Öl auf Leinwand, 185,1 x 128,6 cm
The Metropolitan Museum of Art, New York
Die
Dargestellte steht dem Betrachter frontal gegenüber. Mit einer gezierten Geste
führt sie einen kleinen Veilchenstrauß zur Nase, um dessen Duft zu genießen.
Dabei hält sie jedoch inne und blickt aufmerksam aus dem Bild. Der leicht
geneigte Kopf und der ruhige, geschlossene Mund verleihen der Frau zugleich
einen träumerischen Ausdruck. So entsteht eine Spannung zwischen dem Betrachter
und der Frau, die ihn anspricht und ihm zugleich rätselhaft fremd bleibt.
Die
junge Frau steht vor einem neutralen grauen Hintergrund, der von unten nach oben
immer dunkler wird. Er definiert keine Tiefe und beschreibt keinen Ort, sondern
macht sich unsichtbar, damit die Figur umso stärker in den Vordergrund tritt.
Nur der Papageienständer wirft einen Schlagschatten nach rechts und definiert
die Distanz zwischen der Frau und dem Betrachter, ohne sich jedoch zwischen sie
zu schieben. Dieser Hintergrund isoliert die Junge Frau 1866 aus jedem
realistisch erzählenden Zusammenhang und hebt sie auf eine höhere Ebene: Sie
wird, wie der Titel betont, zu einer exemplarischen Frauengestalt ihrer Zeit,
die durch zahlreiche Anspielungen mit der Geschichte der Kunst verbunden ist. So
könnte sie neben aller zeitgenössisch-erotischen Ausstrahlung zugleich - wie im
17. Jahrhundert - als Allegorie der fünf Sinne gedeutet werden.
Emile Zola beschreibt die
besondere Qualität von Manets Bild so: "... äußerste Schlichtheit und
Genauigkeit, klare und zarte Darstellung. ... Der sehr weite, kostbare
Morgenrock fällt mit unendlicher Grazie und ist eine wahre Augenweide. Die
Haltung der jungen Frau strahlt einen unbeschreiblichen Reiz aus."
Text auszugsweise entnommen
aus Monet und Camille – Frauenportaits im Impressionismus - 2005 Hirmer