist es gegeben, der aus der Zerrissenheit der Stämme sich ergebenden Feindseligkeit zu wehren, die Schwachen oder mit Unrecht Angegriffenen und Beleidigten zu schützen und die gröbsten Auswüchse des Heidentums (es sei nur an die zahllosen Verbrechen gegen das Menschenleben und die Sklaverei erinnert) abzuschneiden. Man muss anerkennen, dass die deutsche Schutzherrschaft bereits im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens sich ihren Pflichten nach dieser Seite hin nicht entzogen hat. Die Regierungsgewalt hat fast immer in den Händen tüchtiger Männer gelegen, die den Eingebornen mit Gerechtigkeit und Wohlwollen entgegen kamen und auch das Bestreben hatten, die Wunden, die der bewaffnete deutsche Arm dem Lande geschlagen hatte, mit milderer Hand zu heilen. An wohltätigen Gesehen und Ordnungen hat es gleichfalls nicht gefehlt, so dass das öffentliche Leben am Kamerunfluss, wo sich der Einfluss der deutschen Macht naturgemäß am stärksten geltend macht, sich jetzt nicht allzu sehr von dem in einem christianisierten Lande unterscheidet, obwohl die Zahl der Heiden immer noch überwiegt. Die Regierung hat sogar zwei Unternehmungen ins Leben gerufen, die man sonst vielfach in den Händen der Missionare zu sehen gewöhnt ist, ein Krankenhaus und Schulanstalten. Das erstere steht in der Nähe des Gouvernements bei der Jossplatte und ist ein schönes, praktisch eingerichtetes Gebäude mit fast allen Bequemlichkeiten eines europäischen Lazaretts. Die Regierung hat einen tüchtigen Arzt angestellt, die Pflege der Patienten aber wird vom Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien geleistet, der seine "Schwestern vom roten Kreuz" auch in alle andern Schutzgebiete schickt. Hier war jene Krankenpflegerin Marg. Leue tätig, die beim Dahomeaufstand zu einer gewissen volkstümlichen Berühmtheit gelangte, weil sie den Mut hatte, bis zuletzt in ihrem arg zerschossenen Krankenhause auszuhalten und sich endlich vor den Augen der Feinde im dichten Kugelregen an den Strand und auf ein deutsches Schiff rettete. Neben den Krankenzimmern für Europäer, die auch schon wiederholt von Missionsleuten benutzt wurden, gibt es solche für die Eingebornen und jeder ärztliche Rat wird den darum Bittenden gern gewährt. Ein solches Krankenhaus ist sicherlich mit dazu berufen, den Medizinmännern, deren betrügerische Praxis mit den heidnischen Anschauungen der Neger aufs engste verwachsen ist, nach und nach das Vertrauen des Volkes zu entziehen. Ein andres Unternehmen, das als Kulturfaktor zu wirken bestimmt ist, sind die Regierungsschulen. Es gibt deren zwei am Kamerunfluss, eine in Bellstadt, die andre in Didostadt. Man hat bei ihrer Einrichtung wohl weniger an eine allgemeine Schulbildung für die Eingebornen gedacht, als vielmehr an die Ausbildung junger Männer, die man später im Regierungsdienst verwenden zu können hofft. Sie sind also als rein weltliche Bildungsinstitute anzusehen. Aber glücklicherweise war der erste Lehrer ein Missionarssohn aus Süddeutschland, Namens Christaller, so dass von Anfang an auch die religiöse und ethische Seite des Unterrichtes nicht ganz beiseite gelassen wurde. Die Zeit ist noch zu kurz, um ein Urteil über die Ergebnisse dieser Schulen zu fällen. Warten wir es ab, ob die Arbeit in diesen weltlichen Schulen zu einem Segen für die Afrikaner wird. Nach einer Seite hin stehen wir den Grundsätzen der Regierungsschule nicht ohne Bedenken gegenüber. Das Hauptgewicht wird in ihnen auf die Aneignung der deutschen Sprache gelegt. Dadurch treten sie in einen gewissen Gegensatz zu dem Schulwesen der Mission, die sich aus pädagogischen Gründen prinzipiell in erster Linie die Pflege der einheimischen Sprache angelegen sein lässt, und nur in den höheren Lehranstalten, wo man den Schülern das Erlernen einer zweiten Sprache zumuten kann, auch das Deutsche als Lehrgegenstand aufnimmt. Dass diese Praxis für die Erziehung eines Volkes die einzig richtige ist, kann für alle Einsichtigen nicht zweifelhaft sein. Auch wäre es gewiss das beste, wenn sich das Zweierlei von Missionsschulen und Regierungsschulen hätte vermeiden lassen und alle bildungsdurstigen Neger, wie sie sich jetzt in Kamerun tatsächlich finden, nur in die Missionsschulen gingen, wo der Unterricht in den weltlichen Fächern mit der Bildung des christlichen Charakters Hand in Hand geht und die Schüler ihren Volksgenossen möglichst wenig entfremdet werden. Aber wie die Dinge gegenwärtig liegen, lässt sich auch nicht verkennen, dass die Regierung Leute braucht, die deutsch verstehen, um als Vermittler zwischen den vielfach nur kurze Zeit im Lande verweilenden Beamten und ihren Landsleuten dienen zu können. So sind die Regierungsschulen als ein Notbehelf anzusehen, und so lange auch in ihnen eine christliche Luft weht und nicht etwa ein religionsloser Unterricht Heiden erzieht, die bei einer oberflächlichen Bildung allen Glauben verlieren, lassen wir sie uns gern gefallen. Mögen sie in einen friedlichen Wettstreit mit den Missionsschulen eintreten.

Nach alledem ist es unverkennbar, dass die deutsche Besitzergreifung in mancher Hinsicht einen wohltätigen Einfluss in Kamerun ausübte. Freilich hat dies erste Blatt unsrer jungen Kolonialgeschichte auch seine sehr betrübliche Kehrseite. Es war oben von trefflichen Beamten die Rede. Wenn man doch allen dieses Lob geben könnte! Die Kolonialbeamten, besonders die an hervorragender Stelle sollten lauter erlesene Männer sein, die nicht nur alles Anstößige meiden, sondern geradezu als Vorbilder christlicher Sittlichkeit dienen können. Aber man braucht nur an Namen, wie Leist und Wehlan zu erinnern, um zu zeigen, wie wenig dieser Grundsatz zeitweilig beobachtet worden ist. Es widerstrebt uns, den ganzen sittlichen Schmutz, der am Namen des erstgenannten ehemaligen Kanzlers von Kamerun haftet, wieder aufzurühren. Es ist bei uns in der Öffentlichkeit seiner Zeit so viel gerechter herber Tadel über ihn laut geworden, dass es für jeden Unbefangenen offenkundig wurde, wie unser deutsches Volk diesen gewalttätigen Lüstling verdammte. Auch von den Grausamkeiten, die auf einzelnen Expeditionen im Innern verübt worden sein sollen, wollen wir an dieser Stelle lieber schweigen. Aber unsre Kolonialregierung wird hoffentlich nicht vergessen, dass es in Kamerun Beamte in hervorragender Stellung gegeben hat, die ihren Einfluss nicht dazu benutzt haben, die Afrikaner zu besseren Menschen zu erziehen, was doch ihre Pflicht war, sondern die selbst auf das tiefe sittliche Niveau der heidnischen Neger, ja wohl noch darunter gesunken sind. Diese Dinge haben dem christlichen Namen viel Schande gebracht und der Heidenmission noch größere Hindernisse bereitet, als es die Granaten und Kartätschen, die 1884 in die Kamerunstädte geworfen wurden, getan hatten. Auch das trug seiner Zeit sicherlich nicht zur Verherrlichung des deutschen und christlichen Namens bei, dass der Expeditionsführer v. Gravenreuth, der als Katholik in römischen Missionsblättern so hoch gefeiert ward, zur Bildung einer Schutztruppe Eingeborne von der Sklavenküste holte, die er vom Könige von Dahome regelrecht als Sklaven kaufen ließ, und bei denen auch in Kamerun die Sklaverei noch insofern fortgesetzt wurde, als sie ihren Kaufpreis nach und nach abverdienen mussten. Im Aufstande dieser Dahomesoldaten haben die deutschen Machthaber hernach eine empfindliche Strafe für dieses bei den Afrikanern ja vielleicht unanstößige, aber mit christlichen Grundsätzen unvereinbare Verfahren erhalten. Doch damit genug. Wir wollen das Sündenregister unsrer Landsleute auf der Jossplatte hier nicht weiter fortsetzen. Gebe Gott, dass es an der maßgebenden Stelle in unsrer Kolonialregierung, wo man das Beste will, in Zukunft nicht an einem scharfen Auge und einer festen Hand gebricht, um etwa vorhandene Schäden zu bessern und von unserm Kolonialgebiet alles fern zu halten, was unsern guten Namen befleckt und der Ausbreitung des Christentums in Afrika hinderlich ist.

Neben den Regierungsbeamten sind in den letzten 15 Jahren eine große Menge andrer Europäer, hauptsächlich Kaufleute und Pflanzer nach Kamerun gekommen. Das amtliche Weißbuch von 1897 stellt die Seelenzahl der weißen Bevölkerung im Schutzgebiet auf 236 fest, unter denen 95 Kaufleute sind. Weitaus die meisten, 161 kamen aus Deutschland. Man ersieht diesen Zahlen, wie sehr das europäische Element und namentlich der Handel seit der deutschen Besitzergreifung zugenommen hat. Die Mission hat auch davon ihren Nutzen gehabt. Einmal in der besseren Schiffsverbindung, die von den Kaufleuten eingerichtet wurde. Die Kameruner Missionare kommen und gehen jetzt regelmäßig mit den Wörmanndampfern und legen den Weg weit schneller zurück, als es in der Zeit vor 1884 der Fall war. Auch ist es ein unverkennbarer Vorteil, dass die Missionsleute jetzt ihren Lebensunterhalt, Kleidung, ja selbst einen großen Teil ihrer Hauseinrichtung nicht mehr aus ihrer Heimat beziehen müssen, sondern in den Faktoreien, die es schon tief im Innern gibt, kaufen können. Auch die Versuchspflanzungen im botanischen Garten, sowie die von geschulten Pflanzern und Gärtnern angelegten Plantagen bringen der Mission indirekt einige Förderung dadurch, dass man sich in den Missionsgärten die Erfahrungen ihrer Anbauversuche zu nutze machen und wohl auch gelegentlich Pflanzmaterial von dorther beziehen kann.

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Branntweinimport

Aber diesen Vorteilen, die der europäische Handel und Plantagenbetrieb mit sich bringt, stehen doch sehr schwerwiegende Nachteile gegenüber. Einer der schlimmsten ist der große Branntweinimport, dessen sich der Handel schuldig macht. Es ist in den Missionsblättern schon lange darüber Klage geführt worden, aber erst der evangelische Afrikaverein hat das Übel neuerdings in seinem ganzen Umfange bloßgelegt. Nach seinen Veröffentlichungen betrug die Spirituoseneinfuhr in Kamerun 1890 nahe an 1 Million Liter und ist bis 1895 auf etwa 1½ Million gestiegen. In diesem Jahre bildeten die Spirituosen mehr als den siebenten Teil der Gesamteinfuhr. Leider musste auch die traurige Tatsache festgestellt werden, dass die verderbliche Ware zum allergrößten Teile aus Hamburg kommt. Norddeutschland mit seinem aus dem Kartoffelbau gewonnenen Spiritus behandelt gegenwärtig das deutsche Westafrika als sein Hauptabsatzgebiet! In jenen Zahlen stecken freilich auch die geistigen Getränke, die für die Europäer in Kamerun eingeführt werden. Das können nicht ganz kleine Mengen sein, denn es werden von nüchternen Leuten hin und wieder recht abfällige Urteile über das unmäßige Trinken vieler unsrer Landsleute laut, die auf diese Weise jedenfalls ein gut Teil jener Krankheit, die man zur Entschuldigung vieler Ausschreitungen in den Tropen anzuführen pflegt, selbst verschulden. Doch dieser Missbrauch geistiger Getränke durch die Europäer ist jedenfalls noch das kleinere Übel. Viel schlimmer wirkt der Alkohol unter der Negerbevölkerung, bei der man noch nicht das Maß von Selbstbeherrschung erwarten kann, das jeder Weiße durch seine christliche Erziehung gewonnen haben sollte. Es ist denn auch geradezu entsetzlich, welche Verwüstung der böse Fusel unter den Schwarzen anrichtet. Hier nur einige Beispiele, von denen die Zeitschrift "Afrika" eine ganze Menge anführt. In Bonandolo wurde bei der Beerdigung eines gewöhnlichen Dorfhäuptlings für 500 Mark Schnaps verbraucht; man kann sich denken, in welchem unwürdigen Zustande die Trauerversammlung am Ende war. Ferner kehrt in den Missionsberichten die Klage immer wieder, dass die Missionare auf ihren Predigtreisen manche Dörfer unverrichteter Sache verlassen müssen, weil die Bewohner infolge eines allgemeinen Trinkgelages so betrunken sind, dass an ein vernünftiges Reden und Hören nicht mehr zu denken ist. Die Neger haben früher auch schon ihren Palmwein getrunken, aber das war ein harmloses Getränk im Vergleich zu dem viel stärker berauschenden "Europäerwein", wie sie den Schnaps nennen. Die günstigen Handelswege, die auf dem Kamerunflusssystem bis tief ins Innere zu Gebote stehen, befördern seine Verbreitung im ganzen Schutzgebiet leider sehr und Trägheit, ja Verarmung ganzer Dörfer ist die traurige Folge davon. Es liegt auf der Hand, wie verderblich dieser Handel in wirtschaftlicher Hinsicht ist und die Kolonialregierung sollte schon im wohlverstandenen eigenen Interesse Mittel und Wege suchen, dem Übel zu steuern. Für die Mission ist die Ausdehnung des Branntweingenusses in mehr als einer Hinsicht bedrohlich. Wer wüsste nicht, wie unsre Trinker in der Heimat stumpfsinnig und für alle höheren Interessen unzugänglich werden? Wie viel mehr wird das bei den Afrikanern der Fall sein. Wir gaben vorstehend schon eine Probe davon, in welcher Weise der Branntwein die Arbeit des Missionars erschwert. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren. Eins der betrübendsten ist folgendes, das wir einem Jahresbericht der Baseler Missionsgesellschaft entnehmen: 

"Die in den Malimbastädten abgeschafften Götzendienste wieder einzuführen, gelang der heidnischen Partei nicht, dagegen führten einige den Schnapsgötzen Almela ein. Die Anhänger desselben, die 'Almelakirche', wie sie sich nennen, äffen das Christentum vielfach nach. Wer in ihre Sippe eintreten will, muss nach der Art der Taufbewerber vorher "Bewerber" sein. In einer Prüfung muss er nachweisen, dass er irgendwelche Schandtaten verübt hat; dann erfolgt seine Aufnahme durch eine Taufe, die der baptistischen Taufe durch Untertauchen nachgemacht ist. Sobald der Getaufte aus dem Wasser steigt, erhält er ein Glas Schnaps, das fortan sein Gott sein soll; sodann wird er zum Schnapssaufen und allerlei Schandtaten verpflichtet. In den Versammlungen, die sonntags gehalten werden, nimmt der Anführer ein Buch und tut, als ob er lese. Gegenstand seines Vortrags und der Unterhaltung sind das Saufen und andre Laster. Manche Leute von Bongo haben sich in diese Sippe aufnehmen lassen, besonders weil verbreitet wurde, die Sache stamme aus Europa und die Almelakirche sei eine der vielen dort verbreiteten Kirchengemeinschaften."

Dieser Bericht sollte doch auch den Blödesten die Augen darüber öffnen, was für ein Unglück der Handel mit Spirituosen für Kamerun ist. Leider hat der Wunsch, ein völliges Einfuhrverbot für unsre afrikanischen Kolonien zu erlangen, gegenwärtig keine Aussicht auf Erfüllung. Unsre Kolonialregierung muss - es ist traurig zu sagen - auf die Interessen der großen Kaufleute zu viele Rücksicht nehmen, auch würde ein vereinzeltes Vorgehen Deutschlands wenig nützen, weil der Branntwein neue Wege durch die benachbarten Kolonialgebiete fände. Darum sind internationale Abmachungen nötig. Bei der bald bevorstehenden Revision der Kongoakte wird dazu die beste Gelegenheit sein. Darum dürfen die Missionsleute im ganzen deutschen Vaterlande nicht müde werden, gerade jetzt mit Nachdruck den Finger auf diese böse Sache zu legen, den beteiligten Kreisen das Gewissen zu schärfen und vor unsrer Kolonialregierung immer wieder die Klage zu erheben: Der Branntweinhandel ist die offene Wunde, an der gegenwärtig die afrikanische Westküste, ganz besonders aber unser Kamerun und Togo krankt.

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Ehen der Europäer mit schwarzen Frauen

Wir müssen hier aber noch einen andern wunden Punkt im Leben der weißen Bevölkerung von Kamerun berühren, der ebenfalls geradezu ein Hindernis der Missionstätigkeit genannt werden muss. Das sind die auf heidnische Art geschlossenen Ehen der Europäer mit schwarzen Frauen. Viele, wohl die meisten der Kolonisten nehmen sich für die Zeit ihres Aufenthalts in Kamerun eine eingeborne Frau, für die ein landesüblicher Kaufpreis an die Familie bezahlt wird. Bei ihrer Rückkehr nach Europa lösen sie das Verhältnis stillschweigend auf und schicken das Weib zu den Ihrigen zurück, die dann eine andre Versorgung für sie suchen müssen, d. h sie wird entweder wieder an einen Weißen gegeben oder an einen eingebornen Mann verkauft. Dass diese traurigen Verhältnisse so wenig in Deutschland bekannt sind, ist wohl ein Zeichen, dass den Beteiligten noch nicht alles Schamgefühl dafür abhanden gekommen ist. Leider aber hat es doch in der deutschen Kamerunliteratur nicht ganz an Verteidigern für diese schändliche Praxis gefehlt. Der besonders im Anfang unsrer Kolonialära viel genannte Reisende H. Zöller, der ein Mitarbeiter der Kölnischen Zeitung und unsres Wissens auch der Gartenlaube war, schreibt davon in seinem vielgelesenen Buche "Forschungsreisen in der deutschen Kolonie Kamerun" in harmlosen Plaudertone. Nachdem er sich über die Untunlichkeit ausgesprochen, dass ein Kaufmann sich vor seiner Übersiedelung nach Afrika verheiratet und seine Frau in Deutschland lässt, oder dass er die weiße Frau mit nach Kamerun bringt oder sich richtig mit einer Schwarzen verheiratet, fährt er wörtlich fort:

"Bleibt also für die Kaufleute, die gezwungen sind, in Afrika und zwar wohlverstanden in einem heißen Klima zu leben, dem in mancher Hinsicht Rechnung getragen werden muss, nur noch das vierte Mittel, nämlich sich nach Landesgebrauch, d. h. für die Dauer ihres Aufenthalts an einem bestimmten Punkte zu verehelichen. Diese Sitte entspricht so vollständig den eigenen Gebräuchen und den altüberlieferten Anschauungen der Schwarzen, dass niemand etwas Arges darin findet. Erst an sehr wenigen Orten ist durch den Einfluss der Mission bei einem verschwindend kleinen Teile der weiblichen Bevölkerung die ursprüngliche Naivität durchbrochen und die Ansicht, dass kirchliche Verehelichung etwas besseres sei, zur Geltung gebracht worden."

So viel Sätze, so viel brutale Schläge in das Angesicht der christlichen Moral. Solche Auslassungen eines in Afrika gewesenen Literaten, die selbstverständlich von den jungen nach Kamerun ziehenden Männern gelesen werden, müssen natürlich eine große Verwirrung in den sittlichen Begriffen vieler anrichten. Wir können nur mit tiefer Entrüstung und Trauer an diese Dinge denken und verzeichnen mit Genugtuung die uns berichtete Tatsache, dass die evangelischen Missionare sich vom gesellschaftlichen Verkehr mit solchen "afrikanischen" Eheleuten geflissentlich fern halten. Die römischen Patres tun es freilich nicht und erfreuen sich deshalb nicht nur des Rufes, viel angenehmere Gesellschafter zu sein, sondern empfangen auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein viel größeres Lob für ihre Leistungen. Eine Hand wäscht die andre. Übrigens kann auch Zöller nicht umhin, gelegentlich anzudeuten, dass jene halbheidnischen Mischehen die Brutstätten geheimer Verbrechen sind. Er erwähnt nämlich, dass die Dualla viel auf reine Rasse hielten und das Aufkommen von Mischlingen nötigenfalls durch Tötung verhinderten; daher gäbe es in Kamerun keine Mulatten. In welchen sittlichen Abgrund sieht man hier hinein!

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Kirchliche Versorgung der Deutschen in den Kolonien

Sollten uns nicht diese traurigen Zustände Veranlassung geben, viel energischer, als es bisher geschehen ist, auf eine kirchliche Versorgung unsrer Landsleute in Kamerun zu dringen? Sie bedürfen einer eingehenden Seelsorge noch viel dringender, als daheim. Bisher sind nur ganz unbedeutende Ansätze dazu vorhanden. Das Anerbieten der Baseler Missionare, am Regierungssitz von Zeit zu Zeit deutsche Gottesdienste zu halten, ist ja nicht abgewiesen worden. An den hohen kirchlichen und politischen Festtagen erfreuen sich diese Gottesdienste auch eines ziemlich guten Besuchs. Aber es sind doch nur vereinzelte religiöse Anregungen, die dabei gegeben werden können, auch ist es ungenügend, wenn ein Missionar nur im Nebenamt als Pastor der Weißen dient. An den Kamerunfluss gehört eine eigene evangelische Kirche und ein besonderer Geistlicher für die eigenartige Diaspora. Unsre heimische Kirche sollte nicht länger zaudern, diese Angelegenheit zu ordnen. Will man es den Kolonisten von Kamerun überlassen, für ihre geistlichen Bedürfnisse selbst zu sorgen, so wird man lange warten können.

Wenn trotz so mancher nachteiligen Einflüsse, die die neue Zeit in Kamerun mit sich gebracht hat, die Mission seit der deutschen Besitzergreifung ganz überraschende Fortschritte gemacht hat, so ist das jedenfalls in erster Linie auf die so viel energischere Angriffnahme des Arbeitsfeldes von Seiten verschiedener Gesellschaften zurückzuführen. Man hat sie aber sicherlich auch zum Teil den neuen Verhältnissen, unter denen jetzt gearbeitet wird und der wohlwollenden Haltung zu verdanken, welche die Kolonialregierung einnimmt. Zuerst brachte das Auftreten der deutschen Macht ja eine empfindliche Störung in die Missionstätigkeit. Die Feindschaft gegen die englischen Händler, die erwiesenermaßen allerlei Intrigen gegen Deutschland gesponnen hatten, übertrug sich in den Tagen der Verwirrung auch auf die evangelischen Missionare, weil sie gerade englischer Nationalität waren. Es wurden schon in den Berichten über die ersten Kämpfe einige versteckte Anklagen gegen sie erhoben, die man aber auf Seiten der Baptistenmission mit Entrüstung zurückgewiesen hat. Sie haben sich später tatsächlich als Irrtümer herausgestellt. Nichtsdestoweniger verfiel man in gewissen Kolonialkreisen damals in eine förmliche Raserei gegen die englischen Missionare, wofür die hässlichen Ausfälle in den Berichten des wiederholt erwähnten H. Zöller charakteristisch sind.

Eine Folge dieser nationalen Spannung war die Aufgabe Kameruns durch die Baptistenmission, die sich damals vor große Aufgaben im neuerschlossenen Kongogebiet gestellt sah. An ihrer Stelle traten die Sendboten der Baseler Mission ein. Es war gerade die Zeit, wo es in unsern Kolonialkreisen noch wogte und gärte und bei den dort herrschenden unklaren Anschauungen manches verkehrte Ansinnen an die Missionsgesellschaften gestellt wurde. Die Baseler Mission, die von den andern Gesellschaften gedrängt wurde, das wichtige Kamerungebiet zu besetzen, erwarb sich damals das Verdienst, das Verhältnis zwischen der deutschen Regierung und der Mission in unsern Kolonien klar zu stellen. Sie wandte sich an das Auswärtige Amt in Berlin mit der Anfrage, ob man ihr bei der beabsichtigten Übernahme der Missionstätigkeit in Kamerun folgende Befugnisse zugestehen würde:

  1. Das Recht, Grundstücke zu erwerben zur Errichtung von Missionshäusern, Kirchen, Schulen, Prediger- und Lehrerwohnungen und eventuell zur Ansiedelung der gewonnenen Christen.

  2. Das Recht, von den durch die Missionsgesellschaft oder die Christengemeinden erworbenen Grundstücken den Branntweinhandel und Branntweinschank auszuschließen.

  3. Das Recht, die inneren kirchlichen Verhältnisse und Schul-Verhältnisse der zu sammelnden Gemeinden selbständig zu regeln, eine christliche Gemeindeordnung, die sich auch auf eheliche Verhältnisse erstreckt und mit Hilfe einer evangelischen Kirchenzucht aufrecht erhalten wird, einzuführen und Beiträge der Christen für Zwecke der Mission, der Kirche und Schule anzuordnen, zu erheben und zu verwalten.

Der Antwort des Auswärtigen Amtes war zu entnehmen, dass man dort nicht nur der Baseler Gesellschaft mit Wohlwollen entgegenkam, sondern auch eine prinzipiell richtige Stellung zur Mission überhaupt einnahm. Die Regierung sprach darin aus, dass sie in Anerkennung der Opfer, die mit einem so segensreichen Werke verbunden wären, gern bereit sei, der Gesellschaft die zur Entfaltung ihrer Tätigkeit erforderliche freie Bewegung zu gewähren und sagte dann die besonders erbetenen Rechte ausdrücklich zu. Später hat sie noch ein Übriges getan und den Missionaren weitgehende Zollerleichterungen zuteil werden lassen.

Seitdem haben die Regierungsorgane immer im besten Einvernehmen mit der Mission gelebt und nicht nur mit der von Basel, sondern auch mit den Baptisten, die nach einiger Zeit die Arbeit im deutschen Gebiet wieder aufnahmen, ebenso mit den amerikanischen Presbyterianern. Letztere sind für die von der deutschen Verwaltung gewährte Bewegungsfreiheit besonders dankbar, weil sie vorher auf französischem Gebiet missionierten und dabei die Unduldsamkeit der Franzosen in Bezug auf Missionare fremder Nationalität zu fühlen bekamen. Diese Missionen fühlen sich alle wohl unter dem deutschen Regiment. Nicht als ob sich die weltliche Macht irgend wie in den Dienst der Heidenmission stellte. Dazu wird sie sich nicht hergeben und die evangelischen Missionare begehren das auch keineswegs. Aber die deutschen Beamten halten auf Ordnung und schützen gegebenenfalls die Missionsstationen vor heidnischen Übergriffen. Es ist z. B. geschehen, dass auf einem der Missionsvorposten die durch die religiöse Bewegung erregte heidnische Bevölkerung die christlichen Gottesdienste zu stören suchte. Da hat eine einfache Beschwerde den guten Erfolg gehabt, dass durch einige Soldaten der Schutztruppe den Störenfrieden das Handwerk gelegt wurde. Auch kommen die immer noch fortgehenden Forschungsreisen im Hinterlande und die Offenhaltung der Wege nach den politischen Stationen im Innern der Mission zugute, indem sich ihr dadurch neue Türen auftun und die Reisewege besser und sicherer werden. Kurz, nachdem sich der Sturm gelegt hat, der zurzeit der Besitzergreifung über das Land kam, ist die Gelegenheit, in Kamerun Mission zu treiben, nicht ungünstiger, sondern besser geworden und von den Erfolgen der Arbeit gilt dasselbe.

Wenn man den doch immer noch recht kurzen Zeitraum, in dem Kamerun eine deutsche Kolonie heißt, überblickt, so wird man an jenes Gesicht des Elias erinnert, der am Horeb den Herrn zu schauen begehrte. Zuerst kam ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht im Winde; ebenso wenig im Erdbeben oder im Feuer. Zuletzt aber kam ein stilles, sanftes Sausen, Da spürte der Prophet die Nähe des Herrn. So geht es auch uns mit der reichgesegneten erneuerten Kamerun-Mission unter der deutschen Herrschaft.

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4. Die Basler Mission

Siehe es kommt die Zeit, spricht der Herr Herr, dass ich einen Hunger in das Land schicken werde; nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort des Herrn. Amos 8, 11.

Es ging eine große Bewegung durch die Missionskreise von Basel, die in den letzten Junitagen des Jahres 1886 zur Feier ihres Jahresfestes versammelt waren, als ihnen beim üblichen Jahresbericht die Mitteilung gemacht wurde, dass die Gesellschaft ernstlich mit dem Gedanken umging, neben den alten Missionsfeldern in Indien, China und auf der Goldküste noch ein viertes in Kamerun in Angriff zu nehmen. Die freudige Zustimmung der zahlreich versammelten Freunde gab der Missionsleitung den Mut, das schwere Werk zu wagen. Nachdem alle noch schwebenden Fragen sich in den folgenden Wochen zu Gunsten der Sache entschieden hatten, fand am 17. August eine stille, aber besonders weihevolle Abordnung im Betsaal des Missionshauses statt. Die drei jungen Brüder Dilger, Bizer und Becher wurden als die ersten deutschen Sendboten für Kamerun mit der Übernahme der dortigen Baptistenmission betraut.

Man hatte in Basel nicht aus eignem Antrieb dieses neue Gebiet gewählt, sondern sich nur durch die dringenden Vorstellungen der Missionskonferenz in Bremen, auf der die Vertreter sämtlicher deutscher Missionsgesellschaften beisammen waren, dazu bestimmen lassen. Die berufenen Führer der deutschen Missionskreise waren dort zu der Erkenntnis gekommen, dass Kamerun, welches damals unter allen unsern Kolonien am meisten die Blicke auf sich zog, durchaus einer in deutschen Händen befindlichen Mission bedurfte, und dass zur Übernahme keine andre Gesellschaft so geeignet wäre, als die Baseler. Die Baptisten waren nämlich entschlossen, ihre Missionare ganz aus Kamerun zurückzuziehen, einmal um der veränderten politischen Verhältnisse willen, unter denen, wie man in England sagte, deutsche Missionare mit mehr Aussicht auf Erfolg wirken könnten, andrerseits weil sie sich gerade damals mit allen ihren Missionskräften auf das kurz vorher entdeckte Kongogebiet werfen wollten. Auf eine von Basel nach London gerichtete diesbezügliche Anfrage war die Antwort gekommen, dass die baptistische Gesellschaft, weit entfernt, das Eintreten der Baseler als einen Eingriff in ein fremdes Arbeitsfeld anzusehen, es vielmehr mit Freuden begrüßen würden, wenn deutsche Missionare zu ihrer Ablösung kämen. Inzwischen war auch schon eine Abordnung erfahrener afrikanischer Missionare zur Untersuchung der Verhältnisse nach Kamerun geschickt worden, deren Bericht günstiger lautete, als man eigentlich erwartet hatte. Das alles brachte den schweren Entschluss zur Reife, zumal da in dieser Zeit der Entscheidung aus den mit Basel verbundenen deutschen Missionskreisen, besonders aus Württemberg, Baden, der Rheinpfalz und Hessen ansehnliche Beiträge für das neue Werk einliefen und treue Freunde obendrein durch die Gründung eines besondern Kamerun-Hilfsvereins in Stuttgart die nötigen Unterhaltungskosten für die Zukunft zu sichern suchten.

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Geschichtliche Entwicklung

Die abgeordneten Brüder, deren Führung der schon in mehrjähriger Arbeit auf der Goldküste erprobte Missionar Munz übernahm, reisten sogleich nach England ab, um sich dort mit einigen eben aus Kamerun zurückgekehrten Missionaren zu besprechen. Von da aus begaben sie sich direkt nach Westafrika, machten erst kurze Station auf der Goldküste, um hier die in vollem Betrieb befindliche Baseler Mission kennen zu lernen und trafen unmittelbar vor Weihnachten am Ziele ihrer Reise ein. Hier wurden ihnen die beiden Stationen Bethel und Viktoria mit den dazu gehörigen Nebenplätzen übergeben. Bei Viktoria stellten sich der förmlichen Übernahme aber noch einige geschäftliche Schwierigkeiten entgegen. Ein Teil des angeblich zur Missionsstation gehörigen Landes wurde von den Eingebornen als ihr rechtmäßiges Eigentum in Anspruch genommen. Infolgedessen ward der ursprünglich sehr umfangreiche Landbesitz, der dem Vorstande in Basel von Anfang an eher als eine Last, denn als Wohltat erschienen war, stark verkleinert. Bis zur Erledigung dieser Angelegenheit blieb Bethel mit seinen Zweigstationen, auf denen etwa 330 Gemeindeglieder gezählt wurden, die Wirkungsstätte der angekommenen Missionare, während die Station Viktoria zunächst durch den Westindier Pinnock weiter verwaltet wurde.

Die Zeit und Kraft der Brüder wurde in der ersten Zeit naturgemäß durch allerlei äußerliche Arbeiten in Anspruch genommen. Es waren viele Reparaturen an den Missionshäusern nötig, zugleich galt es Sprachstudien und Forschungen über den Charakter und die Verbreitung der auf dem neuen Arbeitsfelde gesprochenen Sprachen zu machen. Auch mussten sie das Missionsgebiet nach allen Seiten hin bereisen, um die vorhandenen Außenstationen kennen zu lernen und die Gründung neuer anzubahnen, da die veränderten politischen Verhältnisse doch auch verschiedene neue Gebiete erschlossen hatten. Zur Besorgung der ökonomischen Angelegenheiten konnte ihnen erfreulicherweise bald nach ihrer Ankunft im Bruder Leuze ein ehemaliger Kaufmann von der Sklavenküste beigegeben werden, dessen reiche Erfahrung in afrikanischen Dingen ihnen sehr nützlich war.

Sie sollten aber gleich beim Eintritt in das neue Arbeitsfeld erfahren, wie sehr Leben und Gesundheit des Europäers hier gefährdet sind. Einer aus ihrer Mitte, Bruder Becher, sank schon wenige Tage nach ihrer Ankunft am Kamerunfluss ins Grab. Ein heftiges Fieber, das er sich unterwegs bei einer Landung an der Westküste geholt hatte, raffte ihn schnell hinweg. Es war der erste von einer langen Reihe schmerzlicher Todesfälle. Diese immer wiederkehrenden Verluste sind als das schwerste Kreuz, das der Kamerun-Mission auferlegt ist, anzusehen. Es verging in der Folgezeit fast kein Jahr, in dem nicht Todesfälle zu verzeichnen gewesen wären. Schon 1887 starb wieder einer von den ersten Ankömmlingen, und so ging es fort. Es steht gegenwärtig keiner von den zuerst Ausgesandten in Kamerun mehr in der Arbeit. Besonders schwere Jahre - um das schon hier zu erwähnen - waren 1890, wo vier junge Brüder starben und 1895, das zwei Missionaren und zwei verheirateten Frauen den Tod brachte. Im Laufe der ersten zehn Jahre hat die Baseler Mission hier 18 edle und schmerzliche Opfer bringen müssen. Es war eine ähnliche Todesernte, wie bei der Norddeutschen Mission auf der Sklavenküste. So schmerzlich diese Trauerbotschaften auch in Basel empfunden wurden, die leitenden Männer hatten, wenn auch mit schwerem Herzen, immer wieder den Mut, den erforderlichen Ersatz nachzusenden. Dabei kam ihnen die Glaubensfreudigkeit der Missionsbrüder entgegen, die stets willig waren, in die vom Tode gerissenen oder durch die Ausdehnung des Missionswerkes sich auftuenden Lücken einzutreten. Das bei der Abreise der ausziehenden Brüder in Basel regelmäßig gesungene Abschiedslied: "Zieht fröhlich hinaus in den heiligen Krieg" fand in ihren Herzen jedes Mal einen lebhaften Widerhall.

Die ersten Ankömmlinge traten, wie oben erwähnt, mit dem Beginn des Jahres 1887 an Sakers ehemaliger Wirkungsstätte in die Arbeit ein und fanden trotz der durch die deutsche Besitzergreifung veränderten Verhältnisse noch vielfach die deutlich sichtbaren Spuren von der gesegneten Pionierarbeit des unvergesslichen Mannes. Auch sonst waren ihnen unter den Dualla durch die Baptisten vielfach die Wege gebahnt. So weit jene ersten Glaubensboten mit der Predigt des Evangeliums gekommen waren, ja zuweilen auch in Gegenden, wohin die Kunde nur durch wandernde Duallahändler gedrungen war, kannte und erwartete man "die Männer Gottes". Es war eine Freude, zu bemerken, wie die Eingebornen fremder Orte, die beim Nahen des weißen Mannes erschreckt die Flucht ergriffen, doch sogleich beruhigt stehen blieben, wenn sie hörten, der Fremde sei ein Mann Gottes. Ja, es geschah jetzt nicht selten, dass die Leute gleich beim ersten Besuch in einem Dorfe wissen wollten, wann man ihnen einen eingebornen Lehrer senden oder den Bau einer Lehrerwohnung und Kapelle anstellen wollte. Das hat den Baseler Brüdern den Anfang nicht wenig erleichtert. Die eigentliche Pfadfinderarbeit war hier eben schon getan.

 Auf der andern Seite traten ihnen freilich bei der Übernahme der gesammelten Gemeinden manche Schwierigkeiten in den Weg. Nicht solche von konfessioneller Art, wie man sie wohl erwartet hatte. In Basel hegte man z. B. die Befürchtung, die Kindertaufe würde bei den an die baptistische Praxis gewöhnten Eingebornen ein Stein des Anstoßes werden. Das war aber nicht der Fall; der von den Baptisten übernommene eingeborne Prediger Dibundu ließ gleich in der ersten Zeit unbedenklich seine kleinen Zwillinge taufen, womit die neue Taufpraxis ein für allemal eingeführt war. Auch andre Streitfragen in Bezug auf Lehre und Ritus, auf die man sich allenfalls gefasst gemacht hatte, stellten sich nicht ein. Die Nöte, die den Missionaren in der ersten Zeit viel Kummer bereiteten und bis zum heutigen Tage noch nicht ganz überwunden sind, kamen vielmehr von einer Seite, wo man sie nicht erwartet hatte. Die Durchführung der in der Baseler Mission gebräuchlichen Ordnungen, besonders der Kirchenzucht, stieß auf ungeahnte Schwierigkeiten. Es stellte sich dabei heraus, dass die englischen Missionare ihren neubekehrten Christen zu viel freien Willen gelassen und den Gemeinden zu früh ein reichliches Maß von Selbständigkeit eingeräumt hatten. Das ist kein vereinzelter Fall. Man hat neuerdings die Beobachtung gemacht, dass sich diese Eigentümlichkeit mehr oder weniger bei allen Missionaren englischer Zunge findet. Hier liegt einer der charakteristischen Unterschiede zwischen dem deutschen und englischen Missionsbetrieb. So sehr wir sonst auf ein brüderliches Verhältnis zu unsern Konfessionsverwandten halten, in dieser Hinsicht finden sie eigentlich nirgends den Beifall der deutschen Missionare. Es scheint bei den Engländern im allgemeinen die Neigung zu bestehen, die heimischen kirchlichen Verhältnisse so schnell als möglich auf die Missionsgebiete zu übertragen und den Neubekehrten dieselben Rechte einzuräumen, wie den Angehörigen eines altchristlichen Gemeindeverbands in England. Bei der ausgesprochenen Neigung des Negers zu ungebundenem, großsprecherischem Auftreten und seinem bekannten Mangel an Demut führt das leicht zu allerlei Unzuträglichkeiten. So war es auch in Kamerun gegangen. Wohl hatten es bei diesem System die baptistischen Missionare dahin gebracht, dass die Opferwilligkeit der Gemeinden in verhältnismäßig hohem Grade entwickelt war, aber andrerseits hatten diese Grundsätze die Autorität der weißen Missionare bedenklich erschüttert und einen auffälligen Mangel an christlicher Zucht zur Folge gehabt. So hatte es geschehen können, dass neubekehrte Leute, denen zum Teil noch nicht die einfachsten sittlichen Begriffe des Christentums in Fleisch und Blut übergegangen waren, sich vermöge ihres sonstigen Einflusses zum Amte von Gemeindeältesten emporgeschwungen hatten und dass andre, die weder hinsichtlich ihrer Erkenntnis noch ihres christlichen Charakters ein besonderes Lob verdienten, als Prediger angestellt worden waren und eine ziemlich weitgehende Unabhängigkeit bei ihrer Amtstätigkeit genossen hatten. Zur Erhöhung dieser Übelstände hatte offenbar ganz besonders der Umstand beigetragen, dass die Leitung der baptistischen Mission schon Jahre lang die meisten ihrer europäischen Arbeitskräfte von Kamerun abgerufen und die Versorgung der Gemeinden fast ganz in die Hände von farbigen Gehilfen gelegt hatte. Dabei spielten gewiss die politischen Verhältnisse eine Rolle, wenn auch nur eine nebensächliche, und auch das mörderische Klima mag nicht ohne allen Einfluss auf diese Entschließungen gewesen sein. Es ist gewiss begreiflich, dass eine Missionsgesellschaft darauf ausgeht, in Westafrika, dem "Kirchhof der Weißen", ihre Gemeinden möglichst bald nur von Schwarzen bedienen zu lassen, aber man darf doch auch nicht übersehen, dass ein Missionswerk, dessen Leitung man ganz in Negerhände legt, ernstlich gefährdet wird, wenn es nicht ganz gut fundiert und in seiner Entwickelung schon zu einer größeren Reife gelangt ist.

Genug, die mit einer viel strafferen pädagogischen Zucht auftretenden Baseler Missionare fanden in den Gemeinden von Bethel und Viktoria viel Widerspruch und hatten manchen Kampf zu bestehen; machten sie doch z.B. vollen Ernst mit der Ausschließung des Branntweinhandels von der Gemeinde, der sich, obwohl früher verboten, in bedenklichem Umfange eingeschlichen hatte, mit der Kirchenzucht u. dergl. Diese Neuerungen gefielen den eingebornen Christen nicht und die Folge davon war, dass sich die alten Gemeindeglieder größtenteils der Neuordnung entgegenstellten und von der Baseler Mission lossagten, zuerst die in Bethel, später auch in Viktoria. So schmerzlich den Baseler Brüdern auch diese Trennung war, sie wollten lieber mit der Sammlung einer Gemeinde ganz neu beginnen und das Übel einer baptistischen Nebenmission, die damit ins Leben trat, mit in Kauf nehmen, als dass sie ihre für notwendig erkannten Ordnungen fallen ließen und ihre Gemeinden von vornherein auf eine falsche Basis stellten. Die baptistische Gesellschaft in London hat übrigens die von ihr übergebenen Gemeinden nicht wieder unter ihre Obhut genommen, sondern die Pflege dieser Mission, die erst einige Zeit selbständig blieb, den Baptisten Deutschlands überlassen, aus deren Mitte seitdem die nötigen weißen Missionare hervorgegangen sind.

Durch diese misslichen Umstände ward das Wirken der neuen Missionare an den beiden wichtigen Küstenplätzen Bethel und Viktoria stark beeinträchtigt, aber dafür gedieh es an andren Orten umso besser. Zu Bethel hatten bei der Übernahme sieben Außenstationen im Flussgebiet gehört; die dortigen Christen fanden sich besser in die Neuordnung der Dinge und unterstellten sich der Baseler Leitung. Es waren: Bellstadt, Hickory, Dschibari, Dibombari, Mangamba, Mungo und Bakundu, Man zählte an allen diesen Orten zusammen zwar nur 130 Seelen, aber es waren damit doch Stützpunkte für ein weitergreifendes Wirken gegeben. Einige von den genannten Orten haben in der Folgezeit eine hervorragende Bedeutung erlangt und werden uns später wieder begegnen.

An erster Stelle kam das der Bethelstation schräg gegenüberliegende Hickory, das von nun an den Namen Bonaberi führt, zu größerer Bedeutung. Seit 1889 hat ständig wenigstens ein weißer Missionar daselbst gewohnt, nachdem das in den politischen Wirren arg zerstörte Wohnhaus wieder hergestellt war. Die Station diente nicht nur als Mittelpunkt der Heidenpredigt auf dem rechten Flussufer, sondern wurde eine Zeit lang geradezu als das Hauptquartier für die nach dem Innern gerichteten Missionsbestrebungen angesehen, für die ja hier nach allen Seiten hin die Wasserstraßen offen stehen. In neuerer Zeit wurde hierher auch die Gehilfenschule gelegt, die erst in Bethel war, von dort aber wegen des allzu starken europäischen Einflusses, der für die Erziehung der jungen Männer nicht günstig ist, weggenommen wurde.

Die erste Stationsgründung im Innern knüpfte wieder an die alten Beziehungen aus der baptistischen Zeit an; sie geschah in den Mangambadörfern am Aboflüsschen. Die dortige Bevölkerung bewies von allem Anfang an eine so überraschende Empfänglichkeit, wie sie auf afrikanischem Boden höchst selten zu beobachten ist. Die Berichte der daselbst wirkenden Missionare sind in den vergangenen Jahren immer um einige Töne höher gestimmt gewesen, als die von andren Orten. Es ist geradezu erhebend, zu lesen, welche Bewegung die christliche Predigt unter den Aboleuten hervorgerufen hat, wie die Kämpfe gegen das sich aufbäumende Heidentum ausgefochten werden, ja wie bereitwillig die eben gewonnenen Christen bei der Bekehrung ihrer Landsleute helfen.

In neuester Zeit sind die Glaubensboten immer weiter ins Innere gezogen, das ja jetzt viel zugänglicher ist, als in der Zeit vor 1884, und haben dort neue Mittelpunkte für die Predigt des Evangeliums geschaffen. Da ist zuerst Bombe am Mittellaufe des Mongo (Mungo) zu erwähnen. Es liegt im Lande der Bakundu, ein wenig weiter stromaufwärts, als das uns aus der baptistischen Zeit her bekannte Bakundu ba Namwili. Letzteres, das nicht unmittelbar am Wasserwege liegt, erschien den Baseler Missionaren als nicht geeignet für eine Hauptstation und ist daher nur ein Predigtplatz geblieben, während das hart am Fluss gelegene Bombe zum christlichen Hauptquartier unter den Bakundu ersehen ist. Die am weitesten ins Innere vorgerückte Station ist gegenwärtig Nyasoso, das auf der Wasserscheide zwischen dem Mungo und dem Dibombe im waldreichen, gebirgigen Gebiet des Nkosistammes liegt. Missionar Autenrieth unternahm im Jahre 1893 von Mangamba aus eine Forschungsreise dahin. Er fand das Land so reich bevölkert und die Häuptlinge, deren Machtvollkommenheit hier noch sehr groß ist, so bereitwillig, christliche Lehrer bei sich aufzunehmen, dass er sich schon an Ort und Stelle zur Errichtung einer neuen Station entschloss. Zwar konnte er sein Versprechen, bald zu einer dauernden Niederlassung wiederzukommen, nicht persönlich einlösen, weil ihn seine erschütterte Gesundheit zu längerer Heimkehr nach Europa zwang, aber er sandte dafür einen andern Bruder von der Küste, so dass das ferne Nyasoso seit 1896 zur Hauptstation erhoben ist.

Alle diese im Flussgebiet liegenden fünf Stationen Bethel, Bonaberi, Mangamba, Bombe und Nyasoso bilden sozusagen das Zentrum der Baseler Kamerunmission, dessen Vorposten sich langsam und stetig nach dem Innern vorschieben. Es wird im Norden und Süden von zwei Nebengebieten flankiert, auf denen die Mission bis jetzt fast ganz auf das Küstengebiet beschränkt geblieben ist. Im Norden ist es Viktoria mit seinen Filialen, die teils dicht am Meer gelegen sind, wie Bota und Bimbia, teils auf den Ausläufern des Gebirges, wie das schon in den Berichten der ersten Periode erwähnte Bondjongo. Seit Jahren wurde von hier aus die Gründung einer Bergstation in Buea, das mitten im Lande der Bakwiri liegt, angestrebt. Man hatte neben den Missionsgedanken dabei zugleich die Errichtung einer Gesundheitsstation im fieberfreien Berglande im Auge. Im Anfang der neunziger Jahre war man nahe daran, die Station zu besetzen, da kam die von Gravenreuthsche Expedition gegen das Bergvolk, die für ihren Führer so traurig endete. Hierbei wurden die Anfänge der Missionsniederlassung zerstört und weil sich die Eingebornen fortan von dem Orte fern hielten, der ganze Plan eine Zeit lang hinausgeschoben. Erst 1896 gingen die Missionsleute wieder an den Bau eines Hauses, das seiner Bestimmung, die durch die Arbeit auf den ungesunden Stationen geschwächten Europäer aufzunehmen und ihnen zur Erfrischung oder Genesung zu verhelfen, inzwischen schon vielfach entsprochen hat. Da in der Nähe der Missionsniederlassung auch bereits ein Haus für den Gouverneur gebaut und noch ein Sanatorium für die übrige weiße Bevölkerung des Kamerungebiets geplant ist, wird der Ort vermutlich in nächster Zeit als Europäer-Ansiedelung eine größere Bedeutung erlangen. Für die Heidenmission konnte bisher in Buea selbst nur wenig geschehen. Die Eingebornen halten sich aus Furcht vor den deutschen Waffen noch immer in einer gewissen Entfernung. Hoffentlich verliert sich diese Scheu mit der Zeit. Übrigens fehlt es dem hier stationierten Missionar nicht an Gelegenheit zur Heidenpredigt in den umliegenden volkreichen Bakwiristädten.

Der südliche Zweig der Mission liegt im Mündungsgebiet des Sanagaflusses. Ein kleiner Ansatz dazu war schon von früher her vorhanden. Als einer der Außenorte von Bethel wurde den Baseler Brüdern Malimba bezeichnet. Das ist der Name des Stammes, der an der Mündung des Sanaga wohnt. Die Missionare fanden dort ein kleines Christenhäuflein, das sie erst von Bethel aus versorgten; aber die große Entfernung legte ihnen von Anfang an den Gedanken nahe, eine selbständige Station unter dem empfänglichen Küstenvolke zu errichten. Der kam zur Ausführung, sobald die wachsende Zahl der Missionare es ermöglichte. Es geschah 1891. Die Station liegt auf der Grenze des Malimba- und Bakokogebiets und heißt Lobetal. Leider stellte sich während des Baues heraus, dass sich auch römische Missionare in der Nähe ansiedelten, so dass man hier deren Konkurrenz auszuhalten hat, was bekanntlich stets als ein großer Übelstand anzusehen ist, weil sie kein Mittel scheuen, die evangelischen Glaubensboten zu verdächtigen und bei ihrer Arbeit zu schädigen. Die Geschichte von Uganda und Madagaskar bringt nur neue Belege zu dieser alten traurigen Erfahrung. Die Baseler haben natürlich die Begegnung nicht gesucht. Aber sie konnten sich durch den Bau des katholischen Manenberg doch auch nicht hindern lassen, ihre schon vorhandene evangelische Gemeinde zu pflegen und zu vergrößern. Lobetal hat sich in den ersten fünf Jahren seines Bestehens sehr erfreulich entwickelt und ist gegenwärtig hinsichtlich der Heidentaufen eine der fruchtbarsten Stationen. Es hat inzwischen bereits eine Niederlassung davon abgezweigt werden können. Stromaufwärts bei den Wasserfällen des Sanaga liegt die deutsche Regierungsstation Edie, in deren Nähe ein der Mission wohlgesinnter deutscher Kaufmann ein Grundstück mit der Bestimmung schenkte, dass eine Missionsstation daselbst errichtet würde. Man nahm in Basel die Schenkung umso dankbarer an, als hinter den Ediefällen eine längere schiffbare Strecke des Sanaga beginnt und daher dieses Edie vermutlich noch einmal zum Ausgangspunkt für die Christianisierung der Völker im Hinterlande unsrer Kolonie werden wird. Die zu Lobetal und Edie gehörigen Filiale und Außenorte, deren man jetzt 20 zählt, reichen im Süden bis hinunter nach Klein Batanga an der Mündung des Njong und berühren sich dort fast mit den Niederlassungen der amerikanischen Presbyterianer, denen die Missionstätigkeit im südlichsten Teile unsres Schutzgebiets zugefallen ist.

Nach diesem flüchtigen Überblick über die geschichtliche Entwickelung wollen wir jetzt einigen der genannten Stationen im Geist einen Besuch abstatten, um zu sehen, wie sich die Missionstätigkeit dort im einzelnen gestaltet und welche Aufnahme die Friedensbotschaft des Evangeliums findet.

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Viktoria

Viktoria ist bis zum heutigen Tage ein Schmerzenskind der Mission geblieben. Der landschaftlich so herrlich gelegene Ort, der jetzt Sitz eines deutschen Bezirksamtmanns ist und mit seinen wohlgebauten Faktoreien und den regelmäßigen gut gehaltenen Straßen einen noch besseren Eindruck macht, als zu der Zeit, da Schwarz ihn sah und pries, kränkelt nach wie vor hinsichtlich seines religiösen Lebens. Man kann nur mit Wehmut den Herzenserguß Sakers wieder lesen, mit dem dieser einst die Eröffnung der "Freistätte" Viktoria begrüßte. Er glaubte, hier sei dem Evangelium eine weite Tür aufgetan und sah in dieser Ansiedelung schon einen herrlichen Gottesgarten entstehen. Nun ist allerdings unter der umsichtigen deutschen Verwaltung Viktoria und seine fruchtbare Umgebung äußerlich in der schönsten Entwickelung begriffen, aber als Missionsplatz hat es seine Pfleger geradezu enttäuscht. Die ehemals hier angesiedelten Christen haben sich stets von den Eingebornen ferngehalten, so dass, als einige der letzteren sich bekehrten, geradezu zwei getrennte farbige Gemeinden am Orte bestanden. Die ersteren waren es, die sich von der Baseler Leitung lossagten; man entließ sie umso leichteren Herzens, als sie schon von Anfang an einen weniger günstigen Eindruck machten, als die Christen von Bethel. Den Grundstock der neuen Viktoriagemeinde bildete, wie gesagt, nur eine kleine Anzahl von bekehrten Eingebornen aus dem nahen Gebirge. Im Laufe der Jahre sind ja noch einige Seelen hinzugekommen, aber wenn wir hören, dass Viktoria mit seinen Außenorten jetzt nur 54 Seelen zählt, so zeigt schon diese geringe Zahl, dass es in diesem Bezirk nicht recht vorwärts gehen will. Weder an der Schularbeit, noch an der Gemeindepflege hat der hier wohnende Missionar seine Freude. Zur Erschwerung der Arbeit trägt übrigens die aus vielen Stämmen bunt zusammengewürfelte Bevölkerung wesentlich bei; die in der Nähe liegenden Plantagen holen ihre Arbeitsleute aus aller Welt zusammen und dieses unsesshafte Volk bringt leider dem Evangelium keine besondere Empfänglichkeit entgegen. Vielleicht werden die Küstenleute mit der Zeit noch einmal durch die wilden Bakwiri in den Wäldern des Gebirges beschämt, wenn diese erst ihre Scheu und Abneigung gegen die Weißen überwunden haben. Der Missionar Bizer von Buea geht ihnen fleißig nach und hat es doch wenigstens so weit gebracht, dass sie ihn von den deutschen Beamten und Soldaten unterscheiden.

Sie nennen ihn mot' a loba (Mann Gottes), oder auch a monyenge (der freundliche Weiße) und mokal' a bwan (der gute Weiße). Freilich, so sehr er sich auch bei der Verkündigung des Wortes zu ihnen herablässt, ein wirkliches Verständnis für das, was er bringt, ist ihnen noch nicht aufgegangen. Sie sagen zwar, das Wort Gottes sei Freude und sie hörten es gern, aber als er am Schluss einer Predigt betonte, dasselbe verlange, dass sie sich bekehrten und ihre bösen Sitten und Gebräuche aufgäben, musste er es erleben, dass einer im Namen aller die Erklärung abgab, bekehren wollten sie sich nicht. Die Bergbewohner fangen zwar an einzusehen, dass eine neue Zeit für sie gekommen ist, aber man hat den Eindruck, dass sie diese Neuerung noch nicht gern sehen.

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Bethel

Wesentlich günstiger ist der Eindruck, den man bei einem Besuch der Stationen im Flussgebiet des Wuri empfängt. Bethel, neuerdings oft Bonaku genannt, ist hier mit dem gegenüberliegenden Bonaberi die Hauptniederlassung geblieben. Es ist der Sitz H. Bohners, der vor einigen Jahren von seinem alten Arbeitsfelde auf der Goldküste herbeigerufen wurde, um als Präses der ganzen Kamerunmission vorzustehen und ihr seine mehr als 30jährige afrikanische Erfahrung zu gute kommen zu lassen. Bethel hat zwar mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, wie Viktoria, aber es geht doch ein frischerer Zug durch die Gemeinden zu beiden Seiten des Flusses. Wohl infolge des vielen Verkehrs mit den Weißen haben die Neger hier ein lebhaftes Verlangen nach Schulunterricht, so dass es fast gar keine Mühe macht, die Jugend zum Unterricht zu bekommen. Die Hauptstation hat sogar schon eine von 70 Schülerinnen besuchte Mädchenschule. Die Gesamtzahl der Schüler in Bethel und seinen Außenplätzen beläuft sich auf 392, in Bonaberi aber mit Einschluss der Gehilfenschule gar auf 803. Im nahen Pongoländchen haben die Häuptlinge vor kurzem selbständig eine Art Schulzwang eingerichtet; wer den Unterricht versäumt, muss am nächsten Tage Gras hauen. Bei dem unter den Dualla jetzt hervortretenden Bedürfnis nach geschulten Handwerkern machte es sich auch verhältnismäßig leicht, dass in Bethel eine Werkstätte zur Heranbildung eingeborner Tischler, Zimmerleute u. dergl. eingerichtet wurde. Die Baseler Mission hat mit ihren Handwerkerschulen auf der Goldküste weit und breit bekannte gute Erfolge erzielt und diese praktische Beschäftigung nach Kamerun in der Hoffnung übertragen, dass hier eine derartige Verbindung von Beten und Arbeiten ebenfalls gute Früchte tragen wird. Auf den stromauf, stromab gelegenen Nebenstationen, von denen sich fast eine an die andre reiht, macht das Christentum sichtliche Fortschritte, Es entsteht eine Kapelle nach der andern. Wie es zum Bau einer solchen kommt, beschreibt Missionar Göhring von Bethel folgendermaßen:

"In Lende oder Bonetonde wollten sie schon längst einen Lehrer haben. Von der Gottessache wissen sie bereits etwas, aber damit sind sie nicht zufrieden, sie möchten noch mehr hören. Darum muss nun ein eigener Lehrer her, koste es, was es wolle. Nach langem Warten haben sie denn endlich einen bekommen. Nun sie ihn aber haben, brauchen sie auch ein Lehrerhaus und eine Kapelle. Ersteres ist bald hergerichtet, aber dann erklären sie dem Missionar in vollzähliger Versammlung: 'Herr, du hast uns einen Lehrer geschenkt, nun müssen wir aber auch eine Kapelle haben.' 'Natürlich müsst ihr die haben', lautet seine Antwort, 'seid nur fleißig, dass ihr eine schöne fertig bringt.' Na sehen sie sich gegenseitig an und sangen an zu lachen. 'Was lacht ihr denn?' 'Ja, das war nicht so gemeint, du musst uns dabei helfen!' 'So? ich helfe euch ja auch nicht, wenn ihr eure eigenen Häuser baut.' 'Ja, das ist wahr, aber eine Kapelle ist eben etwas andres; die muss gut und schön gebaut sein. Du musst uns das Wellblech dazu neben, denn wir wollen eine Blechkapelle haben. Alles andre wollen wir dabei leisten.' 'Gut, das sollt ihr bekommen, aber jetzt geht nur und holt schöne, gerade Pfosten und sammelt Material zum Dach, und wenn ihr alles beisammen habt, so sagt mir's wieder, dann sollt ihr das Blech bekommen und wir werden zusammen eine schöne Kapelle bauen.' 'Vielen Dank!' schreit der ganze Haufe und unter Jubelgeschrei, eilen sie davon. Nach einiger Zeit kommen sie wieder und erklären: 'Herr, wir haben alles beisammen; gib uns jetzt das Blech und sage uns, wann du kommst, damit wir uns darnach richten können.' Sie erhalten nun das Gewünschte und dazu den Bescheid: 'Nächsten Montag wird angefangen.' Wenn dann der Missionar zur festgesetzten Stunde an Ort und Stelle angekommen ist, wird der inzwischen sauber gereinigte Platz, aus dem die Kapelle stehen soll, ausgemessen und die Pfosten gesteckt. 'Was,' rufen sie, 'du willst uns nur eine so kleine Kapelle geben? Du hast uns nicht lieb, Diese Kapelle wird viel zu klein für uns; wir wollen ein großes Gotteshaus haben.' 'Ruft doch einmal alle Leute eures Ortes zusammen. Wenn sie nicht alle auf diesem abgezeichneten Platze stehen können, werde ich größer bauen.' 'Ja,' heißt es dann, 'es sind gegenwärtig nicht alle da, viele sind auf Fischfang und die Weiber sind im Busch.' Trotz dieser Gegenreden und einiger Versuche, hinter dem Rücken des Missionars heimlich die Pfosten weiter auseinander zu rücken, bleibt es bei dem zuerst angegebenen Umfang. So wird die Kapelle gebaut."

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Bonankembe

Die Festlichkeiten, die bei der Weihe einer solchen Kapelle gefeiert werden, beschreibt uns derselbe Missionar von einer seiner anderen Außenstationen, Bonankembe. Dort war an die Stelle der verbrauchten alten Mattenkapelle ebenfalls ein dauerhafteres Gebäude getreten. Die Einweihung geschah am zweiten Weihnachtsfeiertag. Die beiden geladenen Missionare kamen im Kanu gefahren und wurden an der Landungsstelle mit dem Gesang eines Chorals begrüßt. Im feierlichen Zuge führte man sie in die Kapelle, die bald gestopft voll wurde. Da waren die Christen von Bonangando mit ihrem Lehrer und ihrer nach europäischem Schnitt gekleideten, aber barfuss gehenden Pfarrfrau; ferner die Christen und Schüler von Bonamusadi mit ihrem Lehrer und so fort. Von allen Seiten kamen die Gäste, so dass der Raum sie nicht alle fassen konnte.

Ein dreistimmiges Weihnachtslied, das die mit den Missionaren gekommenen Schüler von Bethel sangen, eröffnete die Feier. Dann kam der bei solchen Festen gewöhnliche Eingang mit Kanzelgruß und Gebet von Seiten des Missionars, darauf Gemeindegesang. Nun ergriff der Lehrer Jakob Modi von Bonankembe das Wort. Er rief allen von auswärts Gekommenen im Namen seiner Christen ein herzliches Willkommen zu. Dann gab er einen kurzen Überblick über den Bau des Gotteshauses, erzählte, wie sie sich's hätten sauer werden lassen, bis alles fertig war. Aber ihre Mühe und Arbeit sei auch nicht unbelohnt geblieben, sie hätten jetzt die schönste Kapelle im ganzen Umkreis. Nachdem hierauf noch der Lehrer Joseph Kno von Bonangando in recht verständiger Weise über die Tempelreinigung geredet hatte, wobei er das Herz des Menschen als den Tempel bezeichnete, der dem Herrn gereinigt werden müsste, folgte die Prüfung der Taufkandidaten, die an diesem Tage in die Gemeinde aufgenommen werden sollten. Man verbindet die Kapellenweihen womöglich immer mit solchen Tauffesten. Nach Vollzug dieser Handlung sangen die Bethelschüler wieder ein dreistimmiges Lied, und dann taten sich die Schleusen der Beredsamkeit noch einmal auf. Jeder der anwesenden schwarzen Lehrer hatte ein gutes Wort zu sagen, bis der Missionar zum Schluss das heilige Abendmahl austeilte. Damit endete die kirchliche Feier.

Nun folgte aber noch der gemütliche und materielle Teil. Während der Lehrer Mose Ngongi mit seinen Schülern ein vierstimmiges Lied zum Besten gab, stellten die Ortsbewohner Tische, Bänke und Stühle zurecht, um ihre Gäste zu bewirten. Bald hörte man von dieser, bald von jener Seite her fröhliche Lieder erschallen, wie "Wo findet die Seele" oder "Wie lieblich ist's hinieden" und ähnliche. Alle Festpilger saßen, nach Landsmannschaften geordnet, in Gruppen beisammen. Die Tische waren schwer mit Speisen beladen; es gab geröstete Pisang, Yams, Fische und Wasser. Die Missionare setzten sich bald hierhin, bald dorthin und unterhielten sich mit den Festgenossen, sprachen ihnen auch zu, tüchtig zu essen, was sie übrigens von selbst besorgten. Die Einheimischen aber wurden nicht müde, immer wieder neue, verbesserte Auflagen zu bringen. Es war wirklich ein rechter Freudentag für alle, für die schwarzen Christen, wie für ihre weißen Lehrer.

Wenn man eine solche Festfeier, bei der die Leute von den verschiedenen Stationen in brüderlicher Eintracht bei einander sitzen, mit jenen blutigen Fehden vergleicht, die zu Sakers Zeiten am Kamerunfluss noch so häufig waren, hat man einen recht handgreiflichen Beweis für den Erfolg der Missionspredigt vor Augen. Zwar ist auch jetzt noch nicht alles Gold, was glänzt. Bei dem Eifer, eine schöne Kapelle zu bauen, läuft ohne Zweifel vielfach ein reichliches Maß von Ehrgeiz und Überhebung mit unter, aber es ist doch schon etwas wert, dass diese Neigungen des Negers in gute Bahnen gelenkt worden sind. Das geistliche Leben in den Gemeinden lässt ja auch noch viel zu wünschen übrig, so dass gerade auf diesen verkehrsreichen Stationen am Strom öfter eine scharfe Kirchenzucht geübt werben muss und häufig Ausschließungen auf gewisse Zeit vorkommen. Aber das darf uns doch nicht befremden. Unsre deutschen Kirchgemeinden sind, obwohl sie eine vielhundertjährige christliche Geschichte hinter sich haben, auch noch nicht vollkommen, wie viel weniger kann man das von einer Negergemeinde erwarten, wo die Familien höchstens in der zweiten Generation unter dem Einflüsse des Christentums stehen. Eine gründliche Heiligung ist nicht das Werk flüchtiger Jahre. Wenn nur diesen jungen Christen recht zum Bewusstsein gebracht wird: "Nicht dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei, ich jage ihm aber nach, ob ich es ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin." An dieser heilsamen Erinnerung aber lassen es die Missionare und die von ihnen mit väterlichem Ernste gehandhabte Kirchenzucht nicht fehlen.

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Mangamba

Noch schöner, als hier unten in der Flussniederung, ist das Missionswerk in Mangamba unter den Aboleuten gediehen.

Die von den bösen Einflüssen des Küstenverkehrs noch wenig berührte Bevölkerung brachte dort der christlichen Predigt gleich im Anfang ein merkwürdiges Verständnis entgegen. Es entstand unter ihnen eine Bewegung, die wie ein Wehen des heiligen Geistes die Herzen weiter Kreise berührte. Ein einzigartiges Suchen und Fragen nach der Wahrheit zog ganze Scharen von heilsbegierigen Seelen nach der Missionsstation. Man wurde unwillkürlich an die Weissagung des Propheten erinnert, der von einem Hunger nach Gottes Wort redet. Jünglinge und Männer kehrten dem Heidentum den Rücken und schlossen sich als "Männer Gottes" zusammen. Es war plötzlich Pfingsten im Heidenlande geworden. Die Mission war kaum imstande, das Bedürfnis nach Lehrern zu befriedigen und genügend viele Predigtgelegenheiten zu schaffen. Diese allgemeine Erweckung begann im Jahre 1890 und hat Jahre lang angehalten. Die Arbeit wuchs den Missionaren unter den Händen. Um nur die dringendsten Wünsche zu befriedigen, wozu die ordentlichen Hilfskräfte nicht ausreichten, mussten sie eine Zeit lang Christen aus Mangamba in der Woche vorbereiten, um sie am Sonntag als Prediger in die umliegenden Dörfer oder auch zu mehrtägigem Aufenthalt in entlegenere Ortschaften zu schicken. Es war ihnen in dieser Zeit eine rechte Hilfe, dass sie schon eine kleine christliche Literatur, besonders Sakers Bibelübersetzung, zur Verfügung hatten. Gar manches neue Testament wanderte in die Hände der Eingebornen, die keine Kosten dafür scheuten. Wer noch nicht lesen konnte, half sich mit dem Auswendiglernen, indem er sich von guten Freunden vorlesen ließ. Es trat auch eine rührende Opferwilligkeit zu Tage. Als die Kapelle in Mangamba gebaut werden sollte, gab es dort nur ungefähr 20 arbeitsfähige männliche Gemeindeglieder; denen war es aber nicht zu viel, als sie außer der monatlichen Kirchensteuer noch über 1.000 Mark für den Bau aufbringen mussten. Die Sonntagsversammlungen, sowie die Morgen- und Abendandachten wurden mit großer Regelmäßigkeit besucht. Es würde als Schande gegolten haben, wenn sich ein Christ denselben hätte entziehen wollen. Sie pflegten auch mit Eifer den Gesang und ließen gern ihre christlichen Lieder, die sich von Mund zu Mund fortpflanzten, erschallen. Mehr und mehr bürgerte sich der vom Missionar eingeführte Gruß der Christen ein "Lobe lo namse na" (Gott segne dich!).

Eine unvergessliche Festzeit war für die ganze Landschaft das Weihnachten 1890. Da kamen die ersten Glocken in Mangamba an und riefen nun die Botschaft "Siehe, ich verkündige euch große Freude" in feierlichen Tönen hinaus ins Land bis zu den fernsten Weilern und Hütten der Aboleute. Die Hauptfeier bildete die Einweihung der neuen Kapelle am Sonntag nach Weihnachten, wobei 29 Personen die heilige Taufe empfingen. Von allen Seiten strömten dazu die Leute herbei: Lehrer, "Männer Gottes", Christen und Taufbewerber. Auch viele Heiden ließen sich durch das ungewohnte Schauspiel anlocken. Als der Zug der Täuflinge den Hügel hinauf zur Kapelle geleitet wurde, da stand das Volk dicht gedrängt und das neue Gotteshaus erwies sich für solche besondere Festtage als viel zu klein.

Der Weihnachtslobgesang war aber noch nicht lange verhallt, da verwandelte sich sein letzter Teil "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen" für die Gemeinde von Mangamba in sein Gegenteil, Das Wohlgefallen bei den Menschen ging ihnen gründlich verloren. Das scheinbar so leicht überwundene Heidentum regte und bäumte sich gegen den neuen Glauben auf. Es entstand ein heißer Kampf zwischen den Kindern des Lichts und der Finsternis. Die Heiden suchten, von ihren Zauberern angestachelt, die Übertritte zum Christentum an einigen Orten zu hindern. Ihre Häuptlinge verboten die Straßenpredigt, oder erschwerten dieselbe wenigstens sehr. Knaben und Jünglinge,  die ihre Hinneigung zum Christentum verrieten, machte man gewaltsam zu Gliedern des heidnischen Geheimbundes, umso ihren Übertritt für immer zu vereiteln. Diese Zwangsmaßregeln brachten es an einigen Orten wirklich dahin, dass die schon Erweckten von den Gottesdiensten fern blieben. Die Christen wurden isoliert, bedroht, auch tätlich angegriffen. Den Höhepunkt dieser Verfolgungszeit bezeichneten die Überfälle der Gottesdienste in Besungkang, Mangamba und Fiko. Dort wurden die Christen mitten in ihrer Andacht aus den Kapellen gezerrt, ihrer Kleider beraubt und misshandelt, selbst der eingeborne Prediger wurde hart mitgenommen. Die Absicht der Heiden war, die Christen sollten sich wehren, dann wollte man sie als die Angreifer beschuldigen und verurteilen lassen. Aber diese setzten den Gewalttätigkeiten eine ihren Feinden ganz unverständliche Sanftmut entgegen und ließen sich alles gefallen. Dadurch errangen sie einen großen moralischen Sieg über die Heiden. Es ward sogar von der heidnischen Obrigkeit öffentlich anerkannt, dass die Verfolger der Christen im Unrecht gewesen waren. Nach dieser Anfechtung aber wurden die Gottesdienste an manchen Orten zahlreicher besucht, als zuvor.

Seitdem geht es unaufhaltsam vorwärts in den Mangambagemeinden und die Christenschar wächst nicht nur nach außen (es werden gegenwärtig 352 Christen im Abolande gezählt), sondern auch innerlich. Sie suchen sich gegenseitig zu ermuntern und in Zucht zu halten. Es könnte mancher schöne Gemeindebeschluss als Beweis dafür angeführt weiden. Bemerkenswert ist auch das Verlangen nach besseren Wohnungen, sowie der Wunsch nach geordneter Beschäftigung, den die Missionare gern benutzten, um Handwerke im Volke einzuführen. Die schönste Blüte hat die Bewegung von Mangamba aber damit getrieben, dass die eingebornen Christen schon direkte Beihilfe zur Bekehrung ihrer Landsleute leisten. Im August 1894 fassten die vier am weitesten geförderten Gemeinden den Beschluss, die Mittel zur Gründung und Unterhaltung von zwei Außenstationen ganz selbständig aufzubringen. Sie gründeten zu diesem Zwecke, und das ist echt afrikanisch, ein Handelsgeschäft, an dem kein Heide teilnehmen darf. Der Erlös wurde zur Besoldung von eingebornen Lehrern für jene neuen Stationen bestimmt. Als in den letzten Jahren der Eifer innerhalb dieser Missionsgenossenschaft einmal erlahmen wollte, feuerte ein eingeborner Lehrer die Lässigen so erfolgreich an, dass sie nicht nur ihre zwei Plätze weiter versorgten, sondern auch noch einen dritten hinzunahmen. Gott gebe, dass kein verderblicher Maifrost in diesen schönen Missionsfrühling fällt.

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Lobetal

Auch Lobetal am Sanaga ist über Erwarten schnell zu einer gesegneten Pflanzstätte des christlichen Glaubens geworden. Die Baseler Brüder hatten hier im Jahre 1892, wo die Station eröffnet wurde, recht eigentlich Pionierdienste in der Wildnis zu leisten, als sie noch in einer Waldhütte wohnten, die nach Bauart und Einrichtung nur den Bedürfnissen der Eingebornen entsprach, wo die Mäuse im Mattendach nisteten und die Eidechsen ihr munteres Spiel trieben. Kam ein Gewitter, so nahm der Sturm die Matten in die Hohe, ja zuweilen riss er sie ganz los, so dass der Regen freien Zugang hatte. Das war eine gefährliche und entsagungsvolle Zeit für die beiden Europäer, die mit Hilfe einiger Eingebornen das neue Wohnhaus aufbauten, dessen Material in verschiedenen Bootsladungen den Kwakwa und Sanaga herausgeschafft worden war. Sie konnten sich nicht einmal Zeit dazu nehmen, denn das Haus sollte noch vor dem Eintritt der Regenzeit unter Dach kommen. umso dankbarer waren die Brüder, als sie es am Tage vor Pfingsten beziehen konnten. Es hat eine schöne freie Lage auf dem erhöhten Ufer des Stroms, dessen mächtige Fluten majestätisch vorüberziehen. Stundenweit schweifen die Blicke flussaufwärts und abwärts und weiden sich an der großartigen Vegetation, von der das Ufer und die der Station gerade gegenüber im Strom liegende palmenreiche Insel bedeckt ist.

Die von Lobetal nach der See zu wohnenden Malimbaleute, ein aufgeschlossenes Fischer- und Handelsvölkchen, kamen den Missionsleuten von Anfang an mit viel Vertrauen entgegen und konnten fast schmollen, wenn sie einmal bei einer Predigttour übergangen wurden, dagegen zeigten die Bakoko auf der andern Seite des Stationsgebiets ein mehr verschlossenes trotziges Wesen. Letzteres kehrten sie auch den Kolonialbeamten gegenüber heraus und das hat im Anfang das ganze hiesige Missionswerk einmal in ernste Gefahr gebracht. In einer Arbeiterfrage war eine Differenz zwischen dem Kanzler Wehlan und den Bakoko entstanden. Einer der heißblütigen Eingebornen legte sein Gewehr auf den dicht neben dem Missionar Schuler gehenden Kanzler an und hätte ihn jedenfalls erschossen, wenn nicht ein andrer ihm warnend zugerufen hätte: "du tötest Schüler", worauf der Schuss unterblieb. Das war der Anfang des Bakokokriegs, der die ganze Umgebung von Lobetal in Aufruhr brachte. Es waren böse Tage für den einsamen Missionar. Zwei Duallalehrer und einige Akraarbeiter, die auf der Station halfen, bestürmten ihn, er möchte doch mit ihnen aus dem aufrührerischen Gebiete fliehen; er aber konnte es lange nicht über sich gewinnen, seinen gefährdeten Posten zu verlassen, weil er sich sagte, dass dann die ganze Anlage, ein Werk kostspieliger, mühsamer Arbeit, zerstört werden würde. Jene Episode beim Ausbruch der Unruhen hatte ja auch gezeigt, dass die Eingebornen ihm zugetan waren. Erst als nach einiger Zeit selbst der Häuptling mit den Ältesten der Bakoko es für rätlich erklärte, dass er sich für einige Zeit zurückzöge, und inzwischen die Verantwortung für die Sicherheit der Station übernahm, ging er nach Bethel, besuchte aber von dort aus regelmäßig die gewonnenen Christen, bis die Ruhe wieder hergestellt war.

Das geschah im Jahre 1892. Seitdem ist Lobetal im schönsten Aufblühen begriffen. Es haben im letzten Jahre (1896) hier nicht weniger als 136 Heidentaufen stattgefunden und die Zahl der Schüler beträgt im Bezirk bereits 413. Sogar eine gut besuchte Mädchenschule befindet sich auf der Station. Die Bollwerke des Heidentums kommen sichtlich ins Wanken. Das am Meer gelegene Bongo war bis vor kurzem ein Hauptsitz des Aberglaubens; man verehrte hier besonders die Dschengu (Wassernixen), und auch der Melidienst, mit dessen Orgien unzählige heimliche Morde verbunden waren, stand in der Umgegend sehr in Blüte, Durch letzteren sind früher, wie die Leute sagen, ganze Städte entvölkert worden. Dieses Unwesen ward nun unter dem Einfluss der Missionspredigt ohne viele Schwierigkeiten abgestellt. War es früher streng verboten gewesen, nur das Geringste von den Geheimnissen des Dschengudienstes auszuplaudern, so können die jungen Leute jetzt ohne Scheu beim Rudern die Dschengulieder zum Spott auf die ohnmächtigen Wassergötter singen. Von den alten Götzendienern aber ist seitdem schon mancher gekommen, um seine Knie vor dem zu beugen, der ein Gott ist über alle Götter. So wurde vor einiger Zeit ein Mann von über 80 Jahren getauft, der von sich selbst bekannte, dass er früher im Dienste des Heidentums schrecklich viel Blut vergossen habe.

dass es um das geistliche Leben auf der Station nicht schlecht bestellt sein kann, geht unter anderem aus einem Briefe hervor, den ein Katechist von Lobetal an seinen zurzeit in der Heimat weilenden Missionar geschrieben hat. Da heißt es wörtlich:

"Sage den Vätern in Basel, dass ich ihnen vielmals danke. Wie ein Küchlein nicht vergisst die Fittige seiner Mutter, und wie die Mutter nicht vergisst, das Küchlein zu rufen zur Essenszeit oder wenn der Adler es zu erhaschen sucht, so ist es zwischen mir und ihnen. Die Henne übertrifft die Ente im Bewahren der Jungen. Um unsres Herrn Jesu willen übertreffen auch Sie, meine Väter, diejenigen, die mich geboren haben nach dem Fleisch. Sie haben mich gezeuget nach dem Geist durch das Evangelium unsres Herrn Jesu Christi. Weshalb mögest Du und die Herren in Basel nicht vergessen, für mich zu beten vor dem Angesicht Gottes. Ihr möget Gott anflehen für mich allezeit, dass sein Geist in mir wohne bis zu meinem Tode, dass er mir meine Sünden und Übertretungen vergibt um seiner Barmherzigkeit und Liebe willen und um seines geliebten Sohnes Jesu Christi willen."

Diese Worte aus der Feder eines Christen von Kamerun mögen die Einzelbilder aus dem Arbeitsfelde der Baseler Mission beschließen. Sie sind ein schönes Zeugnis dafür, dass das gepredigte Wort auch dort nicht leer wieder zurückkommt. Es ist gewiss eine Ausnahme, dass es einen solchen Widerhall im Herzen und auf den Lippen der Eingebornen findet, wie bei diesem schwarzen Gehilfen, bei dem ja ein tieferes Verständnis des Christentums vorausgesetzt werden kann, als bei der großen Menge seiner Landsleute. Aber er ist doch auch nur ein Neger und wo er steht, dahin können die andern ebenfalls kommen.

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Schluss

Wenn wir zum Schluss noch einmal auf das ganze Missionsfeld sehen, so liegt eine der Hauptschwierigkeiten für die Ausdehnung des Missionswerkes in der Menge der Sprachen. In den bis jetzt besetzten Landschaften sind nicht weniger als dreizehn in Gebrauch. Man kennt sie zurzeit noch nicht genug, um schon zu wissen, wie groß die Verwandtschaft zwischen ihnen ist und welche Dialekte die größere Lebenskraft haben. Ohne Zweifel wird sich später einmal die Zahl der Kirchensprachen in diesem Gebiet wesentlich verringern lassen. Aber es gehören Jahrzehnte lange Studien und Beobachtungen dazu, um hierbei das Richtige zu treffen. Für die jetzt ankommenden Missionare ist es eine unerlässliche Aufgabe, die Muttersprache des Stammes zu erlernen, unter dem sie sich niederlassen. Es ist ein fester Grundsatz der evangelischen Mission, die Eigenart der Völker, zu denen sie kommt, nicht zu zerstören, sondern zu veredeln, zu verklären. Die Sprache eines Volkes ist aber einer der allerwichtigsten Bestandteile seines Wesens. Es ist charakteristisch für die uniformierende Weise der römischen Kirche, dass sie dieses liebevolle Eingehen auf die Eigenart der von ihr bekehrten Nationen nicht kennt oder sich ihr doch nur notgedrungen anbequemt. Sie nimmt ihre lateinische Kirchensprache überall mit hin und tut sich wohl gar etwas darauf zugute, dass die so gehaltene Messe in Marienberg am Sanaga genau ebenso klingt, wie im Kölner Dom. Ihre Missionare ersparen sich denn auch in vielsprachigen Gebieten das Erlernen der Eingebornensprache so viel als möglich und benutzen mit Vorliebe die auf weite Strecken notdürftig verstandenen Verkehrssprachen, wie das Kisuaheli in Ostafrika. Ganz anders die evangelischen Glaubensboten. Sie befolgen den Missionsbefehl ihres Meisters so, wie er dasteht und sehen daher als ihre Hauptaufgabe unter den Völkern dies an: "Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe." Das ist aber ohne Benutzung ihrer Muttersprache ein Ding der Unmöglichkeit. Man kann die nachahmungslustigen Neger ohne ihre Sprache zu reden allenfalls zum Händefalten, Niederknien und Nachplappern von Gebeten bringen, aber nimmermehr dazu, dass sie die neuen Gedanken des Christentums erfassen und ihre eigene Gedankenwelt dadurch verwandeln und erneuern lassen. Das erreicht der Missionar nur, wenn er mit dem Heiden wie eine Mutter mit ihrem Kinde reden kann, nämlich in seiner Muttersprache, Darum gehören in der evangelischen Mission eingehende Sprachstudien zu den ersten und wichtigsten Anfängerarbeiten und in einer späteren Periode der Missionstätigkeit verwenden in der Regel die gebildetsten und tüchtigsten Missionare ihre Hauptkraft auf die Schaffung einer religiösen Literatur in der betreffenden Sprache.

Diesen erprobten Grundsätzen entsprechend gehen die Baseler Missionare so viel als möglich auf die Eigentümlichkeiten ihres vielsprachigen Arbeitsfeldes ein. In der Predigt und beim Schulunterricht kommt die jeweilige Muttersprache zur Anwendung. Aber eine andre Frage ist es, ob auch jede in Kamerun vorgefundene Sprache zur Schriftsprache erhoben werden soll. Das ist unmöglich. Wie viele von ihnen eine solche Auszeichnung verdienen, wird erst die Zukunft lehren. Bisher ist nur eine Literatur in der Duallasprache vorhanden. Dazu war ja schon vor dem Eintritt der deutschen Missionare der Grund gelegt. Von Sakers Zeiten her gab es die Duallabibel, auch ein Gesangbuch und eine Übersetzung von Bunyans Pilgerreise. Durch den Fleiß der Baseler Brüder sind nun eine ganze Reihe weiterer Duallaschriften hinzugekommen, nämlich: ein Lesebuch, eine Sprachlehre, ein Wörterbuch, Katechismus mit Spruchbuch, neu übersetzte biblische Geschichten, eine revidierte Ausgabe der Evangelien und der Apostelgeschichte, ein Melodienbuch, das "Herzbüchlein" und eine Liturgie. Wie man sieht, ist auf diesem Gebiet in der neuen Missionsperiode wacker gearbeitet worden. So kann auch das gedruckte Wort unter den wissensdurstigen Duallanegern wirken und bei ihren Handelsreisen nach allen Seiten hin Verbreitung finden.

Ein recht bequemes Verkehrsmittel hat die Mission in dem Petroleum-Motorboot "Musango" d. h. Friede erhalten. Es ist bei der Hauptniederlassung auf dem Kamerunfluss stationiert und dient teils bei den Predigtreisen stromauf, stromab, teils dem Verkehr der Stationen untereinander. Die allermeisten von ihnen sind ja auf dem Wasserwege zu erreichen. Über die vor dem hohen Seegang geschützten Küstengewässer darf sich das kleine Boot natürlich nicht hinauswagen.

Über die seitherige Entwickelung der Baseler Mission in Kamerun gibt die nachstehende Tabelle einen schnellen Überblick. Sie fängt erst mit dem Jahre 1890 an, weil in der Zeit von 1887 - 89 die Arbeit noch nicht recht im Gange war, auch ließ die Übernahme der Baptistenmission und die Wiederablösung eines Teils der übernommenen Gemeinden keine klare Zahlenaufstellung zu.

Stand
am Anfang
des Jahres

Europäische
Missionare

Ein-
geborne
Gehilfen

Haupt-
stationen

Filiale

Heidentaufen
im letzten
Jahr

Gemeinde-
glieder

Schüler

Ausgaben
in Mark

1890

10

13

4

29

27

159

284

64.250

1891

9

23

4

34

117

256

342

91.232

1892

10

27

5

36

175

416

578

106.238

1893

11

43

5

40

300

675

1457

141.353

1894

13

44

5

55

265

912

1497

129.511

1895

17

56

5

55

285

1130

1281

117.286

1896

15

72

6

70

293

1307

?

153.250

1897

18

98

9

91

358

1473

2102

noch
unbekannt

Die Basler Mission in Kamerun

Wie diese Tabelle zeigt, sind in der bisherigen kurzen Zeit fast in jeder Hinsicht ganz überraschende Fortschritte zu verzeichnen. Verhältnismäßig am wenigsten ist die Zahl der europäischen Sendboten gestiegen, was aber nicht der aussendenden Missionsgesellschaft, sondern dem mörderischen Klima zur Last fällt. Wenn wir die Zahl der nach Kamerun abgeordneten Brüder eingestellt hätten, würde auch Spalte 1 ein viel stärkeres Wachstum zeigen. Wir würden aber dann nicht nur die in der Arbeit stehenden Männer, sondern auch die Grabhügel mitzählen, die am Ufer des Wuri und auch sonst hier und da im Kamerungebiet Zeugnis davon geben, dass mancher treuer Arbeiter schon nach kurzem Wirken hienieden zum Feierabend gezwungen wurde. Ein enormes Wachstum zeigt dagegen die Menge der eingebornen Gehilfen, die, wie oben erwähnt, früher in Bethel ausgebildet wurden, jetzt aber ihre Lehrzeit in Bonaberi durchmachen. Ihre Zahl ist in den acht Jahren mehr als siebenmal so groß geworden. Es ist eine Reihe sehr tüchtiger Leute darunter. Mit der Anlegung von Hauptstationen ist man nicht allzu schnell vorgegangen, hauptsächlich weil es infolge der großen Verluste zeitweilig an weißen Missionaren fehlte, darum hat sich ihre Zahl nur verdoppelt, dagegen wurden die Filiale, deren Versorgung zumeist durch die eingebornen Gehilfen geschieht, mehr als verdreifacht. Ganz besonders in die Augen fallend ist das schnelle Wachstum bei den Heidentaufen, von denen jetzt mehr als zehnmal so viele stattfinden, als 1890. Auch die Gemeindegliederzahl hat sich beinahe ebenso stark vermehrt. Es könnte auffallen, dass die Seelenzahl der Gemeinden nicht so schnell wächst, als die Zahl der Heidentaufen im vorhergehenden Jahre erwarten lässt. So wurden z. B. im Laufe des Jahres 1896 nicht weniger als 358 Heiden getauft, die Seelenzahl nahm aber in derselben Zeit nur um 166 zu. Der Grund hierfür ist nicht nur in dem Abgang durch Sterbefälle zu suchen, sondern auch in der an manchen Orten nötig gewordenen Sichtung der schnell entstandenen Gemeinden. Es kann der Missionsleitung ja nicht daran gelegen sein, mit großen Zahlen zu prunken. Was sich in den Gemeinden als nicht lebensfähig erweist oder gar dem christlichen Namen zur Unehre gereicht, muss wieder ausgemerzt werden. Gerade diese immer wiederkehrende Sichtung, durch die freilich die Zahlenerfolge herabgedrückt werden, muss mithelfen, dass sich die junge heidenchristliche Kirche in Kamerun gesund entwickelt. Zu schönen Hoffnungen berechtigt das ebenfalls sehr in die Augen fallende Wachstum der Schüler, Ihre Zahl war am Ende des Jahres 1896 siebenmal so groß geworden, als 1890.

Die letzte Spalte führt die der Baseler Gesellschaft durch die neu übernommene Mission erwachsenen Kosten auf. Sie beliefen sich im Jahre 1890 noch auf 64.250 Mark, sind inzwischen aber auf mehr als 150.000 Mark jährlich gestiegen und werden natürlich mit der größeren Ausdehnung des Werkes weiter wachsen. Leider haben die Einnahmen, die für diesen besonderen Zweck in Basel eingingen, nicht gleichen Schritt gehalten. Man hoffte anfangs, es werde dem Stuttgarter Verein für evangelische Mission in Kamerun gelingen, die auf dem neuen Arbeitsfelde entstandenen Kosten zu decken. Das ist aber trotz der eifrigen Sammelarbeit seitens der Württemberger Freunde nur in beschränktem Maße der Fall gewesen. Der Verein hat in den letzten Jahren durchschnittlich nur 15.000 Mark an die Missionsgesellschaft abliefern können. Man hat sich in der Erwartung, dass die Leute in den Kolonialvereinen jetzt größere Summen für die Heidenmission opfern würden, wie es scheint, getäuscht. Die Gaben kommen nach wie vor hauptsächlich aus den Händen der Leute, die für das Kommen des Reiches Gottes zu beten pflegen und diese gehören meistens nicht zu den Kreisen derer, die in politischen Dingen das große Wort führen, wenn auch die Berichte des Stuttgarter Vereins einige rühmliche Ausnahmen von dieser Regel zu verzeichnen haben. Jedenfalls ist die kostspielige Arbeit in Kamerun zum nicht geringsten Teile schuld daran, dass die Baseler Gesellschaft in den letzten Jahren ihre Rechnungen mit teilweise hohen Fehlbeträgen hat abschließen müssen. Es ist eine Ehrenpflicht der deutschen evangelischen Kirche, dieses hauptsächlich durch die neue Kolonialmission hervorgerufene Defizit nicht zu einer chronischen Krankheit werden zu lassen. Ein Werk, das der Herr so sichtlich gesegnet hat, dürfen wir nicht durch den Mangel an Geld gehindert oder verzögert werden lassen.

Es ist ein hocherfreuliches Bild, das sich bei der Betrachtung der verhältnismäßig kurzen Missionsgeschichte von Kamerun vor unsern Augen entrollt hat. Den Missionaren kommt jetzt wirklich von fast allen Seiten ein Hunger nach dem Wort Gottes entgegen, ja auf manchen Stationen ist das Feld schon reif zur Ernte und die Knechte des Herrn arbeiten mit allen Kräften, um den Ertrag des heißen Erntefeldes einzuholen. Aber das bisher Erreichte ist doch nur ein kleiner Anfang. Eine riesengroße Missionsaufgabe bleibt noch zu bewältigen. Die Baseler Brüder haben zurzeit ein Gebiet besetzt, das etwa halb so groß ist, wie Württemberg; der Umfang der ganzen Kolonie ist aber ungefähr dem des Deutschen Reiches gleich. Dazu kommt, dass die jetzt bestehenden Stationen so weit zerstreut liegen, dass man bei mehreren einige Tagereisen braucht, um von der einen zur andern zu gelangen, nach Nyasoso gar eine Woche. Wie viel Arbeit liegt also noch zwischen diesen Orten! Wenn man auch zunächst nur die zur Banturasse gehörigen Negerstämme ins Auge fasst, so bleibt doch mindestens ein acht bis zehnfach so großes Gebiet zu besetzen. Erst wenn das geschehen sein wird, kann das Evangelium weiter zu den tief im Innern nach dem Tschadsee zu wohnenden Sudannegern getragen werden, unter denen der Islam immer noch seine traurige Propaganda mit Feuer und Schwert betreibt.

Darum hebet eure Augen auf, ihr deutschen evangelischen Christen, und sehet das große Erntefeld! Es stehen bei uns viele junge Männer, die sich für den Dienst der Kirche vorbereitet haben, ziemlich müßig am Markte. Sie sollten doch bedenken, dass dort in Kamerun auch das Werk des Herrn zu tun ist. Es wird bei uns viel Geld für unnütze Dinge ausgegeben. O, dass man diesen irregeleiteten Strom von Silber und Gold hinüberlenken könnte in die Missionskassen, die es so nötig brauchen! Kommt, lasst uns mit Gebet und Gaben die Missionsarbeit stärken. Soll durch unsre Lässigkeit die kalte Religion des bleichen Halbmondes immer weiter vordringen und der liebelose Islam in unserm Kamerun ein Volk nach dem andern verschlingen? Nein, das siegende Kreuz soll ihm mit heiliger Begeisterung entgegengetragen werden und die Religion der Liebe soll die geknechteten Völker befreien und die tief gesunkenen auf reinere, selige Höhen führen.

Die Zeit eilt dahin und manche Zeichen deuten darauf, dass der Herr der Kirche sich anschickt, wieder zu kommen, um sein Reich zu vollenden. Die Pforten von Kamerun haben sich seinen Boten erst zu später Stunde aufgetan. Aber auch die dortigen Völker müssen noch alle vor die entscheidende Frage gestellt werden, ob sie das Heil annehmen wollen oder nicht. Wir schauen segnend den Boten nach, die ihnen den Frieden verkündigen. O, möchte es ihnen gelingen, zu den schon gewonnenen Tausenden noch Hunderttausende hinzuzufügen, die dereinst würdig erfunden werden, in der unzählbaren Schar aus allen Heiden und Völkern und Sprachen vor dem Throne des Herrn zu stehen und mit uns in Anbetung zu frohlocken:

"Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen".

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