Pfarrer Lorenzkirch

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Pfarrer in Lorenzkirch

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Inhalt

Vom Leben und Wirken der Lorenzkircher Pfarrer des 18. und 19. Jahrhunderts
Vorträge von Gottfried Müller am 24.08.1996 und 22.08.1998 in Lorenzkirch


Georg Heinrich Sappuhn - Ein Wanderer zwischen den Kulturen
Vortrag von Klaus Beiler am 14.08.2010 in Lorenzkirch

Georg Heinrich Sappuhn
Auszug aus Johann Georg Eck

Georg Heinrich Sappuhn: Historische Nachricht von dem Lorentzkircher Kirchspiel
Visitationsbericht des Pfarramtes. Lorenzkirch 1716 (Orginal-Kopie im Grossenhainer Archiv der Superintendentur und deren Abschrift im Kirchenarchiv von Lorenzkirch)

Georg Heinrich Sappuhn – Wikipedia


Carl Paul - Leben und Werk
Vortrag  von Hans-Peter Große am 25.08.2001 in Lorenzkirch

Erinnerung an den Lorenzkircher Pfarrer und Leipziger Missionsdirektor Dr. Carl Paul
Vortrag von Jobst Reller am 20.08.2011 in Lorenzkirch

I. Eine Einleitung geben,
II. an ihn erinnern in Form eines Lebensabrisses,
III. Carl Paul's Größe, aber auch Grenze zu beschreiben suchen,
IV. Carl Paul und die Mission unter Muslimen bedenken und
V. einen kurzen Schluss formulieren.

 Pfarrer in Lorenzkirch seit der Reformation

 Links


 Georg Heinrich Sappuhn

Auszug aus Johann Georg Eck: Leben des Friedrich Immanuel Schwarzens, 1787, Fußnote auf Seiten 5 bis 7.
Großvater von Friedrich Immanuel Schwarz war Heinrich Sappuhn

Kirche von Lorenzkirch 2003Sappuhn war ein merkwürdiger Mann, als dass er hier bloß genannt werden könnte, zumal da selbst in Büchern, die sonst sorgfältig die Lebensumstände der sächsischen Prediger erzählen, seiner gar nicht gedacht wird. Er war zu Heilsberg im Stifte Ermeland in Polnisch-Preußen (jtzt Westpreußen) 1660 geboren. Nachdem er auf dem Gymnasio zu Rösel und nachher auf der Universität zu Königsberg Theologie studiert, ging er um sich eine gründliche Kenntnis der Polnischen Sprache und Geschichte zu erwerben, nach Cracau, und von da nach 2 Jahren, weil die Pest die Studierenden zerstreute, nach Schekoczin , einer Stadt an der Schlesischen Gränze, wo er von der adeligen Familie Koryczinski als Hauslehrer angenommen wurde. Hier lernte ihn der Graf Zebrydowky kennen, der ihn dem Rathe und der Bürgerschaft zu Kirchdorf in der Grafschaft Zips, zum Prediger empfahl. Er war 19 Jahre alt, als er diesen Ruf erhielt und dazu in Caschau ordiniert wurde. Nach drei Jahren wurde er als Diaconus an der deutschen Kirche und Professor am Gymnasio nach Eperies berufen. Hier gerieth er bey den damaligen bürgerlichen und Religionsunruhen in Ungarn, in grosse Lebensgefahr. Eperies wurde belagert, erobert, und die freye Religionsübung der Evangelischen gehindert. Drei Jahre hatte er hier gelehrt, als ihm 1685 nach seiner am Reformationsfeste gehaltene Predigt von einem vornehmen Officier gerathen wurde, schleunig zu entfliehen, wenn er sich nicht der grössten Lebensgefahr aussetzen wollte. Er verließ also das Seine und ging mit seiner Ehegattin, mit der er erst seit 16 Wochen verheuratet war, und einem zweyjährigen Stiefkinde, ins Exilium. Sachsen, welches mehrere seiner Landsleute wohl aufgenommen hatte, wurde seine Zuflucht, und bald sein zweytes Vaterland. Nachdem er sich in Leipzig eine kurze Zeit aufgehalten, verlangte ihn der damalige Superintendent zu Meissen D. Zimmermann, ein geborener Ungar, zu sich. Hier predigte Sappuhn in der Domkirche, wo er einem seiner Zuhörer, Hanß Siegmund von Pflug auf Kreynitz, so wohl gefiel, dass er ihn sogleich zum Pfarramte nach Lorenzkirch berief. Er hat diesem Amte 34 Jahre vorgestanden und ist 1721 mit dem Nachruhme wahrer Frömmigkeit, grosser Geschicklichkeit (welches sein Briefwechsel mit Schurzfleisch, und seine schönen lateinischen Gedichte, die er im Manuscripte hinterlassen, beweisen) und unermüdlicher Amtstreue, gestorben.

Sächsische Landes- Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB),
Signatur: Biogr. erud. D.5421
Für die Abschrift des Orginaltextes:  Klaus Beiler,  07.06.2007

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Vom Leben und Wirken der Lorenzkircher Pfarrer des 18. und 19. Jahrhunderts

Vortrag von Gottfried Müller  am 24.08.1996, 1. Teil

In früheren Zeiten, d.h. bis gegen Ende des 2. Weltkrieges, begrüßten große Ölgemälde mit Darstellungen zweier ehrwürdiger Lorenzkircher Pfarrer (in Lebensgröße) die Besucher des hiesigen Pfarrhauses. Diese Bilder nahmen in den Kriegswirren des Jahres 1945 - wie so vieles andere - schweren Schaden; das eine ging damals gänzlich zugrunde, das andere aber wurde derartig ruiniert, das man es nun nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen kann - es sei denn, es würde einer aufwendigen Restaurierung unterzogen. Das letztere Bild zeigt den Pfarrer Zacharias Wagner, der von 1665 bis 1686 in Lorenzkirch amtierte. Auf dem verlorengegangenen1 aber war der Pfarrer Georg Heinrich Sappuhn dargestellt, der Nachfolger des 1686 verstorbenen Zacharias Wagner. Und noch ein weiteres altes Pfarrerbild war in früheren Zeiten hier in Lorenzkirch zu besichtigen, nämlich in der Kirche an der sog. Predella, d. h. dem unteren Querstück des Flügelaltares, der heutzutage hier dicht neben der Kanzel zu sehen ist Gestaltet wurde dieser Flügelaltar während des 16. Jahrhunderts, und zwar in der Zeit des Pfarrers Christoph Stark. Nach einer Notiz in den Pfarramtsakten war auf der Predella "wahrscheinlich ... sein Porträt“ wiedergegeben.2 Stark verstarb um das Jahr 1585. Leider wurde diese Predella (also der untere Querteil des Flügelaltares) irgendwann aus der Kirche entfernt.

Ich kann Ihnen also die eben genannten Pfarrer nicht mehr im Bilde vorführen, So möchte ich versuchen, Ihnen aufgrund schriftlicher und mündlicher Überlieferungen einiges vom Leben und Wirken früherer Lorenzkircher Pfarrer zu erzählen, und will mich dabei auf Sappuhn, Heynic und Simeon Fürchtegott Paul konzentrieren.

Georg Heinrich Sappuhn

Im März des Jahres 1687 trat Georg Heinrich Sappuhn in Lorenzkirch seinen Dienst an. Eigenhändig tätigte er im Taufbuch3 die Eintragung "Der Anfang ist gemacht, Mense Martio, nach dem Sonntag Oculi ..., an welchem ich meine Einzugs - Predigt gehalten habe“. Am Sonntag Jubilate aber wurde er durch dafür zuständigen Großenhainer Superintendenten Gottfried Meisner in sein Amt eingeführt.

Grabstein von Georg Heinrich SappuhnAllerdings traf Sappuhn missliche Verhältnisse an. Er berichtet, dass am 13. Juli des vorangegangenen Jahres (also 1686) die Schule wie auch der Kirchturm abbrannten. Drei Tage danach war unter dem Eindruck der Brandkatastrophe der Amtsvorgänger - wir kennen ihn bereits, also der Pfarrer Zacharias Werner - verstorben, der zuvor schon längere Zeit hindurch an der Schwindsucht krank darniedergelegen hatte Bei diesem Brand fielen die Glocken vom Kirchturme - es waren damals deren zwei - und zerschellten. Doch griff das Feuer nicht auf das Kirchenschiff über. Sappuhn schreibt: "Durch Gottes gnädige Hilfe mit fleißiger Anstalt und Gegenwehr der sämtlichen Einwohner und Benachbarten“ konnte das Gotteshaus gerettet werden. Allerdings muss er sofort von einem weiteren Brandschaden berichten "Hiernebst ist der Nachwelt nicht zu verhalten, dass unter währender Reparation des Thurmes das Pfarrhaus in Brand geraten und nebst allen Umgebäuden in die Asche gelegt worden ist, am 18. Januar abends zwischen 8 und 9 Uhr ... 1687.“4 An anderer Stelle aber schildert Sappuhn die Hergänge im einzelnen. Verursacht worden sei das Feuer durch eine Unvorsichtigkeit der Ehefrau des Lehrers, als sie dabei war, für sich das Wochenbett aufzuschlagen (sich also auf eine Entbindung rüstete). Deren Ehemann aber - er trug den Namen Adam Raff - habe, um sich persönlich zu bereichen, vom Material der zerborstenen Glocken eine erhebliche Menge, nämlich etwa einen Zentner, heimlich beiseite gebracht und unter dem Altartritt verborgen, wurde aber dabei von einem Zimmermann ertappt und daraufhin gerichtlich belangt. "Er bekam auf Erkanntniß des Schöppenstuhles in Leipzig den Staupbesen und wurde des Landes auf ewig verwiesen.“5 Ja man verdächtigte den armen Schullmeister Adam Raff einige Monate später, dass er am Abend jenes 18. Januar aus Rache für die ihm angetane Schmach das Lorenzkircher Pfarrhaus angezündet habe, und nahm ihn nochmals scharf heran, vemochte ihm aber nicht zu überführen.6 Was aber seine Frau damals oder später im Zusammenhang mit diesen bösen Dingen durchzustehen hatte, darüber schweigen die Akten.

All das war geschehen, ehe Sappuhn in Lorenzkirch seinen Dienst begann. Er hatte sich also sofort um Baufragen zu kümmern. Zwar waren wohl während der Pfarrvakanz Kirchturm und Schulhaus bereits weitgehend rekonstruiert worden. Das Pfarrhaus aber sowie die dazugehörenden Wirtschaftsgebäude lagen noch in Schutt und Asche. Man entschied sich damals für einen völligen Neubau des Pfarrhauses. Es darf angenommen werden, dass Sappuhn bei Entwurf und Durchführung dieses Unternehmen eigenste Vorstellungen einbrachte. So entstand dann in seinem ersten Dienstjahr das Pfarrhaus in der uns vertrauten Gestalt. Dem wenn auch inzwischen im Inneren des Gebäudes einige Veränderungen vorgenommen wurden, so blieb es doch im wesentlichen über 300 Jahre lang unversehrt erhalten.7 Immer wieder priesen dessen Bewohner oder auch zugereiste Gäste seine Zweckmäßigkeit, seine Würde, seine Schönheit.

Sappuhn war, als er 1687 im Alter von knapp 27 Jahren in Lorenzkirch Einzug hielt, alles andere als ein unerfahrener Anfänger. Vieles hatte er zuvor erfahren, erlebt und erlitten. Geboren war er am 15. Juli 1660 in der Stadt Heilsberg in Ostpreußen, wuchs unter den Bewohnern der Weichsellandschaft auf, studierte dann in Krakau Theologie und erhielt bereits 1680 - also mit 20 Jahren - eine Anstellung als evangelischer Prediger in Eperies, einer Stadt in der Slowakei (damals und späterhin zu Ungarn gehörig). Hier hatte er es wohl vorrangig mit Deutschen zu tun, gewiss aber auch mit Evangelischen slowakischer oder ungarischer Nationalität.8 Für das Jahr 1685 ist er als Professor der Rhetorik bezeugt.9 Sappuhn muss ein sehr sprachkundiger Mann gewesen sein. Das kam ihm späterhin auch in Lorenzkirch sehr zustatten, da hier viele Reisende aus Ost- oder Südosteuropa die Elbe passierten. Wir werden darauf noch einzugehen haben. Auch einer seiner Söhne - er trug wie der Vater die Vornamen Georg Heinrich - verstand sich auf diverse Fremdsprachen. In einer Eintragung in Dokumenten der Schule zu St. Afra in Meißen, die er von 1703 bis 1709 besuchte, heißt es von diesem Sohn: " ... ist wegen seiner Erfahrenheit in der Türkischen Sprache von dem Großsultan mit dem Prädikat eines 'Türkischen Rates' begnadet worden“10. Wie lange der Vater in Eperies tätig war, wissen wir nicht genau Jedenfalls geriet er in die Mühlen der Gegenreformation und wurde vertrieben. 1685 soll er aus Oberungarn ausgewiesen worden sein.11 Er wusste also darum, was es bedeutet, um seines Glaubens willen verfolgt zu werden. Eine Station seines weiteren Weges war Prag12, eine andere vielleicht der südosteuropäische Kriegsschauplatz.13 Jedenfalls berief ihn ein sächsischer Heerführer, der an den Kämpfen gegen die Türken aktiv beteiligt war, in das Lorenzkircher Pfarramt. Es handelte sich um Hans Siegmund Pflugk, seiner Churfürstlicher Durchlaucht zu Sachsen Kammerherr und Trabantenhauptmann (mit diesem Wort wurde er als Offizier der kurfürstlichen Leibwache tituliert14 nicht etwa als ein Experte für die im zwanzigsten Jahrhundert höchst bekanntgewordene Automarke; vgl. dazu Joh. Christoph Adelung / s.u. Bd. 4, 1801). Er war Besitzer des Rittergutes Kreinitz und damit Kirchenpatron für Lorenzkirch samt Kreinitz und Jacobsthal. "Hanns Siegmund Pflug hat ihn (also den Georg Heinrich Sappuhn) nach zweijährigem Exilis (Flüchtlingsdasein) zum Pfarrer und Seelsorger von Lorenzkirch und Kreinitz berufen.“15 Zwischen beiden Männern entwickelte sich offenbar eine besondere Verbundenheit. Nicht selten werden sie miteinander Gespräche geführt haben, sei es im Kreinitzer Schloß, sei es im Lorenzkircher Pfarrhause, oder wo immer sie sich begegneten. Mag sein , dass sie dabei Kaffee tranken. Denn im Zusammenhang mit den Türkenkriegen des ausgehenden 17. Jahrhunderts erfuhr man in Mittel- und Westeuropa vom geheimnisvollen Türkeintrank und probierte ihn mit Neugierde und Lust.16 In mündlicher Familienüberlieferung wird bekundet, dass Pfarrer Georg Heinrich "Sappuhn den Kaffee nach Sachsen gebracht habe, weil er ihn bei den Türken kennen lernte“ (so die Kopie eines Briefes, den Pfarrer Hänsel am 09.02.1975 an cand. theol. Stephan richtete; aufbewahrt im Pfarrarchiv, Loreitzkirch. Hänsel beruft sich dabei auf eine Mitteilung von Pfarrer Jochen Müller / Sadisdorf). Jedenfalls gelangte damals manches Außergewöhnliche nach Lorenzkirch. So stiftete jener Trabanthauptmann für die hiesige Kirche aus seiner Kriegsbeute, welche ihm 1683 beim Sieg über das türkische Heer vor den Toren der Stadt Wien zufiel, ein orientalisches Gewand, das zu liturgischen Zwecken umgearbeitet wurde (wichtigste Quelle dazu die Leichenpredigt Sappuhns für Hans Siegmund Pflugk).17 Bemerkt sei auch, dass Pfarrer Sappuhn seinem lieben, verehrten Kirchenpatron am 12. Februar 1711 die Leichenpredigt hielt (dieser war am 24. Dezember 1710 in Dresden verstorben und wurde in der Kirche zu Kreinitz beerdigt).18

Sappuhn war offensichtlich ein sehr tüchtiger Pfarrer. Nicht nur dass er Sonntag um Sonntag in den drei Gotteshäusern des Kirchspiels predigte und wohl monatlich mehrmals Abendmahlsgottesdienste hielt, die Kinder, die geboren wurden, taufte, die Trauungen vornahm und die Verstorbenen zur Ruhe geleitete, sondern dass er - gegründet im biblischen Wort - auf die Menschen zuging, die ihm anvertraut waren, sie zu verstehen vermochte und an ihren Beschwernissen mittrug. Dies bezeugt die ausführliche "Historische Nachricht von dem Lorentzkircher Kirchspiel“, die er 1716 auf Anforderung des Dresdner Konsistoriums auf Papier brachte und die bis 1945 zu den Schätzen des Lorenzkircher Pfarrachives zählte. Doch ist es für uns sehr tröstlich, dass Heinrich Ruppel in seinem Werk über Strehlas Vergangenheit im 2. Bande über sechs Druckseiten lang eine ausführliche Inhaltsangabe des inzwischen verschollenen Dokumentes bietet (S. 279 - 286), Auch Otto Eduard Schmidt19 und andere20 zitierten fleißig aus Sappuhns "Historischer Nachricht“. So ist uns diese wichtige Geschichtsquelle zugänglich geblieben.

Sappuhn hatte einen Blick dafür, unter welch schweren Bedingungen viele Leute, die zu seinem Kirchspiel zählten, ihr Dasein fristeten. Er schreibt, "Sie nähren sich (von) ihrer Tage Arbeit (d. h. als Tagelöhner) und ziehen als Schiffsgehülfen, womit sie bey blutsaurer Arbeit sich und die Ihrigen versorgen“21 (Zitat aus Kirchengalerie s.o. Sp. 382 sowie O. E. Schmidt Bd. 3. S. 165). Er meint mit dem Ausdruck " Schiffsgehülfen " die Bometscher, die gruppenweise unter Beachtung bestimmter Ordnungen und Bräuche mit ihrer eigensten Körperkraft die die Elbe befahrenden Lastkähne stromaufwärts zogen und damit eine geregelte Schifffahrt ermöglichten. Sappuhn weiß um deren "blutsaurer Arbeit“ und verwendet diese Ausdrucksweise in seinem an die oberste Kirchenbehörde adressierten Bericht. Er schreibt weiter von den Nöten der Einwohner seines Kirchspiels bei Hochwasser, in Winterszeiten meist verbunden mit verheerendem Eisgang. So berichtet er davon, dass "das Rittergut Kreinitz im Jahre Christi 1611 bei aufgehendem Elbstrom durch schreckliche Ergießung des Ufers gänzlich ruinieret und weggeführet worden ..."; man baute es in einiger Entfernung wieder auf. Entsprechendes muss er von der Kreinitzer Kirche berichten: "Um eben dieser Ursache willen ist die an den Elbufern erbauete und durch öftere Ergießungen des Gewässers ganz untewaschene Kirche an den Ort versetzet, wo sie itzt noch stehet und von Grund aus neu erbauet worden.“22 Demgegenüber hatte Lorenzkirch, so müssen wir sagen, eine günstigere Position inne. Das parallel zum Flusslauf auf einer geringen Erhöhung erbaute und durch Dämme abgesicherte Dorf glich damals wie späterhin einem unsinkbarem Schiff, wem es auch nicht selten durch die Fluten der Elbe überschwemmt und arg beschädigt wurde. So schreibt Sappuhn: "Im Jahre 1645 ist der ganze Ort unter Wasser gesetzet worden, also dass das Vieh in die Kirche getrieben müssen werden, da man von Brettern auf die Kirchenstände Bahnen gemacht, dass es daselbst kümmerlich hat erhalten werden.“ Sappuhn betont aber auch "die Fruchtbarkeit des Landes“ und meint damit die zu Lorenzkirch gehörenden Ackerflachen und Wiesen. (Ergänzend ist hier bezüglich der Elbfischerei folgendes zu bemerken: Zwar war den Lorenzkirchern grundsätzlich nicht gestattet, auf der Elbe Fischfang zu betreiben, besaß doch die Strehlaer Fischerinnung bereits im Mittelalter entsprechende Privilegien,23 aber unter bestimmten Voraussetzungen durften sie dies offenbar in Nebengewässern des Stromes tun. So heißt es in einem "Erbregister des Rittergutes Kreinitz" vom Jahre 1679: "...dass bei fallendem Wasser im Loche zu Kreinitz zuerst der Herr (von Pflugk) fischen darf, darnach der Pfarrer von Lorentzkirch und die Bauern, so eigene Waten (Netze) haben"24). Weiter benennt er die wirtschaftlichen Vorteile, die sich für die Einwohner aus dem hier bei Lorenzkirch die Elbe querenden Handels - und Reiseverkehr ergaben sowie aus dem Jahr um Jahr stattfindenden Lorenzmarkt. Sehr anschaulich beschreibt er Lorenzkirch als Station des internationalen Straßenverkehrs: "Es gehet eine starke Passage durchs Dorf nach der Lausitz, Schlesien, Polen, Siebenbürgen, Moldau und Wallachey, wie denn über dasige Fähre oft an einer Leipziger Messe vierzig bis fünfzig Armenier und Griechen passieren, welche daselbst Waren einkaufen.“25 Ich kann mir gut vorstellen, dass der sprachkundige Pfarrer Sappuhn gern jede sich bietende Gelegenheit wahrnahm, um mit den ausländischen Kaufleuten über Gott und die Welt zu sprechen.

Sehr beachtlich sind für uns auch Sappuhns Ausführungen über den Lorenzmarkt, die ich aber aus Zeitgründen jetzt nur sehr verkürzt wiedergeben kann. Er schreibt,

"dass allhier auf der Viehweide der Markt gehalten wird, und worden zur Bequemlichkeit der Anwesenden grüne Laubhütten, wie auch Bretterbuden erbaut und schänket man auf dem Markttag unter allerhand Saitenspiel und Vocal - Musik der Berg - Sänger allerlei Biere ... (Sappuhn zählt zahlreiche Biersorten auf und fährt dann fort:) Am Elbufer schänket man auf den Schiffen Meißnischen Wein. Die meisten Waren, so hier verhandelt werden, sind Bretter, Latten, Schwarten, welche aus Böhmen hierher gebracht und am Strehlaischen Ufer Lorenzkirch gegenüber verhandelt werden, desgleichen Tischler - und Böttger - Waren in großem Überfluß, dass sich damit alle umliegenden Oerter reichlich versorgen können.“

Auch schreibt er davon, dass am zweiten Marktag für Handelsleute, Schausteller und Gäste ein besonderer Predigtgottesdienst gehalten werde, und bemerkt, dass anlässlich des Lorenzmarktes "viele umliegende Dörfer Kuchen backen, wie bei den höchsten Festivitäten des Jahres zu geschehen pflegt.“26 Diese Kuchen wurden gewiss nicht nur für den Eigenbedarf hergestellt, sondern zum überwiegenden Teil den scharenweise erscheinenden Gäste und Marktbesuchern angeboten. Dabei können wir Nachgeborenen den Gedanken nicht unterdrücken: dass Sappuhn wohl sehr bald schon dafür Sorge trug, dass jenen Leuten zum wohlschmeckenden sächsischen Kuchen gewisse Kostproben des feurigen, honigsüßen Türkentrankes gereicht wurden.

Soweit wir aus den Darstellungen Heinrich Ruppels und Otto Eduard Schmidts erkennen können, übergeht Sappuhn in seinem Bericht vom Jahre 1716 den beiden Markttagen vorgeschalteten Vieh- und Pferdemarkt, Dieser besondere Markt war damals noch relativ jungen Datums. Er wurde auf Ansuchen des Trabantenhauptmannes Hans Siegmund Pflugk, Herr über Kreinitz, Lorenzkirch und andere Ortschaften, am 20.12.1689 durch den Kurfürsten Johann Georg III. lizensiert, Der Text der Urkunde ist im vollen Wortlaut erhalten.27

Auf die diversen kirchengeschichtlichen Notizen und Erwägungen Sappuhns hier und jetzt einzugehen, muss ich mir aus Zeitgründen versagen, so beachtenswert und interessant sie auch sein mögen. Jedenfalls bietet Sappuhns Bericht von anno 1716 eine reiche, geschichtsträchtige Fracht.28

Erwähnt werden aber soll eine wissenschaftliche Abhandlung, die Sappuhn in lateinischer Sprache ausarbeitete und im Jahre 1713 publizierte. In ihr untersucht er die Sprache und Geschichte der Phönizier, also des berühmten orientalischen Händlervolkes, das von Palästina ausgehend sich im Mittelmeerraum diverse Niederlassungen schuf (die wichtigste war Carthago) und den Römern - besonders von Cartago aus - des Fürchten lehrte. Sappuhn stellte in dieser Abhandlung eigene Theorien auf. Als ich sie vor einigen Tagen in die Hand bekam und durchblätterte, spürte ich viel von Sappuhns großer Belesenheit und Gelehrsamkeit, seine außergewöhnlichen Kenntnis diverser Fremdsprachen, seiner Leidenschaft, die Horizonte denkerisch zu weiten (in Anm. ist von mir der genaue Titel zu benennen).

Ganz dazu passt auch die Nachricht, dass Sappuhn mit dem frommen und zugleich universalistisch denkenden Hallenser Kirchenmann August Hermann Francke korrespondierte. Einzelheiten dazu sind noch zu ermitteln

Ja, gern hörte ich Sappuhns Urteil zu mancherlei aktuellen Fragen jener Zeit, beispielsweise zum fadenscheinigen Konfessionswechsel Augusts des Starken, zu dessen gigantischer Verschwendungssucht, zu dessen Missachtung der Moral - oder zu Fragen der großen Politik, - oder zu den philosophischen und theologischen Entwicklungen seines Zeitalters - und vieles andere mehr. Doch sein Mund schweigt. Der besondere Klang seiner Stimme, der gewiss auch in späteren Jahren noch die ostpreußische Herkunft verriet, ist nicht mehr zu hören, Dies aber ist deutlich, dass Georg Heinrich Sappuhn zu den bedeutenden Leuten der Lorenzkircher Vergangenheit wie überhaupt der sächsischen Geschichte zählt. Er starb am 1. Mai 1721 im Alter von 60 Jahren und wurde auf dem Friedhof zu Lorenzkirch begraben.29

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Christian Gotthelf Heyme

Christian Gotthelf HeymeAus der Reihe seiner Nachfolger seien heute nur zwei Männer hervorgehoben. So erbitte ich nun Ihre Aufmerksamkeit für Christian Gotthelf Heyme. Nach seinem Studium war er zuerst (von 1807 bis 1820) als Lehrer in der Stadt Belgern tätig, danach (von 1820 bis 1824) als Pfarrer in der Kirchgemeinde Spansberg. 1824 erhielt er die Pfaffstelle in Lorenzkirch und blieb hier bis zum Jahre 1853 im Amte. Aus seiner Feder stammt der große Bericht über die Kirchgemeinden Lorenzkirch, Kreinitz und Jacobsthal, der 1841 im 7. Band der Sächsischen Kirchengalerie veröffentlicht wurde. In diesem Bericht sind starke sprachwissenschaftliche und historische Interessen des Autors erkennbar, in erster Linie aber sein persönliches Engagement für die ihm anvertrauten Gemeinden. Auch er muss von mancherlei Plagen berichten, denen die Lorenzkircher ausgesetzt waren. Immer wieder traten die Fluten des Elbstromes über die Ufer und bedrohten Leib und Leben der Menschen So schreibt er u.a.: "Die Kirche wird bei Überschwemmungen nicht selten tief unter Wasser gesetzt. 1784 ging das Wasser weit über den Altartisch, 1799 bis oben auf den Kanzeltritt; eben so bis auf die oberen Stufen in den Jahren 1824 im Sommer; 1828, 1834 und 1841“ (S. 183). Das Pfarrhaus sei "nicht massiv, aber geräumig, mit hübschem Hof und Gatten, nur alles der öfteren Überschwemmung ausgesetzt, worin man sich zu schicken hat“ (S 184). So hatten sich die Lorenzkircher in vieles zu schicken, zugleich aber gilt, dass sie sich als einzelne oder gemeinschaftlich gegen viele Widrigkeiten zur Wehr setzten. Und doch waren sie vergleichsweise besser dran als etwa die Einwohner des nur wenige Kilometer flussaufwärts gelegenen Dorfes Gohlis. Zu Lorenzkirch zählten fruchtbare Äcker und Wiesen, um Gohlis hingegen dominierte der Sand. So schreibt der damalige Gohliser Pfarrer von seinen Gemeindegliedern: "Diese sind bei der geringen Ergiebigkeit des meist sandigen Bodens und bei der schlechtlohnenden Schifferarbeit, wovon sich die meisten Häusler ernähren, mehr unbemittelt als bemittelt" (Kirchengalerie Bd. 7 S. 64). Und gewiss warf auch der alljährlich stattfindende Lorenzmarkt für die hier Ansässigen einen nicht geringen Gewinn ab. Zwar flaute im Zusammenhang mit dem Bau der von Leipzig über Riesa nach Dresden führenden Eisenbahn der Warenverkehr auf der Hohen Straße merklich ab, so dass der Elbübergang bei Lorenzkirch seine wirtschaftliche Bedeutung weithin einbüßte, doch der Lorenzmarkt florierte nach wie vor. Laut einer im Jahre 1835 getätigten Eintragung im Lorenzkircher Kirchenbuch fanden sich damals 80 Leineweber, 125 Tuchmacher, 180 Schnittwarenhändier, 300 Schuhhändler, 50 Bierschänker, 25 Zwiebelleute, 40 Backwarenhändler, 20 Pfefferküchler, 25 Obsthändler, 40 Burstenbinder und zahlreiche Vertreter anderer Branchen, die allesamt hier auf dem Lorenzmarkt ihre Waren feilboten (Ruppel Bd. 2 S. 272). So ähnlich verhielt es sich offenbar auch in den folgenden Jahren. Man bezeichnete all diese Händler damals und später mit dem Wort: "Fieranten“, einer Vokabel, die der italienischen Sprache entlehnt ist (Im Italienischen heißt der Markt bzw. die Handelsmesse "fiera“; vgl. Johann Christoph Adelung: Grammatisch - kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, 2. Teil Leipzig 1796 Sp. 148). Außerdem aber erschienen auf dem Lorenzmarkt diverse Schausteller, Possenreißer, Spaßmacher, Wahrsager, Quaksalber und Schartatane unterschiedlicher Nationalität und Qualifikation, um die Menschen kurzweilig zu unterhalten und ihnen auch Geld abzunehmen. Nicht vergessen werden dürfen die Viehhändler. Die Zahl des 1844 zum Lorenzmarkt gebrachten Viehs betrug 3206 Stück (Ruppel Bd. 2 S. 272). 1859 wurden 2900 Pferde und Rinder und 300 Schafe zum Verkauf angeboten (Neue Sächs. Kirchengal. Sp. 436). Es könnte auch allerhand berichtet werden von der Art und Weise, wie damals für den Besuch des Lorenzmarktes in den Zeitungen und anderen Publikationen geworben wurde. Am ausführlichsten geschah dies durch einen Schriftsteller namens Albert Reinhold, der den Lorenzmarkt auf 288 Druckseiten romanhaft verherrlichte; sein Werk erschien im Jahre 1854 in einem Zwickauer Verlag, (Herrn Conrad Weidner gelang es, per Fernleihe aus der Universitätsbibliothek München ein Exemplar dieses rar gewordenen Buches in die Hand zu bekommen und es vollständig zu fotokopieren).

Stich aus der alten sächsischen KirchengalerieBei Pfarrer Christian Gotthelf Heyme weckte das mit dem Lorenzmarkt verbundene Treiben gewiss nicht nur freudvolle Gefühle, sondern verursachte mitunter wohl auch Missbehagen Die Ärgerlichkeiten ragten offenbar bis in die eigene Familie herein. Eine mündliche Überlieferung besagt, dass sein Sohn Franz Gotthelf sich als Jugendlicher auf dem Lorenzmarkt mit ungarischen Pferdehändlern angefreundet habe und eines Tages auf eigene Faust - ohne viel zu fragen und zu sagen - mit diesen Leuten in die Ferne gezogen sei. Ob es sich so oder anders vielleicht auch erheblich anders zutrug, vermochte ich bislang nicht mit Eindeutigkeit zu ermitteln. Doch wanderte er tatsächlich in jungen Jahren nach Ungarn aus, betätigte sich dort in der Landwirtschaft, heiratete und brachte es zu beachtlichem Wohlstand. Seine in Ungarn ansässigen Nachkommen rühmen noch heute ihren aus Lorenzkirch stammenden Ahnherrn. Fraglich ist eben nur, in welchem Alter und unter weichen Umstanden dieser gen Ungarn aufbrach. (Interessant dazu ist die von seinem Vater im Lorenzkircher Taufbuch getätigte Eintragung, welche besagt, dass er - der Pfarrer Christian Gotthelf Heyme - am 29. Juli 1845 für seinen Sohn Franz Gotthelf einen "Geburtsbrief“ ausfertigte; leider aber unterließ es der Vater zu vermerken, zu welchem Zwecke der damals sechzehnjährige Sohn dies Dokument benötige; vgl. Taufbuch 1816 - 1844 / zum Jahr 1826 Nr. 3.)

Außer diesem Sohn (kein weiterer erreichte das Erwachsenenalter) hatten die Eheleute Heyme - also der schon oftmals genannte Pfarrer und seine Ehefrau Christophora Eleonora geb. Baltzer (gest. 1852) zwei Töchter. Die eine von beiden namens Auguste Sophie heiratete 1846 den Pfarramtskandidaten Simeon Fürchtegott Paul, der im gleichen Jahre in Lorenzkirch ansässig wurde, um hier in den kirchlichen Dienst einzutreten. Er wurde - wie man sich damals auszudrücken pflegte – "Substitut“ seines Schwiegervaters; in späterer Zeit sagte man stattdessen "Hilfsprediger“ oder "Pfarrvikar“ (vgl. ad vocem "Substitut“ Zedlers Universal - Lexikon! Hier exakte kirchenjuristische Bestimmungen aus dem 18. Jahrhundert), Nach sieben Jahren ging der Schwiegervater - er war inzwischen 69 Jahre alt geworden - in den Ruhestand. Er lebte - als Witwer angewiesen auf die Liebe der Kinder - weiterhin in der Lorenzkircher Pfarre, bis er am 29. 12.1872 im Alter von 88 Jahren starb und auf dem hiesigen Friedhof begraben wurde. Fast ein halbes Jahrhundert lang hatte er im Kirchspiel Lorenzkirch seine Begabungen und Fähigkeiten eingesetzt.

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Simeon Fürchtegott Paul

Simeon Fürchtegott Paul, 06.08.1814 bis 29.05.1890.Simeon Fürchtegott Paul war offenkundig eine sehr markante Persönlichkeit. Sein Sohn Carl, der 1887 sein Nachfolger wurde, bezeugt es in der Neuen Sächsischen Kirchengalerie (Sp. 434), dass bei seinem Vater "in seltener Weise die geistliche Würde mit praktischen Gaben“ verbunden gewesen seien. In dessen Amtszeit aber - also von 1846 bis 1887 - vollzogen sich auch im Kirchspiel Lorenzkirch mancherlei Veränderungen. Einige Erwerbszweige verloren an Bedeutung, dafür kamen andere auf. Vom Nachlassen des Warenverkehrs auf der Hohen Straße war schon die Rede. In diesem Zusammenhang ergaben sich auch für die Lorenzkircher wirtschaftliche Einbußen. Zu bedenken ist weiter, dass man in der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts nach und nach dazu überging, beim Warenverkehr auf der Elbe Dampfschiffe einzusetzen Damit aber wurden die Bometscher, d.h. die Schiffszieher, brotlos (wir hörten von ihnen bereits - aus dem Sappuhnschen Bericht vom Jahre 1716). Seit undenklichen Zeiten war ja die stromaufwärts gehende Schifffahrt durch menschliche Muskelkraft besorgt worden. Zugtiere waren dabei offenbar nicht oder nur selten eingesetzt worden. Auf den Treidelpfaden der Elbufer hatten gruppenmäßig aufeinander eingespielte Männer die Beförderung der Schiffe samt Frachten gegen die Strömung gemäß alten Bräuchen mit viel Geschick und Umsicht bewerkstelligt (vgl. dazu O. E. Schmidt Bd. 3 S. 165f und H. Ruppel Bd. 2 S. 255). Durch die Einführung der neuen Technik verloren nicht wenige Lorenzkircher ihren gewohnten Arbeitsplatz.

Doch es ergaben sich neue berufliche Aufgaben bei der von 1861 an intensiv betriebenen Flussregulierung, beim Dammbau und anderen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen (dazu Georg Stahr: Korrektion des Elblaufes, in: Riesaer Zeitung 1933 / bei mir in Mappe: Überschwemmungen). Andere Lorenzkircher fanden in neu entstehenden Riesaer Fabriken oder auch in Strehla Betätigungsmöglichkeiten. So konnte Carl Paul zu Anfang des 20. Jahrhunderts feststellen: "Wie die Lage des Kirchspiels, so steht auch die Bevölkerung im engen Zusammenhang mit der Elbe. Ein großer Teil ist bei der Schifffahrt und dem Uferbau beschäftigt ... Es mag etwa der dritte Teil der Bewohner sein, den der Beruf aufs Wasser führt. Ein zweites Drittel sitzt auf der väterlichen Scholle und baut das fruchtbare Auenland an, Die übrige Bevölkerung sucht Lohnarbeit in den nahen Städten Strehla und Riesa" (Neue Kirchengalerie Sp. 427).

An dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen werden, dass sich trotz aller Dammbauten und Baggerarbeiten (deren positive Bedeutung durchaus nicht in Abrede gestellt werden soll) die Elbe des öfteren im Sommer - wie im Winter mit ungeminderter Vehemenz über die Ufer trat und Mensch und Vieb gefährdete. Carl Paul schrieb 1901 im Hinblick auf Lorenzkirch: "Die denkwürdigsten Wasserjahre des letzten Jahrhunderts waren 1845, 1862, 1871 und 1890. Am gefährlichsten wird die Hochflut, wenn sie mit Eisaufbruch und Eisgang, wohl gar mit Eisstopfungen verbunden ist“ (Neue Kir. Gal. Sp. 437; ich will hier gegen Fügner Hochwasserkatastrophen, 1995 S. 44 polemisieren). Bei solchen Katastrophen mussten Gottesdienst und Schulunterricht ausfallen - es gab "Wasserferien“, wie man sich auszudrücken pflegte. Doch während in den Chroniken bezüglich anderer Elbdörfer oder auch -städte verschiedentlich davon berichtet wird, dass Menschen in den Wassersfluten ertranken oder Gebäude niedergerissen wurden, so habe ich - was Lorenzkirch anlangt - solche Hiobsbotschaften nicht vernommen. Man kam also das historische Lorenzkirch zu Recht mit einem unsinkbarem Schiff vergleichen, zwar haben es die Fluten häufig hart bedrängt, aber sie vermochten es nicht zugrunde zu richten.

Bereits Sappuhn bezeugt in seinem großen Bericht vom Jahre 1716, dass am zweiten Tage des Lorenzmarktes üblicherweise "in Versammlung einer großen Menge Volks eine Predigt gehalten“ werde (H. Ruppel Bd. 2 S. 284). Er meint also den Marktgottesdienst, zu dem besonders die Fieranten eingeladen waren. An diesem Brauch wurde festgehalten. Carl Paul schreibt: "Wenn der Jahrmarkt seinen Höhepunkt erreicht hat, wird das laute Treiben für einige Stunden unterbrochen Die Marktleute ziehen zur Kirche, wo ein besonderer Gottesdienst für sie veranstaltet wird“ (Neue Kir. Gal. Sp. 429). "Als Prediger werden in der Regel Männer mit besonderer Redegabe aus Nah und Fern herbeigezogen“ (ebdt. Sp. 436). So hielt beispielsweise beim Marktgottesdienst des Jahres 1912 Oberpfarrer Dr. phil. Georg Wilhelm Ruppel aus Radeburg die Predigt; er hatte dazu als Bibeltext aus den Sprüchen Salomos die folgenden Worte ausgewählt: "Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht, die Zucht und die Einsicht.“ (dazu als Lesungen Jak. 3, 13 - 18 und Jes. 55, 1 – 6 / Dies entnahm ich einem Aktenstück des Lorenzkircher Pfarrarchives, Aktenkasten 1). Dieser Marktgottesdienst wurde also stets hier im Gotteshaus gehalten. Nur einmal (soweit ich weiß) - nämlich im Jahr 1956 - wurde der Versuch unternommen, ihn hinaus auf die Elbwiese ganz in Nähe des Marktes zu verlegen, um Händlern und Schaustellern den Zugang zu erleichtern (und sie sozusagen der Schwellenlast zu entledigen). Doch der Rat des Kreises gab dazu keine Erlaubnis. So versammelte man sich hier in der Kirche, zumal am betreffenden Tage der Regen vom Himmel strömte. Die Predigt hielt der bekannte sächsische Pfarrer Helmut Wielepp (damals in Weinböhla ansässig, später in Moritzburg) über du Thema: "Was hat der Lorenzmarkt mit Gott zu tun?“ (vgl. Pfarrarchiv Aktenkasten 1; hier auch das Plakat, nit dem zu diesem Gottesdienst eingeladen wurde, erhalten).

Gern führte ich Zitate an aus Predigten oder Briefen des Pfarrers Simeon Fürchtegott Paul, um sein geistliches Wirken zu verdeutlichen, Doch besteht derzeit dazu keine Möglichkeit. Immerhin aber vermag ich davon zu berichten, was bezüglich seines irdischen Endes in der Familienbibel handschriftlich eingetragen wurde, nämlich dies: "Sein müder Leib ward in dem Sarge, den er sich selbst besorgt hatte, unter großer Anteilnahme am 2. Juni 1890 begraben, und zwar in ein gemauertes Grab an der Südseite der Kirche in Lorenzkirch, welches er sich schon seit Jahren bereitet hatte." Damit stimmt die Anekdote überein, die man sich später im Kreise seiner Anverwandten häufig erzählte. Er soll nämlich viele Jahre, bevor er dann tatsächlich starb, seinen Sarg haben anfertigen lassen. Der Tischler und dessen Gehilfe trugen ihn eines schönen Tages zur Tür des Pfarrhauses herein - zum größten Erstaunen der Anwesenden. Denn der Auftraggeber hatte sich ihnen gegenüber bis dato bezüglich dieser Sache ausgeschwiegen gehabt. Der Sarg wurde nun auf dem Dachboden des Hauses deponiert. Man erzählt weiter, dass Simeon Fürchtegott Paul sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den für seine Person gefertigten Sarg hineingelegt habe, um jeweils an diesem besonderen Ort über die nächste von ihm zu haltende Predigt nachzusinnen. Offensichtlich wollte er sich auf solche Weise vergegenwärtigen, welch große Verantwortung er für die ihm als Pfarrer anvertrauten Gemeindeglieder trage, die Verantwortung Gott gegenüber, vor dem er dereinst werde Rechenschaft ablegen müssen. Man erzählt sich auch, dass ab und an in Zeiten, da viele Gäste im Lorenzkircher Pfarrhaus einkehrten, einer der Anwesenden in diesem Sarg sein Nachtlager fand. Auch ist zu hören, dass man hin und wieder einen Teil der Apfelernte an diesem Ort, und zwar wohl in der Höhlung des Sargdeckels, unterbrachte.

Die Stürme der Zeiten gingen an dem alternden Pfarrer nicht spurlos vorüber. Dies verraten uns Inschrift und Bild seines Grabsteines Auf ihm ist das Bibelwort eingemeißelt "Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet“, darüber aber das Haupt Jesu Christi mit der Dornenkrone.

Das Schlusswort zu meinen Ausführungen aber soll Simeon Fürchtegott Paul haben. Zwei Jahre vor seinem Tode schrieb er die folgenden bekenntnishaften Sätze nieder, in welchen er seine tiefe Verbundenheit mit der heiligen christlichen Kirche und auch zugleich auch mit dem Lorenzkircher Gotteshaus stark zum Ausdruck bringt: "Seit Herbst 1887 emeritiert verbleibe ich nun bei meinen Kindern hier in der alten lieben Gemeinde in nächster Nähe dieser heiligen Stätte mit den Gräbern ringsum, bis ich auch zu den Vätern versammelt werde, dann will ich ruhen an deiner Seite, Mutter Kirche, mit kindlicher Freude. Du hast mir gesagt, ich bleib nicht hinieden, ich käme hinauf zum himmlischen Frieden. Es kann keine liebere Freundin als dich hier geben, du zeigst mir den Weg zum ewigen Leben“51

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Anmerkungen

1
Beschrieben von Cornelius Gurlitt in: Bau - und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Heft 27 u. 28, Dresden 1905 S. 173 und von Carl Paul in: Neue Sächsische Kirchengalerie, Ephorie Oschatz, hg. v. Georg Buchwald, Leipzig 1901 Sp. 434.

2
Vgl. auch Christian Gotthelf Heyme in Sachsens Kirchengalerie Bd. 7: Die Inspectionen Großenhain, Radeberg und Bischofswerda, Dresden o. J. (1842) S. 184.

3
Taufbuch Lorenzkirch 1644 - 1704, Eintragung vom Jahr 1687.

4
Pfarrarchiv Lorenzkirch, Aktenstück A II: Abschrift der Turmknopfeinlage des Pfarrers G. H. Sappuhn vom Jahre 1687.

5
G. H. Sappuhn: Historische Nachricht von den Lorentzkircher Kirchspiel, auf Anordnung eines Hochwohllöblichen Oberkonsistorii in Dresden, eingesendet im Jahr Christi 1716. Das bis in die Zeit um 1945 im Lorenzkircher Pfarrarchiv (Loc. II, Nr. 1) vorhandene Original ist leider verschollen. Auszüge daraus sind wiedergegeben bei Otto Eduard Schmidt: Kursächsische Streifzüge Bd. 3, Dresden 1924 S. 157 - 162 und Heinrich Gotthelf Ruppel: Aus Strehlas vergangenen Tagen Bd. 2, Strehla 1938 S. 279 - 286. Obiges Zitat nach Schmidt S. 158.

6
Schmidt S. 158 u. Ruppel S. 283.

7
Vgl. Paul S.431.

8
Zur Biographie G. H. Sappuhns vgl. O. E. Schmidt: Georg Heinrich Sappuhn, in: Neues Archiv für Sächsische Gesichte und Altertumskunde Bd. 28 (1907) S. 136f. sowie Schmidt S. 158f. und Ruppel S. 279f.

9
Für den am 18. 10. 1685 bei "Caschau in Oberungarn" gestorbenen "General - Wachtmeister und Obrist... Herzog zu Württemberg und Teck Georg Friedrich" gestaltete Sappuhn die deutschsprachige Fassung einer von "M. Schwarz, Johannes Professor pract. Log. et Phil. Coli. Illustr. in Eperies" in lateinischer Sprache geschriebenen Leichenpredigt; vgl. Katalog der Leichenpredigten und sonstigen Trauerschriften in der Hessischen Landes - und und Hochschulbibliothek Darmstadt, bearbeitet von Rudolf Lenz(Marburger Personalschriften - Forschungen Bd. 11, 1) S. 525. Sappuhn wird hier als "Professor Oratoriae" bezeichnet.

10
Vgl. Schmidt: G. H. Sappuhn (1907 / wie Anm. 8) S. 137. Im Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle sind zwei Briefe erhalten, in denen sich der Vater für seinen gelehrten Sohn einsetzt (Brief vom 28. 8. 1713 an August Hermann Francke, Signatur: AFSt /HC 817:24 sowie der vom 27. 10. 1714 an Prof. Christian Benedikt Michaelis zu Halle, Signatur: AFSt / H J 29:1). Er bittet Francke, dem Sohn in Halle eine Stelle als Dozent für modernes Hebräisch zu vermitteln, und erläutert dessen Bildungsweg; der Sohn habe "seine Studia auf der Meißnischen Landesschule angefangen ..., nachgehends hart er seine Studia in Wittenberg bis ins vierte Jahr continuiret, von denen ich ihn unlängst zurück berufen, weil meine wenigen mittel nicht zulänglich gewesen, ihn länger die ... kosten darzureichen." Im zweitgenannten Brief wendet sich Sappuhn sorgenvoll an Prof. Michaelis: "Es ist mein Sohn M. Georg Heinrich Sappuhn, ein Studiosus Theologiae vor ungefehr sechs wochen von mir abgereiset, weil (ich) nun seitt seiner abreise nicht die geringste zeile von ihm erhalten habe, auch nicht erfahren kann, wohin er sich müße begeben haben, ich aber vermuthe Er werde in Halle seyn", bittet er dringlich: "... mir die Christliche liebe zu erweisen, und ... mir mitt wenigen zeilen von ihm nachricht zu ertheilen ... Der brief kan über Leipzig auff die Poststation Sehrhausen addressiret werden auff mein porto ..." Er unterzeichnet sein Schreiben mit der Formulierung: "Georg. Henricus Sappuhn Pfarrer zur Lorentzkirch an der Elbe, gegen Strehla über gelegen." (Vgl. die Unterschrift des Briefes an Francke: "Georg. Henricus Sappuhn Pfarrer zur Lorentzkirch"). Als Autor einer wissenschaftlichen Abhandlung mit dem Titel: "Commentatio philologica ...", gedruckt zu Leipig im Jahre 1713, ist Georg Heinrich Sappuhn angegeben. Offenkundig handelt es sich um ein Werk des Sohnes (ein Exemplar dieser Schrift in der Universitätsbibliothek Leipzig, Signatur: Poet. lat. 306).

11
Ruppel S. 208.

12
Ruppel S. 280.

13
Schmidt S. 159.

14
Vgl. Johann Christoph Adelung: Grammatisch - kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Munart Bd. 4, Leipzig 1801 Sp. 634.

15
Ruppel S. 208.

16
Allerdings weiß Ulla Heise, die mit zahlreichen Publikationen zum Siegeszug des Kaffees vom Orient ins Abendland aufwartete, nichts über Einführung bzw. Heimischwerden des Kaffeetrinkens in sächsischen Gebieten außerhalb der Städte Leipzig und Dresden während der letzten Jahrzehnte des 17. und den ersten des 18. Jahrhunderts zu vermelden (Heise: Kaffee und Kaffeehaus. Eine Kulturgeschichte, Leipzig 1987; diess.: Drei Jahrhunderte Kaffeekultur in Deutschland. Dresdner Aspekte im 18. Jahrhundert, in: Ausstellungskatalog Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Porzellansammlung im Zwinger 1991: "Ey wie schmeckt der Coffee süße" S. 9ff.; diess.: "Süße muß der Coffee sein!" Drei Jahrhunderte europäische Kaffeekultur und die Kaffeesachsen, in: Ausstellungskatalog Stadtgeschichtliches Museum Leipzig 1994 S. 6ff.; diess. Kaffee und Kaffeehaus. Eine Bohne macht Kulturgeschichte, Leipzig 1996). Im letztgenannten Werk (vom Jahre 1996 S. 43) bekennt sie: "Wir wissen so gut wie nichts darüber, welcher Personenkreis zwischen 1600 und 1700 den Kaffee zu Hause genossen hat."

17
Aus dieser Leichenpredigt zitiert Ruppel S. 209. Vgl. auch Heyme (wie Anm. 2) S. 199 und C. Paul Sp. 430; Paul schmückte die Angelegenheit ein wenig legendär aus, wenn er schreibt: "Ein Ritter dieses Geschlechts, der mit ins Feld gezogen war, als die Türken vor Wien standen, hat als Siegestrophäe ein seidenes türkisches Zelt mit heimgebracht und der Kirche Lorenzkirch eine Altarbekleidung daraus fertigen lassen, die länger als ein Jahrhundert an die siegreichen Kämpfe des Christenheeres gegen die Ungläubigen erinnerte." (ebdt. Sp. 430).

18
C. Paul Sp. 388 und Ruppel S. 208 - 210.

19
Siehe Anm. 5!

20
So offenbar auch Julius Kleber: Chronik der Stadt Strehla und Umgegend, Borna und Leipzig 1909 S. 320.

21
C. Paul Sp. 382 und Schmidt S. 165. Ruppel S. 281.

22
Ruppel S. 281.

23
Ruppel S. 253 - 255.

24
Schmidt S. 157.

25
Ruppel S. 283.

26
Ruppel S. 284.

27
Kleber (wie Anm. 18) S. 320 und Ruppel S. 270f. Übrigens vermeldet Ruppel die im Jahre 1580 abgefasste Marktordnung als vermisst: "Im hiesigen Schloßarchiv war sie vorhanden" (S. 270).

28
So seine Erwägungen zum Ursprung des Lorenzmarktes (vgl. Ruppel S. 283) oder seine offenbar von Heyme später fortgeführten Reflexionen zur sprachgeschichtlichen Herkunft der Ortsnamen Kreinitz und Jacobsthal (Sächsische Kirchengalerie / wie Anm. 1 Sp. 385 u. 404; Ruppel S. 282 u. 285) usw.

29
Bei seiner Beerdigung wurde die Predigt zu 2. Tim 2, 12 gehalten. Seine Ehefrau überlebte ihn weit; sie verstarb 1744 im Alter von 80 Jahren. Eine der Töchter namens Charlotte Sophie heiratete seinen Nachfolger Johann Immanuel Schwartz, welcher von 1721 bis 1762 das Pfarramt zu Lorenzkirch innehatte. Vgl. Heyme S. 184.

30
Von Zschepa muss Heyme berichten: "1799 wurden 2 Häuser von Grund aus ganz (nämlich durch die Fluten der Elbe) mit fortgenommen." (S. 183) Hätten sich in Lorenzkirch ähnliche Dinge zugetragen, so wäre er gewiß in seiner Darstellung darauf eingegangen.

31
Kirchengalerie Bd. 7 (wie Anm. 2) S. 64.

32
Heyme bezeichnet Lorenzkirch als einen "Marktflecken" (S. 181). Schon Sappuhn kennzeichnete 1716 - unter Berufung auf Johann Conrad Knauth - den Ort mit dieser Begrifflichkeit (Ruppel S. 279). Auch Karl Gottlob Dietmann schrieb in seinem Werk: Die Priesterschaft im Churfürstenthum Sachsen Bd. 1, Dresden u. Leipzig 1752 S. 636 ausdrücklich vom "Marktflecken Lorenzkirch".

33
Ruppel S. 272, wohl nach Kleber (wie Anm. 18) S. 321. Für das Markttreiben sehr illustrativ Albert Reinhold: Der Jahrmarkt zu Lorenzkirchen. Volksgemälde, Zwickau 1854 sowie Carl Grunewald: Aus der Blütezeit des Lorenzmarktes. Nach dem Volksgemälde von Albert Reinhold, Strehla 1909.

34
Vgl. Adelung (wie Anm. 14) Bd. 2 (1796) Sp. 148: Der Fierant (dreysilbig) ... plur. die Fieranten, derjenige welcher eine Messe oder einen Jahrmarkt des Handels wegen besucht, ein Marktgast, Meßgast; aus dem Italiänischen Fierante, und dieß von Fiera, eine Messe, ein Jahrmarkt, daher die Ausdrücke Meß - Fierant und Markt - Fierant der ersten Hälfte nach überflüßig sind." - Kleber schreibt (S. 322): "Die Zahl der Marktfieranten vom Jahre 1835 belief sich nach fünfjährigem Durchschnitt auf 1.524 Personen."

35
Ruppel S. 272.

36
C. Paul Sp. 436.

37
Vgl. Anm. 31.

38
Vgl. Taufbuch 1816 -1844 / zum Jahr 1826 Nr. 3: "Geburtsbrief am 29. July 1845 hat No. 246."

39
So die freundlichen Mitteilungen des Herrn Dr. Litvai Elemer (Budapest) vom 2. 9. und 04.11.1996.

40
Vgl. Johann Heinrich Zedlers Großes Universal - Lexicon Bd. 39 Leipzig u. Halle 1744 Sp. 1589; hier auch tetailierte kirchenjuristische Angaben.

41
C. Paul Sp. 434.

42
Schmidt  S. 165f. und Ruppel S. 255.

43
Vgl. Georg Stahr: Korrektion des Elblaufes, in: Unsere Heimat. Blätter zur Pflege der Heimatliebe, der Heimatforschung und des Heimatschutzes (Beilage zum Riesaer Tageblatt) 6. Jg. vom 13. 5. u. 20. 5. 1933

44
C. Paul Sp. 427.

45
Ders. Sp. 437. - Abwegig erscheint uns die Darstellung Dieter Fügners bezüglich des schlimmen Hochwassers vom 28. bis 31. März 1845 zu sein, wenn er schreibt: "Mit großer Anstrengung rettete der Fährmann Klinger das Vieh der Dörfer Lorenzkirch, Zschepa und Gohlis auf das sichere andere Ufer" (Fügner: Hochwasserkatastrophen in Sachsen, Taucha 1995 S. 44). Kleber und Ruppel hingegen berichten von der wagemutigen Hilfsaktion des genannten Strehlaer Fährmanns und zweier anderer beherzter Männer bezogen auf die in Trebnitz "auf den Dachfirsten der Häuser Sitzenden" (seil, von den Wasserfluten bedrohten Menschen). Jene drei wurden daraufhin mit der Lebensrettungsmedaille ausgezeichnet ( Kleber S. 149 und Ruppel S. 263). Trebnitz liegt links der Elbe gegenüber von Kreinitz.

46
Ruppel S. 284.

47
C. Paul Sp. 429.

48
Ebdt. Sp. 436.

49
Dazu als Lesungen Jak. 3, 13 - 18 und Jes. 55, 1 - 6; vgl. Pfarrarchiv Lorenzkirch, Aktenkasten 1.

50
Vgl. Pfarrarchiv Lorenzkirch, Aktenkasten 1. Hier fand ich auch das Plakat mit der Aufschrift: "Was hat der Lorenzmarkt mit GOTT zu tun? Traditioneller Marktgottesdienst Donnerstag 9:00 Uhr auf dem Markt. Bei schlechtem Wetter in der Kirche".

51
Pfarrarchiv Lorenzkirch, Aktenstück II / Turmknopfeinlage vom Jahre 1888, dazu Beischrift aus der Hand des Pfarrers i, R. Simeon Fürchtegott Paul.

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Vom Leben und Wirken der Lorenzkircher Pfarrer des 18. und 19. Jahrhunderts

Vortrag von Gottfried Müller am 22.08.1998  im Gotteshaus zu Lorenzkirch, 2. Teil

Carl Paul

Carl Paul 1909 in LorenzkirchSo sei mit Carl Paul eingesetzt. Es klingt wie ein Märchen: Es waren einmal sieben Brüder und dazu eine Schwester namens Maria. Sie alle kamen in Lorenzkirch zur Welt, und zwar als die Kinder des Pfarrerehepaars Simeon Fürchtegott Paul und Auguste Sophie geb. Heyme und wuchsen hier in dieser Gemeinde auf. Der älteste und der vierte Sohn studierten Theologie, der zweite wurde Kriminalrat, der dritte General, der fünfte Forstmeister, der sechste Apotheker und Professor der Pharmazie, der siebente Großkaufmann in Bremen. Das viertälteste Kind aber war Maria. Sie stand der Mutter tüchtig bei und heiratete später den Pfarrer von Skäßchen namens Albert Pötzsch. Gewiss gäbe es zu einem jeden der Paulkinder1 viel zu erzählen. Doch will ich - ehe ich auf Carl Paul näher eingehen möchte - nur den außergewöhnlichen Lebensgang des ältesten ein wenig skizzieren.

Er wurde am 24. August des Jahres 1848 geboren und erhielt den Rufnamen Arndt. Hier in Lorenzkirch besuchte er vier Jahre lang Dorfschule, dann die Großenhainer Bürgerschule und von 1862 an das berühmte Gymnasium St. Afra zu Meißen. Nun zog er gen Leipzig, um Theologie zu studieren; er schien ganz und gar in die Fußtapfen des Vaters treten zu wollen. Doch dann kam es anders. Zwar legte er ordnungsgemäß die Examina ab und wurde - wie damals allgemein üblich - Hauslehrer. Anschließend aber war fast ein Jahrzehnt lang als Hilfslehrer an der Großenhainer Bürgerschule tätig, blieb Junggeselle und lebte in allergrößter Bescheidenheit und Dürftigkeit, da er sich in seinen freien Stunden den ärmsten Straßenkindern widmete und sein geringes Einkommen mit ihnen teilte. Um sie vom Herumstreunen, Betteln oder illegalem Beutemachen abzubringen, mietete er einen vor der Stadt gelegenen Acker und bestellte ihn während seiner Freizeit gemeinsam mit jenen mehr oder minder asozialen Kindern. Den Ertrag teilte er mit ihnen. Schließlich sorgten seine Geschwister dafür, dass er mit fast vierzig Jahren (im Jahr 1884) nach Bethel bei Bielefeld ging und dort in die Bruderschaft der Diakone eintrat. Sein Betätigungsfeld fand er nun bei den Epileptikern und Schwachsinnigen. Aus dem umfänglichen Nachruf, den ihm (nachdem er am 02.11.1918 in Bethel gestorben war) Pastor Gustav v. Bodelschwingh widmete, seien nur die folgenden Worte zitiert: ""Sein Wesen war leicht erregbar und zu Heftigkeiten, ja Grobheiten geneigt; aber das trat der Regel nach nur im Umgange mit gesunden Mitarbeitern zutage, während er den Schwachen und Kranken gegenüber stets ein zartes, mitleidendes Empfinden bewies. Seine Erhohlungsstunden benutzte er vor allem zum Studium der Werke Luthers, sowohl in deutscher wie in lateinischer Sprache ..." In seiner Stube türmten sich "Bücher, Musikalien, Atlanten und Stöße von alten Postkarten ... In diesem Durcheinander konnte es ihm wohl geschehen, dass ihm die Briefe seiner Mutter, an der er mit inniger Liebe hing, abhanden kamen. Er war sehr erregt darüber und glücklich, als er sie schließlich in all der Wirrnis wiederfand ..." usw. usw. Er hatte "den Weg der freiwilligen Armut gewählt" - so heißt es in dem sechs Druckseiten umfassenden Nachruf,2 aus dem ich zitierte und dessen Ablichtung ich gern einem jeden der hier Versammelten mit auf den Weg gäbe.3

So viel also zu Arndt Paul aus Lorenzkirch. Nun aber sollen Leben und Wirksamkeit des Pfarrers Carl Paul, dem fünften in der Reihe der Brüder, verdeutlicht werden. Am 04.02.1857 wurde er in Lorenzkirch geboren und wuchs hier auf. Gymnasiast wurde er in Leipziger Thomasschule. Zum Theologiestudium zog er nach Tübingen, kehrte aber nach einigen Semestern zurück nach Leipzig, um es hier zum Abschluss zu bringen. Danach betätigte er sich zwei Jahre lang als Hauslehrer in der Familie eines Bremer Großkaufmanns. 1882 bis 1884 gehörte er dem Predigerkollegium zu St. Pauli in Leipzig an. 1884 aber übernahm er das Pfarramt in Rothschönberg (in der Gegend von Meißen) und wechselte 1887 nach Lorenzkirch.4 Hier wirkte er die ersten Jahre an der Seite seines Vaters (dieser verstarb am 29.05.1890 in Lorenzkirch und wurde hier begraben). Aufschlussreich ist für uns die 1901 veröffentlichte Berichterstattung Carl Pauls zur Situation des Kirchgemeinde Lorenzkirch, zu der auch die Bewohner der Ortschaften Cottewitz, Zschepa und Kleinzschepa gehörten (um 1900 mit insgesamt 567 Seelen);5 hingegen bildeten die benachbarten Orte Gohlis (um 1900 hier etwa 760 Einwohner)6 und Kreinitz (um 1900 an die 600 Einwohner)7 samt Jacobsthal (hier um 1900 etwa 340 Einwohner)8 zu damaliger Zeit selbständige Pfarreien.9

Carl Paul beschreibt Lorenzkirch in diesem Bericht mit den folgenden Worten: "Es ist das am tiefsten gelegene sächsische Elbdorf. Seine Häuser bilden eine lange Reihe, die in gleicher Richtung mit dem Strom verläuft. Die gefährliche Nachbarschaft des zeitweilig wild entfesselten Elements zwang die Bewohner, zu gegenseitigem Schutze in einer Linie zu bauen. Von oben her gesehen nimmt sich das Dorf daher wie ein langes, schlankes Fahrzeug aus, zumal wenn die Flut bei Hochwasser bis an den Ort heranreicht. Der annähernd in der Mitte stehende Kirchturm ragt wie ein Mastbaum aus der Häuserreihe auf. Unmittelbar hinter den Gehöften, dem unkundigen Auge aus einiger Entfernung kaum bemerkbar, zieht sich der starke Hochwasserdamm hin. Das auf der Flussseite liegende breite Vorland ist mit herrlichen Wiesen bedeckt, die den Stolz ihrer Besitzer bilden. Hinter dem Dorfe liegen die Felder. Unmittelbar an diese schließen sich die Fluren der Rittergüter Cottewitz und Kreinitz an, mit deren Geschichte die Schicksale von Lorenzkirch aufs engste verflochten sind. Elbaufwärts liegen die eingepfarrten Orte Zschepa und Kleinzschepa, letzteres hart an Gohlis grenzend. Sie treten noch näher an den Strom heran, als der Kirchort.

Wie die Lage der Parochie, so steht auch die Bevölkerung im engsten Zusammenhang mit der Elbe. Ein großer Teil ist bei der Schiffahrt und dem Uferbau beschäftigt. Die beteiligten Männer sind in der Regel 9-10 Monate von Hause abwesend, nur die Zeit der Winterruhe bringen sie in der Heimat zu... Es mag etwa der dritte Teil der Bewohner sein, den der Beruf aufs Wasser führt. Ein zweites Drittel sitzt auf der väterlichen Scholle und baut das fruchtbare Aueland an. Die übrige Bevölkerung sucht Lohnarbeit in den nahen Städten Strehla und Riesa..."10

Auch die weiteren Ausführungen Pauls von 1901 sind sehr beachtenswert. Sie bezeugen große Sachkenntnis und Heimatliebe. An die drei Jahrzehnte später - wenige Wochen vor seinem Tode - drängte es ihn, nochmals sein Heimatdorf und besonders dessen Gotteshaus in einem Aufsatz zu schildern, den er unter der Überschrift: "Eine Wallfahrtskirche an der Elbe" veröffentlichte.11

Freundschaftlich verbunden war er dem bekannten Kulturhistoriker unseres Sachsenlandes, dem Meißner Gymnasiallehrer und Schulprofessor Otto Eduard Schmidt. Dieser besuchte bereits um die Jahrhundertwende und auch später (offenbar zu mehreren Malen) Lorenzkirch und ließ sich von Pfarrer Paul so manches erzählen.12 In der 3. Auflage seiner berühmten "Kursächsischen Streifzüge" geht Schmidt sehr ausführlich auf Lorenzkirch ein, ja gerät ins Schwärmen, wenn er vom Zusammensein mit Carl Paul schreibt.13 Letzterer begründete in seinem Heimatdorf ein Museum, das auch mich (als ich ein Kind war) faszinierte. Anderen wird es ähnlich ergangen sein. Leider ging es in den Wirrnissen des Jahres 1945 spurlos zugrunde. Erhalten blieb aber eine anschauliche Schilderung seiner Bestände. In diesem an sich kleinen, im Nebengebäude des Pfarrhofes untergebrachten Museum waren u. a. das Modell einer Schiffsmühle und charakteristische Austatattungsstücke alter Elbkähne zu sehen, dazu Handwerkszeuge der Fischer, alter dörflicher Hausrat, kirchliche Sehenswürdigkeiten wie Abendmahlskelche oder Leuchter, alte Münzen, rostige Waffen und anderes kriegerisches Gerät, nicht zu vergessen auch interessante Bilder und Schautafeln, so zum Thema der schlimmen Hochfluten, Eisgänge und Überschwemmungen.14

Doch schweifte der Blick des Lorenzkircher Pfarrers schon frühzeitig in die Weite. Bald fesselte ihn die Frage, auf welche Weise die biblische Botschaft zu den Ureinwohnern der deutschen Kolonialgebiete gelangen könne. So gründete er kurze Zeit nach seinem Amtsantritt in Rothschönberg einen "Missionskreis" für den Kirchenbezirk Meißen und schuf damit die Grundlage für die 1887 entstandene "Sächsische Missionskonferenz,"15 deren Schriftführer er wurde. Seine Urlaube verbrachte er damit, in Belgien, in Holland oder in England dortige missionarischen Bemühungen kennenzulernen. Im Lorenzkircher Pfarrhaus verfasste er diverse Schriften zum Thema der Mission in Übersee16 und galt um 1910 innerhalb Sachsens als der beste Sachkenner solcher Dinge. So kam es, dass er sein Pfarramt in Lorenzkirch aufgab. 1911 wurde er zum Missionsdirektor und damit zum Leiter der in Leipzig beheimateten Lutherischen Mission berufen und im folgenden Jahre auch zum "ordentlichen Honorarprofessor" für neuere Missionsgeschichte und Missionskunde an der Universität Leipzig ernannt. Bald reiste er nach Afrika und Indien, um die Missionsgebiete persönlich in Augenschein zu nehmen.17 Es ist hier nicht der Ort, von seiner weiteren Wirksamkeit zu berichten. Um seine Auffassung zu verdeutlichen, sei nur weniges aus seinem 1914 erschienen Buch: "Die Leipziger Mission daheim und draußen" zitiert: "Es "ist festzustellen, dass das Zusammentreffen von Mission und Kolonisation leicht Zusammenstöße und Erschwerungen mit sich bringt. Die Kolonialpolitik ist in ihrer Reinkultur eine ausgesprochene Egoistin. Die Mission stellt sich in einen ausgesprochenen Gegensatz zu solchen egoistischen Bestrebungen. Sie will aus den Kolonien für sich nichts holen; sie will etwas, und zwar hohes Gut, in überseeische Gebiete hinaus tragen..."18

Carl Paul besuchte, als er in Leipzig und später während des Ruhestandes in Schweta bei Mügeln wohnte, je und je sein Heimatdorf. Seinem Willen entsprach es, dass er hier am 13.10.1927 beerdigt wurde.19

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Friedrich Ruppel

2006Sein voller Name lautete: Johann Heinrich Emil Friedrich Ruppel. Wenn ein Kind aus der Schar seiner Neffen und Nichten seine sämtlichen Vornamen in der richtigen Reihenfolge herzusagen vermochte, erhielt es von ihm einen Groschen. Auch sonst hinterließ er bei uns Kindern durch sein freundliches und humorvolles Wesen starke Eindrücke. Wir mochten ihn sehr gern. (Ich bin einer seiner Neffen, dazu auch sein Patenkind.) Geboren wurde er am 25.06.1875 in Chemnitz, wuchs in Radeburg auf, wo sein Vater Georg Wilhelm Ruppel das Pfarramt innehatte, besuchte die St. Afra - Schule in Meißen und studierte danach Theologie. Von ihm schrieb sein um sechs Jahre jüngerer Bruder in seinen Lebenserinnerungen: "Er war vom Jahre 1890 bis 1895 Afraner gewesen, hatte ein Jahr in Leipzig bei 107 gedient und begab sich nach Erlangen zum theologischen Studium." (Es müsste das einschlägige Afranische Ecce zu Rate gezogen werden!!!)

Nach Tätigkeiten als Schullehrer in Roßwein wurde er Pastor (oder wie es damals hieß: "Diakonus") in Frauenstein. Hier gewann er die Arzttochter Gertrud Ullrich20 lieb. Sie wurde ihm für die weitere Zukunft zur zuverlässigen Partnerin. Sie heirateten am 04.08.1910 in Frauenstein. Am 21.01.1912 übernahm er die im Spätjahr 1911 freigewordene Pfarrerstelle zu Lorenzkirch und blieb hier - gemeinsam mit seiner Frau und den drei Töchtern, die hier heranwuchsen - bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1939.21 Er war also während der schweren Zeiten des 1. Weltkrieges wie in den anschließenden von dessen Folgen überschatteten zwei Jahrzehnten unablässig in der hiesigen Kirchgemeinde tätig.

Das Schriftstück, welches er 1916 anlässlich der Reparatur des Kirchturmdaches formulierte und in die den Turm bekrönende Kugel einlegte, ist abschriftlich im Pfarrarchiv erhalten.22 Er begann mit den Worten: "Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit! Im Jahre 1916, als dem nunmehr dritten Jahre des gewaltigen Krieges, den unser schwerbedrängtes Vaterland seit dem 1. August 1914 gegen eine Welt voller Feinde zu fuhren hat, machte sich nach 28 Jahren ... wiederum eine Ausbesserung der westlichen Seite der oberen Turmbedeckung notwendig." Er berichtet einiges zu dieser Reparatur, dann aber von den derzeitigen Verhältnissen - wie er schreibt - "unserer Kirchfahrt", also des Kirchspiels Lorenzkirch. So nennt er den Kirchenpatron, Herrn Christoph Arndt von Egidy, Besitzer des Rittergutes Kreinitz23 und führt weiter aus: "Des Amtes als Kirchschullehrer waltet seit dem 11. Oktober 1909 Ewald Emil Stecher, Sohn und Amtsnachfolger des früheren langjährigen und treuverdienten Kantors Friedrich Ewald Stecher, verstorben am 11. Mai 1914 in Dresden. ... Als Glöckner, Totengräber und Kirchner fungiert der Schuhmachermeister Georg Klingenberg von hier." Auch zählt er die damaligen Kirchvorsteher auf, nämlich: Robert Görne (zugleich "Gemeindevorstand" in Lorenzkirch), Reinhold Lamm (Gutsbesitzer in Lorenzkirch), Herwarth Heyde (Rittergutspächter in Cottewitz), Reinhold Schmorl ("Gemeindevorstand" in Zschepa), Otto Schreiber (Gutsbesitzer in Zschepa) sowie Richert Riedel (Fleischermeister in Klein-Zschepa). Weiter berichtet Ruppel davon, dass das Gotteshaus in den zurückliegenden Jahren "mehrfachen wertvollen Schmuck erhalten" habe. "Im Jahre 1906 schenkte das Kgl. Ministerium des Inneren eine aus Holz geschnitzte Altargruppe, darstellend den Gekreuzigten und vor ihm kniend einen Schiffer und eine Magd, ein Werk von Professor Schneitmüller24 in Dresden. 1909 stiftete der Kaiserliche geheime Regierungsrat, ordentlicher Professor an der Universität München, Dr. phil. und med. Theodor Paul, Pfarrerssohn von Lorenzkirch und gegenwärtig Besitzer hiesigen Klosterhofs, einem Gefühl tiefeingewurzelter Heimatliebe ausdruckgebend, einen plastischen Schmuck in Gestalt eines zwei Meter hohen Taufengels aus Bronze, entworfen und ausgeführt von dem Münchner Künstler Johannes Seiler.25 Der granitene Sockel hierzu wurde durch einen Taucher vom Nixstein aus der Elbe gebrochen."

"Von größeren Hochfluten der Elbe, wie sie in früherer Zeit so oft unsere Gegend betroffen haben, sind wir seit der Überschwemmung von 1890 und 1897, durch die viel Schaden an den Fluren und an der Ernte angerichtet wurde, gnädig bewahrt geblieben. Um so härter lastet auf unserer Gemeinde wie auf unserem ganzen Vaterlande der Druck der gegenwärtigen Kriegsnöte. Was an Männern im wehrfähigen Alter vorhanden gewesen, steht im feldgrauen Kleide an den Fronten im Osten und im Westen. Über 90 sind es bereits, die dem Rufe zu den Waffen haben folgen müssen. Unter den Hunderttausenden deutscher Männer, die auf der Wahlstatt ihr Leben haben lassen müssen, befinden sich nicht wenige Glieder aus unserer Kirchgemeinde. Andere müssen das trübe Los der Gefangenschaft in Feindeshand tragen. Da ist viel bange Sorge und Sehnsucht in den Herzen und Häusern.

Dazu kommt, dass infolge des Aushungerungskrieges, den England, unser Hauptfeind, jegliche Zufuhr von außen her uns unterbindend, in Missachtung aller Gesetze der Menschlichkeit und des Völkerrechts gegen uns führt, eine schlimme Teuerung entstanden ist, so dass einem jeden sein Anteil Brot, Fleisch, Zucker usw. oft in recht geringer Höhe zugewiesen werden und für diese Dinge, um die Preise nicht unerschwinglich werden zu lassen, Höchstpreise festgesetzt werden mussten. Die Preise für andere Gegenstände des täglichen Bedarfs haben eine Höhe erreicht, wie sie bislang unerhört gewesen sind. Noch ist von diesen Nöten, die je länger, je schwerer gefühlt werden, ein Ende nicht abzusehen ... Eingehüllt in Dunkel und Ungewissheit, voller Schrecken und Gefahr liegt vor uns die Zukunft. Noch wird in dem ungeheueren Völkerringen viel edles deutsches Blut fließen müssen ...Wir vertrauen auf die heldenhafte Tapferkeit unserer Heere, die so manchen glorreichen Sieg schon errungen ... und auch fernerhin einen undurchdringlichen, ehernen Wall zum Schutz der bedrohten Heimat bilden werden. Wir vertrauen vor allen Dingen und von ganzem Herzen auf den großen Helfer droben, unsern Gott. Er ist unsere Zuflucht für und für, unsere Zuversicht und Stärke in den großen Nöten, die uns betroffen haben, felsenfest ist unser Glaube und unerschüttert steht die Hoffnung, dass, der im Regiment der Welten sitzt, wie er bisher so sichtbarlich zu unserer gerechten Sache sich bekannt hat, so auch in Zukunft nicht von uns lassen wird, sondern noch Großes mit unserem lieben deutschen Volke vorhat. Ja, du treuer und barmherziger Gott, breite du deine Gnadenhände über unser deutsches Land, über unser heldenmütiges Heer und auch über alle Glieder unserer Kirchgemeinde, die draußen stehen in Kampf und Not. Lass unser Volk siegreich und ungeschädigt, innerlich geläutert und erneuert, als starkes, freies und frommes Volk hervorgehen aus der harten Prüfung dieser Kriegszeit..."

Dies Schriftstück, das ausführlich zitiert wurde, ist bezeichnend für die deutsch - nationale Gesinnung, aus der heraus Pfarrer Ruppel (gewiss sehr ähnlich wie viele andere damalige evangelische Pfarrer) die schlimmen Geschehnisse der damaligen Zeit beurteilte und auch sein Glaubensbekenntnis profilierte. In entsprechender Weise wird er von der Kanzel gepredigt und die Jugend unterrichtet haben. Diese Gesinnung war darauf aus, den Dreieinigen Gott, der uns durch die Bibel entgegentritt, zu verkleinern und ihn ideologisch festzulegen, um ihn als deutschen Nationalgott zu verstehen und ihn höchst einseitig für die eigene Sache in Anspruch nehmen zu können. Waren nicht im September 1916 ganz andere Einsichten und Erkenntnisse fällig9! Zwar ist es sehr leicht, 80 Jahre danach kritisch zu urteilen. Doch kommen wir nicht umhin, unsere Schmerzen, die in uns bei einer solchen Rückschau aufkommen, zu artikulieren. Wir tun damit - so meine ich - nicht etwas, das einer Herabwürdigung unserer Voreltern gleichkäme.

So könnte ich nun weiter ausbreiten, was Friedrich Ruppel in einer Predigt, die er 1919 hielt, zum Ausdruck brachte, oder in seiner Ansprache bei der Einweihung des Kriegerdenkmals am 10. Oktober 1920.26 Im Grunde liegt es ganz auf der Linie dessen, was er in jener für die Kugel des Kirchturmes bestimmten Schrift dokumentierte. Die Nachkriegszeit empfand er in vieler Weise als bedrückend, so dass er 1933 die Machtübernahme Hitlers - zu mindest in ihrem ersten Stadium - als eine Befreiung auffaßte. Bezeichnend dafür ist der (relativ kurz gefasste) Text des Schriftstückes, den er damals als eine weitere in die Kugel des Kirchturmes einzubringende Einlage formulierte; dieser lautet. "Im Jahre 1933, dem Jahre der deutschen Revolution und nationalen Erhebung nach 14 Jahren der Schmach und der Verwirrung erfolgte eine Reparatur der Turmbedachung durch den Dachdeckermeister Meyer aus Herzberg.

Pfarrer der hiesigen Kirchfahrt ist zu dieser Zeit Friedrich Ruppel, Kantor und Oberlehrer Emil Stecher. Dem Kirchenvorstand gehören außer diesen beiden an: Rittergutspächter Heyde in Cottewitz, Bäckermeister Paul Burkhardt in Lorenzkirch, Bürgermeister Hugo Grosse ebendaselbst; von Zschepa: Gutsbesitzer Oskar Köhler, Gutsbesitzer Otto Schreiber, Gutsbesitzer Curt Schmorl, Depotaufseher Rudolph. Bürgermeister in Zschepa ist der Gastwirtschaftsbesitzer Otto Naumann.

Gott der Herr segne unsere Nachfahren mit Wohlergehen, Freude und Frieden! Lorenzkirch, am 27. Juni 1933."27

Bestimmte Aussagen der Kirchenvorstandsprotokolle verdeutlichen, dass die braune Propaganda nicht ohne Wirkung blieb. So heißt es im Sitzungsprotokoll vom 10.09.1933: "Glaubensbewegung Deutsche Christen. Der Herr Vorsitzende wirbt für den Eintritt in die Glaubensbewegung Deutscher Christen."28 Und im Protokoll vom 06.04.1934: "Fahne. Es soll eine Fahne in der Größe von 200 x 800 cm angeschafft werden. Der Herr Vorsitzende will Offerten einholen." Zum gleichen Thema heißt es am 22. 10. 1934: "Beflaggung der Kirche. Es dürfen nur noch die schwarzweißroten Hakenkreuzflaggen, eventuell in Verbindung mit der Landesflagge gehisst werden. Eine Beschaffung ist wegen schlechter Finanzlage z. Z. unmöglich." In der Sitzung vom 02.10.1935 aber wurde festgestellt: "Herrn ... (soundso) sollen für das Aufziehen der Flagge auf dem Kirchturm jedes Mal 0,75 M gezahlt werden." Wie sie aussah, ist nicht notiert.29

Doch musste der Lorenzkircher Ortspfarrer bald erkennen, dass die nazistische Agitation die Kirchlichkeit der Menschen keineswegs beflügelte. So schrieb er im Kirchlichen Jahresbericht für das Jahr 1934: "Eine Besserung (des Gottesdienstbesuches) gegen früher ist nicht eingetreten, insbesondere nimmt die Unkirchlichkeit der Jugend immer mehr zu."30 Auch muss er bemerken: "Die Seelsorge ist durch die außerordentliche Inanspruchnahme der Zeit des Pfarrers für Ausstellung von arischen Zeugnissen sehr beeinträchtigt worden." (entsprechende Äußerungen sind in den Jahresberichten der folgenden Jahre enthalten, dazu auch die Klage, dass der Pfarrer durch die aufgenötigte Ausfertigung von Nachweisen einer arischen Abstammung keine Zeit zu eigener wissenschaftlich theologischer Arbeit finde). Als dann Hitler im Nopvember 1938 radikal gegen die Juden vorging, äußerte sich Fritz Ruppel im vertraulichen Gespräch mit dem Kirchenvorsteher Alwin Max Mehling (geb. 29.01.1879, gest. 26.05.1959) etwa folgendermaßen: "Jetzt greift er (gemeint ist Hitler) die Juden an. Und da geht er unter." (überliefert durch Herr Karl Mehling).

Es dauerte nur wenige Jahre, bis die NSDAP ihre Feindschaft gegen die Kirche in aller Öffentlichkeit demonstrierte. So wurde es im Sommer 1938 den Lehrern, die zugleich Schulleiter waren, untersagt, weiterhin als Kantoren und Organisten zu wirken. In den Sitzungsprotokollen des Kirchenvorstandes ist davon mehrfach zu lesen. Emil Stecher trat damals in den Ruhestand. Der neue Schulleiter namens Bayer war durchaus gewillt, wie sein Vorgänger das kirchliche Amt des Kantors zu übernehmen. Doch wurde ihm dies von der Schulbehörde untersagt. Man verhandelte hin und her Schließlich aber heißt es im Protokoll vom. 14.09.1939: "Herr Kantor Beyer kündigt für den 01.07.1939 seinen Kantorendienst der Kirche." In der Folgezeit spielte die Lorenzkircher Orgel wohl meistenteils Herr Lehrer Knolle aus Gohlis.

Im Protokoll vom 31.03.1939 ist eine weitere kirchenfeindliche Aktion der braunen Staatsführung festgehalten; es heißt hier: "Ein Runderlass vom Landeskirchenamt, betrifft Ausscheidung der politischen Leiter und Unterführer aus dem Kirchenvorstand, wurde bekannt gegeben und zur Kenntnis genommen."

Doch - Gott sei Dank! - geschah und geschieht in einer Kirchgemeinde vieles Wichtige und Wesentliche unabhängig von den politischen Tagesfragen. Das galt gewiss auch für Lorenzkirch in den zwanziger und dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts. So wurden mit viel Liebe und Hingabe das Gotteshaus und der Friedhof weiter ausgestaltet und verschönt. Daran waren verschiedene ehemalige Lorenzkircher sehr aktiv beteiligt, allen voran Theodor Paul, der Professor für Nahrungsmittelchemie. Er fertigte dazu vielseitige Gutachten, holte Künstler und Handwerker herbei, stiftete persönlich erhebliche Mittel und regte andere dazu an, ähnliches zu tun. Er verfasste dazu eine an den Kirchenvorstand adressierte Denkschrift mit Datum vom 28.10.1919, in der er diesem viele sehr durchdachte, konkrete Vorschläge nahebrachte. Die allermeisten wurden in den folgenden Jahren realisiert, einige aber auch nicht, so z. B. die Erstellung einer "Ausstellungshalle für vorbildliche Grabdenkmäler an der Nordseite des Budenhauses" oder die Neugestaltung sämtlicher Kirchenbänke. Er hatte dabei im Sinn, - wie er schreibt - "die Einführung der Bildschnitzerei als Erwebszweig für die während der Winterzeit meist beschäftigungslosen Schifferbevölkerung des Dorfes" anzuregen; er meint: ."Da die erforderlichen Werkzeuge und Naturalien leicht mit auf die Reise genommen werden können, lassen sich Schnitzarbeiten auch in den Feierabendstunden während der Fahrt auf den Schiffen ausführen. Auf diese Weise könnte ein lohnender Nebenerwerb geschaffen werden ..." Immerhin setzte er es durch, dass Erhard Jähnig aus Gohlis (geb. am 16.11.1906), Sohn des dortigen Tischlermeisters, per 01.09.1921 die Möglichkeit erhielt, die Fachschule für Glasindustrie und Holzschnitzerei in Zwiesel (im Bayerischen Wald) zu besuchen und in der Holzbildnerei eine Ausbildung zu erhalten, die später in Oberammergau zum Abschluss gebracht werden könnte.

Paul drängte darauf, dass das Lorenzkircher Gotteshaus ein neues Geläut erhalte, da die zwei größeren Glocken 1917 für die Rüstungsindustrie abgeliefert worden waren,31 und erdachte für den äußeren Schmuck der drei neuen Glocken ein sinnreiches Bildprogramm. Die Finanzierung des neuen Geläutes aber wurde vor allem durch die großzügige Spende von 5.000 Mark gesichert, die ein einzelner Stifter aufbrachte, nämlich der aus Zschepa stammende Herr Hugo Köhler, der damals in Dresden wohnte. Dessen Brüder, die sich auch an anderen Orten niedergelassen hatten, beteiligten sich ebenfalls an der Neugestaltung der Kirche; sie finanzierten die Herstellung mehrer Glasbilder. Entsprechendes taten weitere wohlwollende Heimatfreunde, die ich hier nicht namentlich aufzählen will.

Herausheben aber will ich zwei Aktionen. Die eine bezog sich auf die Stiftung eines Glasbildes, auf welchem der hl. Laurentius dargestellt werden sollte. Für dieses Fensterbild war schon einige Male auf dem Lorenzmarkt gesammelt worden. Nun aber sollte vor allem durch den Verkauf farbiger Postkarten mit Lorenzkircher Motiven, gestaltet durch den Hanauer Kunstmaler Pedro Schmiegelow,32 die noch fehlende Summe aufgebracht werden. Und hatte damit binnen kurzem guten Erfolg! Es kamen so die erforderlichen 1.431,10 Mark ein (wie am 16.08.1921 rückblickend festgestellt werden konnte). Nach einem Entwurf von Johannes Seiler aus München wurde das gläserne Laurentiusbild tatsächlich hergestellt und im Fenster neben der Kanzel eingefügt. Leider wurde es bei der 1951 bis 1953 erfolgten großen Kirchenrenovation entfernt.

Die andere Aktion galt der Orgel, die während des Krieges um einige zinnene Pfeifen ärmer geworden war, die man - wie die zwei Glocken - zu militärischen Zwecken eingeschmolzen hatte. Herr Bankdirektor Fritz Grossmann in Bremen, der einen Teil seiner Kindheit im Lorenzkircher Pfarrhaus bei Familie Carl Paul zugebracht hatte, erklärte sich dazu bereit, sich für die Orgelerneuerung finanziell zu engagieren.33

Noch viele weitere Einzelheiten könnten dazu aufgeführt werden. Nur dies sei noch erwähnt: Theodor Paul gewann den schon mehrfach erwähnten Otto Eduard Schmidt dazu, Lichbildervorträge zu halten und die dabei einkommenden Gelder dem Lorenzkircher Gotteshaus zuzuwenden, desgleichen auch den in Leisnig ansässigen Musikdirektor Franciscus Nagler, der sich auch als Schriftsteller einen Namen gemacht hatte,34 Kirchenkonzerte im hiesigen Gotteshaus - besonders zum Lorenzmarkt - zu Gehör zu bringen, ja "die Komposition eines kirchlichen Musikstückes" zu gestalten, "das den Verhältnissen in Lorenzkirch Rechnung tragen und nur für unsere Kirche bestimmt sein soll." Der finanzielle Reinertrag aber solle Lorenzkirch zugute kommen.

Pfarrer Friedrich Ruppel förderte die genannten Aktivitäten nach Kräften. Er leistete Jahr um Jahr getreulich seinen Dienst als Prediger und als Seelsorger, tauschte sich gern mit seinem Bruder Heinrich aus, der parallel zu ihm lange Zeit als Pfarrer in Strehla tätig war.35 Zu den hohen Kirchenfesten vertraten sie sich gern wechselseitig. Eine ältere, in kirchlichen Dingen sehr erfahrene Lorenzkircherin sagte mir kürzlich: Friedrich Ruppel war ein Pfarrer von altem Schrot und Korn. Und sie erinnert sich lebhaft daran, dass er regelmäßig per Fahrrad in die Filialgemeinde Gohlis fuhr, und dass er ab und an mit Genuss eine Zigarre rauchte, etwa wenn er sich mit dem Kirchner unterhielt, Herrn Schuhmachermeister Klingenberg. Als dieser 1942 todkrank danieder lag, reiste Ruppel, der sich bereits im Ruhestand befand, von Leipzig an, blieb über eine Woche lang, um dem Kranken Beistand zu leisten, und hielt dann auch die Predigt zu dessen Beerdigung. So war und blieb er wohl lebenslang sehr vielen Menschen des Kirchspiels Lorenzkirch in Aufmerksamkeit und Liebe zugetan.

Seine heimliche Leidenschaft war das Schachspiel, auf das er sich ausgezeichnet verstand - war er doch ein sehr kluger Mann. Doch fiel es ihm sichtlich schwer, aus einer Partie als der Verlierer hervorzugehen.

Der derzeitige Senior des Ortes, Herr Max Göttlich (geboren 1907) erzählte mir u. a., dass er als Konfirmand gemeinsam mit anderen Knaben im Pfarrgarten Weintrauben stibitzt habe (obschon solche in den elterlichen Grundstücken reichlich vorhanden waren). Die kleinen Missetäter wurden erwischt und vom Pfarrer - im Sinne eines Denkzettels - damit beauflagt, sämtliche zwölf Verse des schönen Liedes: "Befiehl du deine Wege" auswendig zu lernen. Offenkundig hatte das Ereignis eine nachhaltige Wirkung, sodass Herr Göttlich noch in diesen Tagen schmunzelnd davon zu berichten weiß.

Friedrich Ruppel trat am 01.10.1939 in den Ruhestand. Er starb am 26.09.1956 in Leipzig im Alter von 81 Jahren (und sein Bruder Heinrich im gleichen Jahr am 29. 6. in einem Alter von 74 Jahren).

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Kurt Lehmann

Im Protokoll des Kirchenvorstandes vom 14.09.1939 ist zu lesen, dass Herr Vikar Rudolf Eisert zur Verwaltung der Pfarrstelle in Lorenzkirch eingesetzt werden solle. Und so geschah es auch. Er war bereits bekannt, da er zuvor als Lehrvikar in Strehla tätig gewesen war (so Prof. Gottfried Kretzschmar, Leipzig; er wuchs in Strehla auf). Doch musste er sehr bald schon in den Krieg hinaus ziehen und 1942 den Soldatentod sterben. Seine Frau wohnte einige Zeit über im Lorenzkircher Pfarrhaus, ihm aber war es nicht vergönnt, hier Fuß zu fassen.

Nach ihm wurde das Lorenzkircher Pfarramt dem damals auch im Wehrdienst befindlichen Vikar Kurt Lehmann übertragen. Dessen offizielle Amtseinführung konnte im September 1943 erfolgen, da er sich zu jener Zeit in einem nicht weit entfernt gelegenen Lazarett befand.

Kirche in Lorentkirch am 27. Mai 2005Im hohen Alter schrieb er seinen Lebenslauf nieder. Er tat dies zu dem Zweck, dass dieser am Tage seiner Beerdigung der versammelten Gemeinde vorgelesen werde. Sein Sohn Christoph, der als Pfarrer an der Versöhnungskirche in Dresden-Strießen tätig ist, stellte mir eine Fotokopie dieser Niederschrift zur Verfügung. Sie beginnt mit den Worten: "Am 8. Mai 1914 wurde ich als Ältester der vier Kinder meiner Eltern, des Eisenbahnarbeiters Louis Lehmann und seiner Ehefrau Frieda geb. Schumann in Trünzig bei Werdau in Sachsen geboren. In Sorge, das Schulgeld nicht bezahlen zu können, lehnte Vater den von mir sehr erbetenen Besuch der Oberrealschule in Werdau im fälligen Jahr ab. Er entschloss sich aber auf mein erneutes Bitten im nächsten Jahr, mich doch gehen zu lassen. An den Folgen eines Unfalls als Lokomotivheizer wurde er 1931 - 42 Jahre alt - heimgerufen. Dadurch geriet unsere Familie in ernste Armut., der ich als Ältester durch Zeitungtragen, Bauhilfsarbeiten und dergleichen etwas zu wehren versuchte. 1934 konnte ich das Abitur abschließen und - weil ich nach ernster Krankheit nicht zum Reichsarbeitsdienst eingezogen wurde - das ersehnte Theologiestudium in Leipzig beginnen. Doch infolge der Einberufung zur Wehrmacht musste ich mein Studium im Herbst 1935 für zwei Jahre unterbrechen. Die 1937 erfolgte Fortsetzung wurde bereits 1939 durch Einberufung zum Kriegsdienst und durch das noch vorher erbetene Kriegsexamen abgeschlossen.

Kurz vor dem Einsatz an der Westfront ließen wir uns - Hildegard geb. Richter (Lehrerin) und ich - am 21.09.1939 in Kurort Jonsdorf durch den dortigen Ortspfarrer Manfred Müller trauen. Nach dem Frankreichfeldzug, infolge Wirtschaftsurlaubs, konnte ich ½ Jahr als Ephoralvikar von Zittau, besonders in den Kurorten Jonsdorf - Oybin - Lückendorf als Vertreter des erkrankten Pfarrer Müllers tätig sein und im April 1941 mein 2. theologisches Examen in Dresden ablegen. Wieder an die Ostfront einberufen, wurde ich in Stalingrad schwer verwundet und aus dem Kessel ausgeflogen. Nach ¾ Jahr Lazarettzeit erneut an die inzwischen in der Heimat liegende Front geschickt, kam ich bei Kriegsende in Englische Gefangenschaft, aus der ich im Juli 1945 entlassen wurde."

So weit erst einmal diese sehr knapp gefasste Rückschau des Pfarrers Kurt Lehmann, der schließlich im September des besonders für die Lorenzkircher bitter schweren Jahres 1945 bei ihnen seinen Dienst aufnehmen konnte. Seine Frau hatte sich hier bereits wohnlich eingerichtet, war aber beim Herannahen der sowjetischen Truppen mit ihrem am 01.06.1944 geborenen Sohn Christoph in die Gegend von Döbeln geflüchtet.

Er hingegen befand sich in jenen Tagen in Strehla, und zwar als Offizier in einer Artillerie-Einheit, die seinem Befehl unterstand. Als nun russische Soldaten das östliche Elbufer erreicht und den Ort Lorenzkirch besetzt hatten, sollte er auf sie mit den Kanonen der ihm unterstellten Batterie das Feuer eröffnen. Man versetze sich in seine Lage: Er als der Pfarrer von Lorenzkirch sollte - im klaren Wissen darum, dass außer den gegnerischen Soldaten nicht nur die hier Ansässigen größerenteils im Ort anwesend waren, sondern auch Tausende von Flüchtlingen dicht zusammengedrängt innerhalb des Dorfes und auf den Elbwiesen kampierten - er sollte einen vernichtenden Feuerregen über all diese Menschen niedergehen lassen! In dieser Situation entschied er sich für eine heimliche Weise der Befehlsverweigerung. Er befahl seinen Leuten, mit den Kanonen einen - militärisch gesehen: völlig überflüssigen -Stellungswechsel vorzunehmen, nur um Zeit zu gewinnen. Danach aber ordnete er an, die Rohre der Geschütze (es handelte sich wohl um solche vom Kaliber 8,8 cm) so zu richten, dass die Geschosse über das Dorf hinwegflögen und hinter diesem in die. Feldflur einschlügen. Und so geschah es auch. Der Geschoßhagel ging nicht auf die Menschen nieder! Eine derartige Vorgehensweise fiel natürlich diversen Beobachtern auf. Und es fehlte nicht viel, dass radikale Kräfte der bereits in der Auflösung befindlichen deutschen Armee den Offizier Kurt Lehmann standrechtlich erschossen hätten. Doch - Gott sei Dank! - entging er diesem Schicksal.36 Sein Verhalten erinnert an entsprechende Aktionen anderer sächsischen Pfarrer, etwa an die des Superintendenten Herbert Böhme in Meißen, des Pfarrers Karl Talazko36a in Gersdorf (zwischen Kamenz und Pulsnitz gelegen) oder des Pfarrers Jentzsch in Helbigsdorf (in der Nähe von Freiberg).

Obschon in jenen Tagen Lorenzkirch auf solche Art und Weise vor den Granaten der schweren Artillerie verschont blieb, spielten sich damals hier im Ort und auf den Elbwiesen furchtbare Dinge ab. Dazu soll wiederum Kurt Lehmann persönlich zu Worte kommen. Rückblickend schrieb er 1948 einen Bericht nieder, der dafür bestimmt war, in der Kugel des Kirchturmes eingelagert zu werden:37 "Ein namenloses Elend herrschte in unserer Gemeinde. Auf den Höfen, in Gärten, Feldern und Wiesen lagen allerwärts Gefallene, die nicht mehr im Gefecht, sondern als Gefangene von den Feinden niedergeschossen worden waren. Mehr als 120 Tote liegen auf dem Friedhof, in der nahen Sandgrube, hier und da noch in Einzelgräbern auf Lorenzkircher Flur beerdigt. Die Häuser wurden weithin völlig ausgeplündert.

Vieh blieb nur noch in ganz wenigen Häusern übrig, entweder wurde es fortgeführt, oder an Ort und Stelle geschlachtet. Wäsche und Bekleidungsstücke, sogar wo sie vergraben waren, wurden fast restlos aus den Häusern fortgeschleppt. Oft mussten die aus ihren Häusern Vertriebenen Körbe, Taschen und Rucksäcke ausleeren und alles hingeben. Ja nicht selten wurden ihnen die Zugtiere vom Wagen gespannt und Bekleidungsstücke und Schuhe, die sie auf dem Leibe trugen, noch weggenommen. Auf den Häusern fehlten weithin die Dächer, und der Regen drang bis ins Erdgeschoß ..."

Es ist bei dem allen, was Pfarrer Lehmann berichtet, zu bedenken, dass gegen Ende April 45 und in den darauf folgenden Wochen unzählig viele durch den Einmarsch der Roten Armee und der Amerikaner befreite Kriegsgefangene, KZ-Leute und andere Zwangsarbeiter verschiedenster Nationalität durch Lorenzkirch und umliegende Ortschaften zogen und je nach Bedarf plünderten und Beute machten. Überhaupt müsste bedacht werden, dass sich Lorenzkirch mitten zwischen diversen schlimmen Lagern befand, die einen traurigen Ruhm davon trugen, und dazu auch zwischen Zentren der Rüstungsindustrie.

Als Familie Lehmann im Sommer 1945 in das Lorenzkircher Pfarrhaus zurückkehrte, befand es sich in einem wüsten Zustand. Drei Jahre danach schreibt Pfarrer Lehmann: "Aus dem Pfarrhof wurden nicht weniger als 12 Pferdefuhren Unrat, die Trümmer der Möbel, die eigene Bücherei und Pfarrarchiv abgefahren." Später stellte es sich erfreulicherweise heraus, dass wesentliche Bestände des Pfarrarchives zwar arg durcheinander gebracht worden waren,38 aber doch für die Nachwelt erhalten blieben. In der jüngsten Vergangenheit hat sie Frau Vobus sehr gut sortiert und geordnet, wovon ich mich selbst bei meinen Studien überzeugen konnte.

Kurt Lehmann fand also im September 45 hier in Lorenzkirch für seine Arbeit als Pfarrer sehr harte Bedingungen vor. Doch ging er mit großer Entschlossenheit ans Werk. Schon in der Hitlerzeit war er der "Bekennenden Kirche" zugetan, also der Gruppierung evangelischer Christen, die sich gegen die Überfremdung unserer Kirche durch die braune Ideologie zur Wehr setzten. Eine solche Auffassung bekundete er nun in Predigten und Gesprächen, stieß aber durchaus nicht immer auf Verständnis. So heißt es im Kirchenvorstandsprotokoll vom 10.03.1948:  "Der Kirchenvorstand lehnt eine Beteiligung an der bekennenden Kirche ab."

Im Protokoll vom 13.9. desselben Jahres aber heißt es: "Es soll wieder eine Bibelwoche stattfinden. Die Zeit wird noch festgesetzt." Bekanntlich fanden die zu winterlicher Zeit durchgeführten Bibelwochen in sehr vielen Kirchgemeinden einen großen Zuspruch, so offenbar auch in Lorenzkirch.

Von einem Ereignis, das an einem Hl. Abend der ersten Nachkriegszeit geschah, wird folgendes erzählt: Als er in Gohlis nach Beendigung der Christvesper sein Fahrrad besteigen wollte, um nach Lorenzkirch zu gelangen, hielten ihn russische Soldaten an und forderten von ihm, dass er ihnen sein Stahlross aushändigen solle. Er aber weigerte sich, schlug einem Zudringlichen auf die Hand und schwang sich in den Sattel. Sie schössen hinter ihm her, verfehlten aber den mächtig in die Pedalen tretenden Pfarrer. Auch sonst zeigte er allerhand Zivilcourage. So begab er sich, als einige Russen ihm das Klavier aus dem Hause geholt hatten, nach Zeithain zur Kommandantur und protestierte - in diesem Falle allerdings erfolglos - gegen die Willkür.

Bezeichnend ist auch eine Geschichte, in der es um eine Ziege geht. In jener Zeit nach Kriegsende fehlte es im Lorenzkircher Pfarrhaus an der nötigen Nahrung. Kurt Lehmann machte sich darum nach Jonsdorf, der Heimat seiner Frau, auf den Weg, um dort - wie man sich damals auszudrücken pflegte - für seine Familie "zu organisieren," und hatte dabei außerordentlichen Erfolg. Es gelang ihm, eine lebendige, Milch spendende Ziege zu erwerben! Er reiste mit der Ziege und einem Handwagen39 in die Eisenbahn bis Riesa. Dabei ergab es sich, dass er mit dem lieben Tier auf dem Dresdner Hauptbahnhof umsteigen musste. Während sie hier auf den passenden Zug zu warten hatten, sah er die Zeit für gekommen an, dass die Ziege gemolken werden müsse. Er tat es sogleich - zur Freude anderer Passagiere der Deutschen Reichsbahn, deren einige ihn sogleich um etwas Milch ansprachen. Und Lehmann verteilte die erbetenen Kostproben. Entsprechende Gaben soll er auch dem Zugbegleitpersonal gereicht haben, damit es dem Transport des Tieres zustimme.

Er war ein großer, schlanker Mann ("eine hühnenhafte Gestalt" - so sagte einer, der ihm damals begegnete). In der kühlen Jahreszeit kleidete er sich mit seinem alten Soldatenmantel. Wenn er auswärts zu predigen hatte, verpackte er den Talar nicht in einen Koffer oder Rucksack, sondern trug ihn über dem Arm. Er hatte keine Scheu davor, von den Passanten als Pfarrer erkannt zu werden. An den Sonnabenden suchte er mit Vorliebe eine leer stehende Scheune auf, um an diesem Ort die Predigt, die er für den folgenden Sonntag schriftlich ausgearbeitet hatte, laut sprechend zu memorieren - sehr zur Verwunderung derer, die an der betreffenden Scheune vorüberwanderten und die speziellen Gepflogenheiten des Ortspfarrers nicht kannten (so Prof. G. Kretzschmar nach Erzählungen von Herrn Georg Engel). Auch sonst hinterließ er bei den Zeitgenossen so manchen bemerkenswerten Eindruck. Gottfried Kretzschmar, der nachmalige Theologieprofessor, fuhr als Schüler hin und wieder mit ihm gemeinsam in der Eisenbahn von Strehla nach Oschatz. Er entsinnt sich daran, dass Kurt Lehmann bei solchen Fahrten mit gespannter Aufmerksamkeit in dem kurz nach Kriegsende im Berliner Aufbauverlag erschienen Roman: "Stalingrad" (verfasst von Theodor Plievier)40 las. Lehmann hatte ja - was Kretzschmar damals wohl noch nicht wusste - die Hölle von Stalingrad am eigenen Leibe durchlitten.

Pfarrer Lehmann blieb nur wenige Jahre in Lorenzkirch, nämlich nur bis 1949. Wahrscheinlich auf Weisung sowjetischer und deutscher Polit - Funktionäre erhob der Lorenzkircher Bürgermeister gegen Lehmann schwerste Vorwürfe. Jenen Bericht, den dieser zur Verwahrung in der Kugel des Kirchturmes geschrieben, zuvor aber öffentlich verlesen hatte, und andere entsprechende Äußerungen veranlassten den Bürgermeister zu der radikalen Forderung: Lehmann müsse weg! Er sei nicht mehr tragbar! Um Pfarrer Lehmann vor staatlichen Zugriffen zu schützen, sorgte die Leitung der Sächsischen Landeskirche umgehend dafür, dass Pfarrer Lehmann anderen Ortes seiner Fähigkeit und Standhaftigkeit angemessene kirchliche Positionen erhalte. In seinem Lebenslauf schreibt er dazu nur dies: "Dann wurden wir 1949 nach Bischheim bei Kamenz gerufen, wo ich zugleich als Ephoraljugendpfarrer tätig war." Seinen weiteren Weg aber charakteresiert er mit den Worten: "1957 - 1977 hatte ich die 2. Pfarrstelle an der CHRISTUS - Kirche in Dresden - Strehlen inne. Unsere Ruhestandswohnung bezogen wir im Januar 1977 im Pfarrhaus Bannewitz im ausgebauten Dachgeschoß. Von hier aus konnte ich noch manchen Vertretungsdienst in Strehlen, besonders Hausbesuche, gern übernehmen."

Anschließend teilt er noch einiges von seinen Kindern und Enkeln mit: "Nach fünfjähriger Wartezeit schenkte uns GOTT in den Jahren 1944, 45, 46, 49 und 53 vier Söhne und eine Tochter und durch sie 14 Enkel" und sagt dann zusammenfassend von seinem Erdenweg: gewährt worden sei ihm - "GOTT sei gepriesen - sowohl familiär als auch dienstlich ein reiches und erfülltes Leben, eine tröstliche Bestätigung meines Konfirmationsspruches: Wir wissen aber, dass denen, die GOTT lieben, alle Dinge zum Besten dienen (Röm. 8, 28)."

Kurt Ernst Lehmann starb am 28.02.1998 in Bannewitz - eine Woche vor seinem 84. Geburtstag.

GOTT segne Lorenzkirch! GOTT segne dieses ihm geweihte Haus, in dem wir uns heute - wie es viele vor uns taten - versammelt haben! GOTT segne alle, die hier ein und aus gehen, nach dem Reichtum seiner Gnade!

Der Schriftsteller Theodor Plievier (bis 1933 hieß er Plivier) stand während der Weimarer Republik der KPD nahe. 1933 emigrierte er in die Sowjetunion und erhielt hier "den Auftrag für den offiziellen 'Stalingrad' - Roman." 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich in der Sowjetischen Besatzungszone nieder. Zwei Jahre später aber wandte er sich vom Kommunismus ab und begab sich in den Westen. Er starb am 12.03. 1955 (vgl. Deutsches Literatur-Lexikon Bd. 12, 1990 Sp. 63  -  70).

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Wortlaut des Schriftstücks von 1948 in der Kugel des Kirchturms

Der Wortlaut des Schriftstückes, das Pfarrer Kurt Lehmann 1948 formulierte und den in der Kugel des Kirchturmes deponierten Dokumenten beifugte.41

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
 

So spricht der Herr: Gleichwie ich über dies Volk all dies große Unheil habe kommen lassen, so will ich auch alles Gute über sie kommen lassen, das ich ihnen zugesagt habe.42
 

So wolln wir mitten im Gericht / auf deine Gnade trauen. Was immer deine Hand zerbricht, das wirst du schöner bauen. Du führst doch alles wohl hinaus / und wirst mit starken Händen / das einstmals angefangne Haus / gestalten und vollenden.43

Heute (1. April), da nach dem Beispiel der Väter Daten und Schilderungen zur Verwahrung im Knopf unseres Kirchturmes für kommende Geschlechter geschrieben werden sollen, ist uns das oben angeführte Wort Gottes als Tageslosung (Losungen der Herrnhuter Brüdergemeinde) geschenkt. Da wir als Christen den Wechsel der Zeiten und alles Geschehen und Erleben nicht als zufällig, sondern als von starken Händen geordnet und geleitet betrachten, dürfen wir das Wort Heiliger Schrift als eine besondere Gabe, einen hellen Strahl göttlichen Lichtes in das Dunkel, die Not und den Kampf unserer Tage und alles Geschehens, von dem im Folgenden zu berichten sein wird, empfangen.

Wir heutigen wollen allen Kummer und alle nagende Sorge ob der Nacht über der Zukunft begraben und versenken ins Meer der Güte und Barmherzigkeit Gottes, und unsere Nachfahren, an denen sie sich leuchtend erweisen möchten, mögen nicht versäumen, Gott gebührenden Dank und höchste Ehre für die Bestätigung seiner Zusagen durch gesegnete Zeiten zu erweisen. Wir dürfen davon Zeugnis ablegen, dass Gott uns gewürdigt hat, unter Tränen und tödlichen Gefahren, in Trauer und Armut seine helfende und bewahrende Hand sichtbar zu schauen und ihn zu preisen auch in der Not und Ungewissheit der Gegenwart. Ehre und Ruhm, Preis und Dank unserem segnenden Gott zuvor!

Der äußere Anlass zu diesen Zeilen ist das Abnehmen des Knopfes unseres Kirchturmes, in dem wir Urkunden aus den Jahren 1687, 1818, 1846, 1888, 1916 und 1933 vorfanden. Der Grund dafür war der starke Verfall des Turmdaches und des Gestühls sowohl als das ganz schief hängende Turmkreuz mit dem mehrfach durchschossenen Knopf. Durch fortwährendes Herabfallen von Turmschiefern und Balkenteilen wurden die Gottesdienstbesucher schon gefährdet. Ein Verzug mit den Erneuerungsarbeiten hätte zu baupolizeilichem Schließen unseres Gotteshauses fuhren können. Hier war schnelles Handeln das Gebot der Stunde.

Doch die Schwierigkeiten schienen unüberwindlich. Wie Handwerker gewinnen? Woher die in großen Mengen nötigen Baumaterialien wie Schiefer, Holz, Nägel und Blech beschaffen? Dazu waren die Gemeindeglieder meist zu sehr mit der Beseitigung empfindlicher Kriegsschäden (viele Dächer waren ganz oder teilweise durch Beschuss oder Minenexplosionen abgedeckt und neue Ziegel oder Schiefer nirgends zu bekommen) an ihren eigenen Häusern beschäftigt, und es galt, mit viel Geduld Hände und Herzen willig zu machen, das schier unmöglich scheinende Unterfangen der Wiederherstellung unserer Kirche zu beginnen. Denn damit nicht genug galt es, auch die großen Dachschäden an den Gebäuden des Pfarrhofes zu beseitigen, sowie fast die Hälfte aller Fensterscheiben zu erneuern. Im Wohnhaus war wie in vielen Häusern der Gemeinde wegen der Dachschäden schon in verschiedenen Räumen der Putz von den Decken gefallen. Aus dem Pfarrhof wurden nicht weniger als 12 Pferdefuhren Unrat, die Trümmer und Reste der Möbel, des Geschirrs, der eigenen Bücherei wie des Pfarrarchivs durch unseren stets bereitwilligen Kirchenvorstand Emil Richter aus Zschepa abgefahren. Hatten doch ¼ Jahr lang viele Hunderte von Polen und Russen im Pfarrhof und Kirche gehaust. Die Pfarre war wochenlang eine Reparaturwerkstätte für russische Panzer und motorisierte Einheiten gewesen. Die Möbel wie Klavier, Betten, Sofa, Nähmaschine, Radio, Schränke waren abgefahren und die zurückgelassenen meist zur Unkenntlichkeit verschandelt und beschädigt. Wäsche, Geschirr, Bekleidung und Bücher fanden wir im Pfarrhaus, wie auch in andern Privathäusern nicht mehr vor. Das gesamte Pfarrarchiv war verwüstet worden. In der Kirche hatten frevelnde Hände die Orgel erbrochen und gegen 350 Pfeifen zertrampelt oder verschleppt, den schönen großen Glasleuchter völlig zerschlagen, die meist gestifteten bunten Glasfenster fast restlos durchstoßen, Altargerät und -behänge, Teppiche usw. geraubt.

Auf dem Friedhof, im Pfarrgarten oder andern Privatgärten hatten wochenlang Lagerfeuer zum Abkochen gebrannt, weil die Häuser die Tausende zurückflutenden Ostvölker nicht zu fassen vermochten. Auf den breiten Eibwiesen, in Gärten, Feldern und im Wald lagen Hunderte ausgebrannter und ausgeraubter Last- oder Personenwagen, Pferde- oder Handwagen, Fahrräder, ganze Berge von Wäsche, Möbel, Geschirr aus all diesen Treckfahrzeugen, die noch über die Elbe hatten kommen wollen, um den Russen zu entfliehen, aber an der Elbe von den anstürmenden Feinden überrannt worden waren, weil in Riesa wie auch hier die von unseren Truppen erbauten Pontonbrücken gesprengt worden waren.

Ein namenloses Elend herrschte in unserer Gemeinde. Auf den Höfen, in Gärten, Feldern und Wiesen lagen allerwärts Gefallene, die nicht im Gefecht, sondern als Gefangene von den Feinden niedergeschossen worden waren. Mehr als 120 Tote liegen auf dem Friedhof, in der nahen Sandgrube, hier und da auch noch in Einzelgräbern auf Lorenzkircher Flur beerdigt. Die Häuser wurden weithin völlig ausgeplündert. Vieh blieb nur noch in ganz wenigen Höfen übrig, entweder wurde es fortgeführt oder an Ort und Stelle geschlachtet. Wäsche und Bekleidungsstücke, sogar wo sie vergraben waren, wurden fast restlos aus den Häusern fortgeschleppt. Oft mussten die aus den Häusern Vertriebenen Körbe, Taschen und Rucksäcke ausleeren und alles hingeben, ja nicht selten wurden ihnen die Zugtiere vom Wagen gespannt und Bekleidungsstücke und Schuhe, die sie auf dem Leibe trugen, noch weggenommen.

Am hässlichsten aber waren die wochenlangen Belästigungen und Vergewaltigungen der Frauen und jungen Mädchen, auf die besonders nachts eine wahre Hetzjagd getrieben wurde. Nicht wenige haben gesundheitliche Schäden davongetragen, nicht zu reden von den seelischen Belastungen und Hemmungen, die so menschenunwürdige Behandlung erzeugte. Namentlich Frauen waren weithin zur Unkenntlichkeit verändert durch die ausgestandenen Ängste und Verfolgungen, nicht wenige haben sich, um ihnen zu entgehen, selbst entleibt.

All diese und viele ungenannten Nöte nahmen ihren Anfang am Sonntag, den 22. April 1945, dem Tag der Einnahme unseres Dorfes durch die Russen. Am 23. April fanden noch heftige Kampfhandlungen statt. Die Feinde versuchten, zwischen den schon zerschossenen Gespannen und Lastwagen auf den Elbwiesen und auf den Trümmern der gesprengten Pontonbrücke auf das westliche Ufer zu gelangen, was unsere Truppen durch Infanterie-, Flak- und Pakfeuer zu verhindern suchten. In der Nacht vom 23. zum 24. April wurde Riesa und Strehla kampflos von unseren Truppen aufgegeben. Wenige Zeit später wurde zwischen Lorenzkirch und Strehla eine hölzerne Brücke von den Besatzungstruppen errichtet, bei der die Ortseinwohner zu Arbeiten herangezogen wurden. Dadurch kam neue Bedrängnis für die Gemeinde, besonders durch die nun wochenlang über die Elbe nach Westen marschierenden Truppen, noch schlimmer aber durch die nach Osten flutenden Polen, Ukrainer, Ungarn u. dgl., die alle wie Bettler in Fetzen ankamen und alle bewegliche Habe mit sich führten. Sie bauten sich Fahrzeuge mit jedem verfügbaren Rad, ob vom Pflug, von einer Dreschmaschine oder einer Pumpanlage und luden alles ihnen Anstehende auf und nahmen's mit sich fort. Da viele Gemeindeglieder geflohen waren oder von der Besatzungsarmee zum Verlassen ihrer Häuser gezwungen waren, fanden sie oft erst nach Wochen die leeren und arg verwüsteten Wohnungen wieder. So waren viele Einwohner fast ihrers gesamten persönlichen Eigentums beraubt und suchten, sich dann auf den Eibwiesen aus den zerstörten und herrenlos herumstehenden Treckfahrzeugen schadlos zu halten.

Zu dieser Not kam dann noch, dass viele Felder im Frühjahr nicht hatten bestellt werden können, so dass die Ernte von ihnen ausfiel. Andere Felder waren so durch Schützen- und Panzergräben verwüstet, dass auch sie nichts hergaben. Auf den Elbwiesen wurde monatelang von der Besatzung zusammengetriebenes Vieh (Hunderte von Pferden und Kühen) geweidet; man trieb sie sogar im Herbst 1945 noch auf die junge Saat der Felder, so dass für 1946 auch dadurch die Ernte beschnitten wurde. Das Schwierigste war die Beschaffung der Zugtiere und des Viehs. Etliche Höfe mit 50 St. Rindvieh fingen mit 1 - 2 Kühen wieder an, die für teures Geld von den Bauern jenseits der Elbe, oft erst durch behördlichen Zwang abgegeben, gekauft werden mussten, da dort nur selten Vieh weggeschleppt worden war. Die Gärten waren verwüstet, Beete wie Straßen so festgetrampelt, Obstbäume abgesägt oder stark beschädigt. Fast alle Monate kamen Flüchtlinge an (Umquartierte aus den an unsere Feinde abgetretenen Ostgebieten Schlesien, Pommern, Ostpreußen), die wieder untergebracht werden mussten, wo oft kaum für die Ansässigen genügend Wohnraum in den Häusern war, da weithin die Dächer fehlten und der Regen bis in die Erdgeschosse drang. Unsere Gemeinde mit 476 Seelen hat zur Zeit noch 212 Umquartierte in ihren Häusern untergebracht, denen weithin das Nötigste an Kleidung, Wäsche, Geschirr usw. von dem Wenigen, das in den ansässigen Familien noch da war oder mühsam zusammengetragen war, wieder abgegeben werden musste; denn sie waren oft nur mit dem, was sie auf dem Leibe trugen, aus ihrer Heimat vertrieben worden.

Mitten in solche Not kam nun die unbeschreibliche Dürre des vergangenen Jahres mit einer Missernte, wie sie auch die ältesten Zeitgenossen noch nicht erlebt hatten. Besonders die Hackfrüchte erbrachten oft nicht einmal den Ertrag der ausgesteckten Samenmenge. Der 2. Schnitt auf den Wiesen fiel völlig aus. So musste viel Vieh wegen Futtermangel geschlachtet werden und anderes wird nur ganz dürftig und kärglich vor dem Verenden bewahrt. In den ersten Apriltagen sahen sich viele gezwungen, ihr Vieh auf die Weide zu treiben.

Die Menschen sterben namentlich in den Städten zu Tausenden an Unterernährung. Die Tagesrationen betragen, wie aus beiliegender Karte ersichtlich: Brot: 300g, Kartoffeln: 400g, Fett: 10g, Fleisch: 20g, Zucker: 20g, Marmelade: 30g, Nährmittel 20g. Diese Mengen werden oft noch ganz unregelmäßig ausgegeben oder ersetzt wie für Fleisch Quark, für Fett Zucker. Sie sind so niedrig, dass ein völlig untätiger Mensch damit auf die Dauer nicht bestehen kann, geschweige denn einer, der arbeiten muss. In solcher Lage gilt gemeinhin nur noch als Währung, was der Bauer erzeugt. Ein Zentner Getreide, für den er offiziell 9 bis 12 Reichsmark erhält, kostet im Schwarzhandel das Hundertfache. Gearbeitet wird nur gegen Lebensmittel bei vielen Handwerkern, auch Baumaterialien sind nur gegen solche zu haben. Unter solchen Verhältnissen schien es um so unmöglicher, an Kirche und Pfarrhaus Bauvorhaben zu beginnen. Um so dankbarer sind wir, dass uns doch so mancher Schritt gelungen ist.

Zunächst erneuerte uns Herr Glasermeister Berthold (Strehla) 1946 die Fenster der Südseite unserer Kirche, nachdem er schon im Herbst 1945 die Fenster des Pfarrhauses mit dem Glas aus den nur teilweise erhalten gebliebenen Doppelfenstern ausgebessert hatte. Herr Dachdeckermeister Friedrich Marschner (Strehla) deckte 1947 mit von der Scheune gewonnenen Ziegeln Pfarrhaus und ein Nebengebäude völlig um, nachdem im Herbst 1945 nur die größten Schäden notdürftig behoben worden waren. Auch der vordere Teil der Kirche (Apsis und Altarraum) konnte im Spätherbst 1947 noch umgedeckt werden. Nach vielen Bitten konnte endlich Herr Baumeister Obenaus (Strehla) gewonnen werden für die schwierigen Arbeiten am Turm, die nicht ohne Gerüst ausgeführt werden konnten, uns dies Gerüst noch im Spätherbst 1947 zu errichten und die schadhaften Balken am Gestühl sowie die verfaulten Belegbretter des Schieferdaches zu erneuern. Die dazu erforderliche große Menge Nägel stellten teils die Landwirte unter den Kirchenvorständen durch eine Getreidespende und teils Gemeindeglieder durch eine Nägelsammlung von Haus zu Haus zur Verfügung. Besonders großes Entgegenkommen erwies uns Herr Dachdeckermeister Korn aus Oschatz, der uns ohne Naturalienforderung den erforderlichen Turmschiefer verkaufte, ohne den alle Arbeiten am Turm nicht möglich gewesen wären. Die Kirchgemeinde ist ihm deshalb zu ganz großem Dank verpflichtet. Schon im Herbst 1945 konnte die Orgel wenigstens in einigen Registern wieder spielbar gemacht und im Sommer 1947 die umfangreiche völlige Erneuerung der Orgel von der Firma Hermann Eule (Bautzen) durchgeführt werden, deren Kosten sich auf 1.769 Reichsmark beliefen. Um die Verbindung zu Handwerkern, Künstlern und Amtsstellen, die für für die ausgedehnten Arbeiten nötig war, machte sich als Leitung der Herr Architekt Karl Obenaus (Strehla) verdient. Viel Mühe wendete er auch auf, um die Vergoldung des Knopfes zu ermöglichen, leider konnte aber trotz kleiner Stiftungen aus der Gemeinde die erforderliche Menge von 8 g nicht zusammengebracht werden, so dass der Knopf nur ausgebeult und gelötet wieder aufgesetzt werden muss. Die Klempnerarbeiten am Turmgestühl übernahm die Firma Trabus, Strehla. Das zerbrochene Turmkreuz besserte Herr Schmiedemeister Kalix aus Lorenzkirch aus, dessen Vater es 1916 angefertigt hatte. Das Löten und Ausbeulen des Knopfes wurde von Herrn Kupferschmiedemeister Richter (Strehla) ausgeführt.

Sehr viel Sorge bereitete auch die geldliche Sicherstellung solch ausgedehnter Bauarbeiten bei der so großen Ausplünderung und Verarmung der Kirchgemeinde. Von sich aus hätte sie ja kaum eine der vielen Arbeiten bezahlen können. So sind wir allen, die uns dabei behilflich waren, besonderen Dank schuldig. Die Kirchgemeinde Borna spendete 100, Bioswitz 50, Strehla 67 Reichsmark. Die gesamte Ephorie sammelte eine Sonntagskollekte für Lorenzkirch mit dem Ertrag von 1.700.- Reichsmark. Die bei weitem wesentlichste Hilfe verdanken wir der Rechnungsstelle der Landeskirche durch großmütige Beihilfe von bis jetzt 14.300 Reichsmark, die - wie angekündigt - noch durch weitere 6.000 Reichsmark erhöht werden soll. Für diese wahrhaft vorbildliche und edle Unterstützung unserer Kirchgemeinde gebührt der Landeskirche unser heißer und aufrichtiger Dank.

Noch warten aber neue Aufgaben auf uns, die zu bewältigen Gott uns seine Hilfe schenken wolle! So gilt es, nach Beendigung der Turmarbeiten noch das Hauptdach des Schiffes umzudecken, wozu die Ziegel von der abgedeckten Scheune benutzt werden sollen. Dann wollen wir gern die Fenster der Nordseite noch erneuern und das Innere der Kirche neu weißen und malen lassen. Da durch den Fortfall der gutsherrlichen Patronate (Enteignung der Rittergutsbesitzer) und durch Überwindung der Standesgrenzen schon früher auch die Patronatslogen überzählig geworden sind, wurden die an der Nordseite befindlichen Treppen abgebrochen und die Türen zu den Logen zu Fenstern umgebaut. Die Loge im Altarraum, die dessen Geschlossenheit sehr stört, soll deshalb entfernt werden. An die Beschaffung der durch den Krieg (staatliche Verfügung) verloren gegangenen Glocken wagen wir gegenwärtig noch nicht zu denken. Sehr dringend aber beschäftigt uns die Frage der Eindeckung des Scheunendaches, die bei der völligen Aussichtslosigkeit auf Ziegel wohl nur mit Stroh versucht werden kann. Wolle Gott uns eine gute Ernte und in der Gemeinde willige Herzen schenken, dass die erforderliche Menge Stroh beschafft werden könnte.

Von außergewöhnlichem Hochwasser blieben wir lang verschont. dass im Sommer 1947 vom 2. August bis in den November hinein der Schiffsverkehr wegen Wassermangel hatte eingestellt werden müssen, dürfte nicht häufig vorgekommen sein. Zu Anfang des Jahres 1947 war die Elbe vom 7. bis 14. Januar und vom 30. Januar bis 14. März zugefroren. Wie durch ein Wunder brach das uns schon arg bedrängende Eis in der Nacht vom 14./15. März plötzlich auf und befreite uns von großen Gefahren, die Wasser und Eis uns zu bringen drohten.

Seit 1938 wurde Zschepa als politische Gemeinde zu Lorenzkirch geschlagen und stellte seitdem den Bürgermeister in Herrn Otto Naumann bis Sommer 1945. Gegenwärtig amtiert Herr Arno Klingenberg als Bürgermeister und die Herren Erich Heinze als Hilfslehrer und Herr Oberlehrer Richard Seifert als Schulleiter. Die ortsansässige Gemeinde hatte im Kriege 1939 -1945 15 Gefallene und wartet noch auf 14 Vermisste, deren Schicksal in lastendes Dunkel gehüllt ist. Von den umquartierten Familien sind 7 Gefallene und 9 Vermisste zu nennen.

Zu Kirchenvorständen wurden bei der letzten Wahl am 17. 8. 1947 gewählt: Engel Helene; Kalix Ernst; Mehlig Karl; Richter Emil; Siering Otto; Hancke Frida; Kaul Martin; Richert August; Schreiber Else; Weber Otto.

Das Kirchneramt (Glöckner, Calcant44 , Totengräber) führt seit dem Tode ihres Vaters (1942), der es über 50 Jahre in großer Treue geführt hatte, auf seinen Wunsch Frau Helene Engel. Das Kantorenamt führt seit seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft im Herbst 1945 Herr Kantor Johannes Knolle, der schon seit 1928 Kantor von Gohlis ist und seinen Dienst in beiden Gemeinden mit großer Liebe und Treue zur Sache versieht. Sein Verdienst ist es auch, dass seit Januar 1947 in unserer Gemeinde ein gemischter Kirchenchor besteht (25 Mitglieder), der vor allem zu Festzeiten unsere Gottesdienste verschönen und Gottes Lob unter uns vermehren hilft. Die Besetzung der Pfarrstelle war folgende: Herr Pfarrer Ruppel, der die beiden letzten Urkunden von 1916 und 1933 verfaßte,45 amtierte noch bis September 1939, wo er in den Ruhestand trat. Sein Nachfolger im Amt wurde der damalige Vikar von Strehla und Umgebung Pfarrer Rudolf Eisert, der leider schon im Sommer 1942 in Rußland fiel. Große Hoffnungen und ein treuer Diener Gottes sanken mit ihm ins Grab, hatte er sich doch trotz so kurzer Amtszeit einer großen Beliebtheit in seiner Gemeinde erfreut. Bis 1943 war die Stelle vakant und wurde wechselnd durch Herrn Pfarrer Ruppel (Strehla), Matz (Röderau), Winkler (Leipzig) und Hodschura (geflüchtet aus Ungarn) versorgt.

Am 5. Oktober 1943 wurde Unterzeichneter, Kurt Ernst Lehmann, geboren am 8. März 1914 in Trünzig bei Werdau, vom Landeskirchenamt nach hier als in seine erste ständige Stelle versetzt und durch Herrn Superintendenten Ludwig (Oschatz) eingewiesen; konnte aber erst nach 8jähriger Militärzeit bei der Rückkehr aus der Gefangenschaft am 1. 9. 1945 sein Amt wirklich übernehmen.

Die Aufgaben, die uns als Kirchgemeinde gestellt waren und noch sind, sind sowohl innerlich wie auch äußerlich keine geringen. Der Verfall unserer kirchlichen Gebäude war weithin die Folge härtester Kriegsjahre und der damit verbundenen Verwüstungen, zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aber auch Ausdruck für unsere Lauheit und Gleichgültigkeit ihnen gegenüber. Wir haben, weil wir Gott nicht mehr heiß genug liebten, auch sein Haus zu wenig geliebt und gepflegt. Wir hätten die Folgen unserer Nachlässigkeit und unseres mangelhaften Opferwillens mit eigenen Kräften und Mitteln nicht beseitigen können durch Beschaffung der bis jetzt schon verausgabten 17.000 RM noch der gewiss noch nötigen 10 - 15.000 RM. Unser ehrlicher Dank gegen Gott, der uns zuletzt aus Gnaden auch durch Menschen so große Hilfe schenkte in unserem großen Bauvorhaben und die Herzen oft wie Wasserbäche lenkte, sei darum eine neue Liebe zu Gott und seinem Hause in unserer Mitte, eine freudige Opferwilligkeit, wo es um unsere auch in ihren äußeren Formen so schöne Kirche und ihre Erhaltung geht. Die schönste Zierde eines Gotteshauses aber ist eine sich treu und gern in ihm versammelnde Gemeinde; so allein wird wahr, was unser gegenwärtiger Monatsspruch uns sagt: „Herr, du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft."46

In dem Wissen, dass wo uns eine Zukunft geschenkt würde, es nur eine christliche sein kann und wird, grüßen wir unsere Nachfahren als Brüder und Schwestern in Christo und bitten für sie und und uns zu Gott, dass er uns Gnade schenke, Glauben zu können, was Paulus an die Epheser schreibt: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen."47

Lorenzkirch, am Tage da wir den Turm unsres Gotteshauses durch Kreuz und Knopf wieder schmücken dürfen, den 10. April des 1948sten Jahres nach der Geburt Christi

Curt Korn, Dachdeckermeister Oschatz; Friedrich Marschner, Dachdeckermeister Strehla; Erich Kühne, Klempnermeister Strehla; Rud. Obenaus, Baumeister; Karl Obenaus; Kurt Ernst Lehmann, Pfarrer; Otto Weber; Ernst Kalix; Emil Richter; Martin Kaul; Otto Süring; Karl Mehlig; August Richert; Else verw. Schreiber; Frida Hancke; Helene Engel; Oberlehrer Richard Seifert, Schulleiter.

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Anmerkungen

1
Es darf nicht verschwiegen werden, dass sich noch zwei weitere Geschwister einstellten, nämlich (als zweite Tochter) Sophie; sie wurde 1866 geboren und verstarb unverheiratet - wohl an Tbc - im Jahre 1887; sowie (als achter Sohn) Heinrich: er kam 1868 zur Welt und verstarb im gleichen Jahre.

2
Ecce Heft 24 (1919) S. 33-38.

3
In der Familie ist folgende Anekdote überliefert: Wenn Arndt besuchsweise im Lorenzkircher Pfarrhaus weilte, raunte die anderen sich zu: Gebt acht auf eure Schuhe! Stellt sie nicht im Hausflur ab! Sonst sammelt Arndt sie ein und nimmt sie mit nach Bethel!

4
So Oberkirchenrat Cordes in: Evangelisch-lutherisches Missionsblatt Jg. 82 (1927) S. 25 und Paul Fleisch: Hundert Jahre lutherische Mission. Leipzig 1936 S. 169.

5
Carl Paul: Die Parochie Lorenzkirch, in: Neue Sächsische Kirchengalerie. Ephorie Oschatz, hrsg. v. Georg Buchwald, Leipzig 1901 (künftig abgekürzt: NSG) Sp. 425-438.

6
NSG (wie Anm. 61) Sp. 191.

7
NSGSp. 383.

8
NSGSp. 403.

9
Gohlis seit eh und je, Kreinitz mit Jacobsthal hingegen seit 1887 (vgl. NSG Sp. 386f).

10
Neue Sächsische Kirchengalerie, Eph. Oschatz Sp. 426f.

11
Gedruckt in: Mülsener Kirchenblatt. Monatliche Nachrichten für die Kirchgemeinden des Mülsengrundes 3. Jg. (1927) S. 81f. desgleichen im Evangelischen Gemeindeblatt für Glauchau mit Rothenbach 17. Jg. (1927) S. 1024f.

12
Otto Eduard Schmidt: Kursächsische Streifzüge. 1. Aufl. Bd. 1. 1902 S. 10 - 12 u. S. 326 Anm. 3. In dem von ihm und I. L. Sponsel herausgegebenen Bilder - Atlas zur sächsischen Geschichte (Leipzig 1909) publizierte er (S. 94 Abb. 1) ein Photo, das ihm Pfarrer Paul überlassen hatte; es zeigt den "Leichenstein eines Eibschiffers in Lorenzkirch" (Leider wurde das Oberteil dieses schönen Grabsteins - es zeigte die Darstellung eines dreimastigen Segelschiffes -1997 gestohlen).

13
 Schmidt: Kursächsische Streifzüge. 3. Aufl. Bd. 3. 1924 S. 173-176.

14
Ohne Verfasserangabe: Lorenzkirch - sein Markt und sein Heimatmuseum, in: Die Schwarze Elster. Unsere Heimat in Wort und Bild einst und jetzt. Beilage zum Liebenwerdaer Kreisblatt (1913) Nr. 207. Vgl. Schmidt (wie Anm. 71) S. 175.

15
Mülsener Kirchenblatt 1927 S. 85.

16
Zu nennen ist hier vor allem das von ihm neu bearbeitete groß angelegte Werk von P. Dietel: Missionsstunden, das Paul unter dem Titel: Die Mission in unsern Kolonien, Bd. 1-5, Leipzig bzw. Dresden 1897 bis 1905 veröffentlichte. Weiteres ist bei Cordes (wie Anm. 62 S. 25f.) zu lesen.

17
Fleisch S. 169; Cordes formuliert: ,.Dem neuen Missionsdirektor lag als eine der ersten und wichtigsten Pflichten ob. die beiden Arbeitsfelder der Leipziger Mission zu besuchen und so eine genaue persönliche Kenntnis von ihnen sich zu erwerben. Diese Visitationsreise trat D. Paul Ende Juli 1912 an. Er besuchte zunächst die Stationen in Deutsch-Ostafrika. Den Hauptteil aber der Reise beanspruchte der Aufenthalt in Ostindien. ... Ende März 1913 traf er wieder in der Heimat ein."

18
Carl Paul: Die Leipziger Mission daheim und draußen, Leipzig 1914 S. 218.

19
Er starb am 09.10.1927 in Schweta; vgl. Evangelisch - lutherisches Missionsblatt 82. Jg. (1927) S. 249 - 253: Todesanzeige und Nachruf (verfasst von Missionsinspektor Weishaupt; er schrieb u.a.: "seine Angehörigen und nächsten Freunde wussten etwas davon, dass er in steter Sterbensbereitschaft lebte und dass ihn der Gedanke an sein Ende nicht schreckte"); Entsprechendes in: Mülsener Kirchenblatt 1927 S. 85.

20
Geboren wurde Johanna Gertrud Ullrich am 12.08.1890 in Hennersdorf als Tochter der Eheleute Dr. med. Karl Heinrich Ullrich und Johanna Luise geb. Schurig.

21
Als Ruheständler wohnte er gemeinsam mit seiner Frau in Leipzig. Helffrichstr. 14 E (so Leipziger Adressbuch von 1941) bzw. Käthe-Kollwitz-Str. 14 D (Adressbuch 1947/1948). Er beschäftigte sich viel mit Ahnenforschung. Er starb am 26.09.1956 und wurde auf dem Leipziger Südfriedhof begraben.

22
Datiert vom 04.09.1916. unterzeichnet vom Kirchenpatron Hans v. Egidy. dem Pfarrer und den Kirchvorstehern: aufbewahrt ist das Schriftstück im Pfarrarchiv unter Signatur ....

23
Die Herren v. Egidy waren seit 1814 als Besitzer des genannten Rittergutes die für Lorenzkirch zuständigen Kirchenpatrone.

24
Er hieß August Schreitmüller!

25
Der Taufengel erhielt nach dem Willen des Stifters die Gesichtszüge seiner Gemahlin, der Frau Elisabeth geb. Ruppel. Diese Vorgehensweise ist nicht als pure Willkür und Eigenmächtigkeit des Stifters zu erachten, sondern entsprach einem seit dem 14. Jahrhundert in der kirchlichen Kunst heimischen Brauch. Man bezeichnet derartige Darstellungen als versteckte oder verkleidete Porträts bzw. als Kryptoporträts oder Rollenporträts, besser aber als Simultanbildnisse (vgl. G. Müller: Simon von Kyrene - Kreuzträger, Pilger, Bauer, Augenzeuge und Typos der Nachfolge, in: Herbergen der Christenheit Bd. 15 (1985/1986) S. 62f.).

26
Diese Ansprache wurde abgedruckt im Strehlaer Wochenblatt vom 14.10.1920 (ein Exemplar im Pfarrarchiv Lorenzkirch), der Wortlaut aber der Predigt die er - wie er formulierte - Im "Trauergottesdienst aus Anlass des Friedens'' am 06.07.1919 in Lorenzkirch hielt, ist abschriftlich in meinen Händen.

27
Die Abschrift ist im Pfarrarchiv erhalten (Signatur: ...). Der Kirchenpatron wird in diesem Schriftstück nicht erwähnt- Auch Pfarrer Heinrich Ruppel begrüßte in seinem Buch: "Aus Strehlas vergangenen Tagen" (Bd. 1, 1936 S. 288ff.) die Machtergreifung Hiüers.

28
Im gleichen Protokoll ist vermerkt: ..Die Namensschilder auf den Kirchensitzen sollen entfernt werden." Wer hatte das angeregt oder gefordert? Und aus welchen Motiven heraus?

29
Beispielsweise wurde am 05.05.1928 in Frauenhain (anlässlich der 700-Jahrfeier) an dem bei der dortigen Kirche errichteten Fahnenmast "erstmals die neu eingeführte weiße Fahne mit dem veilchenblauen Kreuz in die Höhe" gezogen (so die handschriftliche Chronik meines Vaters Gotthelf Müller, damals Pfarrer in Frauenhain).

30
Er fugt hinzu: "Sämtliche der Kirche angehörenden Schulentlassenen wurden konfirmiert. Außerdem ließen sich zwei erwachsene Personen konfirmieren."

31
In seiner oben genannten Denkschrift vom 25.10.1919 führt er aus: ..Die große und die mittlere Glocke wurden im Kriege beschlagnahmt und sind im Juni 1917 nach dem Zerschlagen abgeliefert worden. Die kleine Glocke, die im Jahre 1890 vom verstorbenen Pfarrer Simeon Fürchtegott Paul als Taufglocke gestiftet wurde, ist noch erhalten. Da es kaum möglich ist. zwei neue Glocken herzustellen, die zu dieser Glocke passen, wird es zweckmäßig sein, ein neues aus drei Glocken bestehendes Geläut anfertigen zu lassen." In seinem Schreiben vom 18.08.1921 aber betont er. dass die kleine Glocke, die 1890 gegossen wurde. ..auch künftig als Taufglocke neben jenem (neu zu schaffenden) Geläut in Gebrauch bleiben" soll.

32
Es handelte sich um 4.000 Ansichtskarten, auf denen Kirche und Friedhof dargestellt waren; sie waren für 548,30 Mark hergestellt worden. Theodor Paul kannte diesen Künstler schon seit längerer Zeit. Er hatte ihn um 1912 mit der Ausgestaltung der Räumlichkeiten des Klosterhofes beauftragt. Von ihm stammte auch ein großes Ölgemälde, auf welchem die Elblandschaft von Gohlis bis hin nach Kreinitz dargestellt war. Es befand sich im Lorenzkircher Heimatmuseum (vgl. Die Schwarze Elster - wie Anm. 72 - Nr. 207).

33
Mag sein, dass dies Projekt an den Folgen der fortschreitenden Inflation scheiterte (dazu müssten weitere Akten studiert werden).

34
Theodor Paul besuchte diesen Manne in Leisnig. Nagler verfasste einen schönen Aufsatz mit der Überschrift: "Der Lorenzmarkt" und veröffentlichte diesen in der Zeitungsbeilage. Die Heimat. Blätter zur Pflege der Heimatliebe, der Heimatforschung und des Heimatschutzes. Monatsbeilage zum Meißner Tageblatt 5.Jg. Nr. 11.

35
Leider schreibt Heinrich Ruppel in seinen bereits erwähnten Lebenserinnerungen nur wenig über die Zusammenarbeit mit seinem Bruder Fritz. Immerhin erwähnt er, dass seine Tochter Eugenie mit dem Landwirt Paul Eger durch den Bruder Friedrich am 26. Juni 1934 in der Strehlaer Kirche getraut wurde.

36
Vgl. die Berichterstattung des Zeitzeugen und Chronisten Heinz Schöne: ..Die schweren Tage des Jahres 1945 in Lorenzkirch. Tagebuchaufzeichnungen von H. Schöne. Eibweg 12 Lorenzkirch - 15 Jahre alt" (maschinenschriftlich vervielfältigt). Seite 8. Pfarrer Lehmann hingegen schreibt in dem von ihm im hohen Alter verfassten Lebenslauf nichts von seinem oben geschilderten mutigen Verhalten. Doch hat er sich gesprächsweise im Kreis seiner Familie und auch gegenüber Herrn Heinz Schöne dazu bekannt.

36a
Wegen des Hissens der weißen Fahne am Kirchturm der kleinen sächsischen Gemeinde Gersdorf wurde Pfarrer Karl Talazko von SS-Leuten erschossen.

37
Zitiert nach Heinz Schöne, der in seiner Berichterstattung (vgl. Anm. 94) einen längeren Abschnitt aus diesem von Kurt Lehmann 1948 abgefassten Text wiedergibt.

Vgl. Ausführlicher Text oder "Auszug aus der Turmknopfbeigabe aus dem Jahre 1948 von Pfarrer Kurt Lehmann" in "Das Jahr 1945 in Lorenzkirch und Umgebung", Seite 72 - 75.

38
1951 wurde festgestellt: "Das Pfarrarchiv hat 1945 stark gelitten ... In Abwesenheit der Pfarrersfamilie wurde das Pfarrhaus geplündert und Archiv und Registratur zum größten Teil vernichtet."

39
Lehmann nahm ihn mit auf die Reise, um das liebe Tier besser zum Bahnhof und schließlich vom Riesaer Bahnhof bis hin nach Lorenzkirch bugsieren zu können.

40
Der Schriftsteller Theodor Plievier (bis 1933 hieß er Plivier) stand während der Weimarer Republik der KPD nahe. 1933 emigrierte er in die Sowjetunion und erhielt hier "den Auftrag für den offiziellen 'Stalingrad' - Roman." 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich in der Sowjetischen Besatzungszone nieder. Zwei Jahre später aber wandte er sich vom Kommunismus ab und begab sich in den Westen. Er starb am 12. 3. 1955 (vgl. Deutsches Literatur-Lexikon Bd. 12, 1990 Sp. 63-70).

41
Eine Ablichtung dieses Textes befindet sich im Pfarrarchiv Lorenzkirch (Signatur: A II 1. 1. 11). Sie wurde am 6. 3. 1992 anläßlich einer weiteren Turmreparatur durch Pfarrer Dieter Staub gefertigt.

42
Jeremia Kap. 32 Vers 42.

43
Gedichtet von Baudert, gedruckt im Herrnhuter Losungsbuch für den den 1. 4. 1948.

44
Bälgetreter; vgl. Meyers Konversations - Lexikon 4. Aufl. Bd. 9, 1890 S. 402.

45
Gemeint sind die in den Kirchturmknopf eingelegten Urkunden.

46
Buch der Offenbarung Kap. 4 Vers 11.

47
Brief an die Epheser Kap. 2 Vers 19.

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Pfarrer in Lorenzkirch seit der Reformation

1.

1541 - 1574

Rhau

gest. 1574

 

2.

1575 - 1586

Christoph Stark

 

 

3.

1586 - 1603

Christoph Hennig

gest. 1603

 

4.

1604 - 1616

Christoph Müller .

gest. 1616

 

5.

1617 - 1665

Gregorius Erdmann

geb. 1584
gest. 08.1665

 

6.

1665 - 1685

Zacharias Wagner

geb. 1627
gest.1686

 

7.

1687 - 1721

Georg Heinrich Sappuhn

geb. 12. 07.1660
gest. 01.05.1721

Tochter Charlotte Sophie
von Sappuhn heiratet
Johann Immanuel Schwarz

8.

1721 - 1762

Johann Immanuel Schwarz

geb. 11. 08.1696
gest. 02.04.1762

9.

1762 - 1781

Johann Theodor Herrmann

geb. 26.08.1723
gest. 1781

Schwiegersohn: von Schwarz

10.

1782 - 1823

Johann Christian Gottlieb Opitz

geb. 18. 11.1748
gest. 18. 10.1823

Schwiegersohn von Herrmann

11.

1824 - 1853

Christian Gotthelf Heyme 

geb. 24.04.1784
gest. 29.12.1872

Tochter Auguste Sophie
Pauline Heyme heiratet
Simeon Füchtegott Paul.

12.

1853 - 1887

Simeon Fürchtegott Paul

geb. 06. 08.1814
gest. 29.05.1890

Seit 1846 bei Christian
Gotthelf Heyme Pfarrvikar

13.

1887 - 1911

Carl Paul

geb. 04.02.1857
gest. 10.10.1927

Sohn von Simeon
Fürchtegott Paul

14.

1911 - 1939

Friedrich Ruppel

geb. 25.06.1875
gest. 26.09.1956

 

15.

1939 - 1942

Rudolf Eisert

gest. 1942

 

16.

1943 - 1949

Kurt Lehmann

gest. 28.02.1998

 

17.

1949 - 1955

Heinrich Müller

geb. 02.11.1902
gest. 1980

 

18.

1955 - 1963

Klaus Hartmann

geb. 11.12.1930

 

19.

1963 - 1977

Friedbert Hänsel

geb. 30.07.1937

 

20.

1977 - 1994

Dieter Staub

geb. 27.06.1932

gest.

 

21.

1994  - 2011

Renate Henke

geb. 28.07.1962

 

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M. Johann Immanuel Schwarz

Geboren am 11. August 1696 als Pfarrerssohn in Neunheiligen bei Langensalza, gestorben am 2. April 1762; von 1721 bis 1762 Pfarrer in Lorenzkirch.

Auszug aus Johann Georg Eck: Leben des Friedrich Immanuel Schwarzens, 1787, Seite 5 .

" ... ein Mann der sich durch Gelehrsamkeit und die größte Amtstreue eben so auszeichnete, als er durch seltene Leiden geprüft wurde. Die neun letzten Jahre seines Lebens war er blind, und langwierige und schmerzhafte Krankheiten quälten ihn. Seine ältesten versorgten Kinder raubte ihm der Tod. Im Juni 1761 zündete ein Wetterstral die Wirthschaftsgebäude seiner Wohnung an und legte sie in die Asche. Vor Schrecken fiel eine erwachsene Tochter sogleich todt zur Erde, und ihn, von einem Schlagfluße gelähmt, trug man aufs Feld, und überließ ihn den Stürmen des Ungewitters, indem man ihn der Gefahr zu verbrennen nicht anders entreissen konnte."

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