Suedseeinseln 1 von Carl Paul

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Die Mission in unsern Kolonien

Von Pastor Carl Paul

Neue Folge der Dietelschen Missionsstunden, Vierter Teil, Verlag C. Ludwig Ungelenk, Dresden, 1908, Seite 1 bis 143

Die Deutschen Südsee-Inseln 1

7,6 MB

Inhalt

Ozeanien und das deutsche Schutzgebiet

Eine Rundfahrt durch die deutsche Südsee

     Kaiser Wilhelms-Land
     Der Bismarck-Archipel
     Die Karolinen
     Die Marshall-Inseln
     Samoa

Wie das Christentum in die Südsee kam

     Entdecker und Ansiedler
     Die ersten Missionare
     John Williams
     Die Melanesische Mission
     John Coleridge Patteson
     Die australische Methodisten-Mission
     John Paton, der Presbyterianer-Missionar
     Die Mikronesische Mission des American Board
     Deutsche Missionare auf Neu-Guinea
     Die katholische Mission

Anmerkungen

Literatur

Landkarten

Inhaltsverzeichnis


Links zur Einführung von  Carl Paul

  1. Was sind wir unsern Kolonien schuldig?
       Begangenes Unrecht wieder gut machen
       Schutzgebiete statt Kolonien
       Verderbliche Einflüsse
       Kolonialpflichten
       Kolonisierung nur mit gleichzeitiger Christianisierung

  2. Die Missionstätigkeit in unsern Kolonien
      Neues Interesse für die Mission
      Neue Herausforderungen für die Mission
      Eifersucht gegen England
      Überblick über Togo
      Überblick über Kamerun
      Überblick über Südwestafrika
      Überblick über Ostafrika
      Überblick über die Südsee
      Missionskräfte in Bewegung setzen

Inhaltsverzeichnis


Geschichten und Bilder aus der Mission auf den deutschen Inseln 

Bei den Pfadfindern der Rheinischen Mission an der Astrolabe-Bai

Der verheißungsvolle Anfang der Neuendettelsauer Mission

     Durch die Schule zur Taufe
     Ein Besuch auf der Sattelberg-Station

Das Evangelium unter den Kannibalen des Bismarck-Archipels

     Die ersten Märtyrer auf Neu-Pommern
     Das schwarze Lotu
     Neu-Mecklenburg tut sich auf

Hoffnungen und Rückschläge auf den mikronesischen Inseln

     Die fünf Morgensterne
     Die spanische Verwüstung auf Ponape

Samoa einst und jetzt

Inhaltsverzeichnis 


Ozeanien und das deutsche Schutzgebiet

Die Inseln der Südsee, über denen unsere Flagge weht, sollten häufiger von poetisch veranlagten Reisenden, die Sinn für landschaftliche Reize haben, aufgesucht werden. Dann würde der Wald der deutschen Sänger bald vom Lob der deutschen Südsee widerhallen. Die in lauter Schönheit sich aufbauenden Samoa-Inseln, die liebliche Blanche-Bai auf der Gazelle-Halbinsel von Neu-Pommern, die reizvoll geschwungenen Linien der kaum über die Meeresfläche sich erhebenden Koralleninseln, wie sie im Karolinen- und Marshall-Archipel so häufig zu sehen sind, die von ihnen eingeschlossenen stillen blauen Lagunen oder die düstere Erhabenheit der mit dichtem Urwald bestandenen Bergketten von Kaiser Wilhelms-Land - alle diese aufs Geratewohl herausgegriffenen Naturschönheiten unseres Südseebesitzes verdienen eine poetische Verherrlichung nicht minder, wie die Berge Thüringens und des Schwarzwaldes oder die Rebenhügel am grünen Rhein.

Es ist eine viel gebrauchte Redewendung, dass die schönsten Teile der Erde schon vergeben gewesen wären, als Deutschland endlich Kolonialpolitik zu treiben anfing und an der Aufteilung der herrenlosen Länder sich beteiligte. Wenn man schon bei einigen unserer afrikanischen Schutzgebiete zweifelhaft wird, ob diese Anschauung aufrecht zu erhalten ist, in der Südsee muss man ihre Berechtigung ganz entschieden bestreiten. Dort steht der deutsche Besitz an Schönheit und praktischem Wert keineswegs hinter den Gebieten der anderen Kolonialmächte zurück. Es ist bei uns nur noch nicht bekannt, welche Fülle von Naturschönheit dort verborgen ist, und wie fruchtbare Gefilde noch des fleißigen Anbaues harren.

Das deutsche Südseegebiet liegt mitten in der weit ausgedehnten Inselflur, die sich als eine Fortsetzung von Niederländisch-Ostindien ostwärts zu beiden Seiten des Äquators ausbreitet, um sich schließlich in der weiten Wasserwüste des Großen Ozeans zu verlieren. Wie die Sterne am nächtlichen Himmel, so sind die ungezählten Inseln dort über das blaue Meer verstreut. Dieser Vergleich ist auch insofern am Platze, als die Inseln hier und da zu Gruppen vereinigt sind, wie die Sternbilder am Firmament. Auch einige stärker hervortretende Landflächen fehlen dem Kartenbilde nicht. Wir finden sie in der Nähe des australischen Festlandes: Neu-Seeland und Neu-Guinea, Letzteres ist die größte Insel der Erde.

Eine gewöhnliche Karte von der Südsee gibt uns keine richtige Vorstellung von der Zahl der dort liegenden Inseln. Erst die Spezialkarte einer bestimmten Inselgruppe verhilft dazu. Da sieht man ein Eiland neben dem andern aus der Wasserfläche aufsteigen. Ein fleißiger Geograph hat sich die Mühe genommen, eine der Gruppen auszuzählen. Er kam bei den Karolinen bis auf 680 Inseln.

Die deutschen Schutzgebiete haben bekanntlich den Ruhm, dass sie besonders sorgfältig erforscht und vermessen werden. Der bei Dietr. Reimer in Berlin erscheinende Große Deutsche Kolonialatlas bringt auch mit bewundernswerter Genauigkeit ausgeführte Karten aus der Südsee. Nun genießt zwar der Forscher und Kartenzeichner bei der Aufnahme dieser Inseln den Vorteil, dass er den Gegenstand seiner kartographischen Darstellung von allen Seiten umfahren und vermessen kann; aber die kurze Spanne Zeit unsrer Kolonialära genügte doch noch nicht, um jedes kleine Inselchen aufzusuchen, die Buchten und Berge mit Namen zu versehen und genaue Aufnahmen davon zu machen. Darum wird es dem Forscher hier noch längere Zeit wie dem Astronomen ergehen, der sein Fernglas auf eine bestimmte Stelle des Himmelsgewölbes richtet. Vor dem Vergrößerungsglas lösen sich die Sternnebel erst in Haufen von Gestirnen, dann in einzelne Himmelskörper auf, die er genau von einander unterscheiden kann, mögen es auch in Wirklichkeit nur Sterne achter oder zehnter Größe sein.

Der Anblick dieser Inselflur erhält durch die wunderbare Mannigfaltigkeit der Formen ein ganz besonderes Interesse. Da ist kein Eiland dem andern völlig gleich. Zwischen der kaum aus dem Wasser hervorragenden Korallenklippe, auf der sich noch keine Spur von Vegetation angesiedelt hat, und dem gewaltigen Landmassiv von Neu-Guinea, dessen Bergketten hoch in die Lüfte ragen, finden sich Inseln und Inselchen von jeder Größe und Gestalt. Man kann zwei Grundformen unterscheiden: die durch vulkanische Kräfte aufgeschichteten Felseninseln und die als Korallenbänke nur wenig über die Meeresfläche emporsteigenden Eilande. In letzteren lernen wir eigenartige Gebilde der Südsee kennen. Sie verdanken ihr Entstehen und Wachsen den Korallentierchen, kleinen, mit bloßem Auge kaum wahrnehmbaren Lebewesen des Meeres, die mit ihren absterbenden Leibern Schicht auf Schicht bauen. Hebungen und Senkungen des Meeresbodens haben dann das Korallenriff entweder über den Meeresspiegel gebracht und in der Luft der Verwitterung ausgesetzt oder in größere Tiefen hinabgezogen, worauf die Arbeit der winzigen Baumeister aufs neue begann, sodass der obere Rand dieser Korallenbänke immer nahe an der Oberfläche des Wassers ist. Man nennt die so entstandenen Inseln Atolle. Sie sehen aus einiger Entfernung wie gewaltige Steinkränze aus, die in der blauen Flut liegen. Zuweilen haben sie eine fast kreisrunde Gestalt, meist aber verlaufen sie in unregelmäßige Linien. Einzelne Stellen des Kranzes, die etwas breiter sind oder höher aus dem Wasser ragen, schaffen durch Verwitterung und Anschwemmung den Nährboden für den ersten Pflanzenwuchs; hier ist auch der Platz, wo sich allenfalls der wagemutige Mensch ansiedeln kann. Durch die in sich zurücklaufende Korallenbank des Atolls wird ein kleiner Teil des Meeres vom freien Ozean abgeschlossen. Er liegt als eine stille Lagune, in der sich die Palmen und Hütten spiegeln, wunderlieblich da, während draußen an dem Korallenriff eine mächtige Brandung steht und die schwarzen Felsen mit weißem Schaum überdeckt. Findet sich, wie es gewöhnlich der Fall ist, eine Eingangsöffnung in dem Riffgürtel, so kann der Schiffer sein in der offenen See von den Wellen umhergeschleudertes Fahrzeug in den schönen Ruhehafen führen. Das hellere Blau des seichten Wassers zeigt ihm an, wie nahe er ans palmengeschmückte Ufer heranführen darf.

Die Vegetation auf einem solchen Atoll, dessen höchste Erhebung vielleicht nur acht bis zehn Meter über dem Meeresspiegel liegt, ist im Anfang sehr bescheiden. Aber die von der Luft bewirkte Verwitterung des Gesteins und die Auswurfstoffe des Meeres bilden doch mit der Zeit eine Humusschicht, in der eine Kokosnuss keimen und zur Palme erwachsen kann. Daher erscheinen diese Atolle aus einiger Entfernung wie eine riesige, auf dem Meer liegende Girlande von Palmenwipfeln. Später trägt auch Mensch und Tier dazu bei, dieses Neuland fruchtbar zu machen.

Die vulkanischen Inseln ragen im Gegensatze dazu hoch in den blauen Himmel und sind, da es hier zu keiner Jahreszeit an Feuchtigkeit fehlt, von scheinbar unerschöpflicher Fruchtbarkeit. Auf ihnen findet man daher Landschaftsbilder, die zu den schönsten der Erde gehören. Die wilde Zerrissenheit der vom Erdbeben gespaltenen Felsen wird regelmäßig binnen kurzer Zeit durch eine prächtige Pflanzendecke gemildert.

Auch diese hochragenden Inseln sind in der Regel von Korallenbänken umgeben, die sich teils unmittelbar an den Küstensaum ansetzen, teils in einiger Entfernung um die Insel herumlaufen. Namentlich letztere werden von den Schiffern als Schreckgespenst gefürchtet. Wehe dem Fahrzeug, das vom Sturm auf diese stahlharten Klippen geworfen wird! Bei gutem Wetter verrät die über ihnen stehende weißschäumende Brandung glücklicherweise dem Seefahrer schon von fern die gefährliche Stelle. Das Anlegen an der Insel erfordert aber auch dann noch die höchste Kunst und Ortskenntnis des Steuermanns; denn die schmale Einfahrt mit der nötigen Wassertiefe ist schwer zu erkennen. Die Inselflur der Südsee hat infolge dessen auch schon unzähligen Schiffern ein feuchtes Grab bereitet. Wollte man auf der Karte unseres Südseegebietes jede Schiffbruchstelle mit einem Kreuzchen bezeichnen, sie wäre förmlich damit übersät.

Der Geograph teilt diese ganze Inselwelt in drei große Gruppen: Melanesien, Mikronesien und Polynesien. Mit ersterem Namen bezeichnet man die an Neu-Guinea sich anschließenden Inseln, die den Bismarck-Archipel und die Salomon-Inseln umfassen, jenseits der deutschen Grenze aber bis zu den Fidschi-Inseln sich hinziehen. Sie liegen alle südlich vom Äquator. Der Name Melanesien nimmt auf die schwarze Hautfarbe der Bewohner Bezug. Ungefähr zwischen den gleichen Längengraden, aber nördlich vom Äquator liegen die Inselhaufen Mikronesiens: die Marshall-Inseln, Karolinen, Palau-Inseln und Marianen. Wie ihr ebenfalls griechischer Name besagt, handelt es sich hier um besonders kleine Eilande, bei denen die Form des Atolls überwiegt. Polynesien endlich ist der Sammelname für die über einen noch viel größeren Raum ausgestreuten Inseln im Osten von Melanesien. Sie stehen unter der Oberhoheit verschiedener Kolonialmächte; vom deutschen Besitz liegt dort nur Samoa.

Die Eingeborenen der Südsee-Archipele sind in Aussehen und Lebensart fast ebenso verschieden wie die Inseln, auf denen sie wohnen. Zu einer abschließenden Völkerkarte reichen die vorhandenen Vorarbeiten noch lange nicht aus. Wenn wir den Ausdruck "Südsee-Insulaner" gebrauchen, so ist das eine willkürlich gewählte Bezeichnung, mit der die verschiedenartigsten Völkerstämme zusammengefasst werden.

Bild aus Wikipedia

Mann und zwei Töchter
Vor 1900

Die angesehenstenVertreter der Völkerkunde sind der Meinung, dass wir hier vor einer merkwürdigen Mischung der großen Menschenrassen stehen. Neben gewissen Merkmalen der Neger finden sich solche der Malaien; ja es wird sogar von einer Verwandtschaft der östlichen Insulaner mit den Indianern Amerikas geredet. Fr. Ratzel, eine unbestrittene Autorität auf diesem Gebiet, war der Ansicht, dass über die Inseln der Südsee einst ein Verkehr zwischen der alten Welt und dem amerikanischen Kontinent gegangen sei, bevor Kolumbus den letzteren bei seiner ersten Durchquerung des Atlantischen Ozeans fand. Wie dem auch sein mag, an einer Völkermischung großen Stils ist nicht zu zweifeln. Anscheinend hat aber das südliche Asien zur jetzigen Rassenmischung auf diesen Inseln den Hauptbestandteil geliefert. Nur ist der hier entstandene Menschenschlag noch stattlicher als in Vorder- und Hinterindien. Seitdem vollends der große Weltverkehr die Inselflur in allen Richtungen durchschneidet, wird ihre Völkerkarte von Jahr zu Jahr bunter. Zwischen die eingeborene Bevölkerung setzt sich allenthalben der weiße Mann hinein. Die Plantagenbesitzer führen womöglich auch Kulis aus Ostasien herbei. Ihnen folgt der chinesische und japanische Händler. Kurz, man kann sagen, dass die Menschenrassen sich auf den Inseln der Südsee ein Stelldichein geben.

Der deutsche Besitz hat, wenn man von dem abseits liegenden Samoa absieht, eine breitgezogene, annähernd eiförmige Gestalt. Seine Ausdehnung von West nach Ost, das ist von den Palau- zu den Marshall-Inseln, beträgt etwa 4.500 km und kommt damit der Entfernung von Gibraltar bis zum Nordkap gleich. Die Breite (von der südlichen Grenze des deutschen Besitzes auf Neu-Guinea bis zu den nördlichsten Inseln der Marianen) erreicht mehr als 3.000 km, was der Entfernung von Gibraltar nach Stockholm entspricht.

dass der deutsche Adler jetzt über den Palmen jener Inseln flattert, ist in erster Linie auf den Unternehmungsgeist der hanseatischen Kaufleute, namentlich des so bekannt gewordenen Großkaufmanns Caesar Godeffroy in Hamburg zurückzuführen. Wäre man ihren Wünschen daheim hurtiger nachgekommen, so hätte das Deutsche Reich schon Ende der 70er Jahre seine Hand auf jenen wertvollen Besitz gelegt und wohl ohne besondere Schwierigkeiten einen größeren Anteil erlangt. Aber damals fehlte bei uns in weiten Kreisen noch das Verständnis für Notwendigkeit und Wert der Kolonien. Erst von 1884 an führte das immer dringender werdende Verlangen der Neu-Guinea-Kompagnie zur Entfaltung der deutschen Macht in Kaiser Wilhelms-Land und dem Bismarck-Archipel, denen sich später die Marshall-Inseln anschlossen. Auch die Karolinen waren schon so gut wie in unseren Händen, als Bismarck aus Gründen der europäischen Politik sie samt den Marianen unter ein päpstliches Schiedsgericht stellte, wodurch sie an Spanien fielen. Aber nur für kurze Zeit. Im Jahre 1900 wurden sie durch Kauf endgültig unserm Südseebesitz angegliedert. Das viel umstrittene weit abliegende Samoa ist unsre letzte Erwerbung. Durch ein Abkommen zwischen den meistbeteiligten Kolonialmächten fiel die eine Hälfte der Inselgruppe (Upolu und Sawaii nebst einigen kleinen Eilanden) im Jahre 1900 an Deutschland, die andre an die Vereinigten Staaten. Letztere besitzen in der zu den Marianen gehörigen kleinen Insel Guam auch mitten im deutschen Gebiet eine Enklave.

Für Besitzungen in der Südsee sind umfassende Schiffsverbindungen natürlich von großen Werte. Seitdem die Spanier im Zeitalter der Reformation von der Westküste Mittelamerikas aus zum ersten Mal den großen Ozean gesehen und der Südsee ihren Namen gegeben hatten, reizten die aus nebelhafter Ferne auftauchenden Inseln immer mehr den abenteuernden Seefahrer. Forschungstrieb und Wissbegierde, nicht minder aber Neugier und Habsucht führten von einer Inselgruppe zur andern. Unter den Kauffahrteischiffen, die in den letzten Jahrhunderten die Heimat unsrer Gegenfüßler aufsuchten, waren auch manche deutsche. Sie sind im Laufe der Zeit immer zahlreicher geworden. Die Entstehung des Deutschen Reiches und eine schnell wachsende Handelsflotte führten die deutsche Flagge in der Neuzeit wie im Fluge um den Erdball. Vertreten unsre stahlgepanzerten Kriegsschiffe des Vaterlandes Macht und Ehre, so geht das Streben der großen Schifffahrtsgesellschaften, allen voran des Norddeutschen Lloyd, dahin, ihre durch Schönheit und Schnelligkeit berühmten Dampfer auch zu unentbehrlichen Eilboten in der Südsee zu machen. Schon seit vielen Jahren läuft eine ihrer Linien über das südliche Asien zur Küste Australiens und findet in Sydney Anschluss an zwei Nebenlinien, von denen die eine über Neu-Pommern und Kaiser Wilhelms-Land nach Hongkong, die andere im großen Bogen über die Marshall-Inseln, Karolinen und Marianen ebendahin führt. Diese Reichspostdampfer legen aber nur an einigen Hauptplätzen an. Passagiere und Güter, die nicht für diese bestimmt sind, müssen sich an den Knotenpunkten eins der kleineren Fahrzeuge sichern, welche die Küstenschifffahrt betreiben. Will man aber noch freiere Bewegung fürl den Besuch kleiner und kleinster Inseln haben, so bleibt nichts anderes übrig, als für Geld und gute Worte den Kapitän eines jener Handelsdampfer zu dingen, die zur Überbringung von Waren oder zum Einholen der von den Eingeborenen eingehandelten Rohprodukte fast immer auf einer Südseereise unterwegs sind.

Die Post wird von den eben erwähnten Reichspostdampfern zu den wichtigsten Punkten unserer Besitzungen befördert. Es ist schon eine Menge Postanstalten auf den Inseln errichtet. Wer sich weit abseits von den Dampferlinien niederlässt, ist freilich für das letzte Stück noch auf die Privatbeförderung seiner Briefe angewiesen. Es vergeht deshalb beinahe ein halbes Jahr, bevor man von einer abgelegenen Missionsstation Antwort auf eine briefliche Anfrage haben kann. Von großem Vorteil ist der Umstand, dass Briefe und Drucksachen in diese fernen deutschen Gegenden zu derselben billigen Taxe befördert werden, wie im Inlande. Wie wird dadurch der geistige Austausch mit der Heimat erleichtert.

Wenn wir im folgenden Kapitel eine Orientierungsfahrt durch die Missionsfelder der Südsee antreten, liegt es am nächsten, eins der von Sydney ausfahrenden Missionsschiffe zu benutzen. Die für uns inbetracht kommenden Teile der Inselwelt werden regelmäßig von mehreren solchen Schiffen befahren. Da ist z. B. der teils mit Segeln, teils mit Dampfkraft fahrende "John Williams" der Londoner Mission. Ferner die schmucke Segeljacht "George Brown" der australischen Methodisten-Mission. Bis vor kurzem auch ein dem American Board gehöriger flinker Dampfer "Morgenstern", der leider 1906 aus dem Dienst gezogen wurde, weil seine Unterhaltung der Missionsgesellschaft zu teuer ward. Welche Reisen solch ein Missionsschiff macht, mag ein kurzer Abschnitt aus dem vom Kapitän des "John Williams" geführten Schiffstagebuch zeigen. Wir greifen die erste beste Fahrt heraus. Das Schiff war auf dieser Reise 3 Monate 18 Tage unterwegs und legte in dieser Zeit 18.155 km zurück, 7.043 davon unter Segel und Dampf, 11.112 ganz unter Dampf. Es wurden 24 Europäer und 306 Eingeborene auf verschiedene Entfernungen befördert. In Häfen oder bei hafenlosen Inseln wurde 53 mal gelandet. Das Schiff hatte, einen tüchtigen Sturm zu bestehen; bei den Gilbert-Inseln war das Wetter besonders schlecht. Während dieser Unwetters mehrte sich die Passagierzahl durch ein Kindlein, das einem Südseelehrer geboren ward. Die meisten Fahrgäste benutzten das Schiff nur von einer Insel zur andern; bei der Rückkehr nach Sydney hatte es einige Missionsgeschwister an Bord, die auf Urlaub gingen.

Ähnlich verlaufen die meisten glücklichen Expeditionen dieser Missionsschiffe. Es kommt freilich auch vor, dass sie in einen Taifun oder sonst wie in Gefahr geraten. Ist eins gescheitert, so sorgen die Missionsfreunde der Heimat in der Regel dafür, dass ein stärkeres Fahrzeug desselben Namens an seine Stelle kommt.

Inhaltsverzeichnis 


Eine Rundfahrt durch die deutsche Südsee

Ein frischer Südwind schwellt die Segel unsres von der Ostküste Australiens kommenden Missionsschiffes. Wir halten den Kurs auf Neu-Guinea. Es ist ein weit ausschauender Reiseplan, der vor uns liegt. Wir möchten auf einer einzigen Fahrt soviel als möglich von unsren schönen Besitzungen in der Südsee sehen. Von eingehenden Studien kann dabei selbst-verständlich nicht die Rede sein. Wir begnügen uns vor der Hand mit einer flüchtigen Orientierungsfahrt, die uns einigermaßen mit Land und Leuten bekannt macht, soweit das vom Schiff aus oder bei gelegentlichem kurzen Landaufenthalt möglich ist. Unser Besuch soll den wichtigsten deutschen Regierungs- und Handelsplätzen gelten. Gleichzeitig aber kommt es uns auf die Arbeitsfelder der evangelischen Mission an. Können wir auch nur wie im Fluge an den einzelnen Stationen vorübereilen, so möchten wir bei dieser Orientierungsfahrt doch ihre Lage und den Stand der Missionsarbeit im großen und ganzen kennen lernen. Später sollen mehrere Einzelbilder in diesen Rahmen eingefügt weiden.

Unser erstes Ziel ist

Kaiser Wilhelms-Land

Diesen stolzen Namen führt jenes Viertel von Neu-Guinea, über dem seit 1885 die deutsche Flagge weht. Holland und England teilen sich mit uns in die riesige Insel. Welche der drei Mächte das beste Teil erlangt hat, ist zurzeit schwer zu sagen, weil die Erforschung noch in den Anfangsschwierigkeiten steckt. Holland erhielt das größte Stück, Deutschland das kleinste. Unser Anteil ist aber immerhin halb so groß wie das Königreich Preußen und bildet in unserm vielgeteilten Südseebesitz die größte einheitliche Landmasse.

Die deutsche Küste, der wir uns von Südosten her nähern, bietet beim ersten Anblick ein mächtiges, aber düsteres Bild. Da steigen gewaltige Gebirge in langen Ketten auf, von denen eine hinter der anderen sich auftürmt. Ihre höchsten Gipfel, die noch der genauen Vermessung harren, werden nicht viel hinter dem ostafrikanischen Kilimandscharo, dem höchsten Berge auf deutschem Boden, zurückbleiben. Der blaue Dunstschleier, der wie bei den oberbayrischen Alpen das Gebirge umwob, als wir es aus größerer Entfernung schauten, verschwindet bei unserer Annäherung. Aber statt der feineren Linien, in die sich unsere Alpenlandschaften auflösen, erblicken wir im aufsteigenden Kaiser Wilhelms-Land ein blockiges Gebirgsland. Es imponiert durch seine Größe; doch die Anmut fehlt ihm. Die Hänge sind mit einem gleichmäßigen dunkeln Grün bedeckt. Das ist der Urwald, der im deutschen Gebiet allenthalben das Landschaftsbild beherrscht. Er ist sehr dicht und bildet einen fast lückenlosen, zusammenhängenden Bestand. Man sagt, ein Baumkänguru könne von Ast zu Ast kletternd das ganze Kaiser Wilhelms-Land durcheilen, ohne ein einziges Mal den Erdboden zu berühren. Vom Schiff aus nimmt man hier und da hellere Flecken im einförmigen Waldesgrün wahr. Es sieht fast aus, als lägen da oben saftige Gebirgswiesen. Kommt man aber an Ort und Stelle, so ist die Lichtung mit zwei bis drei Meter hohem Gras bedeckt; eine Wildnis, die dem Wanderer nicht weniger Schwierigkeiten bereitet als der Urwald.

Die Küste ist wenig gegliedert. Es sind wohl einige große Buchten da, aber nicht viele gute Häfen. Möglich, dass die genauere Erforschung später noch manche brauchbare Landungsstelle finden lässt. Das Innere ist gegenwärtig noch fast unerforscht, obgleich Kaiser Wilhelms-Land mit zu den ersten deutschen Erwerbungen gehörte. Einzelne wissensdurstige Forscher haben dann und wann den Kapitän ihres Dampfers zu bewegen gewusst, auf einem der großen Flüsse mit der Barkasse stromaufwärts zu fahren. Aber die dem Fahrzeug von den im Wasser treibenden natürlichen Hindernissen und der Bemannung von feindseligen Eingeborenen drohenden Gefahren bereiteten solchen Pionierfahrten in der Regel ein schnelles Ende. Nur der etwa in der Mitte unserer Küstenlinie mündende Kaiserin Augusta-Fluss ist in seinem Unterlaufe etwas besser bekannt geworden. Die alle Berge bedeckende Vegetation ist in den Flusstälern natürlich noch üppiger und wehrt alle Landungsversuche ab.

Die Bevölkerung ist anscheinend sehr dünn. Man spricht von etwas über 100.000 Bewohnern. Das ist aber eine willkürliche Schätzung. Von einer wirklichen Zählung kann bei unserer Unbekanntschaft mit dem Innern noch nicht die Rede sein. Den Grundstock bilden die starkknochigen und gegen alle fremden misstrauischen Papua. Dort im dunkeln Baumschatten am Ufer arbeiten die hünenhaften, fast ganz nackten Gestalten am Bau der großen Kanus, auf deren Verfertigung sie sich trefflich verstehen. Es gehen wahre Prachtstücke, mit reichem Schnitzwerk und bunter Bemalung versehen, unter ihren geübten Händen hervor. Sobald die dunkelhäutigen Männer aber bemerken, dass ein Dampfer sich ihrer Küste nähert, verschwinden sie im Walde. Sie gehen dem landenden Europäer womöglich aus dem Wege, zumal wenn sie schon einen Zusammenstoß mitder Polizeitruppe erlebt haben. Anfangs versuchten sie es mehrere Male, sich mit den neuen Eindringlingen zu messen.

Da ertönten die schaurigen Klänge des Muschelhorns und der Kriegstrommel, welche die waffenfähigen Männer zusammenriefen. Ist ihre aus Pfeil und Spieß bestehende Bewaffnung auch den Hinterladergewehren der Polizeitruppe nicht gewachsen, so können die wilden Söhne des Landes den Fremden durch ihre Überzahl doch gefährlich werden. Schon mancher Europäer fiel ihrem Angriff zum Opfer. So der Forschungsreisende Otto Ehlers, der vom Huon-Golf aus die Insel durchqueren wollte, und später der vielbetrauerte Gouverneur Curt v. Hagen. Auch zwei Sendboten der Rheinischen Mission, Bösch und Scheidt, fanden einen gewaltsamen Tod von der Hand derer, denen sie das Evangelium bringen wollten.

Bald nachdem wir den steil aus der Meeresflut aufsteigenden Mitrafelsen an der deutsch-englischen Grenze passiert haben, läuft unser Schiff in den weiten Huon-Golf ein. Der ortskundige Steuermann hält quer über die Bucht auf die Spitze der von den Nawlinsonbergen überragten Halbinsel zu. Dort liegt in der Nähe des einst viel genannten Finschhafen das erste Arbeitsfeld der Mission, das wir besuchen wollen. Bayrische Lutheraner aus Neuendettelsau, die durch ihre vorangegangene Missionstätigkeit unter den Eingeborenen von Nordaustralien für die Arbeit unter diesen Insulanern vorbereitet waren, wirken seit etwa 20 Jahren hier. Sie haben die Anfangsschwierigkeiten glücklich überwunden. Das nicht weit von Finschhafen gelegene Simbang war ihre erste Station. Es hat viel Leid der Missionsgeschwister gesehen; aber auch den Freudentag des ersten Tauffestes, das unter den Papua von Kaiser Wilhelms-Land gefeiert werden konnte. Fast ebenso alt ist die Niederlassung auf den Tami-Inseln, deren spärliche Bevölkerung jetzt fast ganz für das Christentum gewonnen ist. Zu diesen Erstlingsstationen ist im Laufe der Jahre eine ganze Reihe weiterer Missionsplätze gekommen. Den Tami-Inseln gegenüber auf dem Festlande liegt Yabim und in dessen Nähe der Loganeng-Berg, wo die eingeborenen Gehilfen der Neuendettelsauer herangebildet werden sollen. Wollten wir tiefer in den Huon-Golf hineinfahren, so kämen wir bald an das auf einer Halbinsel erbaute Deinzerhöhe, nach einem früheren Missionsinspektor von Neuendettelsau so genannt. Die Landschaft Bukaua, in der es liegt, hat sich als ein recht hoffnungsvolles Missionsfeld erwiesen. Die Seelenzahl der Station geht schon in die Hunderte. Noch weiter westwärts liegt die neu gegründete Station am Kap Arcona. Binnen kurzem werden voraussichtlich auch die innersten Teile des Golfs in den Bereich der christlichen Predigt gezogen sein.

Aber unsre Fahrt geht nordwärts. Wenn wir in Finschhafen anlegen, finden wir nicht mehr den blühenden Ort früherer Jahre mit seiner großen Europäeransiedelung. Bis 1891 befand sich hier das Verwaltungszentrum der Neu-Guinea-Kompagnie. Fleißige Hände rodeten die Wildnis aus und errichteten ein schmuckes Haus neben dem andern. Da stellte sich ein furchtbares Sterben unter den Kolonisten und Beamten ein. Von den arbeitsfreudigen Männern, die sämtlich in der Blüte der Jahre standen, ward einer nach dem andern dahingerafft. Die sich häufenden Todesfälle bewirkten eine förmliche Panik unter den Weißen. Der Regierungsplatz wurde zeitweilig ganz verlassen. Noch vor wenigen Jahren fand ein Besucher als Spuren ehemaliger Kultur nur noch die kümmerlichen Reste einer Kokospalmenpflanzung, einen Kaffeestrauch, einen Mangobaum, verwilderte, aus anderen tropischen Gegenden eingeführte Ziersträucher sowie - die Gräber unsrer Landsleute. Das hat die Malaria angerichtet, die dem Europäer in diesen Küstenstrichen furchtbar zu schaffen macht. Das Klima von Kaiser Wilhelms-Land gilt für ebenso ungesund wie die schlimmsten Teile von Westafrika. Das Fieber lauert in den Wohnhäusern der Regierungsbeamten, der Missionare und Pflanzer immer hinter der Tür. Will sich der weiße Mann vor der wenn nicht tödlichen, so doch furchtbar schwächenden Krankheit bewahren, so muss er sich entschließen, seinen Körper durch eine in regelmäßigen Zwischenräumen genommene Dosis Chinin widerstandsfähig zu machen. Freilich bringt dieses Medikament andere Gesundheitsstörungen und Unannehmlichkeiten mit sich. Aber so lange man noch kein anderes Schutzmittel gegen den schleichenden Feind hat, muss man für den guten Dienst, den das Chinin erfahrungsgemäß leistet, dankbar sein.

Die Neuendettelsauer Mission hat der Gefahr auch durch Anlegung hochgelegener Stationen zu begegnen gesucht. Von dem dicht beim langsam wieder auflebenden Finschhafen gelegenen Pola, wo Missionar Pfalzer den Verkehr seiner Brüder mit der Außenwelt regelt, steigen wir zu der Sattelberg-Station hinauf. Sie gilt als Gesundheitsstation der Mission und hat auf sie gesetzten Hoffnungen nicht enttäuscht. Hier haben die Männer und Frauen, die dauernd oder auch nur vorübergehend oben weilen, eine fast doppelt so große Arbeitskraft, wie unten in der Niederung. Man sieht das am trefflichen Stand der Niederlassung, die schon manchem Besucher Ausrufe der Bewunderung abgenötigt hat. Es wird aber auch ein reiches Maß geistiger und geistlicher Arbeit hier oben getrieben. Nur behagt es den Küstenbewohnern in dieser Höhe von 900 m nicht recht, weil die Station zeitweilig in Wolken gehüllt wird. Weniger hoch und eln Stück landeinwärts liegt Wareo. Die dortige Niederlassung ist auch in frohem Aufschwung begriffen.

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Bei der Weiterreise von Finschhafen treffen wir noch auf die Küstenstation Heldsbach und nach längerer Fahrt auf Blücherhut und Kap König Wilhelm, wo die Neuendettelsauer Mission eben erst Fuß gefasst hat. Sie knüpfte auch schon Verbindungen mit den Bewohnern der östlich von hier liegenden Siuassi-Inseln an, die bereits zum Bismarck-Archipel gehören. Die erste Berührung mit ihnen fand auf den Tami-Inseln statt. Das kann zu einer Brücke nach Neu-Pommern werden.

Eine ziemlich einförmige Küstenfahrt bringt uns in die AstroIabe-Bai. Hier liegt in Friedrich Wilhelms-Hafen der Mittelpunkt des deutschen Lebens. Was Finschhafen einst zu werden versprach, aber nicht hielt, das ist diese Regierungsstation geworden. Die schweren klimatischen Gefahren und die bisherige geringe Erschließung von Kaiser Wilhelms-Land haben es angezeigt erscheinen lassen, dieses Gebiet zunächst mit dem Bismarck-Archipel, den Karolinen und Marianen zu einem großen Verwaltungsbezirk zu vereinigen, der zwar den Namen Deutsch-Neu-Guinea führt, dessen Gouverneur aber seinen Sitz drüben auf Neu-Pommern hat. Immerhin ist das Bezirksamt in Friedrich Wilhelms-Hafen ein lebhafter Ort mit einem größeren Beamtenstab; in der Nähe findet sich ein ausgedehnter Plantagenbetrieb. Die Lage des Amtes ist von besonderer Schönheit. Der Hafen gilt als einer der besten an der deutschen Küste von Neu-Guinea. Er ist nicht sonderlich groß, aber tief genug, um die großen Dampfer bis an die Landungsbrücke heranfahren zu lassen. Der prachtvollste Tropenwald bedeckt die Ufer. Ganze Scharen bunter Vögel beleben ihn, sodass man in dem sonst so düsteren und erhabenen Neu-Guinea hier auch einmal ein liebliches Landschaftsbild zu sehen bekommt. Die von Beamten und Kaufleuten bewohnten Häuser leuchten zwischen den Baumgruppen, in denen prächtige Palmen auffallen, hell hervor. Auf der nahegelegenen großen Pflanzung wurde bisher Tabak gebaut, er gedeiht aber nicht so gut, wie man erst dachte. Daher soll er mit anderen Nutzpflanzen vertauscht werden. Eine Strecke südlich vom Regierungssitz liegt Stephansort, die Hauptansiedelung der Neu-Guinea-Kompagnie. In unmittelbarer Nähe von Friedrich Wilhelms-Hafen hat sich die Rheinische Mission niedergelassen. Diese durch ihre Leiden in Deutsch-Südwestafrika allgemein bekannt gewordene Gesellschaft musste auch hier gleich beim Beginn ihrer Tätigkeit durch eine Reihe schwerer Prüfungen hindurchgehen. Die Ermordung ihrer beiden Missionare Bosch und Scheidt, die im Jahre 1891 eine Station in der Franklin-Bai anlegen wollten, ward bereits erwähnt. Auch das Fieber riss große Lücken in ihre Reihen. Es gab Zeiten, wo eine Todesnachricht die andere jagte. Dazu kam eine fast zwei Jahrzehnte andauernde Unempfänglichkeit der Papua für die christliche Predigt. Erst in jüngster Zeit wurde der passive Widerstand der Heiden gebrochen. Ja es hat fast den Anschein, als wollten sie nun um so eiliger nachholen, was sie so lange verwehrten. Nachdem 1905 der Erstling getauft war, und im folgenden Jahre ein größeres Tauffest veranstaltet werden konnte, drängen sich die Taufbewerber jetzt in Scharen herzu. Die älteste Missionsniederlassung ist das nahe bei Stephansort gelegene Bogadjim. Einige Jahre später ward die kleine Insel Siar bei Friedrich Wilhelms-Hafen besetzt, in neuerer Zeit die der Regierungsbucht direkt vorgelagerte größere Insel Ragetta (Gragät). In Bongu hat die Mission auch schon einen nach der anderen Seite vorgeschobenen Posten. Zuletzt ward Nobonob auf dem Hansemannberg angelegt. Es soll Gesundheitsstation werden.

Wollten wir unsere Fahrt noch weiter an der Küste von Kaiser Wilhelms-Land fortsetzen, so kämen wir in das von der katholischen Mission besetzte Gebiet. Ihr Ausgangspunkt war der nicht weit von der holländischen Grenze liegende Berlin-Hafen. Im Laufe der Jahre rückte sie aber den evangelischen Stationen immer näher. Alerishafen, wo ihr Hauptquartier angelegt wird, liegt schon nicht mehr weit von Friedrich Wilhelms-Hafen. Bisher war glücklicherweise in Neu-Guinea von konfessionellen Reibereien noch keine Rede.

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Der Bismarck-Archipel

ist unser nächstes Reiseziel. Er bildet den Übergang von der gewaltigen Landmasse Neu-Guineas zu den weit zerstreuten Inselchen der Karolinen. Das gilt nicht nur von der geographischen Lage, sondern auch vom Verhältnis zwischen Seefläche und Landareal. Zwar finden wir im Bismarck-Archipel noch zwei sehr bedeutende Inseln, Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg (vor der deutschen Besitzergreifung hießen sie Neu-Britannien und Neu-Irland), aber ihre Umgebung wimmelt bereits von teils in Gruppen, teils vereinzelt liegenden kleinen Inseln. Die in die Länge gezogene, wunderliche Gestalt der beiden Hauptinseln, wie ihre vom Meer furchtbar zernagten Küsten legen den Gedanken nahe, dass hier einst ein mit Neu Guinea zusammenhängendes Festland gewesen sein mag, dessen größter Teil vom Meer verschlungen wurde. Von den neben den Hauptinseln liegenden Gruppen mögen nur die Französischen Inseln, Neu-Hannover und die Admiralitäts-Inseln genannt sein. Die Bewohner des ganzen Archipels sind mit den Papua nahe verwandt.

Unsere Fahrt geht an der Nordküste von Neu-Pommern hin. Die Insel ist von West nach Ost gemessen etwa 500 km lang. Obwohl sie vor Kaiser Wilhelms-Land den Vorzug der Zugänglichkeit von allen Seiten hat, teilt sie doch mit ihm das Los, noch sehr wenig erforscht zu sein. Die Küsten werden zwar von Jahr zu Jahr besser vermessen; die Halbinseln und Buchten haben allmählich Namen bekommen, sodass die Spezialkarten immerhin schon viele Ortsbezeichnungen aufzuweisen haben. Um die genauere Kenntnis ist es aber trotzdem schlecht bestellt. Über das Innere, seine Bodengestalt, Bewaldung und Bevölkerung ist man noch völlig im Dunkeln. Nur ein verhältnismäßig kleiner Teil ist gut bekannt, die gegen Neu- Mecklenburg vorspringende Gazelle-Halbinsel. Auf ihr residiert der Gouverneur von Deutsch-Neu-Guinea, denn der Bismarck-Archipel und der deutsche Teil der Salomon-Inseln gehören, wie gesagt, mit Kaiser Wilhelms-Land zum Verwaltungsgebiet dieses Namens. Mehrere große Handelshäuser haben hier ihre Hauptniederlassung und, was für uns besonders wichtig ist, hier hat auch seit Jahrzehnten die vom australischen Festlande herübergekommene Methodistenmission ein reich gesegnetes Arbeitsfeld gefunden. Es ist ein merkwürdiger Gegensatz zwischen dem verhältnismäßig weit vorgeschrittenen Kulturleben auf diesem kleinen Zipfel und der urwüchsigen Wildnis in den übrigen Teilen der großen Insel. Es macht den Eindruck, als hätten sich die Kolonisatoren im Anfang so zusammengedrängt, um in einer geschlossenen Gruppe den von Seiten der wilden Eingeborenen drohenden Gefahren besser gewachsen zu sein.

Der Mittelpunkt des Europäerlebens liegt an der schönen Blanche-Bai im äußersten Nordosten der Halbinsel. Hier breitet sich eins der anmutigsten Südseebilder vor uns aus. Der schön geschwungene Strand der weiten Bucht ist auf große Strecken mit Kokospalmen bepflanzt. Aus den in guter Ordnung gehaltenen Plantagen grüßen stattliche Europäer-Häuser herüber. Hier und da wird auch eine Kirche zwischen den Bäumen sichtbar. Wir gehen in Herbertshöhe, dem Sitz des Gouverneurs, an Land. Neben den öffentlichen Gebäuden fesseln die eleganten Wohnungen der Händler und Pflanzer unser Auge. In diesen Häusern wird eine weitgehende Gastfreundschaft geübt. Eine der angesehensten Faktoreien gehört einer unternehmungslustigen Samoanerin, die einen Deutschen geheiratet hat und volle Ebenbürtigkeit mit den Europäern beansprucht. Unter den Plantagen, die sachkundig angelegt sind und aufs Beste gepflegt werden, finden wir einige recht bedeutende, die bereits ein Gelände von mehr als 1.000 Hektaren unter Kultur haben.

Um einen Überblick über die Landschaft zu gewinnen, steigen wir zu einer der hinter Herbertshöhe liegenden Anhöhen hinauf. Dabei haben wir Gelegenheit, in flüchtige Berührung mit den Eingeborenen zu kommen, die auf der Gazelle-Halbinsel ziemlich dicht bei einander wohnen und die ursprüngliche Wildheit der Insulaner anscheinend ganz abgelegt haben. Ihre schmalen Fusspfade schlängeln sich in vielen Windungen bergauf bergab durch den dichten Wald. Die Gehöfte der Kanaken (so werden die Bewohner des Bismarck-Archipels in der Regel ohne Rücksicht auf die Stammesunterschiede genannt) enthalten meist drei bis fünf von einem mit ziemlicher Kunstfertigkeit geflochtenen Zaun umschlossene Hütten. Es erregt hier, wo schon ein lebhafterer Fremdenverkehr herrscht, kein besonderes Aufsehen, wenn wir in die Tür treten. Ein kurz ausgestoßenes "ò" tönt uns als Gruß entgegen. Wenn die Bewohner Christen sind, werden wir vielleicht auch eingeladen, näherzutreten und eine Kokosnuss als Erfrischung zu genießen. Die Leute gingen ursprünglich hier ganz nackt, was von andern Teilen der Insel noch immer gilt; jetzt aber tragen sie meist Lendenschurze europäischer Herkunft. Die Frauen haben wohl auch ein leichtes Gewand oder Tuch um den Oberkörper geschlungen.

Auf der Höhe öffnet sich der Wald, und man genießt einen überraschend schönen Blick auf die reizvolle Blanche-Bai. Jenseits des blauen Wasserbeckens, dessen Strandlinie überaus malerisch verläuft, liegt eine Gruppe erloschener Vulkane. Ihre Größenverhältnisse haben Veranlassung gegeben, sie als "Mutter mit Südtochter und Nordtochter" zu bezeichnen. Rechts davon sieht man in die offene See hinaus und im fernen Hintergrund die mattblauen Berge von Neu-Mecklenburg; davor in größerer Nähe die Neu-Lauenburg-Gruppe, für Mission und Handel gleich wichtig. Auf der linken Seite steigt Busch und Grasland empor. Aus ihm ragt der Kegel des Varzinberges auf, dahinter das dunkle Massiv des dicht bewaldeten Baininggebirges. Am liebsten verweilt das Auge bei den Einzelheiten der herrlichen Bucht. Ihre Ufer gehen offenbar allenthalben einer schnellen Kultivierung entgegen. Der von Herbertshöhe den Strand entlang gebaute gute Weg schließt das ganze Gelände zwischen dem Regierungssitz und dem neuerdings viel genannten Simpsonhafen auf. So heißt der nördliche Zipfel der Blanche-Bai, der einen vor Sturm und Seegang völlig geschützten Ankerplatz bildet und deswegen auch von den Lloyddampfern als Landungsstelle benutzt wird. Dieser Ort soll in Zukunft noch weiter ausgebaut und Sitz der Regierung werden. Dicht daneben liegt das reizende Inselchen Matupi (auch Matupit geschrieben), wo die Hamburger Firma Ed. Hernsheim ihre Hauptniederlassung hat. Von hier erhalten die im Bismarck-Archipel zerstreut wohnenden Einzelhändler ihre europäischen Waren, wofür sie ganze Berge Kopra (das sind getrocknete Kokosnüsse), die sie im Tauschhandel erwerben, an den Stapelplatz auf Matupi abliefern. Auf der Gazelle-Halbinsel ist übrigens die Zeit des reinen Tauschhandels vorbei. Man bezahlt hier bereits mit Geld. Als solches benutzen die Eingeborenen verschiedene Sorten Muscheln, die auf Fäden gereiht sind. Die Einführung deutscher Münzen ist aber nur eine Frage der Zeit.

Es wird uns schwer, von dem schönen Naturbild zu scheiden. Wir haben aber vor unserer Weiterfahrt noch einen wichtigen Besuch zu machen. Darum steigen wir bald wieder zum Meeresstrand hinab, doch zunächst nicht nach Herbertshöhe, sondern nach Raluana. Das ist die Hauptstation der Methodistischen Mission. Sie darf das Verdienst in Anspruch nehmen, im Bismarck-Archipel als Bannerträgerin des Christentums vorangegangen zu sein. Im Jahre 1875 sind ihre ersten Sendboten drüben auf Neu-Lauenburg gelandet. Gleich darauf zogen sie die Nordostecke von Neu-Pommern, in neuster Zeit auch Neu-Mecklenburg in den Schallbereich der christlichen Predigt. Diese große Missionsgesellschaft, die ihren Sitz in Sydney hat, beobachtet eine von den deutschen Gesellschaften abweichende Praxis. Sie benutzt vorzugsweise eingeborene Gehilfen, die sie früher aus den schon länger christianisierten Teilen der Südsee, namentlich aus Fidschi, heranzog. Jetzt ist sie so weit, die zuverlässigsten Christen des Archipels als Prediger und Lehrer unter ihren Landsleuten benutzen zu können. Nur auf den Hauptstationen Raluana und Kabakada (auch diese liegt auf der Gazelle-Halbinsel), Ulu (Neu-Lauenburg), Eratubu, Kukukudu und Omo (Neu-Mecklenburg) wirken weiße Missionare, neuerdings auch von unverheirateten Missionarinnen unterstützt. Zu jedem dieser sechs Distrikte gehört eine große Zahl farbiger Prediger und Lehrer, die in den Dörfchen längs der Küsten und landeinwärts wohnen. Ihre im allgemeinen sehr tüchtige Arbeit wird von Zeit zu Zeit vom Distriktsvorsteher einer Visitation unterworfen. Auch gibt es regelmäßig wiederkehrende Konferenzen, bei denen sie ihre Erfahrungen austauschen und von den Missionaren neue Anregungen empfangen.

Bild von Deite 37

Die von Australien herübergeschickten Missionare sind meist geborene Engländer. Seitdem diese Inselwelt aber unter das deutsche Regiment gekommen ist, nahm die Missionsleitung auch deutsche Männer und Frauen in ihren Dienst. Die Gazelle-Halbinsel hat als Distriktsvorsteher zwei solche, die Missionare Fellmann in Raluana und Wenzel in Kabakada. Während letzterer erst kürzlich auf dem Arbeitsfelde ankam, ist ersterer schon lange hier tätig und einer der besten Kenner des Volkes. Seiner Vermittlung ist es namentlich zu verdanken, dass immer ein gutes Einvernehmen zwischen der Mission und den deutschen Regierungsorganen bestand. Ihm gilt daher auch unser Besuch, In seinem Hause finden wir ein gemütliches deutsches Heim. Nach Besichtigung der durch Ordnung und Sauberkeit ausgezeichneten Station führt uns der Missionar auf eine Anhöhe in der Nähe seines Gehöfts, um uns die Mehrzahl der 50 Kirchorte und Predigtplätze zu zeigen, an denen die seiner Aufsicht unterstellten eingeborenen Gehilfen tätig sind. Neben den Kirchen stehen dort auch schon allenthalben Dorfschulen, während die Hauptstation eine auch höheren Ansprüchen genügende Schule besitzt. Dem Missionar steht außer den etwa 50 Gehilfen schon ein ordinierter farbiger Pastor zur Seite. Wir hören zu unserer Überraschung, dass im Bezirk von Raluana nicht weniger als 1.000 Christen wohnen. Nach der Sitte der methodistischen Gemeinden wird von diesem äußeren Kreis der "Anhänger" ein innerer Kreis der "vollen Gemeindeglieder" unterschieden, der die Abendmahlsgemeinde bildet und nur diejenigen umfasst, die alle Rechte in der Gemeinde genießen. Ihre Zahl ist regelmäßig sehr viel kleiner. Im Bezirk von Raluana sind es z.B. gegenwärtig 580. Dieselbe Bedeutung, die das Zentrum dieses Bezirks für die Ortschaften an der Blanche-Bai hat, kommt der oben erwähnten Hauptstation Kabakada für die jenseits der Landzunge von Simpsonhafen liegende Talili-Bai zu. Die Zahl der Kirchorte und der Anhänger ist dort ungefähr ebenso groß.

Auch die katholische Mission hat auf der Gazelle-Halbinsel zahlreiche Niederlassungen. In Herbertshöhe steht eine schöne gotische Kirche. Auch ist hier der Sitz eines apostolischen Vikars. Da die evangelische Mission schon einige Zeit vor der katholischen auf diesem Arbeitsfelde tätig war, wurde die Ankunft der Katholiken bitter empfunden. Hätten sie sich auf das Baininggebirge westlich von der Blanche-Bai beschränkt und von da aus die noch unbesetzten Teile Neu-Pommerns in Angriff genommen, so hätte ihnen das niemand verargt. Dass sie sich aber auch mitten zwischen die evangelischen Kirchen hineinsetzten, und so den Konfessionsstreit vom Zaune brachen, wird ihnen allgemein zum Vorwurf gemacht. Sie haben ein großes Missionspersonal auf der Gazelle-Halbinsel und auf Neu-Mecklenburg. Den wenigen methodistischen Missionaren im Bismarck-Archipel stehen nach dem Weißbuch von 1907 25 kathol. Priester, 34 Brüder und 25 Missionsschwestern gegenüber. Man wird sich also auf noch stärkere Klagen gefasst machen müssen, als sie die evangelischen Lehrer schon jetzt erheben. Ein Glück, dass die deutschen Regierungsorgane wenigstens den gröbsten Ausschreitungen mit unparteiischer Gerechtigkeit entgegentreten.

Nach Neu-Lauenburg haben wir nur eine kurze Fahrt. Zwei Inseln dieser Gruppe beanspruchen unser besonderes Interesse, obwohl sie der Größe nach weit hinter der Hauptinsel zurückstehen. Das ist Mioko und Ulu. Das erstgenannte kleine Eiland ist wieder ein Geschäftsplatz von hervorragender Bedeutung. Die aus dem Hamburger Handelshaus Godeffroy hervorgegangene Deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft hat es dazu gemacht. In Ulu landen wir, denn hier ist eine besonders wichtige Missionsniederlassung zu besichtigen. Die Methodisten haben seinerzeit einen großen Teil der Insel erworben und gehen energisch vor, ihn mit Kokospalmen zu bepflanzen, um aus deren Ertrag die Kosten ihres Werkes wenigstens teilweise zu bestreiten. Aber wichtiger als diese prächtig gedeihende Palmenpflanzung ist die geistliche Pflanzschule der Insel, das Seminar für eingeborene Lehrer und Prediger. Es beherbergt gegen 49 Zöglinge, die von den verschiedenen Inseln des Bismarck-Archipels stammen. Die Zeit scheint nicht mehr fern zu sein, wo die aus andern Teilen der Südsee gekommenen christlichen Lehrer ganz durch solche einheimische Kräfte ersetzt werden können.

Neu-Mecklenburg ist nur durch den schmalen St. Georgs-Kanal von Neu-Lauenburg getrennt. Die quer vor uns liegende langgestreckte Insel ist noch schmäler als Neu-Pommern. An zwei Stellen verengert sie sich sogar zu einem Landstreifen, der in einer Tagereise bequem zu durchqueren ist.

Bei der Weiterfahrt werfen wir einen flüchtigen Blick auf die Südspitze, wo vor 25 Jahren ein französischer Abenteurer Marquis de Rays leichtgläubige Leute zu einer Ansiedelung in Port Breton beschwatzte, wodurch zahlreiche Europäer ins Unglück gestürzt wurden. Heute ist nichts mehr von dem schwindelhaften Unternehmen zu sehen.

Wir fahren an der Westküste von Neu-Mecklenburg nordwärts. Das immerhin bis über 1.000 m ansteigende Gebirge, welches das Gerippe der Insel bildet und nach dem ersten Gouverneur von Neu-Guinea, dem Herrn von Schleinitz, genannt ist, tritt hier hart an die Küste heran und fällt ziemlich steil zum Meer ab, während es sich an der Ostseite allmählich abflacht. Infolgedessen hat unsere Seite wenig gute Häfen. Wir landen aber !n Eratubu, wo die Methodistische Mission seit 1901 ansässig ist und die Anfangsschwierigkeiten glücklich überwunden hat. Noch jünger ist die auf der Ostseite der Insel liegende Station Kudukudu, zu der wir nur durch eine Bergwanderung und nach Durchquerung der Insel gelangen können. Um beide Orte hat sich bereits, wie drüben auf der Gazelle-Halbinsel, ein Kranz von Kirchorten gebildet. Da sie ungefähr auf gleicher Breite liegen, wird wohl bald ein christliches Band quer über die Insel gezogen sein. Nicht weit von Kudukudu wurde die neue Regierungsstation Namatanai angelegt, welche die Südhälfte von Neu-Mecklenburg beherrschen soll.

Die Kultivierung ist aber in diesem Teil der Insel noch weit zurück. Wir sind hier im Lande der Menschenfresser. Das gilt übrigens nicht nur von Neu-Mecklenburg, sondern vom ganzen Bismarck-Archipel; nur dass diese grausige Sitte an den Orten, wo wir bisher verweilten, durch den Einfluss der Mission und durch eine straffe Handhabung der deutschen Gesetze bereits zurückgedrängt ist. Aber außerhalb dieser verhältnismäßig kleinen Kreise ist die Wildheit der Eingeborenen noch ungebrochen. Dr. H. Schnee, der einige Zeit als Kaiserlicher Richter in Deutsch-Neu-Guinea tätig war, schreibt darüber1):

"Jedes Individuum, jede Familie ist in der immerwährenden Furcht, durch einen plötzlichen, hinterlistigen Überfall von feindlichen Eingeborenen abgefangen und getötet zu werden. Die Körper der erschlagenen Feinde werden fast ausnahmslos aufgefressen. Der Kannibalismus ist bei sämtlichen bekannt gewordenen Eingeborenenstämmen des Bismarck-Archipels verbreitet mit alleiniger Ausnahme der einige kleine Inselgruppen bewohnenden Polynesier und wohl auch der hellfarbigen Bewohner der Inseln Matty und Durour. Es handelt sich dabei nicht um eine nur gelegentliche Menschenfresserei. Es ist vielmehr ein ungemein häufiger Fall, dass gerade zu dem Zwecke, Menschenfleisch zu bekommen, Raub- und Mordzüge veranstaltet werden. Wenngleich bei dem Verzehren der erlegten Feinde auch der Gedanke der völligen Zerstörung des verhassten Gegners eine Rolle spielen mag, so ist es doch zweifellos, dass vielfach lediglich das Verlangen nach Menschenfleisch die Kanaken zu solchen Zügen veranlasst. Es werden in manchen Gebieten des Archipels Jagden auf Menschen genau so betrieben, wie man in Europa Jagden auf Wildbret veranstaltet."

Wie lange soll es dauern, bis diesen schrecklichen Zuständen ein Ende bereitet wird? Einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage liefert ohne Zweifel Joachim Graf Pfeil in seinen "Studien und Beobachtungen aus der Südsee", wo er bemerkt, dass der Kannibalismus überall da aufgehört hat, wo die Methodistenmission festen Fuß fasste und wäre es auch nur der vorgeschobene Posten eines farbigen Katecheten. Eingeborene, welche Christen werden, hören natürlich auf, Menschenfresser zu sein. Bei der Fahrt längs der Küste von Neu-Mecklenburg kann es uns geschehen, dass die Bewohner der am Strande liegenden Dörfer eiligst fliehen, wenn wir zu landen versuchen.

Ihre Furcht hängt mit den Arbeiteranwerbnngen zusammen. Das ist ein dunkles Blatt aus der Geschichte der Südsee. Früher waren diese Anwerbungen vielfach von rohen Gewalttaten der Weißen gegen die Farbigen begleitet und von den afrikanischen Sklavenjagden kaum zu unterscheiden. Im deutschen Gebiet ist diesem wüsten Treiben, das uns später noch einmal beschäftigen wird, jetzt ein Riegel vorgeschoben. Damit soll nicht gesagt sein, dass das Übel von Grund aus beseitigt wäre. Die Anwerbungen gehen weiter. Aber es dürfen keine Arbeiter nach außerhalb der deutschen Grenzen verschleppt werden, und unsere Regierung übt eine ordentliche Aufsicht. Der mit dem Zusammenholen der nötigen Plantagenarbeiter beauftragte Agent muss seine Beute an bestimmten Plätzen ärztlich untersuchen lassen, worauf die Angeworbenen dem Richter vorgeführt werden, der sich durch eingehendes Befragen davon zu überzeugen sucht, dass die Leute freiwillig mit dem Werber gegangen sind und wissen, auf wie lange Zeit sie in dem neuen Arbeitsverhältnis zu bleiben verpflichtet sind. Wie die Anwerbung vor sich geht, lassen wir uns von Dr. Schnee erzählen, der bei einer Fahrt an der Küste von Neu-Hannover folgendes Erlebnis hatte:

"Außer dem Kapitän, welcher als erfahrener und den Eingeborenen bekannter alter Südseefahrer in den meisten Fällen selbst als Anwerber auftrat, befanden sich im Boot nur fünf Eingeborene von der Schiffsbesatzung als Ruderer. Beile, Messer, Glasperlen, Tücher und Tabak wurden in das Boot gelegt, um den Kanaken gezeigt und bei der Anwerbung gleich als erste Anzahlung für die Verwandten des Arbeiters benutzt zu werden. Ferner wurde ein Gewehr auf den Boden des Boots gelegt, um im Fall eines Angriffs als Waffe zu dienen. Außerdem hatten wir natürlich unsere Revolver im Gürtel. Wir näherten uns der Küste, an welcher alsbald nackte, mit Speeren bewaffnete Eingeborene erschienen. Wir fuhren dicht an das Ufer heran. Der Kapitän begann nun auf Pidginenglisch die Kanaken aufzufordern, sich anwerben zu lassen, und dabei Tücher, Perlen und andere schöne Dinge verlockend vor den begehrlichen Augen der Leute zu schwenken. Einer der Eingeborenen antwortete auf Pidginenglisch, er sei schon einmal Arbeiter auf der Pflanzung in Herbertshöhe gewesen und wolle auch wieder dorthin gehen. Nachdem er eine Weile mit seinen Landsleuten verhandelt hatte, erklärte sich noch ein andrer bereit mitzugehen. Unser Boot fuhr nun an Land, und die beiden Kanaken stiegen ein, wobei ziemlich erregte Gespräche zwischen ihnen und ihren zurückbleibenden Gefährten stattfanden, welche offenbar die beiden jungen Leute mit geringer Freude abziehen sahen. Doch die reichhaltigen Geschenke, welche ihnen alsbald übergeben und mit Gier in Empfang genommen wurden, schienen versöhnend auf sie einzuwirken, so dass sie schließlich, ihren Gebärden und dem Ton ihres Sprechens nach zu schließen, mit einem freundlichen Lebewohl die beiden Angeworbenen abfahren ließen."

Wenn die Anwerbung immer so zustande kommt, wie hier geschildert, möchte man wohl der Arbeiternotlage, in der sich viele Südsee-Plantagen befinden, ein Zugeständnis machen und sich in diese Art und Weise, wie ein Dienstverhältnis eingegangen wird, finden. Sie wird von dem Anwerben der sogenannten Sachsengänger in Schlesien, Galizien und Russisch-Polen nicht sehr verschieden sein. Ob es aber immer so ordentlich zugeht, und der freie Wille der Angeworbenen maßgebend ist, auch wenn der Kaiserliche Richter nicht an Bord ist?

Im Vorstehenden wurde das Pidginenglisch als Notbehelf zwischen Weißen und Farbigen erwähnt. Das ist ein wunderliches Sprachgebilde; ein Gemisch von Ausdrücken, die größtenteils der englischen Sprache entnommen sind, daneben aber auch manche Bestandteile andrer europäischer Sprachen enthalten, die mit vielen Brocken aus der Mundart der Eingeborenen untermischt sind. Die Wörter werden in der plumpsten Weise ohne jede grammatische Verbindung aneinander gereiht. Bei dem großen Sprachengewirr, das in der Südsee herrscht, ist die Zuhilfenahme eines solchen Verständigungsmittels unvermeidlich. Aber ebenso begreiflich ist der Unmut der deutschen Beamten und aller derer, die in unsern Kolonien das Deutschtum fördern wollen, dass dieses fremde Gewächs sich anscheinend unausrottbar wie in den übrigen Teilen der Südsee so auch auf den deutschen Inseln eingenistet hat. Auch in den Missionskreisen, wo man die Sprachenfrage vom pädagogischen Standpunkt aus beurteilt, bringt man dem Pidginenglisch keine Sympathien entgegen. Doch wird es vermutlich noch lange dauern, bis durch das Erlernen der deutschen Sprache seitens der Eingeborenen in unsern Gebieten Wandel geschafft werden kann. Noch besser wäre es, wenn sämtliche Beamte, Kaufleute und Pflanzer die Sprache der Eingeborenen lernten, wie es die evangelischen Missionare jetzt schon tun. Über die Sprachverhältnisse des Bismarck-Archipels sind wir zwar etwas besser unterrichtet, als über die in Kaiser Wilhelms-Land. Immerhin bleibt noch manche Frage in Bezug auf Verwandtschaft und Abgrenzung der Sprachen unbeantwortet. Auf den größeren Inseln braucht man nur einen mehrstündigen Ausflug ins Innere zu unternehmen, um zu Leuten zu gelangen, die eine andere Sprache als die Küstenbewohner reden. Ebenso führt eine längere Fahrt die Küste entlang bald wieder in ein neues Sprachgebiet, oder die Bewohner haben doch wenigstens eine ganz veränderte Mundart im Vergleich zu denen, die man soeben verließ. Nach Dr. Schnees Feststellungen wird im Norden der Gazelle-Halbinsel, auf Neu-Lauenburg und im Süden von Neu-Mecklenburg eine gemeinsame Sprache geredet. Auf Neu-Pommern sind davon wesentlich verschieden die Bainingsprache und die zwischen beide eingeschobene Taulilsprache. Der Norden von Neu-Mecklenburg hat mit Neu-Hannover und den umliegenden kleineren Inseln wieder eine besondere Sprache. Dasselbe gilt von den Admiralitäts-Inseln. Auch ragt das polynesische Sprachgebiet in den Bismarck-Archipel herein. Als erschwerend kommt bei dieser Mannigfaltigkeit noch in Betracht, dass jedes Idiom wieder eine Menge Dialekte hat, zumal wo die Stämme oder Stammesteile sich bis vor kurzem feindselig zu einander verhielten und dadurch die Ausbildung besonderer Mundarten förderten. So soll man z. B. in der auf der Gazelle-Halbinsel und im Süden von Neu-Mecklenburg gebrauchten Sprache mindestens 20 Dialekte unterscheiden können. Welche Schwierigkeiten der Missionstätigkeit hieraus erwachsen, liegt auf der Hand.

Das im Vergleich zur Gazelle-Halbinsel schwach bevölkerte Neu-Mecklenburg - die Gesamtzahl der Eingeborenen beläuft sich nach amtlichen Quellen im nördlichen Teil der Insel auf nahezu 10000, im Süden und auf den vorgelagerten Inseln, wo allerdings nur Schätzungen vorliegen, auf etwa 28 000 - hat im Norden einen starken Stützpunkt deutscher Macht und Kultur aufzuweisen: die Regierungsstation Käwieng. Sie liegt dem vielgenannten Inselchen Nusa gegenüber ans dem Festland. Ihr Bezirk zeichnet sich in der Nähe der Station durch ein prächtiges Wegenetz, weiter aber durch eine wohl über 150 km mit der Ostküste gleichlaufende gute Straße von 6 in Breite aus. Die als Arbeiter geschätzten Neu-Mecklenburger haben diese Wege unter Anleitung der Regierungsorgane gebaut. Auch der Handel ist an der Nordspitze Neu-Mecklenburgs gut entwickelt. Die Regierung hat Musterplantagen angelegt, treibt Viehzucht und eröffnete vor kurzem ein Hospital für Eingeborene. Die in der Nähe von Käwieng liegenden kleinen Inseln sind meist im Plantagenbetrieb.

Von solchen gesicherten Hauptplätzen, wie wir sie schon drüben in Neu-Pommern und auf Neu-Lauenburg kennen lernten, schicken die größeren Firmen ihre Einzelhändler in die Wildnis vor. Diese sitzen fern vom großen Verkehr und abgeschnitten von aller Kultur auf einem Stück Land, das sie mit Hilfe ihrer Jungen selbst gerodet haben. Beständige Gefahr umgibt sie. Die Eingeborenen, die um sie her wohnen, leben zwar anscheinend in gutem Einvernehmen mit ihnen, aber erfahrungsgemäß verbinden sie mit der Harmlosigkeit des Kindes, die sie heute beweisen, die Blutgier des Raubtiers, die vielleicht morgen schon hervorbricht. Selbst seinen Dienern kann der Händler nicht trauen. Wehe dem, der die nötige Vorsicht auch nur für kurze Zeit außer Acht lässt! Schon mancher hat das mit dem Tode büßen müssen. Andrerseits ist ein solcher Mann freilich unbeschränkter Herrscher in seinem Reich, und gerade das ungebundene Leben in der Wildnis hat für viele eine starke Anziehungskraft. Zu arbeiten braucht der Händler nur, wenn es ihm beliebt. Hat das Schiff, das ihm einen Posten Waren von seiner Firma brachte und die im Tauschhandel gewonnenen Landesprodukte mitnahm, ihn verlassen, so kann er in Essen und Trinken nach heimischer Art schwelgen, denn er wird mit den bekannten Konserven und Getränken reichlich versorgt. Wenn er sich auf den Verkehr mit den Eingeborenen gut versteht, mag er in einigen Jahren ein gutes Stück Geld, mit der Zeit sogar ein kleines Vermögen verdienen und sich damit einen ruhigen Lebensabend unter den Kulturmenschen verschaffen. Manchen gelingt das; namentlich den besseren, soliden Leuten dieses Standes. Aber leider sind diese in der Minderzahl. Viele werden nach einem wüsten, wilden Leben auf einen solchen Posten verschlagen und wollen gar nicht wieder in die geordneten Verhältnisse ihrer Heimat zurückkehren. Auch ehemalige Sträflinge aus Neu-Kaledonien sind darunter. Pioniere der Kultur darf man sie infolgedessen nicht nennen, wenigstens nicht der deutschen christlichen Kultur. Sie geben den Eingeborenen auch in sittlicher Hinsicht kein gutes Beispiel. Viele leben mit eingeborenen Frauen in wilder Ehe.

Auf diese Pfadfinder des Handels sind nun auch im Norden von Neu-Mecklenburg an mehreren Orten die Boten des Evangeliums gefolgt. Die Methodistische Mission hatte sich anfangs hart neben der Regierungsstation festgesetzt. Sie zog es aber hernach vor, ihre Hauptniederlassung nach dem einige Kilometer entfernten Omo an der Johann-Albrecht-Straße zu verlegen. Das geschah 1905. Inzwischen ist eine weitere Station in Mesi eröffnet worden. Neu-Mecklenburg macht sehr schnelle Fortschritte. Das gilt von der Mission wie von der Kolonisation. In der südlichen Hälfte der Insel stehen acht schon gegen 50 einfache Dorfkirchen. Die Wände sind aus dem landesüblichen Mattengeflecht hergestellt, das Dach aus einer dichten Lage trockenen Grases. Im Nordbezirk sind viele solche Kirchen im Bau.

Wir haben uns im Bismarck-Archipel länger aufgehalten, als wir es in den andern Inselgruppen tun können. Bei der Weiterfahrt von Käwieng kommen wir an Neu-Hannover und der St. Matthias-Insel vorbei. Hier macht sich die ordnungschaffende deutsche Hand in neuester Zeit auch mehr und mehr geltend. Missionsbestrebungen gibt es aber auf diesen Gruppen noch nicht. Die Bewohner der Matthias-Insel gelten als besonders scheu.

Der Kurs unsers Schiffes wird von hier ab auf die Mitte der Karolinen gerichtet. Die Entfernung bis dorthin beträgt etwa 1.000 km; sie ist also gleich dem Wege von Berlin bis Genua. Das ist weit genug, uns mit allen Reizen und Tücken einer Südseefahrt bekannt zu machen. Da wir ein Missionsschiff benutzen, haben wir sicher Missionare oder eingeborene Lehrer an Bord, die uns mit ihren Erlebnissen unterhalten. Wir können bei der großen Mannigfaltigkeit der Fahrgäste auch Sprachstudien treiben oder dem Schulunterricht zuhören, der einer Anzahl Knaben, die man von ihrer Heimatinsel mitgenommen hat, erteilt wird. Immerhin würde uns die Zeit lang werden, wenn unser Fahrzeug etwa nur als Segelschiff ausgerüstet wäre. Ruhige Luft oder widriger Wind hält uns dann lange auf. Andrerseits mag uns wohl auch ein Seebeben oder einer der gefürchteten Taifune, in deren Verbreitungsgebiet wir nun kommen, gefährlich werden. Es fehlt aber auf einer solchen Fahrt auch gelegentlich nicht an einem interessanten Naturschauspiel. Der Fischreichtum dieser Gewässer ist enorm. Hier kann es geschehen, daß wir in große Fischschwärme geraten. Da schwimmen und springen unzählige kleine Flossenträger durcheinander. Sie werden von Raubfischen gejagt, die im Eifer ihrer Verfolgung zuweilen über das Wasser emporschießen. An solchen Stellen stiebt die kleine Kreatur, die mit Recht um ihr Leben besorgt ist, dann jedes Mal hurtig auseinander. Eine noch stärkere Bewegung aber verursachen die riesigen Walfische, die an solchem Orte den denkbar bequemsten Weideplatz finden. Sie öffnen von Zeit zu Zeit die Torflügel ihres Mauls und lassen eine ungezählte Menge der kleinen Wasserbewohner darin verschwinden. Aber nicht nur im feuchten Element wohnen die Fischjäger. Über dem Meer sehen wir eine Wolke von Vögeln, Möwen und anderen Jchthyophagen, schweben, die fort und fort herunterschießen, um sich auch ihrerseits einen Anteil von dieser Treibjagd zu sichern. Auch des Meeres Hyäne, der Hai, fehlt in diesen Breiten nicht. Doch scheinen die Farbigen wenig Angst vor dem sonst so gefürchteten Raubtier zu haben. Sie baden unbedenklich, auch wenn sie wissen, daß Haifische in der Nähe sind. Vielleicht wird die Fressgier der Bestien durch den Fischreichtum dieses Meeres völlig zufriedengestellt, sodass sie in der Regel auf anderweitige Fleischnahrung verzichten können.

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Die Karolinen

Unser nächstes Ziel bilden die an der Grenze der Ost- und West-Karolinen liegenden Truk-Inseln (auch Ruk geschrieben). Eine Inselgruppe von besonderer Eigenart und großer Schönheit. Ein mächtiges Korallenriff, das auch hier in einer dem Kreis sich nähernden Linie verläuft und 60-70 km Durchmesser haben mag, schließt eine stille, tiefe Lagune ein, zu der man mittels zahlreicher Einfahrten im Riffgürtel gelangen kann. Die Lage des letzteren erkennt man an den vielen kleinen Inselchen, die sich über die Meeresfläche erheben und fast allenthalben mit Kokospalmen bestanden sind. Was aber diesem großen Atoll seinen besonderen Reiz verleiht, das ist die in der Mitte liegende Gruppe von zehn größeren und mehreren kleineren Inseln, deren Gipfel teilweise einige hundert Meter hoch emporragen. Ihre Entstehung geht offenbar auf vulkanische Kräfte zurück, die hier ein bezauberndes Bild geschaffen haben. Während die Koralleninselchen nur Kokospalmen und andre anspruchslose Gewächse nähren, sind diese gebirgigen Inseln von der größten Fruchtbarkeit und mit einer überaus reichen Vegetation bedeckt. Die bedeutendsten von ihnen sind Wela, Toloas, Fefan, Uman und Tol (Faïtuk). Obwohl das bewohnbare Gelände wegen der starken Zerklüftung der Inseln nicht sehr umfangreich ist, zählt man doch über 13.000 Eingeborene auf den Truk-Inseln. Wie groß ihre Zersplitterung ist, sieht man ans der Tatsache, daß gegen 60 unabhängige Häuptlinge über sie herrschen.

Vor den deutschen Ansiedlern haben sich schon japanische und chinesische Händler hier festgesetzt, die sich vielfach Ungerechtigkeiten zu Schulden kommen lassen, so dass die Regierung ihnen schärfer auf die Finger sehen muss. Da Ponape (Ponpei), der Sitz des Gouverneurs, immerhin gegen 700 km von der Truk-Gruppe entfernt ist, erfordert die Beaufsichtigung sehr wachsame Organe. Die Eigenart der Karolinen erschwert eine geordnete Verwaltung und Rechtspflege sehr. In der riesig ausgedehnten Inselflur gibt es nur zwei Bezirksämter, eins in Ponape für den östlichen, das andre ein Yap für den westlichen Teil. Da müssen die Beamten auf den Regierungsschiffen viel unterwegs sein, um in ihrem Bezirk nach dem Rechten zu sehen. Glücklicherweise wird ihnen das durch den friedlichen Sinn der Eingeborenen erleichtert. Letztere gehören zu einer ganz anderen Rasse als die Bismarck-Insulaner. Man sieht das schon beim ersten Anblick. Im Gegensatz zu den Papua vou Neu-Guinea, die trotzig und finster blicken, und zu den Kanaken, die im allgemeinen derbe Gesichtszüge haben, machen die Bewohner der Karolinen einen weichen, sanften Eindruck. Wenn man sie in den Verdacht der Falschheit und Grausamkeit gebracht hat, so dürften diese bösen Regungen der menschlichen Natur erst durch die schändliche Behandlung hervorgerufen worden sein, die gerade diesem Volksstamm durch gewisse weiße Elemente zu teil geworden ist. Man hat ihnen grausam mitgespielt und das einst viel zahlreichere Volk ebenso durch rohe Gewalttat wie durch Einschleppung mörderischer Seuchen gelichtet. Die starke Bevölkerungsabnahme ist freilich nicht nur auf die von außen gekommenen schädlichen Einflüsse zurückzuführen. Das weichliche Volk krankt an einer großen Unsittlichkeit. Wenn ihr nicht Einhalt getan wird, dürften seine Jahre gezählt sein.

In Truk berühren wir zum erstenmale das Arbeitsfeld des American Board, einer Missionsgesellschaft, die ihren Sitz in Boston hat. Genau genommen ist es nicht diese amerikanische Gesellschaft selbst, welche die Mission auf den Karolinen in die Hand nahm, sondern die von ihr gegründete Hawaiische Missionsgesellschaft. Ihr hat Mikronesien die erste Verkündigung des Evangeliums zu danken. Was ihre Sendboten und die von ihnen bekehrten Insulaner in der spanischen Zeit zu leiden gehabt haben, werden wir später hören. Als Deutschland 1900 endlich dauernd in den Besitz der Karolinen kam, lebte die gewaltsam unterdrückte evangelische Kirche wieder auf, aber von völlig geordneten Verhältnissen kann auch heute noch nicht die Rede sein. Die römische Kirche ist geblieben und hat an Stelle der spanischen Priester deutsche Ersatzleute geschickt. Um ihnen besser gewachsen zu sein und der Regierung bei ihrem Verlangen nach deutschen Lehrkräften entgegen zu kommen, berief die Missionsleitung einige Männer deutscher Abkunft in ihren Dienst. Sie hätte am liebsten das ganze Werk in die Hände einer deutschen Gesellschaft übergehen lassen. Leider fand sich keine dazu bereit, bis vor einigen Jahren der deutsche Zweig des Jugendbundes für entschiedenes Christentum in die Bresche trat. Er hat in schneller Aufeinanderfolge mehrere junge Männer auf das Arbeitsfeld gesandt, um die teilweise invalid gewordenen amerikanischen Brüder abzulösen.

Die wichtigste Missionsniederlassung in der Truk-Gruppe ist Kutwa auf der Insel Toloas. Aber der Missionar kann wegen der eigentümlichen Beschaffenheit seiner Inselparochie nur einen kleinen Teil des Jahres daheim sein. Die Anstellung und Beaufsichtigung der eingeborenen Pastoren und Lehrer nötigt ihn, viel umherzufahren. Alle die vorhin namhaft gemachten Inseln sind mit solchen besetzt, auch viele kleinere, deren Namen wir nicht alle kennen. Neben der Seelsorge wird fleißige Schularbeit getrieben; und dass man über der geistigen Ausbildung die praktischen Aufgaben des Lebens nicht versäumt, beweisen die trotz aller Geländeschwierigkeiten gut angebauten Grundstücke der Mission.

Wir können darauf verzichten, von den Truk-Inseln nach Westen zu fahren, weil es auf den westlichen Karolinen keine evangelische Mission gibt. Ebensowenig auf den deutschen Marianen. Nur das im Süden dieser Gruppe liegende Guam, das politisch zu den Vereinigten Staaten gehört und jetzt die einzige fremde Enklave im deutschen Inselgebiet ist, hat etwas evangelische Missionstätigkeit aufzuweisen. Sie befindet sich auch in den Händen des American Board. Um so reichlicher sind die Spuren der Missionsarbeit auf den Ost-Karolinen. Wir grüßen im Vorbeifahren die Namoi- oder Mortlock-Inseln, wo seit 30 Jahren christliche Lehrer wirken, die mehr als ein Drittel der eingeborenen Bevölkerung als Kirchgänger haben. Von hier bis Kusaie, das den Übergang von den Karolinen zu den Marshall-Inseln bildet, blieb das Christentum auf keinem der zahlreichen Eilande unbekannt; auf einzelnen ist sogar das Heidentum schon im Verschwinden.

Dieser Teil unsers Südseebesitzes wird häufig von furchtbaren Stürmen, den sogenannten Taifunen, heimgesucht, die zwar den hochragenden Inseln außer der Beschädigung von Häusern und Pflanzungen nicht viel anhaben können, auf den flachen Atollen aber Tod und Verderben bringen. Sie haben sich neuerdings in erschreckender Weise gehäuft. Ein solches Unwetter brauste Ende März 1907 über das ungefähr in der Mitte zwischen den Truk- und den Palau-Inseln liegende Oleai-Atoll hinweg, als gerade der Regierungsschoner "Ponape" in der Lagune zwischen den Inseln Raur, Paliau, Oleai und Marijang lag, und der Regierungsarzt Dr. Born aus Yap auf der Hauptinsel weilte. Diesem Umstande, und daß das Schiff sowie der Arzt auf wunderbare Weise gerettet wurden, verdanken wir anschauliche Berichte zuverlässiger Augenzeugen. Sie mögen im Auszug hier einen Platz finden.2) Dr. Born war von Oleai, wo die drei Dörfer Leuleperik, Jaur und Jfang lagen, am verhängnisvollen Tage gegen Mittag an Bord der "Ponape" gerudert, um mit dem Kapitän Rücksprache wegen des Wetters zu nehmen. Zahlreiche riesige Fregattvögel, die über der Insel ziellos hin und her schwebten, und die bei ziemlich stillem Wetter stark rollende See hatten ihn bedenklich gemacht. Der Arzt berichtet:

"Der Kapitän sagte mir, dass unter diesen Umständen an die geplante Abfahrt für heute nicht zu denken sei, das Barometer sei stark im Fallen; die Möglichkeit eines herannahenden Taifuns liege vor. Weiter erklärte er, dass er in einem solchen Falle versuchen würde, sich so lange, als irgend möglich, in der Lagune zu halten. Schließlich forderte er mich auf, an Bord zu bleiben, da ich hier sicherer aufgehoben wäre, als an Land. Im Hinblick auf die Unmöglichkeit, mein umfangreiches Gepäck in der immer stärker werdenden See noch jetzt an Bord zu bringen, zog ich es indes vor, wieder an Land zu gehen.

Trotzdem auffallender Weise fast gar kein Wind vorhanden war, stand gegen 2½ Uhr mittags, als ich das Schiff verließ, sowohl am Außenriff wie in der Lagune eine furchtbare See, so dass die "Ponape" ihren Ankerplatz verlegen musste. Kurz nach meiner Abfahrt von Bord sauste urplötzlich aus Nordnordost eine starke Regenbö daher, die das Kanu, in dem ich fuhr, vollschlug, so dass wir dem Sinken nahe waren. Mit Aufbietung aller Kräfte gelang es den Eingeborenen, das Kanu zu halten und an Land zu bringen. Hier fand ich mein Haus bereits geräumt, da während meiner Abwesenheit eine mächtige See über die 80 - 100 m lange Düne bis an das Haus gekommen war. Im Verlauf der nächsten 2½ Stunden war diese ganze Düne, die Ostspitze der Insel Oleai, weggewaschen. Eine breite Passage bestand nunmehr zwischen den Inseln Oleai und Paliau. Durch diese stürzten die über das Aussenriff von Nordost gelangenden Wellen in rasender Strömung in die Lagune, wo sie mit einer ebenfalls schweren Brandung aus Südwest zusammenprallten, sodass die Wellen turmhoch emporspritzten. Um fünf Uhr brach, als ich gerade schreibend auf der Veranda sass, eine schwere See wieder bei flauem Winde über das Riff und, gegen mein Haus schlagend, schleuderte sie mich durch die zersplitternden Verandasprossen hindurch mehrere Meter weit fort. Ich erlitt dabei durch fallende Balken eine heftige Quetschung des linken Oberschenkels, die mir das Gehen sehr erschwerte und am nächsten Tage fast verhängnisvoll geworden wäre. Kurz vor sechs Uhr musste ich die zur Hälfte bereits eingestürzte Station verlassen. Ich zog mich in das angrenzende Dorf Leuleperik zurück, wo ich in einem kurz zuvor fertig gestellten schön gearbeiteten Eingeborenenhause Quartier nahm. Am späten Abend begann der Wind aus Nordnordost noch stärker zu werden, so dass bereits Äste von Bäumen niederbrachen. Von ein Uhr nachts an hörte man durch das Sausen des Windes ununterbrochen wie Kleingewehrfeuer das Knacken der Äste und wie Geschützdonner das Krachen der brechenden Baumriesen; alles übertönt vom Donner der Brandung. Die Häuser hielten jedoch während der ganzen Nacht stand. Gegen fünf Uhr morgens wurden wir von der ausgestellten Wache mit der Nachricht geweckt, dass die Wellen bereits in das Dorf Leuleperik schlügen, und dass auch schon um unser Nachtquartier Wasser stehe. Das Dorf liegt vom Nordoststrande etwa 800 bis 1.000 m entfernt. Das Wasser stieg so schnell, dass wir kaum Zeit hatten, die nötigsten Anweisungen zur Rettung der Sachen zu geben. Wir eilten zur japanischen Handelsstation, welche im Dorfe Jaur, an der breitesten Stelle der Insel Oleai und in ihrer Mitte liegt. Der Weg war bereits durch kreuz und quer niedergebrochene Kokospalmen und andere Bäume versperrt, die an einzelnen Stellen förmliche Barrikaden bildeten. Trotz der links und rechts von uns niedersausenden Kokosnüsse, Zweige und Bäume erreichten wir ohne Unfall die japanische Station, wo wir einen freien Blick auf die Lagune nach Süden hatten. Vom Schoner "Ponape" war nichts zu sehen. Am Horizont im Westen blitzte grelles Wetterleuchten auf. Die Brandung in der Lagune schlug schon bis an die Häuser des Dorfes heran. Wir verließen bald die japanische Station und begaben uns zu dem westlichsten Kanuhause des Dorfes Jaur, wo sich ein großer Teil der Inselbewohner zusammengefunden hatte. Die Leute waren vollkommen rat- und kopflos. Wie Tiere in einem Käfig, die keinen Ausweg mehr wissen, liefen sie ziellos hin und her, angstvoll auf das Brüllen der Brandung horchend. Alles Zureden, Trösten half nichts. Jeder glaubte, der Untergang der Inseln sei herbeigekommen, und die alte Prophezeiung erfülle sich nun, dass die See einst Oleai wegwaschen würde. Als das Meer nun auch von der Lagune her weiter und weiter landeinwärts vorzudringen begann, mussten wir auch diesen Posten aufgeben. Die japanischen Händler erschienen und meldeten, dass eine Welle aus dem Innern der Insel kommend ihre Handelsstation in einem Augenblick weggewaschen habe. So mussten wir uns in das Innere der Nordwestspitze von Jfang zurückziehen.

Das war unsre letzte Zuflucht. Erreichte die See auch diesen Teil der Insel, so waren wir verloren. Aus einer kleinen Anhöhe stand hier ein Haus, in welchem eine große Menge schreiender und weinender Eingeborener Zuflucht gesucht hatte. Einige Frauen sangen in ihrer Angst Totenklagen. Als plötzlich ein Mann meldete, dass nun auch von Nordnordost die See aus dem Busch her käme, erreichte die Verwirrung ihren Höhepunkt. Ich erkletterte eine niedergebrochene Kokospalme und sah nun, wie die Wellen, gleich weißen Katzen, von Nordost her durchs Gehölz sprangen. Als ich von der Kokospalme herunterkam, reichte mir das Wasser bereits bis über die Hüften. Wir versahen uns mit Holzplanken und starken Seilen und wandten uns wieder nach der Lagunenseite der Insel. Das Wasser stieg glücklicherweise nur langsam. Der Wind war schwächer geworden. Da erblickten wir einen gewaltigen Brotfruchtbaum, der mit seinem ganzen Wurzelwerk aus der Erde gehoben war. Dieses Wurzelwerk, das einige Meter hoch emporragte, erkletterten wir und fanden uns hier verhältnismäßig gut geborgen.

Kaum hatten wir dieses Obdach gefunden (es mag gegen neun Uhr morgens gewesen sein), als der eigentliche Taifun aus Ostsüdost einsetzte. Die Stärke dieses Windes zu beschreiben ist unmöglich. Es war, als wenn 1.000 Schnellzüge dicht an unserm Baum vorbeirasten. Die Luft war so voller Regen und Meeresstaub, vermischt mit Sand, dass es nicht möglich war, auch nur einige Meter weit zu sehen. So tobte der Sturm ununterbrochen bis gegen acht Uhr nachmittags, von Ostsüdost nach Südost springend.

Um diese Zeit wurde es ein wenig stiller. Die Sonne brach sogar, wenn auch verschleiert, auf einige Augenblicke hervor, und es war nun eine Orientierung möglich, wo wir uns eigentlich befanden. Dabei stellte sich heraus, daß wir ziemlich dicht am Strande der Lagune in der Nordwestecke der Insel waren. Das Wasser war wieder gefallen. Um uns her breitete sich eine große, trostlos aussehende Wüste aus; der Boden war meterhoch mit gestürzten Bäumen bedeckt. Nur ab und zu ragten, wo einst ein blühender, paradiesisch schöner Garten gewesen war, der nackte Stumpf eines Brotfruchtbaumes und einige Palmen hervor. Von menschlichen Ansiedelungen weit und breit keine Spur. Am Strande bezeichneten nur einige wüste Trümmerhaufen die Stellen, wo vorher die mächtigen Kanuhäuser, gefüllt mit dem Stolz der Eingeborenen, den kunstvollen Hochseekanus, Fischreusen und Netzen, gestanden hatten. Keine menschliche Seele war zu sehen."

Man fragt unwillkürlich, was aus dem Regierungsschiff geworden sein mochte. Die Geretteten erfuhren zunächst nichts von seinem Schicksal. In Wirklichkeit war es auf noch wunderbarere Weise, als die an Land befindlichen Menschen, dem Untergange entronnen. Lassen wir uns das vom Kapitän Martens der "Ponape" kurz berichten. Er schreibt an der oben genannten Stelle:

"Als Dr. Born an Land gefahren war, wurde Seewache gegangen, weil das Wetter nicht gut aussah. Um fünf Uhr 15 Min. ließen wir den zweiten Anker fallen. In der Lagune kam eine heftige Schwell und Dünung auf. Von Land kamen von den Ecken der Inseln Bäume und Häuserteile am Schiff vorbeigetrieben, die von den Brechseen niedergerissen waren. Es schien sich eine Flutwelle bemerkbar zu machen, denn Wind war nicht viel. Rapides Fallen des Barometers ließ mich aber nichts Gutes erwarten, auch nahm der Wind und die See nach und nach doch bedenklich zu.

Von abends ½8 Uhr an wehte voller Taifun. Die Windstärke zu beschreiben ist keinem von uns möglich. Wir nahmen alle an Bord befindlichen Ankerketten an Deck und steckten nach Bedarf und Zunahme vom Wind entsprechend Kette. Vom Land haben wir dann nichts mehr gesehen, obgleich Vollmond war. Eine Bö ersetzte die andre.

Es muss gegen 1½9 Uhr gewesen sein, als wir zu -treiben anfingen. Eben vordem, etwa acht Uhr, wurden durch eine Sturzsee sämtliche Boote, das in galvanisierten Tanks befindliche Gasolin und alle Decktreppen, das Hühnerhaus und die Tischlerbank von Deck gespült. Wie und welchen Weg wir aus der Lagune genommen haben, kann keiner angeben. Das Schiff ging schrecklich zu kehr. Kein Mensch konnte sich auf den Beinen halten. Wir saßen mit Korkjacken bekleidet in der Kajüte und erwarteten das Schlimmste. An Deck stürzten von beiden Seiten die schweren Sturzseen nieder; jeder würde ohne weiteres über Bord geworfen worden sein. Um uns herum trieben Bäume, Kokosnüsse und Pflanzen aller Art; sie wurden zum Teil aufs Schiff geworfen. Das Barometer hatte inzwischen zu steigen angefangen, der Taifun tobte jedoch weiter. Die Segel wurden in Fetzen zwischen den Zeisingen heraus geweht. Nur das Schunersegel blieb ganz. Nach dem Aussehen des Wassers mussten wir uns schon außerhalb der Lagune befinden. Es durch Lot festzustellen war unmöglich."

Nun noch ein kurzer Bericht des Dr. Born über den angerichteten Schaden:

"Ein Gang am Ufer der Insel zeigte uns überall das gleiche Schreckensbild der Verwüstung. Ganz besonders schlimm schienen die Inseln Paliau und Raur gelitten zu haben. An der Stelle, wo gegenüber Oleai die herrliche Insel Raur gelegen hatte, war nur eine lange weiße, mit ganz wenigen Palmen und Baumstümpfen bestandene Sandbank zu sehen. Am Strande von Leuleperik fanden wir das erste Opfer der Katastrophe, die Leiche eines etwa fünfjährigen Knaben. Mit weit aufgerissenen Augen und schrecklich verzerrten Gesichtszügen lag er zwischen den Korallensteinen am Ufer. Als wir in das Lager zurückkehrten, scholl uns lautes Weinen und Klagen entgegen, das den ganzen Tag nicht mehr verstummen sollte. Die ersten Hiobsposten waren eingetroffen, und immer neue kamen hinzu. Von den Einwohnern der Insel Raur waren nur zwei am Leben geblieben, ein Mann und eine Frau. Der Verlust an Menschenleben belief sich hier auf 130. Neun Bewohner dieser Insel waren während des Taifuns auf anderen Inseln gewesen und so gerettet worden. Auf Paliau waren von 90 Einwohnern 50 umgekommen, darunter auch der tüchtige Polizeisoldat Jeuloch, der bei dem Versuch, Frau und Kind zu retten, mit seiner ganzen Familie ertrunken war. Auf Tagaulap war eine Frau durch ein zusammenstürzendes Haus erschlagen worden. Der Gesamtverlust an Menschenleben belief sich auf 200. Die Zahl der Verletzten war sehr groß; doch waren die Verwundungen zum Glück meist leichter Natur. Im Laufe des Sonnabend und am Ostersonntag trieb die See eine Menge zum Teil schauerlich verunstalteter, meist von der Insel Paliau stammender Leichen an Land, zu deren Bestattung die Eingeborenen nur mit Mühe bewogen werden konnten."

Einige ans Wunderbare streifende Errettungen erwähnt der Berichterstatter noch. So schwammen von der Insel Paliau zwei Kinder, ein Knabe von fünf und ein Mädchen von acht Jahren, über die Lagune durch die Taifunsee anderthalb Seemeilen weit nach Marijang. Mehrere Eingeborene von Paliau wurden nach Saliap, vier von Raur 4½ Seemeilen weit nach Utagal getrieben. Die Zahl der so Geretteten belief sich auf zwölf.

Ein ähnliches Unwetter war im April 1905 über die östlichen Karolinen dahingebraust. Die Bahn des Taifuns hatte damals eine Breite von 100 km. Die Inseln Kusaie, Pingelap, Mokil, Ponape, Ant, Pakin, Oroluk und so fort bis Olol wurden davon betroffen, fast alles Orte, an denen die evangelische Missionstätigkeit eingesetzt hat. Da es sich meist um hochragende Inseln handelte, kamen nur 46 Menschen um. Aber der Schaden an Gebäuden und Waren wie an der Vegetation der Inseln war enorm.

Kein Wunder, dass Ponape, die Hauptinsel der östlichen Karolinen, sich uns jetzt nicht mehr in dem Glanze darstellt, wie frühere Besucher ihn geschildert haben. An ihrer Nordküste liegt der berückend schöne Langarhafen. Aber die hier befindliche Regierungsstation glich in den letzten Jahren einer großen Trümmerstätte. Die öffentlichen Gebäude und die Wohnungen der Beamten sind jetzt zwar meist wieder hergestellt, auch die Händler haben ihre Faktoreien wieder aufgebaut; nur das Landschaftsbild lässt noch auf Jahre hinaus die alte Schönheit vermissen, weil die Vegetation ihre bestimmte Zeit braucht. Doch mit der Zeit werden auch diese Spuren mehr und mehr verschwinden, falls nicht ein neuer Taifun neuen Schaden verursacht. Auch die evangelische Mission hat ihre Kräfte aufs äußerste angestrengt, ihre beiden Stationen auf Ponape - die eine liegt beim Sitz der Regierung die andre in dem einige Stunden entfernten Ua - aus den Ruinen wieder erstehen zu lassen. Der zur Zeit des Taifuns hier amtierende Missionar Gray hat sich mit Einsetzung seiner ganzen Kraft dem Wiederaufbau gewidmet. Erst später kam der vom Jugendbund gesandte Missionar Hugenschmidt und andre Brüder. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Arbeit an den meisten Plätzen wieder aufgenommen ist. Wenn man sich an der Dürftigkeit der äußerlichen Lage nicht stößt, kann man doch allenthalben beobachten, dass die seit vielen Jahrzehnten auf dieser Insel und in ihrer Nachbarschaft getriebene Arbeit nicht vergeblich gewesen ist. Die spanische Invasion hat freilich viel von der ersten Missionssaat zertreten. Wir werden in einem späteren Kapitel näher auf dieses dunkle Blatt der Geschichte von Ponape eingehen. Doch ist zu hoffen, dass der mühsam gewonnene Besitz der evangelischen Kirche erhalten bleibt und mit den Jahren eine Vermehrung erfährt.

Die weitere Fahrt bringt uns über Mokil und Pingelap nach Kusaie (Kosrae). Das war bisher einer der Vororte des Christentums. Lange Zeit bestand hier eine Ausbildungsstätte der Missionsgehilfen für die Marshall- und Gilbert-Inseln. Begabte junge Männer wurden von ihren Heimatinseln zusammengeholt und hier für ihr späteres Amt erzogen. Die meisten der auf den genannten Inselgruppen tätigen Lehrer blicken also auf Kusaie mit ähnlichen Gefühlen zurück, wie die deutschen Lehrer auf ihre Seminarzeit, die Pastoren auf ihre Studentenjahre. Der Taifun hat dem ein Ende bereitet. Schon vorher mochte es der mit der Heranbildung der eingeborenen Lehrkräfte betraute Missionar Dr. Rife als einen schweren Nachteil empfunden haben, dass das Seminar nicht inmitten der Inselgruppen lag, für welche seine Zöglinge bestimmt waren. Als das Unwetter nun auch auf Kusaie die Gebäude niedergeworfen und die Pflanzungen zerstört hatte, verlegte er die Anstalt. Infolgedessen ist es stiller auf der Insel geworden. Landschaftlich ist sie übrigens von großer Schönheit. Ihre Berge steigen bis zu 650 m auf und zeichnen sich durch spitzige Zacken und Zinnen aus. Als Überreste einer verschwundenen Kultur findet man die Ruinen alter Kunstbauwerke, was übrigens von Ponape (Ponpei) in noch höherem Grade gilt. Dort gibt es architektonische Überreste alter Prachtbauten von großartigem Umfange. Sie haben schon manchen Forscher zu archäologischen Studien angeregt. Die Bevölkerung von Kusaie ist bereits dem Christentum gewonnen. Es sollen allerdings nicht mehr als 500 Seelen sein. Der im Jahre 1905 verstorbene "König" Likiaksa war zugleich politisches Oberhaupt und ordinierter Geistlicher seiner Landeskinder.

Bevor wir zu den nahen Marshall-Inseln übergehen, müssen wir einen Abstecher nach Süden machen. Ungefähr 800 km von Kusaie entfernt, fast genau unter dem Äquator und hart an der Grenze des deutschen Gebiets gegen die englischen Gilbert-Inseln, liegt das einsame Inselchen Nauru. Es hat an sich nicht viel zu bedeuten, aber die dort gefundenen Salpeterlager ziehen viel fremdes Volk an. In letzter Zeit wurden ganze Scharen chinesischer Arbeiter eingeführt. Damit hörte das Stillleben auf, das der aus dem Elsass gebürtige Missionar Delaporte mit seiner aus den Eingeborenen gesammelten Gemeinde bisher führen konnte. Seit einigen Jahren hat hier eine stärkere Bewegung zum Christentum stattgefunden. Ein im Sommer 1906 veranstaltetes großes Tauffest brachte nach langer Geduldsarbeit die ersehnte Freudenernte.

Nun bleibt uns nur noch ein Gebiet innerhalb der geschlossenen deutschen Südseegrenzen übrig:

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Die Marshallinseln

Auch wenn man eine ziemlich genaue Karte vor sich hat, steht die ganze Gruppe doch wie ein riesiges Gartenbeet aus, auf das der Gärtner eine Menge Samenkörner streute. Unter diesen vielen Inseln ist keine einzige von größerem Umfang. Lauter kleine Korallengebilde, deren höchste Stellen nur vier bis fünf Meter, in Ausnahmefällen vielleicht einmal zehn Meter über den Meeresspiegel emporragen. Man unterscheidet zwei Gruppen, eine westliche, Nalik genannt, und eine östliche: Ratak. Klein, wie ihr Areal, ist auch ihre Bevölkerungszahl. Man schätzt sie auf 15.000. Da nach dem Taifun von 1905, der die Atolle von Jaluit, Mille, Arno und Majuro schwer traf, festgestellt wurde, dass an diesen vier Stellen nahezu 500 Eingeborene umkamen, so ist anzunehmen, dass Stürme und Flutwellen die Zahl der auf den niedrigen Eilanden wohnenden Leute schon oft gelichtet haben mögen. Wenn widrige Naturereignisse das nicht besorgten, hielt in früherer Zeit die heidnische Sitte des Kindermords die Einwohnerzahl künstlich nieder. Man erzählt, dass damals keine Mutter mehr als drei Kinder behalten habe. Sie sahen wegen der geringen Ausdehnung des bewohnbaren Landes der Vermehrung der Volksgenossen mit dem äußersten Misstrauen entgegen. Seitdem der weiße Mann als Ansiedler gekommen ist, wurde der Platz noch enger. Er brachte aber auch neue Krankheiten mit, die im Verein mit der einheimischen Unsittlichkeit zuweilen furchtbar unter der Bevölkerung aufräumten. Die neue Zeit, die mit der deutschen Besitzergreifung kam, macht sich mit ihren Begleiterscheinungen am stärksten auf den uns zunächst liegenden Atollen Ebon und Jaluit geltend. Hier und auf Likiep liegen die ausgedehntesten Kokospalmen-Pflanzungen. Ihr Ertrag von der ganzen Inselgruppe liefert ein Ausfuhrprodukt im Werte von über 600.000 Mk. pro Jahr. Sehen wir uns die Verhältnisse, unter denen diese Ernte gewonnen wird, etwas näher an. Wir steigen in Jaluit aus. Dieses Atoll ist etwa 35 km lang und 15 km breit. Das in unregelmäßiger. Linie verlaufende Korallenriff trägt über 50 kleine Inseln auf seinem Rücken. Eine der südlichsten ist Jabor, wo der Landeshauptmann wohnt. Auf ihr bilden die wenigen Baumarten, die auf den Marshall-Inseln vertreten sind, einen wirklichen Hain, in dessen Schutz die nach dem Taifun wieder aufgebauten Regierungsgebäude liegen. Die vom Korallenriff eingeschlossene Lagune ist eine der schönsten und sichersten in der Südsee. Hier ist denn auch der Hauptstapelplatz des Handels, der größtenteils von der Jaluit-Gesellschaft betrieben wird. Die von ihr ins Land gebrachten Einfuhrartikel regen die Eingeborenen zur Ausnutzung jedes Fleckchens Land an. Die evangelische Mission hat von den 33 Atollen ungefähr die Hälfte besetzt. Die Zahl ihrer Anhänger wird aus 4.500 angegeben. Ist der American Board schon in anderen Gebieten nach deutschen Begriffen zu sparsam mit der Verwendung weißer Missionare, so gilt das von den Marshall-Inseln noch viel mehr. Fast nie hat ein solcher Missionar anders als besuchsweise unter den Eingeborenen gelebt. Erst haben hawaiische Lehrer das Missionswerk getragen, später eingeborene Christen. Aber die Missionare, die ihnen als Führer hätten dienen sollen, blieben fern. Das soll in Zukunft anders werden. Wir sahen schon, wie Kusaie aufhörte, Seminarort für die Mission auf den Marshall-Inseln zu sein. Der mit der Aufsicht über das ganze Werk betraute Dr. Rife drang nun darauf, dass das Institut in die Mitte der Inseln gelegt wurde, denen es dienen soll. Eine von ihm selbst vorgenommene Erkundigungsreise führte zur Wahl des Majuro-Atolls, eines der südlichsten in der Ratak-Gruppe. Dort wurde auf der kleinen Insel Roneron ein Stück Land erworben. Von hier wird also künftig das Evangelisationswerk durch die Sendboten des Jugendbundes geleitet werden. Die Katholiken haben ihre Hauptstation in Jabor.

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Samoa

Nachdem wir sämtlichen Missionsplätzen in Melanesien und Mikronesien einen Besuch abgestattet haben, bleibt uns nur noch der kleine deutsche Besitz in Polynesien übrig, die Samoa-Inseln. - Sie liegen weit ab von den bisher besuchten Gruppen. Von der östlichen Grenze unsers Schutzgebietes, die wir eben erreicht hatten, müssen wir in südöstlicher Richtung nahezu 3.000 km, das ist ungefähr so weit wie von Hamburg bis Madeira, fahren, um dieses kleine aber schöne Stück Deutschland in der Südsee zu finden. Wir berühren dabei die noch zu Mikronesien gehörigen englischen Gilbert-Inseln, wo der American Board in ähnlicher Weise, wie auf den Marshall-Inseln, tätig ist. Dann folgen die Ellice- oder Lagunen-Inseln, deren Bevölkerung durch die Londoner Mission größtenteils zum Christentum bekehrt ist. Sie bilden den Übergang zu Polynesien. Nicht weit von unserem Kurs liegen die unter englischer Hoheit stehenden Fidschi-Inseln, die in der Christianisierung der Südsee, wie wir später sehen werden, eine sehr bedeutende Rolle gespielt haben. Zuletzt passieren wir die Uea-Inseln, ein Stück französischen Kolonialbesitzes, das uns zum Bewusstsein bringt, wie bunt die Nationalitäten-Karte der Südsee ist; ein modernes Gegenstück zu der früheren deutschen Kleinstaaterei. Endlich kommen unsere Samoa-Inseln in Sicht.

Wer in Samoa gewesen ist und eine Reisebeschreibung veröffentlicht, schlägt in der Regel besonders hohe Töne der Begeisterung an. Es vereint sich tatsächlich vieles, um diesen viel umstrittenen Inseln eine Art Glorienschein zu geben. Sie bieten einen großartigen Anblick durch die hochragende Gestalt der beiden Hauptinseln Upolu und Sawaii (Savaiʻi), zugleich aber sind die Hänge der Berge mit ihrem üppigen Baumwuchs und den sprudelnden Bächen von einschmeichelnder Lieblichkeit. Auch der Naturforscher findet hier ein dankbares Feld seiner Tätigkeit. Er stößt nicht nur auf verwischte Spuren vulkanischer Tätigkeit, wie im Bismarck-Archipel und anderwärts, Sawaii hat einen feuerspeienden Berg, der noch im Jahre 1906 durch einen starken Ausbruch viel Aufsehen machte. Es muss ein schauerlich-schönes Schauspiel gewesen sein, als sich der Feuerstrom zum Meere hinabwälzte, und riesige Dampfwolken die Stelle einhüllten, wo die Lavamassen ins Wasser stürzten.

Haben so die vulkanischen Kräfte ihren unverkennbaren Anteil am Aufbau der Insel, so fehlen ihnen doch auch die Korallenbänke nicht, die zum Leidwesen der Schiffer die Küsten umpanzern. Wenn wir vor Apia, wo unsre Regierung ihren Sitz hat, ankern, sehen wir in der Brandung als Warnungszeichen zwei ziemlich zerfallene Schiffsrumpfe liegen. Sie erinnern an den Untergang der deutschen Kriegsschiffe "Adler"-und "Eber", die bei einem unerwartet ausbrechenden Sturme im Jahre 1889 auf die Klippen geworfen wurden.

Dasselbe Lob, das der landschaftlichen Schönheit Samoas gespendet wird, zollt man in der Regel auch der Bevölkerung. Hier ist von der sprichwörtlich gewordenen Wildheit der Südsee-Insulaner nichts mehr zu spüren. Der Gouverneur von Samoa kann es fast wagen, wie einst der württembergische Graf Eberhard im Bart, sein Haupt dem ersten besten seiner Untertanen in den Schoß zu legen. Die Männer sind von hochgewachsener, edler Gestalt. Viele von ihnen könnten einem Bildhauer als Modell dienen, wenn er eine griechische Heldengestalt formt. Das Lob der Mädchen wird aber womöglich noch höher gesungen. Ihre Anmut soll die ihrer Schwestern in den meisten Ländern der Erde übertreffen. Schade, dass sie so schnell verblühen.

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Wenn jetzt allgemein von einem samoanischen Idyll gesprochen wird, so darf man freilich nicht vergessen, dass vor 100 Jahren auch diese Inseln noch von Wilden bewohnt waren. Krieg und Blutvergießen, Raub und Mord waren damals an der Tagesordnung. Die ersten Europäer, die hier landeten, mussten die äußerste Vorsicht anwenden. Auch auf Upolu sind welche erschlagen worden. Die große Verwandlung, die inzwischen erfolgt ist, muss man in erster Linie auf die Einwirkungen des Evangeliums zurückführen, das im Jahre 1830 erstmalig hierher kam. Einer der größten Südseemissionare, John Williams, hat es gebracht. Die Londoner Mission, in deren Dienst er stand, ist heute noch die Hauptvertreterin des Christentums auf diesen Inseln. In Upolu hat sie ihr Hauptquartier. Westlich von Apia liegt am Meeresstrand das große theologische Institut von Malua, wo die eingeborenen Lehrer und Pastoren herangebildet werden. Die inmitten der Ansiedelung stehende stattliche Jubiläumshalle, die ihren Festversammlungen dient, braucht den Vergleich mit einer schönen Schulaula Deutschlands nicht zu scheuen. Ein deutscher Theologe, Pastor Heider, sorgt dafür, dass die Ausbildung der samoanischen Lehrer in deutschem Geist und Sinn erfolgt. Ganz nahe bei Apia liegt das Mädchenpensionat Papauta. Ein Palmenhain und wohlgepflegte Rasenflächen umgeben das reizende Haus, in dem etwa 100 junge Mädchen aus den angeseheneren Familien der Insel untergebracht sind. Wenn wir im Vorübergehen den von ihnen gesungenen Liedern lauschen, könnten wir meinen, vor einer deutschen Mädchenschule zu stehen. Sie tragen neben ihren samoanischen Weisen auch viele deutsche Lieder vor. Fräulein Val. Schultze, die schon lange Jahre unter ihnen weilt und ihre Erziehung mit großer Hingebung an ihren Beruf leitet, lässt keinen patriotischen Gedenktag vorübergehen, ohne ihn mit entsprechenden Gesängen zu weihen. Viele von ihren früheren Zöglingen haben den aus Malua gekommenen Lehrern oder Pastoren die Hand gereicht und in den abgelegenen Dörfern ein christliches Heim begründet. Wir mögen Upolu oder Sawaii nach irgend einer Richtung hin durchstreifen, wir stoßen nirgends mehr auf heidnische Samoaner. Sie halten sich alle zu einer der christlichen Kirchen. Außer der Londoner Mission ist auch die der australischen Methodisten, die wir bereits im Bismarck-Archipel kennen lernten, hier vertreten. Die katholische Kirche ist ebenfalls da und zieht namentlich durch ihre schöne Kirche in Apia die Augen der Ankömmlinge auf sich. Im Volke hat sie wenig Anhang.

Die Samoa-Inseln haben eine verhältnismäßig starke Besiedelung von Deutschen, Engländern, Amerikanern und andern Weißen aufzuweisen. Auf Upolu leben über 400, auf Sawaii gegen 50. Neben den Beamten sind die Kaufleute und Pflanzer am stärksten vertreten. In Apia pulsiert das öffentliche Leben natürlich am lebhaftesten. Hier gibt es auch eine gut ausgestattete deutsche Schule, Leider wachsen deren Zöglinge ohne allen Religionsunterricht auf. Es ist ein bedauerlicher Widersinn, der darin zum Ausdruck kommt, dass die braunen samoanischen Kinder jetzt ohne Ausnahme christlichen Unterricht empfangen, die Kinder der Europäer aber nicht. Bei den großen Leuten ist es übrigens ähnlich. Man hat wiederholt versucht, der deutschen Kolonie von Upolu, die zur Zeit etwa 250 Köpfe zählt, zu evangelischen Gottesdiensten zu verhelfen. Die Teilnahme seitens unsrer Landsleute war aber so gering, dass der Versuch mehrmals ganz aufgegeben wurde. Immerhin wird er von Zeit zu Zeit wiederholt. Es ist doch auch gar zu beschämend, dass die Engländer und Amerikaner einen gut besuchten Gottesdienst auf der deutschen Insel unterhalten, unsre evangelischen Landsleute aber nicht.

Das Verhältnis zwischen den Weißen und der eingeborenen Bevölkerung ist ein gutes. Als Deutschland im Jahre 1900 nach langen Streitigkeiten endlich festen Fuß in Upolu und Sawaii fasste, ließ man den Eingeborenen erst ein ziemlich weitgehendes Maß von Selbstverwaltung. Die Unbotmäßigkeil einiger Häuptlinge gab jedoch in jüngster Zeit Veranlassung, ihre Befugnisse zu beschränken. Immerhin besteht auch heute noch das Faipule, eine Art parlamentarischer Volksvertretung, die dem Gouverneur bei der Verwaltung zur Seite steht. Das Volk ist lenksam und findet sich unschwer in die Anforderungen der neuen Zeit. Die durch den Plantagenbetrieb und andre kulturelle Einflüsse entstandene größere Regsamkeit hat auch auf den Fleiß der eingeborenen Bevölkerung günstig eingewirkt. Es werden mit ihrer Hilfe immer mehr Wege angelegt, und die Verbreitung der Nutzbäume macht schnelle Fortschritte, namentlich seitdem die Regierung die Anpflanzung einer gewissen Zahl Kokospalmen von jedem Eingeborenen fordert. Immerhin finden die Plantagenbesitzer nicht genug Arbeitskräfte an Ort und Stelle, so dass Kanaken aus dem Bismarck-Archipel herangeholt werden mussten. Man führte auch chinesische Kulis ein. Apia und seine Umgebung hat infolgedessen eine sehr bunte Bevölkerung erhalten.

Außer den genannten deutschen Inseln gehören noch einige weitere: Rosa, Manua und Tutuila zur Samoa-Gruppe. Diese fielen bei der internationalen Vereinbarung im Jahre 1900 den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu. Das durch einen guten Hafen ausgezeichnete Tutuila war bis vor kurzem der Mittelpunkt der großen Schifffahrt und vermittelte fast allen Verkehr mit der Außenwelt. Selbst die zwischen Berlin und Apia gewechselten Briefe waren auf den Postweg New-York - San Francisco - Tutuila angewiesen. Erst in jüngster Zeit hat unser Samoa den Anschluss an die Postdampfer der australischen Linie gefunden.

Bei unsrer Rundfahrt haben wir eine Inselgruppe ganz bei Seite gelassen, obwohl auch über ihr die deutsche Flagge weht: die Salomon-Inseln. Bis 1900 besaß Deutschland die drei größten derselben: Bongainville, Choiseul und Isabel. Waren die Besitzverhältnisse so geblieben, so hatten wir allerdings nicht daran vorbei fahren dürfen, denn Isabel gehört zu den interessantesten Arbeitsfeldern der evangelischen Mission in der Südsee und ist in seinem südlichen Teil nahezu christianisiert. Auch Choiseul sieht gerade die australischen Methodisten als mutige Pioniere bei sich einziehen. Im Samoa-Abkommen aber wurden diese Inseln den Engländern zugesprochen. Nur Bougainoille ist deutsch geblieben; gerade diese Insel hat jedoch noch keine evangelischen Glaubensboten bei sich aufgenommen.

Bild auf Seite 61

Samoanischer Schulknabe

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Wie das Christentum in die Südsee kam

Die berühmten Seefahrer, welche die Inseln der Südsee entdeckten - ihre Namen stehen meist zu bleibendem Gedächtnis auf den Karten verzeichnet - waren die ersten Vertreter des christlichen Europa, mit denen die Eingeborenen zusammentrafen. Sie haben bei der Namengebung3) viele christliche Bezeichnungen in die ferne Inselwelt gebracht, z. B. Weihnachts- und Himmelfahrts-Insel, Santa Cruz, Espirito Santo, Sankt Matthias, Guam (St. Johann) u. dergl. Es wäre aber ein Irrtum, daraus den Schluss zu ziehen, dass sie zugleich die christliche Lehre und Moral dorthin getragen hätten. Das überließen sie den nach ihnen kommenden Missionaren.

Entdecker und Ansiedler

Es war ein Lieblingsgedanke der alten Geographen, der freilich nicht auf Forschungsergebnissen, sondern nur auf spekulierender Gedankenspielerei beruhte, dass es entsprechend der Ländermasse auf der nördlichen Hälfte der Erdkugel auch im Süden ein großes Landmassiv geben müsse. Man redete in diesen Kreisen gern von der Terra australis incognita, d. h, dem unbekannten Südland. Als sich bei näherer Bekanntschaft mit der Südsee der Traum von diesem großen Festland in eine Menge größerer und kleinerer Inseln auflöste, bewahrte wenigstens Australien in seinem Namen die alte Bezeichnung. Vom Anfang des 17. Jahrhunderts an begannen die Europäer häufiger in jenes ferne Meer zu fahren, zuerst die Spanier und Portugiesen, dann Holländer und Engländer. Der holländische Befehlshaber Abel Jansen Tasman entdeckte zu der Zeit Neu-Seeland. Man behielt aber zunächst noch ganz verworrene Anschauungen von den in nebelhafter Ferne liegenden Inseln. Erst die drei Reisen des berühmten Kapitäns James Cook, deren erste ins Jahr 1769 fällt, brachten einen wirklichen Fortschritt. Was er entdeckte, verkündigte er auch alsbald dem staunenden Europa. Seine in englischer und französischer Sprache abgefassten Reisebeschreibungen machten ungeheures Aufsehen. In Deutschland wurden die Entdeckungen namentlich durch seinen Begleiter auf der zweiten Reise, unsers Landsmann Reinhold Forster, bekannt. Schließlich gesellten sich zu ihnen auch Leute, welche die Gabe hatten, die neuentdeckte Inselwelt in Europa populär zu machen, wie Kotzebue und Chamisso. Besonders der letztere war es, der durch seine bekannten Dichtungen ein liebliches Phantasiegemälde nach dem andern vor dem deutschen Lesepublikum erstehen ließ. Man sprach zu der Zeit von den Südseeinseln wie von einem wiedergefundenen Paradies. Ihre zum ersten Male geschaute Naturschönheit übte einen mächtigen Zauber auf die nordischen Besucher aus. Aber auch in der Beschreibung der Eingeborenen sparte man die Lobsprüche nicht. Das heitere, glückselige Leben jener Naturkinder wurde in Deutschland und England geradezu sprichwörtlich. Man ließ sich hierin auch nicht durch die Tatsache beirren, dass Cook auf seinen späteren Reisen schon heftige Zusammenstöße mit diesen vermeintlichen Paradiesbewohnern hatte; Enttäuschungen, die sich in der Folgezeit noch häuften. Die Südsee-Schwärmerei war nun einmal Mode geworden, und immer neue Forscher und Abenteurer zogen aus, die so schnell berühmt gewordenen Inseln zu besehen. Hinter ihnen kamen unternehmende Kaufleute in immer wachsender Zahl, dann Pflanzer; endlich in der Neuzeit auch die auf Kolonialerwerb ausgehenden Vertreter der Großmächte.

Wir sehen hier zunächst noch von den Missionaren ab, die auch schon frühzeitig in der neu gefundenen Inselwelt erschienen, und fragen, welchen Einfluss die in der Südsee sich verbreitenden weißen Elemente ausgeübt haben. Für uns steht die Frage obenan: "Wie haben sich diese Träger des christlichen Namens gegenüber den Eingeborenen benommen?" Ohne Zweifel sind rechtschaffene, gute und fromme Leute unter ihnen gewesen, die ganz geeignet waren, die Auseinandersetzung zwischen den Europäern und Südsee-Insulanern in gesunde Bahnen zu lenken. Von der großen Menge gilt das aber leider nicht.

Es kam bald zu blutigen Zusammenstößen, bei denen jetzt nicht mehr festzustellen ist, auf welcher Seite die Schuld lag. Jedenfalls verwandelten sich Cooks und Chamissos Schilderungen von den harmlosen, fröhlichen Naturkindern bei diesen ihren Nachfolgern bald ins Gegenteil. Man schilderte ihre Wildheit, Falschheit und Grausamkeit mit den düstersten Farben.

Wir wissen nicht genau, welchen Eindruck die Ankömmlinge auf die Inselbewohner machten. Nur hin und wieder ward später den Leuten, die das Vertrauen der Eingeborenen gewannen, erzählt, was diese beim ersten Anblick der Weißen und ihrer großen Schiffe gedacht hatten. Sie hielten, so sagte z. B. ein Mann von Neu-Seeland, Kapitän Cooks Schiff für einen riesigen Vogel, über dessen große und schöne Flügel sie sich sehr verwunderten. Als sie einen kleineren Vogel ohne Flügel (das Boot) in das Wasser gleiten und menschliche Wesen auf ihm ans Land kommen sahen, glaubten sie, der Vogel sei ein Haus voll Götter und ihre Verwunderung erreichte den höchsten Grad. Die Flintenschüsse wurden für Donnerkeile der neuen Götter gehalten. Viele von den Eingeborenen hielten sich schon für krank, wenn sie nur von diesen "Atuas" angesehen wurden, und glaubten, dass ein einziger Blick genüge, sie zu behexen.

Auf die einzelnen harten Zusammenstöße der ersten Zeit folgte bald eine feindselige Spannung zwischen Weißen und Farbigen. Sie ergab sich hauptsächlich aus den mit List und Gewalt vorgenommenen Arbeiteranwerbungen. Australien und Neu-Seeland erhielten wegen ihres gemäßigten Klimas schnell stärkeren Zuzug weißer Kolonisten. Sie sahen sich nach einheimischen Arbeitskräften um. An Ort und Stelle waren keine oder doch nur sehr wenige zu finden. Da fiel ihr Blick auf die melanesischen und polynesischen Inseln. Diese enthielten ein geeignetes Menschenmaterial. Man suchte es herbeizuführen. Gutwillig kamen die Farbigen aber nicht, zumal da sich bald herausstellte, dass sie in der Fremde wie Sklaven gehalten wurden, und dass nur wenige der Angeworbenen in ihre Heimat zurückkehrten. Je scheuer die Eingeborenen wurden, um so raffinierter verfuhren die Werber. Aus der Arbeiteranwerbung ward ein wirklicher Menschenraub, der von einer ganzen Anzahl geübter Kapitäne betrieben ward. Die Klagen darüber drangen mit der Zeit auch nach Europa. Die nächstbeteiligte englische Regierung schickte daraufhin im Jahre 1871 ihr Kriegsschiff "Rosario" aus, um die Zustände zu untersuchen. Dessen Kommandant Markham kam zu folgendem herben Urteil:

"Ich habe mich überzeugt, dass das niederträchtige System des Menschendiebstahls bis zu einem unerhörten Grade betrieben wird und nicht bloss wirkliche Sklaverei, sondern in vielen Fällen Mord und ausgedehntes Blutvergießen im Gefolge hat. Wo immer der Einfluss der Mission auf diese Insulaner sich erstreckt, fand ich sie freundlich und wohlgesinnt gegen die Weißen, sonst aber sehr scheu beim Nahen unsrer Boote und geneigt zu Feindseligkeit und Verrat".

Es ist dem englischen Marine-Offizier gewiss sauer angekommen, dieses vernichtende Urteil über das Treiben seiner Landsleute - denn die Werber waren meist von englischer Herkunft - fällen zu müssen. Das christliche Europa muss es ihm aber danken, denn es hat dazu geführt, gegen das Übel anzugehen.

Ein anderes dunkles Blatt aus der Zeit der ersten Berührung zwischen den Weißen und den Südseebewohnern. Mit den Eindringlingen kamen ansteckende Krankheiten. Durch Walfischfänger aus Sydney wurden 1835 die Masern nach Neu-Seeland und den andern Inseln gebracht. Sie rafften im Jahre 1848 den zehnten Teil der Bewohner Hawaiis hinweg. Auf Aneityum (Neu-Hebriden) starb 1861 sogar ein volles Drittel der Eingeborenen an dieser Epidemie. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Naturkinder unsere Impfungen als Schutzmittel nicht kannten, und dass ihnen in Krankheitszeiten sowohl die nötige Kleidung wie auch Wohnung und Abwartung fehlten. Von Amerika her wurden die Pocken eingeschleppt. Sie traten in Hawaii erstmalig 1853 auf; 3.000 Menschen starben daran. Von da verbreiteten sie sich nach den Markesas-Inseln (Marquesas), den Neu-Hebriden usw. Auch die zuziehenden Chinesen brachten schlimme Dinge mit; so schon im Jahre 1850 den Aussatz.

Neben diesen Krankheiten sind auch einige Laster, denen die Insulaner nach dem Vorgang ihrer Gäste zu frönen begannen, auf das Konto der Einwanderer zu setzen. Es sei nur der Branntwein der Europäer und das Opium der Chinesen genannt. Solche Gaben der Kultur brachten den Eingeborenen nicht Segen, sondern Verderben. Man hat die traurige Tatsache festgestellt, dass die Südsee-Insulaner wie die Indianer Nordamerikas die Berührung mit den Weißen nicht vertragen können und anscheinend im Aussterben begriffen sind. Die Maori auf Neu-Seeland sagten, als ihnen das langsame Hinsterben ihrer Rasse zum Bewusstsein kam:

"Wie der europäische Hund den eingeborenen vertrieben hat, so wird eines Tages der letzte unsres Stammes der überlegenen weißen Rasse gewichen sein. Das ist unser vom Schicksal bestimmtes Los."

Forscher, welche diese Erscheinung genauer untersucht haben, eröffnen uns einen überaus traurigen Ausblick in die Zukunft, wenn nicht bald eine Wendung zum Besseren herbeigeführt werden kann. Dr. Hans Blum stellt in seiner sorgfältigen Schrift "Das Bevölkerungsproblem im Stillen Weltmeer" fest, dass die Bewohnerschaft Polynesiens in den letzten hundert Jahren von 900.000 Seelen auf 150.000 zurückgegangen ist. In Mikronesien berechnet er eine Verminderung um zwei Drittel. Für Melanesien, welches für uns Deutsche das meiste Interesse hat, sind genauere Zahlen nicht zu erlangen, immerhin deuten auch hier einige Stichproben auf eine fortschreitende Abnahme der Bevölkerung.

Nach dem, was wir über die Einschleppung von Seuchen sowie über die Einführung von Branntwein und Opium hörten, kann man sich über diese unheimliche Erscheinung nicht allzu sehr wundern. Auch die Menschenjagd der Werberschiffe hat offenbar ihren Anteil daran. Baron von Hübner, der in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Südsee bereiste, schrieb darüber:

"Die Neu-Hebriden sind schon erschöpft, die Salomons-Inseln entvölkern sich sichtlich. Trotz allem, was die Mission getan hat, die Sitten zu sänftigen und die inneren Kriege samt dem Kannibalismus zu beseitigen, nimmt allerwärts die Seelenzahl merklich ab. Der Menschenhandel trägt daran die Hauptschuld. Die jungen Leute gehen in die Ferne und wenige von ihnen kehren zurück. So tötet man allgemach die Henne, um schneller zu den goldenen Eiern zu gelangen."

Was in diesem Urteil kurz angedeutet wird, muss man freilich bei der Bevölkerungs-Abnahme auch in Anrechnung bringen: die in der heidnischen Bevölkerung selbst liegenden Ursachen. Die fremden Einflüsse haben nicht das ganze Übel verschuldet. Der schon genannte Dr. H. Blum, der die Südsee aus eigener Anschauung kennt, stellt ein langes Verzeichnis einheimischer Laster auf, die er für das Schwinden der Bevölkerung mit verantwortlich macht: Menschenfrass, Menschenopferung (vor allem Frauenopferung), Witwen- und Waisentötung (Kindsmord überhaupt, darunter wieder besonders die Tötung der neugeborenen Mädchen), Überbürdung der Frauen mit Arbeit, fortgesetzte Fehden und Kriege. Dazu Hungersnöte, Mangel an Fleischnahrung, verheerende Krankheiten, wie Schwindsucht oder hartnäckige rheumatische Leiden. Außerdem zählt er eine Reihe von gräulichen Auswüchsen der Unmoral auf, die an den Lasterkatalog der Heiden im ersten Kapitel des Römerbriefs erinnern.

Wen grauste nicht beim Blick in diese Abgründe heidnischer Versunkenheit! Es ist wirklich unbegreiflich, wie angesichts dieser schrecklichen Dinge die Rede von dem glücklichen Leben der harmlosen Naturkinder auf den Südseeinseln hat aufkommen können.

Dr. Blum weist namentlich darauf hin, dass die Zahl der Frauen geringer ist, als die der Männer, und dass viele Ehen kinderlos bleiben. Er bringt letzteres in Zusammenhang mit der im Heidentum auch anderwärts verbreiteten Anschauung, dass das Weib nur ein Besitzstück des Mannes sei und dem Arbeitstier zu vergleichen, das alle harte Arbeit verrichten muss. Die geringe Frauenzahl aber führt er darauf zurück, dass häufig Weiber bei Festen geopfert, und die niederen Häuptlingsfrauen beim Tode des Mannes mitbegraben werden. Auf den Markesas suchten sich die Eingeborenen die für ihre Götzen erforderlichen Opfer mit Vorliebe unter den Frauen und Kindern der benachbarten Stämme.

Sind schon wenig Geburten zu verzeichnen, so ist die Zahl der wirklich aufwachsenden Kinder noch eine bedeutend geringere. Da ein Familienleben in unserm Sinne vollständig fehlt, kann von Pflege und Erziehung der Kinder keine Rede sein. Mangel an Sorgfalt und ungeeignete Nahrung, die schon für die Kleinsten in Fischen und Erdknollen besteht, verursachen ein großes Kindersterben. Dieses wird absichtlich erhöht durch die Ermordung von Neugeborenen, wie sie z. B. vom Bunde der Areoi auf Tahiti in der vorchristlichen Zeit dieser Insel in ausgedehnter Weise betrieben wurde. Zwei Drittel aller Kinder fielen ihr zum Opfer. Mit Entsetzen berichteten die Missionare, dass keine tahitische Frau zu finden war, die nicht die meisten ihrer Kinder oder alle getötet hatte. Sieben Jahre nach dem Einzug des Christentums lebten auf Murua ungefähr 200 Kinder unter 10 Jahren und fast gar keine zwischen 10 und 16 Jahren. Auf den Marshall-Inseln beschränkte ein Gesetz, das die Eingeborenen sich gegeben hatten, die Kinder-Zahl jeder Familie auf drei.

In dieses dunkle Gebiet scheint nun das Licht einer höheren Moral hinein. Haben wir schon einen Forschungsreisenden und Statistiker als Fackelträger kennen gelernt, so dürfen an dieser Stelle die Verdienste der Kolonialregierungen auch nicht verschwiegen werden. Die Mächte, welche in den letzten Jahrzehnten die Südseeinseln unter sich verteilt haben, bemühen sich in ihren Gebieten nicht nur um die Ordnung im öffentlichen Leben und die Ausnutzung des jungfräulichen Bodens, sie lassen sich auch die Beseitigung jener Übel, soweit das auf dem Wege der Polizei und Gesetzgebung geschehenkann, angelegen sein. Es wurde gelegentlich schon erwähnt, wie die Arbeiteranwerbung von englischer und deutscher Seite später von ihren Auswüchsen befreit worden ist und jetzt staatlich überwacht wird. Ähnliche Verdienste erwarb sich unsre Regierung durch Anstellung von Ärzten, die es an Belehrung der Häuptlinge und ihrer Völker nicht fehlen lassen. Sollen jene Übel freilich gründlich ausgerottet werden, so muss eine neue Gesinnung in die Bevölkerung gepflanzt werden. Wirkliche Heilung jener Schäden kann nur das Christentum bringen. Darum ist die Heidenmission von der größten Bedeutung für die Zukunft unserer Südseegebiete. Diese trat am Ausgang des 18. Jahrhunderts auf den Plan.

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Die ersten Missionare

Cooks Forschungsreisen und Berichte lockten nicht nur Geschäftsleute und Abenteurer in die neuentdeckte Welt, auch die christlichen Kreise Europas gerieten in Bewegung. In England waren kurz vorher Wesley und Whitefield als Herolde einer neuen Kirchenzeit hervorgetreten und hatten das von der Brüdergemeinde auch dort angezündete Glaubensfeuer mächtig geschürt. Die damals entstandene religiöse Bewegung führte zu einer tiefgreifenden Veränderung im kirchlichen Leben Großbritanniens und ist auch an den evangelischen Kirchen im übrigen Europa nicht spurlos vorübergegangen. Die auffälligen Nachrichten aus der fernen Heidenwelt aber ließen einen Teil der Bewegung in die Bahnen der Heidenmission einlenken. Während die englischen Baptisten sich von ihrem großen Pfadfinder William Carey nach Ostindien führen ließen, suchte die 1795 entstandene Londoner Mission ihr erstes Arbeitsfeld in der Südsee.

Die fromme Gräfin Huntingdon war von den Schilderungen jener schönen Inseln ganz begeistert. Zugleich aber regte sich in ihrem Herzen das Mitleid mit den Seelen der dort lebenden Menschen, die den Heiland noch nicht kannten. Als sie starb, machte sie es ihrem Kaplan Dr. Haweis zur Pflicht, den Gedanken an die Bekehrung der Südsee-Insulaner niemals wieder aus dem Sinn zu lassen. Da es noch mehr ähnlich gesinnte Leute im Lande gab, lag die Entstehung einer Missionsgesellschaft in der Metropole an der Themse sozusagen in der Luft. Dr. Haweis ward einer ihrer ersten Direktoren und der auch bei Gründung der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft beteiligte Kaufherr Joseph Hardcastle ihr erster Schatzmeister. Man ging mit großer Weitherzigkeit an das Werk. Als Dr. Haweis vor den zur Begründung der Missionsgesellschaft zusammengekommenen Leuten predigte, bezeichnete er es als eine Richtlinie der Arbeit:

"Die kleinlichen Unterscheidungen unter uns von Namen und Formen und die Verschiedenheiten der Kirchenverfassung sollen heute von dem größeren, edleren und bedeutungsvolleren Christennamen verschlungen werden". 

Und ein Anderer sagte:

"Wir betrachten es nicht als unsere Aufgabe, irgend eine bestimmte Form der kirchlichen Ordnungen zu den Heiden zu tragen, sondern das herrliche Evangelium unseres Gottes. Es soll denen, welche Gott in die Nachfolge seines Sohnes berufen wird, überlassen bleiben, diejenige Form kirchlicher Ordnungen anzunehmen, die sie für dem Worte Gottes entsprechend halten".

Wie aus diesen Redewendungen zu ersehen ist, hat der in neuester Zeit wieder einmal stärker betonte Gedanke, die Mission solle nicht darauf ausgehen, eine Konfessionskirche zu gründen, sondern nur die allgemeinen christlichen Wahrheiten predigen, die konfessionelle Ausprägung aber der Entwicklung überlassen, schon beim Entstehen der Mission in der Südsee Pate gestanden. Man kann nach den Erfahrungen des inzwischen vergangenen Jahrhunderts nicht sagen, dass die von der Londoner Mission angenommene Praxis bis jetzt zu glänzenden Resultaten geführt hätte. Aber das Missionsleben in der Südsee hat in der ersten Periode dadurch allerdings seine Signatur bekommen. Und wenn man irgendwo auf dem Erdball Beispiele dafür sucht, dass ein dem Heidentum entrissenes Volk in Bälde wieder zu missionieren beginnt, in den früh zur Selbständigkeit erzogenen Gemeinden jener Inselwelt sind sie zu finden.

Im September 1796 verließ das erste Missionsschiff "Duff" den Hafen von Portsmouth. Es hatte vier ordinierte Geistliche, einen Arzt und eine größere Anzahl Handwerker, auch Männer, die sich auf Gärtnerei und Landwirtschaft verstanden, im ganzen 29 Sendboten der Missionsgesellschaft an Bord. Ihr nächstes Ziel war Tahiti, eine der Gesellschafts-Inseln im östlichen Polynesien.

Es sei gleich hier erwähnt, dass die Christianisierung der Südsee von Ost nach West vorgeschritten ist, so dass unser deutscher Besitz erst verhältnismäßig spät davon berührt wurde. Nur die nicht allzu fern vom Ausgangspunkt der Missionsbestrebungen liegende Samoa-Gruppe ist schon vor vielen Jahr-Zehnten mit dem Christentum bekannt geworden.

Die Missionare, die größtenteils auf Tahiti blieben -wenige von ihnen gingen auf die Markesas- und Freundschafts-Inseln - kamen auf ihrem Arbeitsfelde mit großer Begeisterung an. Aber natürlich ohne alle Erfahrung. Und auch von London aus konnte man ihnen wegen der Neuheit des ganzen Missionswerkes keine klaren Anweisungen für die praktische Arbeit geben. So tasteten sie während der ersten Zeit völlig im Dunkeln. Zu ihrem Unglück war die Bevölkerung von Tahiti in zwei feindliche Parteien gespalten, deren eine vom "König" Pomare geführt ward. Die Missionare schlugen sich auf dessen Seite und wurden dadurch in eine Menge Streitigkeiten verwickelt, die teils in Tahiti selbst, teils auf der Nachbarinsel Eimeo (Moorea) ausgefochten wurden. Pomare blieb ihr Freund, aber auch bis zu seinem Tode ein Heide. Erst seinen Nachfolger Pomare II. konnten sie stärker unter ihren Einfluss bringen. Als er im Jahre 1815 den Sieg über seine Widersacher davongetragen und die Rückkehr in die Heimat erzwungen hatte, empfing er als Erstling seines Volkes die heilige Taufe. Es würde zu weit führen, wollten wir auf alle Einzelheiten dieser ersten Missionszeit eingehen. Da gleichzeitig mehrere Inselgruppen in Angriff genommen wurden, zerlegt sich die Geschichte jener Tage obendrein in verschiedene unabhängig von einander verlaufende Linien. Zu der Unerfahrenheit der Glaubensboten kamen auch Verirrungen verschiedener Art, so dass der erste Anfang der Südsee-Mission keinen erhebenden Anblick gewährt. Die Freunde daheim ließen sich dadurch aber nicht abschrecken. Sie verstärkten die Reihen der Missionspioniere, so oft diese sich lichteten, durch reichliche Nachsendung junger Brüder. Was ihren Vorgängern wegen mangelnder Erfahrung oder aus anderen Ursachen versagt blieb, das ist diesen gelungen. Ihre Tätigkeit hatte glänzenden Erfolg. Um die Arbeitsweise der Londoner Mission näher kennen zu lernen, heben wir die Gestalt eines ihrer Sendboten aus den Reihen der anderen heraus: John Williams. Er verdient diese Auszeichnung, denn er war mit besonderen Gaben ausgerüstet und hat Großes geleistet. Man gibt ihm geradezu den Ehrennamen des "Apostels der Südsee".

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John Williams

Er war am 29. Juni 1796 in Tottenham bei London geboren. Sein frommes Elternhaus, namentlich die Mutter, die eine fleißige Beterin war, gab seinen Gedanken früh die Richtung auf himmlische Dinge. Der Knabe hatte einen empfänglichen Sinn dafür. Zunächst aber schien es, als ob die kritischen Jugendjahre ihm gefährlich werden sollten. Er war in eine Eisenwarenhandlung Londons eingetreten und benutzte seine Lehrzeit, in seinem Fache etwas tüchtiges zu lernen. Gleichzeitig aber hatten es ihm die Versuchungen der Großstadt angetan. Böse Gesellschaft verdarb die guten Sitten des Elternhauses. Da gelang es der Frau seines Prinzipals zu rechter Zeit, durch einen Kirchgang, zu dem er durch ihr Zureden bewogen wurde, einen Wendepunkt in das Leben des achtzehnjährigen Jünglings zu bringen. Der Prediger sprach an jenem Sonntagabend über das Wort: "Was Hilfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" Dieser Abendgottesdienst machte einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn. John Williams sagte noch nach vielen Jahren von jener Stunde:

"Noch immer tönen mir die mächtigen Worte in den Ohren, welche der teure Prediger East an jenem Abend sprach. Es gefiel Gottes großer Gnade, mich in dieser Stunde so kräftig anzufassen, dass ich auf einmal mit allen meinen weltlich gesinnten Freunden brach".

Der junge Lebemann, der seiner frommen Mutter in dieser Zeit viele schmerzliche Stunden bereitet hatte, schlug nun einen ganz andern Weg ein. Der Jünglingsverein, die Sonntagsschule, Bibelstunden und andere religiöse Veranstaltungen sahen ihn jetzt als ihren ständigen Gast. Er gab sich nicht nur den neuen Eindrücken mit heiligem Eifer hin; sein aufs Praktische gerichteter Sinn ließ ihn auch sofort persönliche Betätigung suchen. Seelsorge an anderen zu treiben, war dem Neubekehrten ein Bedürfnis, wie man das gerade in England so häufig findet.

Es bedurfte nun nur noch eines Anstoßes zum Missionsberuf. Dieser blieb nicht lange aus. Die Gemeinde, zu der Williams gehörte, empfing regelmäßig Kenntnis von den Berichten der Südsee-Missionare. Eines Tages wurde bekannt, dass ihre Reihen verstärkt werden sollten. Da neben den predigenden Missionaren auch Handwerker und andere praktisch vorgebildete Leute für nötig erklärt wurden, war Williams bald entschlossen und reichte seine Meldung bei der Missionsgesellschaft ein. Auf Fürsprache seines Pastors wurde er angenommen. Man erkannte seine besondere Gabe für den neuen Beruf und ließ ihm in der bis zur Abordnung noch zur Verfügung stehenden Zeit eine besondere Vorbereitung zu Teil werden. Am 30. September 1816 stand er vor dem Altar der Surrey-Kapelle in London, umgeben von acht andern jungen Glaubensboten, unter denen auch Robert Moffat, der später berühmt gewordene südafrikanische Missionar, sich befand. Vier von ihnen waren für die Südsee bestimmt, darunter unser Williams. Er hatte sich einen Monat früher eine seiner Mitarbeiterinnen an der Sonntagsschule und im Armenhause, Mary Chauner, als sein Ehegemahl antrauen lassen. Sie wurde ihm nicht nur eine treue Gefährtin bei den Mühsalen seines Berufs, sondern auch eine wertvolle Gehilfin bei den Stücken der Missionsarbeit, die am besten von weiblicher Hand besorgt werden.

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John Williams

"Nach Tahiti!" war ihr Losungswort. Eine langwierige Fahrt um das Kap der guten Hoffnung mit längerem Aufenthalt in Neu-Südwales, denn die Schiffsgelegenheiten waren damals selten, brachte sie um die Mitte November 1817 auf ihr Arbeitsfeld.

Dort war, wie wir wissen, die Pfadfinderarbeit bereits getan. Als Williams am Abend nach seiner Ankunft mit einem der schon länger im Lande befindlichen Missionare sich erging, hörte er zu seiner freudigen Überraschung aus den Hütten der Eingeborenen christliche Lieder erklingen; ja am folgenden Sonntag konnte er sogar das Gebet eines Tahitiers belauschen, der Gott dem Herrn dafür dankte, dass er ihnen neue Prediger geschickt habe. Zunächst war unserm Williams freilich der Mund verschlossen. Er musste erst die Sprache des Landes erlernen. Bücher gab es dafür noch nicht. Es galt, im lebendigen Verkehr mit den Eingeborenen sich mit ihrer Muttersprache vertraut zu machen. Gute Gelegenheit bot ihm hierzu der Bau eines Bootes, das den Verkehr mit den Nachbarinseln vermitteln sollte. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit, dass der Ankömmling sich keiner Arbeit scheute, und dass er für alle praktischen Aufgaben des Lebens nicht weniger Anlage hatte, als für die geistliche Arbeit im Missionsberuf. Kaum hatte Williams sich in dieser Weise auf Tahiti eingerichtet, als auch schon der Ruf in ein neues Arbeitsfeld an ihn kam. Es hielten sich zu der Zeit gerade mehrere Häuptlinge der nordwestlich gelegenen Inseln bei Pomare auf, die diesem bei der Wiedereroberung seines Landes beigestanden hatten. Sie waren hier mit dem Evangelium bekannt geworden und hatten sich gerade dadurch zu längerem Bleiben bewegen lassen. Als sie nun in ihre Heimat zurückkehren wollten, ward ihnen nahegelegt, ob sie nicht einige Missionare mitnehmen wollten. Sie ergriffen diese Gelegenheit mit Freuden. Williams und seine Frau sowie zwei andre junge Glaubensboten begleiteten sie nach Huahine. Dort rief die Ankunft der weißen Männer freudiges Erstaunen hervor. Die Kunde ward auch bald auf die Nachbarinseln getragen, unter andern nach Rajatea, wo Tamatoa, Pomares Schwiegervater, herrschte. Er kam mit seinen vornehmsten Häuptlingen, um die Weißen zu besuchen, und ging nicht eher wieder fort, als bis Williams sich bereit erklärte, ihn mit seiner Frau nach Rajatea zu begleiten.

Dieses Eiland, nächst Tahiti die größte unter den Gesellschaftsinseln, wurde auf diese Weise zum Schauplatz seiner ersten eigentlichen Missionstätigkeit. Auch hier hatten die Eingeborenen schon eine wenn auch nur flüchtige Berührung mit dem Christentum gehabt. Etliche Jahre vorher war Pomare mit einigen seiner Untertanen und dem Missionar Wilson bei einer Seefahrt nach Rajatea verschlagen und durch widrige Winde mehrere Monate festgehalten worden. Diese Zeit hatte der Missionar benutzt, das Evangelium auf der Insel, die ein berühmtes Heiligtum des Kriegsgottes Oro hatte, zu predigen. Es fehlte ihm zwar nicht an Widerstand, zumal als Tamatoa dem neuen Glauben sich zuneigte und eine Kapelle für die christliche Predigt erbauen ließ. Die wilden Anhänger des Orogötzendienstes wollten das nicht leiden. Aber die dem Christentum zugefallenen Insulaner waren nicht nur in einem Waffengang mit ihren heidnischen Landsleuten glücklich; sie beschämten sie auch durch Großmut und christliche Milde, so dass die Annahme des Christentums auf der Insel eigentlich schon entschieden war, als Williams mit seiner Familie und einem weiteren Missionar namens Threlkeld einzog.

Ihr Empfang war ein so freundlicher, wie ihn die Überbringer des christlichen Glaubens in anderen Teilen der Erde wohl niemals wieder erfahren haben. Tausendfach ward ihnen die Freude über ihr Kommen ausgesprochen. Was man ihnen nur Liebes und Gutes antun konnte, geschah. Fühlte sich doch die ganze Insel durch ihr Kommen hoch geehrt. Die Bewohner erklärten sich bereit, sogleich Christen zu werden. Williams hatte Mühe, ihnen begreiflich zu machen, dass zuvor erst der alte heidnische Wandel abgetan werden müsste. Er nahm die, welche er für die Gefördertsten hielt, in Taufunterricht. Gleichzeitig mit der Unterweisung über die höchsten Fragen aber musste er ihre irdischen Gedankenkreise, ihren geistigen Horizont erweitern. Diese Naturkinder verstanden ja zunächst gar nichts von der neuen Kulturbewegung, in die sie mit dem Einzug der Europäer hineingeraten waren. So war ihnen z. B. das Schreiben anfangs ein unbegreifliches Geheimnis. Williams hatte einmal zu Hause etwas vergessen und schrieb es auf einen Holzspan, den er seiner Frau durch einen Eingeborenen zuschickte. Wie staunte der Bote, als er bemerkte, dass Frau Williams aus den geheimnisvollen Zeichen den Wunsch ihres Mannes erkannt hatte. Auch die in den biblischen Geschichten vorkommenden fremden Dinge mussten ihnen erst recht umständlich erklärt werden. Bei den Neuigkeiten, die sie im Hause der Missionare bemerkten, suchten sie sich durch Umschreibungen zu helfen. So auch bei Benennung der Haustiere, die mit der Zeit eingeführt wurden. Bisher war das Schwein ihr größtes vierfüßiges Tier gewesen. Nun bezeichneten sie das Pferd als großes Schwein, welches Menschen trägt; den Hund aber als das bellende Schwein.

Williams betrachtete es als eine seiner ersten Aufgaben, dem auf so niedriger Kulturstufe stehenden Volke mit dem neuen Glauben, für dessen Verbreitung und Vertiefung er durch täglichen Unterricht wirkte, gleichzeitig auch gewisse Früchte der europäischen Kultur zu bringen. Nicht in der Weise der Händler, die den Eingeborenen die Erzeugnisse Europas unbesehen im Tauschhandel anbieten, mögen sie damit auch Unheil anrichten. Der Missionar hielt natürlich alles schädliche fern. Gleichzeitig legte er es darauf au, die Insulaner zu einem in christlicher Kulturarbeit stehenden Volke zu erziehen. Jede Art von Handarbeit, die er selbst ausübte, benutzte er zu einer Anleitung für die Eingeborenen. Sein Freund Threlkeld baute zur Erleichterung des Verkehrs mit der Nachbarschaft stärkere Boote nach europäischem Muster. Wie viel gab es dabei für die Eingeborenen zu sehen und zu lernen! Bald ging Williams auch daran, für sich und die Seinen ein europäisch eingerichtetes Haus herzustellen. Obgleich er dabei den Grundsatz befolgte, nur einheimisches Material zu benutzen, soweit das irgend ging, brachte er dadurch doch eine ganz neue Form des Hausbaues hier auf. Seine einfache Wohnung ward zu einer Berühmtheit, die von weit und breit angestaunt wurde.

Wie freute es ihn, als mit den Jahren die christlich gewordenen Insulaner dieses Haus zum Vorbild für ihre eigenen Wohnungen nahmen, und damit die teils schmutzigen teils ungesunden Hütten, deren Form auf der Insel einheimisch war, verschwanden. Die Früchte dieser Bemühungen zeigten sich bald. Nicht nur dass das Gotteshaus, welches die Missionare mit Hilfe ihrer braunen Glaubensgenossen gebaut hatten, jeden Sonntag zahlreichen Besuch aufwies, auch über die fortschreitende Erkenntnis der Getauften durften sie sich freuen. An manchem Sterbebett waren sie Zeugen einer tiefer gehenden Wirkung von ihrer Predigt. Auch im äußeren Leben vollzog sich langsam ein Wandel zum Besseren. Die sonst so trägen Insulaner ließen sich nicht umsonst zum Beten und Arbeiten anhalten. Als einige Jahre nach Ankunft der Missionare ein Schiff nach Europa abfuhr, konnte es das erste Ausfuhrgut mitnehmen, eine Ladung Kopra, für welche die Missionsgesellschaft eine nicht unbedeutende Summe löste. Ein noch viel stärkerer Einfluss des Christentums auf Gesinnung und Lebenswandel der Eingeborenen war aus der auf Rajatea eingeführten neuen Gesetzgebung zu ersehen. Bisher war das Volk ganz der Willkür seiner Häuptlinge und der vom Götzendienst lebenden Priester preisgegeben. Mit Vorsicht und Weisheit suchte Williams darin Wandel zu schaffen. Wenn er abends mit den Leuten zusammen saß, erzählte er ihnen von der gesetzlichen Ordnung in seiner Heimat und stellte ihnen vor, wie schön es ist, wenn die Unsicherheit für Leben und Eigentum der Menschen aus einem Lande verschwindet. Er hatte sich nicht verrechnet. Das Volk und nicht minder Tamatoa wünschten auch für Rajatea solche geordnete Zustände. Nachdem der Oberhäuptling sich mit dem Missionar eingehend über diesen Punkt beraten hatte, hielt er eine öffentliche Volksversammlung ab und forderte seine Untertanen auf:

"Lasset uns unsern Wandel einrichten nach dem Worte, das wir von unsern Lehrern hören, und nach der heiligen Schrift, die wir täglich lesen". 

Eine neue Regelung des öffentlichen Lebens in christlichem Sinne war der Ertrag. Eine besonders erfreuliche Erscheinung in der jungen Christengemeinde auf Rajatea war die Opferwilligkeit der Neubekehrten. Wie viele Nachsicht müssen die Missionare in dieser Hinsicht anderswo üben, und wie wird das Bekehrungswerk dadurch verlangsamt, wenn die Kosten für jedes neue Missionshaus oder Kirchlein von der Missionsgesellschaft bestritten werden müssen. Hier betrachteten es die jungen Christen als selbstverständlich, dass sie die Opfer, die sie früher für ihren Götzendienst gebracht hatten, jetzt für das Missionswerk leisteten. Und nicht nur für die eigenen Bedürfnisse kamen sie auf; sie gründeten auch einen Missionsverein, um anderen Inseln, die um Lehrer baten, die Segnungen des Christentums zuteil werden zu lassen. Auch hierbei zeigte sich Tamatoa als Vorbild seines Volkes. Er hielt in der Versammlung, die zur Begründung des Vereins führte, eine Ansprache, in der er unter anderem sagte:

"Gedenkt daran, was ihr für eure Lügengötter zu tun pflegtet. Ihr gabt ihnen alle eure Zeit, eure Kräfte, euer Vermögen, wohl gar euer Leben. Nichts war euer eigen; die bösen Geister besaßen alles. Kähne, Matten, Schweine, Zeug, Speise - alles gehörte ihnen. Aber nun ist unser Eigentum frei. Hier in unserer Mitte stehen unsere Lehrer. Gott, der von großer Barmherzigkeit ist, sandte sie. Was haben sie um unsertwillen alles getan! Sie verließen ihr Heimatland, um uns zu lehren. Lasst uns nun Mitleid haben mit anderen Ländern und ihnen Missionare senden". 

Tamatoa führte aber nicht nur in dieser Weise schöne Worte im Munde, er gab auch seinen Untertanen mit persönlichen Leistungen ein gutes Beispiel. Williams sah ihn eines Tages vor seinem Hause sitzen und mit seiner Frau Pfeilwurz schaben. Auf die Frage, warum er das nicht von seinen Dienern besorgen lasse, antwortete der Oberhäuptling:

"Das soll unser Missionsbeitrag sein. Wir wollen Gott nichts geben, woran wir nicht selbst gearbeitet haben".

Bei solcher Opferwilligkeit hielt es nicht schwer, die Mittel zu neuen Missionsunternehmungen zu beschaffen. Als der eigentliche Träger dieser Bewegung tritt John Williams unter seinen Mitarbeitern jetzt mehr und mehr hervor. Er hatte einen Zug ins Große. Wenn irgendwo die grundlegende Arbeit getan war, überließ er das Feld seinen Genossen. Er selbst suchte neue offene Türen für das Evangelium. "Ich kann mich in den engen Grenzen einer einzigen Insel nicht zufrieden geben", so schrieb er einst in einem Bericht nach Hause. Diese Worte sind charakteristisch für ihn. Die Missionsleitung, die seine Bedeutung bald erkannt hatte, ließ ihn ruhig gewähren, und so hat er tatsächlich auf vielen Inseln die Bahn gebrochen. Zunächst ward Rajatea unter feinen Händen zur Muttergemeinde für Tochtergründungen in der Nachbarschaft. Westlich von den Gesellschaftsinseln liegt die Hervey-Gruppe. Es ist bezeichnend für die damalige Empfänglichkeit der Insulaner, wie das Christentum auf diesen Inseln Eingang fand. Dort hatte eine furchtbare Seuche gewütet. Da entschlossen sich zwei unternehmende Häuptlinge, den erzürnten Göttern, die nach ihrer Meinung solches Unheil über die Inseln brachten, mit ihren Leuten zu entfliehen. Sie bestiegen die Boote und steuerten planlos in das weite Meer hinaus. Lange irrten sie umher, bis sie auf einer ihnen unbekannten Insel landeten. Sie befanden sich in der Nachbarschaft von Rajatea (Raiatea) und unter Leuten, die auch bereits das Christentum angenommen hatten. War ihnen schon die menschenfreundliche Art, mit der man ihnen entgegenkam, verwunderlich, so noch mehr die Erzählung von dem neuen Glauben und den weißen Männern, die ihn verbreiteten. Sie suchten selbst deren Bekanntschaft zu machen und waren bald so für das Christentum eingenommen, dass sie baten, einer der Missionare möge mit ihnen nach den Hervey-Inseln (Cookinseln) zurückfahren. Das der Mission gehörige Schiff hätte ihnen das zwar ermöglicht, aber Williams und seine Genossen konnten zu der Zeit in Rajatea noch nicht abkommen. Sie mussten sich daher einstweilen mit einem farbigen Lehrer begnügen. Für später stellte Williams sein Kommen in Aussicht. Nach Jahr und Tag konnte er das Versprechen erfüllen, Er besuchte die Hervey-Inseln, aber nicht, um länger dort zu bleiben. Ihm lag eine größere Evangelisationsreise im Sinne. Auch auf Rarotonga, der größten Insel der Gruppe, wollte er nur kurz verweilen. Hier ward ihm aber ein solcher Empfang bereitet, dass er sich doch zu längerem Bleiben entschloss. Er war noch nicht lange gelandet, als sich ihm ein Schauspiel bot, wie ein Missionar es sich nicht schöner wünschen kann. Die Eingeborenen kamen in feierlichem Zuge daher. Die Vorangehenden schleppten ungeheure Götzenbilder, vierzehn an der Zahl, die sie zu seinen Füßen legten. Es waren lange Hölzer, an deren oberen Ende Gesichter mit groben Zügen eingeschnitzt waren, während der untere Teil in eine scheußliche Figur auslief. Sie hatten bisher als die Heiligtümer der Insel gegolten; nun wurden sie verspottet und zerschlagen.

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John Williams

Es würde zu weit führen, wollten wir das Wirken des Missionars auf Rarotonga bis in die Einzelheiten verfolgen. Es ging ähnlich wie auf Rajatea, dessen christliche Gesetzgebung bald auch hier Eingang fand. Nur ein rührender Zug von Sehnsucht nach himmlischem Licht mag noch Erwähnung finden. Williams traf einst einen ganz gelähmten Mann, den er niemals in der Versammlung gesehen hatte, und der ihm doch einen christlichen Gruß zurief. Als er sich auf ein Gespräch mit ihm einließ, entdeckte er zu seiner Überraschung, dass der Krüppel ziemlich viel vom Christentum wusste. Er fragte ihn, woher er denn seine Erkenntnis habe. 

"Von dir, lwer anders hat uns die Botschaft des Heils gebracht?"
 
"Ja. aber ich erinnere mich nicht, dich je auf einer unserer Stationen gesehen zu haben, wo du mich von diesen Dingen hättest können reden hören. Du musst es auf andre Weise erfahren haben."

"Ei, ich will es dir sagen. Wenn die Leute vom Gottesdienst zurückkehren, setze ich mich da an den Weg auf meine Bank und bettele mir ein Wort von ihnen, während sie vorübergehen. Der eine gibt mir ein Stück, der zweite ein anderes. Die sammele ich dann in meinem Herzen, und so habe ich ein wenig von Gottes Wort verstehen lernen."

Wo in solcher Weise gebettelt wird, braucht ein Missionar seinen Reichtum an himmlischen Gaben nicht lange für sich zu behalten. In der Tat ward Rarotonga mit seinen 7.000 Bewohnern bald eine christliche Insel. Glücklicherweise standen ihm schon genügend viele eingeborene Hilfskräfte von seinen früheren Arbeitsfeldern zur Verfügung, denen Williams die weitere Pflege seiner geistlichen Pflanzung anvertrauen konnte; er selbst strebte weiter. Schwer genug wurde ihm freilich der Abschied; nicht minder den Insulanern, die ihn als ihren "Vater" verehrten. Schon einige Wochen vor seiner Abreise fanden sich jeden Abend Gruppen von Eingeborenen unter schattigen Bäumen zusammen und übten dort in klagendem Tone das Lied, welches sie auf seinen Abschied gedichtet hatten. Bei der Abreise begleiteten etliche Taufende den geliebten Lehrer bis zur Hafenbucht, und als das Boot vom Lande abstieß, sangen sie, dass sowohl dem Scheidenden wie den Bleibenden das Herz weich wurde:

"Segen über euch, geliebte Freunde!
Segen über euch, die ihr dahin fahrt auf der großen Tiefe!" 

John Williams kehrte zu der Zeit noch einmal auf seine früheren Arbeitsfelder zurück. Er besuchte die alten Gemeinden, um ihre Entwickelung zu beobachten und ihren Glauben zu stärken. Dass er dabei nicht nur erfreuliche Beobachtungen machen konnte, begreift man leicht, wenn man bedenkt, wie eilig es diese Eingeborenen meist mit dem Christwerden gehabt hatten. Hier war der alte Adamssinn in Einzelnen, die einst einen guten Anlauf genommen hatten, wieder hervorgebrochen; dort lebte das nur äußerlich überwundene Heidentum auf einer ganzen Insel wieder auf. Da fand der geistliche Vater mancherlei zu bessern.

Er begnügte sich aber nicht mit dem Besuch der ihm bekannten Inseln. Vorwärts stand sein Sinn. Wir wollen nicht auf alle Inselgruppen näher eingehen, die er berührte. Aber eine müssen wir doch hervorheben, weil sie für uns von besonderem Interesse ist: die Schifferinseln oder, wie sie jetzt allgemein heißen, die Samoa-Gruppe.

Der Missionar hatte den längeren Aufenthalt in Rarotonga benutzt, ein wirklich stattliches Schiff zu bauen, das ihn auf seinen Erkundigungs- und Evangelisationsreisen kreuz und quer durch die polynesische Inselwelt tragen sollte. Es führte den schönen Namen "Friedensbote". Um die Mitte des Jahres 1830 näherte sich Williams, von Missionar Barff begleitet, zum ersten Mal den Samoa-Inseln. Wir werden uns in einem späteren Kapitel noch ausführlicher mit dieser denkwürdigen ersten Berührung der deutschen Inseln mit dem Christentum beschäftigen. Hier mag nur erwähnt sein, dass damals auf Upolu und Sawaii noch das ungebrochene Heidentum herrschte. Die Missionare landeten auf der letztgenannten Insel und machten hier die Bekanntschaft des Oberhäuptlings Malietoa, dessen mächtige Hand hart auf der ganzen Gruppe lag. Williams hielt sich diesmal nicht lange bei ihm auf; er ließ nur einige eingeborene Lehrer zurück. Nach zwei Jahren kam er wieder. Hatte er jenes Mal sich nur mit Vorsicht genähert, weil die Schifferinseln in üblem Ruf standen, so kam er diesmal in Erinnerung an die gute Aufnahme bei Malietoa mit gutem Vertrauen. Seine Erwartungen wurden aber durch den Stand der Dinge noch weit übertroffen. Auch hier hatte das von den farbigen Gehilfen verkündigte Christentum in der kurzen Zeit bereits Wurzel geschlagen. Sawaii ward nun an verschiedenen Orten mit christlichen Niederlassungen besetzt. Auch Upolu empfing den Besuch des Missionars. Ja diese Insel gefiel ihm so gut, dass er sie zu seinem Standquartier machte. Bevor er dauernd übersiedelte, unternahm er eine Reise nach England, deren Einzelheiten wir hier übergehen wollen, die aber für die Verstärkung der Arbeiterschar in der Südsee seitens der Londoner Mission von großer Bedeutung war. Seine in der Heimat gehaltenen Vorträge besaßen eine starke Werbekraft. Nach der Rückkehr kam er mit seiner Frau nach Upolu, Er hatte bei früheren Besuchen immer in Apia beim Oberhäuptling Punipuniolu gewohnt, jetzt aber wählte er das Dorf Fasetutai in der Landschaft Uana zu seinem Wohnsitz Die dortigen Bewohner, ein bis dahin unter Schmach und Druck seufzendes Völkchen, hießen ihn herzlich willkommen. Fünfhundert Mann marschierten sofort nach dem vier Meilen entfernten Apia, die Sachen des Missionars zu holen. Triumphierend kamen sie in langer Reihe zurück, die Lasten, die sie trugen, durch das schnell gedichtete Marschlied sich erleichternd:

Williams kommt, ei kommt, ei kommt!
Und er bringt das Lotu (d.i. die neue Religion) nach Fasetutai!

Auch in den nächsten Tagen, als es galt, ein Wohnhaus für die Missionsleute zu bauen, ging der Jubel weiter. Sie schleppten Balken aus dem nahen Walde herbei und sangen lustige Lieder dazu. Ihre laute Freude hätte aber beinahe ein trauriges Ende genommen. Mit Neid sahen die Nachbarn, die ohnehin keine freundschaftlichen Gefühle für die Leute von Aana hegten, dass der Europäer sich gerade unter der verachteten Sippschaft niedergelassen hatte. Als Williams auf einige Tage verreist war, kamen sie mit ihren Kriegskähnen in die Bucht von Aana. Wäre nicht der Sohn des Missionars dagewesen, die Leute von Fasetutai hätten die Bevorzugung teuer bezahlen müssen. Nur weil der junge Williams für das Völkchen Fürbitte einlegte, ließen die Gegner sich zum Abzug bewegen, ohne großen Schaden anzurichten.

Von Samoa aus entfaltete unser Missionar nun jene Wirksamkeit, die ihm den Titel "Apostel der Südsee" eingetragen hat. Das Licht, dessen Träger er war, erleuchtete vor allem seine nächste Umgebung. Dass wir in der Samoa-Gruppe und ihrer Nachbarschaft jetzt bereits ganz christianisierte Inseln vor uns haben, geht darauf zurück. Sein Schein drang aber auch weit hinaus nach Ost und West. Von seinen gesegneten Fahrten mit dem "Friedensboten" mag hier nur noch ein kleines Erlebnis aus Rarotonga erwähnt sein. Williams kam 1839 dorthin und herbergte beim Häuptling Makea, dem er bei seinem bald darauf erfolgten Tode das Lob spendete: 

"Er war ein Schatz für Rarotonga; alle seine Macht gehörte dem Herrn. Er ist selig gestorben. Von allen Häuptlingen ehrte und liebte ich ihn am meisten. Es ist ein großer Trost für uns, dass sein Sohn Dauida in seinen Fußtapfen wandelt". 

Der Missionar brachte auf dieser Fahrt eine kostbare Schiffslast mit: 5.000 Neue Testamente. Sie wurden mit Jubel aufgenommen, denn auf diese Gabe hatten die eingeborenen Christen lange gewartet. Nirgends hat ein Bibelverkäufer leichtere Arbeit gehabt. Hier stand einer mit glänzendem Angesicht und hielt seinen Schatz hoch empor. Ein andrer verbarg das erhaltene Buch liebkosend im Busen. Viele küssten es. Etliche flogen pfeilschnell davon und hielten nicht eher an, bis sie nach Hause kamen, wo sie das Kleinod den Angehörigen zeigten. Andere endlich hüpften vor Freude umher. Viele kamen mit Tränen in den Augen und bettelten "unverschämt" um ein Buch. Wenn ihnen gesagt wurde: "Du kannst ja nicht lesen", antworteten sie:

"Aber mein Sohn, meine Tochter kann lesen, und ich kann hören und sie verstehen". 

Eine Frau kam und sagte, sie hätte die ganze Nacht erst weinend zugebracht und dann damit, ihren Mann auszuschelten, weil er nichts habe, wofür er ihr ein Testament kaufen könne. Wer Geld zu geben hatte, bekam zuerst ein Buch. Umsonst wurde es grundsätzlich nicht gegeben. Sodann wurden die bedacht, die mit getrockneten Bananen, Nüssen oder dergleichen bezahlten. Diese Ware nahm Williams gern als Geld an. Einer dritten Abteilung endlich wurden die Bücher als Darlehen gegeben.

Nun stand der "Apostel der Südsee" auf der Höhe seines Lebens, aber auch kurz vor seinem schrecklichen Tode. Noch in demselben Jahr 1839 ist er auf seinen Berufswegen als Märtyrer gefallen.

Seine Gedanken gingen zu der Zeit nach dem fernen Westen. Die verhältnismäßig gutmütigen, weichen Polynesier hatten das Evangelium bereitwillig angenommen; sie hatten es sich teilweise sogar von den Nachbarinseln selbst herübergeholt. Die westlichen Gegenden aber, wo die polynesische Rasse in die melanesische übergeht, zeigten sich weniger entgegenkommend. Gerade dort wollte Williams nun einen Versuch machen. Es war Ende November, als sein Fahrzeug die Neuhebriden-Insel Eromanga (Erromango) ansegelte. Der Missionar schaute mit verlangenden Blicken auf das neue Arbeitsfeld. Er überschlug im Geist, wie viele Jahre es wohl dauern würde, bis auch diese Inselwelt, über die sich besonders dunkle Schatten des Heidentums breiteten, vom Licht der christlichen Wahrheit erfüllt sein würde. Unter solchen Gedanken bestieg er mit zwei anderen Missionaren, Harris und Cunningham, ein Boot und fuhr dem Strande zu. Es war in der schönen Dillonsbai, die durch diesen Tag zu trauriger Berühmtheit gelangt ist. Sie begegneten einem Kahne mit drei Eingeborenen, die wild und scheu aussahen. Beim Nahen der Weißen ruderten sie eiligst davon. Die am Strande stehenden Wilden gaben zu erkennen, dass die Ankömmlinge nicht landen sollten, griffen aber begierig nach den Perlen, die ihnen zugeworfen wurden. Einer, der ein Häuptling zu sein schien, war sogar zu bewegen, aus dem nahen Bach einen Eimer mit frischem Wasser zu holen.

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Williams glaubte auf die abwehrenden Bewegungen der Leute nicht viel geben zu sollen. Ähnliche Zeichen der Ängstlichkeit kamen häufig vor, wenn er zum ersten Male auf einer Insel landete, wo Menschen mit weißer Haut eine noch nie gesehene Erscheinung waren. Er forderte seine Begleiter zum Aussteigen auf und meinte, die Leute würden bald merken, dass sie es gut mit ihnen meinten. Bei ihrem Nahen liefen die erwachsenen Eingeborenen schnell davon, aber die Kinder blieben am Strande sitzen und spielten weiter. Das nahm Williams als ein gutes Zeichen und setzte sich zu den Kleinen. Plötzlich kamen die beiden Freunde, die ein Stück landeinwärts gegangen waren, mit allen Zeichen des Entsetzens aus dem Gebüsch gesprungen. Sie wurden von den Wilden verfolgt und riefen ihm zu, er solle fliehen. Einer von ihnen, Harris, fiel in den Bach; mehrere Wilde schlugen mit ihren Keulen auf ihn los. Er war sofort tot. Cunningham erreichte glücklich das Boot und war nun Augenzeuge von dem, was dem geliebten Freunde widerfuhr. Williams lief zum Strande und stürzte sich ins Meer, um zum Boote zu schwimmen. Ein Wilder dicht hinter ihm. So oft der Kopf des Missionars aus dem Wasser auftauchte, schlug er ihn mit seiner Keule. Andere kamen hinzu, die dasselbe taten und schließlich auch noch den Körper des Toten mit Pfeilen durchbohrten. Dann wurde die Leiche aus dem Wasser geschleppt und zerschlagen, wobei sich die braunen Männer wie wilde Tiere gebärdeten. Die Knaben, die noch soeben auf dem Schoße des Missionars gesessen hatten, schlugen mit Steinen auf die verstümmelte Leiche los, bis die Wellen sich rot färbten vom Blut des Märtyrers.

Die Leute auf dem Missionsschiff waren an jenem Tage nicht im Stande, die Leichen der Erschlagenen zu bergen. Erst einige Monate später konnten sie unter dem Schutze eines Kriegsschiffs die Insel wieder betreten. Es gelang dem Missionar Cunningham, mit den Eingeborenen ein Gespräch anzuknüpfen. Dabei gestanden die grässlichen Menschen, dass sie die Leiber der Erschlagenen gefressen hätten. Nur einige Knochen und die Schädel wurden nach vielem Bitten herbeigebracht. Mit diesen traurigen Überresten fuhr der Freund nach Upolu und brachte der armen Frau Williams die Kunde vom Tode ihres Mannes. Da erhob sich in Fasetutai eine große Klage, die sich sofort über ganz Upolu verbreitete. Und auf allen Inseln, die die Trauerkunde erreichte, ward der Tod des großen Missionars aufrichtig betrauert. Unzählige braune Christen hatten in ihm den geistlichen Vater verloren.

Wir kehren noch einmal flüchtig nach Eromanga zurück. Es ist selbstverständlich, dass die Londoner Mission in der Folgezeit auf diese Märtyrer-Insel ihr besonderes Augenmerk gerichtet hielt. Mussten die Glaubensboten auch eine Zeit lang an ihr vorüberfahren, weil die Eingeborenen sich immer noch abweisend und drohend verhielten, endlich schien doch die Zeit gekommen, wo der Missionsversuch erneut werden konnte. Ein Eingeborener von Eromanga war nach Samoa gekommen und dort Christ geworden. Er unternahm es im Jahre 1857, den Missionar Gordon nebst Frau in seiner Heimat einzuführen. Einige Jahre ging alles gut. Da verbreiteten sich 1861 die von einem fremden Schiffe eingeführten Masern auf der Insel. Ein böser Mensch brachte den Verdacht auf, die Missionsleute wären an der Krankheit schuld; und während das Ehepaar sich um einige Kranke bemühte, wurden beide erschlagen. Auch das war noch nicht das letzte Märtyrerblut, das auf Eromanga geflossen ist. Gordons Bruder erklärte schon als Student der Theologie, dass er bereit sei, in die entstandene Lücke einzutreten. Im Jahre 1873 starb auch er eines gewaltsamen Todes von der Hand der Insulaner.

Erst gegen Ende der 70er Jahre war der Widerstand der Heiden gebrochen. Sie nahmen das Evangelium vom Heiland der Sünder endlich an, und die Mörder der Glaubensboten schlugen an ihre Brust. Am 13. Juni 1881 gab es eine ergreifende Feier auf der berüchtigten Insel: eine zum Denkmal für die hier gefallenen Märtyrer bestimmte Kirche ward eingeweiht. Bei dieser Gelegenheit waren drei Söhne des Mannes zugegen, der Williams erschlagen hatte. Einer derselben sprach ein Gebet. Später ließen sich zwei von ihnen als Lehrer in den Missionsdienst stellen und erteilten an derselben Stelle, wo vor 50 Jahren der "Apostel der Südsee" von ihrem Vater ermordet worden war, christlichen Unterricht. Der Mörder Gordons des Älteren nahm auch einen Lehrer bei sich auf und gab ein Stück Land als Bauplatz für Kirche und Schule her. So ist auch dort das Blut der Märtyrer zu einer Aussaat der Kirche geworden.

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Die Melanesische Mission

Auf den polynesischen Inseln handelte man, wie wir oben sahen, nach der auf den meisten Misstonsfeldern angenommenen Methode, das Evangelium durch weiße Missionare unter die Heiden tragen zu lassen, wenigstens in der ersten Periode der Christianisierung, Es liegt ja in der Natur des Arbeitsfeldes begründet, dass die Mitarbeit eingeborener Pastoren und Lehrer hier verhältnismäßig früh einsetzt, da die kleinen Inseln, um die es sich in Polynesien ausschließlich handelt, schneller erobert sind, als ein nach Hunderttausenden oder Millionen zählendes Heidenvolk in andren Teilen der Erde. Die Londoner Mission ist daher bis zur Gegenwart bei der Arbeitsweise geblieben, die sie zu John Williams Zeiten angenommen hatte. Sie ist auch jetzt noch auf den östlichen Südseeinseln tätig. Nur an einer Stelle ging sie westwärts über die Neuhebriden hinaus. Ihre Sendboten suchten seit 1872 im englischen Teil von Neu-Guinea festen Fuß zu fassen und haben dort im Papua-Golf tatsächlich ein hoffnungsvolles Arbeitsfeld gefunden. Männer wie Murray, Maefarlane und Chalmers leisteten die sehr gefährlichen Pionierdienste. In Port Moresby und am Flyfluss lagen die Schwerpunkte ihres Wirkens. Der Letztgenannte ward 1901 mit einem Genossen und mehreren eingeborenen Gehilfen auf der kleinen Insel Goaribari ermordet, als er zwischen streitenden Stämmen Frieden stiften wollte.

John Williams hatte durch seine letzte Reise die Brücke von Polynesien nach Melanesien geschlagen. Für diese Inselwelt aber trat bald nach seinem Tode ein besonderes Missionsunternehmen ins Leben, dessen wir auch etwas ausführlicher Erwägung tun müssen: Die Melanesische Mission. Sie unterscheidet sich von der Londoner Gesellschaft durch die viel spärlichere Verwendung europäischer Arbeitskräfte. Will man ihre Methode auf eine kurze Formel bringen, so kann man sagen: Sie sucht die Inseln der Südsee durch ihre eigenen Kinder zu christianisieren. Die veränderte Arbeitsweise hängt mit den besonderen Schwierigkeiten dieses Missionsfeldes zusammen. Das melanesische Klima ist dem weißen Manne viel gefährlicher, als das in den östlichen Teilen der Südsee. Wir hörten schon bei unserm Besuch in Kaiser Wilhelms-Land davon. Tritt die Malaria im Bismarck-Archipel, auf den Salomon-Inseln und den anderen Gruppen auch nicht mit solcher Heftigkeit auf, wie auf Neu-Guinea, so bleibt sie doch auf allen diesen Inseln eine Geißel des Europäers; die Eingeborenen werden zwar nicht ganz von ihr verschont, leiden aber doch lange nicht in so hohem Grade. Dazu kommt die Sprachschwierigkeit. In Polynesien ist diese verhältnismäßig gering. Auf den melanesischen Inseln aber wurden die ersten Ankömmlinge durch die Verschiedenheit der Mundarten geradezu erschreckt. Das Sprachgebiet wechselt von einem Eiland zum andern. Sollten nun die weiter ziehenden Glaubensboten sich jedes Mal der Mühsal eines neuen Sprachstudiums unterziehen, nachdem sie sich eben erst mit der Redeweise eines kleinen Stammes vertraut gemacht hatten? Das neue Missionsunternehmen, von dem die folgenden Seiten erzählen, sucht diesen Schwierigkeiten zu begegnen.

Sein Ausgangspunkt liegt in der englischen Kolonie Neu-Seeland. Dort hatten sich, wie wir sahen, schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zahlreiche englische Ansiedler niedergelassen. Um diese in kirchlicher und moralischer Hinsicht nicht verwildern zu lassen, ward in ihrer Heimat die "Gesellschaft zur Ausbreitung des Evangeliums in fremden Ländern" gegründet. Sie sollte dafür sorgen, dass die Pioniere Englands in dieser, wie in allen anderen Kolonien, gleich vom Anfang an sich in christlicher Luft bewegen und ein gutes christliches Beispiel vor Augen haben; dass ihre Kinder christliche Unterweisung empfangen, und dass, sobald Kolonien entstehen, auch die Kirche mitgepflanzt wird. Zu diesem Zwecke schickte die im Jahre 1701 gegründete Ausbreitungsgesellschaft, wie sie kurz genannt wird, Geistliche zu den Kolonisten, half ihnen Kirchen und Schulen bauen und suchte durch Einrichtung von Bischofssprengeln sobald als möglich den ganzen Apparat der heimischen Kirche in die Kolonien zu tragen. Rückte die Gesellschaft somit die kirchliche Versorgung ihrer Landsleute an die erste Stelle, so tritt daneben, wie schon ihr Name andeutet, auch die Missionstätigkeit unter den heidnischen Völkern, mit denen die Kolonisten in Berührung kommen. Beide Zweige der Arbeit sind von Interesse für uns, da wir hier erörtern, wie das Christentum in die Südsee kam. Leider steht man bei uns in Deutschland der an erster Stelle genannten Aufgabe im Allgemeinen noch allzu kühl gegenüber. Wenn doch die evangelische Kirche Deutschlands ernstlicher darauf bedacht wäre, daß die in unsere Kolonien gehenden Landsleute dort eine christliche Luft atmen und im Zusammenhang mit ihrer Mutterkirche bleiben! Wenn doch unsere Kolonialkreise, die sich in mancher Hinsicht für Kolonisten und Beamte so fürsorglich zeigen, ihr Augenmerk auch darauf richten wollten, dass die christliche Kirche mitgepflanzt wird, wo deutsche Niederlassungen entstehen. Die zahlreichen Kolonialgeistlichen und -kirchen der englischen Gebiete beschämen uns.

Es war im Anfang der vierziger Jahre, als der mit trefflichen Gaben ausgerüstete G. Aug. Selwyn zum Bischof von Neu-Seeland ordiniert wurde. Neben der Fürsorge für seine Landsleute ward ihm dabei das Seelenheil der Eingeborenen ans Herz gelegt; und zwar nicht nur der im Bereiche seines Sprengels lebenden Maori. Ein in seiner Bestallungsurkunde untergelaufener Schreibfehler machte ihm die Mission auf den Inseln zu beiden Seiten des Äquators zur Pflicht. Es war klar, dass eine so riesige Aufgabe einem einzelnen Manne im Ernst nicht zugemutet werden konnte. Aber Selwyns Feuergeist ward dadurch zu weitschauenden Plänen und besonderer Kraftentwickelung angeregt. Sobald ihm die kirchliche Versorgung seiner Landsleute Zeit ließ, trat er der Missionsaufgabe näher.

Wir übergehen hier sein Wirken unter den Maori und fragen nur, was er für Melanesien getan hat. Sein Plan ging dahin, an seinem Bischofssitz eine Ausbildungsstätte für junge Männer aus allen Teilen der melanesischen Inselwelt zu errichten. Er wollte auf wiederholten Rundfahrten das Vertrauen der Eingeborenen zu gewinnen und sie dahin zu bringen suchen, dass sie ihm einige ihrer Söhne mitgäben. Für diesen Zweck verschaffte er sich ein kleines Segelschiff "Undine" und fuhr mit ihm nordwärts, Kapitän und Werbemissionar in einer Person. Neben den geistlichen Gaben, die er reichlich besaß, zeichnete ihn auch ein außerordentlich praktischer Sinn aus. Er verstand sein Fahrzeug in jenem fast unbekannten Meer, wo das kleinste Versehen oder eine Minute der Unschlüssigkeit verhängnisvoll werden konnte, selbst zu steuern und wohlbehalten zwischen den Klippen hindurch zu bringen. Sein scharfes Auge erspähte eher, als jedes andre, ein drohendes Riff. Im Sturm ergriff er das Steuer. Sein starker Arm half das Boot durch die schäumende Brandung rudern. Als er einst mit einem fremden Schiff nach Auckland auf Neu-Seeland zurückkehrte und ohne Lotsen in den Hafen einlief, sagte ein alter Kapitän am Lande:

"Mit diesem Schiff muss der Bischof gekommen sein; kein andrer hatte es so sicher zwischen den Korallenbänken hindurchgebracht!"

Das wachsame Auge ließ ihn aber auch alle Gefahren erkennen, die ihm auf seinen Reisen unter den wilden Eingeborenen drohten. Als einer seiner jugendlichen Begleiter sich einst auf einer fremden Insel zu weit vorgewagt hatte und durch seinen Warnungsruf zurückgeholt worden war, sagte er zu dessen größter Überraschung:

"Sahen Sie denn nicht, dass alle die Sträucher, an denen Sie vorübergingen, belebt waren?"

Wir wollen jetzt den Bischof im Geist auf einer seiner Fahrten begleiten und sehen, wie er seine Zöglinge zusammenholt. Sobald die "Undine" vor einer Inselgruppe angekommen ist, lässt er sich in die Lagune rudern und watet schließlich durch das seichte Wasser ans Land. Neugierig sehen die Insulaner den Fremdling an, der ohne jede Waffe zu ihnen kommt. Er nähert sich vorsichtig und wirft ihnen Angelhaken, Nägel, Perlen und dergl. zu. Überrascht lassen die Schwarzen ihre schon erhobenen Waffen sinken. Von dem seltsamen Fremdling haben sie offenbar nichts zu befürchten. Er begnügt sich zunächst mit dieser kurzen Berührung. Nur lauscht er mit Spannung auf jedes ihrer Worte und sucht die Namen der angesehensten Männer auf der Insel zu erkunden. Nachdem er durch Zeichensprache nochmals seine freundschaftlichen Absichten zu erkennen gegeben, verabschiedet er sich für diesmal wieder. Auf der weiteren Fahrt bemüht er sich, an andren Orten in derselben Weise bekannt zu werden. Unterwegs werden genaue Notizen über die gemachten Beobachtungen, die gehörten Namen usw. ins Tagebuch eingetragen. Nach einiger Zeit folgt der zweite Besuch auf denselben Inseln. Jetzt werden die Eingeborenen, denen er vielleicht schon einige Worte in ihrer Sprache zurufen kann, zutraulicher. Auch die Frauen und Kinder kommen hervor. Er schenkt den ersteren ein paar schöne Perlen und streichelt die letzteren. Dadurch werden die Herzen gewonnen, so dass er es diesmal schon wagen kann, eine Hütte zu betreten. Nun fassen die Eingeborenen auch den Mut, auf sein Schiff zu kommen. So geht es Schritt für Schritt weiter, bis der Bischof schließlich das Ansinnen an einen Vater stellt, ihm seinen Sohn für einige Zeit mitzugeben. Das hielt im Anfang freilich schwer. Als aber erst einmal einige schwarze Jungen mitgefahren und nach der vereinbarten Zeit glücklich wieder heimgekehrt waren, bedurfte es keiner großen Überredungskünste mehr.

Die auf diese Weise erlangten Knaben wurden mit nach Neu-Seeland genommen und im Institut zu Auckland den jungen Maori, die der Bischof zu Gehilfen der Mission und als Lehrer ihres Volkes ausbilden ließ, zugesellt. Sie sollten zunächst nur einmal in nähere Berührung mit der Mission kommen und den Segen einer christlichen Hausordnung auf sich wirken lassen. Auch wurden die bisher von allen Kultureinflüssen unberührten Naturkinder während ihres ersten Aufenthalts auf Neu-Seeland mit den Kunstgriffen des Acker- und Gartenbaues und mit den Arbeiten der Handwerker bekannt gemacht. Nach einigen Wochen ward ihnen Gelegenheit gegeben, selbst mit Hand anzulegen. Die Sprachverschiedenheit der Inseln, von denen die einzelnen gekommen waren, machte sich auch hier unliebsam bemerkbar. Um dem Übel zu begegnen, ward eine der Inselsprachen zur Verkehrssprache unter den Zöglingen erhoben. Der Bischof wählte die von Mota, einer der Banks-Inseln im Norden der Neuhebriden. Die ganze Einrichtung hatte aber einen Fehler. Die Erziehung, welche die jungen Melanesier in Auckland empfingen, war von zu kurzer Dauer. Man wagte es nämlich nicht, sie über Jahr und Tag im kühlen Neu-Seeland zurückzuhalten, aus Furcht, dass das Klima ihnen gefährlich werden möchte. Es wurde daher nur eine "Sommerschule" dort eingerichtet. Sobald die kühle Jahreszeit nahte, brachte der Bischof seine jungen Freunde jedes Mal in ihre wärmere Heimat zurück. Er gewann dadurch immer neue Berührungspunkte mit ihren Volksgenossen und konnte einer größeren Anzahl junger Burschen die Wohltat eines Aufenthaltes unter den Christen in Neu-Seeland zuteil werden lassen. Aber ein tiefer gehender Einfluss auf die jungen Leute wurde unter solchen Umständen doch nicht erreicht. Nur bei denen, die mehrere Sommer hintereinander mit nach Auckland kamen, war der Segen deutlicher zu spüren. Andere legten mit den Kleidern, die sie im Institut getragen, nach der Rückkehr in die heidnische Umgebung bald auch alles andre ab, was sie sich dort angeeignet hatten und brachten wohl gar die Erziehungsmethode des Bischofs in übeln Ruf. Dieser suchte zwar durch Einrichtung einer sogenannten Winterschule auf einer in wärmerem Klima gelegenen Insel dem Schaden beizukommen und benutzte auch die Fahrten der "Undine" im melanesischen Meer zu vermehrter christlicher Unterweisung seiner Zöglinge. Zu einer gründlichen Abhilfe kam es aber erst unter seinem Nachfolger, dem wir nun unsere Aufmerksamkeit zuwenden. In ihm tritt wieder einer der großen Südseemissionare hervor:

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John Coleridge Patteson

Aus einer hochangesehenen Londoner Juristenfamilie stammend, lief er mit der Blüte der englischen Jugend durch die Schule von Eton und die Universität Oxford. Eine Studienreise durch Mitteleuropa, die mit einem längeren Aufenthalt in Deutschland schloss, sollte die Ausbildung des jungen Mannes vollenden. Man wählte Dresden zum dauernden Aufenthaltsort. Es ist bezeichnend, dass der künftige Missionsmann sich hier in das Studium des Hebräischen und Arabischen vertiefte und damit seinen Geist für die späteren Sprachstudien schärfte. Neben den Freuden und Genüssen der an Kunstschätzen reichen Stadt ging der Verkehr mit angesehenen Theologen, wie dem Oberhofprediger Harleß, einher. Dieser machte den Jüngling mit der besten theologischen Literatur Deutschlands bekannt. Wenn Patteson später auf seinen Fahrten durch die Südsee die stillen Stunden gern zu einem eingehenden Studium der Prophetenbücher an der Hand des Kommentars von Prof. F. Delitzsch benutzte, so hat er dieses vorzügliche Hilfsmittel zum Verständnis des Alten Testaments ohne Zweifel in der Dresdner Zeit kennen gelernt.

Im Jahre 1853 kehrte der Sechsundzwanzigjährige in die englische Heimat zurück. Ein kurzer Aufenthalt in Oxford, das Anstellungsexamen in Exeter und die Ordination in der dortigen Kathedrale leiteten zum ersten geistlichen Amt über, das er in einer Dorfpfarrei fand, die unmittelbar neben Feniton, dem elterlichen Landsitz, lag. Er wusste sich bald die Liebe seiner Gemeindeglieder zu erwerben, aber festwachsen konnte er nicht. Im Sommer 1854 kam Bischof Selwyn aus Neu-Seeland. Er war mit den Eltern befreundet und hatte schon bei seinem Abgang in die Südsee die Seele des jungen Patteson mit dem Wunsche erfüllt, später auch einmal auf Missionswegen zu gehen. Jetzt redete der Bischof mit dem Feuer eines Mannes, der ganz für eine edle Sache lebt, von den großen Aufgaben der christlichen Kirche in der Südsee.

Der Funke zündete. Patteson entschloss sich, mit Selwyn zu ziehen. Die Eltern gaben unbedenklich ihr Jawort, so sehr auch der Auszug des geliebten Sohnes in die Ferne ihre eignen Pläne durchkreuzte.

Im März 1855 fuhren beide von Southampton ab. In direkter Fahrt erreichten sie nach reichlich drei Monaten Neu-Seeland. Bald nach ihnen kam auch das "Südliche Kreuz" an, ein Missionsschiff, das der Bischof von Freunden in England als Geschenk erhalten hatte.

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Um dem jungen Freunde sein Arbeitsfeld zu zeigen, unternahm der Bischof am Himmelfahrtstage 1856 mit ihm eine Rundreise durch Melanesien. Selwyn wählte diesen Tag, weil an ihm, wie er sagte, das Wort: "Gehet hin in alle Welt" mit besonderer Kraft ans Herz schlägt. Zuerst wurde die Norfolk-Insel angelaufen, die später größere Bedeutung für diese Mission erlangte. Dann besuchte man die Neuhebriden, landete in Aneityum und, an dem berüchtigten Eromanga vorbeifahrend, in Efat. Auf der Weiterfahrt wurden die Banks-Inseln, die Santa Cruz-Gruppe, endlich die Salomon-Inseln berührt, so dass Patteson einen Überblick über das Arbeitsfeld erhielt, dem die Arbeit seines Lebens gewidmet sein sollte. Das neue schöne Schiff, welches die Missionsleute trug, hatte hier einen harmlosen, freundlichen Empfang, dort ward es von scheuen Schwarzen umschwärmt, am dritten Ort gab's feindliches Drohen und Bogenspannen, am vierten schaurige Spuren des Kannibalismus. Patteson fuhr voll Spannung durch die Inselwelt und gewöhnte sein Auge an die ihm gewordene Aufgabe unter den Melanesiern, die ihm auf den ersten Blick abschreckend hässlich erschienen, denen er aber schon nach wenig Jahren ein lieber Freund und Seelsorger wurde. Als leichte Lektüre las er in dieser Zeit - was für uns Deutsche von besonderem Interesse ist - jene Abschnitte aus Neanders Kirchengeschichte, die von der Missionstätigkeit des Columban, Bonifacius und der andren mittelalterlichen Glaubensboten in Deutschland handeln. Er fand es interessant und lehrreich, dass diese bedeutenden Misstonsmänner auch großen Wert auf die äußerliche Seite ihrer Arbeit gelegt hatten, auf Ackerbau, Fischfang und andre Mittel, die dazu beitragen, die Lage der Leute menschlicher zu machen. Es ward seinem geschärften Geiste nicht schwer, aus dem geschichtlichen Rückblick eine Lehre für die Gegenwart zu ziehen. Als Beute brachte er von dieser Fahrt eine kleine Anzahl junger Salomon-Insulaner mit heim. Er schulte sie im Institut von Auckland ein und widmete sich nun ganz der Erziehung und Unterweisung dieser Schwarzen. Selwyn schreibt darüber in einem Briefe an die Missionsfreunde daheim:

"Ich wollte, ich könnte Ihnen unsern Patteson inmitten seiner 38 Schüler zeigen, wie er mit heiterem Blick und einem freundlichen Wort für Jeden, während dreizehn verschiedene Dialekte sein Ohr umsummen, mit demselben Eifer, als ob es sich um die Lösung eines tiefen mathematischen Problems handelte, das Abc lehrt, oder wie er mit seiner schwarzen Jugend Spiele und Leibesübungen vornimmt, als triebe er sich noch als munterer Student mit seinen englischen Freunden herum, oder wie er endlich, wenn Schule und Spiel vorüber ist, mit seinen vielsprachigen Zuhörern in der Missionskapelle den Abendgottesdienst hält".

Nach mehreren Jahren gemeinsamer Arbeit wollte Selwyn sich von dem Werke, das er geschaffen, zurückziehen. Er hatte in J. C. Patteson gerade den Mann gefunden, den er sich als Nachfolger wünschte, und betrieb in London seine Ernennung zum Missionsbischof von Melanesien. Am 24. Februar 1861 war der Weihetag. Die Bischöfe von Neu-Seeland, Wellington und Nelson standen in der Kirche von Auckland um ihn her, dazu zehn seiner schwarzen Schüler, die bereits getauft waren. Einer von diesen hielt die Bibel, die Patteson einst als fünfjähriger Knabe von seinem Vater als Geschenk erhalten hatte, dem weihenden Bischof zur Vorlesung hin. Selwyn war tief bewegt, als er nach der Predigt über den Spruch aus der Apostelgeschichte: "Herr, aller Herzen Kündiger,  zeige an, welchen du erwählt hast" dem jungen Freunde das Geleitswort zurief:

"Teurer Bruder, möge jeder Schritt deines Lebens in Gemeinschaft mit dem Herrn Christus geschehen. Er sei mit dir als ein Licht, zu erleuchten die Heiden. Er schenke dir Gnade, deinen Mund weit aufzutun, um die Geheimnisse seines Evangeliums zu verkündigen. Er lasse dich seine Nähe fühlen in der einsamen Wildnis, auf der Spitze der Berge, auf dem sturmbewegten Meere. Mögest du mit ihm im Gebet ringen, mit ihm in seinen Tod gekreuzigt und in sein Grab gelegt werden, mit ihm zu einem neuen Leben auferstehen und dein Herz dahin senden, wohin er uns vorangegangen ist, und wo er nun lebt und für dich bittet, daß dein Glaube nicht aufhöre".

Augenzeugen der feierlichen Handlung waren ganz hingerissen davon, mit welcher Liebe und wie freudigem Vertrauen des Bischofs Auge auf Patteson ruhte, und wie dieser jedes Wort, das von dessen väterlichen Lippen floss, gleichsam zu trinken schien.

Wir müssen es uns leider an dieser Stelle versagen, die Wirksamkeit des Bischofs Patteson bis in alle Einzelheiten zu schildern. Sein Lebensbild kann hier nur mit flüchtigen Strichen gezeichnet werden. Eine seiner ersten Aufgaben war die Verlegung der Ausbildungsstätte für die jungen Melanesier. Die Schule zu Auckland war schon lange als unzureichend erkannt worden. Ihre Lage, ohne Schutz gegen Wind und Wetter, brachte direkte Gefahren für die Gesundheit der ans dem äquatorialen Klima gekommenen Eingeborenen. Nun wurden in der geschützten Bucht von Kohimarama neue Gebäude ausgeführt. Die Mittel dazu erhielt Patteson von lieben Händen. Sein Vater erinnerte sich, dass sein Sohn während der Studienzeit viel weniger Geld verbraucht hatte, als der jüngere Bruder, und stellte die auf diese Weise ersparte Summe ihm jetzt zur Verfügung. Dazu kam eine reiche, Beisteuer von der auch in Deutschland wohlbekannten Schriftstellerin Charlotte Youge, seiner Verwandten. Sie hatte in eines ihrer vielgelesenen Bücher manches aus Pattesons Missionsberichten aufgenommen, so dass sie das Honorar, das sie für das Werk empfing, der Melanesischen Mission schuldig zu sein glaubte. Damit hatte Patteson leichtes Bauen. Seinen endgültigen Platz fand das Institut aber in Kohimarama auch noch nicht. Im kühlen Neu-Seeland konnten sich die Melanesier nun einmal nicht akklimatisieren. Ihre Gesundheitsverhältnisse wurden erst besser, als die Schule näher an ihre Heimat gerückt wurde, auf die unter dem 30. Grad südlicher Breite liegende Norfolk-Insel. Hier konnten die schwarzen Burschen auch den Winter hindurch bleiben und nachhaltiger beeinflusst werden. Auch die abgeschiedene Lage dieses Eilands, das außer den Missionsleuten nur die Pitkairner mit ihrem an die Brüdergemeinde erinnernden Gemeinwesen beherbergte, war für ihre Erziehung vorteilhafter, als das unruhige Neu-Seeland. Schon Selwyn hatte seiner Zeit die Überführung der Zöglinge nach der Norfolk-Insel betrieben. Die englische Regierung unterhielt aber damals dort eine Verbrecher-Kolonie. Erst Patteson erreichte die Verwirklichung des Planes.

Von hier aus wurde nun in der Folgezeit das Werk geleitet. Das "Südliche Kreuz" war fast immer unterwegs, heidnische Melanesier herbeizuführen und sie nach Durchlaufen des Kursus wieder heimzubringen; nicht wenige von ihnen als getaufte Christen. Der Bischof war selbst viel auf Reisen. Eine seiner wichtigsten Aufgaben bei der fortschreitenden Entwickelung bildete der wiederholte Besuch bei den eingeborenen Lehrern, die er auf ihren Heimatinseln eingesetzt hatte. Auch mussten immer wieder neue Gebiete aufgesucht und neue Verbindungen angeknüpft werden.

Wir lassen die anderen Reisen bei Seite und begleiten ihn auf einer Fahrt nach den Salomon-Inseln. Sein fernstes Ziel ward dort die Insel Bugotu (Isabel), die später eine Zeit lang zum deutschen Besitz gehörte. Unter den Eingeborenen, die er bei dieser Reise in ihre Heimat zurückschaffte, waren mehrere junge Männer von Bugotu, auf deren Bewährung und spätere Hilfe der Bischof große Hoffnungen setzte. Gerade hier war ein Wandel zum Besseren sehr erwünscht. Die Salomon-Insulaner waren durch ihre Wildheit berüchtigt. Sie lebten in fortwährenden Kämpfen untereinander. Das Missionsschiff aber ward von ihnen immer als neutraler Boden behandelt. Männer und Jünglinge von feindlichen Stämmen trafen auf dem "Südlichen Kreuz" zusammen, gingen auch gelegentlich miteinander nach der Norfolk-Insel. Dort war von der alten Feindschaft keine Rede mehr. Aber nach der Rückkehr hatten sie dann mit den neugewonnenen christlichen Anschauungen unter ihren Volksgenossen einen schweren Stand. Und wenn es nur das gewesen wäre. Aber die Unsicherheit der Verhältnisse stellte auch in anderer Hinsicht den Erfolg der Arbeit in Frage. Ein ganzer Stamm, mit dem man Bekanntschaft gemacht, dessen Sprache man mit vieler Mühe erlernt hatte, konnte von seinen feindlichen Nachbarn innerhalb weniger Wochen verjagt, zerstreut oder ganz aufgerieben werden.

Der Bischof ließ es natürlich bei seinen Besuchen nicht an Vorstellungen und Ermahnungen fehlen, doch die alte Feindschaft und Rachsucht zu lassen. Aber diese fruchteten nicht viel, so lange die Mehrzahl der Bewohner noch Heiden waren; und von der starken Hand eines Gouverneurs oder Bezirksamtmanns, die jetzt auch auf den Salomon-Inseln, wenigstens im deutschen Gebiet, sich Respekt verschafft, war damals noch nicht die Rede. Mit herzlichem Mitleid sah Patteson, in welcher Furcht das arme Volk seine Tage zubrachte. Das war namentlich an der Anlage ihrer Wohnungen zu erkennen. Das Dorf, in dem er das eine Mal schlief, war auf einem hohen, fast senkrecht aufsteigenden Felsen erbaut. Ein anderes Mal besuchte er Leute, die in Baumhäusern wohnten. Man sollte lieber sagen in "Nestern", denn solchen glichen diese Wohnungen auf den Bäumen. Hohe Stämme,, die an steilen, schlüpfrigen Abhängen wachsen, werden mit Vorliebe dazu benutzt. Wenn der Umfang der Baumkrone es erlaubt, werden gleich mehrere Hütten darin angelegt. Bei einem Baumhaus stellte der Bischof eine genaue Messung an. Er fand, dass das Haus, zu dessen Besuch er eingeladen war, in einer Höhe von 44 Fuß über dem Erdboden errichtet war, oder vielmehr über einer steilen Felswand, aus der der Baum hervorwuchs. Die ganze Höhe, in der die luftige Wohnung schwebte, betrug 94 Fuß. Die Leiter, welche den Verkehr vermittelte, kam dem Europäer höchst unsicher vor. Wie staunte er aber, als eine Frau, die noch dazu eine Last trug, freihändig mit der Leichtigkeit eines Seiltänzers hinaufstieg. Auf den nackten Ästen des Baumes, wo ein einziger Fehltritt den Tod bringen musste, ging, gleichfalls ohne sich anzuhalten, ein Mann umher, um sein Fischnetz aufzuhängen.

Die armen Leute wissen nichts von einer bequemeren Existenz. Unsicherheit des Lebens und des Besitzes scheint ihnen eine unerlässliche Bedingung des menschlichen Daseins zu sein. Sind sie einmal in ihrem Wolkenkuckucksheim geborgen, so fürchten sie keinen Angriff. Sie sagen, niemand würde es wagen, den Baum zu fällen oder Feuer daran zu legen, denn sie haben da oben einen Vorrat von Steinen und Speeren. Von den Baumästen aus oder durch die Falltür am Boden der Hütte werfen sie ihre Geschosse auf die unten stehenden Feinde so sicher und furchtlos, als ob sie festen Grund unter den Füßen hätten. Alle diese Berechnungen werden freilich zu Schanden, sobald ihre Feinde mit Schießgewehren bewaffnet sind. Deren Einfuhr bringt auch in dieser Hinsicht eine große Umwälzung mit sich.

Patteson wünschte bei diesem Besuch der Insel, die, wie gesagt, den äußersten Punkt seiner Einflusssphäre darstellte, zwei seiner ältesten verheirateten Schüler, die mit ihren Frauen schon einmal im Institut gewesen waren, wieder mit dorthin zu nehmen, um ihre Erkenntnis zu vertiefen. Sie konnten sich aber noch nicht entschließen, ihre Freunde zu verlassen, und verschoben ihr Kommen auf das nächste Jahr.

Dafür war ihm ein unerwarteter Erstlingserfolg auf der Insel Bauro, die auch zur Salomon-Gruppe gehört, beschieden. Gleichzeitig mit seinem Besuch traf hier die Nachricht ein, dass der Sohn des Häuptlings Jri auf einer Reise den Tod gefunden hatte. Während die Männer des Dorfes eine Planke von dem Kahn des im fremden Lande gestorbenen jungen Häuptlings herbeibrachten, und die Weiber eine Totenklage anstimmten, saß der Vater einsam am Strande, eine große Perlenmuschel, die seinem Sohne gehört hatte, in der Hand haltend. Er kümmerte sich anscheinend nicht um die lauten Ausbrüche des Schmerzes rings um ihn her; auch beachtete er es kaum, als ein Bewaffneter aus der Menge hervortrat und mit wilden Gebärden dem unbekannten Urheber des Todes Rache schwur. Schweigend schritt er seinem Hause zu und setzte sich neben Patteson nieder, um den sich bald ein Kreis von Männern sammelte.

Es war ein Augenblick, den der Bischof nicht unbenutzt lassen konnte.

"Viele eurer Söhne können euch jetzt schon sagen, dass es nicht meine Absicht ist, ihnen bloss Gelegenheit zu geben, fremde Länder zu sehen, und euch Äxte und Angeln zu schenken, sondern dass ich euch zur Erkenntnis des großen Vaters im Himmel und seines Sohnes Jesu Christi führen möchte. Ihr habt gehört, dass ihr, wenn ihr sterbet, nicht verkommt, wie die Vögel und Fische. Ihr werdet alle vom Tode auferstehen, und wenn ihr jetzt den großen Gott lieben und ihm gehorchen lernet, wird er euch auf immer zu sich in seinen Himmel nehmen. Wenn ihr aber in Hass und Unfrieden mit einander lebet und fortfahret zu stehlen, zu lügen und ein unreines Leben zu führen, wird der große Vater, der euch so sehr liebte, dass er seinen Sohn für euch sterben ließ, euch nie glücklich machen und bei sich im Lichte wohnen lassen, sondern eure Herzen werden hier finster bleiben, und drüben werdet ihr auch für immer in der Finsternis sein."

Tiefe Stille herrschte nach diesen Worten. In der nächsten Nacht lag Patteson an Jri's Seite. "Glaubst du wirklich", unterbrach da auf einmal der Häuptling die nächtliche Stille, "dass ich meinen Sohn wiedersehen werde?" Das Wort von der Auferstehung hatte in seinem bekümmerten Vaterherzen einen bereiteten Boden gefunden.

Es war eine von jenen Nächten, von denen Patteson einmal sagte:

"Wenn ich auf einer fernen Insel, allein unter achtzig oder neunzig Kannibalen meine Knie vor Gott beugte, überströmte mich plötzlich das selige Gefühl, dass die Gebete meiner Freunde in Neu-Seeland, England und Australien auch für dieses Werk und für mich zum Throne der Gnade aufsteigen, und mein einsames Flehen sich in das aller Gläubigen auf dem weiten Erdenrund mischt".

Auch dieses Leben voll Glauben und Liebe hat einen jähen Abschluss durch den Märtyrertod gefunden. Es war am 20. September 1871, als das "Südliche Kreuz" auf die Santa Cruz-Insel Nukapu zu segelte. Patteson hatte schon wiederholt versucht, junge Männer von diesem kleinen Eiland in seine Anstalt zu bekommen. Aber die Bewohner schienen eine besonders starke Abneigung zu haben, in die Fremde zu ziehen. Doch der Bischof versuchte es aufs neue. Jetzt lag die Insel vor ihm in hellem Sonnenschein, umgeben von den blauen Wogen, die sich an dem ringsum laufenden Riffgürtel brachen; dahinter das stille Lagunenwasser, begrenzt von einem weißen Streifen Korallensand, über dem sich schattenspendende Bäume erhoben. Den Leuten im Missionsschiff war es befremdlich, dass die Eingeborenen mit ihren Booten nicht zu ihnen herangerudert kamen. Doch wurden innerhalb des Korallenriffs schließlich vier Kähne sichtbar. Da bestieg der Bischof mit dem ihn begleitenden Missionar Atkin und drei christlichen Melanesiern das Schiffsboot. Dieses konnte wegen des niedrigen Wasserstandes nicht über das Riff kommen. Nach mehreren fruchtlosen Bemühungen boten ihm die Eingeborenen an, er möge in ihr Fahrzeug steigen, um so ans Land zu gelangen. Patteson, dem viel daran zu liegen schien, die Insel zu betreten, und der durch die Benutzung des Eingeborenen-Kanus gleichzeitig die Leute arglos machen wollte, bestieg den Kahn zweier ihm von früher her bekannten Häuptlinge. So fuhr er hinüber, während die Freunde am Riff im Schiffsboote warteten.

Was sich in der folgenden halben Stunde auf der Insel zutrug, konnten die Männer vom Missionsboot aus nicht sehen. Der Bischof war mit seinen Begleitern unter den Bäumen des Ufers verschwunden. Endlich kamen einige Boote in die Nähe der Harrenden zurück. Aus einem derselben wurde plötzlich ohne alle Warnung ein ellenlanger Pfeil mit den Worten abgeschossen: "Habt ihr etwas wie dieses?" Und schnell flogen weitere Pfeile, die von dem merkwürdigen Rufe begleitet wurden: "Dieser ist für den Neu-Seeland-Mann! Dieser für den Mota-Mann! Dieser für den Bauro-Mann!" Mehrere Insassen des Missionsbootes, das sich schnell zurückzog, wurden durch sie verwundet. Sie ruderten eiligst nach dem Schiff zurück, aber die Besorgnis um das Leben des Bischofs trieb sie wieder an die verhängnisvolle Stelle. Da stießen zwei Kähne vom Ufer, deren einer jedoch bald zurückkehrte. Der andre blieb ohne Ruderer auf der blauen Flut. Als die Freunde sich ihm näherten, fahren sie eine verhüllte Last in dem Fahrzeug liegen. Sie schoben die Matten bei Seite und erblickten - die Leiche Pattesons. Ein friedliches Lächeln lag auf seinem Angesicht; auf der Brust war ein Palmblatt befestigt. Bei näherer Untersuchung zeigte sich, dass der Leichnam fünf Wunden hatte. Ebenso viele Knoten waren in das gefiederte Blatt der Kokospalme geknüpft. Die Erklärung hierfür erhielt man erst später. Der Tod des unschuldigen Mannes sollte die Sühne für die Ermordung von fünf Eingeborenen sein. Die Mörder ahnten freilich nicht, dass in der Nachfolge Christi fünf Wunden auch noch eine andere Deutung zulassen.

Am nächsten Morgen hielt Missionar Atkin einen kurzen Trauergottesdienst auf dem "Südlichen Kreuz" und ließ die Leiche des Bischofs in die tiefen Fluten der Südsee versenken.

Es dürfte hier am Platze sein zu fragen, wie es kommt, dass die Südsee-Mission so viele Märtyrer aufzuweisen hat, und dass auch gerade Patteson, der so oft mitten unter die Wilden gegangen war, erschlagen wurde? Die Antwort nötigt uns, noch einmal auf die unselige Menschenjagd der Werberschiffe zu kommen. Ihr schändliches Treiben hatte die Eingeborenen auf vielen Inseln furchtbar gereizt. Grausige Mordtaten waren die Folge davon. Sie wussten natürlich, wie der deutsche Kapitän Karcher einmal warnend bemerkte, zwischen den Nationalitäten nicht zu unterscheiden, und rächten am ersten besten Weißen die Unbill, die ihnen vorher von einem Weißen angetan worden war.

Die Untersuchung über Pattesons Tod aber förderte noch besonders schändliche Dinge zu Tage. Etliche dieser Menschenjäger pflegten sich so zu verkleiden, dass sie wie ein Bischof aussahen. Um die Täuschung zu vervollständigen, nahmen sie ein Schiffsbuch, das dem Format der Bibel ähnlich war, und lasen darin, worauf sie mit ihrem Gefolge die Gebärden des Gebets nachahmten, um die herbeikommenden Eingeborenen in völlige Sicherheit zu wiegen. Nun fiel man über sie her und scheute auch Blutvergießen nicht, um möglichst viele als Beute hinwegzuführen. Zweifellos waren die Bewohner von Nukapu hierdurch erregt, und Patteson musste das ihnen angetane Unrecht mit seinem Leben bezahlen.

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Sein Tod aber hielt das gute Werk, dem die Arbeit seines Lebens gegolten hatte, nicht auf. Im Gegenteil, der Sturm fachte das Feuer zu neuer Glut an. Bei der nächsten Eröffnung des englischen Parlaments wurde die Aufmerksamkeit auf die Missstände bei den Arbeiteranwerbungen gelenkt. Eine schärfere Aufsicht seitens der Regierungsorgane war die Frucht davon.

Die Melanesische Mission aber entwickelt sich seitdem ungestört weiter. Der Platz des Bischofs blieb mehrere Jahre unbesetzt, bis der Sohn des Gründers, J. Selwyn junior, ihn 1877 einnahm. Anderthalb Jahrzehnte hat dieser ebenfalls fromme und selbstverleugnende Mann ganz im Sinne seines Vaters und Pattesons dem Werke vorgestanden, bis ihn eine hartnäckige Krankheit aus dem Dienste trieb. Der Stand der Melanesischen Mission wird gegenwärtig durch folgende Zahlen bezeichnet: Auf 28 Inseln der Neuhebriden und der Salomon-Inseln bestehen 190 Stationen, die mit 380 eingeborenen Lehrern besetzt sind und etwa 13.000 schwarze Christen aufzuweisen haben.

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Die australische Methodisten-Mission

In Ostindien findet sich ein seltsamer Baum, die Baniane. Er gehört mit seinem weitausladenden, dunkelbelaubten Astwerk zu den beliebtesten Schattenbäumen des sonnigen Landes. Seine Eigentümlichkeit aber besteht darin, dass von den horizontal ausgestreckten Ästen zahlreiche Luftwurzeln sich zum Erdboden herabsenken. Haben sie diesen erreicht, so wachsen sie in ihm fest und bilden schnell sich verdickend neue Stämme, die, das in immer größerem Umfange sich ausbreitende Blätterdach tragen helfen und den ursprünglichen Stamm bei der Nahrungszufuhr für die Baumkrone unterstützen. Ein solcher Banianenbaum bildet schließlich einen kleinen Wald für sich und gewährt einen majestätischen Anblick.

Die missionierende Kirche gleicht dieser Baniane. Wohin sie kommt, schlägt sie Wurzel. Die so entstandenen Tochterkirchen aber erstarken mit der Zeit und fangen auch ihrerseits an, Mission zu treiben, wenn anders ein gesundes Leben in ihnen pulsiert. In der Südsee können wir schon mehrfach Gebilde dieser Art beobachten. Unsre besondere Aufmerksamkeit verdient in dieser Hinsicht die Methodistische Missionsgesellschaft von Australien, die ihren Sitz in Sydney hat.

Unter den Methodisten Englands, die den Ursprung ihrer Gemeinschaft auf den bekannten Prediger John Wesley zurückführen, regte sich schon im 18. Jahrhundert der Missionsgedanke mit Macht. Ihre ersten Sendboten wurden nach Nordamerika und Westindien geschickt; bei Beginn des 19. Jahrhunderts auch in verschiedene Teile Afrikas, nach Ceylon und Ostindien. 1822 kamen Australien und die Südsee hinzu. Unter den für uns hier in Betracht kommenden Missionsfeldern war die ungefähr in der Mitte von Polynesien liegende Tonga-Gruppe das erste. Nachdem die Londoner Mission die ersten tastenden Versuche gemacht, traten im Jahre 1826 dort John Thomas und John Hutchinson als Pfadfinder in die Arbeit. Sie ließen sich aber durch die Anfangsschwierigkeiten abschrecken und machten im nächsten Jahre neuen Glaubensboten Platz. Diese fanden einen überraschend leichten Eingang, so dass die Berichte aus Tonga binnen kurzem wie helle Siegeslieder klangen. Schon 1835 wurden auf dieser Inselgruppe und in der Nachbarschaft 14.000 Christen, 130 Schulen mit 960 Lehrern und 7.241 Schülern gezählt. Von besonderer Bedeutung für den schnellen Sieg des Christentums war die Bekehrung des Häuptlings Taufaahau, der später als König Georg auch eine nicht unbedeutende kirchliche Rolle gespielt hat. Er lebte bis 1893 als einer der angesehensten eingeborenen Machthaber in der Südsee und empfing auch von unserer Reichsregierung das Lob eines eben so tapfern wie klugen Regenten, dem das wirkliche Wohl seines Volkes am Herzen lag, und der die von ihm erkannten Vorteile eines höheren Kulturstandes seinen Untertanen zuzuwenden bestrebt war.

Von Tonga trugen die wesleyanischen Glaubensboten seit 1835 das Evangelium zu den Fidschi-Inseln, was ihnen durch die gleiche Sprache erleichtert ward. Die kleinen Inseln Lakemba und Ono wurden hier die ersten Stützpunkte des Christentums. Erst später nahmen die Hauptinseln Missionare bei sich auf. Schon vorher hatte man Fühlung mit den Samoanern gewonnen, merkwürdiger Weise in demselben Jahre 1830, in dem John Williams erstmalig nach Sawaii kam. Der Häuptling Tui von Satupaitea an der Südküste dieser Insel ward der Hauptvertreter des "Lotu Tonga", wie man die Lehre der Methodisten im Lande bezeichnete. In Samoa kam es leider zu fortgesetzten Reibereien mit den Boten der Londoner Mission, die erst in neuester Zeit einem schiedlich, friedlich Nebeneinanderarbeiten gewichen sind.

Diese drei Gebiete Tonga, Fidschi und Samoa erhielten mit der Zeit Ausbildungsstätten für eingeborene Lehrer und Prediger - die samoanische befindet sich in Lufilufi auf Upolu -, aus denen die methodistische Mission sich ihre Evangelisten holte, die sie für deren Landsleute oder für neu in Angriff genommene Arbeitsfelder brauchte.

Die Situation veränderte sich im Jahre 1854. Das Festland von Australien, das vor einem Jahrhundert noch als ein Land der Heiden galt, hatte inzwischen in seinen östlichen und südöstlichen Teilen durch starke Besiedelung mit Kolonisten eine fast ganz christliche Bevölkerung erhalten. Neben der "Kirche von Australien", die als eine Tochter der englischen Staatskirche anzusehen ist, fanden sich hier auch die wichtigsten anderen Kirchengemeinschaften der englischen Heimat wieder. Schon vorher waren die Methodisten in Australien die eifrigsten Pfleger der obengenannten Mission in der Südsee gewesen. In der Mitte der 50er Jahre aber bildete sich in Sydney geradezu eine selbständige Missionsgesellschaft der Methodisten von Australien, welche die von London aus ins Werk gesetzten Arbeiten in diesem Teil des Erdballs übernahm und auch auf ihre Ausdehnung in neue Gebiete bedacht war.

Unter den letzteren interessiert uns am meisten die im Jahre 1875 begonnene Mission im Bismarck-Archipel, deren Bekanntschaft wir schon bei unserer Rundfahrt machten.

Georg Brown, vorher längere Zeit in Samoa tätig und später zum Generalsekretär der Missionsgesellschaft ernannt, war ihr Gründer. Der schöne Hunterhafen in Neu-Lauenburg ward als Ausgangspunkt ersehen. Von hier breitete sich diese Mission erst westlich auf die Gazelle-Halbinsel von Neu-Pommern, dann ostwärts nach Neu-Mecklenburg aus. Wir werden uns später noch eingehender mit ihr beschäftigen. Hier soll nur nochmals darauf hingewiesen werden, welche wichtigen Dienste die von den vorhin genannten alten Arbeitsfeldern herübergerufenen eingeborenen Gehilfen bei der Besetzung des neuen Gebiets geleistet haben. Selbst ein fernstehender Beobachter, wie der Forschungsreisende Joachim Graf Pfeil, bekam davon einen tiefen Eindruck, Er schreibt in seinen "Studien und Beobachtungen aus der Südsee", dass die günstigen Resultate der Methodisten-Mission hauptsächlich auf ihre vortrefflichen Hilfskräfte zurückzuführen wären, die er folgendermaßen charakterisiert:

"Sie entsendet im Verhältnis nur wenige Missionare, gibt diesen aber sogenannte Katecheten zur Unterstützung. Diese sind gewöhnliche Fidschileute, die allerdings zur Ausübung ihres Berufes eine ganz spezielle Vorbildung in der Missionsschule der Wesleyaner in Fidschi erhalten. Es sind einfache Eingeborene, die, selbst an das primitive Leben im Busch völlig gewöhnt, durchaus kein Ungemach darin erblicken, sich bei den Farbigen, unter denen sie tätig sein sollen, anzusiedeln, genau wie diese zu leben und im engsten Verkehr mit ihnen stehend der Ausbreitung der Lehre obliegen. Die als sehr intelligent zu bezeichnenden Leute besitzen meist Sprachtalent, lernen schnell sich mit den Eingeborenen verständigen, müssen über ihre Tätigkeit in kurzen Zwischenräumen ihrem Missionar Bericht erstatten und haben an diesem einen moralischen, politischen und wirtschaftlichen Rückhalt. Der Einfluss jener Katecheten ist ungeheuer und bewundernswert ... Wo sie leben, gibt es keine Überfälle, kein gegenseitiges Niederhauen von Kokospalmen, und der Kannibalismus wird gänzlich hinweggefegt."

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Wir werden noch Gelegenheit haben, die Missionstätigkeit dieser eingeborenen Gehilfen kennen zu lernen. An die Stelle der polynesischen sind mit der Zeit immer mehr eingeborene Lehrer aus Neu-Pommern und Neu-Lauenburg gerückt.

Neben der Mission im Bismarck-Archipel eröffneten die Methodisten im Jahre 1891 auch eine solche im englischen Teil von Neu-Guinea, wohin sie der Gouverneur Sir William McGregor rief. Der damalige Generalsekretär G. Brown ging auch hier wieder als Pfadfinder voran. Das jüngste Werk der Gesellschaft erstreckt sich auf die zu den Salomon-Inseln gehörige Gruppe Neu-Georgia. Ihre Bewohner gelten als besonders wilde Kannibalen.

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John Paton, der Presbyterianer-Missionar

Das Interesse an der Südsee, das so viele Missionsunternehmungen hervorrief, zog seine Kreise auch in Schottland. Die dortigen Presbyterianer suchten neben andren Missionsfeldern auch ein solches im fernen Inselmeer. Sie fanden es auf den Neuhebriden, die uns als John Williams Märtyrerstätte bekannt sind.

Wir wollen hier nicht die ganze Geschichte der Neuhebriden-Mission erörtern. Aber einen der Presbytenaner-Missionare, die dort gewirkt haben, können wir in dieser Skizze der Südsee-Mission nicht ganz mit Stillschweigen übergehen, weil er zu den bekanntesten Missionaren der Neuzeit gehört: John Paton. D. Warneck bezeichnet ihn in dem Vorwort, mit dem er seine schöne Selbstbiographie in Deutschland einführte, als einen Missionar der alten Schule: schlicht, fromm, vor Gott wandelnd, im Glauben und in der Liebe gegründet, demütig, geduldig, tapfer, todesfreudig, der in kindlicher Einfalt ohne alle Ruhmrednerei seine innere und äußere Lebensgeschichte erzählt.

Diese ist wirklich erbaulich im schönsten Sinne des Wortes. Sie hebt in einem Pachthof bei Dumfries im südlichen Schottland an, wo Patons Vater als Strumpfwirker lebte. Seine zahlreichen Knaben und Mädchen wurden in jeder Hinsicht kärglich gehalten. Nur in einem Stück war das Elternhaus reich. Im Gebetsleben. Gar häufig hörten die Kinder ihren Vater durch die verschlossene Tür seiner Kammer beten und zwar so innig und inbrünstig, als ob es ihr Leben gelte. Die übrigen Menschen ahnten wahrscheinlich nicht, woher die Strahlen von Glück und Freundlichkeit, das liebevolle Lächeln in des armen Mannes Zügen kamen. Die Seinigen aber mussten es. Es war der Widerschein der Nähe Gottes, in deren Bewusstsein er stets lebte.

Das ist ein trefflicher Nährboden für Missionsgedanken. Sie schlummerten tatsächlich schon während der Jugendzeit Johns in den Eltern wie beim Sohne. Letzterer sah aber zu der Zeit noch keine Möglichkeit, einen so weitschauenden Plan zu verwirklichen. Zunächst ergriff er das Handwerk des Vaters. Dann ging er, um sich die Mittel zu einer besseren Ausbildung zu verschaffen, in die Landwirtschaft; zeitweilig auch in den Dienst einer Militär-Abteilung, die in seiner Heimat kartographische Aufnahmen machte. Er war einer jener nicht eben häufigen jungen Männer, die ein großes Ziel vor Augen haben, aber unterwegs keine Gelegenheit verlieren, etwas zu lernen, auch wenn es scheinbar mit ihrem Ideal nichts zu tun hat.

Eine kurze Hilfslehrertätigkeit des strebsamen Jünglings leitete zu seiner Anstellung in der Stadtmission von Glasgow über. Er war schon einmal dort gewesen, um einen Kursus an der Hochschule zu durchlaufen. Sein Vater hatte ihn damals ein Stück des Weges begleitet. Der Sohn schildert das mit ergreifenden Worten: 

"Die letzte Zeit gingen wir fast schwelgend nebeneinander. Mein Vater hatte den Hut in der Hand; seine langen blonden Locken, die später schneeweiß wurden, hingen über seine Schultern. Seine Lippen bewegten sich in stillem Gebet für mich, und seine Augen waren voll Tränen. Am bestimmten Orte, wo wir uns trennen wollten, standen wir still. Er hielt meine Hand fest, blickte mir stumm in die Augen und sagte dann feierlich und liebevoll: "Gott segne dich, mein Sohn! Deiner Väter Gott geleite dich und bewahre dich vor allem Übel!" Unfähig mehr zu sprechen, bewegten sich seine Lippen wieder in leisem Gebet; in Tränen umarmten wir einander und schieden. Ich lief, so schnell ich konnte, und als ich an einer Biegung des Weges mich umsah, stand der gute Vater noch, wo ich ihn verlassen hatte."

Die Tätigkeit, die dem jungen Helfer in der Glasgower Stadtmission übertragen wurde, war nicht leicht. Man setzte ihn in ein Arbeiterviertel der großen Industriestadt, das in kirchlicher Hinsicht sehr verkommen war. Manche Leute, mit denen er zu tun bekam, waren Jahrzehnte lang nicht in einer Kirche gewesen. Er begegnete auch vielen, die sich ihres Unglaubens rühmten. Gerade für diese war er angestellt; sie sollte er zum Glauben und zur Kirche zurückführen. Ein schwerer Posten für den jungen Mann aus frommem Elternhause, der bis dahin noch keine Bekanntschaft mit Zweiflern und Spöttern gemacht hatte. Aber, wie sich später herausstellte, eine treffliche Vorbereitung für den künftigen Missionar.

Nach einigen Jahren traf ihn der Ruf in den Missionsdienst. Die presbyterianische Kirche hatte bereits Sendboten nach den Neuhebriden geschickt und wollte ihre Zahl vermehren. Ein diesbezüglicher Aufruf ging durch ihre Gemeinden, und Paton erkannte darin einen Wink, der gerade ihm galt. Als sein Entschluss, unter die Heiden zu gehen, in Glasgow bekannt wurde, suchten ihn die Leiter der Stadtmission zwar durch glänzende Versprechungen zu halten; doch er blieb fest und ließ sich im April 1858 zum Missionsdienst abordnen. Er war 33 Jahre alt. Mit ihm zog seine junge Frau.

Vier Monate später finden wir ihn auf Aneityum (Anatom), der südlichsten unter den Neuhebriden. Zwei Missionare seiner Kirche, Dr. Geddie und Dr. Inglis, bewillkommneten ihn dort, hielten ihn aber nicht lange auf. Die weiter nördlich gelegene Insel Tanna ward ihm als Arbeitsfeld angewiesen. Noch vor Ausgang des genannten Jahres hielt er seinen Einzug dort.

Paton hat bis in sein hohes Alter auf den Neuhebriden gewirkt, und zwar fast ausschließlich auf den nahe beieinander liegenden Inseln Tanna und Aniwa. Gleichwohl konnte er am Schluss auf ein reich bewegtes Missionarsleben zurückblicken. Unter den Tannesen erfüllte sich wieder einmal das Wort:

"Das Licht scheint in der Finsternis, aber die Finsternis hat's nicht begriffen".

Auf Aniwa dagegen erlebte er nach längerer Zeit treuer Arbeit die Freude:

"Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen". 

Man kann an der Geschichte dieser beiden Inseln, wie sie uns aus Patons Selbstbiographie entgegentritt, recht deutlich sehen, dass derselbe Mann unter verschiedenen Verhältnissen doch ganz verschiedene Erfolge haben kann.

Verschlossene Türen und hartnäckiger Widerstand vereitelten auf Tanna alle seine Liebesmühe. Gleich in den ersten Tagen bekam er eine Vorstellung von der Finsternis des Heidentums. Die fast ganz nackt gehenden Insulaner machten einen abschreckenden Eindruck, zumal da unmittelbar nach Ankunft der Missionsleute ein blutiger Kampf zwischen zwei Stämmen ausbrach, wobei die Gefangenen von ihren Feinden nicht nur getötet, sondern auch gebraten und verzehrt wurden. Da half kein gütliches Zureden. Die Wilden zeigten nicht das geringste Verständnis für die Vorstellungen des Friedensboten. Dieser wurde aber alsbald auf eine weitere schwere Probe gestellt. Seine Lebensgefährtin fiel einem Malariaanfall zum Opfer, und bald darauf musste er auch das Knäblein begraben, das sie ihm kurz vorher geschenkt hatte. Ein Besuch des uns schon bekannten Bischofs Selwyn, der gerade zu dieser Zeit auf Tanna landete, brachte dem Schwergebeugten, der keine mitfühlende Seele in der Nähe hatte, reichen Trost.

Paton hat 3½ Jahre auf Tanna gewirkt. Zuweilen schien es, als ob der Widerstand der Heiden gebrochen wäre. Einzelne Häuptlinge stellten sich freundlicher zu ihm und milderten die gräulichen Sitten ihres Stammes; andre dagegen zeigten sich um so härter und brachten ihm geradezu fanatische Feindschaft entgegen. Letzteres galt namentlich vom Oberhäuptling Miaki, der schließlich sogar einen Überfall auf die Station ins Werk setzte, so dass der Missionar fliehen musste. Er rettete nur seine Bibel, die fertig gewordenen Übersetzungen ins Tannesische und zwei leichte Decken. Wäre nicht Nowar, ein ihm freundlich gesinnter Häuptling, und dessen Schwiegersohn Faimungo gewesen, er wäre wohl nicht mit dem Leben davongekommen. Ein gerade noch zur rechten Zeit ankommendes Schiff, das von den Freunden aus Aneityum gesandt war, half dem Verfolgten aus der höchsten Not.

Wie ganz anders gestaltete sich sein Leben auf Aniwa, das er nun bezog, nachdem er eine Erholungsreise nach Australien und in die Heimat gemacht hatte. Eine ganz geringfügige Sache verhalf ihm zu einem guten Eingang bei den Insulanern. Aniwa hat keine Quellen, so dass die Bewohner bei seiner Ankunft aufs Regenwasser angewiesen waren. Paton machte daher den Versuch, durch Graben eines Brunnens besseres Trinkwasser zu erlangen. Die Eingeborenen schüttelten zwar den Kopf dazu, als er Regen aus der Erde holen wollte, wie sie sagten. Sie erklärten ihn geradezu für verrückt. Als er aber endlich das ersehnte süße Wasser aus der Tiefe heraufbrachte, eilte die merkwürdige Kunde wie ein Lauffeuer durch die ganze Insel, und ein Häuptling, der sich bisher immer ablehnend zu allem verhalten hatte, was der Missionar sagte und tat, rief vor allem Volk aus:

"Wir haben ihn bisher verspottet, und trotzdem war das Wasser in der Erde. Wir haben auch über andere Dinge, die er uns sagte, gelacht, weil wir sie nicht fassen konnten. Aber nun glaube ich, daß alles wahr ist, was er uns über Jehovah sagt, wenn wir diesen auch nicht sehen".

Es folgte eine herrliche Zeit für den auf Tanna so schwer geprüften Mann. Freilich ging es auch hier nicht ohne Schwierigkeiten ab. Aber Patons Wirken auf der Insel glich dennoch einem frohen Siegeszuge. Noch im hohen Greisenalter, als er die Arbeit schon längst in andere Hände übergeben hatte, zog es ihn immer wieder nach Aniwa zurück.

Von den Presbyterianern Schottlands war er ausgesandt, und sie haben ihm auch stets die Treue gehalten. Der ihn unterstützende Freundeskreis aber verlegte sich mit den Jahren mehr und mehr nach Australien. Wir machen also auch hier die Beobachtung, dass die Christen der australischen Kolonien das Missionswerk auf den Südsee-Inseln als ihre nächste Pflicht erkannten. So hatte Paton schon nach seiner Flucht von Tanna unter seinen Glaubensgenossen in Victoria, Neusüdwales und Tasmania die Geldmittel zu einem Missionsschiff "Morgenröte" sammeln können. Das Band wurde im Laufe der Zeit immer enger. Als der Missionar sich nach einem reichlichen Tagewerk zur Ruhe setzte, wählte er Melbourne zum Alterssitz. Dort ist er im Januar 1907 als 83jähriger Greis entschlafen.

Bild aus Wikipedia

John Gibson Paton

Für die Bekehrung der wilden Tannesen aber hatte inzwischen auch die Stunde geschlagen, und zwar war es Patons Sohn Frank beschieden, die scheinbar fruchtlos gebliebene Arbeit seines Vaters fortzusetzen. Er hat uns die Überwindung des Heidentums auf Tanna in einem kürzlich erschienenen Buche beschrieben, das auch ins Deutsche übersetzt ist. Ungefähr die Hälfte der Tannesen genießt jetzt christliche Unterweisung in Kirche und Schule. So schnell wie in Aneityum ist es freilich bei ihnen nicht gegangen. Dort konnte dem Schotten Geddie die schöne Inschrift gesetzt werden:

"Als er hierher kam, gab es keinen einzigen Christen auf der Insel; als er sie verließ, gab es keinen einzigen Heiden mehr".

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Die Mikronesische Mission des American Board

hat, wenn man die Organisation und die Arbeitsweise betrachtet, eine gewisse Ähnlichkeit mit der Methodistenmission. Die Sandwich-Inseln (Hawaii) bildeten die Brücke, auf der das Christentum von Nordamerika nach Mikronesien kam. Der American Board, die größte unter den amerikanischen Missionsgesellschaften, begann 1820 mit der Evangelisation dieser mitten im Stillen Ozean gelegenen Inselgruppe. Da der damals regierende König Kamehameha I., sowie mehrere seiner gleichnamigen Nachfolger dem Christentum zugetan waren und ihren ganzen Einfluss für dessen Einführung aufboten, war bald die ganze einheimische Bevölkerung dem neuen Glauben gewonnen. Nach dreißig Jahren schien für die Heidenmission keine Arbeit mehr in Hawaii zu sein. Ja die amerikanischen Glaubensboten brachten es sogar fertig, nach einer so kurzen Zeit den Missionseifer unter den eingeborenen Christen zu entzünden. Ein Feld der Betätigung brauchte man nicht lange zu suchen: Die Nächstliegenden heidnischen Inseln der Südsee (als solche kamen die Marshall-Inseln, Karolinen und das übrige Mikronesien in Betracht) boten sich von selbst dar. Im Hinblick auf sie entstand im Jahre 1851 die hawaiische Missionsgesellschaft. Sie war als ein Unternehmen der im Feuer der ersten Liebe stehenden Kirche gedacht. Der American Board sollte nur die Oberleitung behalten und einige führende Männer stellen; die Christen von Hawaii dagegen wollten aus den Reihen ihrer eingeborenen Pastoren die Mehrzahl der Arbeiter liefern, auch die nötigen Geldmittel aufbringen. Im Jahre 1852 machte sich die erste große Reisegesellschaft, halb aus weißen halb aus farbigen Mitgliedern bestehend, in einem eigens für diesen Zweck gekauften Schiff "Karoline" von Honolulu auf. Sie berührte zuerst die Gilbert-Inseln und kam dann nach Kusaie und Ponape (Ponpei), die schon damals als Vororte in den östlichen Karolinen galten. Diese wurden die Stützpunkte des neuen Unternehmens. Nach einiger Zeit wurde auch Ebon in der Marshall-Gruppe besetzt.

Die Berichte der Glaubensboten waren anfangs auf einen sehr hohen Ton gestimmt. Das von amerikanischen Schulkindern gestiftete Missionsschiff "Morgenstern" führte die Glaubensboten von Sieg zu Sieg. Der Ausbreitung des Christentums stellten sich anscheinend gar keine Hindernisse in den Weg. Da legte sich wie ein dunkler, böser Schatten die Kolonialgeschichte über diese Inseln. Die Missionsblätter von Europa und Nordamerika mussten eine Zeit lang ihre Spalten mit den spanischen Gräueln auf den Karolinen füllen. Es war eine schmerzliche Heimsuchung, die damit über die Anfänge des evangelischen Glaubenslebens kam. Zugleich aber stellte sich heraus, dass der Grund der jungen Kirche leider nicht solid genug gelegt war. Im American Board tritt als Eigenart der amerikanischen Missionsgesellschaften das Bestreben hervor, die Missionsgemeinden so schnell als möglich auf eigne Füße zu stellen. Das ist nur zu loben, soweit es sich um die finanzielle Selbständigkeit der heidenchristlichen Gemeinden handelt, und in dieser Hinsicht können die Missionsgesellschaften Europas, namentlich auch die deutschen, von ihrer amerikanischen Schwester etwas lernen. Aber geradezu verhängnisvoll wurde die Anschauung, dass die farbigen Gemeinden auch hinsichtlich der Selbstverwaltung und geistlichen Versorgung bald selbst-ständig gemacht werden müssten. In Hawaii selbst hat dieser Grundsatz traurige Resultate gezeitigt. Dort kam als erschwerender Umstand hinzu, dass die amerikanischen Missionare sich in der ersten Zeit der Christianisierung allzu sehr auf die einheimischen Herrscher gestützt und die Kirche mehr von oben statt von unten her gebaut hatten, wie es sonst nur die Weise der katholischen Mission ist. Als dann infolge der starken amerikanischen und europäischen Einwanderung eine kritische Zeit für Hawaii kam, die durch den Zuzug heidnischer Chinesen und Japaner noch verstärkt wurde, spielte das Christentum der Sandwich-Insulaner eine traurige Rolle.

Die Mikronesische Mission blieb davon auch nicht unberührt. Die hawaiischen Lehrer, die in ihr wirkten, waren ihrer Aufgabe häufig nicht gewachsen, zumal da die politischen Verhältnisse auf den Karolinen und Marshall-Inseln in den letzten Jahrzehnten sich besonders schwierig gestalteten. Erst hatten die Missionare es mit einheimischen Herrschern zu tun, dann mit spanischen "Kolonisatoren", zuletzt mit deutschen Beamten. Mittlerweile waren auch die weißen Händler und Plantagenunternehmer viel zahlreicher geworden. Nur zielbewusste, energische weiße Missionare, von denen jede größere Inselgruppe einen haben müsste, sind solchen Schwierigkeiten gewachsen. Aber an diesen fehlte es. Man begnügte sich, von Amerika aus einige wenige zu senden. Es waren eifrige, tüchtige Männer unter ihnen. Aber die Eigenart des Missionsfeldes, das sich in Hunderte von kleinen Inseln zerlegt, beschränkte naturgemäß ihre Einflusssphäre.

Infolgedessen bot die Mikronesische Mission, die sich allmählich über die Truk-Gruppe bis nach Guam, der Hauptinsel der Marianen, ausgedehnt hatte, in der letzten Zeit kein erfreuliches Bild. Die aus der spanischen Zeit verbliebene katholische Konkurrenz erschwert ihre Lage noch.

Da die Inseln um die Jahrhundert-Wende endgültig zum deutschen Besitz geschlagen wurden, reifte in Amerika der Wunsch, das Missionsfeld in die Hände einer deutschen Gesellschaft zu übergeben. Es ist in der Weise geschehen, dass der deutsche Zweig des Jugendbundes für entschiedenes Christentum sich zunächst bereit erklärte, dem American Board die nötigen deutschen Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. An begeisterten jungen Männern fehlt es ihm nicht. S. Hugenschmidt und E. Wiese, die als die ersten kamen, übernahmen die beiden Niederlassungen auf Ponape. Andere, die ihnen bald nachfolgten, verteilten sich auf die wichtigsten Gruppen. Die amerikanischen Sendboten, die schon lange auf Ablösung gewartet hatten, reisten daraufhin größtenteils ab. Wie viele von ihnen wieder zurückkehren, ist fraglich. Ebenfalls geht auch die Leitung aus den amerikanischen in deutsche Hände über. Möge es den letzteren gelingen, die verworrene Geschichte der Mikronesischen Mission zu einem guten Abschluss zu bringen.

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Deutsche Missionare auf Neu-Guinea

Von allen Seiten waren evangelische Glaubensboten herbeigeeilt, um zur Erfüllung der Weissagung zu helfen: "Es sollen ihn anbeten alle Inseln der Heiden!" Aus England und Schottland, Nordamerika und Australien sahen wir Missionare kommen, nur die deutschen Missionsgesellschaften hatten noch keine gesandt. Sie unterhielten seit Mitte des vorigen Jahrhunderts Beziehungen zu den verschiedensten Heidenländern in Asien, Afrika und Amerika. Mit dem fernen Inselmeer aber hatten sie noch keine Verbindung angeknüpft.

Diese kam erst durch die deutsche Kolonialära. Als in den Jahren 1884 u. 85 Dr. Finsch im Auftrag der eben gegründeten Neu-Guinea-Kompagnie eine Untersuchungsreise an der Küste der großen Insel unternahm und die Station Finschhafen gründete; als in schneller Folge weitere Plätze in dem mit Kaiser Wilhelms Namen bezeichneten Lande mit deutschen Ansiedlern und Pflanzern besetzt wurden, lenkten sich auch die Blicke unserer Missionskreise auf Neu-Guinea, das merkwürdiger Weise bisher bei der Auswahl der Südsee-Missionsfelder am wenigsten bedacht worden war.

Es hatte bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch keinen Missionar gesehen. Die ersten vereinzelten Funken flogen nun von Niederländisch-Ostindien auf die Nordwestspitze von Neu-Guinea herüber, und zwar geschah das durch Missionare deutscher Herkunft. Der allbekannte Missionsmann "Vater" Goßner in Berlin schickte durch Vermittelung des Holländers Heldring 1855 zwei Glaubensboten, Ottow und Geißler, die sich an der Dorehbai niederließen. Ihr Werk nahm einen zwar langsamen aber stetigen Fortgang. Da die niederländische Regierung bald darauf ihre Hand auf die ganze nordwestliche Hälfte der Insel legte, ist auch die Mission, die, wie gesagt, schon durch holländische Vermittelung zustande gekommen war, ganz in die Hände einer niederländischen Gesellschaft, der von Utrecht, übergegangen.

Im Jahre 1872 folgte der Eintritt der Londoner Mission am Papua-Golf im südöstlichen d. i. englischen Teil der Insel, wohin gegen Ende des Jahrhunderts auch die Methodisten-Missionare von Australien gerufen wurden. Von beiden war oben schon die Rede.

Nur in das jetzt unter deutscher Flagge stehende Gebiet hatte sich bis 1885 noch kein Glaubensbote gewagt. Um so stärker kam es in der Zeit der Besitzergreifung den Missionskreisen des evangelischen Deutschland zum Bewusstsein, dass sie die Pflicht hatten, hier einzutreten. Zwei Gesellschaften fanden sich gleichzeitig bereit dazu: die von Neuendettelsau in Bayern und die Rheinische.

Die von Pastor Lohe im mittelfränkischen Dorfe Neuendettelsau gegründete "Gesellschaft für innere und äußere Mission im Sinne der lutherischen Kirche" (wir nennen sie der Kürze halber: Neuendettelsauer Misston) ward auch über Australien in die Südsee geführt. Das ist bemerkenswert. Es tritt dadurch immer mehr hervor, welche Rolle der fünfte Erdteil in der Missionsgeschichte der Südsee spielt. Den ersten Anstoß zur Besetzung des Missionsfeldes in Kaiser Wilhelms-Land gab Missionar Joh. Flierl, den die Neuendettelsauer Gesellschaft an die Immanuelsynode in Südaustralien abgetreten hatte, als diese sich entschloss, den Schwarzen in ihrem Lande das Evangelium zu bringen. Flierl stand seit einer Reihe von Jahren als Heidenmissionar in Bethesda am Kilalpanina-See. Als er im Jahre 1885 von der deutschen Besitzergreifung auf Neu-Guinea hörte, schrieb er nach Neuendettelsau, sein Aufenthalt unter den Papua (so werden nämlich auch die Schwarzen in Australien vielfach genannt, obwohl die Verwandtschaft mit den Eingeborenen von Neu-Guinea zweifelhaft ist) habe ihm immer ein lebhaftes Interesse für Neu-Guinea eingeflößt. Er sei bereit, wenn der Ruf an ihn erginge, in Begleitung eines eingeborenen Christen von Bethesda als Kundschafter nach Kaiser Wilhelms-Land zu ziehen. Was er über die Pflichten der deutschen Christenheit gegenüber den neuen Reichsgenossen hinzufügte, fand in der Missionsanstalt seiner Heimat einen schon bereiteten Boden, so dass er alsbald den Auftrag empfing, eine Untersuchungsreise zu unternehmen. Gewisse Bedenken, die seitens der Neu-Guinea-Kompagnie erhoben wurden, hielten ihn aber noch ein halbes Jahr in Cooktown an der Nordostspitze Australiens auf. Er benutzte den unfreiwilligen Aufenthalt zur Gründung einer Missionsstation unter den dortigen Schwarzen und betrat am 12. Juli 1886 in Finschhafen zum ersten Male den Boden von Neu-Guinea.

Bild von Seite 129

Als Ausgangspunkt für seine Unternehmungen diente ihm die Station der Neu-Guinea-Kompagnie. Die Neuendettelsauer Mission hat in der Anfangszeit von dieser viel Wohlwollen und Förderung erfahren. Die obersten Beamten der Gesellschaft waren missionsfreundliche Männer. Das gilt vor allem von Freiherrn v. Schleinitz, dem ersten Landeshauptmann von Deutsch-Neu-Guinea, der seine christliche Gesinnung bei jeder Gelegenheit betätigte. Der Umstand, dass er seine Gattin mit auf den gefährlichen Posten brachte, übte von vornherein eine veredelnde Wirkung auf die deutsche Niederlassung aus. Auch unter seinen Nachfolgern v. Krätke (dem jetzigen Leiter des ganzen deutschen Postwesens) und Rose bestanden immer freundliche Beziehungen zwischen den Kolonisten und den Missionaren. Ja als bei der Aufgabe von Finschhafen der deutsche Schiffsverkehr gänzlich in die Astrolabe-Bai verlegt werden sollte, wodurch die Neuendettelsauer Stationen ihre direkte Verbindung mit der Heimat verloren hätten, wies die Neu-Guinea-Kompagnie ihre Beamten an, billigen Wünschen der Missionare auf Erhaltung einer Schiffsverbindung entgegenzukommen.

Flierl war bei Anlage der ersten Station, die unweit Finschhafen zu Simbang in der Tiefe der Langemakbucht erfolgte, nicht allein. Ein Vierteljahr nach seiner Ankunft traf der ihm von Neuendettelsau zu Hilfe gesandte Missionar Tremel bei ihm ein. Beide Männer teilten nun alle Mühsale der Pionierarbeit miteinander. Gleich im Anfang hatten sie eine ernste Gefahr zu bestehen. Die Eingeborenen von Simbang verhielten sich trotz der Zustimmung des Häuptlings, deren sich die Missionare versichert hatten, feindselig. Ein Eingeborener ging sogar eines Tages wütend mit einem Steinbeil gegen Flierl an. Diesem gelang es aber mit Hilfe seines Freundes, den Wilden unschädlich zu machen, ohne dabei eine Waffe zu gebrauchen. Das ist der einzige Fall von Feindseligkeit der Bewohner gegen die Missionare geblieben. So oft diese auch bei der ersten Niederlassung hören mussten, sie sollten wieder gehen, man erwarte nichts gutes von ihnen, in nicht allzu langer Zeit verwandelte sich die Abneigung in Freundschaft.

An die Gründung von Simbang schloss sich in den nächsten Jahren die auf den Tami-Inseln und die aus Gesundheitsrücksichten erbaute Sattelbergstation an. Dann trat eine längere Pause ein. Von 1899 an, wo Deinzerhöhe besetzt ward, entstanden dann in schneller Folge unter Flierls Leitung und meist auch unter seinen eigenen Händen alle jene Missionsniederlassungen, die wir beim Beginn unserer Rundfahrt durch die deutsche Südsee kennen lernten. Ende des Jahres 1906 verfügte die Mission über zehn Stationen, auf denen 20 Missionare und zwei unverheiratete Missionarinnen tätig waren. Einer der ersten war Georg Pfalzer... Es wird nicht lange dauern, bis der milde Schein des Evangeliums auch aus den Gesichtern vieler Papua-Christen hervorleuchtet. Die Seelenzahl der Gemeinden belief sich zur genannten Zeit auf etwa 750; von diesen waren nicht weniger als 590 im Jahre 1906 getauft. Das war ein Jahr froher Tauftage. Die Mehrzahl der Getauften gehört den Küstenstämmen der Yabim und Bukaua an. Aber auch die landeinwärts wohnenden Kai kommen neuerdings in größerer Zahl zum Taufwasser.

Die ersten Sendboten der Rheinischen Mission langten unmittelbar nach den Neuendettelsauer Brüdern in Neu-Guinea an. Thomas und Eich, so hießen sie, hatten beide schon im Missionsdienst gestanden. Der Erstgenannte auf Nias, einer bei Sumatra gelegenen kleinen Insel, wo er im August 1886 die Weisung seiner heimischen Behörde empfing, alsbald nach Kaiser Wilhelms-Land zu reisen. Dorthin sollte der zur Zeit auf Urlaub in der deutschen Heimat weilende afrikanische Missionar Eich ihm nachfolgen, um in Gemeinschaft mit ihm ein neues Missionsunternehmen ins Werk zu setzen. Thomas kam denn auch zuerst am Bestimmungsort an und benutzte von Finschhafen aus den der Kompanie gehörigen Dampfer "Samoa" zu einer Erkundigungsreise. Sie führte ihn an der ganzen Küste entlang bis zur Mündung des Kaiserin Augusta-Flusses und auf diesem gewaltigen Strome 380 Seemeilen landeinwärts. So weit im Innern durfte man aber damals noch nicht an eine Niederlassung denken. Die reich bevölkerte Küste bei Hatzfeldhafen schien sich zur Anlegung einer Missionsstation zu empfehlen; jedoch ließ es die feindliche Haltung der Eingeborenen nicht dazu kommen.

Nach reiflicher Überlegung wurde das große Dorf Bogadjim unweit Stephansort als erster Missionsplatz ersehen. Die beiden Brüder konnten auch noch einige Baulichkeiten vornehmen, dann aber mussten sie schon dem schlimmen Klima von Neu-Guinea ihren Tribut zollen. Thomas kehrte als kranker Mann nach Deutschland zurück, während der einsame Eich von den zur Unterstützung ankommenden Missionaren Bergmann und Scheidt im nächsten Jahre auch als Patient angetroffen wurde. Diese Krankheitsfälle zeigten der Rheinischen Mission gleich von vornherein, mit welchen klimatischen Schwierigkeiten sie hier zu kämpfen hatte. Ihre Arbeit in Kaiser Wilhems-Land ist in der Tat während der folgenden beiden Jahrzehnte eine besonders verlustreiche geworden. Krankheiten, Unglücksfälle und Ermordung durch die wilden Papua haben die Reihen der Missionare wiederholt bedenklich gelichtet, so dass in Barmen zeitweilig die Frage auftauchte, ob das gefährliche Arbeitsfeld nicht wieder aufgegeben werden sollte. Aber die vielen Gräber waren auch zu einem Bande für die Missionsgemeinde geworden. Man blieb und hat das jetzt nicht zu bereuen. Wohl hat eine der ersten Niederlassungen, die auf der Dampier-Insel, wieder aufgegeben werden müssen. Auf den anderen aber ist das Widerstreben der Heiden völlig überwunden und in sein Gegenteil verkehrt. Es sind zur Zeit fünf Stationen besetzt. Die Zahl der Getauften ist allerdings noch sehr klein; Ende 1906 waren es 25 Seelen. Aber eine in letzter Zeit hervorgetretene Bewegung lässt hoffen, dass künftig nicht mehr einzelne Leute sondern ganze Dorfschaften zum Taufunterricht kommen werden.

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Die katholische Mission

Man nennt die Mission wohl einen heiligen Krieg und die Missionare die Streiter Christi. Die vielfachen Gefahren des Missionsfeldes legen uns besonders nahe, das Missionswerk in der Südsee unter diesem Gesichtspunkt anzusehen. Von einem heiligen Krieg kann aber nicht mehr die Rede sein, wenn die Boten Christi gegen einander streiten.

Es ist eine in konfessioneller Hinsicht sehr bunte Schar, die wir von allen Seiten her aufmarschieren sahen: Lutheraner und Reformierte; Anglikaner der hochkirchlichen Richtung neben Sendboten der Londoner Mission, in der der Unionsgedanke auf englischem Boden am stärksten zum Ausdruck kommt; Presbyterianer und Methodisten. Sie alle gehen auf die Überwindung des Heidentums aus. Wie stellen sich diese Sonderkirchen aber zu einander, wo sie sich begegnen?

Selwyn, der erste Missionsbischof für Melanesien, berührte diese Frage, als er einst in Cambridge die Studenten für den Missionsberuf zu begeistern suchte. Er sagte da:

"Ich sehe auf meinen Rundreisen das Werk Gottes in jedem Stadium seines Wachstums: wie der anspruchslose Lehrer erst gelandet ist unter einem Volk von fremder Sprache und wilden Sitten; und nach etlichen Jahren finde ich denselben Mann von seinen Bekehrten umringt, seine Kapelle und sein Wohnhaus von ihren Händen erbaut, seinen Unterhalt durch ihre Gaben gedeckt. Ich habe diese Inseln in den Tagen ihrer Finsternis gesehen und freue mich daher des jetzt hervorbrechenden Lichtes, wer auch immer seine Träger sein mögen. Ich fühle, dass es einen Episkopat der Liebe so gut wie der Autorität gibt, und dass diese schlichten, über den weiten Ozean zerstreuten Lehrer meinem Herzen so nahe stehen, wie einst Apollos dem Aquila. Ich sehe sie mit den Wegen des Herrn vertraut, brünstig im Geist, fleißig, sein Werk zu treiben; und dabei fühle ich, dass, wenn ihre Erkenntnis noch lückenhaft ist, es uns obliegt, nicht als Herren über ihren Glauben aufzutreten, sondern als Gehilfen ihrer Freude ihnen brüderlich den Rat des Herrn noch vollständiger zu erklären. Vor Allem aber ist es unsre Pflicht, ihnen den Fluch kirchlicher Streitigkeiten zu ersparen, damit nicht jedes Inselchen des Weltmeers ein Abklatsch der Zerrissenheit unsrer heimischen Kirche wird. Schon die natürliche Beschaffenheit dieses Misstonsgebiets erleichtert das. Jede von ihrem Korallenriff umschlossene Insel ist eine kleine Welt für sich, in der jeder Missionar sein Werk treiben oder durch von ihm gebildete Gehilfen seine Pläne ausführen kann, ohne seinem Nachbar in den Weg zu kommen. Es ist unsre feste Regel, die Glaubenseinfalt dieser jungen Christen in keiner Weise zu stören, und ich kann es aus meiner über die Hälfte des südwestlichen Teils des Großen Ozeans reichenden Erfahrung bezeugen, dass, wo immer diese Einigkeit des Geistes durch das Band des Friedens gewahrt wird, das Evangelium seine Gotteskraft beweist, und die eingeborenen Christen zur Erkenntnis Eines Herrn, Eines Glaubens, Einer Taufe, Eines Gottes und Vaters unser aller kommen."

Das sind goldene Worte aus einem ebenso weiten wie liebevollen Herzen, das von Konkurrenzneid und Konfessionshader nichts weiß. Sieht man aber die Geschichte der Südsee-Mission im letzten Jahrhundert einmal daraufhin an, inwieweit diese schönen Grundsätze zur Tat geworden sind, so lässt sich leider nicht leugnen, dass die Wirklichkeit weit hinter dem Ideal zurückbleibt. Der Konfessionsstreit ist auch auf diesem Gebiet entbrannt. In einzelnen Fällen haben sich sogar evangelische Missionare eines gewissen Mangels an gegenseitiger Rücksichtnahme schuldig gemacht. Im schönen Samoa z. B., wo die Methodisten ungefähr gleichzeitig mit der Londoner Mission einzogen, hat es mehrerer Jahrzehnte bedurft, bis es zu einem friedlichen Nebeneinander beider kam. Aber im Allgemeinen kann man sagen, dass unter den evangelischen Missionaren der friedfertige und duldsame Sinn Selwyns die Herrschaft hat. Sie beobachten alle den Grundsatz, ein Gebiet zu meiden, in dem schon andre Brüder missionieren. Tritt aber beim fortschreitenden Wachstum des Werkes doch eine Grenzberührung ein, so helfen sie sich mit der friedfertigen Lösung, die einst Abraham dem Lot vorschlug: "Willst du zur Rechten, so gehe ich zur Linken".

Nur die katholische Kirche nimmt grundsätzlich eine andre Haltung ein. Die Vertreter aller übrigen Missionen sind gegebenenfalls zu Vereinbarungen bereit, die Sendboten der römischen Propaganda nicht. Ja, man kann ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass sie den Zusammenstoß der Konfessionen mit all seinen garstigen Begleiterscheinungen nicht nur nicht gemieden, sondern geflissentlich herbeigeführt haben. Die Geschichte mehr als einer Inselgruppe liefert den aktenmäßigen Beweis dafür.

Die katholische Mission ist verhältnismäßig spät in die Südsee gekommen. Während die spanischen und portugiesischen Entdecker in andren Teilen der Erde meist auch die Vermittler der katholischen Religion wurden, ließen die Spanier in den vergangenen Jahrhunderten nur auf einigen mikronesischen Inseln solche Spuren zurück. So auf den Marianen. Zu einer planmäßigen Missionierung der Inselwelt kam es aber erst gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts. Wir geben die nachfolgende Übersicht nach einer katholischen Quelle.

Der "Steyler Missionsbote", das Organ der in Kaiser Wilhelms-Land tätigen "Gesellschaft des göttlichen Wortes" schrieb im Jahre 1905:

"Von 1825 bis 1845 rückten im Auftrage der Propaganda die Picpus-Väter nach Hawaii (1827), den Gambier-Inseln (1834), den Markesas (1838), nach Tahiti (1841); die Maristen nach Wallis, Tonga und Neu-Seeland (1837), nach Neu-Kaledonien (1843), Fidschi (1844), Samoa (1845) vor. Nachdem die Picpus-Gesellschaft 1849 auch den Paumotu-Archipel in Angriff genommen, trat eine längere Pause in der Erweiterung des Missionsfeldes ein. Während bis dahin fast ausschließlich die polynesischen Inseln und von Melanesien nur Neu-Kaledonien und Fidschi besetzt waren, wurden im Zusammenhang mit den kolonialen Ereignissen zwischen 1882 bis 1903 auch Melanesien und Mikronesien in den Kreis der Missionstätigkeit gezogen. In Polynesien wurde von der Picpusgesellschaft nur noch der Cook- oder Herwey-Archipel neu bearbeitet, während die Missionare vom heiligsten Herzen Neu-Pommern (1882), Britisch-Neu-Guinea (1884), die Gilbert- (1888) und Ellice-Inseln (1897), den deutschen Marshall-Archipel (1899) und Holländisch-Neu-Guinea (1903); die spanischen Kapuziner die Karolinen (1886); die Maristen die Neuhebriden (1887) und Salomonen (1898); die Steyler Missionare endlich Kaiser Wilhelms-Land (1886) besetzten".

Wer in dieser chronikalischen Tabelle zwischen den Zeilen lesen kann, wird in ihr, auch wenn er vom Auftreten der katholischen Missionare noch keine Einzelheiten weiß, schon eine Anklage gegen sie finden. Aus den Lebensbildern von John Williams und Bischof J. C. Patteson, sowie aus der Geschichte der Londoner Mission, des American Board und der australischen Methodisten-Mission wissen wir, daß fast alle die genannten Gebiete vorher schon von der evangelischen Mission besetzt waren. Bei den im deutschen Besitz befindlichen Inselgruppen wollen wir die betreffenden Jahreszahlen nochmals nebeneinander stellen:

Beginn der Mission

ev. Mission

kath. Mission

Samoa

1830

1845

Karolinen

1852

1886

Marshall-Inseln

1855

1899

Bismarck-Archipel

1875

1882

Kaiser Wilhelms-Land

1886

1896

Wie befremdlich! Zu einer Zeit, da noch viele Inselgruppen unbesetzt waren, hefteten sich die katholischen Missionare an die Fersen der evangelischen. Warum benutzten sie nicht die Anknüpfungspunkte, die sie von der spanischen Zeit her auf den westlichen Karolinen und den Marianen hatten? Was veranlasste sie zu einer Haltung, die zu der des edlen Selwyn im ausgesprochenen Gegensatz steht?

In die Beweggründe lässt uns der Verfasser des Artikels im "Steyler Missionsboten" auch einen Einblick tun. Er schreibt:

"Die protestantische Mission war in der Südsee zuerst auf dem Platze und hatte daher, als 1827 die Picpus-Väter auf Hawaii den ersten Missionsversuch machten, bereits einen großen Vorsprung gewonnen. In der Hoffnung, eine Massenkonversion auf den mehr oder weniger schon protestantisierten Inseln zu bewirken, und getrieben durch die natürliche Entwickelung des einmal Begonnenen beschränkten sich nun allerdings die katholischen Missionare nicht, auf die Besetzung und kraftvolle Bearbeitung der wichtigsten Punkte, sondern dehnten ihre Tätigkeit viel weiter aus. Doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Fast überall behielt der Protestantismus eine starke Mehrheit, und so wurde der katholischen Kirche auf manchen Inselgruppen der Südsee eine ausgedehnte Diaspora geschaffen, die im Verhältnis zu der geringen Bevölkerung einen sehr großen Aufwand von Kräften und Mitteln erfordert".

Das ist ein trauriges Geständnis. Die Hoffnung, einen Massenübertritt auf den schon von der evangelischen Mission gewonnenen Inseln zustande zu bringen, bewog die Katholiken zu ihren Missionsunternehmungen! Wir hätten es nicht gewagt, das als böse Vermutung auszusprechen. Hier aber steht das Bekenntnis klipp und klar aus katholischer Feder. Mit dem neunten Gebot verträgt sich ein solches Verhalten nicht.

Der schnöde Plan, die evangelische Mission wieder zu verdrängen, ließ sich also nicht verwirklichen, wie auch der katholische Schriftsteller zugeben muss. Tatsächlich bleibt bis zum heutigen Tage der römische Missionserfolg trotz großer Kraftanstrengung und skrupelloser Konkurrenz hinter dem evangelischen weit zurück, wenn man die Resultate im Großen und Ganzen betrachtet. Professor D. Warneck hat auf Grund umfassender statistischer Studien erst neuerdings festgestellt, dass die evangelische Mission in der Südsee mit Einschluss von Australien 290.000 Heidenchristen, die katholische aber nur 110.650 aufzuweisen hat, wobei er ausdrücklich darauf hinweist, dass in der letztgenannten Zahl nicht wenige sein werden, die aus der evangelischen Kirche herübergeholt sind, also von Rechtswegen gar nicht katholische "Heidenchristen" genannt werden dürfen.

Mit welchen Mitteln die Sendboten der Propaganda gearbeitet haben, soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Das ist ein sehr dunkles Blatt aus der Geschichte des Christentums in der Südsee. Bei den Karolinen werden wir uns mit einem speziellen Falle beschäftigen müssen. Lieh dort die spanische Regierung der katholischen Kirche bei den Zwangsbekehrungen ihren Arm, so tat das in anderen Teilen der Südsee die französische Kolonialmacht. Sie wurde früher deshalb geradezu der "Soldat der katholischen Kirche" auf den Missionsfeldern genannt. Sobald Frankreich seine Hand auf eine Inselgruppe legte, wurde die evangelische Mission wenn nicht ausgetrieben so doch furchtbar drangsaliert. In einigen besonders schwierigen Fällen blieb kein anderer Ausweg übrig, um der mit einem politischen Mäntelchen verhüllten Feindschaft zu entgehen, als dass die Pariser evangelische Missionsgesellschaft das Werk der bedrohten Schwestergesellschaften übernahm. So geschah es z. B. in Tahiti. In jüngster Zeit hat Frankreich ja in der Heimat mit der katholischen Kirche gebrochen; der der evangelischen Mission zugefügte Schaden aber bleibt als Denkmal jener traurigen Zeit bestehen.

Man glaubte eine Zeit lang an die Möglichkeit, die evangelischen und die katholischen Missionsfelder gegeneinander abzugrenzen. Wenn das durch eine Vereinbarung der Beteiligten nicht zu erreichen war, so müsste doch, dachte man, die deutsche Kolonialregierung imstande sein, solche Grenzlinien in ihren Gebieten zu bestimmen. Im Bismarck-Archipel ist es versucht worden. Hans Blum weist in seinem Buche "Neu-Guinea und der Bismarck-Archipel" auf den Misserfolg dieser gutgemeinten Bemühungen hin. Im Jahre 1891 hatte man tatsächlich auf Neu-Pommern eine konfessionelle Grenzlinie gezogen. Blum schreibt:

"Die Methodisten, die als Erstlinge des Glaubenswerkes im Lande doch wahrlich ein natürliches Vorrecht hatten, haben sich als gehorsame Diener des Staates, der ihnen Leib und Leben sichert, wie in alle, so auch in dieses Regierungsgebot ohne Murren geschickt. Für den welschen Zögling der Jesuiten aber hatte eine im Namen des deutschen Kaisers gegebene Verordnung keine Bedeutung. Trotz der häufigen Vorstellungen des kaiserlichen Richters Dr. Hahl hat Monseigneur Couppé (das ist der Apostolische Vikar von Neu-Pommern), sobald ihm Mittel und Macht zu Gebote standen, die Propaganda der katholischen Mission in das den Methodisten zugesprochene Gebiet hinübergetragen."

Die Nachwirkungen davon machen der Methodisten-Mission noch heute zu schaffen. Es besteht zur Zeit nirgends in der deutschen Südsee ein so erbitterter konfessioneller Kampf, wie in Neu-Pommern.

"Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist."

Das vom Zentrum im deutschen Reichstag eingebrachte und von diesem wie von der Regierung angenommene Gesetz über die Freiheit des Kultus in unsren Schutzgebieten nötigt die evangelische Mission, künftig auf einen solchen Schutz ihrer Arbeitsfelder zu verzichten. Der konfessionelle Zwiespalt der christlichen Kirche überträgt sich also auch in die deutsche Südsee. Die verschiedenen evangelischen Missionsgesellschaften suchen ihn, wie wir sahen, auf jede Weise zu mildern und zu überbrücken. Es wäre bei gegenseitiger Achtung und gutem Willen wohl denkbar, dass auch zwischen Protestanten und Katholiken wenigstens die garstigen Zusammenstöße vermieden würden, die bei den Eingeborenen so viel Verwirrung anrichten. Während der in Berlin gehaltenen Kolonialkongresse schien es, als ob eine solche Rücksichtnahme sich anbahne. Aber auf den Missionsfeldern lodert immer wieder einmal die Brandfackel der Zwietracht auf. Besonders im Bismarck-Archipel müssen sich die deutschen Beamten fortgesetzt mit konfessionellen Streitigkeiten befassen. Man kann zu den deutschen Regierungsorganen ja das Vertrauen haben, dass sie mit unparteiischer Gerechtigkeit ungesetzlichen Übergriffen und Vergewaltigungen wehren. Ist es aber nicht traurig, dass evangelische Missionare in einer deutschen Kolonie überhaupt genötigt werden, die weltlichen Gerichte zu diesem Zwecke anzurufen?

Wir sahen bei unsrer Rundfahrt durch das deutsche Gebiet gelegentlich schon, an welchen Stellen die katholische Mission sich niedergelassen hat. Hier soll im Zusammenhang noch einmal kurz gezeigt werden, welchen Stand sie im Jahr 1906 aufzuweisen hatte4):

In Kaiser Wilhelms-Land ist eine Apostolische Präfektur errichtet, die der "Gesellschaft des göttlichen Wortes" übertragen wurde. Ihre sechs Hauptstationen verteilen sich auf die große Küstenstrecke zwischen der holländischen Grenze und der Astrolabe-Bai. Zuletzt wurde die Niederlassung in Alexis-Hafen bei Friedrich Wilhelms-Hafen angelegt. Personal: 21 Priester, 18 Brüder und 18 Schwestern.

Der Bismarck-Archipel und die Marshall-Inseln sind der "Genossenschaft der Missionäre vom heiligsten Herzen Jesu" zugewiesen und bilden zusammen ein Apostolisches Vikariat (Sitz des Bischofs auf der Gazelle-Halbinsel). Die Missionstätigkeit wird von 36 Priestern, 49 Brüdern und 39 Schwestern ausgeübt, denen 55 eingeborene Katecheten zur Seite stehen. Von ihren 33 Hauptstationen liegen weitaus die meisten auf Neu-Pommern. Die westliche Hälfte der Gazelle-Halbinsel ist ausschließlich in ihren Händen, sie sitzen aber auch im östlichen Teile allenthalben zwischen den evangelischen Niederlassungen. Auf Neu-Lauenburg blieben sie diesen bis vor kurzem fern; in Neu-Mecklenburg sind auch bereits beide Konfessionen vertreten. Das gilt sogar von dem kleinen Inselchen Nauru, das trotz der großen Entfernung zum Verwaltungsbereich der Marshall-Inseln gehört. Auf ihm finden sich neben der evangelischen Station zwei katholische.

Die Samoa-Inseln sind von den Maristen ("Vätern der Gesellschaft Mariens") besetzt. Auf 14 Hauptstationen, die in der Mehrzahl auf Upolu liegen, stehen dem in Apia wohnenden Bischof 21 europäische und drei eingeborene Priester, elf Brüder, 13 europäische und 14 eingeborene Schwestern sowie 105 eingeborene Katecheten zur Verfügung. Das ist ein sehr reichliches Personal für die 6.000 Katholiken auf der Inselgruppe. Heiden gibt es hier ja nicht mehr zu bekehren.

Die Apostolische Präfektur der nördlichen Salomon-Inseln hat vier Stationen mit sechs Priestern, sechs Brüdern, fünf Schwestern und fünf Katecheten. Da es hier keine evangelische Mission gibt, ist dieser Teil des deutschen Besitzes ihre unbestrittene Domäne. Sie ist den "Maristen" überlassen.

Auf den Karolinen und Palau-Inseln wurde Ende 1905 eine Apostolische Präfektur eingerichtet, die den neueintretenden deutschen Kapuzinern übertragen wurde. Sie haben 13 Stationen mit ebenso vielen Priestern besetzt, zu denen die gleiche Zahl Laienbrüder und sechs Schwestern kommen.

Endlich die Marianen. Sie sind zwar das älteste (seit 1768 besetzte), aber gleichwohl sehr stiefmütterlich behandelte Arbeitsfeld der katholischen Kirche. Nachdem die spanischen Augustiner-Rekollekten nach der deutschen Besitzergreifung noch eine Zeit lang hier verweilt, ward Mitte 1907 eine eigene Apostolische Präfektur eingerichtet und den westfälischen Kapuzinern übertragen. Zunächst wirken drei Priester auf den deutschen Inseln. Sie haben nur auf der auch zu den Marianen gerechneten und den Vereinigten Staaten gehörigen Insel Guam evangelische Missionare neben sich.

Die katholische Mission macht auf diesen erst kürzlich von ihr besetzten Arbeitsfeldern offenbar große Anstrengungen, unsre Südsee-Inseln zu erobern. Sie hat zwar, aufs Ganze gesehen, noch nicht so viele Plätze inne, wie die evangelische, und kann sich mit dieser auch hinsichtlich des farbigen Personals bei weitem nicht messen. Aber die Zahl ihrer Priester, Laienbrüder und Schwestern ist viel größer. Ihnen gegenüber haben die Vertreter der evangelischen Mission einen schweren Stand. Der Umstand, dass mehrere Arbeitsfelder der letzteren von Missionsleuten englischer, amerikanischer und australischer Herkunft bedient werden, lässt sich in den Kolonialkreisen, die den nationalen Gedanken gern überspannen, leicht zu deren Ungunsten ausnutzen. Andrerseits ziehen die eingeborenen Lehrer und Pastoren der evangelischen Mission bei konfessionellen Zusammenstößen mit Katholiken, die einen deutschen Priester auf ihrer Seite haben, häufig den Kürzeren. Überdies versteht sich der Katholizismus auch in Ozeanien vortrefflich auf das, was in die Augen fällt und die Fernstehenden blendet. Die schönen Kirchen von Apia und Wunapope bei Herbertshöhe sind Beispiele hierfür.

Die evangelische Mission wird sich daher sehr anstrengen müssen, wenn sie ihren Platz behaupten will. Sie hat, wie wir sahen, in der Geschichte der Christianisierung der Südsee das Vorrecht des zuerst Gekommenen. Das wird ihr aber wenig nützen, wenn sie sich mit der Zeit von der Nebenbuhlerin überflügeln lässt. Diese Gefahr ist auf mehreren deutschen Inselgruppen unverkennbar vorhanden.

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Anmerkungen

1)
Dr. H, Schnee, Bilder aus der Südsee. Mit 37 Abbildungen nach Originallaufnahmen und eine Karte. Berlin 1904, Dietr. Reimer.

2)
Aus dem Deutschen Kolonialblatt (Verlag von E. S. Mittler & Sohn Berlin 1907, S, 567 ff.

3)
Es gibt wohl nirgends auf dem Erdglobus wieder ein solches Namengewirr, wie in der Südsee, Hier ist es nichts seltenes, dass eine Insel drei oder vier verschiedene Bezeichnungen trägt. In unserem Gebiet hat nach der deutschen Besitzergreifung noch eine Neubenennung, hoffentlich die letzte, stattgefunden, indem englische Bezeichnungen wie Neu-Britannien durch die Verdeutschung Neu-Pommern, Neu-Irland durch Neu-Mecklenburg usw. ersetzt wurden.

4)
Nach einer vom Domtapitular Prälat Prof, Dr. Hespers (Cöln) in "Gott will es" März 1907 veröffentlichten Übersicht.

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Ausgewählte Literatur zur Geschichte der Südsee-Mission

John Williams, der Missionar der Südsee und die Londoner Mission. Von D. W. F. Vesser, In vierter Auflage bearbeitet von Kirchenrat D. Kurze, 239 S. Berlin. Buchh. der Berliner Missionsgesellschaft. 1896.

John Coleridge Patteson, der Missionsbischof von Melanesien. Von Wilh. Baur, Hof- und Domprediger in Berlin. 230 S. Gütersloh. Bertelsmann. 1877.

John G. Paton, Missionar auf den neuen Hebriden. Eine Selbst°-biographie. Von seinem Bruder herausgegeben. 148 S. Leipzig, Wallmann. 1891.

Comai von Lenakel, ein Glaubensheld auf den neuen Hebriden. Von Missionar Frank H. L. Paton. Leipzig. Wallmann. 1906.

Von Nias nach Kaiser Wilhelms-Land. Ein Reisejahr von Missionar J.W. Thomas, 140 S. Gütersloh. Bertelsmann. 1892.

Im Dienst des Kreuzes auf ungebahnten Pfaden. Schwierige Missionsanfänge auf einsamer Südsee-Insel, Von Missionar G, Kunze. 4 Hefte. 348 S. 2. Auflage. Gütersloh. Bertelsmann 1901.

Führungen Gottes. Ein Rückblick auf meinen Lebensgang und auf meine 20jährige Tätigkeit in der Mission. Von Missionar Joh. Flierl. 172 S.. Neuendettelsau. Missionshaus. 1899

New Britain Mission. A brief history. By Rev. Benj. Danks. 52 pag. Sydney. 447 Kent Street. 1901.

Micronesia. Fifty years in the island world. A History of the Mission of the American Board. By Mrs. Theod. C. Bliss. 167 pag. Boston. 1906.

Samoa. Das Land, die Leute und die Mission. Von Kirchenrat D. Kurze. 108 S. Berlin. M. Warneck. 1900.

Pearls of the Pacific. Sketches of Missonary life and work in Samoa and other Islands in the South Seas. By V. A. Barradale, M. A. 192 pag. London 1907.

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Karte von 1896

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