Suedwestafrika 2 von Carl Paul

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Die Mission in unsern Kolonien

Von Pfarrer Carl Paul

Neue Folge der Dietelschen Missionsstunden, Drittes Heft, Verlag C. Ludwig Ungelenk, Dresden, 1905, Seite 101 bis 166.

Deutsch-Südwestafrika 2

7,6 MB

Inhalt

Friedensbilder aus der Nama- und Herero-Mission

     Umfang beider Missionsgebiete
     Wie eine neue Station entsteht
     Aus dem Schulleben
     Vorbereitungsunterricht und Tauffeier
     Viehherden als kirchliche Stiftungen
     Freunde in der Not

Die Mission im Hereroaufstand

     Wie es zum Aufstand kam
     Die Missionare unter den Aufständischen
     Die Hererochristen während des Aufstands

Ein Blick in die Ovambo-Mission

Anmerkung

Links

Landkarten

Inhaltsverzeichnis


Links zur Einführung von  Carl Paul

  1. Was sind wir unsern Kolonien schuldig?
       Begangenes Unrecht wieder gut machen
       Schutzgebiete statt Kolonien
       Verderbliche Einflüsse
       Kolonialpflichten
       Kolonisierung nur mit gleichzeitiger Christianisierung

  2. Die Missionstätigkeit in unsern Kolonien
      Neues Interesse für die Mission
      Neue Herausforderungen für die Mission
      Eifersucht gegen England
      Überblick über Togo
      Überblick über Kamerun
      Überblick über Südwestafrika
      Überblick über Ostafrika
      Überblick über die Südsee
      Missionskräfte in Bewegung setzen

Inhaltsverzeichnis


Deutsch-Südwestafrika 1

Vorwort

Umschau in Deutsch-Südwestafrika

Aus der Zeit der Pioniere

     Wie die ersten Missionare in unser Gebiet kamen
     Schwere Pfadfinderarbeit am Swakop
     Eine Oase in der Wildnis

Hendrik Witbooi

Südwestafrika als deutsche Kolonie

     Wie unser Gebiet unter die deutsche Herrschaft kam
     Die Lichtseiten der neuen Zeit
     Die Schäden der neuen Zeit

Inhaltsverzeichnis 


Friedensbilder aus der Nama- und Herero-Mission

Je näher dem Ende des vorigen Jahrhunderts, um so dichter würde das Netz der Missionsstationen in Deutsch-Südwestafrika. Mussten auch einzelne Niederlassungen wieder aufgegeben werden, weil die Bewohner zeitweilig oder für immer wegzogen, so wurden dafür andere Plätze aufgetan.

Umfang beider Missionsgebiete

Als die deutschen Kolonisatoren ins Land kamen, fanden sie an allen wichtigeren Orten des Namalandes Missionshäuser und Kirchen. Das Christentum hatte bei fast allen Hottentottenstämmen Eingang gefunden. Im Hereroland war die Mission noch nicht so weit. Nur im Swakoptal und seiner nördlichen Umgebung reihte sich schon eine Station an die andere. Der weite Norden hatte zu der Zeit infolge der schlechten Verkehrsverhältnisse und namentlich wegen der Unsicherheit für Leben und Eigentum nur einige wenige Missionsplätze aufzuweisen. Als aber das Land in den folgenden Jahren unter die deutsche Aufsicht und Verwaltung kam, bezogen auch die Glaubensboten hier mehrere weit vorgeschobene Plätze wie das früher nur vorübergehend besetzte Otjozondjupa, ferner Franzfontein und Gaub. So waren um die Jahrhundertwende annähernd alle Teile des Landes in den Schallbereich der christlichen Predigt gekommen. Als einige Zeit nach der deutschen Besitzergreifung auch römische Priester auf dem Plan erschienen, konnten sie seitens der Rheinischen Mission wie von der Landesbehörde bedeutet werden, sie kämen zu spät; das Land war genügend mit Missionaren versorgt.

Man redet in unserer Kolonie noch heute von Nama- und Hereroland und unterscheidet dementsprechend eine Nama- und Herero-Mission. In der Praxis ist die Trennung aber schwer durchzuführen. Eine genau gezeichnete Völkerkarte unsers Gebiets sieht sehr bunt aus. Hatten schon die nordwärts gerichteten Züge der Orlam-Hottentotten die Bevölkerung durcheinander geschoben, so brachte die deutsche Besitzergreifung eine noch stärkere Mischung ihrer einzelnen Bestandteile mit sich. Der erleichterte Verkehr macht die Nomaden, die sowieso schon etwas von der Art der Zugvögel an sich haben, noch viel beweglicher. An den Hauptplätzen unserer Kolonie wirbeln sie bunt durcheinander, die Nama und Herero mit ihren vielen Unterabteilungen, die Bergdamra und Bastards. Dazu kommt, dass einzelne Stämme, die es mit kleinen Aufständen versuchten, von der Regierung zersprengt oder in fernliegenden Gebieten neu angesiedelt wurden. Also Volksverschiebung und Sprachmischung auf allen Seiten.

Die Rheinische Mission unterscheidet auf ihrem Arbeitsfelde zwei Hauptabteilungen: einen Konferenzverband des Groß-Namalandes und einen solchen des Hererolandes. Nach dem Jahresbericht für 1903 umfasst der erstere folgende zehn Hauptstationen: Warmbad, Bethanien, Keetmanshoop, Khoës, Rietfontein, Berseba, Gibeon, Rietmond, Gochas und Hoachanas. Sie werden von neun Missionaren, von denen einer nicht ordiniert ist, bedient. Diesen Europäern stehen fünf eingeborene Lehrer, ein Evangelist und 23 andere Helfer zur Seite. Die Zahl der eingeborenen Christen beläuft sich auf 5.637. In neun Schulen werden 243 Knaben und 335 Mädchen unterrichtet. Diese Zahlen bezeichnen aber nicht genau den Ertrag der Namamission. Von den genannten sehn Stationen sind nur sieben als reine Namastationen zu bezeichnen. Rietfontein hat vorzugsweise Bastardbevölkerung, während in Keetmanshoop und Rietmond Nama-, Herero- und Bastardchristen durcheinander wohnen.

Der Konferenzverband des Hererolandes umfasst 15 Stationen: Rehoboth, Walfischbai, Windhuk, Otjimbingue, Karibib, Okahandja, Otjosazu, Otjihaënena, Okazeva, Okombahe, Omaruru, Omburo, Franzfontein, Otjozondjupa (Waterberg) und Gaub. Davon sind aber nur fünf als reine Hererostationen zu betrachten. Die Gemeinde von Rehoboth besteht ausschließlich aus Bastards, Walfischbai hat Namabevölkerung; auf den acht übrigen Stationen mischen sich zwei oder drei Stämme, in Windhuk sogar alle vier Hauptbestandteile der Bevölkerung: Bastards, Nama, Herero und Bergdamra, Auf sämtlichen 15 Stationen des Verbands wirkten vor dem Aufstand 23 Missionare (worunter drei nicht ordinierte) und ein unverheiratete Missionarin. Zu ihrer Unterstützung waren 19 eingeborene Lehrer, 20 Evangelisten und 68 andere eingeborene Helfer da. Es wurden 8.272 farbige Christen gezählt; in 46 Schulen 2.057 Schüler (875 Knaben und 1.182 Mädchen).

Bild aus Wikimedia Commons.

Missionsschule in Rehoboth 1898

Wie es auf diesen Stationen in neuerer Zeit zuging, sollen die nachfolgenden Einzelbilder zeigen. Wir wollen die Entstehung einer neuen Station unter den jetzigen Verhältnissen sehen, die Mitarbeit der eingeborenen Gehilfen, kirchliche Feste und Schulbilder oder was sonst eigenartig an unserm Missionsgebiet ist. Da es, wie oben dargelegt, so schwer hält, Nama- und Herero-Mission reinlich zu scheiden, soll bei diesen Momentaufnahmen aus der Neuzeit keine Rücksicht auf den Unterschied der Stämme genommen werden.

Inhaltsverzeichnis 


Wie eine neue Station entsteht

Im äußersten Osten des Groß-Namalandes am Rande der Kalahariwüste haust der Stamm der Velschoendragers. Er hat seit Jahrzehnten gelegentliche Berührungen mit der Mission gehabt, aber erst Anfang der 90er Jahre konnte der Missionar von Keetmanshoop den eingeborenen Lehrer Paulus Platje hinaussenden, um das wilde Völkchen besser mit Gottes Wort zu versorgen. Seitdem ward dessen neuer Wohnort Giris als Filial von Keetmanshoop behandelt. Er sammelte die Kinder um sich und hielt auch regelmäßig Gottesdienste ab.

Wegen der Abgelegenheit des Ortes (er war etwa 150 km von der Hauptstation entfernt) konnte nur sehr selten ein Missionar nach dem Rechten sehen. So ging's bis 1896. Da kam der Missionar Albath von Gochas, der ungefähr ebenso weit wie sein Amtsgenosse von Keetmanshoop zu den Velschoendragers hatte, auf einer Reise in diese Gegend. Es war inzwischen eine kleine Militärstation namens Khoës im Lande errichtet worden. Der bis dahin menschenleere Platz übte infolgedessen eine starke Anziehungskraft aus, so dass Albath unzählige Mattenhütten gleich mächtigen Bienenkörben im breiten, langgestreckten Tal und an den Hängen zu beiden Seiten aufgeschlagen fand. Er kehrte bei den deutschen Soldaten ein, die ihn gastfreundlich aufnahmen und die Reichsflagge hissten, um damit anzuzeigen, dass sich etwas besonderes ereignet habe, was auf dem abgeschiedenen Posten nicht alle Tage geschieht. Bald erschien auch Paulus Platje mit einer Anzahl Eingeborener, den Missionar zu begrüßen. Da es gerade Sonntag war, erklärte sich dieser bereit, den Leuten gleich einen Gottesdienst zu halten. Der Lehrer sorgte für schnelle Bekanntmachung, so dass sich die "Buschkirche" binnen kurzem mit Zuhörern füllte. Mit den Eingeborenen nahmen auch einige Soldaten und mehrere andere in der Nähe wohnende Weiße teil. Der Prediger wählte als Text die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenlande und hatte eine recht aufmerksame Zuhörerschaft, obwohl der Lehrer die Predigt dolmetschen musste. Also die Versammlung verlief in Anbetracht der Verhältnisse ganz schön und würdig. Aber was war das für eine wunderliche Kirche! Die vier Wände bestanden einfach aus Pfählen, die in ziemlich weiten Abständen in den Boden gesteckt waren; als Dach diente lediglich eine kleine Matte, die über dem Haupte des Missionars befestigt war und nur eben hinreichte, ihn vor den brennenden Sonnenstrahlen zu schützen. Die andern mochten zusehen, wie sie sich mit dem Sonnenbrand abfanden. Aber gerade diese Dürftigkeit des gottesdienstlichen Raumes gab dem Prediger die Gewissheit, dass er es mit empfänglichen Seelen zu tun habe. Sonst hätten sie sich bei der gerade herrschenden Hitze wohl lieber in ihre schattigen Wohnungen zurückgezogen.

Die günstigen Eindrücke dieses Tages wurden noch verstärkt, als der Lehrer über seine Erfahrungen und Beobachtungen Bericht erstattete. Er lobte die Velschoendragers wegen ihres Entgegenkommens in äußerlicher wie in geistlicher Hinsicht. Es gäbe Heilsbegierige unter ihnen, die gern Taufunterricht haben und in die christliche Gemeinschaft aufgenommen werden möchten. Ihm sei das aber nicht gestattet; er sei auch nicht fähig und würdig, sie zu unterrichten, noch viel weniger, sie zu taufen. Darum unterstütze er den sehnsüchtigen Wunsch des Stammes, es möchte ein Missionar zu dauerndem Aufenthalt kommen.

Albath ging und gab die Bitte an die Namakonferenz und endlich nach Barmen weiter. Die Missionsleitung fasste auch die Besetzung der Station ins Auge, hatte aber nicht gleich einen Missionar dafür übrig. Es mochten bei ihr auch noch Bedenken bestehen, weil die Velschoendragers unter sich wegen der Capitänschaft gerade uneinig waren. Da kam im Jahre 1900 eines Tages mit einem befürwortenden Schreiben des Missionars Fenchel aus Keetmanshoop folgende Bittschrift an, die der jetzt unbestritten regierende Capitän einem Unteroffizier in Khoës wörtlich in die Feder diktiert hatte:

"Ich, der Capitän Hans Hendrik, bitte nochmals untertänigst im Namen meines Volkes, uns einen Missionar, der unser unwissendes Volk unterweisen soll, zu senden, damit wir nicht verloren gehen. Wir haben schon wiederholt dieselbe Bitte an die geehrte Rheinische Mission gesandt, und diese hat uns in zuvorkommender Weise einen Evangelisten zur Verfügung gestellt. Wir waren sehr erfreut darüber, und das Werk nahm einen guten Anfang; allein schon gegen Ende 1898 begann er in seiner Arbeit müde zu werden und beschuldigte uns, da er krank wurde, wir hätten ihn behext, und drohte, das Werk ganz aufzugeben, was er dann auch getan hat. Da dieser Zustand bereits im letzten Jahre bestand, baten wir ihn, wenigstens in unserm Namen einen Brief an die Rheinische Mission zu schreiben und dieselbe zu bitten, unserer geistlichen Armut zu gedenken und uns wieder Gottes Wort zukommen und uns unterrichten zu lassen. Als ich im März in Keetmanshoop war, um den Bescheid der geehrten Rheinischen Mission zu hören, antwortete mir Herr Missionar Fenchel, sie habe unser Gesuch mit dem Bemerken abgelehnt, dass erstens die Zahl unsers Volkes doch wohl zu gering sei und dass das Namavolk in schnellem Rückgang sich befinde; es seien Völker da, die in großen Massen nach dem Evangelium fragten, die müsse man zuerst bedenken. Zweitens sei das Gesuch um einen Missionar schon früher an die Rheinische Mission gelangt, und man sei seiner Zeil auch willig gewesen, dem Volke einen Missionar zu geben! allein Streitigkeiten unter dem Stamme hätten davon absehen lassen und man sei noch nicht völlig überzeugt, ob das Volk nun einstimmig um einen Missionar anfrage. Zum ersten habe ich zu erwidern, dass wohl die Zahl des Volkes etwas zurückgegangen ist: aber dennoch ist der Stamm der Velschomdragers noch so groß wie außer den Bondels im Namalande kein anderer. Außerdem wohnen in meinem Gebiet nicht nur Leute meines Stammes, sondern auch Leute anderer Stämme, namentlich Bastards; auch bin ich bereit, das Wohnen unter meinem Volke einem jeden zu gestatten, dem es darum zu tun ist, mit mir in Frieden zu leben und Gottes Wort zu hören. Zum zweiten habe ich zu erwidern, dass es wahr ist, dass unsere Väter in viel Streit und Krieg gelebt haben; erst mit Antritt meiner Regierung hat sich unser Volk ausgesöhnt, und wir haben uns auf der Station Khoës vereinigt, um in Frieden unter dem Schutze der deutschen Regierung Gottes Wort zu hören. Unsere Väter haben vielfach aus Unwissenheit gesündigt. Nun haben wir aber aus Gottes Wort gehört, dass Gott die Zeiten der Unwissenheit übersehen hat und allen Menschen gebietet, Buße zu tun. Deshalb bitten wir die Rheinische Mission untertänigst, uns um unsrer und der Sünden unsrer Väter willen nicht strafen zu wollen. Im Namen meines Volkes erlaube ich mir deshalb die wiederholte Bitte: gedenkt an unsere unsterblichen Seelen; gedenkt, dass am Rande der Kalahari-Wüste ein armes Volk wohnt, das um Gottes Wort bittet! Zwanzig Jahre haben wir jetzt schon gebeten: Kommt herüber und helft uns! Wenn wir nun ohne Gottes Wort in unsern Sünden sterben, wer wird die Rechenschaft tragen? Bereits ist eine kleine Schar meines Volkes in Keetmans-hoop in den Taufunterricht gegangen und durch Herrn Missionar Fenchel getauft worden, und wiederum hat er uns bei seinem letzten Bestich aufgefordert, die Bekehrungszeit nicht zu versäumen, so dass auch in diesem Jahr wohl eine Anzahl nach Keetmanshoop gehen wird, um unterwiesen zu werden. Mittlerweile sitzen wir alten Leute hier im Lande ohne Gottes Wort, ohne Lehre und Unterweisung, Die Jugend wächst heran ohne Gottes Wort und kennt weder rechts noch links. Darum bitten wir untertänigst die Rheinische Mission nochmals, unsern Notschrei zu erwägen und uns durch Zusendung eines Missionars zu Hilfe zu kommen."

Solch ein herzandringender Bittruf durfte nicht ungehört verhallen. Vorläufig wurde schnell ein eingeborener Evangelist in Khoës stationiert, gleichzeitig aber der Einzug des jungen, Missionars Laaf in Aussicht gestellt. Nachdem dieser zum Zweck des Sprachstudiums eine Zeit lang in Keetmanshoop gewohnt, zog er im März 1903 ein. Da war die Freude groß. Man ging sofort an den Bau der Station, wobei die Leute ohne Bezahlung arbeiteten. Auch bei den weißen Ansiedlern fand der Missionar Entgegenkommen. Einer von ihnen stiftete eine Glocke und gab auch einen namhaften Beitrag, als er hörte, dass Laaf einen Posaunenchor ins Leben rufen wollte.

Damit hat auch der letzte Namastamm im deutschen Gebiet einen Missionar erhalten. Es wird natürlich auch hier nicht ohne Enttäuschungen und Rückschläge abgehen. Die ersten Anzeichen sind schon vorhanden. Wer wird sich aber darüber wundern? Die Anfangsgeschichte von Khoës wäre gar zu lieblich, wenn alle Schatten in diesem Bilde fehlten. Genüge dass auch hier das Wort Gottes eine Heimstätte gefunden hat.

Inhaltsverzeichnis 


Aus dem Schulleben

Mission und Schule gehören zusammen. Bei den afrikanischen Völkern pflegt der Missionar auch der erste Schullehrer zu sein. Kaum dass die ersten Bauarbeiten auf einer neu angelegten Station erledigt sind, kommt in der Regel auch der Bericht, dass der Schulunterricht begonnen hat.

Die Rheinischen Missionare befolgen in unserm Gebiet denselben Grundsatz. Sie stoßen dabei aber auf eine Schwierigkeit, die anderwärts nicht zu finden ist, wenigstens nicht in demselben Maße, Das ist das unstete Hin- und Herziehen der nomadisierenden Bevölkerung, Wir sahen schon, dass einige früher stark bevölkerte Plätze nach Jahren von der Mission aufgegeben werden mussten, weil die Bewohner wegzogen. Dazu kommt, dass die zu einer Hauptstation gehörigen Leute nur zum Teil am Kirchplatz wohnen. Die andern halten sich "im Felde" auf, d. h. sie ziehen den Viehposten nach, die sich auf die Weideplätze zerstreuen. Da nun auch in Südwestafrika die Kinder gern zum Viehhüten benutzt werden, hält es schwer, das junge Volk für den Schulunterricht zu gewinnen. Hat der Lehrer aber in besonders günstiger Zeit 70 oder 80 Kinder gesammelt, so kann er bei der nach einigen Monaten stattfindenden Schulvisitation vielleicht doch nur 30 - 40 vorführen, die andern haben ins Feld gemusst. Selbstverständlich übt diese nicht gesetzmäßige schulfreie Zeit auch eine sehr nachteilige Wirkung auf die Ergebnisse des Unterrichts aus.

Trotz alledem hat die Mission den Schulunterricht als eine ihrer Hauptaufgaben in Angriff genommen, und wenn wir oben sahen, dass in der Nama- und Herero-Mission zusammen 55 Schulen mit 2.635 Zöglingen zu verzeichnen sind, so erkennt man, dass auch auf diesem Gebiet rechtschaffen gearbeitet wird, und dass dies nicht umsonst geschieht. Zur Gelehrsamkeit hat allerdings wohl keins der in Deutsch-Südwestafrika wohnenden Völker besondere Anlage. Auch muss man, wie der letzte Visitationsbericht des ehemaligen Missionsinspektors Dr. Schreiber betont, über viele äußerliche Mängel hinwegsehen können, wenn man mit einer gewöhnlichen Schule unsers Gebiets zufrieden sein will.

Hören wir z. B., wie der Missionar W. Schaar die Schulverhältnisse von Okombahe fand, als er 1891 dort einzog. Die Station war bis dahin durch einen Bastard Daniel Cloete bedient worden, der sich aber um die Schule wenig gekümmert hatte. Obwohl es um die Zeit der Kornernte war, hielten sich doch nur wenig Leute am Platze auf und daher auch wenig, Kinder.

Als es am folgenden Tage zur Schule läutete, die der Bergdamra Gottlieb Goreseb zu halten hatte, sah der neue Stationsvorsteher einmal hinein. Da war ein wildes Durcheinander und ein wahrer Heidenlärm. Die Kinder saßen ungewaschen und in buntem Wirrwarr da, einige Mädchen sogar mit schreienden kleinen Kindern auf dem Rücken. Fast alle waren nackt, nur mit einem kleinen Schurzfell bekleidet; auch die größeren, schon ganz erwachsenen Mädchen in dürftige Lumpen gehüllt. Vom Unterricht verstand der Missionar zunächst fast nichts, denn seine Kenntnisse in der Namasprache waren nicht weit her. Zum Glücke verstand der Lehrer etwas holländisch, so dass er seine Ansprache an die Kinder dolmetschen konnte.

Am Nachmittag läutete es wieder. Diesmal zur Hereroschule. Deren Insassen waren etwas ruhiger als die schwarzen Bergdamra, doch hatte der Lehrer David Kazum die Meinung, das Singen sei in der Schule die Hauptsache. Mit dem Lesen, . Schreiben und dem Religionsunterricht gab er sich keine Mühe; mit Rechenunterricht wollte er sich überhaupt nicht befassen; er meinte, das Rechnen sei nur für die weißen Leute nötig, nicht aber für die Herero. An Lehrmitteln war in beiden Schulen nichts vorhanden als ein Paar ganz zerlumpte Bücher und ein halbes Dutzend zerbrochene Schiefertafeln. Die Kinder saßen auf niedrigen Lehmbänken oder hockten gleich auf dem Boden. Wenn sie aufstanden, wirbelten sie eine dicke Staubwolke empor.

Der Missionar sah, dass die Besserung der Schule eine seiner ersten Aufgaben war. Er hatte eine Menge Bücher mitgebracht: Fibeln, Biblische Geschichten und Neue Testamente. Sie wurden von den Kindern, die gutwillige Eltern hatten und demzufolge etwas bezahlten, auch gekauft. Aber schon nach einigen Tagen waren sie so zerrissen, bemalt und besudelt, dass sie kaum noch zu gebrauchen waren. Es war eine rechte Wildenschule.

Der Stationsleiter trug nun dem Lehrer auf, bei Wiederholungen dieser Art die Kinder derb zu züchtigen, und führte auch sonst eine strenge Ordnung ein. Aber das rief einen Aufruhr unter den Erwachsenen hervor. Niemand wollte sein Kind strafen lassen; dazu hätten sie ihre Kinder zu lieb, hieß es. Wurde eins krank, so behauptete man, der Lehrer habe es so geschlagen. Letzterer wurde sogar selbst mit Prügeln bedroht. Ließ er ein Kind nachsitzen, gleich kamen die besorgten Mütter und sagten: "Gib das Kind her, sonst stirbt es vor Hunger." Mag sein, dass der Bergdamralehrer manchmal zu streng verfuhr und den Stock oder die Peitfshe aus Giraffenfell zu oft und zu kräftig gebrauchte. Der Missionar nahm deshalb später selbst die Kinder vor, die eine außerordentliche Strafe verdienten oder einfach aus der Schule wegblieben. Ein Glück war es, dass der verständige Bergdamrahäuptling Kornelius von jeher für strenge Zucht in der Schule war, und zwar mit aus dem Grunde, weil die Kinder beständig seine Speisekammer und Gärten plünderten.

Nach einigen Monaten waren die Schüler etwas an Ordnung und anständiges Sitzen gewöhnt; auch mit den Büchern, deren freilich immer noch zu wenige waren, gingen sie besser um. Die Missionarsfrau sorgte dafür, dass in der Handarbeitsstunde einfache Schultaschen gefertigt wurden, da es den Kindern in den» schmutzigen Hütten ihrer Eltern wirklich oft an einem geeigneten Platz fehlte, die Schulutensilien aufzubewahren.

Bald gab es eine neue Revolution unter den Erwachsenen. Die beiden Lehrer hatten bisher kein Gehalt bezogen. Sie mussten sich mit dem begnügen, was der Missionar ihnen hin und wieder an Kleidung oder Nahrungsmitteln zukommen ließ. Nun sollte Schulgeld erhoben werden, um sie davon zu besolden. Zur Verhandlung darüber ward eine Gemeindeversammlung anberaumt. Da gab es einen furchtbaren Tumult. Namentlich die viehreichen Herero erklärten rundweg: "Wir werden nichts geben, es bleibt wie früher." Die armen Bergdamra dagegen sagten, sie würden etwas tun; nur müssten die Herero auch etwas geben. Da griff der Missionar fest durch und ließ nicht eher wieder Schule halten, bis die Leute willig wurden. Die Bergdamra machten den Anfang. Sie brachten, was sie hatten: Schafe, Ziegen, Korn und Tabak. Die Herero beharrten länger bei ihrem passiven Widerstand. Ihre Schule blieb vier Monate geschlossen. Als sie jedoch sahen, dass der Missionar auf seiner Forderung beharrte, gaben sie auch nach. Das Gehalt der Schullehrer war nun auf je 240 Mark pro Jahr festgesetzt. Sie waren aber auch zufrieden, als nur die reichliche Hälfte dieser Summe aufgebracht wurde.

Man muss die eben geschilderten Vorarbeiten aus dem Gröbsten heraus kennen, wenn man einen Visitationsbericht liest, wie etwa den über das Bergdamra-Filial Tsumamas bei der hoch oben im Norden gelegenen Station Franzfontein. Da heißt es von der Schule:

 "Ein tief brummender Ton, auf einem Kudduhorn gegeben, rief die Schüler herbei. An dem fließenden Bächlein wusch noch jedes Kind rasch sein Gesicht und eilte dann zur Schule. Sobald der Lehrer, der übrigens etwas Sicheres und die ganze Sachlage Beherrschendes an sich hat, eingetreten war, erscholl auch schon der Gesang frisch und frei daher, wie auf Kommando. Biblische Geschichten, vorgetragen und abgefragt, sowie der Katechismus waren gut eingeprägt. Mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen war es dagegen weniger erfreulich bestellt. Der Gesang hörte sich gut an. Man merkt hierbei so recht den Unterschied zwischen Bergdamra- und Namaschulmeister; denn die Bergdamra sind sonst keine berühmten Sänger, aber unter einem guten Gesangmeister, wie der Evangelist Petrus es ist, können sie es auch in diesem Fache zu etwas bringen."

Noch viel gesitteter geht es in der Schule der alten Namastation Hoachanas zu, der wir noch einen flüchtigen Besuch abstatten wollen. Hier wirkt Missionar Friedrich Judt, ein trefflicher Praktikus, der seit nahezu drei Jahrzehnten unter den Nama lebt. Er hat alles gut im Stand: seinen in hoher Kultur stehenden Garten und die Bewässerungsanlage für die Felder nicht minder wie das kirchliche Wesen und die Schule. Die Insassen der letzteren lernen wir im Bilde kennen. Eine ziemliche Zahl der Kinder trägt schon ordentliche Kleider, andre wenigstens gestreifte Hemdchen. Das sind die fleißigsten der kleinen Schar. Sie können trotz ihrer Jugend schon die Bibel lesen und haben ihre Kleidungsstücke als Belohnung dafür erhalten. Andre müssen sich zur Zeit noch mit einem Lendentuch oder der alt-hottentottischen Fellschürze begnügen. Diese haben bis vor Kurzem noch im Felde ein ungebundenes Dasein geführt. Es wird aber nicht lange dauern, da sind sie auch stärker von der Kultur beleckt. Im Hintergrund stehen Mädchen im reiferen Alter, deren Eltern darauf bedacht sind, ihnen eine bessere Ausbildung zu geben. Vielleicht sollen sie einmal einen Lehrer heiraten oder sonst eine gute Partie machen. Sie halten es nicht für unter ihrer Würde, mit den kleinen Knaben unterrichtet zu werden, und machen ihrem Lehrer Joh. Dausab besondere Freude.

Bild von Seite 113

In dieser Schule ist es eine Lust, einer Unterrichtsstunde beizuwohnen. Der Lehrer versteht seine Sache. Er prägt nicht nur pflichtmäßig die vorgeschriebenen Lehrstücke ein, sondern weiß auch den Schülern ans Herz zu kommen. Seine Kinder singen mit besonderem Eifer deutsch-patriotische Lieder, womit sie den Gouverneur erfreuen, wenn er einmal durch ihren Ort kommt.

In einzelnen Schulen von Deutsch-Südwestafrika und namentlich von den geförderteren Schülern wird jetzt auch Deutsch gelernt. Die Regierung begünstigt diesen Unterrichtszweig sehr und gibt eine Geldbeihilfe dafür.

Inhaltsverzeichnis 


Vorbereitungsunterricht und Tauffeier

Die Tauftage gehören zu den Höhepunkten im Missionsleben. Der Missionar muss auf seinem einsamen Posten manches entbehren; namentlich so lange sich seine Arbeit im Anfangsstadium befindet. Man denke sich z. B. in seine Lage, wenn er, noch unter lauter Heiden wohnend, das Weihnachtsfest feiert oder andere große Gedenktage der Christenheit. Wie schwer empfindet er da den Mangel einer stimmungsvollen Umgebung und vor allem das Fehlen christlicher Gemeinschaft. Eins aber hat er vor seinen Amtsgenossen in der christlichen Heimat voraus: die herzerhebenden Tauffeste. Sehen wir, wie ein solches zustande kommt und verläuft.

Die evangelische Mission erteilt die heilige Taufe an Erwachsene nur nach vorausgegangenem gründlichen Unterricht. Wohnen die Taufbewerber auf der Hauptstation, so kann der Missionar oder einer seiner eingeborenen Gehilfen sie in der Woche ein paar mal zu sich bestellen, um sie in den Grundwahrheiten des Christentums zu unterweisen.

Schwieriger wird die Sache, wenn sie auf den Außenplätzen leben. Um die Leute nicht die ganze Zeit an ihrer Berufsarbeit zu hindern, gehen wöchentlich an gewissen Tagen die geförderten Schüler der Station hinaus. Im Felde wird nun buchstabiert und gelesen. Bei manchen Taufbewerbern verzichtet der Missionar von vorn herein aufs Lesenlernen; denen müssen die Gehilfen den Katechismus Satz für Satz so lange vorsagen, bis sie ihn auswendig wissen. Das ist die erste Stufe. Rückt der Tauftag näher, so stellen sich die Bewerber beim Missionar ein, der das auswendig Gelernte ihnen zum innern Eigentum zu machen sucht. Auf die Kenntnis vom christlichen Glauben soll die Erkenntnis folgen. Gleichzeitig wird ihr Wandel zum Gegenstand schärferer Beobachtung gemacht. Wer es nicht ernst mit sich nimmt oder nur aus äußerlichen Beweggründen kommt, wird jetzt herausgelesen und zurückgewiesen.

Den Verlauf eines Tauffestes lassen wir uns von dem inzwischen heimgegangenen Missionar Albath erzählen. Es fand im Jahre 1896 auf seiner Station Gochas statt.

"Die besonders für die alten Leute so anstrengende, aber doch auch reichgesegnete Zeit des Lernens lag nun hinter uns, und alle sahen mit Sehnsucht ihrer Aufnahme in die Gemeinde entgegen. Hatten sie doch wegen des dazwischen kommenden Krieges länger als ein Jahr in den Unterricht gehen müssen. Schon anfangs Dezember gedachte ich die heilige Taufe zu vollziehen, aber ein Bedenken veranlasste mich, sie noch hinauszuschieben. Etliche der 20 Katechumenen schienen mir für die Aufnahme nicht reif. Ich ließ sie daher zu mir kommen und tat ihnen meine Bedenke kund, ermahnte sie auch, lieber noch ein Jahr zu lernen. Aber mein gutgemeinter Rat machte einen geradezu niederschmetternden Eindruck auf sie. Mit Tränen in den Augen und wahrhaft herzbeweglichen Worten baten sie mich, sie doch nicht zurückzustoßen; wenn ihr innerer schwacher Zustand auch meinen Wünschen noch nicht entspräche, so möchte ich sie doch "auf meinen Schultern tragen". Was nun anfangen? Die Macht der Überredung und der Anblick der kläglichen Gesichter war zu ergreifend, als dass ich auf die Dauer hätte widerstehen können. Und doch zeigten wiederum manche so große Lücken in ihrem Wissen, und bei anderen war der Wandel noch so wenig zufriedenstellend, dass ich auch nicht so ohne weiteres ihren Bitten Gehör schenken konnte. Da fand sich denn schließlich der Ausweg, dass wir mit der Taufe noch bis Weihnachten warteten. Damit war ihnen ein schwerer Stein vom Herzen genommen. Ich habe nachher auch die Freudigkeit gehabt, die meisten zu taufen nur drei von ihnen musste ich zurückstellen, damit sie noch ein Jahr lernen.

Als der Tag der Prüfung, die ich auf den 4. Adventsonntag angesetzt hatte, herankam, strömten Christen und Heiden von nah und fern herzu, dem wichtigen Ereignis beizuwohnen. Ernste und freudige Gedanken zugleich bewegten meine Seele. Die Kirche war bis in die entlegensten Winkel gefüllt, und es gibt recht viele Winkel in meiner windschiefen Buschkirche. Die Katechumenen saßen im Halbkreis um den Altar und beantworteten fast alle an sie gerichteten Fragen frisch und freudig. Mit Dank gegen den Herrn für alle treue Durchhilfe konnte ich somit den Taufunterricht beschließen.

Nun freuten sich alle auf das bevorstehende Weihnachtsfest, ein jeder in seiner Weise: Die Kinder auf den Weihnachtsbaum, die Erwachsenen auf das Fest und die Katechumenen auf ihre Taufe. Diese fand - die Einzelheiten des Weihnachtsfestes übergehen wir hier - am 3. Feiertag statt. Die Täuflinge versammelten, sich bei mir zum gemeinschaftlichen Gebet.

Möchten doch all die Entschlüsse und Vorsätze, die in dieser weihevollen Stunde gefasst wurden, im Leben stets zur Tat umgesetzt werden! Nun gruppierten sie sich, des Glockenschlags harrend, auf dem Hofe. Ein malerisches Bild: der männliche Teil in anständigen Kleidern, deren sich kein Europäer zu schämen brauchte; die Frauen und Mädchen in dunkelfarbigen Gewändern, das landesübliche weiße Tuch kunstvoll um den Kopf geschlungen, eine frische Oleanderblüte an der Brust. So bewegte sich der Zug meiner lieben Täuflinge feierlich der Kirche zu, wo sie rings um den Altar Platz nahmen. Selten war mein Herz so bewegt wie jetzt. Im Anschluss an Titus 3, 3 - 7 führte ich sie im Geiste zurück in die Zeit, da sie noch 'Ungehorsame, Unreine, Irrige waren und den Lüsten dienten', und leitete dann zu der überraschenden und beseligenden Tatsache über, dass dennoch oder gerade deshalb die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unsers Heilandes, erschien, uns selig zu machen. Sodann taufte ich sie in den Tod des Herrn Jesu, worauf wir mit dem Gesang 'So nimm denn meine Hände' die heilige Feier beendigten.

Am Nachmittag gab's noch eine Nachfeier, Der Festkuchen war bereits früher gebacken. Nun braute beizeiten eine Frau in großen Töpfen den Kaffee für die Gäste. Alle verfügbaren Tische wurden auf den Hof gestellt. Ich beraubte, meinen Garten der schönsten Blüten und Blätter, um die weißgedeckte Tafel zu zieren. Und dann: wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen? Aus allen Hütten kamen sie und belagerten den geräumigen Hof.

Aber nur die Neugetauften und die Gemeindevorsteher, sowie die Stationssoldaten konnten mit mir am vollbesetzten Tische Platz finden. Doch erhielten auch die 'Belagerer' ihr Teil. Gesang, Unterhaltung und Ansprachen wechselten dann mit einander ab, wobei die letzteren nicht gerade die wenigste Zeit in Anspruch nahmen. 'Ich habe kein Wort zu sagen', mit dieser Redensart leiteten die Redner, meist christliche Amtsleute, zwar gewöhnlich ihre Ansprachen ein, doch der Worte fanden sich trotzdem sehr viele, so dass man im Geheimen wünschte, sie mochten ihre Einleitung nur zur Wahrheit machen. Aber mancher zeigte gerade bei dieser Gelegenheit etwas, das man bei ihm kaum vermutet hätte, nämlich einen tiefen inneren Gehalt und eine geistliche Gediegenheit, die mich in Staunen setzte. Ich freute mich herzlich darüber, ihnen bei dieser Gelegenheit einmal in's Herz sehen zu können. Erst als die Sonne zur Neige ging, schlossen wir unsere fröhliche Nachfeier".

Bild von Seite 118

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Viehherden als kirchliche Stiftungen

Der Übertritt zum Christentum legt den Eingeborenen manche Opfer auf. Das größte ist, wenn sie es ernst damit nehmen, die am Tauftag vollzogene Absage an das von den Vätern überkommene heidnische Wesen. Sobald sie aber Gemeindeglieder geworden sind, werden auch verschiedene Leistungen für kirchliche Zwecke von ihnen gefordert. Sie müssen die Kirchen- und Schulbaulasten tragen oder doch tragen helfen, den Lehrergehalt aufbringen und auch sonst christliche Opferwilligkeit beweisen. Die Einrichtung der Kirchenkollekten findet sich auch im Nama- und Hererolande, nur geht ihre Einsammlung dort nicht so leicht und schnell von statten, wie an einer Kirchtür in Deutschland. Es ist erst eine Errungenschaft der neuesten Zeit, dass die Leute mehr bares Geld in die Hände bekommen. Wenn früher etwa bei Gelegenheit des Missionsfestes eine Kollekte gesammelt wurde, geschah das wohl als ein selbständiger Akt neben dem Gottesdienst. Da wurde die Glocke geläutet. Der Missionar ging seinen Gemeindegliedern mit gutem Beispiel voran, indem er ein Kalb oder ein paar Schafe an einem in der Nähe der Kirche stehenden Baum anbinden ließ. Und nun kamen die Almosenspender von allen Seiten. Die einen führten vielleicht auch ein Lamm oder ein Zicklein aus ihrem Stalle herbei, andere die Produkte ihrer Gärten. Das gemünzte Geld fehlte nicht ganz, aber der größere Teil bestand doch aus Naturalien, die erst in Geldwert umgerechnet werden mussten, bevor der Ertrag der Kollekte festgestellt werden konnte.

In Deutschland haben die meisten Kirchen und Pfarreien Stiftungen aus alter Zeit, aus deren Ertrag sie unterhalten werden. Die Rheinischen Missionare waren schon frühzeitig darauf bedacht, ähnliche Einrichtungen auch für die Nama- und Herero-Mission zu schaffen. Es lag am nächsten, auf eine Ausstattung der Stationen mit Grundbesitz bedacht zu sein. Solchen zu erlangen, war für die Missionare nicht schwer, weil sie schon zu einer Zeit im Lande sesshaft wurden, da noch kein so scharfer Wettbewerb um die ertragsfähigen Grundstücke stattfand, wie heutzutage. Aber die Freizügigkeit der Nomaden, mit denen sie es zu tun hatten, beeinträchtigte den Wert solchen Besitzes sehr.

Da verfielen sie auf einen ebenso originellen wie glücklichen Gedanken. Es ward eine kirchliche Stiftung in Form einer großen Viehherde angelegt. Wer in die christliche Gemeinde aufgenommen sein wollte, ward zur Lieferung eines Stückes Vieh verpflichtet. Die auf solche Weise zusammengekommene Herde übergab man einem Hirten, der sie durch Nachwuchs zu vergrößern wusste. Durch Verkauf der geeigneten Tiere suchte man dann eine Nutzung dieses lebendigen Kapitals zu gewinnen. Der Ertrag war anfangs nur für Kirche und Missionar bestimmt. Später hat man diese Einnahmequelle auch für Lehrer und Schulbedürfnisse erschlossen, ja selbst für die Armenpflege.

Praktisch ist diese Form gemeinnütziger Stiftungen gewiss.

Wer aber ihre Verwaltung in den Händen hat und Jahr für Jahr die "Kirchrechnung" besorgen soll, hat damit ein schweres Stück Arbeit. Man muss bedenken, dass diese "Viehposten" nicht unter den Augen des Missionars bleiben können. Der Oberhirte, gewöhnlich ein Herero, zieht mit dem Stationsvieh bald hierhin bald dahin, je nachdem sich die Weideverhältnisse gestalten. Da nun die Gemeinde für ihre verschiedenen Zwecke unter Umständen drei bis vier solcher Herden hat, muss der Missionar, wenn er alles gut verwalten will, mindestens zweimal im Jahr jeder derselben nachgehen, einmal sechs Stunden nach Süden, ein andermal zehn Stunden nach Norden, dann wieder 15 Stunden nach Osten oder Westen.

In launiger Weise erzählt J. Olpp in seinen "Erlebnissen im Hinterlande von Angra-Pequena die Kontrolle über das Stationsvieh von Gibeon". Begleiten wir ihn auf seinem Wege.

Man sucht es gewöhnlich so einzurichten, dass man am frühen Morgen auf dem Viehposten eintrifft. Deshalb steigt man mitten in der Nacht oder auch schon abends zuvor zu Pferde. Ein vertrauter Mann, der als Zeuge dient, reitet mit. Ist man nach dem nächtlichen Ritt an Ort und Stelle angekommen, so findet man das gesamte Vieh versammelt, natürlich nach rechtzeitig vorausgegangener Anmeldung, Das Kleinvieh ist eingehegt, die Rinder liegen ohne Umzäunung ein wenig abseits. Mit einem Becher voll süßer oder lieber saurer Milch stärkt man sich zur Arbeit. Auch die biedern Hirten bedürfen der Stärkung. Sie bekommen einen Brocken Tabak, dessen Rauch so schnell als möglich teils verschluckt, teils durch die Nase ausgeblasen wird. Ist das geschehen, so tritt der Missionar als Inspektor feierlich mit geöffnetem Taschenbuch vor das Gehege. Er befiehlt, da stellen sich zwei Wächter an der Pforte auf; ein dritter öffnet sie und geht hinein samt allen, die zugegen sind. Diese fangen nun und schieben oder jagen die Tiere eins nach dem andern hinaus, nach Art, Alter und Geschlecht. Alles wird streng und ernst genommen, und Stück für Stück wird aufs genaueste verbucht: die Hammel, die Schafmütter, die Lämmer, die Ziegen, die Böcke, die Zicklein. An kräftiger Musik fehlt es dabei natürlich nicht. Des Geplärrs und Gemeckers ist kein Ende. Um den Ohren etwas Ruhe zu verschaffen, lässt man die Lämmer möglichst ihren Hunger stillen. Jetzt kommen die Rinder an die Reihe. Etliche male schon sind sie aufgestanden und wollten davon laufen; sie wurden aber zur Ruhe gezwungen. Nun müssen sie alle zwischen dem Inspektor und seinem Begleiter hindurch marschieren: die Kühe und Ochsen und halberwachsenen Rinder. Einzelne Durchgebrannte werden mit Mühe gesucht und herbeigebracht. Der Durchmarsch zwischen den beiden ernstblickenden Männern ist unerlässlich. Zuletzt werden noch die Kälber gezählt und verbucht. In langsamem Tempo wandern dann die Tiere, ihrer/ Würde als Stiftungsvieh bewusst, hinaus ins Weidefeld.

Das ist der erste Teil der Handlung, der fast den ganzen Vormittag ausfüllt. Nach kurzer Ruhepause und einer leiblichen Erfrischung folgt die Abrechnung mit den Hirten. Der Missionar zieht wieder sein Buch heraus. Schweigend sehen ihm die Leute zu, wie er hin und her blättert, mit sich selbst spricht und nach wiederholtem Vergleich mit früheren Zahlen Falten im Gesicht zieht oder zufriedener dreinblickt. Sie wissen, wie verhängnisvoll das Buch für sie werden kann. Was sie veruntreut oder zu melden versäumt haben, das stumme Notizbuch verrät es. Wie solches eigentlich zugeht und möglich ist, entzieht sich ihrem Verständnis ungefähr ebenso, wie uns ihre außerordentliche Unterscheidungsgabe, die sie für alle einzelnen Tiere nach Gestalt, Farbe und Größe haben. Ein Wächter, der auch nur ein Jahr lang die Herde sorgsam gehütet hat, weiß z. B. unter 500 - 1.000 Schafen oder Ziegen, die von der Weide zurückkehren, ganz genau, nicht nur wie viele, sondern auch welche ihm fehlen. Was vermöchte man solchen Leuten gegenüber ohne ein mit peinlicher Genauigkeit geführtes Buch? Und trotz des Buches hat der Missionar noch eine Schwierigkeit nach der andern. Wenn er das Ergebnis seiner Zählung, mit dem Resultat vergleicht, das vor 6 Monaten eingetragen wurde, dann stimmen die Ziffern selten, fast nie. Der Wächter wird herbeigerufen und soll Auskunft geben, Um eine Antwort, ist er nie verlegen. Da ist ein Tier vom Felsen gestürzt, dort hat eins das Bein gebrochen, andre hat der Schakal oder Panther weggeschleppt, wieder andere sind an Krankheiten verendet. Was ist davon wahr, was erdichtet? Man verlangt Beweise. Auch diese werden gebracht. Dem Inspektor wird ein Stöckchen gereicht, das zwei platt geschnittene, messerartige Flächen hat und unten einen Griff. Auf den beiden Rückseiten sind Einschnitte, an denen man die Verluste abzählen kann. Oft aber macht dieser Beweis die Sache nur noch verwirrter. Der Missionar will nun die Häute der gefallenen Tiere sehen. Klug wird er am Ende auch daraus nicht. Doch ist man der Wahrheit wenigstens näher gerückt. Es wird schließlich ein Auge zugedrückt, wenn es sich nicht gerade um einen namhaften Verlust handelt. Jedenfalls ist es eine viel umständlichere Sache, das liebe Kirchengut in Südwestafrika zu verwalten, als das entsprechende Rechnungswesen für eine deutsche Kirche und Pfarre. Namentlich der Umstand, dass der Missionar alles selber nachsehen und berechnen muss, erschwert es dort.

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Freunde in der Not

Das vergangene Jahrhundert hat, bevor es Abschied nahm, dem Nama- und Hererolande noch ein paar schwere Notjahre gebracht. Mit dem Jahre 1896 setzte eine furchtbare Dürre ein, die vor allem das Namaland in unerhörter Weise drückte. Man ist dort an spärlichen Regen gewöhnt. Aber wenn es in einem Jahre nur zwei oder höchstens drei mal regnet, wie es jetzt geschah, so überschreitet die Trockenheit die erträgliche Grenze. Das Land ward zur ausgebrannten Wüste. Von allen Seiten trafen Meldungen über verhungernde oder bereits verhungerte Menschen ein. Ein Häuptling verzeichnete nach einiger Zeit in seinem Gebiet 50, ein andrer 38 Leute, die buchstäblich vor Hunger gestorben waren, Händler, die aus dein Felde kamen, berichteten, man fände an vielen Orten hinter dem Gebüsch die Gerippe elend umgekommener Menschen. Wie groß die Gesamtzahl der Verhungerten war, ließ sich niemals feststellen.

Die Insassen der Missionshäuser hatten wenigstens die Möglichkeit, in der Kapkolonie Bestellungen zu machen. Wenn nur der Bezug der Lebensmittel nicht so enorme Spesen verursacht hätte! Schon unter normalen Verhältnissen vergingen mehrere Wochen, ehe die Frachtwagen wieder an Ort und Stelle sein konnten. Nun aber machte die Dürre, dazu die notwendigen Absperrungsmaßregeln wegen der gleichzeitig drohenden Rinderpest, den Transport besonders schwierig, langwierig und kostspielig. Wie teuer unter diesen Umständen ein Sack Korn werden konnte, ersieht man unter anderem daraus, dass ein Frachtfahrer, der 20 Sack holte, dabei zehn Ochsen verlor. Missionar Wandres von Warmbad hat einmal den Transport von 150 Sack Notstandskorn für die zweitägige Strecke von Steinkopf bis zum Oranjefluss mit über 1.600 Mark bezahlen müssen und war dabei noch froh, dass er nur überhaupt Lebensmittel erhielt.

Während dieser schweren Heimsuchung zeigten sich die Missionare als treue, fürsorgliche Freunde der Eingeborenen. Das Herz krampfte sich ihnen zusammen, wenn sie auf der Kanzel von der Liebe Gottes predigten und währenddessen sehen mussten, wie bald hier bald da einer vor Hunger ohnmächtig, wurde und zur Kirche hinausgetragen werden musste, oder wie die armen Kinder ausgehungert zur Schule schwankten, oder wenn gar elend aussehende Mütter ihnen die dem Sterben, nahen kleinen Kinder vorzeigten.

Ihre erschütternden Berichte rührten die Herzen der Missionsfreunde in der Heimat. Man wies ihnen auf telegraphischem Wege reichliche Mittel an, damit sie nach ihrem Ermessen der äußersten Not wehren möchten. Damit ward ein planmäßig angelegtes Liebeswerk zur Linderung der Hungersnot eingeleitet. Die Missionsstationen stellten sich wieder einmal als Zufluchtsstätten für das arme Volk dar. Wer sich noch hinschleppen konnte, suchte den mildtätigen Händen der Missionare und ihrer Frauen näher zu kommen.

Auch die Regierung erbarmte sich der notleidenden Bevölkerung. Erst sagten die Beamten wohl, als ihnen das Elend geschildert ward: "Lasst die Leute arbeiten!" Als aber einige der Herren die Hungernden mit eigenen Augen sahen, denen, Frau Missionar Fenchel in Keetmanshoop ihre schmalen Portionen austeilte, äußerte der Bezirksamtmann: "Diese Leute sind freilich vom Hunger so geschwächt, dass sie nicht mehr arbeiten können". Das musste wohl einer dem andern im Kasino erzählt haben, denn kurz darauf wurden sechs Sack Reis und 100 Pfund Mehl ins Missionshaus geschickt. Ein Bericht nach, Windhuk hatte den weiteren Erfolg, dass der stellvertretende Gouverneur v. Estorff etwas über 2.000 Mark für den Bezirk von Keetmanshoop bewilligte. Auch die weißen Ansiedler und andere Privatleute blieben nicht dahinten. Der Notstand hatte einen edlen Wetteifer der christlichen Liebe ausgelöst.

Die helfende Liebe soll bei derartigen Gelegenheiten nicht fragen, wie ihre Gaben aufgenommen und belohnt werden. Aber wir dürfen nach dem Erfolg jener Liebestätigkeit forschen. Da erfahren wir, dass nicht nur Vielen das Leben gerettet wurde, sondern dass auch mancher schöne Zug bei den Almosen-Empfängern hervortrat. Die eingeborenen Christen waren herzlich dankbar für die erwiesene Wohltat. Mancher Blick, manches Wort, manche Dankesträne hat das bekundet. Man hörte Äußerungen wie diese:

"Wir haben immer von den Christen in Deutschland gehört, haben uns aber nicht viel dabei gedacht, Nun aber sehen wir ihre Liebe; ach, wir wären vergangen, wenn sie uns nicht geholfen hätten".

Auch in anderer Hinsicht erlebten die Missionare in dieser Notzeit Freude an ihren Gemeindegliedern. Während die Heiden vielfach ihr Leben durch Viehdiebstahl fristeten, hungerten die Christen, weil Gottes Wort warnend vor ihrer Seele stand. Als der Missionar von Warmbad eines Tages das Gefangenen-Register der Polizeistation durchsah, fand er unter 160 Nummern nur zwei Namen von Christen, und das waren noch dazu solche, die schon länger als Abfällige angesehen wurden.

Auf die Dürre von 1896 folgte im nächsten Jahre die Rinderpest, die namentlich das herdenreiche Hereroland heimsuchte. Mit Schrecken sahen die Viehbesitzer ihre wandelnden Reichtümer zu Boden sinken. Die verwesenden Kadaver verpesteten weithin die Luft. Diese neue Geißel traf auch die Regierung und die Ansiedler. Man war ja damals im Innern unsers Gebiets noch allgemein auf den Ochsenwagentransport angewiesen. Wenn nun die Zugochsen starben, wie sollte man den Lebensbedarf und die Waren von der Küste herausbekommen? Darum entschloss sich die Regierung zur schleunigen Erbauung der Bahnlinie Swakopmund-Windhuk. Ohne den Notstand hätte sie wohl noch lange auf sich warten lassen. Gleichzeitig wurden Sachverständige ins Land gerufen, die das Rindvieh durch Impfungen vor der ansteckenden Seuche zu bewahren suchten. Leider verhinderte das Misstrauen der Eingeborenen den allgemeinen Gebrauch des probaten Mittels, sodass deren Tiere massenhaft verendeten.

Auf die Rinderpest folgte eine Lungenseuche, dann die Heuschrecken und zuletzt, um die Reihe der Plagen voll zu machen, im Jahre 1898 eine bisher im Hererolande fast unbekannte Fieberepidemie. Weiße und Farbige wurden gleichmäßig davon ergriffen, nur dass die Krankheit bei den letzteren meist tödlich verlief, bei den Europäern aber nicht. Immerhin wurden auch diese schwer mitgenommen. Gerade für die Wochen zwischen Ostern und Pfingsten, wo die Krankheit ihren Höhepunkt erreichte, war die Jahreskonferenz der Missionare nach Okahandja ausgeschrieben. Es kam aber niemand, weil die Missionare zum Teil schwerkrank waren oder ihre hart geprüften Gemeinden nicht verlassen wollten. Übrigens war durch die Rinderpest auch ihr Viehstand so gelichtet, dass die meisten nicht genug Zugochsen hatten, um die Konferenzreise machen zu können.

Wie es in den Hütten der Eingeborenen aussah, zeigt ein Bericht des Missionars Olpp von Otjimbingue:

"Seit etwa sechs Wochen ist unsere Station ein großes Krankenhaus. Typhöse Malaria wütet aller Orten und rafft Tausende hin. Hier am Ort sind bereits über 100 Personen gestorben; wir zählen sie kaum noch. Reihenweise liegen die Opfer der Epidemie auf dem Kirchhof. Es mangelt bisweilen an Totengräbern und Sargträgern. Heiden und Frauen müssen unsre Christen mit zu Grabe tragen helfen. Nach meiner Schätzung sind nur noch acht bis zehn Prozent der Lebenden gesund. Da ist buchstäblich kein Haus, in dem nicht zwei, vier, sechs ja bis zu zwölf Kranken liegen. Von meinen 22 erwachsenen, an Reminiscere getauften Christen sind schon sieben heimgegangen".

Die Missionsgeschwister bewiesen sich auch in diesem Falle als barmherzige Samariter, Sie wanderten von Hütte zu Hütte und schleppten in ihren Körben Bierflaschen mit Medizin zu den Kranken. Wo sie nicht mehr zu leiblicher Genesung helfen konnten, brachten sie den Sterbenden doch geistlichen Zuspruch und Trost in Todesnot. Sie wissen von manchem gottseligen Sterben christlicher Männer und Frauen zu erzählen. Andrerseits freilich auch von argem Stumpfsinn. Die meisten trugen ihr Elend stumm. Keine Träne war bei ihrem Sterben zu sehen; keine Totenklage wurde laut weder bei Christen noch bei Heiden. Selbst Frauen und Kinder vergossen beim Tode des Familienoberhaupts keine Tränen. "Na gu po" d. h. "er ist fort von hier", lautete meist die kurze Todesanzeige. Das war wohl kaum als stille Ergebung in Gottes Willen zu deuten; es sah mehr wie Stumpfheit und Gleichgültigkeit aus. Im Hinblick auf die vielen vater- und mutterlosen Kinder machten die Missionare zu der Zeit den Vorschlag,, ein großes Waisenhaus zu errichten.

In den ersten Berichten aus der Notstandszeit war zunächst nichts von einer guten Frucht der Heimsuchungsjahre im Herero-land zu merken. Aber in der Folgezeit trat mit überraschender Deutlichkeit eine solche hervor. Die göttliche Zuchtrute hatte ihren Zweck nicht verfehlt. Es kam zu einer Erweckung, wie man sie im Bereich der Herero-Mission wohl überhaupt noch nicht erlebt hatte. Auf ihren Zusammenhang mit den erlittenen Verlusten wies ein Herero hin, als er zu seinem Missionar sagte:

"Muhonge (Lehrer), früher hatten wir keine Zeit, an Gott zu denken, da mussten wir immer an unsre Ochsen denken. Jetzt sind die Ochsen tot, jetzt können wir an Gott denken."

Wenn man die um die Jahrhundertwende erstatteten Missionsberichte liest, gewinnt man den Eindruck: Im Hereroland ist das Eis gebrochen! Wo früher nur einzelne gekommen waren, meldeten sich jetzt ganze Scharen von Taufbewerbern, Die Missionare erlebten auf den Rundreisen durch ihre ausgedehnten Sprengel überraschende Freuden. Hier und da konnten neue Predigtplätze eröffnet werden. Der langersehnte Missionsfrühling war im Anzuge. Aber die Freude währte nicht lange. Das furchtbare Unwetter des Hereroaufstands hat die aufkeimende Saat zerstört.

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Die Mission im Hereroaufstand

In der Geschichte unserer Kolonien findet sich schon manches schwarzumrandete Blatt, aber keins hat von so entsetzlichen Dingen und so großen Verlusten zu erzählen wie das, auf dem der Hereroaufstand verzeichnet steht. Als der Telegraph bald nach Neujahr die erste beunruhigende Nachricht brachte, ahnte man den Umfang des Unglücks noch nicht. Bald jagte eine Hiobspost die andere. Das durch Zerstörung der Windhuk-Bahn und der Telegraphenleitung bedingte Ausbleiben von Nachrichten aus dem Innern ließ uns auch nach den Ereignissen noch eine Zeit lang im Ungewissen über die Ausdehnung des Aufstands. Erst nach Monaten stand das koloniale Unglück in seiner ganzen Größe vor uns.

Wie es zum Aufstand kam

Am 12. Januar 1904 war die Flamme des Aufruhrs in Okahandja, dem Sitz des Oberhäuptlings Samuel Maharero emporgelodert. Waldbrandartig breitete sie sich in den nächsten beiden Wochen nach dem Norden, nach Osten und Westen aus, je nachdem die Boten des Oberhäuptlings und seiner Mitverschworenen die einzelnen Hererowerfte erreichten. Mag von unzufriedenen Großleuten schon länger der Gedanke eines Aufstands erwogen worden sein, - die Menge der Herero war nicht in den Plan eingeweiht. Nach den jetzt vorliegenden Einzelberichten kann man verfolgen, wie das Feuer noch nach dem verhängnisvollen 12. Januar an einzelnen Orten Tage lang geschürt werden musste. Manche Stämme zauderten, andere wurden durch gütliche Verhandlungen hingehalten und folgten schließlich halb widerwillig der von Okahandja kommenden Aufforderung, Zuletzt aber beteiligten sich fast alle Herero, soweit sie in geschlossenen Verbänden lebten, an dem großen Morden und Plündern. Auch dann hat es immer noch viele Wochen gedauert, bis die einzelnen Heersäulen - wenn man ein wanderndes Hererolager mit seinen Wagen, Weibern, Kindern und Viehherden so nennen kann - zu der um Samuel versammelten Hauptmacht stießen.

Nun erst begann der Hererokrieg, Wie lange er dauert und welche Opfer er fordert, lässt sich jetzt noch nicht übersehen. Die im ersten Teil des Trauerspiels uns geschlagenen Wunden liegen aber offen da. Man hat den Geldverlust der Ansiedler an Ort und Stelle auf sieben Millionen Mark berechnet. Dazu kommt der Wert des vernichteten Staatseigentums und der Schaden, den die Mission durch Zerstörung mehrerer Stationen erlitten hat. Unvergleichlich viel schwerer aber wiegen die Verluste an Menschenleben. Nach den Feststellungen des Ansiedelungskommissars Dr. Rohrbach sind 123 Personen ermordet worden, mit Ausnahme weniger Buren lauter Deutsche.

In den ersten Tagen, wo eine Schauernachricht die andere jagte, war man drüben in Südwestafrika und hier in der Heimat starr vor Entsetzen. Man hatte keine Ahnung gehabt, dass die vielen Hunderte deutscher Männer und Frauen, die als Farmer, Kaufleute, Handwerker oder zu sonst einem Erwerb in die Kolonie gezogen waren, auf einem Vulkan gelebt hatten. Und wenn sich leise warnende Stimmen erhoben, wie man sie z. B. in die Missionsberichte der letzten Jahre eingestreut findet, so hielt man sie für Unkenrufe, die keine große Beachtung verdienten. Kein Wunder, dass der wilde Ausbruch des Hererovulkans überall Entsetzen verbreitete. 

Es hat sich ja von dem, was in den ersten Wochen berichtet ward, nachher Vieles als übertrieben herausgestellt. Die erregte Phantasie verfolgter Männer und Frauen sah manches schrecklicher, als es in Wirklichkeit war; und die Feder der Berichterstatter hat auch das ihrige beigetragen, den in der Tat grimmigen Feind noch viel blutdürstiger und grausamer erscheinen zu lassen. Das gilt von vielen Einzelheiten bei der Ermordung unserer Landsleute, namentlich aber von den hier nicht wiederzugebenden Rohheiten und Grausamkeiten, die beim gewaltsamen Tode deutscher Frauen und Kinder vorgekommen sein sollten. Es ist jetzt festgestellt, dass im Ganzen fünf deutsche Frauen im Aufstand von den Herero umgebracht worden sind. Davon ist eine, Frau Dickmann in Okahandja, durch Kugeln, die nicht für sie bestimmt waren, getroffen worden; die feindlichen Herero haben das nachträglich erklärt. Über die Art, wie die andern zu Tode gekommen sind, ist etwas zuverlässiges bis jetzt überhaupt nicht bekannt geworden. Ein im Reichstag verlesenes Telegramm des Gouverneurs Leutwein betont, dass die Herero, die bei früheren Kriegszügen auch gegen Frauen grausam gewesen wären, im vorliegenden Falle Frauen und Kinder geschont hätten. Damit stimmt jene Nachricht überein, dass die Aufständischen einmal geradezu die Aufforderung an die Schutztruppe richteten, man möge die Frauen und Kinder aus der belagerten Feste wegschicken; nicht gegen diese, sondern nur gegen die Männer gehe der Kampf. Wie hätten sonst auch so viele Frauen, die beim Überfall der Farmen in die Hände der Herero fielen, ihr Leben retten können? Den meisten von ihnen ist, abgesehen von der ausgestandenen Angst und den Entbehrungen auf der Flucht, sowie einigen leichteren Verwundungen, kein Leid widerfahren. Es fehlt sogar nicht an Beispielen, dass die Herero solchen Flüchtlingen Hilfe und Obdach gewährten und sie unversehrt in die Hände der Europäer ablieferten. Einige von ihnen wurden allerdings aus Habsucht ihrer Kleider beraubt, nachher aber durch Christen wieder versorgt und gerettet. Auch hat sich die Nachricht vom schrecklichen Tode weißer Kinder als Erfindung herausgestellt. Es ist im Aufruhr selbst kein einziges Kind deutscher Eltern umgekommen.

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Diese Tatsachen müssen jetzt um so stärker betont werden, weil die angeblichen Grausamkeiten gegen Frauen und Kinder seinerzeit benutzt wurden, die Aufständischen im düstersten Lichte zu zeigen. Und noch jetzt kommen die Scharfmacher, welche die Regierung drängen, in Südwestafrika "ganze Arbeit" zu machen, d. h. die Herero womöglich gänzlich zu vernichten, immer wieder darauf zurück. Es ist nicht wahr, dass die sämtlichen Herero noch wilde und blutdürstige Afrikaner im schlimmsten Sinne des Wortes sind. Sie haben es mehr als einmal ausgesprochen, dass sie im Kriege keine Frauen mehr umbringen wollen. Die großen Ovahonge (Missionare) hätten ihnen schon früher bei den Namakriegen gesagt, dass man Frauen nicht töten dürfe, und Major Leutwein habe im Kriege gegen die Witboois auch die Frauen verschont.

Aber wenn wir auch, um gerecht zu sein, das angerichtete Unheil auf das durch Tatsachen belegte Maß zurückführen, das Blutbad jener unvergesslichen Januartage bleibt wahrlich groß und schrecklich genug.

Was ist denn als Ursache des furchtbaren Aufstands anzusehen? Man hat von allen Seiten Vermutungen aufgestellt und darüber gestritten. Darin sind alle einig, dass wir es mit einer Reaktion der Eingeborenen zu tun haben gegen das, was die Kolonisten - dies Wort im weitesten Sinne verstanden -ihnen zugefügt und genommen haben. Die im amtlichen "Deutschen Kolonialblatt" veröffentlichten Urteile von Regierungsmännern in Windhuk und Swakopmund bezeichnen die durch die deutsche Kolonisation erfolgte Einengung des Besitzes und das Vorgehen der Händler mit ihrem Borgsystem als die stärksten Ursachen. Damit stimmen auch Äußerungen des mit den südwestafrikanischen Verhältnissen sehr vertrauten Generals v. François überein. Daneben wird der allgemeine Hass der Herero gegen die Weißen erwähnt. Noch mehr Gewicht hat für uns die Stimme eines Mannes, der seit 36 Jahren unter den Herero lebt, des Missionars Diehl in Okahandja, Präses der Hereromission. Er nennt als Ursachen: "Zunächst Missstimmung und allgemeiner Hass gegen das Hereinkommen und die Besitzergreifung des Landes durch die Deutschen. Dann aber auch die vielfach ungerechte Behandlungsweise, die sich namentlich Feldhändler und Farmer gegen die Eingeborenen zu Schulden kommen ließen. Auch hat die Reservatangelegenheit wohl zum Teil mit dazu beigetragen. Das ihnen als Reservat zugedachte Stück Land war den Herero zu klein und ungelegen; eine fast wertlose Wüste in ihren Augen. Dazu kam der Verdacht, sie sollten dort eingepfercht werden und ihres übrigen Landes für immer verlustig gehen. Es wurden schon bald nach den Reservatsverhandlungen Stimmen laut: 

"Nun machen wir keine Gärten mehr usw., wir werden ja doch von den Deutschen weggejagt". 

Wer die Verhältnisse genauer kennt und unparteiisch urteilen will, muss zugestehen, dass auf beiden Seiten gefehlt worden ist. Die Leute wurden bedrückt in mancherlei Weise. Aber an vielem trugen sie selbst die Schuld. Ihre Lage war noch keineswegs verzweifelt, wenn sie nur hätten Lehre annehmen und durch Schaden klug werden wollen".

Um auch noch eine Stimme aus dem Kreise der eingeborenen Christen zur Geltung kommen zu lassen, sei die Antwort wiedergegeben, die der Missionar Eich von Waterberg während des Aufstands von dem dortigen Christen Johannes erhielt: 

"Die Deutschen haben uns das Land genommen. Ein Platz nach dem andern ist in ihre Hände übergegangen, und kürzlich wurde uns gesagt, dass uns nur ein kleines Stück Land in der Omaheke gelassen würde; auf das übrige Land dürften wir unsern Fuß nicht mehr setzen. Das konnten wir nicht länger ertragen: es ist ja doch unser Land! Dann haben uns die Händler unser Vieh geraubt durch List und unehrlichen Handel. Das wollten wir auch nicht länger dulden. Und endlich sind viele von unsern Leuten von den Deutschen misshandelt und getötet worden, und wir sahen kein gerechtes Gericht."

Wie man aus Vorstehendem sieht, gehen sie in ihrem Urteil nicht weit auseinander: die unparteiischen Beamten, der erfahrene Missionar und der eingeborene Christ. Jedenfalls darf man bei Beurteilung der traurigen Ereignisse und ihrer Urheber nicht vergessen, dass auch die Hercro ihre Klagen und Anklagen haben. Wenn es in ihrem Lande schon Zeitungen gäbe, in denen die Beschwerden des Volkes zum Ausdruck kommen konnten, vielleicht klänge das, was sie über die Kolonisten zu sagen haben, nicht viel anders, wie die deutscheu Zeitungsstimmen über die "hinterlistigen, treulosen und grausamen" Herero.

Es ist den Missionaren, die eine Zeit lang mitten unter den Aufständischen lebten, bei diesen vielfach die Ansicht entgegengetreten, dass die Herero den Kampf als eine gerechte Sache auffassten, deren sie sich keineswegs zu schämen hätten. Während die, welche beim Plündern der Häuser, namentlich auch der Missionsgehöfte, beteiligt gewesen waren, sichtlich in Verlegenheit gerieten, wenn sie darauf angesprochen wurden, betrachteten es auch die Christen nicht als Schande, unter den Aufständischen gefunden zu werden. Sie muteten sogar diesen Missionaren zu, bei ihnen im Kriegslager zu bleiben, um sie weiter geistlich zu versorgen, und hatten kein Verständnis dafür, dass das nicht anging. Sie betrachteten sich eben als Kriegführende, die ihren heimischen Besitz gegen Eindringlinge verteidigen.

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Die Missionare unter den Aufständischen

Man hat es in politischen Kreisen unangenehm empfunden, dass die Missionare in der Aufstandszeit zwischen den kämpfenden Parteien standen, und der Reichskanzler hat ihnen in öffentlicher Reichstagssitzung das Recht der Neutralität zwischen Deutschen und Herero abgesprochen. Man ignoriert dabei die Geschichte der Mission im Hereroland, die mehr als dreimal so alt ist, wie die deutsche Kolonisation. Auch wird übersehen, wenn man den Missionaren einen Vorwurf aus ihrer Stellung macht, dass sie diese gar nicht selbst gewählt haben. Die Aufständischen nötigten ihnen durch ihr Verhalten die Sonderstellung auf. Ein Manifest des Oberhäuptlings verpflichtete die zum Kampf aufgerufenen Hetero ausdrücklich zur Schonung der Missionare. Dieses Gebot haben nicht nur die Unterhäuptlinge sondern auch die gewöhnlichen Hererokrieger allgemein befolgt. Es ist vorgekommen, dass die durch Unbotmäßigkeit und Begehrlichkeit besonders ausgezeichneten Feldherero einem reisenden Missionar zu nahe treten wollten, dann fanden sich aber stets andere, die sie abwehrten. Die Schonung erstreckte sich auf alle zum Missionsverband gehörigen Personen, auch auf die Laienbrüder, die dem Unkundigen als zum Stand der Kolonisten gehörig erscheinen konnten. Die Herero rechneten sie aber zu den Missionsleuten. Das kam deutlich zum Ausdruck, als der Missionar Meier in Okahandja noch einmal mit den Aufständischen zu verhandeln suchte. Diese ließen sich auf keine Beschwichtigung ein, sagten aber: 

"Muhonge, Ihr habt nichts zu fürchten. Wer sterben soll, darüber haben wir uns früher schon beraten. Das sind die Händler und die Soldaten, aber alle. Auch über den jungen Omuhonge (der Bautechniker Diehl jun.*) ist gemeint) ist verhandelt worden. Aber da haben wir gesagt: Nein, der hat uns die Kirche so schön gemacht; zudem gehört er zu den Ovahonge; die bilden mit einander einen Leib. Geh' nur, Muhonge, Ihr habt nichts zu befürchten, Euch geschieht nichts!"

Sollten die Missionare die ihnen dadurch gebotene Möglichkeit, in den gefährlichen Tagen noch zu verhandeln, zu beschwichtigen und zu mildern, mutwillig verderben? Sie hätten damit ihren Landsleuten einen sehr schlechten Dienst erwiesen. Als rechte Seelsorger sind sie an fast allen Plätzen, die sie besetzt hielten, in die Mitte gesprungen und haben namentlich dort, wo die Beteiligung am Aufruhr nicht von vornherein feststand, die ihnen persönlich bekannten Leute an die eingegangenen Verträge erinnert, sie gewarnt und auf den verderblichen Ausgang einer Erhebung gegen die Obrigkeit nachdrücklich hingewiesen. Ist es ihnen auch nicht gelungen, größere Kreise von der Beteiligung fernzuhalten, so haben sie den Ausbruch der Feindseligkeiten an mehreren Orten doch um Tage hinausgezogen, sodass die Schutztruppe Zeit fand, ihre Verteidigungswerke in Stand zu setzen und hinter ihren schützenden Mauern viele Flüchtlinge aus dem freien Felde aufzunehmen. Die Missionare haben sich dabei oft genug in Lebensgefahr begeben, da sie wiederholt mit fremden Herero, die zur Schürung des Aufstands gekommen waren, zusammentrafen.

Die meisten Missionarsfamilien entschlossen sich, möglichst lange auf ihren Stationen auszuhalten. Konnte auch zunächst von der Fortsetzung der geistlichen Tätigkeit nur in ganz geringem Umfange die Rede sein, so sagten sie sich doch, dass sie durch ihr Bleiben die Beraubung und Verwüstung der Missionshäuser verhinderten. Einige haben drei, ja vier Wochen mitten im Aufstandsgebiet gelebt. Besondere Erwähnung verdient hier der Heroismus der verwitweten Frau Missionar Viehe, die nach dem Tode ihres Mannes im Dienst der Mission geblieben war und ganz allein in Otjikango (Neu-Barmen) lebte. Sie hatte nur einen kleinen, als Pflegekind angenommenen Hereroknaben bei sich.

Auch an ihrem Orte brachen die Unruhen mit Ermordung eines Ansiedlers am 12. Januar aus, und dann fand ein fortwährender Durchzug kleiner oder größerer Abteilungen statt. Trotzdem blieb sie bis zum 13. Februar an Ort und Stelle. Einer wilden Rotte, die es offenbar auf Beraubung ihres Hauses abgesehen hatte, trat sie mit bewundernswürdiger Seelenruhe entgegen und entwaffnete sie dadurch, dass sie sie zur Teilnahme an ihrer Morgenandacht einlud. Sie sang ihnen das Lied vor: "Morgenglanz der Ewigkeit" und las den 27. Psalm: "Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?" In großer Verlegenheit zogen die beschämten Gäste, unter denen sich mehrere Christen befanden, ab. Ein ander Mal kamen etwa 60 Herero in einer mondhellen Nacht. Sie vermuteten deutsche Flüchtlinge im Hause. Die Missionarin kleidete sich auf ihr Klopfen schnell an, ließ sie herein und leuchtete ihnen selbst durch ihre Zimmer in alle Schränke und Kisten, um sie von der Grundlosigkeit ihrer Vermutung zu überzeugen, worauf sie unter Verwünschungen abzogen. Nur durch die dringende Aufforderung eines deutschen Patronilleführers ließ sich die mutige Frau nach mehrwöchentlichem Ausharren schließlich bewegen, mit ihren beiden Kindern - sie hatte inzwischen noch das kleine Mädchen einer Farmerswitwe bei sich aufgenommen - mit nach Okahandja zu kommen.

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Wie schon erwähnt, dienten die Missionsstationen fast all-gemein als Zufluchtsstätten solcher Landsleute, die nicht mehr rechtzeitig eine feste Militärstation erreichen konnten. Namentlich Frauen und Kinder verdanken ihnen in großer Zahl ihre Rettung. Wir greifen aufs Geradewohl das Missionshaus von Omaruru heraus. Hier hielt Missionar Dannert mit den Seinen wochenlang aus, obwohl die am Orte befindliche Kaserne immer von feindlichen Scharen umschwärmt wurde. Da erschien eines Morgens - die Missionsleute hatten wegen der gefährlichen Situation die Nacht in Kleidern zugebracht. Frau Joost von Etiro mit ihren beiden drei und vier Jahre alten Kindern. Ihr Mann, ein Ansiedler, war seiner Herde ins Feld nachgegangen und nicht wiedergekehrt. Man hatte aus der Militärstation der Einsamen einen Unteroffizier zum Schutz ins Haus geschickt, aber gerade dadurch die aufrührerischen Herero zu Feindseligkeiten veranlasst. Beim Versuch, mit Hilfe eines vorüberfahrenden Frachtwagens in die Kaserne von Omaruru zu gelangen, war ihr Beschützer hart vor dem Ziel von einer streifenden Bande umgebracht, sie selbst aber in die Werft eines Herero namens Gideon geschafft worden, wo man sie über Nacht menschenfreundlich versorgte; am nächsten Morgen ward sie ins Missionshaus gebracht. Zu diesen weißen Gästen kam an demselben Tage noch die Familie des Bergdamralehrers Elisa, sowie eine Anzahl alleinstehender Bergdamrafrauen und -mädchen. Denen trachteten die Herero ebenfalls nach dem Leben, weil sie nicht gemeinschaftliche Sache mit ihnen gegen die Deutschen machen wollten. Volle 18 Tage genossen alle diese Flüchtlinge Dannerts Gastfreundschaft. Als der Missionar am 5. Februar in Rücksicht auf die militärischen Operationen und auf Wunsch des Befehlshabers der Schutztruppe in die Kaserne übersiedelte, bestand seine Hausgemeinde aus nicht weniger als sieben Weißen und 19 Eingeborenen. Wie schwer die auf ihm lastende Verantwortung zuletzt gewesen war, ersieht man daraus, dass am vorhergehenden Tage das Missionsgrundstück von einer kämpfenden Hereroabteilung als Stützpunkt benutzt worden war. Infolgedessen schlugen Granaten und Shrapnels in der Nähe des Hauses ein. Die Flintenkugeln flogen in Menge um die Wohnung, Das Fenster der Studierstube hatte allein sechs Kugellöcher aufzuweisen.

Ähnlich wie hier ging's auch auf anderen Stationen. Die Missionsleute teilten ihre bescheidenen Räume und schmalen Vorräte bereitwilligst mit den Flüchtlingen. Man hat es ihnen meist herzlich gedankt. Leider aber blieb auch hierbei die Erfahrung nicht aus, dass Undank der Welt Lohn ist. In Otjihaënena ward eine deutsche Ansiedlersfrau (sie trägt einen adligen Namen) von den Missionsgeschwistern beherbergt, mit Kleidung versehen und hernach mit zur Militärstation Hohe-warte genommen. Zum Dank dafür erschien später in deutschen Zeitungen eine sensationelle Schilderung ihrer Erlebnisse, wobei die Missionsleute - man höre und staune - der Lieblosigkeit beschuldigt wurden. Es ward ihnen zum Vorwurf gemacht, dass sie der bedrängten Frau zu grobe Kleidungsstücke und später auf dem Wagen einen zu schlechten Platz gegeben hätten. Wie edel!

Das Scheiden der Missionare von ihren Stationen, das, wie gesagt, teils auf Verlangen der Militärbehörde erfolgte, teils wegen des überhand nehmenden Raubgesindels, gestaltete sich sehr wehmütig. An einigen Orten waren sie überhaupt die letzten Bewohner des Platzes und gaben mit ihrem Wegzug die Station der Verwüstung preis, anderswo galt es einen aufregenden Abschied von Leuten, die ihrem geistlichen Vater schweres Herzeleid bereitet hatten. So war's in Waterberg, wo gleich am ersten Tage des Aufstands sämtliche Deutsche, die sich gerade dort aufhielten, erschlagen worden waren. Bevor sich der Missionar Eich nach 40tägigem Ausharren unter den mit Blutschuld beladenen Bewohnern anschickte, nach Okahandja zu reisen, hielt er am 21. Februar noch einen Abschiedsgottesdienst. Er hatte den Eindruck, dass es wohl die letzte Gelegenheit sein würde, zu seiner Gemeinde zu reden, die übrigens nur spärlich in der Kirche erschien. Hier verlas er zuerst den Anfang von Römer 13:

"Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat etc."

Dann zeigte er kurz, wie das Hererovolk diese Bestimmung missachtet hätte und dafür von Gott gestraft werden würde. Besonders schwer hätten sich aber die Christen versündigt, die mit den Heiden gegangen wären, ja sich sogar mit dem Blute Unschuldiger befleckt hätten. Sie sollten ernstlich Buße tun und zu Gott zurückkehren, andernfalls gingen sie einem schweren Gericht entgegen. Nun verlas er weiter die Epistel des Tages und predigte über ihre Anfangsworte: "Wir ermahnen euch als Mithelfer, das ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfanget". Es war eine ergreifende Abschiedspredigt. Am Nachmittag fand noch die Taufe eines Kindes statt, sowie eine Trauung.

Derselbe Missionar Eich zog dann mit einem Teil der Herero von Waterberg, die zu Samuel Maharero stoßen wollten, nach Okahandja. Man kann unter normalen Verhältnissen den Weg dahin in einer Woche zurücklegen, jetzt wurden mehr als sechs Wochen daraus. Der aus vielen Wagen und Karren, etwa 1.000 Menschen, ca. 4.000 Rindern und mehreren großen Herden Kleinvieh bestehende Zug war an sich schon schwer beweglich und konnte nur kurze Tagereisen machen. Verzögernd aber wirkten auch die inzwischen begonnenen Operationen der Schutztruppe, der diese Aufständischen natürlich auszuweichen suchten. Die unglücklichen Missionsleute mussten alle Umwege und Aufenthalte mitmachen und schließlich, nachdem sie ihr Leben schon einmal verloren gegeben hatten, noch froh sein, dass Samuel Maharero ihnen großmütig dazu verhalf, aus seinem Lager hinüber auf die Seite der deutschen Truppen zu kommen. Ähnlich ging es dem Missionar Kuhlmann von Okazeva, der notgedrungen fünf Wochen in den Lagern der Aufständischen zubrachte und in Okahandja eine große Aufregung hervorrief, als er plötzlich bei der Schutztruppe erschien und mitteilte, dass das große Kriegslager der Herero, aus dem er gekommen, nicht weit hinten bei Gobabis, wie man hier vermutete, sondern nur wenige Reitstunden entfernt war.

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Ein dunkler Punkt in den Erfahrungen der Missionare war das ihnen von einem Teil unserer Landsleute entgegengebrachte Misstrauen, das sich zuweilen geradezu in Gehässigkeit verwandelte. Eine Zeitlang wurde im Ernst behauptet, sie hätten vorher von dem Aufstand gewusst. Das wurde freilich bald widerlegt. Man fand ein Rundschreiben Samuels an seine Großleute auf, das einen Tag vor Ausbruch der Feindseligkeiten geschrieben war und den Satz enthielt:

"Ich habe einen Eid dazu getan, dass diese Sache nicht offenbar werde, auch nicht den Missionaren".

Damit war die böse Nachrede entkräftet. Der Gegensatz blieb freilich da und wurde von denen, die im Missionar den Anwalt der Eingeborenen und darum ihren Gegner sahen, geflissentlich erhalten. In wie hässlicher Weise das in der Heimat von der "Kolonialen Zeitschrift" besorgt worden ist, braucht hier nicht ausgeführt zu werden. Draußen hat sich die Gegnerschaft ein eigenartiges Denkmal gesetzt: Das Missionshaus von Okahandja ward vorübergehend von der Feste des Orts aus beschossen! Als die Missionsleute sich später darüber beschwerten, hieß es, Aufständische hätten sich im Missionshaus festgesetzt und von da aus geschossen. Präses Diehl hat das in einer Zuschrift an die Deutsch-Südwestafrikanische Zeitung gründlich widerlegt, Tatsache ist allerdings, dass die Kirche von Okahandja eine Zeitlang von den Aufständischen besetzt gehalten wurde und dabei die vielen Kugelspuren empfing. Im Missionshause aber sind keine kämpfenden Herero gewesen, und in der Schussrichtung zwischen Feste und Kirche liegt es gar nicht. Es bleibt also wohl nur die schmerzliche Erklärung übrig, dass die auf die Wohnung der Missionare abgegebenen Schüsse ein Ausdruck der unverdienten Feindschaft waren, die sie zu der Zeit von einem Teil ihrer Landsleute erfuhren.


Philipp Johannes Diehl
1837 - 1920

Es darf hier übrigens nicht unerwähnt bleiben, dass an anderen Orten nach wie vor das herzlichste Einvernehmen zwischen Missionshaus und Militärstation bestand. In Omaruru, wo die Missionsgeschwister so lange als möglich in ihrem Gehöft blieben, erhielt sich das freundschaftliche Verhältnis durch die ganze Zeit, und als Missionar Dannert mit seiner Übersiedelung in die Kaserne aufhörte, der geistliche Vater der farbigen Christen draußen zu sein, trat er unter den gesunden und verwundeten Soldaten sogleich wieder in das Amt ihres Seelsorgers und Feldpredigers ein.

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Die Hererochristen während des Aufstands

Vorzeitigen Kritikern hat der Hereroanfstand Veranlassung zu dem absprechenden Urteil gegeben, die seit Jahrzehnten getriebene Missionsarbeit habe sich als erfolglos erwiesen. Das ist ebenso falsch, wie wenn jemand aus der Tatsache, dass zwei europäische Völker Krieg mit einander führen, den Schluss ziehen wollte, die christliche Kirche hätte ganz umsonst an beiden ihr Werk getrieben. Eine im Aufstandsgebiet befindliche Frau hat in ihrem von Chemnitz aus veröffentlichten Briefe die Hererochristen geradezu an den Pranger gestellt, als ob gerade sie die Führer des Aufstands und die größten Heuchler gewesen wären. Wir wollen uns die so geschmähten Leute etwas näher ansehen.

Beim Ausbruch der Feindseligkeiten gehörte etwa der 15. Teil des Hererovolks zu den Gemeinden der Rheinischen Mission. Das ist doch erst ein kleiner Prozentsatz, und es dürfte zuviel verlangt sein, wenn sie dem Ganzen das Gepräge geben und seine Geschicke bestimmen sollen. Vielleicht wäre noch eher darauf zu rechnen, wenn viele in angesehenen Stellungen befindliche Männer unter den Getauften wären. Im Namaland ist das wohl der Fall, aber die Hererohäuptlinge sind im Allgemeinen schwerer zu gewinnen. Samuel Maharero ist zwar ein Christ, aber seit Jahren von der Abendmahlsgemeinde ausgeschlossen; nebenbei gesagt ein Beweis, wie unparteiisch die Missionare Kirchenzucht üben. Die Seele des Aufstands soll der kriegerische Häuptling Kajata, ein unentwegter Heide, sein.

Der Einfluss der Mission reicht allerdings weiter, als die Zahl der Getauften annehmen lässt. Das geht schon daraus hervor, dass auch die meisten heidnischen Herero den Missionaren auf ihren Stationen oder im Aufständischen-Lager mit Achtung begegneten. Vor allem aber ist die gute Wirkung des lange im Lande gepredigten Evangeliums darin hervorgetreten, dass der jetzige Krieg lange nicht mehr so roh und grausam geführt wird, wie die Feldzüge zu Jonkers Zeiten. Bei Schonung der weißen Frauen und Kinder war oben schon davon die Rede. Man muss auch in Rücksicht ziehen, dass die in der Statistik gezählten Hererochristen von ganz verschiedener Qualität sind. Da stehen die in den letzten Jahren Getauften - und gerade in jüngster Zeit fand ein stärkerer Zuwachs statt als je zuvor - neben denen, die seit Jahrzehnten erprobt sind. Man kann von jenen noch nicht dieselbe christliche Reife und Charakterfestigkeit erwarten, wie von diesen. Für die Fernstehenden ist das Konto der Hererochristen auch durch die Schlechtigkeiten der ausgeschlossenen Gemeindeglieder belastet worden. Man stößt in den ausführlichen Berichten der Missionare vielfach auf ihre Namen. Wenn sie sich allerlei Schandtaten zu Schulden kommen ließen, so wird man dafür die Gemeinde, mit der sie vielleicht schon seit Jahren nur noch eine ganz lose Verbindung hatten, doch weniger verantwortlich machen dürfen, als für ihre vollberechtigten Glieder.

Die wirklichen vorhandenen Schatten im Bild der Hererogemeinden sollen damit nicht beschönigt werden. Es ist nicht zu leugnen, dass viele Christen sich in der kritischen Zeit nicht so gehalten haben, wie ihre Missionare erwarten durften. dass sie mit in den Aufstand eingetreten sind und auf der Seite ihrer Volksgenossen kämpfen, wird man ihnen nicht gar so sehr zum Vorwurf machen dürfen. Die Beteiligung mochte ihnen unter den obwaltenden Umständen als nationale Pflicht erscheinen. Sicher ist es ihnen von ihren Führern so dargestellt wurden. Als der Missionar Dannert von Omaruru seinen Gemeindegliedern zuredete, sie möchten sich nicht mit fortreißen lassen, sagte ihm einer der Christen:

"Muhonge, geh nach Hause und bete! Das junge Volk will den Krieg und so müssen die Alten ihn wollen. Du wirst es nicht mehr ändern. Geh nach Hause und bete!"

Als der Missionar sich schließlich nochmals an eine größere Versammlung wandte und sie aufforderte, mit ihm hinüber zur Militärstation zu kommen, sagte einer:

"Nein, es wird kein Herero mehr mit dir zu den Deutschen hinübergehen".

Es belastet die Hererochristen schon schwerer, dass ein kleiner Teil von ihnen auch unter den Plünderern war. Und zwar haben sie gleicherweise wie die Warenhäuser und Farmen so auch mehrere Missionsgehöfte ausrauben helfen. Die Missionare mussten es mehrfach von weitem mit ansehen, wie sie ihr Vieh oder andre Besitzstücke fortschafften. Kuhlmann und Eich beobachteten im Lager einzelne Christen, an denen sie die aus den verlassenen Missionshäusern geraubten Kleidungsstücke der Missionare erblickten.

Bild aus Wikipedia Commens

Die Brüder Julius Maharero (links) Samuel Maharero (rechts)
1895 in Okahandja

Am schwersten aber ist es zu beklagen, dass sich auch einige Christen an den Mordtaten beteiligten. Von Waterberg ist das ausdrücklich festgestellt. Dort scheinen sich die Gemeindeglieder überhaupt recht treulos benommen zu haben. Ihr Missionar Eich hatte zuletzt fast niemand mehr, dem er Vertrauen schenken konnte. Das Urteil über diese Gemeinde lässt sich vielleicht nur dadurch etwas mildern, dass sie erst seit 1891 bestand, und dass der ganze Stamm seit dem Tode des alten Häuptlings Kambazembi (gest. 1903) durch den Streit über die Nachfolge sich in einer inneren Krisis befand. In früheren Jahren waren nur einige tastende Missionsversuche an dem wichtigen Platze gemacht worden.

Diesen dunkeln Partien im Bilde der Hererochristen stellen wir nun die Lichtseiten gegenüber.

Da sind zuerst die Liebes- und Retterdienste zu erwähnen, die viele von ihnen den Weißen beim Ausbruch des Aufstands erwiesen haben. In Okahandja befand sich Nergrat Duft mit einigen andern Herren der Regierung an einer exponierten Stelle, als der Kirchenälteste Johannes ihnen zurief, sie möchten sich schleunigst zurückziehen. Er rettete ihnen dadurch das Leben, denn schon nach einigen Minuten fielen die ersten Schüsse. In Omburo, wo das Missionshaus so gräuliche Dinge gesehen hat, - der Händler Fuchs, der sich dahin geflüchtet, wurde aufgespürt und, ohne dass der schwache, kränkliche Missionar es hindern konnte, herausgeholt und erschlagen - brachte ein Christ namens Wilhelm im Verein mit einigen Freunden einen andern Deutschen namens Weiß in Sicherheit. Zu Otjituezu hatten die Herero einen Weißen gebunden. Das sah die Frau des Evangelisten Paul Kanaimba. Sie ging hin und löste den Riemen, mit dem er gefesselt war. Als die Rotte sich aufs neue über ihr Opfer hermachte, erschien ihr Mann, nahm dem Gebundenen noch einmal die Fessel ab und bedrohte seine Feinde so energisch, dass sie ihn nun gehen ließen. Dem Leichnam des unglücklichen Händlers Fuchs verhalfen mehrere Gemeindeglieder von Omburo wenigstens zu einem christlichen Begräbnis auf ihrem Friedhof.

Noch viel weitgehender und erfolgreicher war ihre Mithilfe bei Rettung der weißen Frauen und Kinder. Wir greifen von den vielen uns zu Gebote stehenden Beispielen nur einige heraus. In Otjikango verhinderte der Älteste Barnabas, dass, Frau Lange, deren Mann erschlagen war, mit ihren Kindern dasselbe Schicksal fand. Eins ihrer Kinder blieb auf dem

Schauplatz der Gewalttat verletzt liegen, ward aber dann von einer eingeborenen Christin geholt und nach einigen Tagen auf Veranlassung des Ältesten Christian ins Missionshaus zu Frau Viehe gebracht. Das ist dasselbe Kind, von dem eine der ersten Schauernachrichten fälschlicher Weise meldete, es sei zwischen Tür und Angel totgequetscht worden. Hererochristen waren es auch, welche die Frau Joost mit ihren Kindern ins Missionshaus von Omaruru brachten.

Haben die eingeborenen Christen den ihnen ferner stehenden Farmer- und Händlerfamilien derart beigestanden, so natürlich ihren Missionaren in noch weitgehenderer Weise. Das gilt von den im Aufstandsgebiet liegenden Missionshäusern, namentlich aber auch von den gefahrvollen Reisen der abziehenden Missionsgeschwister. Als Missionar Eich mit den Aufständischen von Waterberg nach Okahandja fuhr, gab es mehrfach gefährliche Situationen für ihn. Einmal stellte sich ein alter Herero der Weiterfahrt trotzig entgegen und rief seinen Landsleuten finster zu:

"Ihr schlaft wohl alle? Die Leiber unserer Kinder liegen noch unbeerdigt im Felde, und nun wollt ihr einem Otjirumdu (Weißen) Gnade erweisen und noch mehr Leben unserer Kinder aufs Spiel setzen? Der Wagen fährt nicht weiter!"

Eine Weile kam die rettende Fahrt dadurch ins Stocken, aber die im Lager befindlichen Freunde des Missionars halfen weiter.

Werfen wir endlich einen Blick auf das kirchliche Leben der unter den Aufständischen befindlichen Christen. Wir haben es den beiden Missionaren Kuhlmann und Eich zu verdanken, dass wir auch darüber einigermaßen unterrichtet sind. Da fiel zunächst auf, dass die Christen eine besondere Abteilung des Feldlagers bildeten. In nationaler Hinsicht gingen sie alfo mit ihren Landsleuten, im übrigen aber gaben sie zu erkennen, dass sie sich mit den Heiden nicht auf eine Stufe stellen wollten. Ihre Gottesdienste

behielten sie auch während des Feldzugs bei. Dem Missionar Kuhlmann gegenüber beklagten sie sich: Früher seien die Lehrer mit ihnen gegangen, wenn sie Krieg gegen die Nama geführt hatten. Ob denn jetzt keine Ehen mehr geschlossen, keine Kinder mehr getauft, keine Predigten mehr gehalten werden konnten? Bis zu einem gewissen Grade ersetzten ihnen die eingeborenen Evangelisten, die mit im Lager waren, die fehlenden Missionare. Dieselben waren übereingekommen, sich der Teilnahme an den Kämpfen zu enthalten, so lange sie von den Missionaren abgeschnitten wären. Dies ward von Kuhlmann während seines Aufenthalts im Lager geradezu zum Gesetz gemacht. Zugleich ward ihnen die Erlaubnis gegeben, Trauungen und Taufen an Kindern zu vollziehen. Dieser Missionar hat übrigens festgestellt, dass eine ganze Reihe von Evangelisten bis dahin gar nicht mit gekämpft hatte.

Die Missionare des Hererolands benutzten die durch den Krieg verursachte unfreiwillige Mußezeit zu einer außergewöhnlichen Konferenz iu Karibib. Es war ein schmerzliches Wiedersehen. War auch keiner aus ihrem Kreise eines gewaltsamen Todes gestorben, wie so viele ihrer Landsleute - der während des Aufstands in Grootfontein Heimgegangene Bruder Kremer war dem Schwarzwasserfieber erlegen -, so lag doch ihre ganze hoffnungsvolle Arbeit zerschmettert am Boden. Am glimpflichsten sind noch die in der Nähe der Bahnlinie liegenden Stationen Walfischbai, Karibib, Otjimbingue, Okahandja, Otjikango und Windhuk weggekommen. Die Herero, soweit vordem solche hier wohnten, sind zwar verschwunden, aber die Arbeit an den Bastards, Nama und Bergdamra kann fortgehen. Die weiter nördlich und östlich von der Bahnlinie liegenden Stationen dagegen haben furchtbar gelitten. Hoffentlich nur vorübergehend von ihren Missionaren verlassen sind: Omaruru, Okombahe und Gaub, Gänzlich zertrümmert ist vorläufig die Arbeit in Otjosazu, Otjihaënena, Okazeva, Omburo und Waterberg. Wie weit sie auch auf diesen Stationen noch einmal wieder aufgenommen werden kann, oder welche neue Einrichtungen zu ihrem Ersatz getroffen werden müssen, lässt sich zurzeit nicht übersehen.

Während die Aufständischen sich im Waterberggebiet zusammenzogen und der Ring der vom General von Trotha befehligten Truppen sie immer enger umspannte, erließ die Rheinische Missionsgesellschaft folgenden Hirtenbrief an die Häuptlinge, Ältesten und Mitglieder ihrer Gemeinden im Hereroland:

In Christo Jesu Geliebte! 

Es wird uns nicht leicht, die obige Überschrift über diesen Brief zu setzen. Durch den schrecklichen Ausstand, an dem viele von Euch teilnehmen und das furchtbare Blutvergießen, auch so mancherlei Gräuel, die damit verbunden sind, und für die Ihr jedenfalls die Verantwortung mittragt, wenn wir auch hoffen, dass nur wenige von Euch sich an den Gräueln und Mordtaten beteiligt haben, hat unsere Liebe zu Euch einen starken Riss erhalten. Aber die Liebe unsers Heilands höret nimmer auf; sie geht den verlorenen Sündern nach, um sie zu retten und selig zu machen. Auch den verlorenen Sohn, der das Vaterhaus verlassen und den Willen des Vaters mit Füßen getreten hat, hat der Vater noch lieb und ist bereit, ihm zu vergeben, da er bussfertig zum Vater zurückkehrt mit den Worten: "Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor Dir und bin hinfort nicht mehr wert, dass ich Dein Sohn heiße". In diesem Sinne nennen wir auch Euch nun: "In Christo Jesu Geliebte".

"Wir dürfen es Euch aber nicht verschweigen, dass Ihr uns in tiefe Traurigkeit versetzt und uns großen Schmerz bereitet habt. Unser Herz blutet, wenn wir an Euch denken, wie das Herz des Vaters, als der verlorene Sohn ihm den Rücken kehrte. Auch Ihr habt einen Weg betreten, auf dem Ihr notwendig ins Elend geraten und jämmerlich umkommen müsst, wenn Ihr nicht bald Euer Unrecht einsehet und umkehret. Ihr habt das Schwert erhoben gegen die Euch von Gott gesetzte Obrigkeit, ohne zu bedenken, dass es heißt: "Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen". Der Apostel Paulus sagt uns Röm. 13, 1 ff.:

"Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott: wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun wider die Obrigkeit setzet, der widerstrebet Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen" usw. Und unser Heiland sagt den heuchlerischen Pharisäern, die ihn versuchen wollten: "Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!" Beides habt Ihr außer acht gelassen. Herzlich und dringend möchten wir Euch warnen, auf dem betretenen Wege weiterzugehen. Kehret vielmehr um von demselben und demütigt Euch vor Gott und Menschen, an denen Ihr gesündigt habt. Je eher Ihr umkehret d. h, die Waffen niederlegt und mit der Obrigkeit, die Euch Gott gesetzt hat, Frieden macht, um so besser ist es für Euch.

Ihr werdet uns antworten, dass Ihr glaubt, gerechte Ursache zur Unzufriedenheit und zum Aufstand gehabt zu haben: werdet hinweisen auf das Verhalten mancher Händler und anderer Deutscher, von denen Ihr glaubt Unrecht erduldet zu haben. Wir sind von Gott dem Herrn nicht zu Richtern gesetzt und sind auch nicht imstande, derartige Dinge zu untersuchen. Das aber glauben wir doch sagen zu können, dass es nicht so weit gekommen wäre, wenn Ihr auf die warnende Stimme Eurer Missionare gehört hättet. Da, wo Ihr glaubtet benachteiligt zu sein, stand Euch der Weg der Beschwerde offen, den Ihr hättet betreten können. Und wenn Ihr auch bei Euren Beschwerden nicht immer solltet Gehör gefunden haben, so hättet Ihr als Christen doch nicht zu den Waffen greifen, sondern Euer Vertrauen auf den lebendigen Gott setzen sollen, der die nicht verlässt, die auf ihn hoffen. Die Regierung Eures Landes war ernstlich bestrebt, allen Bewohnern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und hätte berechtigten Beschwerden ihr Ohr nicht verschlossen. Auch verdankt Ihr dieser Regierung sehr viel, vor allem das eine, dass Ihr im Frieden leben konntet und nicht immer von den Einfällen unruhiger und räuberischer Nachbarn bedroht wurdet. Wenn Ihr Eurer Regierung und Obrigkeit den schuldigen Gehorsam und die gebührende Ehrerbietung entgegengebracht hättet, dann würdet ihr unter ihrem Schutz ein ruhiges und stilles Leben haben führen können in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, wie der Apostel Paulus sagt 1. Timotheus 2, 2. Statt dessen seid Ihr in törichter Verblendung in den Aufstand eingetreten, habt die Waffen ergriffen gegen die Obrigkeit, von der es heißt: "Sie ist Gottes Dienerin" und "sie trägt das Schwert nicht umsonst".

Damit seid Ihr in trauriger Weise abgewichen von dem Weg der Wahrheit und des Rechts, Wir können nun nur mit großem Schmerz und tiefer Trauer an Euch denken. Was soll aus Euch, was soll aus unsern Gemeinden werden? Seit 60 Jahren haben wir Euch Lehrer gesandt, die Euch unterwiesen haben in den Wegen des Herrn, und wir haben die ganze Zeit hindurch für Euer zeitliches uud ewiges Heil Sorge getragen. Auch heute noch treibt uns nur die Liebe dazu, Euch diesen Brief zu schreiben und Euch dringend zu bitten, die Waffen niederzulegen und Frieden zu machen. Was dann werden wird, wissen wir nicht. Jedenfalls wird die Regierung die Schuldigen strenge strafen und Ihr werdet alle an den traurigen Folgen dieses Aufstands Euer Leben lang zu tragen haben. Aber es ist doch unsere Pflicht, Euch ernst zu warnen und dringend zu bitten, den Weg des Unrechts zu verlassen und das begangene Unrecht so viel als möglich wieder gut zu machen. Erst dann, wenn Ihr die Waffen niederlegt und Euren Sinn ändert, könnt Ihr wieder mit Vertrauen an den Herrn und seine Gnade Euch wenden: Er wird Euch dann nicht mehr auferlegen, als Ihr tragen könnt. Ihr steht dann in Seiner Hand und könnt im Leben und im Sterben zu Ihm Eure Zuflucht nehmen. Wenn Ihr Euch aber nicht raten und warnen lasst, vielmehr auch diese unsere mahnende Liebesstimme missachtet, dann sind wir wenigstens rein von Euer aller Blut. Ihr geht dann mit offenen Augen in Euer Verderben. Davor bewahre Euch der Herr in Gnaden. Heute, da Ihr noch einmal Seine Stimme höret, verstocket Eure Herzen nicht! Der Herr aber wolle Euch selbst Raum zur Buße und zur Umkehr geben und Euch davor bewahren, dass Ihr nicht mit sehenden Augen ins Verderben lauft.

Mit tiefbetrübtem und schmerzlich bewegtem Herzen gedenken wir Euer und grüßen Euch als Eure Lehrer und Väter in Christo.

Barmen, den 9. Mai 1904.

Die Mitglieder der Deputation der Rheinischen Missionsgesellschaft.

Dieser seelsorgerliche Zuruf, der gewiss nicht wirkungslos verhallen wird, dürfte eine Brücke zwischen der bisherigen und der künftigen Herero-Mission schlagen. Mag der Feldzug ausgehen, wie er will, die Herero-Mission wird fortbestehen. Falls die Aufständischen sich unterwerfen und im Lande bleiben, werden sie hoffentlich auch in ihr altes Gebiet zurückkehren dürfen, wenn auch nicht mehr zu der alten Freiheit. Die Frage des Reservats wird dann wohl bald ihrer Verwirklichung entgegengeführt werden; und dabei ist die Mission gar nicht zu entbehren. Fliehen die Reste der geschlagenen Herero aber über die Grenze, so werden die Missionare sie später im Lande ihrer Zuflucht aufsuchen müssen, um die unter der Asche glimmenden Funken bei den übrig gebliebenen Hererochristen wieder zur Glaubensflamme anzufachen.

Zum vorläufigen Ersatz für die gestörte Arbeit, und um die brachliegenden Kräfte der Herero-Missionare zu benutzen, hat die Rheinische Mission bereits zwei neue Werke in Angriff genommen. Das in den letzten Jahren zu so großer Bedeutung gelangte Swakopmund, das bisher als Filiale von Walfischbai galt, ist zur Hauptstation erhoben. Die Missionare finden an diesem Orte keine leichte Arbeit; der Hafenplatz zieht allerlei Volk an, und die Gemeinde wird hier ebenso bunt sein, wie die Völkerkarte unsers ganzen Gebiets. Sodann ist beschlossen, baldigst eine Erziehungsanstalt für Mischlingskinder in Otjimbingue zu errichten. Die große Menge der aus der Verbindung von Europäern mit farbigen Frauen hervorgehenden halbweißen Kinder und ihre bisherige mangelhafte Erziehung bilden ein Problem für die, denen das künftige Wohl unserer Kolonie am Herzen liegt. Sollen die Mischlinge nicht zu einem Proletariat schlimmster Sorte werden, so muss man ihnen eine wahrhaft christliche Fürsorge zuwenden. Die Mission will das tun.

Es ist ein großer Sturm über das Arbeitsfeld der Rheinischen Mission dahingegangen, und man dürfte sich nicht wundern, wenn sie ein Klagelied anstimmte, wie Jeremias auf den Trümmern Jerusalems. Aber an Stelle nutzloser Klagen schaut sie nach neuer Arbeit aus und nach der Möglichkeit, das verwüstete Feld wieder anzubauen. Gott gebe ihr dazu klarsehende Augen, immer wachsende Kräfte und ausharrende Geduld!

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Ein Blick in die Ovambo-Mission

Hoch oben im Norden unsers Gebiets, von Karibib, der nächstgelegenen Eisenbahnstation, nur durch eine mehrwöchentliche Ochsenwagenfahrt erreichbar, liegt das Amboland. Die von mehreren selbständigen Häuptlingen regierten Ovambo wohnen teils im deutschen teils im portugiesischen Gebiet; wie viele dem einen und dem andern angehören, lässt sich zur Zeit, nicht sagen, da die Grenze dort offenbar noch nicht endgültig festgelegt ist.

Auch dieser noch am wenigsten in die politische Bewegung einbezogene Teil von Deutsch-Südwestafrika hat die Friedensboten des Königs, dessen Reich nicht von dieser Welt ist, früher gesehen als die Vertreter der Kolonialmacht, die hier eben erst angefangen haben, ihre militärischen Vorposten vorübergehend zu den aus ihre Unabhängigkeit eifersüchtigen Häuptlingen zu senden; deutsche Zwingburgen, wie die festungsähnlichen Kasernen im mittleren Teil unsers Schutzgebiets sucht das Auge hier noch vergebens.

Hugo Hahn, den wir als den bedeutendsten unter den Pionieren am Swakop kennen lernten, ist auch auf diesem Missionsfeld als Pfadfinder vorangegangen. Der Forschungsreisende Galton, der als Entdecker des Ambolandes gilt, machte ihn auf das sesshafte, ackerbautreibende, fleißige und straff regierte Volk am linken Ufer des Kuneneflusses aufmerksam. Seine verlockende Schilderung ließ in Hahn, der gerade mit Studien über die Sprache der Herero und der mit ihnen verwandten Stämme beschäftigt war, den Wunsch entstehen, das ferne Land kennen zu lernen und seinen Bewohnern womöglich gleichzeitig mit ihren Vettern, am Swakop die Segnungen des Christentums anzubieten.

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Mit Zustimmung der Missionsgesellschaft machte er sich im Jahre 1858 in Begleitung seines Freundes Rath auf, den Stand der Dinge im Amboland zu untersuchen. Nach mühseliger Reise durch Sand und Dorngestrüpp, über weite Steppen und zuletzt, durch Sümpfe und Wälder gelangten sie zur Residenz Nangoros von Ondonga, des südlichsten der Ovambohäuptlinge. Die erste Begegnung war nichts weniger als angenehm. Sie kamen gar nicht dazu, dem Landesherrn den Zweck ihres Kommens darzulegen. Er begegnete ihnen sofort mit Feindseligkeiten. Es war ihr Glück, dass die Ovambo noch keine Gewehre hatten. Die abgeschossenen Speere und Assagaien verfehlten ihr Ziel. Einige zur Einschüchterung der Eingeborenen abgegebene Flintenschüsse erschreckten diese so sehr, dass sie von der Verfolgung abließen. Froh, der Gefahr entronnen zu sein, aber leider auch ganz unverrichteter Dinge zogen die Missionare wieder heim.

Es vergingen beinahe zehn Jahre, bevor der Versuch, den Ovambo näher zu kommen, wiederholt ward. Hahn war inzwischen in Deutschland gewesen und hatte dann Anfang der 60er Jahre jene Kolonisten-Expedition ins Werk gesetzt, die zum Aufblühen von Otjimbingue führte. Als das neue Unternehmen in Gang gebracht war, unternahm er im Jahre 1866 eine neue Untersuchnngsreise nach dem Norden. Diesmal war er glücklicher. Die Ovambo hatten sich in der Zwischenzeit durch immer wieder zureisende Händler an den Verkehr mit Europäern gewöhnt und legten dem Missionar nichts mehr in den Weg. Ihre Häuptlinge wetteiferten mit einander, ihn ehrenvoll zu empfangen; sie versorgten ihn mit Nahrungsmitteln und sonstigem Reisebedarf, ließen ihn alles sehen, selbst ihre Familienglieder und die geheimnisvollen Gemächer ihrer Residenzen, die sie bisher den Fremden gegenüber unter strengem Abschluss gehalten hatten; kurz Hahn gewann den besten Eindruck und nahm mit Freuden ihre Einladung entgegen, er möge ihnen weiße Lehrer schicken, die ihren Untertanen das Wort Gottes verkündigen sollten.

Der erfahrene Missionar verstand sich zu gut auf afrikanische Anschauungen und Wünsche, als dass er ein wirkliches Heilsverlangen darin gesehen hätte. Offenbar war es den Häuptlingen nur darum zu tun, noch mehr Europäer in ihr Land zu bekommen. Aber sollte der Missionar sich deswegen ablehnend verhalten und ruhig zusehen, wie gewinnsüchtige Händler

in das sich erschließende Land strömten und ihre nicht immer einwandfreien Gaben brachten? Er ergriff die günstige Gelegenheit und sagte das Kommen einiger weißer Lehrer zu. Vor Ablauf von zwei Jahren sollten sie da sein.

Gleich nach seiner Rückkehr ins Hereroland tat er die nötigen Schritte, sein Versprechen einzulösen. Es hätte wohl am nächsten gelegen, die Rheinische Missionsgesellschaft zur baldigen Besetzung des neuen Gebiets aufzufordern. Hahn tat das nicht. Er sah zu der Zeit im Geist das Hereroland sich öffnen und die Namamission aufblühen: er war der Ansicht, dass die Kräfte seiner Gesellschaft nur eben hinreichten, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Für das Amboland mussten also andere Missionare ausfindig gemacht werden. Wo er sie suchen sollte, wusste er schon seit seinem letzten Besuch in Europa. In Hel-singfors war damals die Finnische Missionsgesellschaft im Entstehen. Bei einem Besuch in seiner baltischen Heimat hatte er Verbindung mit ihren Kreisen gewonnen und fragte nun an, ob sie geneigt wäre, ihre ersten Sendbuten unter die Ovambo zu schicken. In Helsingfors sah man in seinem Rufe einen göttlichen Wink und sagte eine größere Anzahl von Brüdern zu.

Der Einzug der finnischen Lutheraner in unser Gebiet erfolgte in engster Anlehnung an die Rheinische Mission. Das kam nicht nur darin zum Ausdruck, dass die zehn jungen Finnländer, die im Juni 1868 von Helsingfors abgingen, sich auf der Durchreise nach London kurze Zeit in Barmen aufhielten, sie begaben sich auch nach ihrer Ankunft in Südwestafrika nicht sogleich auf ihr Arbeitsfeld, sondern erst nach dem uns wohlbekannten Otjimbingue. Dort haben sie über ein Jahr lang bei den Rheinischen Brüdern gewohnt, Land und Leute kennen gelernt und unter Hahns Anleitung Sprachstudien getrieben. Auch als sie unter der Führung eines Engländers namens Green, der schon Hahns Berater in der Ovambo-Angelegenheit gewesen war, hinauf ins Amboland zogen, blieb Otjimbingue lange Zeit ihr Stützpunkt, wo ihre Vorräte lagerten und einer der ihrigen als Vermittler wohnte! Sie haben später einmal den Versuch gemacht, unter Vermeidung des großen Umwegs über Walfischbai und Otjimbingue auf dem geraderen Wege über Mossamedes ans Ziel zu kommen, die Abkürzung erwies sich aber als nicht vorteilhaft. Es blieb bei der langen Ochsenwagenfahrt durch's deutsche Gebiet.

Ihr Empfang bei den Ovambo entsprach ganz den Erwartungen, die Hahns Schilderungen in ihnen erweckt hatten. In Ondonga herrschte Nangoros Nachfolger Tjikungo. Er war sichtlich erfrent, die längst erwarteten Glaubensboten -sie kamen nicht 1868, wie Hahn in Aussicht gestellt hatte, sondern erst 1870 - in seinem Lande begrüßen zu können. Einer von ihnen, der der Sprache schon ziemlich mächtig war, hielt eine längere Ansprache an ihn, worin er betonte, dass die Ankömmlinge nicht irdisches Eigentum suchten, sondern die Seelen selig zu machen, Tjikongo entgegnete:

"Alles, was Ihr sagt, wollen wir hören". 

Diese erste Begrüßung fand im Hause eines Händlers statt, der die Missionare fürs erste beherbergte. Nun lud der Häuptling seine neuen Freunde auch noch in seine Wohnung ein und erzeigte ihnen dort alle jene Aufmerksamkeiten, die in der Hofhaltung innerafrikanischer Herrscher für solche Zwecke vorgesehen sind. Eine große Kalabasse mit Bier und kunstvoll geschnitzte Holzbecher spielten die Hauptrolle dabei.

Die erste kleine Verstimmung gab es, als dem Häuptling gesagt wurde, es würden drei Geistliche und ein Laienbruder bei ihm bleiben, während die andern Brüder in das Gebiet des nächsten Häuptlings weiter ziehen wollten. Er hatte offenbar auf mehrere praktische Männer gerechnet. Am liebsten wären ihm Büchsenmacher und dergleichen Leute gewesen, mit deren Hilfe er seinen Nebenhäuptlingen in der Kriegführung hätte den Rang ablaufen können. Es half ihm aber nichts, er musste sich mir einem Handwerker, der den drei Lehrern beigegeben war, begnügen.

Die andern Brüder zogen zum Häuptling Najuma ins Ovakuambiland, das schon bis zum Kunene reicht. Sein Gebiet gefiel ihnen, seine Gestalt weniger. Er war dick und schmutzig; seine aus Europa stammende Kleidung zerrissen und schmierig. Aber der Empfang ließ an Freundlichkeit wenigstens nichts zu wünschen übrig. Er zeigte ihnen alle seine Vorratsräume, sein Viehgehege, seinen Empfangssaal und was er sonst für sehenswert hielt. So wenig hoheitsvoll er ihnen erschien, von seinen Untertanen ward ihm eine fast abgöttische Verehrung zuteil. Wer mit ihm reden wollte, musste ihm auf den Knien nahen. Er wurde nicht nur als Herr des Landes betrachtet, auch alle Produkte gehörten ihm und konnten nur von ihm gekauft werden. Er schaltete und waltete damit als vollständiger Despot. Und nicht nur das. Er behandelte auch sämtliche Untertanen als seine Sklaven. Befahl er es, so kamen sie alle ohne Ausnahme zur Predigt der Missionare. Das war von Vorteil für die junge Mission, so lange die Glaubensboten sich seiner Gunst erfreuten. Wie aber, wenn sie einmal in Ungnade fielen? Es sollte gar nicht lange damit dauern.

Die erste Meinungsverschiedenheit ergab sich, als die Missionare neben ihren schnell erbauten Wohnungen einen Brunnen graben wollten. Der Häuptling erklärte, dafür müsse erst ein Mensch geopfert werden. Es kam bei dieser Gelegenheit heraus, dass nach der Sitte des Landes noch bei vielen andern Gelegenheiten Jünglinge oder Mädchen zum Opfer gebracht wurden. Auf besonderes Zureden der Missionare sah Najuma für diesmal von dem Opfer ab, aber in der Folgezeit zeigte er sich viel weniger willfährig. Zumal wenn er betrunken war. Dann wütete er wie ein wildes Tier und scheute auch das Eigentum der Brüder und der Händler nicht. Die letzteren wollten sich seinen Launen nicht länger aussetzen und verließen das Land.

Das war ein harter Schlag für die Missionare, die an den Engländern eine Stütze gehabt hatten. Um so mehr, da von Norden her sogleich portugiesische Händler mit ihren farbigen Gehilfen in die leergewordenen Stellen einrückten. Das waren rechte Intriganten. Die Missionare mochten ihnen, den Katholiken, ein Dorn im Auge sein und wurden als Spione von ihnen verdächtigt, die gekommen wären, das Land in Besitz zu nehmen. Auch ihre Lehre sei vom Übel. Sie streuten diese giftige Saat nicht umsonst aus. Najuma ward misstrauisch gegen die Glaubensboten. Schließlich genügte ein kleiner Anlass, den Despoten in Wut zu bringen. Er hatte einen Raubzug in seiner Nachbarschaft unternommen und davon eine Menge Ochsen als Beute mitgebracht. Von diesem geraubten Vieh wollte er auch den Missionaren etwas schenken. Die nahmen es aber nicht an, tadelten vielmehr den Kriegszug und suchten ihm ins Gewissen zu reden. Darüber geriet der Häuptling in Wut. Er verbot ihnen, ihr Vieh auf die Weide zu schicken, und ließ ihre Hirten peitschen. Darüber kam es zu Auseinandersetzungen, die den Häuptling noch mehr reizten. Wer ihnen noch Dienste leisten würde, ward mit dem Tode bedroht. Schließlich verpönte er auch den Besuch des Gottesdienstes und stellte die Lieferung von Nahrungsmitteln ein. Dadurch ward den Missionaren das Bleiben zur Unmöglichkeit gemacht. Im Mai 1872 packten sie ihren Reisewagen und fuhren ab. Najuma ließ sofort ihr neuerbautes schönes Wohnhaus bis auf den Grund niederreißen. Die Station hatte nur anderthalb Jahr bestanden.

Dieser Fall ist charakteristisch für die erste Periode der Ovambo-Mission. Anfangs willige Aufnahme; dann Enttäuschung, weil die Missionare zu geistlicher Arbeit kamen und den kleinen Machthabern wegen ihrer Schlechtigkeiten wohl gar ins Gewissen zu reden versuchten, statt ihnen zu Flinten und Kanonen, Pulver und Blei zu verhelfen: schließlich Reibereien und Brutalitäten bis zum Abbruch aller Beziehungen.

Hätten die Finnen einen erfahrenen Mann unter sich gehabt, der sich auf die Behandlung afrikanischer Häuptlinge verstand, so wäre es vielleicht hier und da nicht zum Bruch gekommen. So aber mussten sie viel schmerzliches Lehrgeld zahlen.

Der ersten Abteilung, die bei Tjikongo in Ondonga geblieben war, wäre es beinahe ebenso ergangen. Auch hier machte der Häuptling kein Hehl daraus, dass er von der Wirksamkeit der Missionare nicht befriedigt war. Er verbot ihnen das Schulehalten, womit sie begonnen hatten, und blieb nicht allein selbst den Gottesdiensten fern, sondern ließ auch seine Leute nicht mehr dahin gehen. Schon war er im Begriff, die Lieferungen von Korn und Fleisch einzustellen. Da trat ein Umschwung ein. Der eine zeitlang in Otjimbingue zurückgebliebene Missionar Tolonen, der ärztliche Kenntnisse besaß, erschien gerade zu einer Zeit auf dem Schauplatz, als eine besonders ungünstige Regenzeit viele Fiebererkrankungen mit sich brachte. Auch der Häuptling war leidend. Da ward Tolonen bald ein gefeierter, vielbegehrter Mann, der ohne weiteres die Erlaubnis zur Wiederaufnahme von Predigt und Schulunterricht erhielt.

Wir springen aus dieser Zeit der Anfangsschwierigkeiten vor drei Jahrzehnten in die Gegenwart und sehen uns den Stand der Dinge um die Jahrhundertwende an.

Im Jahr 1900 unterzog der finnische Missionsdirektor Mustakallio die Ovambomission einer Visitation. Er schlug den alten Weg durchs Hereroland ein und fand dabei noch das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Finnen und den Rheinländern, nur dass der Speditionsort der ersteren inzwischen ein Stück weiter nordwärts nach Omaruru verlegt war.

Über das Missionsfeld an der Nordgrenze unserer Kolonie sah er eine neue Zeit heraufziehen. An die Stelle des vielen Wechsels im Besetzen und Wiederverlassen der Stationen waren stetigere Verhältnisse getreten. Die unbeschränkte Herrschaft der Häuptlinge bestand zwar noch fort, aber sie sprangen nicht mehr so willkürlich mit den Missionaren um. Im Volk selbst zeigte sich die Empfänglichkeit für die Predigt des Evangeliums immer deutlicher. Schwere Heimsuchungen, wie Dürre nnd Hungersnot, Heuschrecken und Rinderpest hatten den Herzensboden gelockert. So war auf demselben Wege wie bei den Herero eine Erweckung zustande gekommen. Das Heidentum hatte sowieso durch die 30-jährige Missionstätigkeit einen starken Stoß erhalten. Es waren deutlich zwei Strömungen im Volke zu erkennen: eine dem Christentum freundliche, auf deren Seite selbst der mit dem Königstitel ausgezeichnete Kambonde II. immer entschiedener trat, und eine am Heidentum trotzig festhaltende, die ihren Rückhalt am alten Häuptling Mpingana, Kambondes Vater, hatte. Die Zauberpriester konnten sich bei weitem nicht mehr des einstigen Ansehens rühmen; das Volk verlor das Vertrauen zu dem abergläubischen Kram. Es war zwar zunächst als eine Folge der Hungersnot anzusehen, dass in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts das altberühmte Ohangofest der Ovambo, wobei alle Eltern, welche heiratsfähige Töchter haben, mit ihnen einige Monate in besonders dazu gebauten Laubhütten wohnen, nicht gefeiert wurde, was die Alten als schweren Verstoß gegen die religiöse Überlieferung empfanden; aber man hätte sicher nicht so leicht in den Wegfall des mit viel abergläubischen Gebräuchen umgebenen Festes gewilligt, wenn nicht schon so viele Glieder des Volkes mit den alten Anschauungen zerfallen gewesen wären. Ein Kenner der Verhältnisse urteilt im Blick auf alles dies:

"Vielleicht bedürfte es nur eines Konstantinns, um das Christentum zum öffentlichen Siege zu bringen, wenigstens in Ondonga mit seinen 21.000 Einwohnern".

Mit der Visitation des Missionsgebiets ward im Juli 1900 die Feier des 30jährigen Bestehens der Ovambo-Mission verbunden. Sie wurde auf der Station Olukonda gehalten, deren Gründung auf den Anfang der 70er Jahre zurückgeht. Solch ein Fest halten die Missionsgemeinden, deren Existenz bis in die letzten Jahre herein so oft bedroht gewesen war, noch nicht gesehen. 650 Personen, Christen und Heiden, nahmen an der Feier teil. Man musste die Versammlung vor dem Schulhaus von Olukonda halten, weil der Platz in der Kirche nicht ausreichte. Bei dieser Gelegenheit trat aus der Reihe der Brüder der Missionar Rautanen besonders hervor, der auf eine 30jährige Wirksamkeit im Lande zurückblicken konnte, eine große Seltenheit in der durch Fiebererkrankungen und Todesfälle besonders stark heimgesuchten Mission. Neben ihm ist etwa noch Pettinen in Ondangua als langjähriger, im Amboland ergrauter Mitarbeiter zu nennen.

Als Gehilfen der Missionare fand Mustakallio eine ziemliche Anzahl eingeborener Lehrer, deren Mitarbeit besonders in gewissen fieberreichen Gegenden von großem Wert ist. Obwohl bei der Kürze der Zeit von einem tiefer gegründeten eingeborenen Lehrerstande noch nicht die Rede sein kann, werden einzelne dieser Männer doch von ihren Missionaren als durchaus zuverlässige Christen und Vorbilder ihrer Landsleute gerühmt, so Gustav j'Jsoko von Ojowu, der sich 1897 im Urwald bei Oniipa niederließ, eine Kolonie von 28 Gehöften um sich sammelte, ein Bet- und Schulhaus baute und 20 seiner Pfleglinge Ende 1901 zur Taufe bringen konnte.

Die Schule wird von den Finnen mit besonderem Fleiß gepflegt. Es ist hier wie auf den meisten neu angebauten Missionsfeldern, dass Alte und Junge mit einander zur Schule gehen. Vom Erfolg der Arbeit mag nur erwähnt sein, dass der Missionsdirektor unter den 220 Abendmahlsberechtigten nur 29 fand, die nicht lesen konnten.

Mit dem Schulunterricht hängt die Entstehung einer Literatur in der Landessprache eng zusammen. Auch darin sind erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Rautanen hat vor einiger Zeit die Übersetzung des Neuen Testaments vollendet. Daneben gibt es schon 24 verschiedene Bücher in der Ondangasprache, darunter Biblische Geschichte, Katechismus und Gesangbuch, sowie ein Lesebuch für fortgeschrittene Schüler. Auf der Missionspresse in Oniipa wird auch ein Sonntagsblatt unter dem Titel "Osondaha" in einer Auflage von 300 Exemplaren hergestellt.

Wie das Christentum allmählich in immer weitere Kreise dringt und das Volk auch in kultureller Hinsicht fördert, sieht man aus der Tatsache, dass die einst fast nackt gehenden Ovambo sich als Christen schon an ein gewisses Maß von Kleidung gewöhnt haben. Die Missionare legten ihnen nicht nur die Notwendigkeit dar, sondern leisteten auch praktische Hilfe dabei. Zuerst wurde ein mit nach Finnland genommenes Ovambomädchen dort im Weben unterrichtet, später aber rief man geradezu Lehrerinnen fürs Spinnen und Weben aus der finnischen Heimat. Sie haben eine Handarbeitsschule eingerichtet; die Missionare aber waren dafür besorgt, dass die Eingeborenen den Anbau der Baumwolle kennen und pflegen lernten, um das Rohmaterial im Lande erzeugen zu können.

Es mag hier noch ein großes Tauffest Erwähnung finden, das viel Aufsehen im Lande machte. Es ward im Dezember 1901 in Oniipa veranstaltet. In der dortigen Kirche versammelten sich nicht weniger als 88 Täuflinge, darunter zwei Jünglinge aus fürstlichem Stamm, Neffen des Königs Kambonde. Viele Hunderte strömten zu der Feier zusammen, darunter Häuptlinge und andere Vornehme des Landes. Sie konnten sich kaum in den Gedanken finden, dass auch Fürstenkinder sich taufen ließe», weil sich bisher meist nur geringe Leute dem Christentum zugewendet hatten.

Die neueste uns vorliegende Statistik der finnischen Ovambo-Mission (vom Beginn 1903) zählt fünf Hauptstationen (Olukonda, Oniipa, Ondangua, Ontananga und Onajena), 15 Nebenplätze, 1.235 eingeborene Christen und 1.096 Schulbesucher. Zu ihrer Pflege sind acht Missionare, vier europäische Lehrerinnen und 39 eingeborene Lehrer da. Eine bei Beginn des Jahres 1904 in Swakopmund eintreffende Reisegesellschaft, die Verstärkung brachte, musste bisher dort bleiben, um das Ende des Hererokriegs abzuwarten.

Auch die Rheinische Mission hat sich neuerdings den Ovambo zugewandt. Sie hatte schon beim Eintritt der Finnländer die Möglichkeit dazu vorgesehen und die nordöstlich vom finnischen Arbeitsfeld wohnenden Ovakuanjama, einen der stärksten Ovambostämme, ins Auge gefasst. Im Jahre 1891 ward das Gebiet besetzt, von dem allerdings anzunehmen sein dürfte, dass es bereits in den Bereich der portugiesischen Interessensphäre gehört. Nachdem kurz nacheinander zwei Niederlassungen in Ondjiva und Omupanda errichtet waren, wo das Werk unter der Gunst des Häuptlings Uejulu einen guten Anfang nahm, trat bei Beginn des neuen Jahrhunderts Namakunde als 3. Station hinzu. Das Volk zeigt ein überraschendes Entgegenkommen. Besonders erschwerend aber wirkt das gefährliche Klima, dem schon eine ganze Reihe junger Brüder zum Opfer gefallen ist. Nicht unbedenklich ist auch die Nachbarschaft einer katholischen Gegenmission, die im Einvernehmen mit der portugiesischen Kolonialbehörde vorgeht, um den deutschen Politikern das Anrecht an das Land der Ovakuanjama streitig zu machen. Konfessionelle Zusammenstöße hat es aber noch nicht gegeben. Die Zahl der in der Rheinischen Mission Getauften geht über das erste Hundert hinaus, die der Schüler ebenfalls.

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Anmerkung

Jakob Diehl was born on 08.08.1878 at Schwalbach in Germany. He was a construction technician employed by the Rheinische Missionsgesellschaft. He came to Namibia in 1901.
Quelle: http://www.klausdierks.com/Biographies/Biographies_D.htm

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