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Auszug aus "Der Gott der kleinen Dinge"

Von Arundhati Roy

Aus dem Englischen von Anette Grube
ISBN 3-442-72468-6
Auszug aus dem Kapitel "Der Gott der kleinen Dinge" Seite 248 - 256 und im Schlusskapitel Seite 377 - 378.
ISBN  0 00 655068 1
Chapter "The God of Small Things" page 216 -223 and in the last chapter page 338.

Arundhati Roy 16.01.04

Bild groesser

 

Das Meer war schwarz, die Gischt grün wie Erbrochenes.

Fische fraßen das zerbrochene Glas.

Die Nacht stützte die Ellbogen auf das Wasser, und herabstürzende Sterne warfen funkelnde Splitter ab.

Falter erhellten den mondlosen Himmel.

Er konnte mit seinem einen Arm schwimmen. Sie mit zwei Armen.

Seine Haut war salzig. Ihre auch.

Er hinterließ keine Spuren im Sand, keine Wellen im Wasser, kein Abbild in Spiegeln.

Sie hätte ihn mit den Fingern berühren können, aber sie tat es nicht. Sie standen nur beieinander.

Still.

Haut an Haut.

Eine pudrige farbige Brise hob ihr Haar an und wehte es wie einen welligen Schal um seine armlose Schulter. Die abrupt endete, wie eine Klippe.

Eine magere rote Kuh mit hervorstehenden Beckenknochen tauchte auf und schwamm hinaus aufs Meer, ohne ihre Hörner nass zu machen, ohne zurückzublicken...

The sea was black, the spume vomit green.

Fish fed on shattered glass.

Night's elbows rested on the water, and falling stars glanced off its brittle shards.

Moths lit up the sky. There wasn't a moon.

He could swim, with his one arm. She with her two.

His skin was salty. Hers too.

He left no footprints in sand, no ripples in water, no image in mirrors.

She could have touched him with her fingers, but she didn't. They just stood together.

Still.

Skin to skin.

A powdery, coloured breeze lifted her hair and blew it like a rippIed shawl around his armless shoulder, that ended abruptly, like a cliff.

A thin red cow with a protruding pelvic bone appeared and swam straight out to sea without wetting her horns, without looking back…

"Sollen wir sie aufwecken?" fragte Estha.

Streifen des spätnachmittäglichen Lichts schlichen sich durch die Vorhänge ins Zimmer und fielen auf Ammus mandarinenförmiges Transistorradio, das sie immer mit zum Fluss nahm. (Mandarinenförmig war auch das Ding gewesen, das Estha in seiner klebrigen anderen Hand in Meine Lieder, meine Träume getragen hatte.)

Helle Sonnenlichtstreifen brachten Ammus zerzaustes Haar zum Glänzen. Sie wartete unter der Haut ihres Traumes, wollte ihre Kinder nicht hereinlassen.

"Sie hat gesagt, man soll träumende Menschen langsam aufwecken", sagte Rahel. "Sonst kriegen sie leicht einen Herzinfarkt."

Sie beschlossen, dass es am besten wäre, sie diskret zu stören, statt sie abrupt zu wecken. Sie öffneten Schubladen, sie räusperten sich, sie flüsterten laut, sie summten eine kleine Melodie. Sie verrückten Schuhe. Und fanden eine Schranktür, die quietschte.

Ammu, die sich unter der Haut ihres Traumes ausruhte, beobachtete sie und liebte sie so sehr, daß es weh tat...

'Should we wake her up?' Estha said.

Chinks of Iate afternoon light stole into the room through the curtains and fell on Ammu's tangerine-shaped transistor radio that she always took with her to the river. (Tangerine-shaped too, was the Thing that Estha carried into The Sound of Music in his sticky Other Hand.)

Bright bars of sunlight brightened Ammu's tangled hair. She waited, under the skin of her dream, not wanting to let her children in.

'She says you should never wake dreaming people suddenly,' Rahel said. 'She says they could easiy have a Heart Attack.'

Between them they decided that it would be best to disturb her discreetly, rather than wake her suddenly. So they opened drawers, they cleared their throats, they whispered loudly, they hummed a little tune. They moved shoes. And found a cupboard door that creaked.

Ammu, resting under the skin of her dream, observed them and ached with her love for them…

In der blauen, mit Lichtkanten verzierten Kreuzstichdunkelheit, mit Kreuzstichrosen auf Ammus schläfriger Backe sangen sie und die Zwillinge (Ammu zwischen ihnen) leise mit dem Mandarinenradio. Das Lied, das die Fischersfrauen für die traurige junge Braut sangen, während sie ihr Haar flochten und sie für die Hochzeit mit einem Mann vorbereiteten, den sie nicht liebte.

   Pandoru mukkavan muthinu poyi,
   (Einst fuhr ein Fischer hinaus aufs Meer,)
   Padinjaran kattathu mungi poyi
   (Der Westwind wehte und verschlang sein Boot.)

Ein Flughafenfeenkleid stand auf dem Boden, gestützt von der eigenen wolkigen Steifheit. Draußen auf dem mittam lagen frisch gewaschene Saris und trockneten in der Sonne. Eierschalenfarben und gold. Kleine Steinchen versteckten sich in den gestärkten Falten und mussten herausgeschüttelt werden, bevor die Saris zusammengelegt und zum Bügeln ins Haus getragen wurden...

In the blue cross-stitch darkness laced with edges of light, with cross-stitch roses on her sleepy cheek, Ammu and her twins (one on either side of her), sang softly with the tangerine radio. The song that fisherwomen sang to the sad young bride as they braided her hair and prepared her for her wedding to a man she didn't love.

   Pandoru mukkuvan muthinu poyi,
   (Once a fisherman went to sea,)
   Padinjaran kattathu mungi poyi,
  (The West Wind blew and swallowed his boat,)

An Airport Fairy frock stood on the floor, supported by its own froth and stiffness. Outside in the mittam, crisp saris lay in rows and crispened in the sun. Off-white and gold. Small pebbles nestled in their starched creases and had to be shaken out before the saris were folded and taken in to be ironed…

"Da hat Estha dich getreten und da ich", sagte Rahel. "Und da Estha und da ich."

Sie teilten die sieben Schwangerschaftsstreifen ihrer Mutter unter sich auf Anschließend küsste Rahel Ammus Bauch und saugte das weiche Fleisch in ihren Mund, dann zog sie den Kopf zurück und bewunderte das glänzende Oval aus Spucke und den schwachen roten Abdruck ihrer Zähne auf der Haut ihrer Mutter.

Ammu staunte über die Transparenz dieses Kusses. Es war ein Kuß so klar wie Glas. Ungetrübt von Leidenschaft und Begehren - diesen zwei Hunden, die so fest in Kindern schlafen und darauf warten, dass sie erwachsen werden. Es war ein Kuss, der keinen Kuss zurückforderte.

Kein Kuss umwölkt von Fragen, die nach Antworten verlangten. Wie die Küsse gutgelaunter einarmiger Männer in Träumen.

Ammu wurde der besitzergreifenden Behandlung überdrüssig. Sie wollte ihren Körper zurück. Er gehörte ihr. Sie schüttelte ihre Kinder ab wie eine Hündin, die ihre jungen abschüttelt, wenn sie genug von ihnen hat. Sie setzte sich auf und drehte ihr Haar im Nacken zu einem Knoten. Dann schwang sie die Beine aus dem Bett, ging zum Fenster und zog die Vorhänge auf.

Schräges Nachmittagslicht durchflutete das Zimmer und fiel auf zwei Kinder im Bett.

Die Zwillinge hörten, wie Ammu die Tür zu ihrem Badezimmer abschloss.

Klick...

'That's Estha's kick, and that's mine,' Rahel said. '… And that's Estha's and that's mine.'

Between them they apportioned their mother's seven silver stretchmarks. Then Rahel put her mouth on Ammu's stomach and sucked at it, pulling the soft flesh into her mouth and drawing her head back to admire the shining oval of spit and the faint red imprint of her teeth on her mother's skin.

Ammu wondered at the transparence of that kiss. It was a clear-as-glass kiss. Unclouded by passion or desire - that pair of dogs that sleeps so soundly inside children, waiting for them to grow up. It was a kiss that demanded no kiss-back.

Not a cloudy kiss full of questions that wanted answers. Like the kisses of cheerful one-armed men in dreams.

Ammu grew tired of their proprietary handling of her. She wanted her body back. It was hers. She shrugged her children off the way a bitch shrugs off her pups when she's had enough of them. She sat up and twisted her hair into a knot at the nape of her neck. Then she swung her legs off the bed, walked to the window and drew back the curtains.

Slanting afternoon light flooded the room and brightened two children on the bed.

The twins heard the lock turning in Ammu's bathroom door.

Click…

Sie löste den Knoten in ihrem Haar und drehte sich um, um zu sehen, wie lang es gewachsen war. Es fiel, in Wellen und Locken und unfügsamen krausen Strähnen - innen weich, außen spröder -, bis zu der Stelle unterhalb ihrer Taille, an der sie sich zu den Hüften verbreiterte. im Badezimmer war es heiß. Kleine Schweißperlen schmückten ihre Haut wie Diamanten. Dann wurden sie zu schwer und tropften an ihr hinunter. Schweiß rann die Vertiefung ihres Rückgrats hinab. Sie betrachtete etwas kritisch ihren runden, schweren Po. Als solcher war er nicht groß. Nicht groß per se (wie Oxford-Chacko es zweifellos ausrückt hätte). Groß nur, weil sie überall sonst so schlank war. Er gehörte zu einem anderen, sinnlicheren Körper.

Sie musste zugeben, dass ihre Pobacken problemlos jeweils eine Zahnbürste halten würden Vielleicht sogar zwei. Bei dem Gedanken, nackt mit vielen bunten Zahnbürsten, die unter ihren Pobacken steckten, durch Ayemenem zu laufen, musste sie laut herauslachen. Sie brachte sich sofort wieder zum Schweigen. Sie sah, wie eine Spur Wahnsinn aus der Flasche entkam und triumphierend im Badezimmer Kapriolen schlug...

She undid her hair and turned around to see how long it had grown. It fell, in waves and curls and disobedient frizzy wisps - soft on the inside, coarser on the outside - to just below where her small, strong waist began its curve out towards her hips. The bathroom was hot. Small beads of sweat studded her skin like diamonds. Then they broke and trickled down. Sweat ran down the recessed line of her spine. She looked a little critically at her round, heavy behind. Not big in itself. Not big per se (as Chacko-of-Oxford would no doubt have put it). Big only because the rest of her was so slender. It belonged on another more voluptuous body.

She had to admit that they would happily support a toothbrush apiece. Perhaps two. She laughed out loud at the idea of walking naked down Ayemenem with an array of coloured toothbrushes sticking out from either cheek of her bottom. She silenced herself quickly. She saw a wisp of madness escape from its bottle and caper triumphantly around the bathroom…

Und das, was Ammu wusste (oder zu wissen glaubte), roch nach schalen Essigdämpfen, die von den Betontrögen voll Paradise Pickels aufstiegen. Dämpfen, die die Jugend zum Verwelken brachten und die Zukunft sauer einmachten.

In der Kapuze aus ihre eigenen Haar lehnte sich Ammu an sich selbst im Badezimmerspiegel und versuchte zu weinen.

Um sich selbst.

Um den Gott der kleinen Dinge.

Um die mit Puderzucker bestäubten Zwillingshebammen ihres Traumes...

And what Ammu knew (or thought to knew), smelled of the vapid, vinegary fumes that rose from the cement vats of Paradise Pickels. Fumes that wrinkled youth and pickled futeres.

Hooded in her own hair, Ammu leaned against herself in the bathroom mirror and tried to weep.

For herself.

For the God of Small Things.

For the sugar-dusted twin midwives of her dream.

Er faltete seine Angst in eine vollkommende Rose. Er hielt sie ihr auf die Handfläche hin. Sie nahm sie und steckte sie sich ins Haar.

Sie rückte näher, wollte in ihm sein, mehr von ihm berühren. Er holte sie in die Wölbung seines Körpers. Vom Fluss wehte eine Brise heran und kühlte ihre warmen Körper.

Sie war ein bisschen kalt. Ein bisschen nass. Ein bisschen still. Die Atmosphäre.

Aber was gab es zu sagen?

Eine Stunde später stand Ammu vorsichtig auf.

"Ich muss gehen."

Er sagte nichts, rührte sich nicht. Er sah zu, wie sie sich anzog.

Nur eines war jetzt wichtig. Sie wussten, dass es alles war, was sie voneinander verlangen konnten. Nur dies eine. Jemals. Sie wussten es beide.

Auch später, in den dreizehn Nächten, die auf die erste Nacht folgten, hielten sie sich instinktiv an die kleinen Dinge. Die großen Dinge lauerten allzeit in ihrem Inneren. Sie wussten, dass sie nirgendwo hingehen konnten. Sie hatten nichts. Keine Zukunft. Deswegen hielten sie sich an die kleinen Dinge.

He folded his fear into a perfect rose. He held it out in the palm of his hand. She took it from him and put it in her hair.

She moven closer, wanting to be within him, to touch more of him. He gathered her into the cave of his body. A breeze lifted off the river and cooled their warm bodies.

It was a little cold. A little wet. A little quiet. The Air.

But what was there to say?

An hour later Ammu disengaged herself gently.

'I have to go.'

He said nothing, didn't move. He watched her dress.

Only one thing mattered now. They knew that it was all they could ask each other. The only thing. Ever. They both knew that.

Even later, on the thirteen nights that followed this one, instinclively they stuck to the Small Things. The Big Things ever lurked inside. they knew that there wasnowwhere for them to go. They had nothing. No future. So they stuck to the small things.

 

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