Ostafrika 3 von Carl Paul

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Die Mission in unsern Kolonien

Von Pfarrer Carl Paul

Neue Folge der Dietelschen Missionsstunden, Zweites Heft, Verlag Fr. Richter, Leipzig 1900, Seite 213 - 332

Deutsch-Ostafrika 3

7,6 MB

Inhalt

Die beiden deutschen Schwestermissionen am Nyassa-See

    1. Der gemeinsame Anfang im Kondelande
            Brüdergemeine
            Berlin I
            Missionsgebiet am Nordufer des Malawisees

    2. Die Herrnhuter auf dem Wege zum Tanganjika-See 
           
Wakonde
            Utengule
            Bundali- und Njikaland

    3. Vom Nyassa nach Uhehe (Berlin I)
           
Wakonde
           
Kingaland
           
Uhede

    Link

Sonnenaufgang am Kilimandscharo

    1. Die ersten Glaubensboten unter den Wadschagga
          1878
            1885
            1890
            1892
            Taweta

     2. Der Eintritt der Leipziger Mission
            Madschame
            Mamba
            Moschi

     3. Das Missionsgrab am Meru 
            1896
            Überfall

     4. Ein Rundgang durch die Dschaggamission
            Madschame
            Schira
            Kiboso
            Moschi
            Kilema
            Mamba

Schlusswort

Copyright von Bildern  
Ouellenschriften über die Mission in Deutsch Ostafrika  
Landkarten

Inhaltsverzeichnis


Links zur Einführung von  Carl Paul

  1. Was sind wir unsern Kolonien schuldig?
       Begangenes Unrecht wieder gut machen
       Schutzgebiete statt Kolonien
       Verderbliche Einflüsse
       Kolonialpflichten
       Kolonisierung nur mit gleichzeitiger Christianisierung

  2. Die Missionstätigkeit in unsern Kolonien
      Neues Interesse für die Mission
      Neue Herausforderungen für die Mission
      Eifersucht gegen England
      Überblick über Togo
      Überblick über Kamerun
      Überblick über Südwestafrika
      Überblick über Ostafrika
      Überblick über die Südsee
      Missionskräfte in Bewegung setzen

Inhaltsverzeichnis


Weitere Links

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Die beiden deutschen Schwestermissionen am Nyassa-See

1. Der gemeinsame Anfang im Kondelande

Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten; oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.
1. Mos. 13, 9.

Es ist eine der traurigsten Erscheinungen auf dem Missionsfelde, dass es auch dort unliebsame und unlautere Konkurrenz gibt. Das unbrüderliche Gebaren gewisser christlicher Sendboten gegen die andern erinnert daran, dass auch das gesegnete, herrliche Werk der Mission unter der menschlichen Schwachheit und Sünde zu leiden hat. Wollte man alle die Gelegenheiten zusammenstellen, wo sich römische Priester in evangelische Missionsgebiete eingedrängt und den Frieden der Missionsarbeit gestört haben, so gäbe das ein langes Sündenregister, zugleich aber eins der traurigsten Kapitel aus der Missionsgeschichte. Dem gegenüber ist es eine erfreuliche Tatsache, dass die evangelischen Missionsgesellschaften, so zahlreich und verschiedenartig sie auch sind, fast ausnahmslos in Eintracht mit einander leben. Ihre Missionare halten es im allgemeinem mit dem apostolischen Grundsatz, nicht in ein fremdes Amt zu greifen. Das Missionsgebiet der Erde ist ja so groß und weit, dass sie noch auf lange hinaus gesonderte Wege gehen können. Wenn irgendein heidnisches Land einmal von einer Missionsgesellschaft besetzt ist, vermeiden andere Gesellschaften, die sich ein neues Arbeitsfeld suchen, dahin zu gehen. Es müsste denn sein, dass die zuerst gekommenen Glaubensboten die Arbeit nicht allein bewältigen können und andere zu Hilfe rufen.

Noch einen Schritt weiter in Beweisung eines echt brüderlichen Sinnes sind zwei deutsche Missionsgesellschaften gegangen, als es galt, nach erfolgter Sicherung unsers Kolonialbesitzes in Ostafrika das deutsche Gebiet mit Missionaren zu besetzen. Sie haben geradezu ein Bündnis mit einander geschlossen, um sich bei den Schwierigkeiten der ersten Niederlassung im unkultivierten Lande gegenseitig zu stützen. Sie kamen überein, ihre ersten Stationen möglichst nahe bei einander zu bauen und erst später, wenn ihr Werk wachsen und die Zahl der Arbeiter sich vermehren würde, besondere Wege zu gehen. Man wurde bei dieser brüderlichen Vereinbarung unwillkürlich an jene freundschaftliche Auseinandersetzung zwischen Abraham und Lot erinnert, wo jener mit Berufung auf die gemeinsame Herkunft den Vorschlag machte:

"Lieber, lass nicht Zank sein zwischen mir und dir, zwischen meinen Hirten und deinen Hirten. Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten; oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken."

Diese beiden Gesellschaften waren die Brüdergemeine und die Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Mission unter den Heiden, die ihren Sitz in Berlin hat und zur Unterscheidung von den andern dortigen Missionsgesellschaften in der Regel Berlin I genannt wird. Das Arbeitsfeld aber, das beide erwählt hatten, war das Kondeland am Nordende des Nyassa-Sees.

Die Brüdergemeine, deren Missionstätigkeit bekanntlich den ganzen Erdball umspannt, wurde durch eine Reihe besonderer Umstände nach Deutsch-Ostafrika gewiesen. Im Jahre 1887 starb in Breslau ein Mann namens Crakau, der zwar bei Lebzelten in keiner unmittelbaren Verbindung mit den Herrnhutern gestanden, aber die Brüdergemeine offenbar liebgewonnen hatte, denn in seinem Testament setzte er sie zur Verwalterin einer Stiftung von 800.000 Mark ein. Die Zinsen des Kapitals sollten zur Bekehrung der Heiden und womöglich auch zum Loskauf von Sklaven verwendet werden. Wurden dadurch schon die Blicke nach Ostafrika gelenkt, wo damals gerade die Blockade und andere Maßregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels im Gange waren, so sahen sich die Leiter der Herrnhuter Mission auch noch von andrer Seite gedrängt, neben ihren alten Missionsfeldern an der Südspitze Afrikas ein neues in Deutsch-Ostafrika in Angriff zu nehmen. Es war die Zeit, wo in den deutschen Missionskreisen ein großes Interesse an der Besetzung der deutschen Kolonien mit evangelischen Missionaren hervortrat, und gerade die Brüdergemeine wurde von allen Seiten dazu ausgefordert. Man dachte in Herrnhut zuerst an Usambara, auf das auch die Missionare von Berlin III ihr Augenmerk richteten. Als aber einer der Missionsdirektoren zur Vorbereitung des Unternehmens die Kolonialkreise in Berlin aufsuchte, lenkte man dort seine Blicke von dem vielumworbenen Küstengebiet auf die stilleren Landschaften im Innern und besonders auf die der Überschwemmung durch Kolonisten noch gar nicht ausgesetzten Gegenden am Nyassa-See, wo kurz vorher die Grenze zwischen dem deutschen und englischen Gebiet endgültig festgelegt war. Alles dies wirkte zusammen, die Herrnhuter Missionare ins Kondeland zu weisen.

Zu gleicher Zeit regte es sich im Schoße der alten Berliner Missionsgesellschaft, die wegen ihrer in Südafrika gesammelten Erfahrungen zur Übernahme einer ostafrikanischen Mission ebenfalls besonders befähigt erschien. Auch sie fasste nach reiflicher Überlegung jenes Gebiet im äußersten Südwesten des deutschen Gebiets ins Auge, Nun kam - es war am 10. Januar 1891 - zwischen beiden Gesellschaften die obenerwähnte Vereinbarung zustande. In einer durch innige Gebete geweihten Stunde reichte man einander die Hand zu brüderlichem Zusammengehen. Dort, wo das Bergland im Norden des Nyassa-Sees vom 34. Längengrade geschnitten wird, wollte man gemeinsam einsetzen, sich zunächst bei den grundlegenden Arbeiten nach Kräften stützen und fördern, dann sollte im späteren Verlauf die Brüdergemeine nach Nordwesten, also in der Richtung auf den Tanganjika-See vorgehen, während Berlin I das Schwergewicht seiner Tätigkeit nach Osten, in das Hochland von Uhehe zu legen gedachte.

Von einem gemeinsamen Auszug aus der deutschen Heimat wurde mit gutem Bedacht abgesehen. Man sagte sich, dass die beiden Reisegesellschaften mit ihrem vielen Gepäck sich unterwegs nicht fördern, sondern eher hindern würden. Je größer eine nach Innerafrika ziehende Karawane ist, umso schwieriger wird der Transport. Die zur Verfügung stehenden Schiffsgelegenheiten und Trägerkolonnen sind beschränkt. Daher ward beschlossen, die beiden Missionsexpeditionen sollten kurz nach einander reisen und erst auf dem Missionsfelde wieder Fühlung suchen.

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Brüdergemeine

Die Herrnhuter machten den Anfang. Es war im April 1891, als die vom Missionsdepartement der Brüdergemeine berufenen vier Brüder auszogen. Zwei von ihnen waren bisher im Lehrerberuf tätig gewesen, die beiden andern als Handwerker. Der Weg auf ihr Arbeitsfeld war ihnen durch die geschichtliche Entwickelung der Dinge vorgeschrieben. Es konnte nur die von Livingstone entdeckte und seit einiger Zeit von den schottischen Missionen besetzte Wasserstraße des Sambesi, Schire und Nyassa in Frage kommen. Hier standen die verhältnismäßig bequemen Verkehrsmittel der African Lakes Company zur Verfügung, wenn auch für schweres Geld. Unterwegs aber konnten die Brüder, was nicht minder wertvoll war, das in vollem Gange befindliche Missionswerk der Schotten besuchen, deren Gastfreundschaft genießen und ihren Rat für die zu beginnende neue Arbeit einholen. So ging es denn auch. Sie verließen nach einer glücklichen Seefahrt den deutschen Dampfer in Quilimane an der Sambesimündung und setzten die Reise auf einem Flussdampfer der genannten Handelsgesellschaft fort. Mit der kurzen, durch die Murchisonfälle bei Blantyre bedingten Unterbrechung konnten sie die ganze Entfernung bis an die Grenze des Kondelandes im Schiff zurücklegen. Schon nach fünf Wochen erreichten sie die Handelsniederlassung Karonga am Nordwestufer des Nyassa-Sees.  

Es würde zu weit führen, wollten wir ihre Reise im einzelnen verfolgen, nur das sei erwähnt, dass sie trotz der schnellen Beförderung und der unterwegs genossenen Gastfreundschaft schon in diesen Wochen das afrikanische Schreckgespenst, das Fieber, zur Genüge kennen lernten. Es gab Tage, wo nur einer von ihnen bei leidlich guter Gesundheit war und sich um den Transport der andern, um ihr Unterkommen am Abend und die Versorgung mit Arzneien bemühen konnte. Von Karonga an hörte die Fürsorge der Transportgesellschaft auf, nun fing die eigentliche Pfadfinderarbeit an. Ihr nächstes Wanderziel war das unfern der deutsch-englischen Grenze gelegene Kararamuka, wo früher zeitweilig ein schottischer Missionar gewohnt hatte. In dem von ihm errichteten, jetzt ziemlich verfallenen Häuschen fanden sie den ersten Ruhepunkt im Kondelande. Für die Dauer mochten sie aber dort nicht bleiben. Darum machten sich die beiden gesündesten der Brüder, Richard und Meyer, sogleich wieder auf den Weg, um das Land zu erforschen und einen geeigneten Ort für die erste Niederlassung zu suchen. Nach mühevollem Hin- und Herziehen fanden sie einen passenden Platz im Bereich des Häuptlings Muakapalile am Fuße des Rungueberges, von dem sie später den Namen für ihre Station entlehnten. Das geschah am 21. August 1891. Die Freude darüber ward leider durch eine schwere Trauerkunde, die sie von Kararamuka erhielten, getrübt. Einer der beiden dort zurückgebliebenen Brüder, Georg Martin, der schon auf der Reise am meisten gelitten hatte, war plötzlich am Fieber gestorben. So mussten sie zum Begräbnis des Freundes eilen, bevor sie ans Bauen gehen konnten. Die Brüdergemeine besaß also eher ein Grab, als ein Missionshaus im fremden Lande. Damit legte sich ein tiefer Schatten über den Eingang der Brüder.

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Berlin I

Die Reisegesellschaft von Berlin I folgte binnen kurzem nach. Sie erhielt einen ausgezeichneten Führer in dem Missionssuperintendenten Merensky, der früher jahrzehntelang in Südafrika gewirkt und sich als Gründer von Botschabelo unter den Bassuto einen berühmten Namen gemacht hatte. In sachkundigster Weise bereitete er die Expedition vor. Er hatte schon von Berlin aus Fühlung mit den schottischen Missionaren am Schire und Nyassa gesucht und war auch nach England und Schottland gegangen, um sich beraten zu lassen. Seine Reisegenossen sammelte er auf dem südafrikanischen Arbeitsfelde der Berliner Gesellschaft, weil von dort einige erprobte Leute mitgenommen werden sollten. Endlich hatte er alle beisammen: vier junge Missionare, drei deutsche Handwerker, die in den ersten Jahren beim Aufbau der Stationen helfen sollten und zwei schwarze Christen aus der Missionsgemeinde in Natal, zusammen also 10 Männer. Wohl ausgerüstet landeten sie am 7. Juli 1891 in Quilimane und erreichten auf demselben Wege, wie die Herrnhuter, gegen Ende September das Nordende des Nyassa-Sees. Leider mussten auch sie sogleich ihren Tribut an den bösen Türhüter Afrikas zahlen. Das Fieber schlich sich in ihre Reihen ein. Einer von ihnen, Missionar Franke, bekam nicht einmal das Kondeland zu sehen. Er musste schon in Blantyre umkehren und im besseren Klima Südafrikas Zuflucht suchen, wo er aber nach Jahresfrist doch noch starb. So ward auch bei dieser Reisegesellschaft die Freude des Einzugs gedämpft. Merensky führte die Seinen gleichfalls von Karonga ins Kondeland hinauf. Nach einer beschwerlichen Reise durch die sumpfige Niederung am See kamen sie am 1. Oktober in den Bergen an. Sie mussten eilen, wenn sie beim Eintritt der Regenzeit ein Obdach haben wollten. Als Bauplatz wählten sie das grüne Tal des reißenden Lufirioflusses da, wo er aus dem Gebirge hervorbricht. Die Station wurde zu Ehren des greisen Berliner Missionsdirektors, der das ganze Unternehmen ins Werk gesetzt hatte, Wangemannshöh genannt. Die Entfernung des Ortes von der Niederlassung der Brüdergemeine beträgt in der Luftlinie etwa 40 Kilometer; sie wurde aber später durch eine zwischengelegte Station noch auf die Hälfte verringert.


Die Expedition von Berlin I nach Deutsch-Ostafrika 1891
stehend: Rorig - Nathanael - Bunck - Krause - Afrika - C. Nauhaus
sitzend: Merensky - Franke - Schumann - Th. Nauhaus

Werfen wir jetzt einen Blick auf das von den Missionaren beider Gesellschaften besetzte Arbeitsfeld.

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Missionsgebiet am Nordufer des Malawisees

Das Land am Nordende des Nyassa-Sees ist gebirgig, es steigt bis zu 3.000 Meter über dem Meeresspiegel empor. Am imposantesten nimmt sich die Landschaft aus, wenn man auf dem Schiff am nordöstlichen Seeufer entlang fährt, wo die deutsche Militärstation Langenburg liegt. Hier erreicht das Gebirge, das Livingstones Namen trägt, die größte Höhe und tritt dicht an das Ufer heran. Seine Hänge und Schluchten sind so steil, dass das Bergland von hier fast unzugänglich erscheint. Zwischen diesem Gebirgszug, der sich am Ende des Sees in nördlicher Richtung weiter fortsetzt, und der vom Nordwestufer ausgehenden deutsch-englischen Grenze liegt das Kondeland. Der dort drüben mündende Grenzfluss Songue bezeichnet jedoch nicht genau die Grenze des Kondestammes, Dieser ragt noch ein Stück ins englische Gebiet hinüber am See entlang, ungefähr bis Karonga. Die politische Abmachung ist hier, wie anderswo, leider ohne Rücksicht auf die Stammesgrenzen vor sich gegangen und hat einen kleinen Teil der Wakonde unter die englische Herrschaft verwiesen. Das deutsche Kondeland bedeckt eine Fläche von etwa 2.500 Quadratkilometern und soll 100.000 Bewohner haben. Am See betritt man zuerst einen fast ebenen Landstrich. Der Boden ist durch die vielen Bergflüsse angeschwemmt und daher sehr fruchtbar. Prächtige Bananenhaine wechseln mit sorgfältig angebauten Feldern ab. Schöne, breitästige Bäume, die der deutschen Linde ähneln, bieten dem Wanderer wohltuenden Schatten. Diese fruchtbare und bequem zu erreichende Niederung hat aber den großen Fehler, dass sie für eine dauernde Niederlassung von Europäern fast verschlossen ist. Der Boden haucht Fieberdünste aus, besonders in der Regenzeit und unmittelbar nach ihr. Das ist umso bedauerlicher, als die Ebene reich bevölkert ist. Für die Missionstätigkeit kommt demnach in erster Linie das kühle Bergland in Betracht, das hinter der Ebene liegt. Der Aufstieg zu den gesunden Höhen ist allerdings nicht leicht. Die von ihnen kommenden Flüsse stürzen sich durch wildzerrissene Schluchten herab, in denen die Pfade der Eingebornen steil hinaufklimmen. Für die Mühsal des Steigens wird man aber durch die wunderschönen Landschaftsbilder entschädigt, die sich auf allen Seiten bieten. Dichter Wald hüllt die schroffen Abhänge ein. Die riesigen Stämme, die seltsamen Baumfarne und unzählige Schlinggewächse, dazu die bunten Farben nie gesehener Blütenkelche - alles das reißt den Fremdling immer wieder zur Bewunderung fort. Kommt man weiter hinauf in die Bergmulden, so wird der Blick freier. Er schweift über saftige Wiesen, die den vielen Rinderherden der Eingebornen fette Weide bieten und findet hier und da einen Ruhepunkt an einzelnen, besonders hohen Bergen, die sich bis zur Höhe der bayerischen Alpen erheben, unter ihnen der Rungue, an dessen Fuße die Herrnhuter Brüder wohnen.

Die Kondeneger, die das Land innehaben, sind ein friedliches Völkchen und nähren sich gleich ihren ebenso gesinnten Nachbarn, unter denen hier nur die Wakinga und Wanjika genannt sein mögen, hauptsächlich von Viehzucht. Ihre Rinder sind ihr Reichtum und ihr Stolz; auf deren Pflege verwenden sie allen Fleiß, Als vor einigen Jahren die Rinderpest durchs Land zog und die Viehbestände fast vernichtete, wurde das als das schlimmste Unheil empfunden, das ihnen widerfahren konnte. Die damals leer gewordenen Ställe haben sich inzwischen wieder bevölkert und nun können sie ihrer Lieblingsbeschäftigung umso ruhiger nachgehen, da das deutsche Regiment inzwischen den beständigen Einfällen räuberischer Nachbarn und den Beutezügen der arabischen Sklavenjäger ein Ende bereitet hat. Gerade das Kondeland und seine Umgebung hatte vor einigen Jahrzehnten entsetzlich unter ihnen zu leiden.

Die Wakonde sind besser und edler, als viele andere ostafrikanische Stämme. Ihre Gestalt ist schön und würdevoll, ihre Hautfarbe durchgängig etwas heller, als bei den andern Bantunegern im Innern. Ihrem Charakter nach sind sie freundlich und mild, von Rohheit und Unmäßigkeit ist nur selten etwas zu merken. Die Häuptlinge sind meist friedliebende, gutmütige Leute, mit denen sich's gut verhandeln lässt. Als die Missionare ins Land traten, hatten sie den Eindruck, unter ein glückliches und zufriedenes Volk zu kommen. Auch die Stellung der Frauen schien zunächst eine wesentlich bessere zu sein, als bei andern Negerstämmen. Ein Unrecht, das gegen ein Weib verübt wird, findet härtere Bestrafung, als wenn es sich gegen einen Mann richtet. In allen häuslichen Angelegenheiten scheint die Frau tonangebend zu sein. Und doch stellt sich bei näherer Kenntnisnahme an diesem Punkte das alte Übel des Heidentums heraus, dass das Weib nicht als ebenbürtige Gefährtin des Mannes gilt. Auch die Wakonde kaufen ihre Frauen und zwar in umso größerer Zahl, je reicher sie sind. Nun kann sich das Weib als ein durch so und so viele Stück Vieh erkauftes Gut doch nie die Stellung erobern, die ihm im Familienleben zukommt. Die traurige Sitte der Kinderheiraten, die in Indien so verderblich wirkt, findet man auch hier. Ganz kleine Mädchen von fünf oder sechs Jahren werden an alte, weißhaarige Männer vergeben, nur weil der Alte in der Lage ist, den Eltern mehr Vieh als Kaufpreis zu geben, als ein Jüngerer. Das Kind bleibt zwar vorläufig noch bis zum 12. oder 13. Lebensjahre im Elternhause, aber es ist und bleibt verkauft. Sollte das junge Frauchen versuchen, ihrem Manne zu entlaufen, so hat er das Recht, sie durch Abschneiden der Ohren dafür zu bestrafen.

Andre dunkle Seiten des Volkslebens sind das ganz allgemeine Stehlen und die bei dem harmlosen, fröhlichen Völkchen sehr befremdliche Häufigkeit des Selbstmords. Die Männer nehmen sich zuweilen nur aus Ärger das Leben und junge Mädchen gehen ins Wasser, geraden Wegs den gierigen Krokodilen entgegen, wenn die Eltern sie ihrem Geliebten versagen. Auch ist die Lüge sehr häufig.

Es fehlt also auch im schönen Kondeland an tiefer liegenden Schäden und Sünden nicht, aber im Allgemeinen hebt sich, wie gesagt, das Volk zu seinem Vorteil von anderen Stämmen ab.

Was die Religion betrifft, so stehen sie auch darin etwas höher. Sie haben keine Tempel und Götzenbilder, aber religiösen Sinn haben sie dennoch. Nach der Überlieferung ihrer Vorfahren glauben sie an ein unsichtbares göttliches Wesen, das sie Mbamba oder Kiara nennen. Dieser Gott ist nach ihrer Vorstellung sehr gut, denn er spendet ihnen ohne Aufhören seine guten Gaben: Rinder, Vieh, Feldfrüchte etc. Nur schade, dass sie es gar nicht für nötig halten, sich um diesen Gott zu kümmern. Anders stellen sie sich zu dem bösen Gott, den sie Mbasi oder nach einem von den Arabern entlehnten Ausdruck Satan nennen. Er ist nach ihrer Meinung der Oberste der bösen Geister. Seiner Bosheit und Sucht, den Menschen zu schaden, suchen sie durch unzählige Opfer und Gaben zu begegnen. Als die Berliner Missionare sich in Wangemannshöh niederließen, mussten sie sich sogleich mit diesem Mbasi-Kultus auseinandersetzen. Nicht weit von ihrer Station wohnte ein Rinderhirt, Muamafungubo mit Namen, der sich für den Diener des Mbasi ausgab. Er hatte einen mageren Leib, eine fahle Gesichtsfarbe, hohle Wangen und rollende Augen - kurz eine Gestalt zum Erschrecken. Allerlei unheimliche Dinge, die in der Nähe seiner Hütte geschahen, trugen außerdem dazu bei, die Scheu des Volkes vor ihm zu vermehren. Er konnte fordern, was er wollte, die abergläubischen Leute brachten es ihm. Kaum waren die Missionare ins Land gekommen, so stellte er sich ihnen als Abgesandter des Mbasi mit einem Geschenk an Vieh vor. Natürlich sollten die weißen Männer dem bösen Geiste eine Gegengabe schicken und dadurch ihre Freundschaft bekunden. Diese gingen aber nicht darauf ein. Sie antworteten, Gott offenbare sich nicht im Mbasi und lehnten die Begrüßung ab. Die Rache des Verschmähten blieb nicht lange aus. Als die Regenzeit nicht zur gewohnten Zeit eintrat, entstand unter den Eingebornen das Gerücht, die Weißen wären daran schuld, sie verscheuchten die aufziehenden Wolken. Bald darauf stellte sich die Rinderpest ein und fügte dem Volke unermesslichen Schaden zu. Wieder hieß es, und niemand wusste, woher die böse Rede kam, dass die Krankheit von den Missionaren eingeschleppt sei. Letztere merkten bald, dass der Mbasi, dessen Freundschaft sie zurückgewiesen hatten, sich auf diese Weise rächte. Ja, es kam noch schlimmer. Sie hatten am Häuptling Muakatungira, in dessen Bezirk sie wohnten, einen guten Freund gewonnen. Dieser wurde krank und glaubte, er werde vom Mbasi verzaubert und vergiftet. Wäre ihr Freund jetzt gestorben, so wäre das ein schwerer Schlag für die Mission gewesen, die Mbasileute hätten triumphiert. Darum nahmen die Missionare den Kranken auf die Station und verpflegten ihn, bis er genas. Aber seltsam. Sobald er in sein Dorf zurückkehrte, erkrankte er aufs neue. Nun holte man ihn wieder nach Wangemannshöh und ließ ihn nichts anderes genießen, als was durch die Hände der Missionare ging, bis er vollständig gesund war. Der Spuk hat den Glaubensboten eine Zeit lang viel zu schaffen gemacht. Es war sich eine starke Erregung gegen sie zu spüren. Zwar wagte niemand, sich an ihnen zu vergreifen, aber ihre Station verödete sichtlich; sie konnten keine Arbeiter mehr bekommen, auch wollten die Weiber ihnen keine Nahrungsmittel mehr verkaufen. Endlich gelang es den vereinten Bemühungen der Missionare, hinter die Schliche des Betrügers zu kommen. Sie konnten nachweisen, dass ein Mbasi gar nicht existierte; der schlaue Rinderhirt, der sich für den Diener des bösen Geistes ausgab, hatte Jahre lang den ganzen Betrug allein ausgeheckt. Jetzt atmete das ganze Volk auf und dankte den Missionaren für ihr Eingreifen. Es ging von ihnen die Rede durch das Land: "Die Weißen haben uns die Wahrheit gesagt, sie sind allein die rechten Priester Gottes."

Wie man hieraus sieht, fürchten die Wakonde nicht nur den bösen Geist selbst, sondern auch die Menschen, die ihm als Werkzeuge seiner Bosheit dienen. Sie heißen bei ihnen Barose und leben meist unerkannt im Volke. Krankheiten und andere Übel werden regelmäßig auf ihren Einfluss zurückgeführt. Man sagt, sie hätten eine kleine Schlange im Leibe, die sie ganz nach Belieben ausschicken könnten, wenn sie jemandem schaden wollten. Wird ein Neger verdächtigt, zu diesen Barose zu gehören, so muss er sich dem Muafitrinken unterwerfen. Das ist eine Art Gottesurteil. Das Muafi ist der giftige Saft aus den Blättern und Zweigen eines Baumes. Der Trank wird soweit verdünnt, dass er nicht gerade tödlich wirkt. Behält nun der Angeklagte den Muafitrank bei sich, so gilt das als Bestätigung des Verdachts. Er wird seines Viehs und seiner Waffen beraubt und muss mit Schimpf und Schande das Land verlassen. Bei diesen Gottesurteilen spielt Hass und persönliche Feindschaft oft eine große Rolle. Der Aberglaube dient Vielen zum Deckmantel ihrer Bosheit.

Das erste, was den Neuangekommenen Missionaren in Rungue und Wangemannshöh oblag, war die Bauarbeit. Ihre vorläufigen Wohnstätten waren kleine Hütten aus Baumstämmen und Bambusstäben, die mit Rasen gedeckt wurden. Auf die Dauer genügten diese natürlich nicht, zumal da im Kondeland zeitweilig gewaltige Regengüsse niedergehen. Außerdem fällt das Holzwerk nur gar zu schnell den gefräßigen Ameisen zur Beute. Darum gingen sie sobald als möglich an den Bau dauerhafter Steinhäuser. Für die Mauern wurden Ziegel gebrannt, ihre Herstellung erforderte aber im feuchten Gebirgsklima viel Geschick und Geduld. Die Beschaffung guten Bauholzes war nicht weniger schwielig. Die dazu tauglichen Bäume wuchsen in ziemlicher Entfernung; da mussten die behauenen Balken über Berg und Tal auf den Köpfen und Schultern der Eingebornen herbeigeschleppt werden.

Wenn man das bedenkt, sieht man die ansprechenden Bilder der jetzigen Missionshäuser im Kondelande mit andern Augen an, als zuvor. Wahrlich, die Missionare haben sich's müssen sauer werden lassen! Wie groß war aber dann die Freude, als sie die gottesdienstlichen Versammlungen, die anfangs im Schatten der Bananen abgehalten wurden, nun in ein kleines Kirchlein verlegen und ihre Ehefrauen, die nach mehreren Jahren auf den Stationen einzogen, in gesunde und freundliche Wohnungen führen konnten.

Der Verkehr mit dem Volke war in der ersten Zeit durch die Unkenntnis der Sprache sehr erschwert. Es gab keinerlei Hilfsmittel zur Erlernung der Landessprache. Die Herrnhuter Brüder brachten sich daher für die ersten Wochen einen Dolmetscher vom Nyassa-See mit. Die Berliner behalfen sich eine Zeit lang recht mühsam, indem ihre afrikanischen Gehilfen aus Natal alle Reden erst in ihre Sprache übertrugen und dann einen der in Wangemannshöh anwesenden Eingebornen, der sich mit ihnen notdürftig verständigen konnte, benutzten. Dabei musste aber jedes Gespräch drei- oder viermal übersetzt werden; man kann sich denken, wie viele Missverständnisse da unterliefen. Diese Schwierigkeiten spornten die Missionare zu fleißigen Sprachstudien an. Gerade dabei halfen die Berliner den Herrnhutern und umgekehrt. Die regelmäßig wiederkehrenden Konferenzen wurden zum Austausch der gesammelten Wörter und der entdeckten Sprachregeln benutzt. Es ist bemerkenswert, dass die Missionare beider Gesellschaften schon nach Ablauf eines Jahres die ersten Versuche mit freier Rede in der Landessprache machen konnten.

Bald nach Anlegung der Missionsstationen wurde die Regierungsstation Langenburg am Seeufer errichtet. Der damit gegebene Schutz für Leben und Eigentum der Glaubensboten war offenbar wertvoll für das Missionswerk. Die Brüder konnten sich der Nachbarschaft umso mehr freuen, als Baron von Eltz, der diesen Vorposten der deutschen Verwaltung bezog, ein trefflicher Mann war. Die Missionare schildern ihn als einen Beamten, der wirklich Wohlwollen für die Eingebornen empfand; er wusste Milde mit Gerechtigkeit zu paaren und trat nur notgedrungen als strafender Richter auf. Es gibt nicht viele solche Herren in Deutsch-Ostafrika. Die Missionare wussten ihn zu schätzen und waren auch ihrerseits gern bereit, die Vertrauensstellung, die sie nach und nach im Volke gewannen, zu Nutz und Frommen der Regierung anzuwenden. Nicht als ob sie einseitig Partei für die Forderungen der Beamten in Langenburg ergriffen hätten. Das wäre wohl der sichere Ruin für die Mission gewesen. Aber wenn es zu einem gespannten Verhältnis zwischen einzelnen Häuptlingen und der Militärstation kam, was tatsächlich oft geschah, so boten sich die Herrnhuter oder Berliner Missionare als Vermittler an. Wären sie nicht dagewesen, so hätte wiederholt durch Waffengewalt erzwungen werden müssen, was nun durch gütliches Zureden ermöglicht ward.

Auch um die Verhütung der Stammesfehden, die früher selbst unter den friedlichen Wakonde häufig genug vorkamen, erwarben sich die Glaubensboten schon in diesem Anfangsstadium ihrer Wirksamkeit ein Verdienst. Noch ehe sie ihre Friedensbotschaft ganz ausrichten konnten, suchten sie den Waffengängen in ihrer Nachbarschaft Einhalt zu tun. Als sich einst der unter ihrem Einfluss stehende Häuptling übervorteilt glaubte, sagte er: "Vor Zeiten hätte ich meinen Gegner gleich mit den Waffen überfallen und mich blutig gerächt, aber jetzt kann ich es nicht; die weißen Leute wollen ja, dass Friede sei."

Ein andrer Weg, zu Wohltätern des Landes zu werden, bot sich ihnen in der ärztlichen Tätigkeit. Die Krankenpflege und Heilkunde liegt bei den Wakonde, wie überall in Afrika, sehr im Argen. Nun legten sich die Missionare, die vor ihrer Aussendung fast alle einige medizinische Studien gemacht hatten, auf die Behandlung der Kranken. Besonders eifrig waren darin die Berliner. Täglich kamen Gebrechliche oder mit Wunden Behaftete zur Konsultation. Viele von ihnen bauten sich in der Nachbarschaft des Missionshauses ihre Hütten, um in der Nähe des Arztes zu bleiben. Bei Wangemannshöh standen einmal gegen 60 solcher Krankenhütten mit 200 Patienten. Die von den Missionaren erwiesene Barmherzigkeit trug offenbar nicht wenig dazu bei, ihnen die Gunst des Volkes zu verschaffen,

Dass sie sich bei alledem auch des Wohlwollens der deutschen Behörden bis zur höchsten Spitze erfreuen durften, sei nur nebenbei erwähnt. Als der Gouverneur Freiherr von Schele 1894 im Kondelande gewesen war, erwähnte er die Missionsniederlassungen in seinem amtlichen Bericht mit folgenden Worten:

"Ich besuchte sämtliche Missionsstationen, sowohl die drei der Missionsgemeinde Berlin I, als auch die Herrnhuter Station Rungue. Die Aufnahme seitens der verschiedenen Missionare war eine überaus freundliche; es kann nur im höchsten Maße anerkannt werden, was dieselben in der kurzen Zeit ihres Dortseins schon geleistet haben. Überall sind gesunde Steinhäuser gebaut, Kulturanlagen gemacht, und das Verhältnis zu den umwohnenden Einwohnern ist ein vorzügliches."

Als die Brüder nach Erledigung der Bauarbeit eben im Begriff waren, sich der Predigt und Schultätigkeit unter den Eingebornen zuzuwenden, wurde ihnen eine Aufgabe gestellt, deren Schwierigkeit sie sogleich erkannten, die sie aber doch auch nicht von sich weisen mochten. Im Herbst 1893 hatte Herr von Eltz einem arabischen Händler etwa 200 Sklaven abgenommen, Männer, Frauen und Kinder. Er wusste nicht, was er mit ihnen anfangen sollte und fragte auf den Missionsstationen an, ob sie dort unterkommen könnten. Es galt ein Liebeswerk, das durch die Not geboten war, denn wenn man die befreiten Schwarzen hätte laufen lassen, wären sie binnen Kurzem wieder zu Sklaven geworden. So willigten die Missionare ein. Die Herrnhuter taten es umso lieber, weil in jenem Legat, das zum Beginn ihrer Nyassa-Mission geführt hatte, ausdrücklich der Sklavenbefreiung gedacht war. Es traf sich auch gut, dass um dieselbe Zeit die erste Missionarsfrau in Rungue einzog. Die armen Schwarzen wurden also auf beide Missionen verteilt. Die Missionsleute haben sich viel Mühe mit ihnen gegeben, besonders die Herrnhuter, die sich bekanntlich auf Erziehung und spezielle Seelenpflege trefflich verstehen. Nach einiger Zeit schien es, als ob die Arbeit an der verkommenen Schar nicht vergeblich wäre. Es machte den Eindruck, als ob sich ein besserer Geist unter ihnen regte. Aber es war nur Schein. Die treuen Pfleger mussten zu ihrem Herzeleid die Entdeckung machen, dass die Freigelassenen bis herab zu den kleinen Kindern tief in heidnische Unsittlichkeit verstrickt waren und sie fortgesetzt hintergingen. Sie versuchten mit Milde und Strenge dem Übel zu wehren, aber umsonst; das Ende war, dass die Undankbaren mit Ausnahmen einiger weniger entwichen.

Als Ersatz dafür reiften nun die ersten Früchte unter den Wakonde. Die Predigt des Evangeliums erscholl jetzt bereits in allen Teilen des Landes. Im Osten war Wangemannshöh zur Mutterstation für drei andere christliche Niederlassungen geworden. Im zweiten Jahre erfolgte die Gründung von Manow, im dritten wurden gleich zwei neue Orte besetzt: Muakaleli und Ikombe. Letzteres liegt unten am See auf einer Halbinsel und ist zugleich Hafenort für das der Mission gehörige kleine Dampfboot "Paulus", das teils dem Personen- und Frachtverkehr auf dem See dient, teils zu Reisepredigten in den Dörfern am Ufer. In ähnlicher Weise erweiterte sich das Werk der Brüdergemeine. Sieben Stunden von Rungue ward ein zweiter Missionsplatz eröffnet, der den schönen Namen Rutenganio d, h. Friede erhielt. Eine dritte Station entstand in Ipiana d. h. Gnade nahe beim Einfluss des Kiwira in den See, Hier mussten die Brüder zwar das schädliche Klima der Niederung mit in den Kauf nehmen, sie mochten aber die Seestation wegen der Verkehrserleichterung auch nicht missen; zudem forderte die dicht wohnende Bevölkerung zu einem Herabsteigen in die Ebene auf.

Auf allen diesen Stationen wurde Sonntag für Sonntag vor immer wachsenden Scharen gepredigt. Manche von den Zuhörern stellten sich vielleicht nur ihrem Missionar zu liebe ein; es war im Kondelande bald zum guten Tone geworden, ins Gotteshaus zu gehen, aber andere kamen auch aus einem wirklichen Bedürfnis, das Wort Gottes zu hören. Die Schularbeit kam ebenfalls auf den meisten Stationen in Gang, allerdings mehr für Erwachsene, als für Kinder.

Nach mehrjähriger, unermüdlicher Arbeit hatten die Missionare beider Gesellschaften die Freude, ihre Erstlinge taufen zu können. Zuerst in Ikombe, wo sich am Weihnachtsfest 1896 drei junge Männer aus dem Volke vom Heidentum lossagten und in der Taufe die bedeutsamen Namen empfingen: Tulinague d. i. "wir haben ihn", Lutenganio (Friede) und Jpiana lituganile (die Gnade liebt uns). Beim Beginne des nächsten Jahres erfolgten auch in Rungue kurz nach einander drei Taufen. Die Geschichte der ersten ist charakteristisch für die Herrnhuter Gemeinde unter den Wakonde. Sie sei daher ausführlich mitgeteilt. Eines Tages war eine Negerin namens Fiabarema auf die Station gekommen. Sie befand sich in einem erbarmungswürdigen Zustande, ganz abgemagert und kraftlos, nur auf Händen und Füßen konnte sie sich mühsam fortbewegen. Sie litt an einem schrecklichen Beinschaden. Als die Kranken in Rungue beim Weihnachtsfest eine Milchspende erhielten, kam auch sie kriechend heran mit ihrem Holzgefäß in der Hand. Schon von weitem streckte sie die Hand aus, ein rührender Anblick. Der Missionar, der die Liebesgabe verteilte, dachte im Stillen: Wenn du dich doch auch so verlangend ausstrecken wolltest nach dem Evangelium, das die Seele erquickt! Solches geschah in der Tat. Als die Kranke genas, ward aus der Almosenempfängerin eine fleißige Kirchgängerin. Sie half bei den Gartenarbeiten und sobald sie ihren ersten Lohn, ein Stück Zeug, empfing, kleidete sie sich und erschien fortan nie mehr unbekleidet. Ein Jahr später trat Fiabarema nach Beendigung des Gottesdienstes an den Missionar heran und sagte: "Ich will Jesu folgen".

Es wurde mit ihr gebetet und eine besondere Unterweisung für sie allein eingerichtet. Sie kam von Stufe zu Stufe vorwärts, nicht nur in der Erkenntnis, sondern auch hinsichtlich ihres Wandels. Nach einiger Zeit wurde auch ihr Sohn und ein andrer junger Mann in den Taufunterricht genommen. Fiabarema ging ihnen aber stets voran. So auch mit der Taufe selbst. Als einst der Gottesdienst zu Ende ging, stand sie auf, trat in feierlichem Ernst vor das Redepult und sagte: "Ich bin aufgestanden, um zu sagen, dass ich Gottes eigen bin. Ich will nur ihm folgen, ich will Jesu sein. Das, was ihr mir gesagt habt vom Lügen, vom Stehlen, vom Hochmut, vom Medizinnehmen (abergläubisches), das habe ich alles gelassen. Gott ist mein Vater." Ähnlich redete sie noch weiter. Da antwortete der Missionar in Gegenwart der ganz still gewordenen Versammlung: "Fiabarema, was du gesagt hast, habe ich gehört, und wie ich es gehört habe, hat es auch Gott gehört. Tue das, was du gesagt hast, so nimmt dich Gott als sein Kind an." Als die Versammlung auseinander gegangen war, besprachen sich die Missionare und beschlossen, nach diesem Bekenntnis des Weibes mit der Taufe nicht mehr zu zögern. Sie schmückten die Kirche und noch an demselben Abend wurden alle zusammengerufen, die sich bisher für die christliche Predigt empfänglich gezeigt hatten. Es war eine feierliche, gesegnete Stunde, als in dem erleuchteten Gotteshause die erste Taufhandlung stattfand. Ein Bild stillen Friedens stand Fiabarema im weißen Taufkleide da. Nach der Feier ward die Eintragung ihres neuen Namens ins Kirchenbuch vorgenommen. Er lautete Numuagire d. h. Ich habe ihn (Jesum) gefunden. Acht Tage später empfing ihr Sohn das Sakrament, nach einigen Wochen auch der dritte Taufbewerber. Seit diesen Tagen gibt es eingeborne Christen unter dem Kondevolk. Die weißen Männer, die sich auf die obengenannten sieben Stationen verteilt haben, stehen nicht mehr allein. Die Zahl ihrer Glaubensgenossen mehrt sich von Jahr zu Jahr, In jeder einzelnen Niederlassung kann man den Segen der christlichen Gemeinschaft genießen.

Daneben erhielt sich das Freundschaftsband zwischen den Berliner und Herrnhuter Missionaren. Wenn hüben oder drüben ein Freudenfest gefeiert wurde, so fehlten sicherlich die Gäste von der andern Seite nicht. Ebenso standen sie sich bei traurigen Anlässen tröstend zur Seite. In regelmäßig wiederkehrenden Konferenzen vereinigten sich die Missionare beider Gesellschaften zu ernsten Beratungen über gemeinsame Angelegenheiten. Für ihre Sprachstudien war der gegenseitige Austausch besonders wertvoll. Den schönsten Ausdruck aber fand der brüderliche Sinn, wenn sie mit einander das heilige Abendmahl feierten.

So wurde von zwei Missionsgesellschaften zugleich der Grund zur Christianisierung des Kondeländchens gelegt. Wenn man sieht, in welcher Eintracht die Brüder mit und neben einander das Missionsnetz auswerfen, so fragt man unwillkürlich, warum es nicht überall so ist. O dass aller Missionshader begraben und vergessen werden könnte! Wie fein und lieblich ist es, dass Brüder einträchtig bei einander wohnen.

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2. Die Herrnhuter auf dem Wege zum Tanganjika-See

Die Zeit ist erfüllet und das Reich Gottes ist herbeigekommen.
Marc. 1, 15.

Es vergehen in der Regel einige Jahre, bis die Heiden verstehen, was die Missionare eigentlich bei ihnen wollen. Ihr erster Gedanke ist, dass es die weißen Männer auf ihr Land, ihre Felder oder Herden abgesehen haben. In Ostafrika, wo die Ankunft der Missionare an vielen Orten mit den kolonialen Erwerbungen zusammentraf, hatten sie die Glaubensboten auch im Verdacht, die Vorposten der politischen Machthaber zu sein. Es gehört mit zu den ersten Aufgaben der Missionstätigkeit, solche Missverständnisse, die das Vertrauen hindern, zu zerstreuen. Umso freudiger wird es von den Glaubensmännern begrüßt, wenn sie im Volke ihrer Wahl sogleich Anknüpfungspunkte geistlicher Art finden. Wiederholt ist es geschehen, dass sie von den Eingebornen wie langerwartete Gäste angesehen und begrüßt wurden. Prophetische Stimmen, die sich wie leuchtende Sterne in der Nacht des Heidentums ausnehmen, hatten ihnen den Weg bereitet. So war es auch im Kondelande.

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Wakonde

Als ein Missionar in Rungne eines Tages die neugetauften Christen unterrichtete, kam er an das Bibelwort: "Es werden Zeichen geschehen am Himmel." Da erzählte ihm Numuagire, die zuerst getaufte Frau, von einer Himmelserscheinung, die man vor etwa 30 Jahren im Kondelande beobachtet hätte. Es wären am Himmel viele Feuer gesehen worden, und schließlich, als diese im Verlöschen waren, sei es gewesen, als hätten Leute um dieselben herumgesessen. Ein Mann aus dem Volke, namens Muakikando hätte damals folgende Prophezeiung ausgesprochen: "Es gibt noch einen andern Herrn, der ist sehr groß und gut. Auch gibt es eine andere große Stadt, die ist sehr schön. Sind unsere Häuptlinge gut? Nein, sie betrügen uns. Sind unsre Dörfer gut? Nein, sie sind schlecht. Der große Herr im Himmel hat sein Feuer zu uns geschickt, aber das ist noch nicht alles, er wird auch Leute schicken; Leute, die wir nie gesehen haben, werden kommen und uns von diesem Herrn sagen, was wir zu tun haben. Die Leute werden auch viel Zeug (zur Bekleidung) mitbringen. Wenn ich gestorben bin, werdet ihr sehen, dass ich die Wahrheit rede." Die Frau fügte diesem Bericht hinzu, ihr Mann hätte später, als die Missionare Richard und Meyer ihr Zelt in Muakapalile aufschlugen, sogleich zu ihr gesagt: "Das sind die Leute, von denen Muakikando geredet hat," Weil sie in solcher Weise vorbereitet gewesen wäre, hätte sie Gottes Wort so schnell ergriffen. Das meiste, was die Missionare geredet hätten, wäre ihr fremd gewesen, aber bei etlichen Worten sei es ihr vorgekommen, als hätte sie davon schon gehört.

Es ging also auch in diesem Winkel der Erde nach der alten Ordnung: "Als die Zeit erfüllet war." So erklärt sich die überraschend gute Aufnahme, welche die Glaubensboten fanden. Das Volk war gespannt zu hören, was ihnen die weißen Leute zu sagen hätten. Daher der große Zulauf zu ihren Predigten, sowohl auf den Stationen, als auch bei ihren Gängen durch das Land. Viele der Eingebornen waren sogleich bereit, sich neben den Häusern der Europäer ihre Hütten zu bauen. Sie mochten dabei freilich nicht immer von edlen Beweggründen geleitet werden, am wenigsten von solcher geistlichen Art. Die einen hatten es auf neue Kleider abgesehen, andre gedachten damit zu prahlen, dass sie in Verbindung mit den Europäern ständen. Die Missionare ließen sie zunächst ruhig gewähren; sie sagten sich, dass die lauen Anhänger ganz von selbst den Rückzug antreten würden, wenn sie ihre Rechnung nicht fänden.

Der Rückschlag blieb denn auch nicht lange aus. Als die Neger sahen, dass die Brüder nur den ordentlichen Arbeitern guten Lohn zahlten, aber nichts taten, um die Tagediebe anzulocken; als es ihnen bei den Andachtsstunden und Predigten immer klarer wurde, dass das Christwerden keine bloße Formsache wäre, sondern ein tief ins Leben eingreifender, schwerer Schritt, gingen viele zurück Als aber vollends ein politisches Ereignis hinzukam, bei dem die deutschen Waffen eine ernste Sprache mit ihnen redeten, hatte die neue Freundschaft eine schwere Probe zu bestehen.

Es wurde früher erwähnt, dass die Missionare in den ersten Jahren wiederholt als Friedensvermittler zwischen Herrn von Eltz, dem Befehlshaber von Langenburg, und den Häuptlingen gedient und immer wieder ein gutes Einvernehmen zwischen beiden hergestellt hatten. Als ein neuer Bezirkshauptmann in der Militärstation einzog und schärfer gegen die Eingebornen vorging, gelang ihnen das nicht mehr so gut. Im Dezember 1897 brach bei Jpiana am See ein Aufstand aus. Es hatte schon längere Zeit unter der Asche geglimmt. Die Häuptlinge sahen mit Verdruss, dass die Freiheit ihrer Väter Schritt für Schritt verloren ging und dass ihr eigenes Ansehen nur noch ein Schatten der früheren Selbstherrlichkeit war. Zuletzt bedurfte es nur noch eines kleinen Anstoßes. Den gaben die im Regierungsdienst stehenden schwarzen Soldaten, indem sie gelegentlich Nahrungsmittel ohne Bezahlung an sich nahmen. Wahrscheinlich spielten auch religiöse Interessen mit hinein. Die Wahrsager und Zauberdoktoren, die sich durch die Predigt des neuen Glaubens in ihrem Gewerbe bedroht sahen, sollen das Volk aufgereizt haben, auch sagt man, dass alte, angesehene Frauen dabei beteiligt gewesen wären. In einem heiligen Hain bei der Berliner Station Manow wurde um dieselbe Zeit ein Opferfest angestellt und dabei die Rede unter die Leute gebracht, nach dem Opfer würden alle Weißen verschwinden, dann sollte ihr ganzer Reichtum verteilt werden u.s.w. Das erregte Volk hatte sich die Beseitigung der deutschen Herrschaft aber leichter gedacht. Der Kampf gegen die Schutztruppe hatte kaum begonnen, als der Führer der Aufständischen, Häuptling Kirota, fiel. Dadurch kam eine solche Verwirrung in ihre Reihen, dass sie allen weiteren Widerstand aufgaben und in die Berge flohen. Für die Mission der Brüdergemeine war das ganze Ereignis schon um deswillen ein schwerer Schlag, weil der gefallene Häuptling, ein offener und freundlicher Mann, ihr guter Freund gewesen war. Dazu kam, dass der Kampf ganz nahe bei ihrer Station Jpiana stattgefunden hatte; die Missionsleute waren natürlich ebenso wenig auf die Seite der Eingebornen, wie auf die der deutschen Soldaten getreten. Das kühlte die Freundschaft der Wakonde merklich ab. Die unmittelbar nach dieser Zeit geschriebenen Missionsberichte lauteten daher viel weniger hoffnungsvoll, als vor dem Zerwürfnis. Die Eingeboren wollten es sich nicht ausreden lassen, dass die Missionare im Verborgenen gemeinsame Sache mit den Beamten machten. Jetzt traten auch manche Schattenseiten im Volkscharakter hervor, die man erst gar nicht bemerkt hatte. Einer der Missionare schrieb unter dem Eindruck schmerzlicher Erfahrungen sogar, die scheinbare Freundlichkeit diene bei dem Volke nur als Maske für die frechste Lüge und das schlimmste Misstrauen. Wo sie den Missionaren entgegenkämen und auf sie hörten, da geschehe es nicht etwa aus wirklichem Vertrauen oder aus der Überzeugung heraus, dass sie recht hätten, sondern aus Aberglauben. Sie sähen in den Missionaren immer noch nicht gewöhnliche Menschen, sondern höhere, überirdische Wesen. Hier und da glaubte man sogar einen offenbaren und bewussten Widerstand zu bemerken, so bei Kiamura, einem Häuptling in der Nähe von Rungue.

Es mag sein, dass der Schreiber dieses Berichts die Dinge noch etwas schwärzer gesehen hat, als sie wirklich waren; auf die Zeiten der ersten Freude und Begeisterung pflegt überall eine gewisse Ernüchterung und Enttäuschung zu folgen. Aber tatsächlich blieben die drei Herrnhuter Stationen Rungue, Rutenganio und Jpiana zu dieser Zeit einsamer, als zuvor. Der Besuch der Sonntagsgottesdienste ließ merklich nach, und wenn die Weißen durch die Dörfer wanderten, gingen ihnen die Eingebornen lieber aus dem Wege, als dass sie, wie bisher, freundlich mit ihnen sprachen. Ähnliche Erfahrungen haben die Missionare in andern Teilen Ostafrikas auch gemacht; es ist die Regel, dass auf den begeisterten Zulauf der ersten Zeit eine Periode größerer Zurückhaltung folgt.

Ungefähr gleichzeitig mit diesem Rückschlag in der Volksstimmung kamen einige schwere Heimsuchungen über die Herrnhuter Brüder. Auf der Station Rungue brach durch die Unvorsichtigkeit der schwarzen Dienstleute ein Schadenfeuer aus, wobei alles Kleinvieh und beträchtliche Getreidevorräte verbrannten. Bald darauf hatte das Land unter schweren Hagelschlägen und schrecklichen Heuschreckenschwärmen zu leiden; letztere blieben vier volle Wochen da und fraßen alles ab. Noch viel schwerer aber drückten die unersetzlichen Verluste in Jpiana auf die Missionsgeschwister. Es stellte sich je länger je mehr heraus, wie gefährlich das Klima unten am See für die Europäer ist. Binnen weniger Jahre starben dort: Missionar Ledoux und die beiden Missionarsfrauen Häfner und Stolz. Jener hatte kaum drei Jahre im Missionsdienst gestanden, die beiden Frauen wurden noch schneller aus ihrer Tätigkeit abgerufen. Diese sich häufenden Todesfälle legten es nahe, das gefährliche Jpiana ganz aufzugeben, die Brüder konnten sich aber nicht dazu entschließen, weil die Station als Stapelplatz am See und in der Mitte einer sehr zahlreichen Bevölkerung unentbehrlich erschien. Doch wurde die Bestimmung getroffen, dass die hier wirkenden Missionsgeschwister öfter zur Erholung in die Berge gehen sollen.

Trotz dieser Schwierigkeiten und Heimsuchungen ist die Kondemission in den letzten Jahren wohl gediehen. Sie hat äußerlich und innerlich Fortschritte gemacht. Gegenwärtig steht sie so gefestigt da, dass man sie sogar zum Ausgangspunkt neuer Missionsunternehmungen nach dem Tanganjika-See zu machen konnte. Bevor wir die Brüder auf diesen neuen Evangelistenpfaden begleiten, wollen wir noch einmal die neuesten Errungenschaften im Kondelande ins Auge fassen.

Jede der drei Stationen hat sich in den letzten Jahren zu einer umfangreichen christlichen Niederlassung entwickelt, deren Mittelpunkt das Missionshaus bildet. Die provisorischen Gebäude der ersten Zeit haben festen Häusern Platz gemacht. Die zu ihrer Errichtung nötigen Ziegel wurden von den Eingebornen unter der Anweisung der Missionare geformt, getrocknet und gebrannt. Aus Gesundheitsrücksichten hat man die Häuser meist zweistöckig gebaut, damit die Wohnräume nicht zu ebener Erde liegen. Hinsichtlich der Nahrungsmittel sind die Missionsleute nicht mehr auf die Eingebornen angewiesen, sie erbauen ihren Bedarf selbst, ja sie können schon etwas an die weißen Ansiedler abgeben, von denen sich in jüngster Zeit mehrere als Händler im Kondelande niederließen. Sie sind auch darauf bedacht, fremde Kulturgewächse einzuführen und deren Anbau zu probieren. So säen sie Weizen aus, pflanzen Kaffeebäume an und dergl. Wie es in äußerlicher Hinsicht vorwärts gegangen ist, wollen wir beim Besuch einer der Stationen sehen.

In Rutenganio besaß die Mission anfangs nur ein kleines Grundstück, es gelang aber durch Ankauf des anstoßenden Landes den Besitz zu erweitern. Jetzt hat das Stationsgebiet eine solche Ausdehnung, dass man zum Begehen der Grenzen, die durch angepflanzte Bäume markiert sind, über eine Stunde Zeit nötig hat. Ein Teil ist noch Grasland und dient als Weide für den großen Viehbestand, die besten Plätze sind jedoch in Kultur genommen. Hier ist ein Weizen-, dort ein Kartoffelfeld, daneben eine Kaffeeplantage, in der 2.300 Bäumchen stehen. Von außerordentlichem Wert für die ganze Anlage ist eine Wasserleitung, die durch das Missionsland fließt und das Gehöft unmittelbar berührt. Sie ist ein Werk Bruder Meyers, der es zum Staunen der Eingebornen fertig brachte, den im tiefen Tale neben der Station fließenden Kalabach heraufzuholen, so dass er nun die Pflanzungen bewässert und den Wasserbedarf von Haus und Hof an Ort und Stelle liefert. Dieser Bach speist auch einen zur Fischzucht bestimmten, künstlichen Teich. Den Mittelpunkt des ganzen Anwesens bildet das Missionsgehöft mit dem Christendörflein. Schöne gerade Wege führen von allen Seiten darauf zu. Die Stationsgebäude bieten bequemen Raum für zwei Ehepaare, auch Ställe und Vorratsräume sind ausreichend bemessen. Das daneben stehende Dörfchen der eingebornen Christen weist schon eine lange Reihe von Hütten auf; zwei von ihnen sind für Träger und Reisende bestimmt. Unter den Bewohnern interessieren uns die Getauften am meisten; es sind ihrer jetzt dreizehn. Die andern stehen der Taufe noch mehr oder weniger fern. Die Zahl derer, die sich auf dem Missionsland anbauen möchten, ist größer, als die Missionare wünschen. Diese würden um ihre Bewegungsfreiheit kommen, wollten sie alle aufnehmen, die sich anbieten. Wenn aber unbescholtene und vertrauenswürdige Leute kommen, gestattet man ihnen die Niederlassung gern. Sie bekommen ein Stückchen Land angewiesen, das sie bebauen müssen. Es ist bezeichnend, dass man in der Regel an der Haltung ihres Feldes merkt, ob es ihnen Ernst ist um das Christwerden oder nicht. Lassen sie es dort fehlen, so ist das ein ziemlich untrügliches Zeichen, dass sie mit unlauteren Nebenabsichten zur Station gekommen sind. Für die Erwachsenen und die größeren Kinder ist eine Schule eingerichtet, deren weltlicher Unterricht neben der religiösen Unterweisung hergeht. Wer monatlich zwei Pesa d.i. drei bis vier Pfennige zahlt, dazu Tafel und Stift besitzt, darf sie besuchen. Man zählt zwanzig Schüler darin.

Um einen tieferen Einblick in die geistliche Tätigkeit der Brüdermissionare zu gewinnen, besuchen wir am besten die älteste Station Rungue. Hier wird schon mit etwas größeren Zahlen gerechnet. Das Stationsdorf weist fünfzig Hütten mit hundert Einwohnern auf, 37 davon sind getauft, 28 andere bereiten sich auf die Taufe vor. Das Gemeindeleben der Christen nimmt mehr und mehr die der Brüdergemeine eigentümlichen Formen an. Da sind etliche, die das Amt von Kirchendienern und Kirchendienerinnen verwalten, und es wird ihnen große Gewissenhaftigkeit dabei nachgerühmt. Eine hervorragende Stellung nimmt die zuerst getaufte Numuagire ein. Wer ins Christendorf ziehen will, versichert sich immer erst ihrer Zustimmung, weil sie als Vertrauensperson des Missionars gilt. In der Regel werden die älteren Christen um ihre Meinung befragt, wenn jemand getauft sein will. Sie sprechen dann ihr Urteil auch ganz offen aus und der Missionar legt Wert darauf, weil sie sich doch unter einander am genauesten kennen.

Zur besseren seelsorgerlichen Pflege sind alle Stationsbewohner in vier Klassen eingeteilt. In der ersten sind die Getauften, dann folgen die, welche sich zur Nachfolge Jesu gemeldet haben und einen dementsprechenden Vorbereitungsunterricht empfangen. Nun kommen solche, welche das Wort Gottes längere Zeit fleißig gehört haben, in der vierten Abteilung endlich sind die noch ganz unwissenden Leute, die erst kürzlich auf die Station gekommen sind. Jede dieser Klassen wird besonders behandelt.

Was für ein Geist unter den Getauften herrscht, mag uns der zum Leiter der Brüdermission im Nyassagebiet ernannte Missionar Meyer beschreiben. Im Bericht über seinen Visitationsbesuch auf Rungue heißt es:

"Hier weht einem eine andere Luft, als anderswo entgegen, man fühlt das Vorhandenfein Allgemeinen Einverständnisses, unausgesprochenen Vertrauens, und dies erscheint als Gemeingeist, Man kann freier verkehren und die straff angezogenen Zügel der vorsichtigen, erzieherischen Zurückhaltung ein wenig lockrer lassen, weil durch Gottes Geist die innere Selbstbeherrschung gewirkt ist. Wohltuend zeigt sich auch der Geist der Gemeinsamkeit. Sie lernen zusammenstehen auch in Fällen, wo die persönliche Neigung nicht stark ist. Sie fangen an zu erkennen, dass die christliche Selbständigkeit eine wichtige Tugend ist, weil sie auch innerlich frei macht von der Abhängigkeit gegen Andersgesinnte; sie besitzen darum auch ihr eigenes Haus und Feld. Weiter lernen sie die Pflicht und den Segen, der im Mitteilen irdischer Güter an Gott und die Gotteskinder liegt, verstehen; sie betätigen diese ihre Erkenntnis durch Geldgaben. Die Christen von Rungue lieben Gottes Wort und die Stätte seines Hauses, sie sind fröhlich im Singen, Beten und Lernen. Herzerquickend trat mir der Zug der Innerlichkeit ihres ganzen Wesens entgegen. Jesus ist der Mittelpunkt alles Tun und Denkens; sein Wort die Richtschnur des Lebens! Inwieweit den Einzelnen eine innere Selbständigkeit eigen ist, ließ sich in der kurzen Zeit nicht beobachten; möglicher Weise mangelt es in diesem Punkte noch. Dankenswert erweist sich die Mannigfaltigkeit in der Zusammensetzung der kleinen Gemeinde. Beide Geschlechter und jedes Alter ist vertreten: Witwer, Witwen, Ledige, Verheiratete. Der Segen des christlichen Einflusses erstreckt sich auf alle. Einige Schwache und Schwankende, die allein noch nicht feststehen würden, werden durch den Gemeingeist gestärkt und gehalten."

Soweit das Urteil des Visitators, der als einer der ältesten Missionare im Kondelande gewiss am meisten befähigt ist, die junge Gemeinde dort zu verstehen. Wie verschieden ist dieser sachkundige Bericht von der landläufigen Rede oberflächlicher Beurteiler, die dem Afrikaner am liebsten ganz die Fähigkeit absprechen möchten, den Geist des Christentums zu erfassen!

Wenn man hört, wie das Osterfest in Rungue gefeiert wird, so muss man sich immer wieder besinnen, dass es sich hier wirklich um eine Negergemeinde, nicht um eine Herrnhuter Niederlassung in Europa handelt. "Die Karwoche wird ganz nach der Weise der Brüdergemeine gehalten. Die beiden Missionare teilen sich so in die Arbeit, dass der eine die Behandlung der Leidensgeschichte übernimmt, der andere die "Vorbereitungsrede" und das Abendmahl, die Festpredigten und Abendversammlungen. Eine Ermüdung infolge der Versammlungen war nicht zu bemerken. Die Besucher der Gottesdienste kamen meist nicht von den Dörfern, es waren der Mehrzahl nach Stationsleute, Christen und Taufbewerber, nur zu einem kleinen Teile Arbeiter und Besuchende von auswärts. Es wurden etwa 120 Leute die Woche hindurch gezählt. Die Missionare hielten zum ersten Male mit den Christen, besonders mit den Abendmahlsgängern eingehendere Unterredungen. Es war ihnen selbst erbaulich, zu sehen, wie willig und kindlich ihre Ermahnungen und Zurechtweisungen angenommen wurden. Wenn auch etliche auf die Frage, ob Jesus wirklich in ihnen lebe, schwiegen oder nur sagten: "Nun, er hat doch meine Sünden weggenommen", so sagten dafür andere mit Überlegung und Feierlichkeit: "Ist nicht sein Geist in mir, der mich zurecht weist, wenn ich vom rechten Wege abgehe?" oder: "Schmeckt mir denn nicht sein Wort, kommt mir nicht immer wieder die Erinnerung an das Gehörte, wenn ich allein bin?" oder: "Muss ich nicht beten?" Das sind Zeugnisse sehr einfacher Art, aber sie sind mehr als Gold wert, wenn man sieht, dass der Wandel der Leute sich wirklich als Wahrheit erweist. 

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Utengule

Nachdem die Brüdermission in solcher Weise unter den Wakonde Fuß gefasst hatte, ging man an die Erweiterung des Werkes und zwar in der durch die Vereinbarung mit der Berliner Missionsgesellschaft gegebenen Richtung nach Norden und Nordwesten. Der erste Schritt führte nach Utengule.

Als die Missionare seiner Zeit eben erst unter den Wakonde angekommen waren, hörten sie, dass einige Tagereisen nördlich von Rungue der mächtige Häuptling Merere seine Residenz habe. Der vielbesprochene Nachbar machte sich sogar bald in unliebsamer Weise bemerkbar; er unternahm einen Raubzug durch das Land, ohne jedoch eine der Missionsstationen zu berühren. Wenn sich die Mission nach Norden ausdehnen wollte, konnte sie sein Gebiet gar nicht umgehen. Man beschloss daher, unverzagt in die Höhle des Löwen vorzudringen. Zuerst kam Merensky auf einer seiner Rekognoszierungsreisen nach Utengule, Er fand die Stadt schon auf der Hochebene liegend, die sich vom höchsten Teile des Kondelandes nach Norden und Nordwesten zum Tanganjika-See hinzieht. Hier lernte er eine der größten Negeransiedelungen in Deutsch-Ostafrika kennen. Hütte reihte sich an Hütte, die ganze Stadt war von Palisaden umgeben und mit Toren gut verwahrt. Der Häuptling Merere, der infolge seines Verkehrs mit den Arabern den stolzen Titel "Sultan" angenommen hatte, war einer jener afrikanischen Despoten, die ihre Untertanen in respektvoller Scheu, die Nachbarvölker aber in Furcht und Schrecken zu halten wissen. Er hatte bei seinen Audienzen ein ähnliches, steifes Zeremoniell eingeführt, wie es Stanley seiner Zeit so ausführlich von Uganda berichtet hat. Er war immer von den höchsten Würdenträgern seines Volkes umgeben und niemand durfte ihn direkt anreden. Was man dem Sultan zu sagen hatte, wurde zuerst einem seiner Großen anvertraut, der sagte es seinem Nachbar, und erst, wenn es so bis zum Kanzler gebracht war, vernahm es von diesem der Herrscher selbst. Die Begrüßung Mereres seitens der Berliner Missionare trug nur den Charakter eines Höflichkeitsbesuchs; Merensky wollte damals einem feindseligen Verhalten des Sultans gegen die Missionsstationen im Kondeland zuvorkommen. Als aber die Herrnhuter Mission die Ausdehnung ihres Arbeitsfeldes ernstlich ins Auge fasste, galt es, eine Niederlassung in oder bei Utengule selbst zu versuchen.

Im Frühjahr 1895 machten sich die Missionare Richard und Kootz dahin auf, nachdem sie ihr Vorhaben zuvor auf der Regierungsstation Langenburg gemeldet hatten. Merere unterhielt einigen Verkehr mit den deutschen Beamten und bekam von ihnen die Weisung, die Glaubensboten freundlich aufzunehmen. Das erleichterte offenbar den Eingang der letzteren. Als Richard in feierlicher Audienz sein Anliegen vorgebracht hatte, hielt der Sultan folgende Rede: "Meine Großen, dieser Fremdling, unser Freund, ist hierher gekommen, um sich bei uns niederzulassen, uns und unsere Kinder zu unterrichten und das Wort Gottes zu lehren. Er bittet uns, sich hier anbauen zu dürfen. Können wir nein sagen, da der große Herr in Langenburg, unser Freund, dessen Leute wir sind, ihn geschickt hat? Ich denke nicht. Vielmehr wollen wir uns freuen. Was sagt ihr dazu?" Die so angeredeten Ratgeber stimmten alle zu, und Merere fuhr, zum Missionar gewendet, fort: "Du hast gehört, großer Herr, ich und meine Großen freuen uns, dass du gekommen bist. Das Land ist dein. Sieh dich um und baue dich an, wo du willst, es ist alles dein. Ich und du sind Herren, alle Leute sind unser."

Dass letzteres nur eine Redensart war, verstand sich von selbst, aber die Missionare freuten sich doch der offenen Tür und beeilten sich, auf einer Anhöhe vor der Stadt, die ihnen für ihren Zweck überlassen wurde, eine Station zu errichten. Sie taten auch alles, was sie mit gutem Gewissen tun konnten, um sich die Gunst des Sultans zu erhalten. Der trat aber bald mit einem Ansinnen an Richard heran, dem dieser unmöglich nachgeben konnte. Er plante einen Kriegszug gegen seine alten Feinde, die Wahehe, die ihn früher aus seinem Herrschersitz Alt-Utengule in Ussango Vertrieben und zur Anlegung seiner jetzigen Residenz gezwungen hatten. Auf diesem Rache- und Raubzug sollte ihn der Missionar begleiten. Der lehnte das entschieden ab, ja er warnte den Herrscher mit einer in Utengule unerhört ernsten Sprache vor der Ausführung seines Vorhabens. Mit dieser Stunde sank die Freundschaft dahin. Die Missionare merkten nun, dass Merere sich nur aus Furcht vor der bewaffneten Macht in Langenburg so entgegenkommend gezeigt hatte, im Herzen grollte er über den Einzug der weißen Männer, zumal da er keinen Vorteil von ihrer Nähe haben sollte. Um das Unglück voll zu machen, wurde er von den Wahehe geschlagen; er kehrte höchst missmutig zurück. Als Richard ihn bald darauf in aller Form um die Erlaubnis einer öffentlichen Predigt in der Stadt ersuchte, gab es der Sultan nicht zu. Der Missionar wiederholte die Bitte im freundlichsten Tone, als er sich aber immer wieder zurückgewiesen sah, redete er ernster und sprach: "Gott fordert die Seelen deiner Untertanen von dir. Wehe dir, wenn du sie ihm weigerst". Dieses in öffentlicher Ratsversammlung gesprochene Wort brachte den Sultan furchtbar auf. Er mäßigte sich zwar in Gegenwart der Missionare und ging hinaus, ohne ein Wort zu sagen. Die Antwort blieb aber nicht lange aus. Die Missionsstation war von diesem Tage an in Verruf erklärt. Kein Bewohner Utengules kam mehr hinaus, niemand brachte Lebensmittel zum Verkauf; ja auch die Medizin der Weißen, die bisher vielfach für die Kranken geholt worden war, wurde verschmäht.

Dass der Zorn des Herrschers nicht verrauchte, dafür sorgten die Araber, die sich in der Stadt sesshaft gemacht hatten und in den Glaubensboten ihre natürlichen Gegner sahen. Noch nach Jahren leisteten gerade diese den zähesten Widerstand. Die Missionare äußerten einmal den Wunsch, das kleine Grundstück, das sie anfangs bebaut hatten, durch Zulauf zu erweitern. Aber umsonst. Der Araber, dem das Nachbarland gehörte, ließ sich weder durch Bitten, noch durch einen abnorm hohen Preis bestimmen, sein Eigentum abzutreten, ja es wurde den Missionaren sogar hinterbracht, der alte jähzornige Mann habe in der Nähe eine Schusswaffe versteckt gehalten, um sie zu töten, falls sie Gewalt anwendeten.

Mit tiefer Trauer im Herzen ließen die Glaubensboten oft  von ihrem hochgelegenen Hause aus den Blick über die Stadt hin schweifen, in der man jeder Annäherung mit einer zur Schau getragenen Verachtung begegnete. Da zogen durch ihre betrübte Seele die Worte Jesu vor Jerusalem: "Wenn du es wüsstest, so würdest du auch bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet; aber nun ist es vor deinen Augen verborgen."

Bei Merere und seinen Leuten vom Sangostamme war also vor der Hand nicht anzukommen. Daher lenkten die Missionare ihre Aufmerksamkeit auf die im Lande zerstreut wohnende Urbevölkerung, die Safualeute, Der Sultan hatte sich, als er durch die Wahehe von Alt-Utengule nach Westen gedrängt worden war, mit seinen Stammesgenossen mitten in ihr Gebiet gesetzt und sie rechtlos gemacht. Sie wagten nichts gegen ihre übermächtigen Bedrücker zu tun, verschmolzen sich aber auch nicht mit ihnen. Einige der Wasafua schlossen sich jetzt den weißen Männern an. Sie brachten Holz und ließen sich zur Herstellung von Mauerziegeln anstellen. Mit diesen Leuten wurde jeden Tag eine kurze Morgenandacht gehalten und Sonntags ein etwas längerer Gottesdienst. Etwa ein Jahr nach Eröffnung der Station verließ Missionar Richard Utengule, um nach Deutschland zu reisen. Sein Genosse Kootz blieb also allein. Doch nur kurze Zeit. An Stelle des Freundes trat seine Gattin, die er vor Jahresfrist im Kondelande zurückgelassen hatte, weil der Aufenthalt bei Merere anfangs zu unsicher erschien. Jetzt glaubte der Missionar seine Lebensgefährtin ohne große Gefahr nachholen zu können und so lebte das Ehepaar jetzt wieder vereint vor dem Tore von Utengule. Mit Hilfe der erwähnten Arbeiter aus dem Volke war ein kleines Kirchlein neben dem Missionshause errichtet worden, und jeden Sonntag flatterte eine Fahne über ihm zum Zeichen, dass Gottesdienst gehalten wurde. Der Wink war nicht umsonst. An jedem Feiertag sah der Missionar ein paar neue Gesichter in der Versammlung. Die Großen der Stadt waren freilich nicht darunter, es fanden sich meist nur die schüchternen Safua- und Njikaleute ein, diese kamen aber dem Prediger nicht weniger gelegen. Ja am Sonntag Exaudi 1896 war das kleine Gotteshaus zum ersten Male vollständig gefüllt mit andächtig lauschenden Schwarzen. Welche Freude nach der trübseligen Wartezeit! Der Bann, der über der Station gelegen hatte, war hauptsächlich durch einen schwerkranken Safuamann gebrochen worden, der aus einem mehrere Stunden entfernten Dorfe um Hilfe gebeten hatte und auf die Station geholt worden war, um hier verpflegt zu werden. Die christliche Nächstenliebe hatte also auch hier den Schlüssel zu den verschlossenen Herzen abgegeben.

Nun ging es, wenn auch langsam, Schritt für Schritt vorwärts. Es wurde eine Schule eröffnet, in der einige junge Burschen aus der Umgegend und die von fern her gekommenen Arbeiter Unterricht empfingen. Aus den Reihen dieser Schüler gingen nach einem Jahre die ersten Taufbewerber hervor. Als von Rungue im März 1897 die Nachricht herüberkam, dass dort die ersten Heiden getauft waren, regte es sich auch hier unter den jungen Leuten. Zwei Jünglinge baten den Missionar: "Unterrichte uns, wir wollen Jesu nachfolgen". Ihr Lehrer kannte sie als ernstgesinnte, fleißige Burschen. Er gab ihnen aber erst einige Tage Bedenkzeit. Als sie bei ihrer Bitte blieben, willfahrte er ihnen und nahm sie in Taufunterricht. Im Juni kam der feierliche Tag. Weil gerade die erste Glocke auf der Station angekommen war, wurde die Glockenweihe mit dem Tauffest verbunden. Der in diesem Lande noch nie gehörte Glockenton trug die Einladung zur festlichen Stunde in jede Hütte von Utengule, ja über die Stadt hin weit hinaus ins Land; das Herz der Missionsleute und ihres Anhangs aber erfüllte sich mit hoher Freude, als nach gehaltener Predigt die beiden  Täuflinge Ndumati und Kubeta hervortraten und das Sakrament empfingen. Sie hatten sich ihre Taufnamen selbst gewählt; der eine heißt Guamsakuire d.i. Er hat mich gesucht, der andere Guamyannehira d. i. Er hat mich angenommen.

Die Spannung zwischen der Missionsstation und den Leuten in der Stadt, die sich im Laufe der Jahre schon gemildert hatte, ist in jüngster Zeit auf eigentümliche Weise beseitigt worden. Der Sultan, der sich übrigens später wieder halbwegs freundlich zu den Missionsleuten stellte, musste auf Betreiben der deutschen Behörde seinen Wohnsitz von Utengule nach Jringa, der Hauptstadt von Uhehe, verlegen. Das war ein Schachzug des Hauptmanns Prince daselbst, der auf diese Weise die Macht der aufsässigen Wahehe zu brechen suchte. Nachdem dieser wilde Stamm besiegt war, hielt es der Sieger für geraten, das trotzige Volk zu demütigen und unter verschiedene, von ihm selbst eingesetzte Häuptlinge zu stellen. Er rief den einst aus diesen Gegenden verdrängten Merere zurück. Durch verlockende Geschenke wurde der anfangs noch widerstrebende "Sultan" nach Jringa gezogen, um von nun an dort dem Namen nach ein größeres Reich zu regieren, in Wirklichkeit aber, um als Vasall der deutschen Regierung ein Schattendasein zu führen. Er hat fast alle Bewohner von Utengule nach sich gezogen, so dass die ehemalige Residenz jetzt zu einer verlassenen und ausgeplünderten großen Ruine geworden ist. Für die Mission ist das kein großer Schaden. Die Leute vom Sangoftamm bildeten ja sowie so in ihrer Gesamtheit eine unzugängliche Masse. Nun ist der unterdrückte Safuastamm wieder frei und braucht nichts mehr zu fürchten, wenn er der Missionspredigt Gehör schenkt. Als Häuptling über die Umgebung von Utengule wurde ein zwölfjähriges Bürschchen Maliego eingesetzt.

Die christliche Niederlassung, die an ihrer bisherigen Stelle verbleibt, ist zurzeit immer noch klein. In den bescheidenen Häuschen nahe bei der Wohnung des Missionars findet man zehn Christen. Aber seitdem das stärkste Hindernis der ersten Jahre geschwunden ist, darf man hoffen, dass ihre Zahl bald wächst. In einem der Nebengebäude ist eine Tischlerwerkstatt, in einem andern eine Schuhmacherei untergebracht. Die Brüdermissionare legen viel Wert darauf, dass die jungen Christen rechtschaffen arbeiten lernen. In der Schuhmacherwerkstatt stehen drei junge Burschen in der Lehre und schustern fleißig. Zu tun gibt es immer, denn hier wird nicht nur das Schuhwerk für die Herrnhuter und Berliner Missionare, sondern auch für die Soldaten in Langenburg gefertigt. Die andern Stationsleute finden ihre Arbeit im neuangelegten Garten und auf den Feldern, wo neben dem Anbau der einheimischen Gewächse Versuche mit dem Anbau von Weizen gemacht werden.

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Bundali- und Njikaland

Noch ehe die Verhältnisse in Utengule sich in dieser Weise geklärt hatten, ging die Brüdermission an die Besetzung des Bundali- und Njikalandes. Das sind die beiden dem Kondegebiet benachbarten Landschaften nach Nordwesten hin. Wie bei Mereres Stadt, so wohnen auch auf den Stationen im Kondelande Angehörige verschiedener Stämme durch einander. In Rutenganio z. B. gehört die Mehrzahl der Statiansbewohner nicht zum Stamme der Kondeneger, es sind meist Njikaleute. Als diese getauft wurden, mehrten sich die Beziehungen zu den benachbarten Landschaften und in den Missionaren erwachte der Wunsch, auch ihnen die Segnungen des Evangeliums zu bringen. Die Leitung der Herrnhuter Mission war damit einverstanden, und so machte sich denn Missionar Meyer gegen Ende 1898 zu einer längeren Forschungsreise durch die Gegend längs der deutsch-englischen Grenze in der Richtung nach dem Tanganjika-See auf. Begleitet wurde er dabei von einer kleinen Christenschar, mit welcher er gerade bei dieser Gelegenheit die besten Erfahrungen machte. Er hielt mit ihnen unterwegs so schöne Morgen- und Abendgottesdienste, dass er die Entfernung von seiner Station kaum spürte. Ihre Begleitung war ihm auch um deswillen wertvoll, weil sie viele Verwandte und Freunde in den neuzubesetzenden Gegenden hatten. Bei den Häuptlingen fand er überall das freundlichste Entgegenkommen. Sobald sie hörten, dass er Plätze zu einer Niederlassung suchte, boten sie ihm ihr Land an. Er hätte mit Leichtigkeit sechs oder acht Stationen gründen können. Doch wählte er einstweilen nur zwei besonders geeignete Punkte aus. Der eine liegt im schönen, fruchtbaren und reich bevölkerten Bundali. Das hier wohnende Volk ist mit den Wakonde stammverwandt und ähnelt in vieler Hinsicht den Leuten drüben jenseits des Kiwira, der die Grenze zwischen beiden Ländern bildet. Eine neue Sprache brauchen die Missionare nicht zu lernen, sie kommen mit der Kondesprache aus. Meyer wählte nach reiflicher Überlegung das mitten in Bundali gelegene Lufele als Ort der Niederlassung und kaufte das nötige Land vom Häuptling Mwakasinka. Die neue Bundalistation liegt in unvergleichlich schöner Lage und verspricht infolge ihrer Höhe (1.400 m) geradezu eine Gesundheitsstation zu werden. Da sie noch schneller als Rutenganio von Jpiana zu erreichen ist, wird das eine wertvolle Zugabe sein.

Es war Zeit, dass die Mission hier einsetzte, denn Bundali wird bald von Kolonisten besiedelt werden. Der neuerdings vielbegangene deutsche Weg zwischen dem Nyassa- und Tanganjika-See führt durch die Landschaft. Da der Boden fruchtbar zu sein scheint, hat schon mancher auf der Durchreise Gefallen an dieser Gegend gefunden und Land zu erwerben gesucht. Wahrscheinlich werden in künftigen Jahren Plantagen hier angelegt. Es sollen auch Kohlenlager in der Nähe sein. Zu ihrer Ausbeutung werden ebenfalls Weiße in das Land kommen. Umso nötiger ist die schnelle Besetzung mit Missionaren.

Der zweite Platz liegt in dem trockenen und meist ebenen Njikalande unfern des Nikwasees. Hier ist es nicht so schön, wie in den grünen Gebirgsgegenden, die sich zwischen dem Songwe und Lufirio zum Nyassa-See hinunterziehen, aber für afrikanische Verhältnisse lässt es sich doch ganz gut leben, zumal wenn man sich an einem in der Trockenzeit nicht versiechenden Bache anbaut. Die Njika-Häuptlinge, bei denen der Missionar vorsprach, hießen ihn allgemein willkommen und boten ihm Land für eine Station an. Auch bei ihnen gibt es große Dörfer, deren Nähe verlockend war. Meyer wählte schließlich die Gegend bei Mbosi am Nkanaflüsschen und traf mit dem in der Nähe wohnenden Häuptling Masenga die nötigen Verabredungen, so dass er mit dem frohen Bewusstsein heimkehren konnte, der Mission eine neue Heimstätte gesichert zu haben. Mit der Kondesprache kommen die Glaubensboten freilich hier nicht mehr aus. Sie müssen das selbständige Kinjika zur Schriftsprache erheben. Eine Brücke zur Erlernung derselben ist ihnen aber bereits in Utengule und Rutenganio gebaut, da auf diesen Stationen, wie schon oben erwähnt, mehrere Njikaleute wohnen.

Mit der Besetzung der Bundali- und Njikastation kommen wieder neue Tausende von Eingebornen in den Schallbereich der christlichen Predigt. Also auch dort läuft das Wort Gottes jetzt schnell durch die Lande. Die Herrnhuter Brüder werden auf ihrer neuen Njikastation ungefähr in der Mitte zwischen dem Nyassa- und dem Tanganjika-See angekommen sein. An letzterem liegt gegenwärtig auf deutschem Gebiet keine einzige evangelische Station. Früher hat die Londoner Mission dort auf Vorposten gestanden. Es schien eine Zeit lang, als sollten jene durch Livingstone entdeckten volkreichen Gebiete bald mit dem Evangelium beglückt werden. Diese Hoffnung hat sich aber zunächst nicht erfüllt. Seit der deutschen Besitzergreifung haben sich die evangelischen Stationen am Tanganjika nicht vermehrt, es sind ihrer vielmehr weniger geworden. Nur am Südende des Sees, auf der englischen Seite, finden sich heute noch einige Niederlassungen. Möge es den Herrnhuter Brüdern gelingen, auf dem eingeschlagenen Wege vorwärts zu gehen und nach einiger Zeit das Panier des Glaubens auch über dem blauen Spiegel des Tanganjika-Sees aufzupflanzen!

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3. Vom Nyassa nach Uhehe (Berlin I)

Mache den Raum deiner Hütte weit.
Jes. 54, 2.

Wakonde

Wer jetzt der Berliner Mission im Kondelande einen Besuch abstattet, findet an vielen Orten die Spuren der segensreichen Arbeit, welche die vor acht Jahren mit Merensky gekommenen Männer getan haben. Schon auf der Seestation Ikombe, wo er das Land betritt, wird er über die Veränderung staunen. Hinter den breitästigen Tamarinden, die das Ufer beschatten, liegt das stattliche Missionsgehöft. Das alte Bambus-Häuschen der ersten Jahre steht zwar noch, es dient aber heute nicht mehr den Missionsgeschwistern zur Wohnung. Sie sind in das daneben errichtete große Steinhaus gezogen, das sogar ein Dach aus gebrannten Ziegeln besitzt und als die schönste Wohnung am deutschen Nyassastrand gilt. Wenn sich neben ihm erst einmal eine steinerne Kirche mit spitzem Turm erhebt, wird die ganze Ansiedelung noch mehr, als jetzt, an die deutsche Heimat der Missionare erinnern. Gegenwärtig wissen die Eingebornen in Ikombe noch nicht recht, wie eine schöne Kirche aussieht. Das leichte Kapellchen aus Bambus, das der Sturm vor einiger Zeit furchtbar zerzaust hat, wird jedoch bald einem stattlicheren Bau Platz machen müssen, wenn die Zahl der Getauften wächst und die umwohnenden Heiden immer so fleißig zu den Gottesdiensten kommen, wie bisher.

Die Halbinsel, auf der die Station liegt, ist zwar nicht besonders fruchtbar, aber der Boden bleibt den fleißigen Händen doch auch die Frucht nicht schuldig. Die Missionsleute haben viel angepflanzt, um die Umgebung zu verschönern. Da stehen breitblättrige Bananen, ferner Melonenbäume und andre Obstarten, die sie aus den Gärten der Schotten in Blantyre hierhergeholt haben, auch Ananas und andere nützliche Gewächse.

In diesem Missionshaus, das als Durchgangspunkt für das Oberland mehr Verkehr hat, als irgendein anderes, wird an den Getauften und den Taufbewerbern treulich gearbeitet. Die Verkündigung des Evangeliums erstreckt sich aber außerdem meilenweit am deutschen Ufer hin. Die Missionare haben ja ihr kleines Dampfboot "Paulus" zur Verfügung. Das trägt sie bald nach dieser, bald nach jener Seite am Seeufer entlang. An vier Küstenplätzen: Muaya, Nkanda, Jschanga und Kissaka verweilen sie besonders gern, weil sie dort zahlreiche Zuhörer finden. Nicht selten sind über 100 Leute um dem Prediger versammelt.

Das schöne Ikombe hat aber leider auch seine Schattenseite: das böse Klima. Der Aufenthalt ist vielleicht hier nicht ganz so gefährlich, wie drüben bei den Herrnhutern in Jpiana, aber ungesund ist er auch hier. Die Missionare suchten sich in den ersten Jahren damit zu helfen, dass sie öfter nach den kühlen Bergstationen Manow und Muakaleli gingen. Sobald jemand ernstlich am Fieber erkrankte, wurde er hinausgeschafft. Aber der Weg ist weit. Bei Krankentransporten ward das besonders fühlbar. Daher sann man auf einen andern Ausweg und hat in jüngster Zeit am Bergabhang oberhalb Ikombe, 2.800 Fuß über dem Seespiegel, ein Sanatorium eingerichtet, hoffentlich hoch genug, um den Kranken wirklich zu helfen. Die kalte, dünne Gebirgsluft hat sich bisher als das beste Mittel gegen die Fieberkeime erwiesen. Auf den höheren Stationen wird es ja in der Regenzeit zuweilen sogar grimmig kalt, wenigstens nach afrikanischen Begriffen. In Manow blieben zeitweilig die sonst sehr eifrigen Kirchgänger aus Furcht vor den kalten Regenschauern von den Gottesdiensten fern, bis Missionar Jauer Abhilfe schaffte. Er zündete jedes Mal mitten in der Kirche auf dem Lehmfußboden ein tüchtiges Feuer an, wenn die Stunde des Gottesdienstes nahte. Kamen dann die Leute, so wurden die rauchenden Scheite hinausgetragen und die glühende Asche im weiten Raum verteilt. Nun war es allenthalben schön warm und der Besuch ließ nichts zu wünschen übrig.

Auf allen Stationen sind in den letzten fünf Jahren Frauen eingezogen. Die ersten drei Bräute trafen im Jahre 1894 ein, als die beim Beginn der Kondemission mitgekommene erste Abteilung der Handwerker nach getaner Arbeit das Land verließ. Nach und nach erhielt fast jeder der Missionare eine Lebensgefährtin. Ihr Einzug erleichterte nicht nur den Männern das tägliche Leben mit seinen häuslichen Sorgen und machte sie für die eigentliche Missionstätigkeit frei; man darf auch das gute Vorbild nicht unterschätzen, welches die Negerfrauen am Verhalten ihrer weißen Schwestern haben. Wenn die Weiber der Heiden einmal unwirsch sind und mit ihren Männern zanken, kann man die letzteren sagen hören: "Seht doch die Jbambe (die Missionarsfrau) an! Die beträgt sich stets anständig und schimpft nie gegen ihren Mann."

Es hat den Missionsgeschwistern in den vergangenen Jahren nicht an Heimsuchungen gefehlt, die ihnen das Herz beschwerten und ihre Arbeit hinderten. In Manow wurde das Missionshaus vom Blitz getroffen und gänzlich zerstört; glücklicher Weise kam die Missionsfamilie mit dem Schreck davon. Die häufigen Krankheiten in Ikombe wurden schon erwähnt. Einige junge Frauen sanken ins Grab, der treffliche Missionar Grieguszies musste mit gebrochener Gesundheit das Arbeitsfeld verlassen; er starb auf der Heimreise. Also auch hier der schwere Tribut, den jede Missionsgesellschaft in Afrika zahlen muss. Noch hinderlicher für die Entfaltung des Missionswerks aber war der Aufstand der Eingebornen im Jahre 1897, der schon im vorigen Kapitel erwähnt wurde. Das von der Berliner Mission besetzte östliche Kondeland wurde fast noch mehr davon betroffen, als das Gebiet der Herrnhuter Brüder. Die Missionare stellten nicht in Abrede, dass ein energisches Eingreifen der deutschen Schutztruppe unvermeidlich war, als die Erregung der Eingebornen einmal so hoch gestiegen war, dass sie bereits von einer Verjagung der Weißen aus dem Lande träumten, aber sie hatten das Gefühl, dass man es nicht so weit hätte kommen lassen sollen. Es ging ihnen doch sehr nahe, als sie den Ausgang des ungleichen Kampfes sahen. Einer von ihnen, der von Ikombe aus den Kampfplatz aufsuchte, fand dort, wo sonst dem Wanderer fröhliche Menschen und spielende Kinder begegneten, jetzt keine Menschenseele; sonst das anheimelnde Blöken der Rinderherden, diesmal unheimliche Stille. Bald kamen deutlichere Spuren des Krieges. Auf der einen Seite brennende Hütten, auf der andern die verkohlten Reste ehemaliger Wohnstätten. umherliegendes Hausgerät und dergl. erzählte von der schnellen Flucht der Bewohner. Bei weiterem Vordringen zeigten sich Blutspuren und dann die ersten Toten. Etwa 39 Leichen lagen da, viele mit dem Gesicht auf der Erde, die eine Hand hielt noch krampfhaft den Schild, die andere den Speer umschlungen. Die meisten waren in der Blüte der Jahre dahingerafft. Welch schmerzlicher Anblick! Dem Missionar wollte das Herz brechen, wenn er an die armen Seelen dachte, denen das Heil so nahe gewesen war und die nun doch ohne Glauben und Hoffnung dahinfahren mussten. Besonders peinlich war es für die Friedensboten, dass beim Beginn der Unruhen ihr Dampfer "Paulus" vom Bezirksamtmann geliehen und zu Kriegszwecken benutzt worden war. Musste das nicht den Argwohn der Eingebornen, dass alle Weißen gemeinsame Sache gegen sie machten, neue Nahrung geben?

Die böse Zeit brachte natürlich einen Rückschlag, aber dennoch ist es im Kondelande vorwärts gegangen. Das liebevolle Verhalten der Missionsleute, das dem gepredigten Wort allenthalben zur Seite ging, überwand die widerstrebenden Herzen. Sie fuhren nicht gewalttätig drein, wenn sie auf heidnische Sitten stießen, ein geduldiges Abwarten des günstigen Augenblicks versprach bessern Erfolg. So ward z. B. dem Missionar Schüler eines Tages der Tod des Häuptlings Kamogira gemeldet. Er ging in die Trauerversammlung und wurde zu seinem Leidwesen Augen- und Ohrenzeuge von einem heidnischen Begräbnis mit seinem entsetzlichen Klagegeschrei. Er hätte der traurigen Szene gern ein Ende gemacht, aber das laute Lärmen und Heulen ließ ihn nicht zum Worte kommen. Am nächsten Tage ging er jedoch wieder hin und nun bot sich ihm eine gute Gelegenheit, vor den noch einmal versammelten Leuten in aller Ruhe vom seligen Sterben der Christen und von der Auferstehung der Toten zu reden. In ein überraschend günstiges Verhältnis sind die Missionare von Ikombe zu dem in der Nähe wohnenden Priester Makiniassa gekommen. Dieser sieht sich durch ihre Ankunft in seiner Existenz bedroht, und hält doch gute Nachbarschaft mit ihnen. Bei den öffentlichen Predigten war er einer der ersten Zuhörer, auch in der Katechismusstunde, die Grieguszies einrichtete, stellte er sich ein. Dann gab es einmal eine kleine Verstimmung, aber eine Krankheit, bei der er mehr Vertrauen zu den Missionsleuten, als zu seiner eigenen Frau bewies, stellte die Freundschaft wieder her. In jüngster Zeit hielt er einmal ein Opferfest, bei dem Missionar Bunk zugegen war. Da betete der Priester nicht mehr zu den Göttern, wie in früherer Zeit, sondern nur zu Gott. Sein alter Glauben scheint also ins Wanken gekommen zu sein. In ähnlicher Weise bereitet sich offenbar ein Sieg des neuen Glaubens über das Heidentum in Muakaleli vor. Unter den ständigen Zuhörern der Predigt befindet sich dort ein heidnischer Regenmacher und eine Zauberin. In der Apostelgeschichte wird ein Fortschritt in der Entwickelung der ersten christlichen Gemeinde zu Jerusalem einmal mit den Worten beschrieben: "Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam." Hier ist ein kleines Gegenstück dazu aus unsern Tagen.

Auch andere Früchte der christlichen Predigt treten hervor. Auf der zuletzt genannten Station ist deutlich zu spüren, dass die alte Zwietracht sich vermindert. Häuptlinge, die sich früher aus dem Wege gingen, stehen jetzt ruhig neben einander und rauchen aus einer Pfeife. Leute, die sonst in Hader mit einander lebten, hüten ihr Vieh nun auf gemeinsamer Weide, So wirkt das Wort Gottes wie ein Sauerteig. Auch die, welche sich noch nicht taufen lassen, bleiben nicht unberührt davon.

Die jungen Christen müssen freilich auch manche Anfechtung erdulden und zeigen sich dabei zuweilen widerstandsfähiger, als viele Glieder der alten Christenheit, Man hat ihnen beim Unterricht das Tischgebet zur Pflicht gemacht. Das halten sie nun auch, wenn sie in heidnischer Gesellschaft essen. In der letzteren ist zuweilen einer so rücksichtsvoll, die andern zum Ruhigsein zu ermahnen, wenn sie ihre Hände falten. Es gibt aber auch Spötter, die auf ihren wohlgenährten Leib hinweisen mit dem Bemerken, dass sie nicht beteten, und doch immer genug hätten. Wenn die Stationsleute trotzdem bei ihrer frommen Regel bleiben, so ist das ein Zeichen, dass auch nach dieser Seite hin eine Bresche ins Heidentum gelegt ist.

Auf die erste Tauffeier am Weihnachtsfest 1896 sind überall weitere solche Festtage gefolgt. In Ikombe zählte man im Oktober 1899 13 Getaufte und mehr als 20 neue Taufbewerber; in Manow besteht die Gemeinde aus 21 Christen, und 18 andere Eingeborne harren des Taufwassers. Die höchsten Zahlen weist Muakaleli (heute: Mwakaleli) auf; hier sind 28 getauft und 24 stehen im Vorbereitungsunterricht. In Wangemannshöh ist es merkwürdiger Weise am langsamsten gegangen. Anfangs schien es, als wollte diese Station allen anderen vorauseilen. Sie hat aber Jahr für Jahr an Bedeutung verloren. Ihre Lage ist nicht günstig. Nächst Ikombe wurden die hier wohnenden Missionsgeschwister am häufigsten von Krankheiten heimgesucht. Dies und die wenig günstigen Verkehrsverhältnisse haben es dahin gebracht, dass Wangemannshöh einige Jahre unbesetzt geblieben ist; es wurde nur von Zeit zu Zeit hier gepredigt. Die Eingebornen sahen freilich das Wegziehen der Weißen nicht gern. Sie sprachen ihr Bedauern charakteristischer Weise so aus: "Wir haben uns doch daran gewöhnt, Salz zu lecken." Das Salz gilt nämlich als Leckerbissen im Kondelande, weil es von weither eingeführt werden muss. Kleine Dienstleistungen werden mit ein wenig Salz vergütet, und wenn man den Kindern etwas Gutes geben will, lässt man sie Salz lecken. Nach der Äußerung konnte es scheinen, als ob die Leute in Wangemannshöh nur äußere Vorteile von der Mission erwarteten. Dem ist aber nicht so. Der zum Leiter der ganzen Kondemission ernannte Superintendent Nauhaus, der auf seinen Predigtreisen den Ort oft berührt, sagt von einer solchen Gelegenheit:

"Bis spät in den Abend hinein besprach ich mich mit denen, die hier auf das Heil warten, die Bedürftigkeit ihrer Seelen, Weil ich diesmal vergaß, Licht mitzunehmen, fand die Besprechung in dicker äußerer Finsternis statt, aber ich hatte die große Freude, wahrzunehmen, dass in den Herzen schon ein anderes Licht leuchtet."

Die Berliner Missionare beherrschen die Landessprache jetzt vollkommen, wenigstens diejenigen unter ihnen, welche mit der ersten Expedition gekommen sind. Die Anfangsschwierigkeiten, die der Verkündigung des Evangeliums im Wege standen, sind also überwunden. Sie konnten auch schon einen Schritt weiter gehen und die Kondesprache zur Schriftsprache erheben. In Kirche und Schule gebrauchen sie bereits das geschriebene und gedruckte Wort. Für Lesetafeln und ähnliche Lehrmittel ist seit Jahren gesorgt, neuerdings haben sich sogar einige Missionare an die Übersetzung der Evangelien gewagt, so dass die Kondechristen, die im Unterricht fleißig gelernt haben, in Bälde das Wort Gottes in ihrer Sprache lesen können.

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Kingaland

Während die Arbeit unter den Wakonde solche Fortschritte machte, griffen einige ihrer Lehrer wieder zum Wanderstabe und besetzten nach der Vereinbarung mit den Herrnhutern die östlichen Gebiete. Auf dieser Seite steht das Livingstone-Gebirge wie eine hohe Grenzmauer da. Hier und da führen wohl die Pfade der Eingebornen hinauf, aber wer kein schwindelfreier Bergsteiger ist, kommt an manchem steilen Abhänge nur mit Bangen und Grausen vorbei. Der Aufstieg dauert mehrere Stunden, vom Fuße der Berge an gerechnet. Wenn man oben ankommt, ist man zunächst sehr enttäuscht. Man erwartet, dass der Blick nach Osten hin auf neue Berge und Täler trifft. Aber weit gefehlt. Das, was vom Nyassa-See wie eine mächtige Bergkette erscheint, ist in Wirklichkeit nur der steile Abfall einer Hochebene, die sich von hier aus in langsamen Abstufungen quer durch das ganze deutsche Gebiet zum Indischen Ocean hinabsenkt. Dicht neben dem Steilabfall, etwa 5.000 (1 Fuß über dem See, liegt das Kingaland, dessen Bewohner um des Tauschhandels willen oft nach Ikombe hinabsteigen. Die Missionare wurden durch solche Besuche auf ihre Wohnsitze aufmerksam und unternahmen im Jahre 1894 und 95 die ersten Predigtreisen durch ihr Gebiet, Sie fanden oben ganz andere Verhältnisse, als im Unterland. Die Nacht auf der ungeschützten Hochebene war grimmig kalt. Auf dem Boden lag Reif, die kräftige Luft erinnerte sie geradezu an die deutsche Heimat. Von den Wohnungen der Eingebornen war zunächst nicht viel zu bemerken. Die Wakinga haben sich meist an schwer zugänglichen Stellen angebaut, weil sie in beständiger Furcht vor Überfällen seitens der Nachbarstämme leben. Am liebsten errichten sie ihre Hütten auf hohen Bergspitzen, um weite Umschau zu haben. Die Zeiten der Gefahr haben bei ihnen zur Ausbildung eines förmlichen Fernsprechverkehrs geführt. Sie rufen einander alle Neuigkeiten von Berg zu Berg zu, so dass jede verdächtige Erscheinung mit Windeseile durch das ganze Land gemeldet werden kann. Auch die Missionare mussten sich überall in dieser Weise durch einen Rufer ankündigen lassen, um bei der Fortsetzung ihrer Wanderung nicht leere Dörfer vorzufinden. Trotzdem hatten sie noch Mühe genug, in ein freundschaftliches Verhältnis zu den misstrauischen Bewohnern zu kommen. Es gelang ihnen aber doch, zwei günstige Plätze zu finden und die Zustimmung der Häuptlinge für den Fall einer Stationsanlage zu erlangen.

Auf Grund dieses Befunds ward die Besetzung des Kingalandes beschlossen. Im Februar 1896 machte sich der bisher in Muakaleli wirkende Missionar Hübner mit Frau und Kind von seiner Station auf. Die Freunde in Manow, bei denen sie vorüberzogen, sangen ihnen zum Abschied: "Zieht in Frieden eure Pfade u.s.w." Das am Fuße der Livingstone-Berge liegende Wangemannshöh gewährte ihnen die letzte Herberge. Hier gesellte sich Missionar Wolff samt den nötigen Trägern und Viehhirten zu ihnen. Sie nahmen außer dem Hausrat und andern Ausrüstungsgegenständen auch Rinder und Kleinvieh mit. So entstand trotz der bescheidenen Ansprüche doch eine ziemlich lange Karawane. Das Überschreiten des gerade stark angeschwollenen, wild dahinbrausenden Lumakali auf einer nur aus Flechtwerk bestehenden Brücke brachte schon einige Schwierigkeiten; diese häuften sich aber noch beim Hinaufsteigen in die Berge, Die Frau des Missionars wurde in der landesüblichen Hängematte getragen, musste aber an den schwierigsten Stellen aussteigen und zu Fuß gehen. Ihr Kind wurde von zwei Eingebornen abwechselnd in einem Korbe getragen. Der erste Teil des Aufstiegs war wegen der hier noch herrschenden Hitze besonders beschwerlich. Auf halber Höhe wurde das erste Nachtlager aufgeschlagen. Die Reisenden kamen an dieser Stelle bereits mit Kingaleuten zusammen. Hier liegen nämlich deren Felder. Auf der Hochebene ist es für die meisten Gewächse zu rau. Darum machen es die Kinganeger ähnlich, wie die Bewohner der Alpen, die ihre Weideplätze im Hochgebirge, die Felder aber in den Tälern haben. Die mildere Luft, die in halber Höhe der Livingstone-Berge weht, kommt dem Anbau der Bananen, Bataten, des Mais etc. zu statten und darum haben die Eingebornen zwei Wohnplätze; die auf der Höhe bewohnen sie die längste Zeit des Jahres, zur Feldbestellung und Ernte aber ziehen sie auf drei bis vier Monate hinunter.

Als die Missionskarawane am nächsten Tage ihr Ziel erreichte, war zunächst der Häuptling Bululile, bei dem die erste Station angelegt werden sollte, nicht zu finden. Er fürchtete sich vor den Weißen und kam erst nach längerem Warten und Drängen zum Vorschein. Den Platz, welchen die Missionare wünschten, trat er bereitwillig ab, und so wurden denn die Reisezelte an der schönsten Stelle des Landes aufgeschlagen. Bulongoa, so heißt der Ort, hat eine herrliche Lage. Besonders die Aussicht auf das Kondeland und den See, den man tief unten liegen sieht, ist wunderschön.

Während die ersten Häuser errichtet wurden, begann auch schon die eigentliche Missionsarbeit. Da die hier wohnenden Leute oft nach Ikombe hinunter kommen, verstehen die meisten etwas von der Kondesprache, In ihr wurde denn auch während des ersten Jahres gepredigt. Als gottesdienstliche Stätte diente der schattige Platz unter einigen großen Bäumen. Da die Eingebornen heilige Haine haben, in denen sie gelegentlich Opfer bringen, war ihnen ein solcher Predigtplatz gerade recht.

Ein Jahr später kam die zweite Station Tandala hinzu. Sie liegt weiter im Osten, wo die Landschaft nicht mehr so anmutig, auch das Bauen schwieriger ist. Die Hochebene wird immer kahler, je weiter man sich vom See entfernt. Das zum Hausbau nötige Holz ist dort schwer zu finden. Die Missionare entdeckten im Quellgebiet des Rumbiraflusses aber doch einige kleine Wäldchen; in deren Nähe ward der Platz gewählt. Er ist zwar windig, weil sehr hoch gelegen, dafür aber auch nebelfrei. Wolff zog von Bulongoa im Mai 1897 herüber, seine Frau folgte ihm einen Monat später. Der Missionar war in der glücklichen Lage, die Kingasprache schon völlig zu beherrschen, so kam er verhältnismäßig leicht über die Schwierigkeiten der ersten Einrichtung hinaus. Als bei den Häuptlingen und ihrem Anhang die erste Scheu überwunden war, fanden seine Predigten eine überraschend günstige Aufnahme. An gewöhnlichen Sonntagen hatte er immer gegen 100 Leute um sich, am ersten Weihnachtsfeiertage sogar 300, am zweiten Festtage nochmals 200 Mann. Später zeigte sich auch hier ein Nachlassen der ersten Begeisterung. Das Auftreten des Weißen verlor den Reiz der Neuheit, in demselben Maße schmolzen die großen Versammlungen zusammen.

Beim Beginn ihres Aufenthalts im Lande hatten die Missionsleute das Kingavolk als gutartig und schüchtern kennen gelernt. Mit der Zeit entdeckten sie aber auch tiefe Schatten im Volkscharakter. Die Männer lieben das Bier über die Maßen, Bei jeder Festlichkeit werden große Mengen vertilgt. Törichter Weise glauben sie dadurch mehr Kräfte zu bekommen. Ehe sie an die Feldarbeit gehen, trinken sie sich jedes Mal den Leib voll. Dazu sind sie ganz in Aberglauben versunken. Keiner traut dem andern über den Weg. Sie vermuten, dass Leute, die ihnen schaden wollen, allenthalben Medizin in die Erde vergraben und meinen, wenn sie an eine solche Stelle kämen, müssten sie sterben. Alle Krankheiten führen sie auf solche Ursachen zurück. Als die Missionare fragten, warum denn immer nur die Eingebornen, nie die Europäer auf diese Weise krank gemacht und getötet würden, erhielten sie die Antwort: "Ihr seid so klug, ihr wisst alles und hütet euch vor den gefährlichen Orten."

Das ist noch ein verhältnismäßig harmloser Aberglaube. Sie haben aber noch schlimmeren. Bis zum Einzug der Weißen soll nie ein Häuptling beerdigt worden sein, ohne einen Untertanen mit ins Grab zu bekommen. Gewöhnlich wurde ein guter Freund des Herrschers als Opfer erwählt. Er wurde nicht lebendig mit begraben, sondern erst tot geschlagen. Diesem abscheulichen Brauch lag der Gedanke zu Grunde, der Häuptling müsse im Jenseits mit einem Bedienten erscheinen, sonst würde er von den Ahnen nicht anerkannt. Ein junger Mann aus einer abgelegenen Gegend, wo der grausame Brauch immer noch besteht, entging nur dadurch dem Opfertode, dass der Missionar von Bulongoa sich seiner annahm. Die Heiden merken es wohl, dass mit dem deutschen Regiment, das sich von Langenburg aus geltend macht, eine neue Ordnung ins Land gekommen ist, die derartigen Unsitten den Todesstoß versetzt.

Unter solchen Umständen mussten die Missionare bei den Wakinga auf eine längere Geduldsarbeit gefasst sein, ehe sie Erfolge erwarten konnten. Aber das Umgekehrte geschah. In Bulongoa schlossen sich ihnen sehr bald einige Männer an, darunter ein gewisser Ngasika, Er hatte schon früher im Unterland das Christentum kennen gelernt und trat nun sogleich mit dem Wunsche hervor, ein Christ zu werden. Das hatte aber seine Schwierigkeiten, denn er besaß mehrere Frauen. Dass er sie nach der Taufe nicht behalten konnte, wusste er. Nun galt es einen schweren Kampf, bei dem ihn der Missionar oft bedauerte. Seine zweite Frau weigerte sich entschieden, ihren Gatten zu verlassen. Sie sagte als Heidin ganz richtig: "Was habe ich Übles getan, dass du mich nach jahrelanger Ehe verstoßen willst?" Ngasika war weit entfernt, sie von sich zu treiben. Endlich löste sich die Schwierigkeit dadurch, dass die Frau mit ihrem Kinde freiwillig ging; ergeben in ihr Loos, ohne Murren und Hass verließ sie ihren Gatten, der am nächsten Pfingstfest (1898) mit einigen andern seines Stammes getauft ward. Er empfing den christlichen Namen Petrus.

Eine andere Freude erlebte Missionar Hübner beim Tode eines Mannes, der auch schon der Taufe nahe stand. Dieser Muambengue war plötzlich gestorben. Als Hübner zu seiner Hütte eilte, waren die Leidtragenden schon versammelt. Hier hörte man aber nicht das Schreien und Klagen, wie es sonst unter den Heiden üblich ist. Der Missionar betete an der Leiche seines Schülers und bot den Familiengliedern an, er wollte ihn, weil er ein Taufbewerber gewesen, auf dem Kirchhof der Station beerdigen lassen, wenn sie von den heidnischen Gebräuchen am Grabe Abstand nähmen. Sie stimmten freudig zu und beteuerten, sie hätten das Verkehrte der heidnischen Sitten längst eingesehen. So erhielt der Mann ein schönes christliches Begräbnis, obwohl er noch nicht getauft war.

Auch die neuesten Nachrichten aus Bulongoa lauten gut. Ein Teil der regelmäßigen Predigtbesucher wird zwischen den Sonntagen zu einer Bibelstunde gesammelt, um ihre Erkenntnis zu vertiefen, Petrus Ngasika, der sich schon vor der Taufe so standhaft bewies, hilft dem Missionar bereits hier und da bei seiner Arbeit. Es ist zu hoffen, dass die Mission in ihm den ersten Evangelisten aus dem Kingastamm gewinnt.

Aus Tandala kamen in der letzten Zeit weniger günstige Berichte. Auf die Zeit der ersten Begeisterung ist hier eine Abkühlung gefolgt. Weil das Missionshaus gleich im Anfang so viel Besuch empfing, fühlten sich seine Bewohner ganz sicher. Frau Wolff blieb sogar im ersten Jahre zehn Tage lang allein auf der Station, als ihr Mann zur Konferenz der Missionare hinunter ins Kondeland reiste. Glücklicherweise geschah ihr auch nichts. Wie viel sie aber dabei gewagt hatte, zeigte sich erst später, als die in der Nachbarschaft wohnenden Wabena einen Arbeiter von der Station ermordeten und, als sie darüber zur Rechenschaft gezogen wurden, noch den Stall neben dem Missionshause anzündeten. Auch sonst mussten die Missionsleute üble Erfahrungen mit den frechen Leuten machen. Sie haben erkannt, dass in der abgelegenen Gegend, wo sie wohnen, die Kraft des Heidentums noch gänzlich ungebrochen ist. Hier wird jedenfalls lange gepredigt werden müssen, ehe die wilden Gemüter gezähmt sind und der Trotz sich in Sanftmut verwandelt.

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Uhede

Bis zum Jahre 1898 bildete die Kingamission den am weitesten vorgeschobenen östlichen Vorposten der Mission am Nyassa. In neuester Zeit hat sie aber diese Bedeutung an eine Reihe neuer Stationen in Uhehe abgegeben. Dieses in den letzten Jahren oft genannte Land hatten die Berliner Missionare schon bei ihrer Gebietsteilung mit den Herrnhutern ins Auge gefasst. Erst jetzt wurde es ihnen durch die politischen Ereignisse erschlossen.

Die Wahehe gelten als eins der wildesten Völker in der südlichen Hälfte des deutschen Gebiets. Ein schwarzumrandetes Blatt in unsrer Kolonialgeschichte ist mit ihrem Namen gezeichnet. Es war im Jahre 1891, als die Nachricht vom Untergange der Zelewskischen Expedition kam. Diese durch Uhehe ziehende Abteilung der Schutztruppe war in einen Hinterhalt geraten, von den Eingebornen überfallen und Mann für Mann niedergemacht worden. Es fielen zehn deutsche Offiziere und Unteroffiziere, 250 schwarze Soldaten und 96 Träger. Infolge dieser Niederlage der deutschen Waffen bemächtigte sich der Wahehe ein toller Übermut. Sie waren ein Schrecken für die umwohnenden Stämme; alle Bande der Ordnung wurden gelöst. Das dauerte einige Jahre, bis der Gouverneur von Schele gegen sie zu Felde zog. Am 30. Oktober 1894 erstürmte er ihre feste Stadt Iringa (Kwirenga) und brachte das Land unter die deutsche Botmäßigkeit. Hauptmann Prince, dem die Verwaltung von Uhehe übertragen wurde, hatte zwar gegen die heimtückischen Feinde, die sich bald hier bald da wieder zusammenrotteten, noch manchen Schlag zu führen, es gelang ihm aber, nach und nach Ordnung und Ruhe im Lande zu schaffen. In einiger Entfernung von der zerstörten Hauptstadt legte er das neue Iringa an, wo er selbst seinen Wohnsitz aufschlug. Der letzte Herrscher, der sich mit den Deutschen nicht befreunden konnte, nahm sich auf der Flucht selbst das Leben. Nun teilte Prince seine Herrschaft unter drei von ihm ernannte Häuptlinge, deren einer der im vorigen Kapitel erwähnte Merere war. Dies geschah in den Jahren 1895 und 96.

Als die Berliner Brüder am Nyassa hörten, dass der Trotz der Wahehe gebrochen und ihr Land nun auch den Friedensboten geöffnet war, unternahmen zwei von ihnen, Bunk und Hübner, eine Erkundigungsreise. Sie zogen durch das westliche Uhehe bis nach Iringa und sahen sich überall nach geeigneten Plätzen um, die für eine spätere Niederlassung in Frage kamen. An landschaftlicher Schönheit konnten sich die durchwanderten Gegenden bei weitem nicht mit dem lieblichen Kondelande messen, ein Vorzug dagegen war der leichte Verkehr nach allen Richtungen. Die einförmige Hochfläche zieht sich meilenweit ohne Berge und Wälder hin, nur die Flusstäler haben einen reicheren Wechsel im Gelände, sowie eine bessere Vegetation aufzuweisen. Der größere Teil ist offenes Weideland, mit zahlreichen Felsblöcken übersäet. Auch Moorgegenden fehlen nicht und können dem unkundigen Wanderer gefährlich werden. Die Missionare fanden das ganze Gebiet nach den Kriegsjahren sehr verwildert; Löwen, Elefanten, Nashörner und anderes großes

Wild gab es in Menge. Die Eingebornen zeigten sich infolge der erlittenen Niederlagen scheu und misstrauisch. Ihre kräftigen Gestalten verrieten aber noch die in dem Volke steckende Kraft. Als die beiden Kundschafter vorüberzogen und überall aussprachen, dass sie niemandem etwas zu Leide täten, traten die Männer an den Weg, legten die Hand an den Kopf (das hatten sie den deutschen Soldaten abgesehen) und sagten: morni (guten Morgen)! Ihre Wohnungen sind von ganz anderer Gestalt, als bei den Eingebornen am Nyassa-See, Es sind lange, viereckige Gebäude mit Lehmmauern und einer Bedachung aus Zweigen, auf denen eine dicke Erdschicht liegt. Den meisten Raum in den Temben, so heißen die Gebäude, nimmt der Rinderstall ein. Das Vieh ist der wichtigste Besitz der Wahehe und erfreut sich der besten Pflege. Den Stall behandeln sie mit aller Sorgfalt, dagegen wird den menschlichen Wohnräumen nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Die Temben liegen in der Regel einzeln und weit zerstreut im Lande. In jeder haust eine große Familie. Nur Iringa als Sitz des Herrschergeschlechts bildete eine Ausnahme. Die Missionare berührten den Ort und sahen die umfangreichen Ruinen, Es ist eine für afrikanische Verhältnisse großartige Anlage gewesen. Die Stadt hatte einen Umfang von mehr als vier Kilometer und war mit einer steinernen Umfassungsmauer, an der sich einige feste Bastionen befanden, umgeben. Als die deutsche Schutztruppe gegen sie heranzog, waren 3.000 Krieger zur Verteidigung auf den Mauern. Durch drei starke Tore wurde Unbefugten der Eintritt verwehrt. Der mächtige Innenraum war durch ein Flüsschen in zwei Teile geschieden, hüben und drüben stand eine Reihe von Temben, die viel Volk beherbergten, daneben aber auch schöne Rinderherden, die auf den innerhalb der Mauer reichlich vorhandenen Weideplätzen ihr Futter fanden und bei der Belagerung als Proviant dienten. Dieses interessante Stück ehemaliger afrikanischer Herrlichkeit lag, wie gesagt, jetzt in Ruinen. Die Missionare begaben sich nach Neu-Iringa hinüber, um mit dem jetzigen Regenten des Landes wegen ihrer künftigen Niederlassung ins Einvernehmen zu treten. Hauptmann Prince hieß sie herzlich willkommen. Leider wurde die Freude darüber durch die Nachricht getrübt, dass von der Küste her schon römische Missionare ins Land gekommen waren und sich in der Nähe niedergelassen hatten. Um ihnen nicht auch die westliche Hälfte von Uhehe überlassen zu müssen, eilten die beiden Brüder in ihr Hauptquartier zurück und bereiteten die schleunige Besetzung der Gegenden zwischen dem Kingalande und Iringa vor.

Es waren kurz vorher drei junge Brüder Gröschel, Priebusch und Neuberg im Kondelande angekommen. Diese wurden bestimmt, unter der Führung des schon länger in Afrika weilenden Missionars Bunk die neue Arbeit in Angriff zu nehmen. Sie versammelten sich in Bulongoa und stärkten sich zum Abschied durch eine gemeinsame Abendmahlsfeier. Am 9. Juli 1898 brachen sie auf. Ihr erstes Wanderziel war Kilugala im Lande der Wabena, das zwischen dem Kingagebiet und Uhehe liegt. Der dortige Häuptling hatte schon wiederholt um einen Missionar gebeten und jetzt auch 143 Träger geschickt, um das Gepäck der Weißen abzuholen. Allem Anschein nach war es ihm weniger um geistlichen Gewinn, als um eine Stärkung seiner Stellung gegen feindliche Nachbarn zu tun. Bei der Gründung von Missionsstationen ist dieser Gedanke auf Seiten der Eingebornen schon oft ausschlaggebend gewesen. Die Missionare wollten ihm jedoch eine Niederlassung in seiner Nähe umso weniger versagen, als sein Land die Brücke nach Uhehe hinüber bildet. So zogen die Glaubensboten denn am 16. Juli in Kilugala ein. Hier blieb Missionar Gröschel. Die andern wanderten in nordöstlicher Richtung weiter und schlugen ihre Zelte in den letzten Tagen des Juli zu Mufindi am Mgololotal auf. Hier beschloss Bunk die zweite Station zu errichten. Nun handelte es sich noch um einen oder zwei Stützpunkte in größerer Nähe von Iringa. Man fasste zuerst das südlich von der Hauptstadt gelegene Uhasiva, wo zeitweilig eine kleine deutsche Besatzung gelegen hatte, ins Auge. Einer der Brüder blieb auch einige Monate dort, verließ dann aber den Ort wieder, weil er die Gegend fast menschenleer fand. Dagegen wurde gleich darauf noch ein Stück weiter östlich Muhanga besetzt, wo sich der Mission sehr günstige Aussichten eröffneten.

Damit hat die Berliner Mission einen wichtigen Schritt vorwärts getan. An die vier Stationen im Kondelande und die zwei Niederlassungen auf den Bergen unter den Wakinga reihen sich jetzt Kilugala in Ubena, Mufindi und Muhanga in Uhehe. Der letztgenannte Ort liegt in der Luftlinie etwa 300 km vom Nordende des Nyassa-Sees entfernt, das ist so weit, wie von Leipzig nach Hamburg. Wenn die drei neuen Stationen zunächst auch nur eine lang gestreckte Linie bilden, deren einzelne Punkte mehrere Tagereisen von einander entfernt liegen, so werden sie doch binnen kurzem zu eben so vielen Lichtquellen für ihre noch in dicker, heidnischer Finsternis liegende Umgebung werden und, so Gott will, auch zu Ausgangspunkten für neue Stationsgründungen zur Rechten und zur Linken.

Die drei Orte haben sämtlich eine herrliche, gesunde Lage und fruchtbaren Boden, so dass ihre Zukunft in äußerlicher Hinsicht wohl gesichert ist. Für Leib und Leben der Missionare scheint keinerlei Gefahr mehr vorhanden zu sein, zumal da Iringa nicht fern liegt. Die dortigen Offiziere haben den Missionaren jede nur wünschenswerte Hilfe gewährt. Ganz besonders wird die Liebenswürdigkeit des Hauptmann Prince und seiner bei ihm weilenden Gattin gerühmt. Als Missionar Priebusch mit der Anlegung der Station in Muhanga beschäftigt war und dabei wegen des Proviants in Verlegenheit kam, halfen sie ihm in freigebigster Weise aus. Auch sonst haben die Missionsleute viel Entgegenkommen von der Militärstation erfahren. Das Freundschaftsbande wird in nächster Zeit, wo die ersten Missionarsfrauen in Uhehe einziehen, wahrscheinlich noch fester werden.

Der Ausbau der Stationen wird einigermaßen dadurch erschwert, dass die Wahehe keine Lohnarbeit tun mögen. Freiwillig lassen sie sich wohl zu kleinen Hilfsleistungen herbei, die bezahlte Arbeit erscheint ihnen aber als Sklavendienst. Missionar Priebusch musste in Muhanga zuerst alles selbst tun: auswaschen, kehren, kochen, schlachten u.s.w. Erst nach einiger Zeit erlangte er vom Unterhäuptling Pangamasisi ein Bürschchen für die häuslichen Dienste. Hoffentlich werden die Leute williger, wenn sie erst mehr Vertrauen zu den Missionaren gewonnen haben. Letztere benutzen jede Gelegenheit, sich als gute Freunde des Volkes zu beweisen. Bald nach ihrer Ankunft brachen die Pocken aus. Der Regierungsarzt von Langenburg kam, um die Eingebornen zu impfen. Nach seiner Abreise setzten die Missionare die Behandlung fort. In Muhanga haben sie schon über 1.000 Leute geimpft.

Die zunächst nötige Bauarbeit ist in der Hauptsache vollendet. Nun gilt es, die Landessprache zu erforschen und für die Verkündigung des Evangeliums nutzbar zu machen. Einige der Missionare haben bereits den Anfang mit der öffentlichen Rede in Kihehe gemacht, andere find dabei, Wörtersammlungen anzulegen und die grammatischen Regeln zu erkunden. So scheint die Zeit nicht mehr fern zu sein, wo die christlichen Glaubensboten an dem Volke, das ihre deutschen Brüder erschlug, eine edle Rache nehmen, indem sie ihm den größten Schatz überbringen, den sie selbst haben: das Evangelium.

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Sonnenaufgang am Kilimandscharo

Wenn die Morgensonne aus dem Indischen Ocean aufsteigt, um den Völkern von Deutsch-Ostafrika bei ihrem Tagewerk zu leuchten, so vergoldet sie eher als irgendeinen andern Punkt im Innern des deutschen Gebiets die Spitzen des Kilimandscharo. Der höchste Punkt dieses Gebirgsstocks liegt etwa 6.000 m über dem Meere; das ist sehr viel höher, als der Gipfel des Montblanc. Wenn wir uns das großartige Schauspiel eines Sonnenaufgangs am Kilimandscharo vorstellen wollen, müssen wir uns außer dieser gewaltigen Höhe noch vergegenwärtigen, dass der afrikanische Bergkoloss frei aus einer Ebene aufsteigt, die durchschnittlich nur 800 bis 1.000 Meter hoch liegt. So stellt er sich von allen Seiten in majestätischer Größe dar, besonders am Morgen, wo ihn noch nicht solche Wolkenhaufen umlagern, wie sie sich in den Vormittagstunden zu bilden pflegen. Der riesige Berg würde ein noch harmonischeres Bild geben, wenn er, wie sein kleiner Bruder, der Meru, als ein einziger, abgestumpfter Kegel in die Lüfte ragte. Das ist nicht der Fall. Er hat zwei Gipfel. Auf dem gewaltigen Unterbau, der allerdings schon fast bis zur Montblanchöhe reicht, erhebt sich im Osten der wildzerrissene Mawenzi, im Westen der sanfter geformte, aber höhere Kibogipfel. Letzterer erscheint von unten wie eine abgerundete weiße Kuppe. Wenn man aber hinaufsteigt, wie es Dr. H. Meyer aus Leipzig als erster Besteiger getan hat, findet man oben eine mächtige Vertiefung mit gezacktem Rande, die Jahr aus Jahr ein mit Eis und Schnee angefüllt ist. Es ist ein erloschener Krater. Der ganze Berg ist vulkanischen Ursprungs. Die unterirdischen Kräfte, die ihn hervorgetrieben und auch noch andere Auswurfkegel in der Nähe gebildet haben, regen sich jetzt fast gar nicht mehr. An die Stelle der feurigen Lava sind Schneefelder und Gletscher getreten.

Die Strahlen der Morgensonne fallen zuerst auf die blendend weiße Schneehaube des Kibogipfels, auf dem es in der kalten Nacht eben erst wieder geschneit hat. Seine Abhänge erscheinen daher wie mit feinem Zucker überzogen. Etwas später wird auch der vor ihm liegende Mawensi vom Sonnenlicht getroffen. Er ist ganz aus dunklem Gestein aufgebaut, das in scharfem Gegensatz zum hellen Kleide des Kibo steht.

Wenn die beiden Gipfel in voller Beleuchtung stehen, fängt die Zeit des Sonnenaufgangs für den Bergsattel an, der die Verbindung zwischen beiden bildet. Hier liegt die obere Grenze des Pflanzenlebens und der Tierwelt am Berge. Die spärlichen Gräser zwischen den Felsen werden von einigen Bergantilopen abgeweidet, denen eine Finkenart mit fast weißem Federkleid in ihrer Gebirgseinsamkeit Gesellschaft leistet.

Immer weiter steigen nun die Sonnenstrahlen am Berge hinab. Sie streichen über die graubraunen Hänge hin, auf denen sich hier und da wunderlich geformte Haidekrautbüsche über den gedrungenen Graswuchs erheben, und küssen dabei den Reif hinweg, den die kalte Nacht entstehen ließ. Bald fallen auch die ersten Strahlen auf den Urwald, der sich wie ein immergrüner Gürtel in halber Höhe um den Berg legt. Ihn zu durchleuchten gelingt der Morgensonne an vielen Stellen nicht. In den tiefsten Waldpartien hält sich das Dämmerlicht sogar noch um die Mittagszeit, Die dichtstehenden Baumriesen, an die keine menschliche Hand je gerührt, haben ein undurchdringliches Dach über sich geschlagen. An den hohen Stämmen, die mit der Zeit wohl noch manchen schönen Balken zum Kirchenbau werden abgeben müssen, ranken sich Schlinggewächse hinauf und verdichten oben noch das Blätterdach, indem sie von einer Krone zur andern steigen. Auf den Lichtungen des Waldes stehen wunderlich geformte Pflanzen, die nur am Kilimandscharo vorzukommen scheinen. Weiter unten fallen Palmen, baumartige Farne und Dracänen ins Auge, An den Stellen aber, wo es sehr viel Feuchtigkeit gibt, entfaltet die tropische Natur ihre ganze Pracht.

Bei dem jungen Tageslichte, das in den Wipfeln spielt, verkriechen sich die Leoparden, Hyänen und ähnliches Raubgetier, das weiter unten am Berge seine nächtlichen Streifzüge gemacht hat. Andere Bewohner des Urwaldes aber wachen auf und gehen nach Nahrung aus. Es finden sich hier noch ganze Herden von Elefanten. Trotz ihrer plumpen Glieder klettern sie an den Berghängen umher. Die riesigen Dickhäuter passen ganz zu den gewaltigen Formen des Berges und des Waldes.

Immer schneller nehmen nun die beleuchteten Teile des unteren Berglandes zu. Schon fallen die ersten Sonnenstrahlen ins bewohnte Dschaggaland, welches sich im Osten, Süden und Westen um den Fuß des Berges hinzieht. Auf den üppig wachsenden Baumpflanzungen liegt starker Morgentau. Die Sonne bescheint hier ein fruchtbares Stück Land. Die verwitterte Lava gibt bekanntlich einen ausgezeichneten Nährboden für alle Kulturgewächse ab. Dazu kommt, dass es im Dschaggalande nicht an Wärme und Feuchtigkeit fehlt. Nur der östliche Teil hat wegen seiner Wasserarmut ein weniger gutes Wachstum aufzuweisen. In den südlichen und westlichen Landschaften dagegen fallen sehr reichliche Niederschläge, auch gibt es hier zahlreiche Bäche, die von den Schneefeldern auf dem Gipfel gespeist werden. An warmem Sonnenschein aber fehlt es natürlich in diesem Lande unter dem Äquator den Tag über auch nicht. Um den Sonnenaufgang ist es freilich noch recht kühl. Aus den sorgfältig umzäunten Hütten, die von oben bis unten ganz mit Gras oder den getrockneten Hülsen der Bananenstauden gedeckt sind und von weitem fast wie mächtige Heuschober aussehen, kriechen die braunen Dschaggaweiber hervor. Sie eilen nach den Ställen, wo die Kühe und Ziegen laut werden. Bald kommen auch einzelne Männer heraus. Sie sehen nach den Feldern und besichtigen ihre Bewässerungskanäle, die überzulaufen drohen, weil es am vergangenen Abend in den Bergen stark geregnet hat. Die braune Haut wird ihnen dabei grau vor Frost, darum ziehen sie die mantelartigen Tücher, mit denen sie bekleidet sind, fester um ihre Schultern und Hüften.

Endlich steht der ganze Berg, oder richtiger das ganze Gebirge, denn der Kilimandscharo hat an seinem Fuße einen Umfang von ca. 200 km, in voller Beleuchtung. Die höher steigende Sonne sendet nun ihre Strahlen über die Ebene, die sich um den Berg her breitet. Allenthalben eine öde, fahle Steppe, nichts als Steppe. Im Westen unterbricht nur der etwa zwei Tagereisen entfernte vulkanische Kegel des Meru die einförmige Linie, im Südosten findet das Auge an dem etwas näheren Paregebirge in Ugueno einen willkommenen Ruhepunkt. Die umgebende Steppe lässt das Kilimandscharo-Gebiet wie eine schöne grüne Insel erscheinen, zu der man nur mittels einer mühsamen Steppenwanderung gelangen kann. Die weite Ebene ist zwar unbebaut, aber doch nicht ganz unbewohnt. Wo sich ein Flusstal hinzieht, sieht man leichte Rauchwölkchen aufsteigen. Dort hausen die versprengten Überreste der Massai, eines unsteten, räuberischen Hirtenvolkes, das im Anfang unserer Kolonialzeit manchen Zusammenstoß mit der Schutztruppe gehabt hat. Ihre Zahl wurde bei solchen Gelegenheiten stark gelichtet, was den Wadschagga am Berge sehr willkommen war, denn sie hatten unter ihren Räubereien stark zu leiden gehabt. In anderen, noch einsameren Teilen der Steppe beleuchtet die Morgensonne oft ein ähnliches Bild, wie es Freiligrath in seinem bekannten Gedicht "Wüstenritt" geschildert hat. Die Gegend ist überraschend reich an Wild. Im Schlamm des nahen Dschipesees tummeln sich die schwerfälligen Flusspferde, an seinen Ufern aber, wo es immer genügende Feuchtigkeit und infolgedessen auch frischen Graswuchs gibt, weiden ganze Rudel von Antilopen, Zebras und Giraffen, aus denen sich der König der Tiere jeden Tag mit Leichtigkeit seine Beute holt.

Doch damit genug von dem natürlichen Sonnenaufgang am Kilimandscharo. Er soll uns nur als Sinnbild für den Anbruch einer neuen Zeit in diesem abgeschiedenen Teile des deutschen Gebiets dienen. Die Afrikaforscher haben ihm ihre besondere Aufmerksamkeit zugewendet, und gleichzeitig ist die Sonne des Heils über ihm aufgegangen.

Bild aus Wikipedia
Ansicht Kilimandscharo zur Deutschen Kolonialzeit von Rudolf Hellgrewe

Bis vor 50 Jahren lag ein vollständiges Dunkel über der interessanten Gebirgslandschaft. Keine der geographischen Karten verzeichnete den Bergkoloss. Selbst die Europäer, die gelegentlich in Sansibar verkehrten, erfuhren noch nichts von ihm. Ein Missionar sollte sein Entdecker werden. Es war am 11. Mai 1848, als Rebmann auf einer Reise von Mombasa nach dem Innern den Gipfel zum ersten Male erblickte. Schon von ferne erkannte er die Schneefelder auf dem Kibo. Der Anblick überwältigte ihn geradezu, so dass er sich tiefergriffen hinsetzte und den Psalter aus der Tasche zog, wo er las: "Groß sind die Werke des Herrn, wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran." Er beeilte sich, die Kunde davon an die Geographen in Europa zu schreiben. Diese zögerten lange, sie zu glauben. Überkluge Leute hinter dem warmen Ofen bemühten sich sogar nachzuweisen, dass es einen Schneegipfel unter dem Äquator gar nicht geben könnte. Der Missionar war aber seiner Sache sicher. Hatte er doch den Berg in unmittelbarer Nähe gesehen. Die erste Reise brachte ihn bis Kilema, das fast im Mittelpunkte des Dschaggalandes liegt, eine zweite sogar bis nach Madschame im äußersten Westen.

Bei diesen Entdeckungsreisen fand er die Eingebornen sozusagen noch im Naturzustande, der erst kurz vor der deutschen Besitzergreifung durch das Eindringen fremder Einflüsse eine Veränderung erfuhr. Ein besonderes Merkmal der alten heidnischen Zeit war die Zerrissenheit der Bevölkerung. Das ganze Land ist nicht groß und die Gesamtzahl der Wadschagga soll nicht mehr als 60.000 Seelen betragen. Trotzdem haben sie etwa 20 kleine, selbständige Staaten. Die wichtigsten sind Rombo, Mamba, Marangu und Kilema im östlichen Teile, Moschi und Kiboso im Süden, Madschame und Schira im Westen, Jedes Ländchen hat seinen eigenen Häuptling. Soweit die geschichtliche Erinnerung am Berge zurückreicht, gab es fast unaufhörliche Fehden unter ihnen. Einzelne Häuptlinge, wie Mandara von Moschi und Sina von Kiboso, taten sich besonders hervor und waren lange Zeit als Menschen- und Viehräuber überall gefürchtet. Es war eine traurige Zeit für das Land. Alle Wadschagga sind blutsverwandt untereinander, und doch wagte niemand weit von seiner Hütte wegzugehen. Eine Wanderung in das zwei Stunden entfernte Nachbarländchen war lebensgefährlich. Die Häuptlinge brauchten ja Sklaven, um die von den arabischen Händlern gebrachten Waren damit zu bezahlen. Nur in bewaffneten Haufen getrauten sich die Männer hinunter an den Karawanenpfad am Steppenrande. Jedes der Ländchen war durch tiefe Gräben und Dornhecken von der Außenwelt abgeschlossen. Feste Tore aus Baumstämmen verwahrten den Eingang. Die blutsverwandten Stämme entfremdeten sich auf diese Weise immer mehr und ihre einheitliche Sprache zerfiel mit der Zeit in eine Anzahl mehr oder weniger von einander abweichender Mundarten. Ein trauriges Bild heidnischer Verirrung.

Die Wadschagga haben in ihrem Volkscharakter sonst manchen freundlichen Zug. Sklaverei und Vielweiberei mit allen ihren üblen Folgen findet man bei ihnen zwar auch, aber das erwartet man ja in Afrika nicht anders. Es fehlt ihnen jedoch auch nicht an guten Eigenschaften. Es wäre vielleicht zu viel Lob, wenn man ihnen Fleiß und Emsigkeit nachrühmen wollte. Jedenfalls darf man sie aber auch nicht faul nennen. Ihre Bananenpflanzungen, die Mais- und Bohnenfelder, ihre sorgsam umhegten Gehöfte bezeugen, dass sie zu arbeiten verstehen. Die Bodenbeschaffenheit und das Klima ihres Landes bilden natürlich den stärksten Antrieb zu solcher Tätigkeit. Es wird ihnen nicht so wohl, dass ihnen die Früchte in den Mund fallen. Die Stellung der Frauen ist freier, als bei manchen andern afrikanischen Stämmen. Ein Kenner des Landes, Prof. Volkens, redet sogar von einer ziemlich hohen Stufe der Sittsamkeit bei den Mädchen. Auch soll das Familienleben ein innigeres, als bei anderen Negervölkern sein.

In religiöser Hinsicht aber stehen die Wadschagga sicher ebenso tief, wie die andern ostafrikanischen Heiden. Auch sie haben freilich eine gewisse Ahnung von dem unsichtbaren Herrn der Welt, es kümmert sich jedoch niemand um ihn. Praktische Bedeutung für sie hat nur ihr finsterer Aberglaube. Die Häuptlinge nehmen im Bunde mit den Zauberern die Stellung der Priester im Volke ein. Die abergläubischen Gebräuche werden vor den Augen und Ohren der Weißen am liebsten geheim gehalten. Erst mit der Zeit bemerken die Missionare die als Zaubermittel an den Weg oder vor die Hütten gesteckten Dracänen, und wenn sie die Kranken in ihren Hütten besuchen, begegnen sie den Zauberdoktoren mit ihren albernen Wunderkuren. Es ist wahr, der heidnische Aberglaube tritt nirgends in abstoßender Weise hervor, aber die ganze Denkweise der Wadschagga steht unter seinem Bann. Zum Erschrecken ist es, wie roh es unter den sonst artigen und höflichen Leuten zugeht, wenn sie ihre Feste feiern; sie leisten da im Fressen und Saufen Unglaubliches, Und mit welcher Gefühllosigkeit überfallen und berauben sie bei ihren Beutezügen die Wohnungen der Feinde! Ganz zu schweigen von ihren nur aufs Irdische gerichteten Gedanken und ihrer Hoffnungslosigkeit beim Sterben. Wie Volkens erzählt, werden die gestorbenen Kinder in der Regel an einer versteckten Stelle niedergelegt und dort dem Verwesungsprozess oder Tieren zum Fraße überlassen.

Auch hier begegnet uns also die alte heidnische Nacht, und es ist hoch an der Zeit, dass für diesen Erdenwinkel die Gnadensonne aufgeht. Schon bevor das Land in politischer Hinsicht eine neue Zeit kommen sah, zogen die ersten christlichen Glaubensboten ein. Von ihrer leider nur kurzen Wirksamkeit soll das nächste Kapitel erzählen.

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1. Die ersten Glaubensboten unter den Wadschagga

Ihr wisset, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.
1.Kor. 15, 58.

Ein junger Mann, der sich für den Missionsdienst in Afrika melden wollte, bat um die Zustimmung seines Vormunds. Dieser konnte sich durchaus nicht in die Pläne seines Mündels finden und führte schließlich als einen, wie er meinte, besonders kräftigen Gegengrund das mörderische Klima an. "Du wirst dort so gut wie nichts ausrichten und gleich anderen ruhmlos in ein frühes Grab sinken." Da antwortete der künftige Missionar:

"Mag sein, dass mir dort nicht lange zu wirken beschieden ist. Wenn eine Brücke gebaut wird, sind zur sichern Gründung der Pfeiler viele Quadersteine nötig, die man später nicht mehr sieht. Aber die Brücke könnte ohne diese verborgenen Grundsteine nicht stehen. Vielleicht soll ich nur einer der Steine sein, über denen sich einmal die Missionsbrücke wölbt, auf der das seligmachende Evangelium in das arme, heidnische Afrika hinübergetragen wird. Dann ist mein Opfer für den dunkeln Erdteil doch auch nötig gewesen und ich habe nicht vergebens gelebt."

Von diesem Gesichtspunkt aus will der erste Missionsversuch am Kilimandscharo angesehen sein. Es ist an vielen Orten in Afrika so gewesen, dass die Pioniere des christlichen Glaubens scheinbar vergebens arbeiteten oder doch nur sehr wenig Frucht sahen. Erst ihren Nachfolgern war es beschieden, zu ernten, wo sie gesät hatten oder, um ein anderes Bild zu gebrauchen, auf dem von ihren Vorgängern mühsam gelegten Grunde rasch weiter zu bauen. So auch am Kilimandscharo. Es sind englische Missionare gewesen, welche die Pfadfinderdienste im Dschaggalande zu leisten hatten. Die schwierigen Verhältnisse, unter denen sie in die Arbeit traten, haben ihnen den Eingang sauer genug gemacht. Dass sie oder ihre Landsleute heute nicht mehr auf diesem Missionsfelde stehen, ist nicht ihre Schuld. Sie mussten es zu ihrem Leidweisen unfreiwillig verlassen, als die junge Saat eben zu sprießen begann. Ihre Arbeit wurde unterbrochen, verloren ging sie jedoch nicht.

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1878

Es war im Jahre 1878, als die Mission zum ersten Mal in nähere Verbindung mit den von Rebmann gefundenen Dschagganegern trat. Die englischen Missionare in Mombasa gaben einem arabischen Händler, der ins Innere zog, einen Brief an den Häuptling Mandara von Moschi mit, worin sie anfragten, ob er einen christlichen Lehrer bei sich aufnehmen wollte. Die Anfrage kam von den Sendboten der Kirchlichen Missionsgesellschaft zu London, der schon Rebmann angehörte und die kurz vorher eine quer durchs deutsche Gebiet führende Missionsstraße nach Uganda angelegt hatte. Mandara, der damals als der mächtigste Häuptling im Kilimandscharo-Gebiet galt, antwortete, er und sein Volk würden sich freuen, wenn ein Missionar zu ihnen käme. Da in Mombasa nicht sogleich ein geeigneter Mann frei war, schickte man ihm vor der Hand eine arabische Bibel und vertröstete ihn wegen des Lehrers auf spätere Zeit.

Erst nach sieben Jahren kam der Plan zur Ausführung. Die Missionsgesellschaft brauchte gerade alle verfügbaren Kräfte für ihr neu begonnenes Werk am Viktoria Nyanza. Als aber infolge der Christenverfolgung in Uganda die dortige Arbeit ins Stocken geriet, konnte man das in Moschi gegebene Versprechen einlösen.

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1885

Der Missionsbischof Hannington, derselbe, welcher kurz darnach auf einer Visitationsreise an der Grenze von Uganda ermordet wurde, kam im Jahre 1885 ins Dschaggaland, um die unter seiner Leitung stehenden Missionare Fitch und Wray bei Mandara einzuführen. Sie wurden mit Freuden aufgenommen und errichteten ihr bescheidenes Haus nahe bei der Boma d, i. dem Gehöft des Häuptlings, nur durch ein tiefes Tal davon getrennt. Der in der Anlage neuer Stationen erfahrene Hannington war für die gute Aufnahme sehr dankbar, ließ sich aber dadurch nicht blenden. Er schrieb an Ort und Stelle einen Bericht an die Missionsleitung in der Heimat, worin er weitblickend bemerkte:

"Es wird hier gehen, wie in den meisten unsrer Missionen. Zuerst wird der weiße Mann mit Freuden empfangen, und jedermann wird sich ein oder zwei Wochen lang bemühen, alles Mögliche für ihn zu tun. Darauf folgt eine Abkühlung der ersten Liebe, Vernachlässigung, vielleicht sogar Verfolgung, worauf nach geduldigem Ausharren ein neuer Anfang gemacht wird. Nun wächst die gegenseitige Liebe und das Vertrauen; es folgt ein allmähliches Sichauftun der Türen, ein Verschwinden des Aberglaubens und zuletzt die Annahme der süßen Freudenbotschaft vom Heiland der Menschen,"

Ganz so ist es gekommen, nur dass es den englischen Missionaren nicht beschieden war, den letzten Teil dieser Prophezeiung selbst zu erleben.

Als der Bischof weiter zog und bald darauf auch Missionar Wray wieder aus dem Lande ging, blieb Fitch allein auf dem weit vorgeschobenen Posten. Er hat sich drei Jahre lang mit rührender Geduld bemüht, dem Herzen des Häuptlings und seines Volkes näher zu kommen. Allein vergeblich. Es zeigte sich, dass der freundliche Empfang von seiten Mandaras nicht den Missionaren, sondern nur den Europäern und ihren begehrenswerten Schätzen gegolten hatte. Die Wadschagga wünschten wohl allerlei englische Handelsartikel, aber nicht das Christentum, Wie hat der habgierige Häuptling samt seinen bettelhaften Untertanen in diesen Jahren dem einsamen Missionar das Leben sauer gemacht! Wenn dieser die Wünsche des launenhaften Herrschers einmal nicht erfüllte, musste er sich jedes Mal auf eine Zwangsmaßregel gefasst machen. So hatte sich Mandara z. B. einmal eine Bettstelle ausbedungen, wie Fitch sie im Gebrauch hatte. Natürlich musste sie aus England verschrieben werden. Das dauerte aber länger, als der Häuptling erwartet hatte. Er argwöhnte, der Missionar wolle sie ihm nicht verschaffen, und verbot aus Rache den Moschileuten, Nahrungsmittel zum Verkauf auf die Station zu bringen; auch wurde der Bach, der das Missionshaus mit Wasser versorgte, oben in den Beigen abgedämmt. Dergleichen Quälereien nahmen kein Ende, sie wirkten wie immer wiederkehrende Nadelstiche auf das Herz des frommen Mannes.

Zur geistlichen Tätigkeit kam Fitch in den ersten drei Jahren noch gar nicht. Mandara hatte zwar versprochen, er könne sein Volk unterrichten, soviel er wollte. Als aber damit begonnen werden sollte, gab es immer neue Hindernisse. Das eine Mal führte der Häuptling gerade Krieg gegen seinen Feind Mareale von Marangu; dann ging er an den Bau eines neuen Hauses, wobei alle Untertanen helfen mussten. Zum dritten Male trat ein großes Fest dazwischen, bei dem unermessliche Mengen Bier vertilgt wurden und alles Volk betrunken war. Als es keine andern Ausflüchte mehr gab, lehnte Mandara den Unterricht mit der Begründung ab, sein Volk wäre viel zu stumpfsinnig für die neue Lehre, die Gedanken der Leute wären nur auf Kaliko (Stoff zu Kleidern) gerichtet. In Wirklichkeit fehlte es bei ihm selbst am guten Willen. Er wünschte den Unterricht nicht, weil er fürchtete, der Missionar könnte ihm dadurch sein Volk abspenstig machen.

So floss ein Jahr nach dem andern erfolglos dahin. Wie schwer diese Zeit für den von Monat zu Monat vertrösteten Mann gewesen ist, kann nur der nachempfinden, der einmal in ähnlicher Lage war. Man bedenke ferner die einsame Stellung, weit weg von allem europäischen Verkehr, losgelöst von jeder christlichen Gemeinschaft. Die Missionsleitung hatte endlich Erbarmen und rief ihn von seinem Vorposten ab. An seiner Stelle kamen mehrere neue Glaubensboten, die mit frischen Kräften ans Werk gingen. Einer von ihnen war Steggall, dessen Name in der folgenden Zeit am bekanntesten geworden ist.

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1890

Vom Jahre 1890 an wurden die Aussichten etwas günstiger. Unter den neuen Ankömmlingen befand sich ein Missionsarzt, der sich ganz den Kranken und Verwundeten widmete. Infolge der häufigen Kriegszüge Mandaras war an solchen kein Mangel. Diese Samariterdienste bewirkten offenbar ein Umschlagen der Stimmung zu Gunsten der Mission. Die Glaubensboten bemerkten, dass die Jugend von Moschi ihnen zugetan war, aus Furcht vor dem Häuptling aber nicht zum Unterricht zu kommen wagte. Da griff Steggall zu einer kleinen List. Er verhängte eines Tages sorgfältig die Fenster des Missionshauses und gab zwei kleinen Knaben, die er bei sich hatte, eine Lesestunde. Das half. In der nächsten Woche war sein Bett, seine Stühle, seine Kisten - alles mit braunen Knaben besetzt, die lesen und schreiben lernen wollten. Von nun an war die Schule gesichert. Man bemerkte zwar einige Male von Mandara gesandte Spione am Missionshause, aber es erfolgte kein Verbot. Eine Weile wurde noch im Flüsterton unterrichtet, dann trat der Missionar mit seiner neuen Tätigkeit offen hervor. Das führte zu regelmäßigem Schulunterricht und vermehrtem Besuch. Selbst die Hütejungen des Häuptlings stellten sich in ihrer freien Zeit ein. Sobald Steggall der Landessprache genügend mächtig war, begann er auch Sonntagsgottesdienste zu halten. Im Herbst 1891 wohnten ihnen ungefähr 40 Erwachsene und 50 Kinder bei, im Unterricht aber standen durchschnittlich 21 Schüler.

So weit war die Entwickelung der jungen Dschaggamission gediehen, als der mit der Leitung der kirchlichen Mission in Ostafrika betraute Bischof Tucker bei Beginn des Jahres 1892 Moschi besuchte. Er brachte über eine Woche hier zu und freute sich mit den Missionaren, dass endlich das Eis gebrochen war. Mandara lebte nicht mehr. Er war als harter Heide gestorben, nachdem er zuletzt die Mission weder begünstigt noch gehindert hatte. Sein Sohn Meli nahm ungefähr dieselbe Stellung ein. Er empfing den Bischof und ließ sich auch von ihm eine Rede zur Empfehlung des Christentums halten, seine Antwort bewies aber, dass er sich zunächst mehr für politische Dinge interessierte, als für Glaubensfragen. Im Volke stand es anders. Das zeigte sich bei der Feier am Sonntag, der Tucker beiwohnte. Nachdem die Missionsleute am Morgen für sich einen englischen Abendmahlsgottesdienst gehalten hatten, rief das Glöckchen der Station die Eingeborenen in das schlichte, mit Gras gedeckte Holzkirchlein, das neben dem Missionshaus stand, Sämtliche Schüler und auch mehrere Erwachsene aus der Nachbarschaft stellten sich ein. Die Lieder, welche gesungen wurden, hatte Steggall ins Kidschagga übersetzt, auch bei den Schriftvorlesungen konnte er die Landessprache gebrauchen. Er hatte schon eine Übersetzung des Matthäus-Evangeliums begonnen; freilich ein noch recht unvollkommener Versuch, die Bibel zu den Eingeborenen reden zu lassen. Die Predigt ließ sich an diesem Tage der Bischof nicht nehmen. Natürlich musste seine Rede den Moschileuten durch einen der Missionare gedolmetscht werden. Am Nachmittag gab es noch einen Gottesdienst in Kisuaheli für die Träger, die das Gepäck des Bischofs von der Küste her getragen hatten; unter ihnen waren viele Christen. An ein und demselben Tage wurden also im heidnischen Moschi christliche Gottesdienste in drei verschiedenen Sprachen gehalten.

Die folgenden Tage benutzte Tucker zum Besuch der Nachbarländer, um eine spätere Erweiterung der Mission von Moschi in die andern Dschaggastaaten vorzubereiten, darunter auch Marangu, das später so bekannt wurde. Der letzte Sonntag aber sollte noch ein besonders denkwürdiger Tag für die Mission in Moschi werden. Da fand die erste Taufe statt. Zwei eingeborne Knaben zeigten sich in der christlichen Erkenntnis so weit gefördert, dass man ihnen das Sakrament spenden konnte. Es war eine erhebende Feier. Ihr erster Teil wurde in der Kapelle gehalten, wo der Bischof noch einmal predigte. Dann zogen die Versammelten an einen Teich, der unmittelbar hinter dem Gotteshause von einem klaren Bergbach gebildet ward. Rings umher standen die Missionare mit ihren Schülern, aus deren Reihen die Täuflinge hervorgegangen waren; dazu viele Leute aus der Umgebung und die Träger von der Küste. Vor ihren Augen stiegen die Knaben in das Wasser und wurden getauft.

So war nun glücklich der Anfang mit einer Christengemeinde am Kilimandscharo gemacht. Der Bischof zog am nächsten Tage wieder nach Mombasa zurück, die beiden Missionare Stegall und Dr. Baxter aber blieben zurück, um ihr stilles Werk unter den Wadschagga weiter zu treiben.

Dieses friedliche Stillleben sollte bald grausam gestört werden. Die rauen Hände der Kolonialpolitiker griffen hinein und bereiteten ihm ein jähes Ende. Wir deutschen Missionsfreunden können nur mit tiefer Beschämung daran denken, denn es waren unsre Landsleute, die Führer der Kolonialbewegung in Deutsch-Ostafrika, welche die junge Glaubenssaat verwüsteten.

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1892

Schon seit der Mitte der achtziger Jahre waren die Augen der deutschen Politiker auf das Land am Kilimandscharo gerichtet. Es wurde von ihnen als eins der schönsten Stücke im ganzen Ostafrika erkannt. Sie warben um die Gunst des Häuptlings Mandara und konnten demselben sogar reiche Geschenke von unserm Kaiser überbringen, nachdem sie eine Gesandtschaft des "Dschaggakönigs" nach Berlin geführt hatten. Die dadurch angebahnte Freundschaft fand ihren Ausdruck in der Errichtung einer deutschen Station nahe bei der Häuptlingsboma von Moschi.

Unter den Männern, die als Vertreter des deutschen Namens dahin kamen, war Freiherr von Eltz, der sich später als Befehlshaber von Langenburg am Nyassa-See einen so guten Namen bei Weißen und Schwarzen gemacht hat. Wäre dieser edeldenkende und gerechte Beamte längere Zeit am Kilimandscharo geblieben, so wäre der Friede wahrscheinlich nie gestört worden. Aber er ward bald von andersgesinnten Leuten abgelöst und diese brachten Unglück über Land und Leute.

Es war die Zeit, wo sich unsre Kolonialpioniere noch mit den Engländern um die Abgrenzung der ostafrikanischen Besitzungen stritten. Das Gebiet am Kilimandscharo schien beiden besonders begehrenswert. Die deutschen Politiker hatten durch ihre Moschistation einen Vorsprung erlangt, aber der Umstand, dass die englischen Missionare schon vor ihnen dagewesen waren, machten sie misstrauisch. Diesen enthielten sich zwar jeder politischen Einmischung, aber trotzdem wurde ihre Verdrängung mit allen erdenklichen Mitteln betrieben.

Der alte Mandara war, wie gesagt, den Deutschen freundlich gesinnt gewesen. Sein Sohn und Nachfolger Meli dagegen verriet wenig Neigung, das gute Verhältnis fortzusetzen. Auch in anderen Teilen des Dschaggalandes gärte es jetzt bedenklich. Die Häuptlinge merkten, dass es mit ihrer Herrlichkeit zu Ende ging. Die immer deutlicher hervortretende Erregung drängte auf eine gewaltsame Entscheidung hin. Die Missionare sahen dadurch ihr mühsam geschaffenes Werk bedroht und gaben sich alle mögliche Mühe, zwischen den Eingebornen und dem Führer der deutschen Schutztruppe, die wegen der gefährdeten Lage von Moschi nach Marangu verlegt worden war, zu vermitteln. Man zeigte sich aber leider auf beiden Seiten nicht zu einem Entgegenkommen geneigt. Die Sache nahm dadurch eine traurige Wendung, dass der junge Befehlshaber von Marangu voreilig gegen Meli und seinen Anhang zu Felde zog. Nicht weit von Moschi, in Sehweite von der Missionsstation trafen die Feinde auf einander. Die kleine Schutztruppe ward von den der Zahl nach weit überlegenen Dschaggakriegern völlig geschlagen. Dabei fielen die beiden Offiziere von Bülow und Wolfrum.

Dass diese Niederlage der deutschen Truppe so bald als möglich ausgewetzt wurde, war notwendig, denn der Sieg machte die Eingebornen maßlos übermütig. Dass aber gleichzeitig mit der Vorbereitung zum entscheidenden Kampfe ein Netz von Lüge und Verleumdung gegen die Missionare in Moschi gewoben wurde, war der deutschen Sache unwürdig. Von einigen gewissenlosen Wortführern in Ostafrika ausgehend erschien in den deutschen Zeitungen eine gehässige Anklage nach der andern. Man behauptete, die englischen Missionare missbrauchten ihre Vertrauensstellung unter den Wadschagga, sie gegen das deutsche Regiment aufzuwiegeln, ja man verstieg sich sogar zu der schändlichen Verdächtigung, sie wären den Eingebornen zur Ausrüstung mit Schießgewehren gegen die Schutztruppe behilflich gewesen.

Selbst die harmlose Tatsache, dass sie bei dem Kampfe, in welchem die beiden Offiziere fielen, untätig vor ihrem Haufe gestanden hatten, wurde von den böswilligen Verleumdern gegen sie ausgenutzt. Was hätten sie denn tun sollen? Etwa dem Volke, zu dessen Belehrung sie gekommen waren, in den Rücken fallen?

So ward in jener aufgeregten Zeit bei uns in Deutschland und unter den Kolonialleuten an der Küste eine Verdächtigung auf die andere gehäuft, von Beweisen war nicht die Rede. Es forderte auch niemand Beweise, denn unsre Kolonialkreise gefielen sich damals gerade im blinden Hass gegen alles, was den englischen Namen trug. Die öffentliche Meinung war umso leichter irre zu führen, weil man in der Heimat nicht wusste, wie sehr sich in der vorhergehenden Zeit ein Vertreter des deutschen Namens am Kilimandscharo durch sein Verhalten verhasst gemacht hatte. Erst viele Jahre später, als der Prozess gegen Dr. K. Peters verhandelt wurde und so schmutzige Dinge aus Marangu an den Tag brachte, bekam man überall einen Einblick in die traurigen Verhältnisse. In den am meisten interessierten Missionskreisen war man längst davon unterrichtet. Ganz Deutschland hatte sie wissen können, wenn nicht so viele Hände geschäftig gewesen wären, die wahrheitsgetreuen Zeugnisse zu unterdrücken. Ein solches wurde schon im Jahre 1892 durch den sachkundigen Herrn von Eltz abgelegt, der sich von den politischen Leidenschaften nicht mit dazu hineinreißen ließ, das Böse gut und das Gute böse zu heißen. Er gab einen offenen Brief an Dr. Peters in die Zeitungen, in welchem er ihm den Vorwurf machte, er habe die Dschagganeger durch ihnen auferlegte Zwangsarbeiten gegen sich aufgebracht und durch seine Gewaltpolitik bewirkt, dass er und seine Begleiter die Militärstation nicht fünf Minuten weit ohne bewaffnete Begleitung verlassen konnten. Der Brief schloss mit den Worten:

"Vor Gott und den Menschen sind Sie verantwortlich für die Zerstörung blühender Landschaften, verantwortlich für den Tod unsrer Kameraden von Bülow und Wolfrum, unsrer tapfern Soldaten und Hunderter der Wadschagga. Und nun mache ich Ihnen den größten Vorwurf: Nicht die Notwendigkeit zwang Sie zu Ihrem blutigen Vorgehen. Sie brauchten Taten, damit Ihr Name in Europa nicht in Vergessenheit gerate. Sie haben Ihren Zweck erreicht, aber ich beneide Sie um diese Taten nicht, und Deutschland kann sie Ihnen nicht danken."

Das war eine deutliche Stimme, nicht von der englischen Seite, sondern aus den Reihen der Kolonialmänner selbst. Leider wurde sie im Lärm jener Tage ebenso überhört, wie die Erklärungen der deutschen Missionsfreunde, die für ihre verleumdeten Glaubensgenossen eintraten. Wer an der feindseligen Haltung der Wadschllgga schuld war, ist nach diesem Zeugnis völlig klar. Die Verdächtigungen gegen die Missionare wurden offenbar von beteiligter Seite ausgestreut, um die öffentliche Meinung irre zu führen. Man brauchte die Lügen auch, um die unbequemen Männer vom Kilimandscharo zu verdrängen. Leider ist das Ränkespiel gelungen.

Es ist schmerzlich für uns, diese alten bösen Dinge, die dem deutschen Namen keine Ehre machen, wieder aufzurühren, aber es ist nötig, damit endlich die Wahrheit über die damaligen Vorgänge im Dschaggalande bei uns offenkundig werde. Die betroffene Missionsgesellschaft hat im Bewusstsein der Unschuld ihrer Boten alle darauf bezüglichen Berichte, Briefe und amtlichen Verhandlungen veröffentlicht; trotzdem kann man in einzelnen Schriften über unsre junge Kolonialgeschichte immer noch die alten Unwahrheiten lesen. Umso mehr haben wir die Pflicht, den so schwer beleidigten Männern wieder zu ihrem makellosen Namen zu verhelfen.

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Taweta

Leider war zu jener Zeit - die Vorgänge spielten sich im Jahre 1892 ab - auch unsere ostafrikanische Kolonialverwaltung so gegen die englischen Missionare eingenommen, dass ein Fortbestehen der Station in Moschi unmöglich war. Als die Missionare sich im Gefühl ihrer Unschuld weigerten, das Dschaggaland zu verlassen, fand ein lebhafter Depeschenwechsel zwischen dem deutschen Gouverneur in Dar-es-Salaam und dem englischen Generalkonsul in Sansibar statt. Es ward ein immer stärkerer Druck auf den Bischof Tucker ausgeübt, seine Missionare von Moschi abzurufen. Dieser gab erst nach, als der deutsche Gouverneur erklärte, dass nur auf diese Weise ein weiteres Blutvergießen am Kilimandscharo verhütet werden könnte. Um das Land, dem seine Liebe und Arbeit gewidmet war, vor weiteren Zwistigkeiten zu bewahren, verließ Steggall als letzter im September 1892 das Missionshaus in Moschi; mit ihm die wenigen Christen und einige noch ungetaufte Schüler, die ihm anhingen. Sein nächster Zufluchtsort war das hart an der Grenze auf englischem Gebiet liegende Taweta, etwa zwei Tagereisen von Moschi entfernt. Bisher hatte an diesem Orte nur eine kleine Zweigniederlassung der Dschaggamission bestanden. Nun ward eine Hauptstation daraus, die seitdem sichtlich aufgeblüht ist. Die Hoffnung des abziehenden Missionars, dass er durch das Opfer, welches er brachte, die Wadschagga vor weiterem Blutvergießen bewahren könnte, erfüllte sich leider nicht. Im folgenden Jahre erschien der deutsche Gouverneur mit einer starken Abteilung der Schutztruppe am Kilimandscharo, um den Tod der beiden gefallenen Offiziere zu rächen. Das Kriegswetter hauste furchtbar in Moschi und seinen Nachbarländern. In den dadurch entstandenen Wirren wurde das verlassene Missionsgehöft völlig zerstört.

So hat bis 1892 in Moschi eine jener christlichen Niederlassungen gestanden, die eben anfingen, durch fröhliches Gedeihen der ersten Früchte ihren Pflegern Freude zu machen, als der verheerende Sturm über sie hereinbrach. Die mit großen Mühen und Opfern verbundene Arbeit war scheinbar vergebens getan, aber auch nur scheinbar. Die von den englischen Missionaren erbauten Häuser verschwanden zwar vom Erdboden, aber die unsichtbaren Erfolge ihrer Pionierarbeit, auf welche es die Glaubensboten doch in erster Linie abgesehen haben, konnten nicht so leicht vernichtet werden. Sie sind ihren Nachfolgern zu Gute gekommen, die sich auf dem verwüsteten Arbeitsfelde einstellten, sobald das Unwetter verzogen war.

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2. Der Eintritt der Leipziger Mission

Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte wieder bringen und das Verwundete verbinden.
Ezech.. 34, 16.

Es war an einem der letzten Septembertage im Jahre 1893, als eine lange Karawane durch die fahle Steppe im Süden des Kilimandscharo dahinzog. Der Führer an der Spitze hatte einen weiten Vorsprung vor den letzten saumseligen Trägern am Ende des Zuges, obwohl diese beständig zur Eile angetrieben wurden. Da fruchtete kein Zureden. Die einen waren offenbar faul; schon beim Abmarsch von Taweta, der letzten Raststation, hatten sie sich verspätet, jedenfalls absichtlich. Die andern waren lahm. Ihre nackten Füße hatten im Dorngestrüpp am Wege oder an spitzen Steinen Schaden gelitten. So mussten die weißen Begleiter der Karawane schon zufrieden sein, wenn ihr ganzes Volk beisammen blieb oder sich doch an den Lagerplätzen wieder herzu fand. Alles in allem waren es gegen 200 Mann, die meisten davon Suahelineger aus den Küstenstädten, die sich als Träger hatten dingen lassen. An der Spitze und am Ende des langen Zuges marschierten mehrere Europäer.

Das war die Expedition der evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft zu Leipzig, die das von den englischen Missionaren verlassene Dschaggaland besetzen wollte. Sie schickte gleich eine größere Anzahl junger Missionare vor: Althaus, Müller, Faßmann und Böhme waren dazu bestimmt, die unterbrochene Predigt des Evangeliums fortzusetzen. Der fünfte Weiße, den man in der Karawane bemerkte, war der aus dem indischen Missionsdienst herüber gerufene Missionar Päsler. Er sollte nur eine Zeit lang den jungen Brüdern beratend zur Seite stehen, dann aber wieder auf sein liebgewordenes Arbeitsfeld im Lande der Tamulen zurückkehren.

Drei Wochen dauerte bereits ihre Reise auf dem afrikanischen Festlande. Sie hatten das im englischen Gebiet liegende Mombasa als Ausgangspunkt ihres Marsches gewählt, weil in dessen Nähe schon einige Stationen der Leipziger Mission lagen. Nach kurzem Aufenthalt daselbst hatten sie dem Weltverkehr, und den Bequemlichkeiten der Zivilisation Lebewohl gesagt. Bald waren sie in die echte afrikanische Wildnis gekommen. Die Ugandabahn, mit der man heutigen Tages die öde Strecke im Süden des englischen Gebiets leicht und schnell zurücklegt, war damals noch nicht gebaut. Sie mussten also alle Mühseligkeiten des afrikanischen Karawanenlebens durchkosten. Da gab es Tagemärsche, auf denen die Reisenden nichts als die braune, kümmerliche Steppe zu sehen bekamen, wo kein Tropfen Wasser zu finden war, so dass sie mit ihren Begleitern aus alten unsauberen Petroleumgefäßen trinken mussten, die man vorsichtiger Weise an den letzten trüben Wasserlöchern gefüllt hatte. Dann führte der Pfad zur Abwechselung wieder einmal durch ein wildes Gebirge, dessen Anblick sicher nicht ohne Reiz gewesen wäre, wenn sie sich seiner von einer guten Landstraße aus hätten erfreuen können. Aber hier verlor sich der Weg zwischen den kahlen Felsen zeitweilig ganz, und die nicht überbrückten Gewässer dienten auch nicht gerade zur Erleichterung der Reise.

Nur einmal fanden sie eine Oase auf dem Marsche. Das war, als sie kurz vor der Überschreitung der deutsch-englischen Grenze die Missionsstation Taweta berührten. Da gab es nicht nur kühlen Schatten und reichliche Nahrung für ihr zahlreiches Volk; noch wertvoller war für die Brüder das Zusammensein mit dem hier wohnenden englischen Missionar, der ihnen wertvolle Winke für den Beginn ihrer Tätigkeit im Dschaggalande geben konnte. Sie hatten sein gastliches Haus erst am Tage zuvor verlassen und waren nun im Begriff, den Ort aufzusuchen, an welchem der erste Missionsversuch unter den Dschagganegern einen so traurigen Abschluss gefunden hatte. Nach den Mühseligkeiten der Reise begrüßten sie das Näherkommen des Kilimandscharo mit seinen grünen Vorbergen und dem weithin leuchtenden Schneegipfel aufs freudigste.

Der Karawane war ein ganz bestimmtes Ziel gesteckt, das ehemalige Missionsgrundstück in Moschi. Die zwischen Leipzig und London gepflogenen Verhandlungen hatten dahin geführt, dass die englische Missionsgesellschaft ihre Rechte an den einst von ihr bebauten Grund und Boden der Leipziger Mission abtrat. Als daher die Reisenden genau im Süden der beiden Berggipfel angekommen waren, schlug der Führer einen Seitenweg ein, der direkt ins Gebirge hinauf führte und bald konnten ihre Zelte an der Stelle des ehemaligen Missionshauses aufgeschlagen werden. Sie hatten die Weisung, sich hier womöglich niederzulassen, wenn nicht triftige Gründe dagegen sprächen. Es war ja auch das natürlichste, auf dem Grunde weiter zu bauen, den die englischen Glaubensboten gelegt hatten.

Es kam aber anders. Als sie unmittelbar nach ihrer Ankunft einen Besuch auf der deutschen Militärstation in Moschi machten, sahen sie, dass jetzt alle im Lande vorhandenen Arbeitskräfte zu deren weiterem Ausbau nötig waren. Der vom Gouverneur am Kilimandscharo zurückgelassene Hauptmann Johannes, dem die weitere Sicherung und Verwaltung des Dschaggalandes übertragen war, baute sich mit Hilfe der Eingeborenen gerade eine kleine Festung nahe bei den Hütten des besiegten Meli. Da hätte es schwer gehalten, die zum Bau einer Missionsstation nötigen Arbeitsleute zu bekommen. Es zeigte sich auch, dass die Bevölkerung von Moschi durch die vorhergegangenen Kriegs-unruhen noch zu sehr aufgeregt war. Die Missionare liefen Gefahr, von den Eingebornen verkannt und mit den deutschen Beamten verwechselt zu werden. Daher beschlossen sie, die Besetzung von Moschi vorläufig aufzuschieben und ihre erste Station an den westlichen Abhängen des Gebirges anzulegen, die von den Kämpfen der letzten Jahre unberührt geblieben waren. Schon in der Heimat hatte man neben Moschi auch an Madschame, eine der volkreichsten Landschaften im Westen gedacht. So wurde also nach kurzem Verweilen an der alten Heimstätte von Fitch und Steggall die Losung ausgegeben: Nach Madschame!

Die Ausführung dieses Entschlusses stieß freilich auf unerwartete Schwierigkeiten, Sobald die Träger hörten, dass sie noch weiter mitziehen sollten, verweigerten sie den Gehorsam, und als das nichts half, liefen sie in der Nacht größtenteils weg, unbekümmert darum, dass sie noch einen Teil ihrer Bezahlung zu bekommen hatten. Was trieb sie denn davon? Jedenfalls war es die Furcht vor dem Zuge in den unbekannten Westen. Über Moschi hinaus kamen die Küstenleute in der Regel nicht, wohl aber wussten sie, dass aus den westlich gelegenen Gegenden immer neue Züge von Sklaven kamen, welche die arabischen Händler entweder selbst raubten oder von den Häuptlingen als Bezahlung erhielten. Manche mögen sich auch nur vor der ungewohnten Kletterei durch die Bergschluchten des Dschaggalandes gescheut haben. Kurz, mehr als die Hälfte der Karawanenleute war verschwunden, und die Missionare gerieten in Verlegenheit, was sie mit ihren vielen Gepäckstücken anfangen sollten. Da legte sich der gefällige Hauptmann Johannes ins Mittel und nahm die zurückbleibenden Lasten einstweilen in Verwahrung, Die um die Hälfte verkleinerte Karawane aber machte sich nun noch einmal auf den Weg.

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Madschame

Es waren noch einige Tagereisen bis nach Madschame, denn wegen der Uneinigkeit der Dschaggastämme war zu jener Zeit nicht an ein Durchschreiten der zwischenliegenden Gebiete in gerader Linie zu denken. So blieb den Reisenden nichts anderes übrig, als erst wieder, in die Steppe hinabzusteigen und im weiten Bogen vom Westen her nach Madschame hinaufzuziehen. Sie mussten also noch einmal alle Beschwerden des afrikanischen Wanderlebens durchkosten, sich einen Weg durch das Dorngebüsch am Steppenrand bahnen, reißende Bergströme, wie den Weri-Weri, durchwaten und dergleichen mehr.

Am 3. Oktober langten sie endlich im untern Teile von Madschame an. Es war eine feierliche Stunde für die Brüder, als sie die Grenze des Landes überschritten, in dem sie endgültig zu bleiben gedachten. Aus rotem und weißem Stoff ward eine Kreuzfahne hergestellt, die sie in den Boden pflanzten. Im Namen dessen, der am Kreuz für uns gestorben, ließen sie sich nieder. Die Leute von Madschame, die dem Einzuge der Fremden staunend zusahen, werden zwar das Zeichen noch nicht verstanden haben, aber so viel ward ihnen doch vom ersten Tage an klar, dass das Kreuz und die weißen Männer zusammengehörten.

Kaum war das Lager aufgeschlagen, als der Häuptling Schangali, der jugendliche Herrscher des Landes, einen Boten sandte und die Fremden auffordern ließ, doch noch ein Stück weiter hinauf zu kommen, mehr in die Nähe seiner Hütten. Das war eine willkommene Botschaft. Sie folgten der freundlichen Aufforderung, und so ward Ober-Madschame schließlich das Endziel ihrer Reise.

Schangali und seine Leute gaben sich alle erdenkliche Mühe, ihnen den Einzug zu erleichtern. Ein schöngelegener Hügel, von dem aus man auf der einen Seite einen prächtigen Ausblick auf den schneebedeckten Kibogipfel, auf der andern die Fernsicht über die Steppe, hat, ward ihnen zur Ansiedelung bewilligt und alsbald in Gegenwart des Hauptmann Johannes, der den Missionaren nachgezogen war, in aller rechtlichen Form abgetreten. Über einen solchen Empfang in der afrikanischen Wildnis konnten sich die Glaubensboten nur von Herzen freuen. Als der Tag sich neigte und der kalte Bergwind durch die Kronen der alten Bäume auf dem Missionshügel fuhr, saßen die Brüder noch einige Zeit im engen Zelt bei einander und dankten dem Herrn, der alles so herrlich regieret.

Die hohe Lage des zur Ansiedelung gewählten Ortes nötigte sie, mit der Herstellung eines festen Wohnhauses zu eilen. Ihre luftigen Zelte schützten nur ungenügend gegen die Unbilden der Witterung. Wenn auch das Dschaggaland fast unter dem Äquator liegt, hat doch Obermadschame ein recht kühles Gebirgsklima. Sobald die Zeit der Gewitterstürme und Regengüsse kommt, stellt sich bei den Europäern meist die Sehnsucht nach einem warmen Ofen ein. Ja, einer von ihnen, Missionar Böhme, erkrankte schon in den ersten Monaten so bedenklich, dass er nach Hause zurückkehren musste. Nun hätten die freundlichen Leute von Madschame gewiss gern einige ihrer Hütten geräumt oder auf dem Missionshügel schnell ein paar neue gebaut. Aber diese dumpfigen, finstern Wohnstätten der Eingebornen sind für die Europäer ganz unbrauchbar. Kein Fenster erhellt den Innenraum; das aus einer dicken Lage von Bananenblättern oder aus Steppengras hergestellte Dach ist oben fast luftdicht verschlossen, so dass der Rauch des Herdfeuers keinen andern Ausweg findet, als durch das niedrige Schlupfloch, das als Eingangstür dient. Die Missionare mussten also sofort an die Erbauung eines Hauses gehen, das ihren Bedürfnissen entsprach. Vorsorglicher Weise hatten sie sich vor ihrer Abreise aus der Heimat in verschiedenen Handwerkstätten umgesehen, und der eine diese, der andere jene Fertigkeit erlernt. So fanden sie sich bald in die Aufgabe, ihr eigener Baumeister, Zimmermann und Tischler zu sein. Die Eingebornen waren ihnen übrigens in mancherlei Weise behilflich. Auf Befehl des Häuptlings brachten sie Holz, Bananenblätter und anderes Baumaterial herbei. Es ging dabei oft sehr polepole, d. h. langsam zu, zumal als es galt, dickere Baumstämme herbeizuholen. Die Missionare begriffen erst gar nicht, warum ihre Holzlieferanten zuweilen tagelang ausblieben und dann doch nur einen einzigen mäßig starken Stamm brachten. Einer von ihnen begleitete sie daher einmal. Aber wie staunte er, als er bemerkte, dass das Holz stundenweit aus dem Urwald herbeigeschleppt werden musste. Ja, wenn der Weg dahin wenigstens noch eben gewesen wäre! Aber es lagen tiefeingeschnittene Täler dazwischen. Da mussten die Träger den Stamm an einen Abhang hinuntergleiten lassen und auf der andern Seite mit großer Anstrengung wieder in die Höhe schaffen. Nun verstanden die Baumeister erst, warum ihre Gehilfen immer so spät kamen und jedes Mal ein großes Freudengeschrei ausstießen, wenn sie wieder einen Balken hingeworfen hatten.

Ihren vereinten Bemühungen gelang es noch vor Ausbruch der ersten Regenzeit ein trockenes Obdach herzustellen. Das Wohnhaus - 14m lang, 5 in breit und am Giebel 7 m hoch - hatte zwar nach deutschen Begriffen nur das Aussehen einer alten Strohscheune, in den Augen der Dschagganeger aber war es ein Palast. Auch die Missionare waren hocherfreut, als sie einziehen konnten. Es hatte innen drei Zimmer aufzuweisen und rings herum eine breite Veranda. Deren tief herabhängendes Dach nahm zwar den ohnehin nicht großen und luftigen Wohnräumen viel Licht weg, dafür bildete es aber einen guten Wetterschutz, der umso wertvoller war, als es noch keine Fensterscheiben in dieser abgelegenen Gegend gab.

Neben der Bauarbeit ging das Sprachstudium her. Man hatte anfangs gehofft, in den Vorarbeiten der englischen Missionare ein wertvolles Hilfsmittel zu haben. Diese hatten sich eine ziemlich reichhaltige Wörtersammlung angelegt und auch eine Evangelien-Übersetzung versucht. Als die Ankömmlinge aber in Madschame davon Gebrauch machen wollten, wurden sie nicht verstanden. Sie dachten erst, ihre Vorgänger hätten so mangelhafte Aufzeichnungen gemacht. Nach einiger Zeit stellte sich jedoch heraus, dass in Madschame und Moschi trotz der geringen Entfernung und der Stammverwandtschaft der Bevölkerung zwei ziemlich weit von einander abweichende Mundarten des Kidschagga geredet werden; in den östlichen Landschaften entdeckten sie später sogar noch einen dritten Dialekt.

Es galt also in Madschame mit den Spracharbeiten fast von vorn anzufangen, den Eingebornen die seltsam klingenden Worte von den Lippen abzulauschen, die gerade bei den Wadschagga sehr verschiedene Betonung einzuüben, um nach viel komischen und peinlichen Missverständnissen endlich soweit zu kommen, dass die Leute verstanden, was der weiße Mann ihnen sagen wollte. Natürlich war noch ein weiter Weg von diesen ersten unbeholfenen Sprachversuchen bis zum freien Predigen in Kidschagga. Aber auch in dieser Hinsicht führte die Beharrlichkeit zum Ziel.

Ein Vorteil war übrigens auch dabei, dass die Missionare erst eine Zeit lang mit geschlossenem Munde unter den Negern stehen mussten. Sie lernten das Volk, seine Lebensart, Sitten und Anschauungen gründlicher kennen und wussten sie dann mit ihrer Rede an dem Punkte zu fassen, wo sie zugänglich sind.

Wenn sie ausgingen, um Sprachstudien zu machen, besuchten sie gern ihre Nachbarn. Dabei bemerkten sie, dass die Wadschagga keine geschlossenen Dörfer oder auch nur Hüttenreihen haben. Die Familien wohnen in einzelnen Gehöften, die nicht nur weit von einander liegen, sondern auch möglichst versteckt sind. Die vielen Überfälle und Raubzüge früherer Zeiten mögen daran schuld sein. Infolgedessen hielt es schwer, die Eingeborenen in größerer Zahl zu versammeln.

Noch viel hinderlicher waren die eigentlichen Auswüchse des Heidentums, die oben schon erwähnt wurden. Was die Missionare auf ihren Wanderungen durch die Landschaft in dieser Hinsicht beobachteten, diente später bei der Verkündigung des Evangeliums vielfach als Beweismittel dafür, dass auch die Wadschagga den Heiland brauchen. Noch bevor sie jedoch mit ihrer frohen Botschaft das eigentliche Dschaggavolk erreichten, fanden sie mannigfache geistliche Arbeit unter dem buntgemischten Völkchen, das sich auf ihrer Station zusammengefunden hatte. Da waren einige Suahelineger von der Küste, die als Lastträger mitgekommen und als Tagelöhner für die erste Zeit dageblieben waren. Ferner wohnten bei ihnen mehrere indische Handwerker, hauptsächlich Maurer. Weil diese in Afrika fo schwer aufzutreiben sind, hatte man auf dem alten Arbeitsfelde der Leipziger Mission in Indien einige der wanderlustigen Tamulenchristen gewonnen, beim Bau der Wohnhäuser auf den ersten Stationen am Kilimandscharo zu helfen. Zu diesen Arbeitsleuten kamen noch eine Anzahl Knaben, die sich ganz den Missionaren anschlossen. Einige von ihnen stammten aus dem Dschaggavolke, andere hatten Massaiblut in ihren Adern. Letztere waren halbverhungert auf die Station gekommen und aus Gnade und Barmherzigkeit aufgenommen worden. Für die Kost, die sie empfingen, hüteten sie das Weidevieh der Missionare oder halfen bei der Urbarmachung des Landes, Mit diesen Stationsbewohnern wurden die ersten Gottesdienste in Madschame gehalten. Als Andachtsstätte diente ein leichtgebauter Schuppen, der aber kaum vor den Unbilden der Witterung schützte. Es geht eben sehr bescheiden auf solchen Vorposten der Kirche unter den Heiden zu. Erst später, als der Häuptling Schangali und sein Volk sich regelmäßig bei den Predigten auf der Station einstellte, wurde ein besseres Versammlungshaus gebaut.

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Mamba

Ehe es aber zu einer solchen Erweiterung in Madschame kam, entstanden einige weitere Niederlassungen in anderen Gegenden des Dschaggalandes. Zuerst Mamba im Osten, dann Moschi. Die Leipziger Mission sah sich durch die in ihrer Nachbarschaft wohnenden römischen Sendboten genötigt, sobald als möglich mehrere feste Punkte zu besetzen. Die Katholiken hatten sich zu jener Zeit am Kilimandscharo eingefunden, als die deutsche Kolonialpolitik anfing, den englischen Missionaren Schwierigkeiten zu bereiten. Kilema ward ihre erste Station. Bei den Kämpfen gegen die Eingeborenen stellten sie sich ganz auf die Seite der Europäer, wie das die Römischen auch sonst gern tun. Als sie sich in ihrem Missionshause zeitweilig nicht ganz sicher fühlten, zogen sie sogar in die deutsche Militärstation. Sie rechneten wohl darauf, dass ihnen das Erbe der vertriebenen evangelischen Missionare zufallen würde uud zogen sogleich Verstärkung herbei, als Meli und sein Anhang besiegt war. Neben Kilema ward das starkbevölkerte Kiboso, zwischen Moschi und Madschame gelegen, von ihnen besetzt. Um ihnen nun nicht die ganze östliche Hälfte des Dschaggalandes überlassen zu müssen, beschlossen die Missionare von Madschame, die Landschaften im Osten zu besehen und dort Eingang zu suchen. Einige von ihnen unternahmen auch eine Untersuchungsreise in das jenseits der Steppe liegende Uguenogebirge am Dschipesee, wo ein den Wadschagga verwandtes Volk wohnt. Als Ertrag dieser Reisen und der mit den Häuptlingen gepflogenen Verhandlungen ist die im Juli 1894 geschehene Errichtung ihrer zweiten Station in Mamba anzusehen. Diese nicht allzu fern vom Militärposten Marangu liegende Landschaft war von den politischen Ereignissen fast gar nicht berührt worden. Da die ziemlich dicht wohnende Bevölkerung sich beim ersten Besuch sehr entgegenkommend zeigte, gingen die Missionare freudig an die Besetzung des hoffnungsvollen Arbeitsfeldes. Ihre Erwartungen wurden nicht getäuscht. Nachdem Missionar Päsler noch die Verhandlungen mit dem Häuptling Koimbere und dessen Vater Mlavi geführt hatte, darauf aber nach Indien zurückgekehrt war, leitete Althaus die Einrichtung der Station, Da gab es wieder ein tüchtiges Stück Arbeit. Der gewählte Platz hatte zwar eine herrliche Lage nahe an der Grenze zwischen Mamba und Marangu, befand sich aber zunächst in einem vollständig wüsten Zustande. Er war mit übermannshohem, undurchdringlichem Gebüsch und Gestrüpp bedeckt, das von einzelnen mächtigen Mimosen überragt wurde. Der Hügel, auf dem das Missionshaus erstehen sollte, war überdies, wie erst bei der Säuberung des Bodens bemerkt wurde, sehr steinig. Da musste der Missionar zunächst viele Tage lang Bäume fällen, Dornbüsche ausroden, Steine zusammentragen lassen und was dergleichen Pionierarbeiten mehr sind. Glücklicher Weise waren auch hier die Eingebornen hilfsbereit. Eine Kolonne von 150 Mann legte sogleich eine Abzweigung aus ihrem Hauptkanal an und führte so der Station das nötige Wasser zu. Das ist hier im Osten des Gebirges umso wertvoller, weil das Land trockener ist, als in den südlichen oder westlichen Teilen. Auch beim Roden des Platzes halfen die Leute. Es kamen in der Regel 30 - 40 Männer mit ihren Buschmessern, um das hohe Gras und Gestrüpp zu vernichten. Sie setzten sich zwar nach kurzer Arbeit ermüdet hin und verschwanden nach einigen Stunden ganz wieder; aber so lange sie arbeiteten, hauten sie mit solchem Ungestüm darauf los, dass doch jedes Mal ein ziemliches Stück freigelegt ward. Offenbar waren die Mambaleute viel weniger leistungsfähig, als die in Madschame. Es sah geradezu lächerlich aus, wenn sie Bauholz aus dem Walde brachten. Da kam etwa ein Zug von 60 starken Männern, und jeder hatte doch nur eine dünne Stange auf der Schulter. Da zu dem verhältnismäßig kleinen Wohnhaus mindestens ein paar hundert solcher Stangen nötig waren, schritt der Bau nur sehr langsam vorwärts. Endlich aber stand auch hier ein fertiges Missionshaus da, etwa einem Blockhause im Urwalde von Nordamerika oder einer Einsiedelei im deutschen Walde vor tausend Jahren vergleichbar. Bei der Errichtung der Mauern hatten wiederum die tamulischen Arbeitsleute geholfen. Sie litten aber nicht wenig unter dem rauen Klima der hochgelegenen Station. Das regnerische Wetter und die kalten Nächte setzten ihnen empfindlich zu, so dass sie eine Zeit lang geradezu arbeitsunfähig wurden. Aus ihren Reihen gab es auch den ersten Todesfall in der Dschaggamission, Einige der Männer waren verheiratet. Schon bald nach ihrer Ankunft auf dem afrikanischen Boden war die Ehefrau des einen von schwerem Siechtum befallen. Hier in Mamba starb sie. Nicht weit vom Missionshause an einem stillen Platze wurde Marjal, die Tochter des heißen Indiens begraben. Noch ein anderer Fall legte die Erinnerung an das Lied nahe: "Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen." Zwei junge deutsche Gelehrte, Dr. Lent und Dr. Kretzschmar, die als Naturforscher an den Kilimandscharo gekommen waren, wurden in einiger Entfernung von Mamba bei einem Überfall durch die räuberischen Warombo ermordet. Missionar Althaus hatte die schmerzliche Pflicht, drüben auf der Militärstation ihre zerstückelten Leichen beim Begräbnis einzusegnen. Bei solchen Vorkommnissen musste das abgelegene Missionshaus in Mamba ganz besonders in Gottes Hut befohlen werden. Er hat es in der kritischen Anfangszeit gnädig behütet, so dass das Werk der Friedensboten allezeit ungehindert getrieben werden konnte.

Althaus konnte schon im ersten Jahre seines Dortseins mit der eigentlichen Missionsarbeit beginnen. Er sammelte bald eine Anzahl Kostschüler um sich. Die kleine Schar setzte sich auch hier teils aus den Kindern des Landes, teils aus zugelaufenen Massaiknaben zusammen. Ferner schickte Koimbere einen zehn bis zwölfjährigen Knaben zum Unterricht und gleich am nächsten Tage brachte einer seiner Großen seinen eigenen Sohn Marindoii feierlich zur Station. Also konnte der Anfang mit einem regelmäßigen Schulunterricht gemacht werden. Der Tageslauf der Kostschüler wechselte zwischen geistiger und leiblicher Beschäftigung. Der Missionar hielt darauf, dass sie sich täglich im kalten Wasser des Kanals von oben bis unten wuschen, was bisher nicht Brauch bei den Wadschagga gewesen war. Morgens und abends bekamen sie ihre Mahlzeiten und dazwischen lag der Unterricht, worauf die Massaiknaben die Ziegen auf die Weide trieben, während die Dschaggajungen im Hause oder Garten beschäftigt wurden. Der Unterricht erstreckte sich auf biblische Geschichte, Buchstabieren und Singen. Zu letzterem zeigten sie besondere Lust, wie alle Neger.

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Kirche bei Mamba, rechts Glockenturm
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Auch mit der Predigt des Evangeliums wurde bald begonnen. Der Missionar suchte zuerst die Leute bei ihren Hütten auf. Dort setzte er sich auf ein Bündel getrockneter Bananenblätter mitten unter sie und erzählte eine biblische Geschichte. Zum Schluss wurde das Gehörte in Fragen und Antworten wiederholt, worauf der Prediger seine Zuhörer einlud, mit ihm zum Missionshaus zu gehen und dort die Geschichte anzusehen. Er brachte dann eins der biblischen Bilder hervor, die er besaß und zeigte es den staunenden Negern, die sich in Fragen und mehr oder weniger passenden Bemerkungen kaum genug tun konnten.

Sobald auf diese Weise der Boden bereitet war, forderte Althaus die Männer auf, in sein Haus zu kommen. Sie stellten sich auch ein, selbst Koimbere und sein Bruder. Dann saßen etwa 30 Leute dichtgedrängt im Zimmer des Missionars; der Häuptling thronte auf einem Stuhle. Ihn beschäftigte besonders die Frage, wohin die Leute kämen, die gestorben wären, ohne Jesu Wort gehört zu haben. Das war doch ein Zeichen, dass die Neger auch über religiöse Fragen nachdenken.

In der Nachbarschaft von Mamba regte es sich ebenfalls. Die Leute von Mwika, das noch weiter östlich liegt, zeigten einen besonders aufgeschlossenen Sinn, Ihr Häuptling Bararia ging ihnen voran und ward bald ein noch eifriger Schüler des Missionars, als Koimbere. Er erreichte es, dass Althaus jede Woche ein oder zwei Mal in sein Ländchen hinüberkam, um seinem Volke Unterricht zu geben.

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Moschi

Nachdem inzwischen die durch Böhmes und Päslers Abgang gelichtete Reihe der Missionare durch neuen Zuzug aus der Heimat verstärkt war, ging man mit Beginn des Jahres 1896 auch an die Besetzung von Moschi. Als Begründer und Vorsteher dieser Station war Missionar Faßmann ersehen. Derselbe traf im Februar auf der Militärstation Moschi ein, um von hier aus seinen Posten zu beziehen. Es hatte sich bei näherem Zusehen herausgestellt, dass der einst von den englischen Missionaren bebaute Platz nicht günstig lag und auch ziemlich klein war. Da half der allzeit freundliche Hauptmann Johannes und überwies der Mission ein großes in der Nähe gelegenes Grundstück. Von diesem ergriff Faßmann im Verein mit den Neuangekommenen Brüdern Segebrock und von Lany Besitz, indem sie ihre Zelte dort aufschlugen und bewegten Herzens einen Psalm lasen, dabei den Herrn um seinen Segen für ihren Eingang und ihre Arbeit bittend. Dann gingen sie sogleich an den Bau eines Hauses.

Einer der ersten Besucher auf der neuen Station war der Häuptling Meli. Jetzt nicht mehr der ungebärdige, übermütige junge Herrscher, wie ihn die englischen Missionare verlassen hatten. Er war aus dem Waffengange gegen die Deutschen sehr gedemütigt hervorgegangen. Zu den Missionaren stellte er sich ganz freundlich und versprach, wenn sie erst ihr Haus fertig hatten, würde er sich auch zum "Lesen" einfinden. Zum Schluss bat er um etwas Tinte; ein seltener Wunsch bei Errichtung einer Missionsstation. Offenbar war das eine Erinnerung an die Vorarbeiten der englischen Glaubensbrüder. Die Leipziger Mission hat auch sonst noch oft ihre Spuren gefunden.

So war also binnen wenigen Jahren jener der evangelischen Mission am Kilimandscharo zugefügte Schaden wieder ausgebessert, ja an Stelle der einen Station vor dem Kriege standen jetzt drei in verschiedenen Teilen des Dschaggalandes da. Als die erste christliche Niederlassung von Moschi in Trümmer gesunken war, schien es, als ob das den Dschagganegern erschienene Morgenrot sogleich wieder zum Abendrot geworden wäre. Aber die aufgehende Sonne steigt siegreich empor. Wohl können einmal Wolken am östlichen Himmel aufziehen und während einer kurzen Zeit die Morgenröte verdecken. Das Licht bricht sich aber trotzdem Bahn. So ist es mit dem geistlichen Sonnenaufgang am Kilimandscharo auch gegangen. Die willige Aufnahme, die den Leipziger Missionaren in Madschame, Mamba und Moschi zuteil ward, konnte als ein günstiges Vorzeichen der schnellen Fortschritte angesehen werden, die dem Glaubenswerke nun zu teil werden sollten. Was erst wie ein Hindernis der Missionsarbeit aussah, musste unter den Händen dessen, der das Steuer des Kirchenschiffs lenkt, zu ihrer Förderung ausschlagen.

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3. Das Missionsgrab am Meru

Sei getreu bis an den Tod.
Offenb. 2, 10.

Als die ersten Missionare von Leipzig an den Kilimandscharo zogen, schien ihr Weg und ihre Arbeit nicht ohne Gefahr zu sein. Es ward manches Auge feucht, als ihnen bei der Abordnung in der mit Pfingstmaien geschmückten Nikolaikirche die Frage vorgelegt wurde, ob sie

"das Amt eines Missionars der evangelisch-lutherischen Kirche nach ihrem Glauben und Bekenntnis treu und gewissenhaft ausrichten wollten in Lehre und Leben, in Gehorsam gegen göttliche und menschliche Ordnung, in aller Hingebung und, wenn es sein müsste, mit Aufopferung des Lebens."

Man musste bei den letzten Worten ja unwillkürlich an den schon erfolgten Zusammenstoß der Dschagganeger mit der Schutztruppe denken. Und doch gestaltete sich hernach der Einzug der Brüder auf ihrem Arbeitsfelde so friedlich und freundlich, wie wir sahen. Umso zuversichtlicher blickte die Missionsgemeinde in die Zukunft, als zwei Jahre später an derselben Stelle wieder zwei junge Männer knieten, die für Deutsch-Ostafrika bestimmt waren, zwei Söhne der deutschen Ostseeprovinzen und seit Jahren in inniger Freundschaft verbunden, Karl Segebrock und Ewald Ovir. Diesen aber war wider Erwarten ein viel schwereres Los beschieden, als ihren Vorgängern. Bei ihrem frühzeitigen Tode zeigte sich's, dass die afrikanische Mission auch an dieser Stelle schwere Opfer fordert. Das Gelübde, im Missionsdienst auch das Leben zu opfern, wurde gar bald von ihnen eingefordert.

Ende September 1895 langten sie am Kilimandscharo an. Sie fanden hier die früher gekommenen Brüder in voller Tätigkeit und gingen mit jugendlichem Eifer an ihre nächste Aufgabe, sich unter deren Anleitung in die afrikanischen Verhältnisse einzuleben, die Sprache zu erlernen u.s.w. Segebrock gesellte sich zu Missionar Althaus in Mamba, Ovir ging nach Madschame, wo Missionar Müller die Leitung hatte. Beide fanden sich überraschend schnell in das Leben und Treiben auf ihrer Station, ihr gewinnendes Wesen machte sie bald bei den Negern ebenso beliebt, wie bei den Europäern, und mit den Sprachstudien ging es wesentlich schneller, als bei ihren Vorgängern, deren Beobachtungen und Aufzeichnungen ihnen zu Hilfe kamen. Besonders Ovir zeigte eine hervorragende Sprachbegabung. Nach einem Vierteljahr konnte er schon in Kisuaheli predigen und vor Ablauf des ersten Jahres auch in Kidschagga. Er schien ganz der geeignete Mann zu sein, die unvollkommnen Versuche der englischen Missionare, das Wort Gottes in die Sprache der Eingebornen zu übertragen, im Laufe der Jahre durch eine bessre Gabe zu ersetzen. Aber es war ihm nicht beschieden, der Dschagga-Mission diesen wertvollen Dienst zu leisten. Nachdem die beiden Freunde ein Jahr lang unter den Brüdern am Kilimandscharo gelebt hatten, ward ihnen die Aufgabe gestellt, das Panier des Kreuzes noch ein Stück weiter in den dunkeln Erdteil hinein zu tragen.

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1896

Einige Tagereisen westlich vom Kilimandscharo ragt der einsame Kegel des Meruberges aus der Steppe auf. Die Bewohner von Madschame sehen ihn und die an seinem Fuße sich ausbreitende Hügellandschaft an klaren Tagen deutlich liegen. Da das Dschaggaland, wie wir früher sahen, nur von mäßiger Ausdehnung ist und eine spätere Erweiterung der Mission obendrein durch das Vorhandensein der römischen Sendboten beeinträchtigt ward, lag der Gedanke nahe, drüben jenseits der Steppe im abgelegenen Meruländchen die unter den Wadschagga begonnene Arbeit fortzusetzen. Mit einer dort errichteten Station wird zugleich eine Brücke zu den noch weiter westwärts wohnenden Völkern gebaut.

Diese Gedanken nahmen eine greifbarere Gestalt an, als Ovir eines Tages eine Erkundigungsreise an den Meru unternahm und dabei die Entdeckung machte, dass die Leute an diesem Berge mit denen von Madschame nahe verwandt sind. Ihre Sprache weicht nur ganz wenig ab. Auf Grund der Berichte, die darüber nach Leipzig gingen, kam Anfang Oktober 1896 von dort die Anweisung, die beiden Freunde Ovir und Segebrock sollten als Pfadfinder der Mission an den Meru ziehen.

Mit großer Freudigkeit folgten die jungen Männer dem an sie ergangenen Rufe. Madschame war der gegebene Ort für die Abzweigung des neuen Missionsunternehmens. Daher packte Segebrock in Moschi, wo er in den letzten Wochen tätig gewesen war, schnell die nötigsten Sachen zusammen, verabschiedete sich auf der Militärstation und zog in Begleitung seines Stationsvorstehers Faßmann dorthin. Müller und Ovir hatten inzwischen auch ihrerseits alle nötigen Vorbereitungen getroffen.

Mit einer ernsten Feier ward der wichtige Schritt, den die beiden jungen Brüder tun sollten, eingeleitet. Am Morgen des 13. Oktober versammelten sich die Missionare im Schul- und Bethaus von Madschame, das mit Palmenzweigen festlich geschmückt war. Die Abziehenden feierten mit den Zurückbleibenden noch einmal das heilige Abendmahl. So klein auch der Bruderkreis war, hier am Kilimandscharo gab es doch schon eine Andachtsstätte und regelrechte Gottesdienste mit Gesang und Harmoniumbegleitung; drüben am Meru war auf eine erweiterte brüderliche Gemeinschaft und eine gottesdienstliche Stätte noch auf Jahre hinaus nicht zu rechnen.

Auf die denkwürdige Kommunion folgten noch einige Stunden trauten Beisammenseins und brüderlicher Aussprache. Dann hieß es: "Auf zum Meru!" Nun setzte sich die Karawane in Bewegung. Die ausziehenden Brüder wurden von etwa 70 Lastträgern begleitet, größtenteils Leuten von Madschame, welche die nötigen Tauschwaren und die zur Ausstattung der neuen Station erforderlichen Dinge trugen, Müller und Faßmann gaben ihnen noch das Geleit bis hinunter an den Rand der Steppe. Dort verabschiedeten sie sich mit herzlichem Segenswunsch und kehrten auf ihren Posten zurück.

Die Karawane fasste das Ziel ihrer Reise scharf ins Auge und trat die heiße Wanderung durch die Steppe an. Es ist eine trostlose Gegend. Soweit das Auge reicht, nur dürres Gras, und streckenweise nicht einmal dieses. Die Eingeborenen zünden die trockenen Halme zuweilen an, und der ungehindert sich ausbreitende Steppenbrand verwandelt dann die ohnehin fast reizlose Landschaft in eine unheimliche, schwarze Fläche. In der Nähe der spärlichen Flussläufe erblickten die Reisenden zwar viel großes und kleines Wild, sie ließen es aber diesmal ungestört weiden. Ihre Gedanken waren ganz mit der vor ihnen liegenden Aufgabe beschäftigt. Nur des Nachts mussten die Karawanenleute sich mehr um die Bewohner der Wildnis kümmern. Es gibt viele Hyänen, Leoparden und auch Löwen in der Gegend. Um vor ihnen gesichert zu sein, wurde abends eine Dornverzäunung um das Lager gemacht und bis zum Tagesanbruch ein Feuer bei den Schlafstätten unterhalten.

Die zweite Nacht konnte schon auf einem der hügeligen Ausläufer des Meru zugebracht werden. Nun kamen sie ihrem Reiseziel sichtlich näher. Immer deutlicher hob sich die dunkle, pyramidenförmige Gestalt des Berges vom wolkenlosen Himmel ab. In den Mittagsstunden des dritten Tages trafen sie am "Tor" des Meruländchens ein. Darunter ist eine Verzäunung aus Baumstämmen und Dornen zu verstehen, die nur einen ganz engen Durchschlupf hat, so dass die Wanderer einzeln in gebückter Haltung hindurch kriechen mussten. Durch dieses Bollwerk suchen sich die Eingeborenen gegen feindliche Überfälle zu sichern.

Hinter der Verschanzung fängt das schöne, fruchtbare Meruland an, das mit seinen vielen Bächen und Hainen, mit seinen Fruchtfeldern und Grasmatten dem Dschaggalande sehr ähnlich ist. Jetzt eilten auch die Eingeborenen aus ihren versteckt liegenden Hütten herbei, um die Fremden zu mustern. Hätten sie sich der Missionskarawane in den Weg gestellt, so wäre an ein Durchkommen bei der Eingangspforte nicht zu denken gewesen. Sie sind zwar nur mit Pfeil und Bogen, sowie mit langen Lanzen bewaffnet und ihre aus Rindshäuten gefertigten bunten Schilde schützen sie nach unsern Begriffen auch nur sehr unvollkommen. Aber in ihrer Überzahl sind sie doch schon manchem Europäer unbequem geworden; wiederholt mussten heranziehende Karawanen an der Grenze ihres Ländchens umkehren, weil die misstrauischen Eingeborenen nichts mit ihnen zu tun haben wollten.

Unsere Karawane durfte jedoch ungehindert einziehen. Ovir war ja schon einmal bei ihnen gewesen und in ein freundschaftliches Verhältnis zu den angesehenen Männern getreten. Daher hinderte niemand den Marsch bis zu den Hütten des Häuptlings Matunda. Der war zwar etwas wortkarg, aber am üblichen Willkommengruß ließ er es nicht fehlen. Er spendete eine Menge Bananen, Mais und Bier, ja sogar einen Ochsen. Die Gabe war den Missionaren im Hinblick auf ihre vielen hungrigen Träger sehr willkommen. Natürlich erwartete und erhielt er ein Gegengeschenk in Form von allerlei Kleinigkeiten aus dem Vorrat an Tauschwaren.

Am Morgen des nächsten Tages kehrten die meisten der Träger nach Madschame zurück und nahmen einen kurzen Bericht über die glückliche Ankunft an die dortigen Brüder mit. Nur einige Wadschagga, die zu persönlichen Dienstleistungen mitgekommen waren, und mehrere Suaheli-Arbeiter blieben da.

Ovir und Segebrock gingen nun auf die Suche nach einem geeigneten Stationsplatz. Das war keine leichte Aufgabe, denn sie wollten es möglichst vermeiden, das von den Eingeborenen schon bebaute Land in Anspruch zu nehmen. Unter den anderen in Frage kommenden Plätzen konnten sie aber auch nicht den ersten besten auswählen. Einer, der ihnen besonders gefiel, war ein Geisterplatz. Die Meruleute behaupteten, wer dort wohne, müsse sterben, und weigerten sich entschieden, ihn abzutreten. Endlich einigten sie sich mit dem Häuptling wegen eines schönen Grundstückes, das etwa einen Kilometer östlich von seiner Boma lag. Frohen Herzens schlugen sie dort endgültig ihr Reisezelt auf und trafen die Vorbereitungen zum Bau einer Station.

Nach einigen Tagen traf Hauptmann Johannes mit einer kleinen Abteilung der Schutztruppe ein. Er befand sich auf einer kleinen Lustreise und hatte seine junge Frau bei sich. Nur im Vorübergehen wollte er im Meruländchen nach dem Rechten sehen und bei dieser Gelegenheit dem Häuptling Matunda die Unterstützung der Missionare zur Pflicht machen. Die Brüder benutzten seine Anwesenheit, um den bedungenen Kaufpreis für ihr Grundstück auszuzahlen. Im Militärlager überreichten sie dem Häuptling 25 Gora (etwa 625 Meter) Baumwollenstoff. Freudestrahlend zogen die Eingeborenen mit dem umfangreichen Wertobjekt ab, die Missionare aber blieben noch ein Stündchen in der Gesellschaft des freundlichen Offiziers und seiner Gattin. Es kam dabei zur Sprache, dass zwei Wandorobbo von bevorstehenden Unruhen geredet hätten, aber weder die Missionare noch der Hauptmann glaubten an ein solches Gerücht. Gegen Abend verabschiedete man sich; die beiden Brüder begaben sich in ihr Zelt, das kaum zehn Minuten entfernt lag, das Militärlager aber ward in der gewohnten Weise befestigt und bewacht.

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Überfall

Es sollte eine grauenvolle Nacht werden. Als hüben und drüben alles im tiefen Schlafe lag, kam Matunda in das Lager des Hauptmanns geeilt und meldete, dass in seiner Boma ein unbekanntes Weib aus der unsern gelegenen Landschaft Aruscha erschienen sei und ihm mitgeteilt habe, die Aruscha-Krieger beabsichtigten einen Überfall der Europäer. Die böse Nachricht wurde kurz darauf von andern Eingeborenen, die hinzukamen, bestätigt.

Noch ehe das Lager alarmiert werden konnte, wurde es in den naheliegenden Bananenpflanzungen lebendig. Eine große Menge bewaffneter Männer schlich dort umher und flüsterte zusammen. Nach längerer Beratung begab sich der eine Trupp hinüber zum Missionsplatz, wo ein Dschaggamann wach war und kaum Zeit gewann, sich ins nahe Gebüsch zu retten. Die große Menge der Wilden - wie man später erfuhr, Aruscha- und Meru-Leute - zog gegen das Militärlager. Hier war Hauptmann Johannes eben dabei, seine Befehle zu erteilen, als seine schwarzen Wachsoldaten auch schon ein heftiges Schnellfeuer auf die aus den Bananen heranschleichenden Feinde eröffneten. Dadurch wurde der Überfall noch im letzten Augenblick vereitelt. Die Angreifer zogen sich schleunigst zurück, das Gewehrfeuer wurde alsbald eingestellt. Da erscholl plötzlich von drüben, wo die Missionare schliefen, ein wildes Geheul. Dann hörte man deutlich das Zerschlagen von Kisten und Koffern. Es konnte kein Zweifel sein: der Überfall, der vom Militärlager glücklich abgeschlagen war, bei den ahnungslos schlafenden Missionaren war er gelungen. 

Zu seinem Leidwesen konnte der Hauptmann, solange es finster war, nichts tun, weil die Feinde auf allen Seiten bemerkt wurden und einzelne Leute der Schutztruppe, die sich etwa hinüber gewagt hätten, sicherlich unter den Bananen niedergestochen worden wären. Erst im Morgengrauen schlich sich ein Merumann, der schon lange im Dienste der Europäer stand, ans Missionslager und brachte von dort die traurige Kunde, dass beide Missionare ermordet waren. Eiligst ließ der Befehlshaber nun sein Lager abbrechen und zog hinüber. Der Platz, auf dem das Missionszelt gestanden hatte, bot ein Bild schrecklichster Verwüstung. Das Zelt zerrissen und umgestürzt, alle Behältnisse erbrochen und beraubt, inmitten der Trümmer aber lagen die beiden hoffnungsvollen Männer in ihrem Blute, jeder von etwa 30 Speerstichen durchbohrt. Zitternd kroch jetzt Rajabu, der entkommene Arbeiter der Missionare, aus dem Gebüsch hervor, wo er sich bis an die Hüften in die Erde eingegraben hatte, und erzählte, was er gesehen und gehört. Daraus ergab sich, dass Ovir und Segebrock im Schlafe überfallen und sogleich erstochen worden waren. Ovir hatte nur noch Zeit gehabt, zu rufen: "Ich sterbe, aber ich danke euch." Ein schönes Wort aus dem Munde eines sterbenden Glaubensboten, der den Heiden ihre Verblendung nicht anrechnet. Als die Weißen tot waren, hatten die Wilden alle Kisten erbrochen und die Vorräte durchwühlt. Zum Schluss waren auch Weiber gekommen und hatten zugeschaut, wie die Männer das Eigentum der Missionare als Beute fortschleppten.

Während dies alles festgestellt wurde, sah sich Hauptmann Johannes von bewaffneten Scharen in drohender Haltung umgeben. Da er nur eine kleine Zahl zuverlässiger Soldaten bei sich hatte, musste er so schnell als möglich in die Steppe hinaus zu kommen suchen. Das gestern noch für harmlos gehaltene Volk schien plötzlich ganz verwandelt zu sein. Darum wurde in aller Eile ein Grab ausgeworfen, in welchem der Offizier die beiden Missionare mit einem Vaterunser bestattete. Er ließ ein Kreuz darauf setzen, an dem er ein kleines Bild des dornengekrönten Christus befestigte. Nachdem Matunda noch die Anweisung erhalten hatte, die Leichen der mit ermordeten Arbeitsleute aus Madschame in der Nähe des Missionsgrabes zu beerdigen, und das, was vom Eigentum der Missionare noch vorhanden war, in seinem Hause aufzubewahren, brach die Schutztruppe auf und kehrte in Eilmärschen nach Moschi zurück.

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Grab von Karl Segebrock and Gerald Ovir
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Als die entsetzliche Trauerbotschaft die Missionsplätze am Kilimandscharo erreichte, war der Schmerz groß. Die Brüder, die ihre Freunde wenige Tage vorher so zuversichtlich hatten ziehen lassen, konnten sich erst kaum in die schreckliche Tatsache finden. Aber die Berichte der Augenzeugen ließen keinen Zweifel übrig. Die Kostschüler, welche noch vor Kurzem von den Ermordeten unterrichtet worden waren, brachen in laute Klagen aus und auch andere Eingeborene, besonders der gutmütige Häuptling Schangali, bezeugten in wohltuender Weise ihre Teilnahme.

Was die Eingeborenen zu der grausigen Tat bewogen hat, ist bis heute noch nicht ganz aufgeklärt. Wahrscheinlich haben die Leute von Aruscha, die wenige Jahre vorher vom Hauptmann Johannes wegen eines Überfalles gezüchtigt worden waren, sich dafür rächen wollen. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass sie die eigentlichen Anstifter, die Meruleute nur ihre Helfershelfer waren. Sie mochten denken, es wäre ihnen ein Leichtes, die anwesenden Europäer zu vernichten, da diese nur von einer kleinen Abteilung der Schutztruppe begleitet waren.

Hauptmann Johannes hielt kurz darauf ein strenges Strafgericht über die Mörder und ihren Anhang. Aus politischen Rücksichten mochte das unvermeidlich sein; die Missionsleute aber haben den Rachezug weder veranlasst noch mit Genugtuung gesehen. Sie hielten es mit dem Grundsatz, der offenbar auch in den Worten des sterbenden Ovir zum Ausdruck kam: "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!"

Der erste Versuch, das Evangelium am Meruberge zu verkündigen, ist also misslungen. Die Boten sind gefallen. Aber es wird die Zeit kommen, wo andre an ihre Stelle treten. Der Platz, der das Blut der beiden jungen Freunde getrunken hat, ist für die Leipziger Mission ein geweihter Boden. In ihren Kreisen hegt man die Hoffnung, dass sich noch einmal eine Kapelle über jenem Missionsgrabe erheben wird, in der von der sündenvergebenden Liebe des Heilands gepredigt werden soll. Die Missionsleute in Madschame benutzen jede Gelegenheit, sich den Mördern ihrer Brüder wieder zu nähern. Es sind seitdem schon wiederholt angesehene Eingeborene vom Meru auf der Missionsstation zu Gaste gewesen. Hoffentlich ist der Tag nicht mehr fern, wo noch deutlicher, als bisher, der Ruf von ihnen herüber klingt: "Kommt herüber und helft uns." Dann werden die Heiden sehen, was für eine edle Rache die Christen an ihren Feinden nehmen.

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4. Ein Rundgang durch die Dschaggamission

"Ich bin das Licht der Well; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben."
Joh. 8, 12.

Im Dschaggalande beginnt es zu tagen. Der Anbruch einer neuen Zeit ist überall zu spüren. Während früher feindliche Überfälle an der Tagesordnung waren, so dass Leben und Eigentum der Bewohner beständig in Gefahr kamen, erklingen jetzt friedliche Hirtenlieder von einem Weideplatz zum andern. An Stelle der eifersüchtig gehüteten Abgeschlossenheit zwischen den einzelnen Stämmen bahnt sich allmählich ein Verkehr von den westlichen bis in die östlichen Landschaften an. Auch sonst kommen die alten heidnischen Anschauungen nach und nach ins Wanken. Das Hauptverdienst an dieser Verwandlung gebührt den Männern, die als Vertreter des christlichen Namens und als Boten des Evangeliums unter die heidnische Bevölkerung

getreten sind. Die Missionsstationen im Lande können als ebenso viele Lichtpunkte bezeichnet werden, die nach allen Seiten hin ihre Strahlen senden. Mag es auch hier und da noch manche abgelegene Gegend geben, wo das Ansehen der Zauberer und die Macht der heidnischen Sitte ungebrochen dasteht; an den Orten, wo das Leben am stärksten pulsiert, machen sich die christlichen Anschauungen unverkennbar mehr und mehr geltend. Sie dringen immer weiter ins Land. Das bewirken teils die von den Missionaren auf ihren Stationen oder gelegentlich auch auf einer Reise unterwegs gehaltenen Predigten, teils werden sie von einzelnen Eingeborenen, die vorübergehend nach Madschame, Moschi oder Mamba kommen und dann zu ihrer fernen Hütte am Rande des Urwaldes zurückkehren, mit dahin genommen. Wie es gegenwärtig an den Brennpunkten des christlichen Lebens aussieht, wollen wir jetzt auf einem Rundgang durch die Dschaggamission beobachten.

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Madschame

Wir beginnen mit der ältesten Ansiedelung der Leipziger Mission. Die Bauarbeiten sind hier zum Abschluss gekommen. Dr. H. Meyer, der nach seiner letzten Besteigung des Kilimandscharo in dieser Gegend wieder die bewohnte Landschaft betrat, schildert das Missionshaus und seine Umgebung als eine rechte Kulturoase, wo man sich schnell heimisch fühle. Das geräumige Wohnhaus ist mit Rücksicht auf die starken Regengüsse mit wetterfestem Wellblech gedeckt. Bei der innern Ausstattung fehlt auch ein eiserner Ofen nicht. Es kommen Zeiten, wo die nächtliche Kühle einen geheizten Raum als eine wahre Wohltat erscheinen lässt. Als Stationsvorsteher finden wir immer noch den seit 1893 hier wirkenden Missionar Müller. An seiner Seite hat schon wiederholt ein junger Bruder gestanden, nach Ovirs Abgang eine Zeit lang Missionar Raum. Recht traulich ist das Haus aber erst durch den vor einigen Jahren erfolgten Einzug einer Hausfrau geworden, die ihrem Manne all die kleinen und doch oft recht lästigen Geschäfte abnimmt, mit denen sich ein afrikanischer Missionar in der ersten Zeit selbst abfinden muss. Es sind den Eheleuten auch bereits einige Kinder in Madschame geboren, die in der kräftigen Gebirgsluft ebenso gut gedeihen, wie daheim im deutschen Lande.

Neben dem Missionshaus steht ein Kirchlein. Das aus Fachwerk errichtete und mit Bananenblättern gedeckte Gotteshaus ist zwar kein Prachtbau, aber man kann sich die Freude der Missionsleute denken, als diese erste gottesdienstliche Stätte, die auch schon eine kleine Glocke in dem turmähnlichen Aufbau aufzuweisen hat, geweiht wurde. Noch heute ist der große Festtag im Lande unvergessen. Der Häuptling Schangali war feierlich dazu geladen und auch mit 50 seiner angesehensten Männer gekommen. Wie staunten sie über das etwa 15 Meter lange Gebäude, das für den festlichen Tag schön geschmückt war. Die Wände hatte man mit dem weißen Thon von Madschame reichlich bestrichen, die Pfeiler aber, sowie die Fenster- und Türöffnungen mit den großen Wedeln der wilden Dattelpalme verziert. Auch im Innern gab es manche Überraschung für die Eingebornen. Die Sitzbänke, die für sie bereit standen, waren freilich von einfachster Art, rohbehauene dicke Baumstämme, in der Anordnung unsrer Kirchenbänke reihenweise gelegt. Aber vor ihnen stand zum ersten Male der geheimnisvolle Altartisch mit einer schwarzen Decke behängt und von einem Kruzifix überragt. Nun begann der Gottesdienst. Die Lieder, von Missionar Müller in die Landessprache übersetzt und vorher mit den Kostschülern fleißig geübt, wurden auf dem Harmonium begleitet. Ihre Klänge und die Weiherede des Missionars verfehlten des Eindrucks auf die zahlreichen Zuhörer nicht. Nach Beendigung der kirchlichen Feier wurde ein Ochse zum Festmahl geschlachtet; das war ganz nach dem Geschmack der Madschameleute, und noch lange nachher konnte man das Lob des Europäers in allen Hütten der Umgegend singen hören.

Mit besonderer Sorgfalt wird seitdem die Sonntagspredigt behandelt, bei der sich durchschnittlich 100 Zuhörer einzufinden pflegen. Jeden Sonnabend zieht der Missionar eine kleine rote Fahne auf, damit das Volk weiß, dass der Feiertag naht. Am Sonntag früh tritt eine große weiße Flagge an ihre Stelle. Den Kern der Zuhörerschaft bilden die Kostschüler der Station. Es sind ihrer jetzt durchschnittlich 20 vorhanden. Mit einigen von ihnen hat ihr Erzieher schmerzliche Erfahrungen gemacht; so besonders mit den Massaiknaben, die gleich nach Errichtung der Station zugelaufen waren. Sie haben bis auf einen alle wieder das Haus der Christen verlassen, zum Teil nach recht unliebsamen Zwischenfällen. Die aus Madschame selbst stammenden Knaben dagegen zeichnen sich zumeist durch rührende Anhänglichkeit und empfänglichen Sinn aus. Als einer der Missionare einmal eine mehrtägige Wanderung mit den Burschen unternahm, hörte er von seinem Zelte aus, wie sie unaufgefordert mit einander die Abendandacht hielten. Unter der christlichen Belehrung erwacht auch das Gewissen bei ihnen. Da war zum Bespiel im Unterricht das siebte Gebot behandelt worden, gleich darauf brachte Nsami, einer der gefördertsten Schüler, seinem Lehrer eine halbe Rupie, die er ihm von früher her schuldig geblieben und die in Vergessenheit geraten war. Solche kleine Züge aus dem täglichen Leben, sowie die christlichen Lieder, die man nicht selten auf den Bergen hört, wo die Knaben das Vieh weiden, sind ebenso viele willkommene Zeichen, dass ein neues Leben bei diesen täglich unter christlichem Einfluss stehenden Eingeborenen erwacht.

Besonders erfreulich ist das Verhalten des Häuptlings. Er begnügt sich nicht mit den von Anfang an bewiesenen Freundschaftsdiensten; auch innerlich ist er offenbar den Missionsleuten näher gekommen. Sobald regelmäßige Gottesdienste eingerichtet wurden, stellte er sich als Hörer ein. In den Jahren seither wird er nicht öfter als zehnmal gefehlt haben. Sein gutes Beispiel ist umso wertvoller, weil die Wadschagga ihren Häuptlingen in allen Stücken zu folgen gewöhnt sind. So ist wohl zum Teil der gute Besuch der Gottesdienste zu erklären. Missionar Müller fasst das Urteil über seinen einflussreichen Freund in die Worte zusammen:

"Ich habe den Eindruck, dass Schangali wirklich Gottes Wort liebt, und dass in manchen kleinen, äußerlichen Dingen sein Tun und Denken, ohne dass er sich selbst Rechenschaft ablegt, davon beeinflusst ist, und ich glaube, dass er infolge einer gewissen, ihm eigenen Schüchternheit über religiöse Fragen weniger spricht, als nachdenkt. Er geht von allen am meisten auf das ein, was ich lehre, und gibt oft recht gute Antworten. Aber, wenn er auch schon weiter wäre, als er wirklich ist, so würden doch zwei Riegel ihn abhalten, der Überzeugung die Tat folgen zu lassen: die mit dem ganzen Volksleben und Staatswesen fast untrennbar verquickte Zauberei und die Vielweiberei. Was jene betrifft, so ist der Häuptling eben, wie jeder andre Dschaggamann, ganz im Glauben an Zauberei und deren Gegenmittel aufgewachsen, und außerdem weiß er recht gut, dass er weder so schnelle Justiz üben, noch so straffen Gehorsam aufrecht erhalten kann, wie jetzt, wenn seine Untertanen merken, dass er freiwillig sich des Vorteils begibt, den kräftigsten Zauber zu besitzen. Und so wird auch die andere Kette des Heidentums, die Vielweiberei, den Schangali noch lange halten. Rechtliche Ehefrauen hat er gegenwärtig erst zwei. Aber es gibt, wie ich höre, etwa zehn junge Weiber, die verschiedene, im ganzen Lande zerstreute Besitzungen des Häuptlings bewirtschaften und unter dem harmlosen Namen 'Kinder des Hofes' nichts anderes als Nebenweiber des Häuptlings sind. Aber ich muss doch betonen: wir dürfen hoffen, weil die Bereitwilligkeit, die Botschaft von der Freiheit der Kinder Gottes wenigstens äußerlich zu hören und kennen zu lernen, bei ihm vorhanden ist und ebenso das persönliche Vertrauen in unsere Redlichkeit."

Außer dem Unterricht der Kostschüler und den Sonntagsgottesdiensten in der Kapelle hat der Missionar noch an zwei Außenorten regelmäßig Gelegenheit, seine Botschaft bei den Eingebornen anzubringen. In einiger Entfernung von der Station fließt ein kleiner Bergstrom, der Kikafu, zu Tale. An dessen Ufer wird aller drei Tage ein Markt gehalten, bei dem in der Regel viele Weiber aus der Umgegend zusammen kommen, um Bananen, Wimbikorn, Bohnen, Salz und dergleichen zu verkaufen. Als der Missionar eines Tages dort vorüber kam, ging ihm der Gedanke durch den Sinn, ob er nicht die gute Gelegenheit benutzen sollte, diesen Frauen, die bisher noch nie zu seinen Versammlungen gekommen waren, zu predigen. Er sprach mit Schangali darüber und erhielt dessen freudige Zustimmung. Ja der Häuptling versprach sogar, er wolle jedes Mal seine Mutter Nuya hinschicken, damit diese die schwatzenden Weiber zur Ruhe brächte. Seitdem hält Müller eine Marktpredigt. Ohne die Nuya geht es freilich nicht. Als sie einmal ausblieb, waren die Zuhörerinnen so unruhig, dass der Prediger unverrichteter Sache abziehen musste. Als eine Frucht dieser Ansprachen unter freiem Himmel ist die erfreuliche Tatsache zu verzeichnen, dass sich seitdem auch Frauen zu den Gottesdiensten auf der Station einstellen.

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Die Kostschulmädchen müssen sich täglich betätigen.
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Ein anderer Predigtplatz liegt in Untermadschame, nicht weit vom Rande der Steppe. Die Bewohner dieser Landschaft waren anfangs sehr scheu. Wenn ein Europäer dort durchkam, sah er auf seinem Wege eigentlich nur weggeworfene Holz- oder Grasbündel, die Eingebornen waren schleunigst in die Büsche geflohen, selbst starke Männer. Das ist besser geworden, seitdem Müller mit Ukyo, dem Aufseher von Sonu, in Verbindung getreten ist. Er ließ die Leute zusammenrufen und machte den Vorschlag, sie sollten ein Versammlungshaus bauen, dann wollte er von Zeit zu Zeit kommen und ihnen Unterricht geben. Nach einigen Bedenken gingen sie darauf ein. Die Hütte ist fertig geworden und dient jede Woche einmal der Verkündigung des Evangeliums. Es geht freilich noch sehr bescheiden dabei zu. Der Missionar sitzt in der Mitte auf einem glatten Flusssteine, rings um ihn her die Männer von Untermadschame, soweit Ukyo sie erreichen kann. Was sie hören, ist keine Predigt mit hohen Worten. Es ist mehr ein Gespräch oder eine leichte Erzählung, von Seiten der Eingebornen kommt zuweilen eine Antwort, die sich fast von selbst versteht, meist aber nur Ausrufe der Verwunderung oder des Beifalls. Aber die dicht um ihren Lehrer sitzenden Leute horchen gut auf und gewöhnen sich allmählich an die neuen Gedanken. Nach Schluss der Unterredung wird oft noch leibliche Hilfe vom Missionar verlangt. Da kommen Frauen und Kinder, die Arznei haben wollen für ihre Wunden, die meist von den heimtückischen Sandflöhen herrühren.

Das größte Ereignis in der Geschichte von Madschame war die am 1. Advent 1898 vollzogene erste Taufe. Sie ward den beiden Kostschülern Nsami und Ukyo zu Teil. Jahrelang hatten sie unter den Augen der Missionare gelebt und auch schon manchmal Beweise dafür gegeben, dass sie den alten Menschen auszuziehen ernstlich entschlossen waren. Ein mehr als halbjähriger besonderer Taufunterricht vollendete, was bei dem vielen Verkehr im Schulunterricht und im häuslichen Leben begonnen war. Als der für ihre Aufnahme in die christliche Kirche bestimmte Tag kam, bemächtigte sich eine feierliche Stimmung aller Stationsbewohner. Zur Erhöhung der Festfreude kamen auch Gäste aus Moschi herüber. Schangali, dem vorher die Bedeutung der Taufe erklärt worden war, stellte sich mit vielen Männern ein. Die beiden Jünglinge erhielten die Namen Johannes und Stefano.

Am Tage nach der eindrucksvollen Feier baten noch zwei andere Kostschüler um die Taufe, von denen der eine seit vier, der andere seit 2½ Jahren auf der Station lebt. Zu gleicher Zeit erhielt der Missionar eine Schülerin, Mambo mit Namen, die später einen Christen heiraten will. So mehren sich die Anzeichen, dass auf diesem Missionsfelde Frühlingslüfte wehen.

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Schira

In allerjüngster Zeit ist von Madschame aus eine neue Station gegründet worden, die vierte unter den Wadschagga. Im Norden und Nordwesten breitet sich eine gut bevölkerte Landschaft aus bis an die sogenannten Schiraberge, die sich vom Kibo in westlicher Richtung herabsenken. Sie wird bald Kibognoto, bald Schira genannt. Ihre Bewohner sind bei gelegentlichen Berührungen mit den Missionsleuten immer freundlich und entgegenkommend gewesen, haben wohl auch selbst den Wunsch nach einem Missionar geäußert. So entstand der Plan einer Niederlassung in dieser äußersten Ecke des Dschaggalandes. Mit der Ausführung wurde Missionar Raum beauftragt, dem der kürzlich erst am Kilimandscharo angekommene Missionsökonom von Hopffgarten an die Seite trat. Am 2. August 1899 machten sie sich von Madschame auf und erreichten in einer anstrengenden Tagestour den in Aussicht genommenen Platz beim Häuptling Ngalami von Schira. Letzterer ging auf alle ihre Wünsche ein, legte mit seinen Leuten sogleich einen Kanal an, der das von den Missionaren erworbene Grundstück mit Wasser versorgen soll, und sagte auch für die Bauzeit alle mögliche Hilfe zu. Leider trat schon während der vorbereitenden Arbeiten ein störender Zwischenfall ein. Missionar Raum zog sich, während er noch im Reisezelt wohnen musste, eine heftige Erkältung zu, die sich zu einer Lungenentzündung steigerte. Der schnell herbeigerufene Regierungsarzt von Moschi ordnete, nachdem die ersten schweren Tage der Krankheit überstanden waren, die Überführung des Patienten nach seinem Wohnplatze an. Infolgedessen blieb es vorläufig bei Errichtung eines bescheidenen Hauses. Sobald der Kranke wieder vollständig genesen ist, soll das unterbrochene Werk weitergeführt werden.

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Kiboso

Zur Fortsetzung unsrer Rundreise durch die Dschaggamission begeben wir uns nach Madschame zurück und suchen nach Moschi zu gelangen. Früher brauchte man einige Tage zu dieser Reise, wie wir bei der Ankunft der ersten Karawane gesehen haben, jetzt legt ein rüstiger Fußgänger den Weg in etwa 7 Stunden zurück. Das ist ein Verdienst des Hauptmann Johannes, der die Beseitigung der Verhaue und Verzäunungen, welche die einzelnen Landschaften voneinander trennten, erzwang. Er ließ eine breite Straße quer durchs ganze Dschaggaland bauen, wofür er bei den Eingeborenen den Beinamen "Kibarra njia", d. h. der offene Weg, erhalten hat. Die Verbindung wurde zunächst im Interesse der politischen Macht angelegt, dient aber nun auch den Zwecken des Reiches Gottes. Die Boten des Evangeliums können jetzt viel leichter durch das Land kommen und ihren guten Samen auch unterwegs an ihren Raststationen ausstreuen.

Zwischen Madschame und Moschi kommen wir an der katholischen Missionsstation Kiboso vorbei, einer großen Anlage mit stattlichen Gebäuden und wohlgepflegten Gärten, Die Römischen suchen in diesen äußerlichen Dingen ihre Stärke und finden damit das Wohlgefallen unserer Politiker. Dr. Meyer rühmt ihnen nach, dass er noch nie größere und bessere Kartoffeln gegessen habe, als bei Pater Rohmer in Kiboso. Ob letzterer sich wohl freut, wenn seine Tätigkeit gerade so gerühmt wird? Über die Kulturerfolge auf den katholischen Niederlassungen hört man viel Anerkennendes, über die eigentliche Missionsmethode aber nicht. Die Neger erzählen gelegentlich, dass die Anhänger der Patres mit Bier bewirtet werden, "Gebt ihr uns auch welches, wenn wir zu eurem Unterricht kommen?" fragten sie harmlos einen der Missionare von Moschi. Weniger harmlos hatten sie es aufgenommen, dass sie mit Wegnahme von Vieh bestraft werden sollten, als sie einmal nicht zum Unterricht auf die katholische Station gekommen waren. Sie mussten erst eine Beschwerde am Sitz der Regierung anbringen, ehe die gestrengen Patres davon absahen.

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Moschi

Je näher wir Moschi kommen, umso zerrissener wird die Landschaft. Da gibt es keine ebene Fläche mehr, nur ein zerklüftetes Bergland mit tiefeingeschnittenen Flusstälern. In dem heutigen Moschi lernen wir die einzige größere Ortschaft am Kilimandscharo kennen. Es ist in jeder Hinsicht die "Hauptstadt" des Landes. Die fremden Elemente - weiße und farbige - fallen natürlich am meisten in die Augen. Hauptmann Johannes bewohnt mit seinen Offizieren und Unteroffizieren eine solid gebaute kleine Festung, die für innerafrikanische Verhältnisse aufs beste ausgestattet ist. Die Sudanesen, deren Zahl sich auf mehr als 100 beläuft, haben ihre Wohnungen nahe dabei. Wenn man bedenkt, dass die meisten ihre Weiber und Kinder bei sich haben und dass sich an "die Kaserne" auch sonst noch viele unstete Leute z. B. Massai angeschlossen haben, kann man sich ungefähr einen Begriff von dem bunten Durcheinander in und bei der Militärstation machen.

Die Missionare brauchen es wohl nicht zu bedauern, dass ihre Niederlassung in einer gewissen Entfernung davon auf der andern Seite des Sangatschi-Tales liegt. Man sieht das von mächtigen Bäumen überragte steinerne Wohnhaus schon von ferne. Beim Näherkommen fallen auch die Nebengebäude, unter ihnen namentlich ein auf Lehmmauern ruhendes Haus für die zahlreichen Kostschüler in die Augen. Da der Ausbau der Station dank der umsichtigen Leitung des Missionar Faßmann in der verhältnismäßig kurzen Zeit ihres Bestehens schon beendet ist, kommt auch hier die geistliche Seite der Missionstätigkeit bereits zu ihrem vollen Rechte, Wenn nicht alles trügt, wird Moschi, wo die Fäden der Landesverwaltung zusammenlaufen, künftig ein besonders reichliches Maß von Missionstätigkeit brauchen. Freilich wird diese Arbeit wegen der vielen Unruhe des Ortes auch immer mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft sein. Unter der leichtlebigen Mischbevölkerung ist es nicht leicht zu missionieren, zumal da wohl ein halbes Dutzend verschiedene Sprachen im Gebrauch sind. Die Arbeit des Missionars und seiner leider oft wechselnden Gehilfen ist denn auch eine sehr vielseitige. Was die Verkündigung des Evangeliums betrifft, so ist dafür natürlich der wichtigste Platz auf der Station selbst. Hier wird jeden Sonntagvormittag ein Gottesdienst gehalten. Als zweite Predigtstätte kommt das in einiger Entfernung gelegene Mdawi in Betracht, wo die Mutter des Häuptlings wohnt. Hier stellen sich besonders gern Frauen und Mädchen ein, was auf der Station nicht der Fall ist. Sodann hat der Häuptling Meli in seinem Gehöft ein Haus für Gottesdienste und Schulzwecke bauen lassen und neuerdings ist ein vierter Predigtplatz beim Häuptling Mlatie von Pokomo in Gebrauch genommen. So wird der gute Same nach allen Seiten hin ausgestreut. An Hörern hat es von Anfang an nicht gefehlt. Schon am ersten Weihnachtsfest besuchten 60 Männer den Gottesdienst auf der Station und 45 Personen den in Mdawi. Aber es ist freilich noch ein Unterschied zwischen dem Hören des Wortes und einem gesegneten Erfolg. Die Schultätigkeit hat ebenfalls eine ziemliche Mannigfaltigkeit aufzuweisen. Die auf der Station ist natürlich die stetigste. Hier bilden die 22 Kostschüler einen zuverlässigen Kern. Bei den andern Knaben findet schon mehr Kommen und Gehen statt. Noch mehr ist das beim Unterricht im Gehöft des Häuptlings der Fall. Wenn Meli selbst teilnimmt oder doch die Besucher beaufsichtigt, mag es noch gehen. Sobald er sich aber nicht um seine Residenzschüler kümmert, werden sie schnell lässig. Ein buntes Völkchen konnte man bis vor kurzem in der dritten Schule von Moschi beisammen sehen. Sie wurden in der Militärstation gehalten und war hauptsächlich für die Soldatenkinder, die Hausdiener der Europäer u.s.w. bestimmt. Hier war das Kisuaheli als Unterrichtssprache gewählt. Die Schüler haben aber jetzt Ferien auf unbestimmte Zeit, weil Missionar Faßmann ohne Gehilfen ist. Als ein Überbleibsel davon ist die Unterweisung anzusehen, die er zwei Massaikindern, einem Knaben und einem Mädchen erteilt, die bei Frau Hauptmann Johannes in Pflege und Erziehung sind. Der Merkwürdigkeit halber sei erwähnt, dass diese Kinder deutsch sprechen.

Als Lohn seiner vielseitigen Tätigkeit hat der Missionar schon wiederholt die Freude gehabt, junge Männer aus dem Volke taufen zu können. Eines Tages trat einer seiner besten Schüler namens Msando zu ihm und erklärte: "Herr, ich möchte getauft werden". Der Wunsch kam dem Lehrer so überraschend, dass er nicht sogleich die Antwort darauf fand; er bestellte daher den jungen Taufbewerber für den Nachmittag in sein Wohnzimmer. Dort hatte er eine ernste Unterredung unter vier Augen mit ihm. Er suchte zunächst zu erfahren, was der Jüngling eigentlich von der Taufe erwartete. Die Antwort lautete: "Ich möchte das Herz reinigen". In dieser Anschauung bestärkte ihn der Missionar, zugleich aber stellte er ihm eindringlich vor, welche Verpflichtungen die Taufe mit sich bringe. Er dürfe nicht irdische Vorteile vom Christwerden erwarten; vielleicht würde er infolge dieses Schrittes von seinen Landsleuten verspottet werden, wohl auch gar in Not und Drangsal kommen. Auch hielt er ihm noch einmal die sittlichen Forderungen des Christentums vor: nur eine Frau nehmen, sich nicht betrinken, kein unsittliches Leben führen, nicht an den Opfern für die Geister teilnehmen. Zum Schluss erwähnte er aber auch den zu erwartenden Segen, dass der Herr die Seinen nicht verlässt, sondern sie nährt, schützt und erfreut. Das Ergebnis dieser Unterredung war die Wiederholung der Bitte um die Taufe. Nach dem, was der Missionar bisher an seinem Schüler beobachtet hatte, glaubte er, das Sakrament unbedenklich spenden zu können. Es stellten sich noch drei andere junge Männer mit demselben Anliegen ein, sämtlich Kostschüler der Station. Mit großer Freude bereitete Faßmann die Aufnahme dieser seiner Erstlinge in die christliche Gemeinschaft vor. Nach einem mehrmonatlichen Taufunterricht und nachdem er auch noch mit den Angehörigen des einen Taufbewerbers Rücksprache genommen und ihre Bedenken zerstreut hatte, wurde der Tauftag festgesetzt. Ganz Moschi kam in Bewegung, ja auch von auswärts erschienen die Teilnehmer. Da waren die Missionare von Mamba und Madschame, besondere Freude aber erregte das Kommen des englischen Missionars Steggall aus Taweta, der vor vielen Jahren zwei der Täuflinge in den Anfangsgründen unterrichtet hatte, so dass sich nun miteinander freuten, "der da säet und der da schneidet". Mit dem kräftig gelungenen "Mwaneny Ruwa mose" (Nun danket alle Gott) begann die Feier. Der Missionar hielt eine ernste Ansprache über das Schriftwort: "Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden". Darauf legten die vier Jünglinge ihr Taufgelübde ab und bekannten den christlichen Glauben. Nun knieten sie einzeln nieder, um die heilige Taufe zu empfangen, wobei sie ihre neuen Namen erhielten. Der oben erwähnte Msando wurde Johannes genannt. Mit dem Liede: "Ich bin getauft auf deinen Namen" ging die erhebende Feier zu Ende.

Als eine Probe, wie es in der Gedankenwelt der Missionsschüler von Moschi aussieht, mögen hier ein paar kleine Stilübungen von Faßmanns Schülern stehen. Der eine schrieb aus freien Stücken folgende Gedanken nieder:

"Wir Menschen sind wie die Ziegen. Wenn eine Ziege den Hirten (durch ihr Umherlaufen) hin und her führt, so wird er leicht ärgerlich, hebt einen Stein auf, wirft nach ihr und tötet sie vielleicht. Hätte sie ihn nicht hin und her geführt, wo wäre sein Schmerz? Und so ist es auch mit uns Menschen, wir führen Gott herum. Der allmächtige Vater wird ärgerlich und schlägt dich sehr. Freilich, wenn du eine Ziege schlägst, so vermag sie nicht Buße zu tun. Du vermagst es u.s.w."

Ein andrer schrieb über Gottes Wohltaten folgendes auf: "Gott liebt uns sehr." Wenn er gesagt hätte: "Bringt Rupien und kaufet die Dinge bei mir!" so wären wir unglücklich. Für ein Auge würde eine Million Rupien bezahlt. Aber wir Armen würden nicht Rupien genug finden, auch nur ein Bein zum Gehen oder einen Finger der Hand zu kaufen. Ein König besitzt freilich viele Rupien und kauft wohl ein Auge, aber das zweite würde er nicht kaufen können. Doch Gott gab es umsonst, damit alle an ihn glaubten." Das sind einfache und kindliche Gedanken, bei denen Ziegen und Rupien noch eine große Rolle spielen, aber das Irdische wird auch diesen jungen Afrikanern schon zum Gleichnis. Sie fangen doch an, von himmlischen Dingen zu reden und sich daran zu freuen. Das ist der Fortschritt gegenüber dem Heidentum, aus dem sie herkommen.

Einer der zuerst Getauften, Johannes Msando, bildet sich mehr und mehr zu einem Gehilfen des Missionars aus. Er unterrichtet bereits die jüngeren Schüler und hält auch Ansprachen religiösen Inhalts unter der Anleitung seines Lehrers. Die Unterstützung ist für letzteren umso wertvoller, da sein letzter Mitarbeiter, Missionar Bleicken, wegen hartnäckiger Dysenterie im Sommer 1899 Afrika verlassen musste.

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Kilema

Auf dem weiteren Wege von Moschi nach den östlichen Landschaften stoßen wir nach mehrstündiger Wanderung in Kilema wieder auf eine katholische Station. Es ist ein Unglück für die Dschaggamission, dass die beiden Konfessionen so durcheinander geschoben sind. Wenn sich auch in der Gegenwart keine Schwierigkeiten daraus ergeben, weil ihre Kreise sich noch nicht unmittelbar berühren, so werden die Misshelligkeiten nach Jahrzehnten sicherlich nicht ausbleiben.

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Mamba

Nun überschreiten wir die Grenze von Marangu, wo sich der uns von früher her bekannte militärische Posten befindet. Nicht weit davon liegt die Residenz des Häuptlings Mareale, der sich zuerst unter allen Dschaggafürsten als Freund der Deutschen bewies. Er und seine Untertanen gehören bereits zu den Anhängern des Missionars Althaus in Mamba. Als der ehrgeizige Häuptling sah, dass die Leute von Mamba lesen und schreiben lernten, wollte er mit seinen Männern nicht zurückbleiben. Eine Zeit lang besuchte er regelmäßig die Missionsstation, dann ging er noch einen Schritt weiter und lud den Missionar ein, regelmäßig zu seiner Boma zu kommen, wo er ein Schulhaus zu bauen versprach. Der Gedanke wurde kürzlich ausgeführt. Ein wenig abseits von der Straße steht jetzt ein schönes, reichlich mit Bänken ausgestattetes Haus, alles von den Maranguleuten selbst ausgeführt. Wenn wir nachmittags dahin kommen, finden wir 40 - 50 Schüler, die einer der eingeborenen Gehilfen des Missionars unterrichtet. Es hat einige Zeit gedauert, ehe die Arbeit hier eine gewisse Stetigkeit erlangte. Hochzeiten und Schmausereien warfen anfangs die schönsten Unterrichtspläne über den Haufen. Mareale selbst nahm es zunächst wenig ernst mit dem erbetenen Unterricht. Es ist auch jetzt noch nicht allzu viel Hoffnung auf ihn zu setzen. Das Interesse für seine 15 Weiber und die sonstige Mehrung seines Wohlstandes ist größer, als die Liebe zum Worte Gottes. Nur als er einmal ernstlich krank war und Missionar Althaus mit seiner Bilderbibel regelmäßig an sein Bett kam, zeigte er mehr Empfänglichkeit, als sonst. Zumal als der Mann Gottes von dem Frieden sprach, den ein Christ in seinem Herzen spürt, und im Gegensatz dazu von der Unruhe und Furcht eines Gottlosen, wurde er immer stiller und nachdenklicher; er erfasste schließlich seine Hand und bat ihn, bald wiederzukommen, ihm, weiter solche wunderbare Dinge zu erzählen.

Häuptling Mareale.
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Von Mareales Boma aus schlagen wir einen Richtweg ein, der in gerader Linie durch den Busch auf das Missionshaus von Mamba zu führt. Der Weg hat seine Geschichte. Man kann ihn recht eigentlich einen Missionspfad nennen. Ursprünglich mussten die Leute von Marangu einen großen Bogen machen, wenn sie zur Predigt nach Mamba gingen. Das verdross den Häuptling. Daher stellte er eines Tages alle seine Männer an und ließ einen neuen Weg aushauen. Wer dächte dabei nicht an das Wort aus der Adventszeit: "Bereitet dem Herrn den Weg!"

Die Station Mamba liegt ziemlich hoch oben in den Bergen, so dass dort die kalten Winde, die von den Schneefeldern des Hochgebirges herunter wehen, recht empfindlich brausen. Die Höhe beträgt 1.561 m, annähernd 400 m mehr, als bei Moschi. Bis vor kurzem machte das erste Missionshaus, das im Schwarzwälderstil gebaut war, fast den Eindruck einer Einsiedelei, zumal da man keine Hütten der Eingebornen in unmittelbarer Nähe sieht. Aber in der letzten Zeit ist viel gebaut worden: ein steinernes Wohnhaus, ein geräumiges Schulhaus und manches andere. Die beiden Gehilfen für äußerliche Arbeiten von Lany und von Hopffgarten haben viel Mühe damit gehabt. Auch diese Station erfreut sich schon seit Jahren der ordnenden Hände einer deutschen Hausfrau, was die braunen Bewohner nicht weniger angenehm empfinden, als die weißen.

Mamba gehört zu den stilleren Landschaften am Berge. Für die Missionsarbeit ist das gerade ein Vorteil. Die Station hat sich denn auch sehr günstig entwickelt. Missionar Althaus widmet sich mit besonderem Eifer der Predigt unter den zerstreut wohnenden Heiden. Zuerst musste er damit den Leuten nachgehen. Wenn er in einem Gehöft oder in einer Bananenpflanzung mehrere beisammen fand, setzte er sich mitten unter sie auf einen Haufen getrockneter Bananenblätter und erzählte ihnen eine biblische Geschichte. Fand er aufmerksame Zuhörer, so lud er sie schließlich ein, mit ihm in sein Haus zu gehen, wo sie die Geschichte auch sehen könnten. Das taten sie in der Regel gern. Im Missionshause zeigte er ihnen dann das betreffende biblische Bild, wobei die Geschichte wiederholt ward. So im Anfang. Jetzt aber braucht er seine Zuhörer nicht mehr zusammen zu holen. Wenn am Sonntagvormittag das Glöckchen am Versammlungshaus geläutet wird, stellen sich fast immer gegen 100 Leute ein, an besonderen Festtagen noch mehr. Auf den Unterricht der Kostschüler, die aus vier oder fünf verschiedenen Ländern stammen, wird auch hier besondere Sorgfalt verwandt, Mamba hat unter allen Dschaggastationen den Vorzug, neben der Knabenkostschule auch schon eine solche für Mädchen zu haben. Sie beherbergt zurzeit vier Schülerinnen. An ihrem Unterricht nehmen noch eine Anzahl Frauen und Mädchen aus der Nachbarschaft teil. Eine der Schülerinnen steht der Taufe nahe.

Von den jungen Männern ist schon eine größere Anzahl getauft. Althaus hat es gleich den Brüdern auf den andern Stationen nicht leicht damit genommen. Gerade bei den ersten Übertritten ist große Vorsicht geboten. So wurden auch hier manche zurückgewiesen oder doch eine Zeit lang hingehalten. Die bisher Getauften halten sich infolgedessen recht gut. Von einem derselben, Kanina mit Namen, schrieb der Missionar bei seiner Taufe:

"Der Unterricht war mir eine wahre Erquickung, denn so wie dieser mit offenem Verstände und sinnendem Geiste ausgestattete Junge hat wohl keiner der hiesigen Schüler die Wahrheit des Evangeliums erkannt und in sich verarbeitet."

Er erhielt in der Taufe den Namen Stefano und hat sich nachher so bewährt, dass sein Lehrer ihn jetzt als Gehilfe für den Unterricht auf den Außenstationen benutzen kann.

Den Predigtplatz in Marangu haben wir schon kennen gelernt, es gibt aber noch drei andere in den von Mamba nach Osten zu liegenden Landschaften Mwika, Msae und Kondeni. An diesen Orten stehen Unterrichtshäuser, welche die dortigen Häuptlinge mit ihren Leuten selbst gebaut haben. Am eifrigsten ist Bararia von Mwika, der schon seit einer Reihe von Jahren viel Verkehr mit der Station unterhält. Das alte Versammlungshaus war ihm nicht mehr gut genug. Es musste ein neues gebaut werden. So oft nun der Missionar hinüberkommt, findet er regelmäßig schon die Zuhörer versammelt. Der Häuptling sitzt in ihrer Mitte und unterrichtet sie, soweit seine Kenntnisse reichen. Alles, was er ihnen geben kann, hat er natürlich erst vom Missionar empfangen, dessen gelehriger Schüler er von Anfang an war. Unter den jungen Burschen von Mwika zeichnete sich in den letzten Jahren ein gewisser Mabruke aus. Den nahm Althaus mit auf seine Station und gab ihm eine Stelle unter den Kostschülern. Er hilft jetzt schon beim Unterricht der jüngeren Knaben und verspricht einmal eine ähnliche Hilfskraft zu werden, wie Stefano Kanina.

Nicht unerwähnt mag schließlich bleiben, dass Mamba als die östlichste der Stationen sehr oft Besuch von den englischen Missionaren in Taweta hat, denen es ja am nächsten liegt. Die Gäste machen den Leuten von Mamba zuweilen die Freude, ihren Lichtbilder-Apparat, die Laterna magica, mitzubringen. Damit werden die schönsten biblischen Bilder auf die dunkle Wand geworfen, ein Schauspiel, an dem sich Groß und Klein kaum satt sehen kann. Die Missionare von Taweta erwiesen dem Bruder Althaus bisher auch manchmal die Gefälligkeit, auf ihrer Druckerpresse Lesetafeln, Lieder und kleine Geschichten zu drucken. Künftig aber brauchen die Dschaggamissionare mit solchen Anliegen nicht mehr nach Taweta zu gehen. Im letzten Jahre ist eine kleine Missionspresse in Moschi aufgestellt worden, die auch bereits ihre ersten Druckproben in der Landessprache geliefert hat. Damit ist ein neuer Ansporn für die schon länger im Lande weilenden Missionare gegeben, sich an die Übersetzung von biblischen Geschichten, christlichen Liedern u.s.w. zu machen. Je größer die Zahl der Schüler und der Getauften wird, umsomehr tritt auch das Bedürfnis nach solchen Lehrmitteln und Erbauungsschriften hervor. Schon jetzt werden diejenigen, welche christlichen Unterricht empfangen, von ihren Landsleuten als "Leser" bezeichnet. Die Missionare lassen den Namen ganz gern gelten; sie möchten am liebsten alle Bewohner des Landes zu einem lesenden Volke machen. Weniger um der äußeren Vorteile willen, die aus der Schulbildung kommen, als vielmehr, weil die Wadschagga damit den Zugang gewinnen zu dem Heilsbrunnen, der in den Worten beschrieben ist: 

"Alle Schrift von Gott eingegeben ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt,"

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Ouellenschriften über die Mission in Deutsch Ostafrika

(Nach der Reihenfolge der Kapitel in diesem Buche geordnet)

  • Das Leben David Livingstones.
    Von W. G. Blaikie.
    Uebersetzt und mit Erläuterungen versehen von O. Denk, 2 Bände.
    Gütersloh 1881, C. Bertelsmann.
     
  • "Central-Africa"
    Monatsblatt der Universitäten-Mission.
    London, 9 Dartmouth Street, Westminster.
     
  • Alexander M. Mackay, Pionier-Missionar von Uganda.
    Von seiner Schwester. Uebersetzt von Nebinger.
    Mit einer Skizze seiner Persönlichkeit aus persönlichem Verkehr von D. Wilh. Baur.
    Leipzig 1891, Hinrichs.
     
  • Church Missionary Intelligencer.
    Organ der englischen Kirchenmission.
    London, Salisbury Square.
     
  • Bilder aus Ostafrika.
    Von Dan. von Cölln. Berlin 1891, Zillessen.
     
  • Morgendämmerung in Deutsch-Ostafrika.
    Ein Rundgang durch die ostafrikanische Mission (Berlin III).
    Von P. Paul Döring, Missionar.
    3. Aufl. Berlin 1899, M. Warneck.
     
  • Nachrichten aus der ostafrikanischen Mission.
    Monatsblatt der evangelischen Missionsgesellschaft für Deutsch-Ostafrika. Berlin.
     
  • Evangelische Mission im Nyassa-Lande.
    Von P. J. Richter. 2, Aufl, Berlin 1898,
    Buchhandlung der evangelischen Missionsgesellschaft, Friedenstr. 9.
     
  • Deutsche Arbeit am Nyassa,
    Von Missionssup. Merensky.
    Berlin 1894. Ebenda.
     
  • Die Mission der Brüdergemeine in Missionsstunden.
    Von Missionsdir. a. D. G. Burkhardt.
    8. Heft. Deutsch-Ostafrika, Nyassa-Gebiet.
    Leipzig 1898, Fr. Jansa. Berliner Missionsberichte.
    Monatsblatt der Berliner Missionsgesellschaft (Berlin I),
    Berlin NO, 43. Georgenkirchstr. 70.
     
  • Missionsblatt der Brüdergemeine.
    Monatsblatt, herausgegeben von Th. Bechler, Herrnhut.
     
  • Evangelisch-Lutherisches Missionsblatt.
    Organ der Leipziger Mission,
    Herausg. von Missionar R. Handmann. Leipzig, Hohestr.7.
     
  • Karl Segebrock und Ewald Ovir,
    Zwei früh vollendete Missionare.
    Von Missionsdir. C. von Schwartz.
    Leipzig 1897, Hohestr. 7.

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Landkarten

Karte von 1896

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Zur Geschichte der Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT)

  • 1886: erste deutsche Missionsgesellschaft in Ostafrika (Hersbrucker Mission, 1892 Arbeit an Leipziger Mission übergeben)
     
  • 1887: Evangelische Missions-Gesellschaft für Deutsch-Ostafrika (später Berliner, ab 1906 Bethel-Mission) beginnt in Daressalam ihre Tätigkeit (Berlin I)
     
  • 1890: Evangelische Missions-Gesellschaft für Deutsch-Ostafrika beginnt in Tanga
     
  • 1891: Berliner Mission (Berlin III) am Nyassa-See, in Ubena-Konde, Ukinga und Uhehe (Südtansania), Herrnhuter Brüdergemeine beginnt in Unyakyusa (Nyassa-See)
     
  • 1893: Beginn der Leipziger Mission am Kilimandscharo
     
  • 1910: Beginn der Bethel-Mission in Bukoba
     
  • 1922: amerikanische Lutheraner beginnen Missionsarbeit
     
  • 1934: Gründung des Tanganyika-Missionsrates
     
  • 1939: Beginn der Schwedischen Mission in Mbulu
     
  • 1948: Gründung des Nationalen Christenrates von Tanganyika
     
  • 1949: Beginn der Norwegischen Mission in Mbulu
     
  • 19. Juni 1963: Gründung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tanganyika

     
  • 1964: Umbenennung in Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT), Stefano Moshi erster einheimischer Bischof, ELCT Mitglied im Lutherischen Weltbund, erster Mitarbeiter der bayerischen evangelischen Landeskirche in Tansania
    Die ELCT hat heute etwa 3,5 Millionen Mitglieder. In ihr sind 20 Diözesen, vergleichbar deutschen Landeskirchen, in einem Kirchenbund zusammengeschlossen.
     
  • 1973: Gründung des Lutherischen Koordinationsdienstes für Ostafrika (LCS), Verwaltungsgebäude der ELCT in Arusha eingeweiht
     
  • 1976: Bischof Moshi stirbt (14. August), Nachfolger wird Sebastian Kolowa als leitender Bischof der ELCT
     
  • 1992: Tod Bischof Kolowas (26. Oktober)
     
  • 1994: Samson Mushemba wird leitender Bischof
     
  • 1997: Lutherischer Koordinationsdienst für Ostafrika wird in Kooperation Lutherischer Missionen (LCM) umbenannt
     
  • 1998: Wiederwahl Mushembas
     
  • 2002: Mushemba nochmals im Amt bestätigt
     
  • 2007: Bischof Alex Malasusa (Ost- und Küstendiözese) wird Leitender Bischof der ELCT

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