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Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Bremer Grundschulen in der IGLU

Zusatzstudie "Schulqualität Bremer Grundschulen“

Zusammenfassung der Forschungsergebnisse zum Systemvergleich zwischen Vollen Halbtagsgrundschulen (VHGS) und Verlässlichen Grundschulen (VGS) im Auftrag des Senators für Bildung und Wissenschaft Bremen vorgelegt von Prof. Dr. Heinz Günter Holtappels

Die folgenden Empfehlungen basieren zum einen ausschließlich auf den empirischen Forschungsbefunden auf der Basis der vorgenommenen Analysen in dieser Studie, zum anderen berücksichtigen sie bisherige Erkenntnisse der Schulentwicklungsforschung und -praxis.

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Entwicklungsbedarfe und Perspektiven für die pädagogische und konzeptionelle Arbeit auf der Ebene der Schulen

  1. Die pädagogischen Chancen eines zeitlich verlängerten Vormittags werden in einzelnen Schulen bzw. Klassen nicht optimal ausgeschöpft. Dies betrifft sowohl die Rhythmisierung des Schultags als auch die Weiterentwicklung der Lehr-Lern-Formen. Hier bedarf es offenbar eines gezielten Programms an Fortbildung zur Unterrichtsentwicklung und pädagogischen Gestaltung. Die Chancen der erweiterten Zeitorganisation sollten konsequenter für eine kind- und lerngerechte Rhythmisierung des Schulvormittags genutzt werden. Damit würde nicht nur eine Voraussetzung dafür geschaffen, dass die längere Schulzeit nicht zu überhöhten Belastungen bei den Kindern führt. Vielmehr eröffnet eine konsequente Rhythmisierung – insbesondere durch zeitliche Flexibilisierung - Chancen für eine Ausdifferenzierung der Lern- und Sozialformen, vor allem für offenen und binnendifferenzierten Unterricht. Eine teilweise zeitliche Parallelisierung von gleichartigen Phasen auf Jahrgangsebene (z.B. für Wahlpflichtangebote, Freie Gestaltung) eröffnet zudem Möglichkeiten für klassenübergreifendes Arbeiten.

  2. Entwicklungsbedarf besteht in einem größeren Teil der Schulen für Ansätze der Förderung und Differenzierung, die zu optimieren sind. Dies betrifft Formen der Individualisierung des Lernens und der Binnendifferenzierung ebenso wie die Entwicklung und den Einsatz von lesefördernden Hilfsmitteln und Strategien sowie die Vermittlung von Lernstrategien an Schüler/innen. Im Hinblick auf Förderansätze und Hausaufgaben zur Unterstützung der Basisfertigkeiten und Arbeitstechniken wird eine gezielte Förderung der Kinder durch verschiedene Förderansätze umso wirksamer sein, wenn diese in Verbindung mit alltäglichen unterrichtlichen Formen stehen. Eine individuelle Förderung verlangt, dass gezielte Fördermaßnahmen mit binnendifferenzierten Formen (z.B. Freiarbeit, Wochenplan, Stationenlernen) korrespondieren, die wiederum die Verbindung zu Hausaufgaben haben bzw. Übungsaufgaben in den Vormittag teilweise integrieren. Betreuungsphasen sollten zum Teil auch für Fördermaßnahmen produktiv genutzt werden.

  3.  Die Entwicklung einer differenzierten Lernkultur in den Schulen beider Formen muss dringend weiter voran gebracht werden, zumal sich eine differenzierte Lehr-Lern-Praxis als hochgradig relevant zeigt, um herkunfts- und migrationsbedingte Faktoren auszugleichen und bessere Schülerleistungen hervorzubringen. Zugleich wird die Notwendigkeit systematischer Unterrichtsentwicklung unter Beachtung effektiver Qualitätsmerkmale der Unterrichtsgestaltung sichtbar. Schulprogrammarbeit sollte mit dezidierter Unterrichtentwicklung und der Erarbeitung von spezifischen Förderkonzepten in Lern- und Sprachförderung einher gehen.

  4. Die Kooperation von Lehr- und Betreuungspersonal innerhalb der Schulen muss generell intensiviert und für konzeptionelle Entwicklungsarbeit genutzt werden. Die lernbezogenen Aktivitäten und Fördermaßnahmen zur Stärkung der Basiskompetenzen und der Entwicklung von Lernstrategien bei den Lernenden müssen in Betreuungszeiten höhere Bedeutung erlangen, um das Förderungspotenzial der Schulen zu stärken. Schulinterne Fortbildungsmaßnahmen für eine gemeinsame konzeptionelle Entwicklung sowie Qualifizierungsmaßnahmen für Betreuungspersonal sind angezeigt. Dies müsste flankiert werden von Fortbildungsmaßnahmen für Managementaufgaben von Schulleitungen und Steuergruppen.

  5. Die Entfaltung einer differenzierten Lehr-Lern-Praxis und erzieherischer Arrangements für soziales Lernen benötigt ausreichende Entwicklungszeit und entsprechende personelle Kompetenzen. Dazu wird intensives Kooperationshandeln der Lehrkräfte erforderlich. Es hat sich erwiesen, dass diese Entwicklungsarbeit am besten in Kleinteams (Klassenleitungstandem, Jahrgangsteams, Doppelbesetzungen) vorangebracht werden kann. Den Schulen wäre zu empfehlen, soweit wie möglich solche festen Teambildungen zu institutionalisieren. Dabei sollten Teilungs- und Differenzierungsstunden hinreichend gewährt und zumindest teilweise für die Teamarbeit in Doppelbesetzung in der Gesamtklasse genutzt werden, um gemeinsam ein erweitertes Lehrerrepertoire zu entwickeln sowie Schülerbeobachtung, Lernentwicklungsdiagnosen und individuelle Förderung zu intensivieren. Teambildungen können ausschließlich das Lehrpersonal betreffen, aber auch für Lehr- und Erziehungspersonal greifen. Eine intensive Arbeit in Doppelbesetzungen ist nicht zwingend in einer hohen Anzahl an Wochenstunden erforderlich; Doppelbesetzungen können bereits mit vier bis acht Wochenstunden pro Klasse effektiv sein. Doppelbesetzungen bewirken ohnehin nicht allein ein lernförderliches Unterrichten. Die Schulen müssen dazu gebracht werden, weitere Teamformen, eine intensive Praxis in differenzierenden Lernformen und fachspezifische Fördermaßnahmen zu etablieren.

  6. Die verschiedenen Fördermaßnahmen und der muttersprachliche Unterricht stehen aufgrund des damit verbundenen Personaleinsatzes verschiedener Pädagog/innen oft in einem Spannungsverhältnis mit einer konsequenten kind- und lerngerechten Rhythmisierung des Vormittags. Grundlegende Neustrukturierungen des Personaleinsatzes oder der Tagesorganisation wären hier überlegenswert. Das Einfügen von Förderbändern in den Wochenstrukturplan sowie eine Konzentration verschiedener Fördermaßnahmen auf nur wenige Lehrpersonen bzw. Teammitglieder stellen gegebenenfalls Auswege dar. Den Schulen sollten Organisationshilfen bereit gestellt werden.

  7. Eine inhaltliche Konkretisierung der möglichen pädagogischen Ausgestaltung und der organisatorischen Realisierungsmöglichkeiten in einem Halbtagsbetrieb – etwa über Handreichungen, Schulbeispiele und Austauschforen zwischen Schulen – erscheint als Impulsgeber notwendig. Erforderlich wäre die Festlegung von Mindesterfordernissen und Grenzziehungen, aber auch Möglichkeiten für flexible Handhabungen auf der Basis pädagogischer Begründungen im Schulkonzept oder im Schulprogramm. Notwendige Entwicklungsbereiche wären vor allem Förderungskonzepte und Förderdiagnostik, variable Möglichkeiten der Differenzierung, Entwicklung von differenzierten Lehr-Lern-Formen im Unterricht, offene Anfangsphasen und Schulraumgestaltung.

  8. Die erweiterte Schulzeit fordert stärker als in konventionellen Grundschulen die räumliche Gestaltung der Schule als Lebens- und Aufenthaltsraum mit zugleich anregender Lernumgebung, was sich sowohl auf die wohnlich-ästhetische Gestaltung von Schulräumen als auch auf die Nutzungsqualität der Schulräume und des Schulgeländes bezieht.

  9. Die Kooperation zwischen Schule und außerschulischen Lernstandorten und Partnern scheint bereits gut ausgebaut, sollte im Sinne einer Nutzung von pädagogischen Ressourcen aber noch weiter intensiviert werden. Dies betrifft auch die Kooperation mit Bremer Lernwerkstätten, da besonders die pädagogische Qualität von offenen Anfangsphasen und Zeiten mit offenen Unterrichtsformen davon abhängt, inwieweit entsprechende Lernaufgaben und differenzierte Lern- und Spielmaterialien entwickelt und dargeboten werden. Gerade in Schulen mit einem additiven Halbtagsschulkonzept, wie dies in der VGS der Fall ist, wäre erwartbar, dass Zusammenarbeit mit Institutionen der Jugend- und Kulturarbeit und außerschulische Lernorte stärker für die pädagogische Arbeit genutzt werden. Insgesamt wird für beide Schulformen nicht erkennbar, ob Ansätze der Öffnung der Schule im Schulkonzept verankert sind und den Halbtagsbetrieb stützen; hier sind offenbar noch konzeptionelle und quantitative Optimierungenmöglich.

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Strukturell-organisatorische Gesamtentwicklung

  1. Die Bremer Grundschulen zeigen sich in der Qualität der Lernkultur durchaus als entwickelt und sind in dieser Hinsicht mit Grundschulen anderer Länder in etwa vergleichbar. Auch werden Schulqualität und Aufgabenerfüllung von Eltern tendenziell positiv bewertet; sowohl in Merkmalen der Schulqualität und grundschulpädagogischer Arbeitsformen als auch bezüglich spezifischer Gestaltungsmerkmale von Halbtagsgrundschulen fällt die Bewertung jedoch ungünstiger aus als bei der VHGS der Hamburger Grundschulreform. Die VHGS in reduzierter Form und besonders die Betreuungsform der VGS reichen an voll ausgebaute Halbtagsschulformen anderer Länder (wie in Hamburg, Rheinland-Pfalz) nicht heran. Zudem sind lernbezogene Aktivitäten in Betreuungsphasen zumindest in der VGS gegenüber Spiel und Freizeit unzureichend. Es erscheint daher angezeigt, die von Lehrkräften gestaltete Lernzeit über zusätzliche Lehrerstunden sowie ggf. die Anhebung der Schülergrundstunden spürbar auszuweiten, um mehr Zeit speziell für fachliches Lernen und Lernförderung zu gewähren. Doppelbesetzungen mit Lehr- bzw. Förderpersonal im Unterricht scheinen auch zukünftig in angemessenem Umfang erforderlich zu sein, um intensive Förderung für alle Grundschulkinder, vor allem für Lernschwächere, zu garantieren. Die Forschungsergebnisse deuten in der Gesamtschau darauf hin, dass die über den Pflichtunterricht hinaus gehenden Betreuungsphasen offenbar nur geringe oder keine pädagogische Effekte für den Lernprozess und die Lernleistungen der Schüler/innen haben, zugleich aber den Schulen organisatorischen Aufwand aufbürden.

  2. Die integrierte Form der VHGS zeigt nicht durchgängig, aber in entscheidenden Qualitätsbereichen bessere Ergebnisse als die VGS, und zwar sowohl in der Gestaltungsqualität der Lernkultur (z.B. differenzierte Lehr-Lern-Praxis, Variabilität der Lernformen, grundschulpädagogische Arbeitsformen) als auch in der Ergebnisqualität (Fachleistungen, Schülerverhalten in der Elternbeobachtung). Zudem wird in der VHGS ein günstigeres Organisationsmilieu sichtbar: Teambildungen und Lehrerkooperation, Innovationsbereitschaft und konzeptorientierte Arbeit sind in den VHGS spürbar stärker ausgeprägt. Auch das Elternvotum für die Weiterentwicklung spricht deutlich eher für eine Halbtagsgrundschule im integrierten Modell für alle Kinder, während die freiwillige Betreuungsform nur bei einer Minderheit auf Akzeptanz trifft. Empfohlen wird daher eine Weiterentwicklung in Richtung eines obligatorischen Modells einer Halbtagsbeschulung mit deutlichen Akzenten auf Lernförderung, zumindest aber die Ausbildung ausgedehnterer Kernzeiten pro Schulwoche, in denen alle Kinder obligatorisch die Schule besuchen bzw. unterrichtet werden. Es wäre zu prüfen, ob im festen Zeitrahmen von fünf Zeitstunden nicht zumindest in einigen Schulen schulspezifisch für alle Kinder der Schule eine gleiche Schulzeit eingeführt werden kann; dies betrifft vor allem Schulen mit hoher Teilnahmequote in freiwilligenZeiten.

  3. Die Halbtagsgrundschule in beiden Grundschulformen kann in sozialpolitischer Hinsicht bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach Elternangaben als Erfolg bezeichnet werden. Die Teilnahmequoten der Kinder an freiwillig in Anspruch zu nehmenden Betreuungszeiten sollten in beiden Schulformen zu steigern sein, was sowohl für eine effektive pädagogische Arbeit in heterogenen Lerngruppen als auch hinsichtlich eines besseren Auslastungsgrades von Angebotselementen sinnvoll erscheint. Zudem sollte geprüft werden, wie durch weitere ergänzende und geeignete pädagogische Angebote der über Mittag hinaus gehende zeitliche Betreuungsbedarf großer Teile der Elternschaft abgedeckt werden kann; ob davon zusätzliche Fördereffekte ausgehen, hängt freilich von den inhaltlichen Gestaltungselementen ab.

  4. Die sich bislang als unterentwickelt darstellende Konzeptarbeit muss vorangebracht und in systematische Formen der Schulentwicklungsarbeit integriert werden. Dazu bedarf es dringend steuernder Maßnahmen: Alle Schulen sollten ein Schulprogramm erarbeiten und in einem überschaubaren Zeitraum genehmigungspflichtig vorlegen; das pädagogische Konzept der Halbtagsgestaltung sollte darin integriert sein. Wie neue Studien zeigen, haben sich bestimmte verbindliche Bestandteile in den schriftlichen Schulprogrammen bewährt: Bestandsaufnahme, Zielstellungen mit verbindlicher Entwicklungsplanung in konkreten Schwerpunkten, Unterrichtsentwicklung als verbindlicher Bestandteil, Fortbildungs- und Evaluationsplan. Konsequente Schulprogrammarbeit und Evaluation muss dezidiert mit gezielter Unterrichtsentwicklung und Fortbildungsplanung einher gehen.

  5. Für die Unterstützung einer systematischen Schulentwicklungsarbeit werden entsprechende Vorgaben der Steuerungsebene, zugleich aber ausgebaute Unterstützungssysteme (durch Schulentwicklungsberater/innen für Schulen) benötigt. Außerdem müssen Schulprogrammarbeit und schulinterne Evaluation flankiert werden durch einen intensiven Dialog zwischen Einzelschule und Schulinspektion.

  6. Schulräumliche Verbesserungen und Materialausstattungen sollten über Investitionen bereit gestellt werden. Bedeutsam ist die Gestaltung einer anregenden Lernumgebung im Klassenraum in Verbindung mit differenzierten Lern- und Spielmaterialien. Die ausgeprägten sozioökonomischen Einflussgrößen auf die Lernleistungen verweisen auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Lehrmittelausstattung an den Schulen, da der Einsatz von spezifischen Fördermaterialien (vor allem Lesematerialien) einen kompensatorischen Effekt haben kann, da in einem beträchtlichen Teil der Familien die Lernunterstützung und das Lernmaterial nicht vorhandensind.

  7. Die Lehrerarbeitszeitberechnung nach 45-Minuten-Einheiten erweist sich allzu oft als zusätzliches Hemmnis für eine pädagogisch angemessene flexible Rhythmisierung des Schulvormittags nach anderen und wechselnden Zeiteinheiten. In die weiteren Überlegungen zur Weiterentwicklung der VHGS sollten daher Möglichkeiten einer Flexibilisierung der Lehrerarbeitszeitberechnung einbezogen werden. Dazu bedarf es jedoch eines überzeugenden Konzepts, Organisationshilfen für Berechnungsmodelle und einer intensiven Vordiskussion mit Schulen und Verbänden. Umfassende Modellversuchserfahrungen liegen aus Hessen über Präsenzzeitmodelle in Verbindung mit festen Öffnungszeiten in Grundschulen vor.

  8. Für den Zuschnitt von Schuleinzugsbezirken wäre im Rahmen der strukturellen Schulentwicklungsplanung darauf zu achten, dass eine hinreichende soziokulturelle Durchmischung der Schülerschaft erreicht wird, um einseitigen Problemkonzentrationen vorzubeugen.

  9. In Stadtteilen mit ausgeprägtem Migrationshintergrund oder mit soziokulturellen Benachteiligungen müssen schulbezogene Maßnahmen flankiert werden durch intensive Sprachförderung im Elementarbereich, gezielte Elternarbeit und soziale Unterstützung über Jugendhilfe und Sozialarbeit.

Dortmund, Januar 2004

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