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»Erstaunliche Rigidität des Urteils«

Neoliberale Dogmen erhalten verfassungsrechtliche Weihen. Ein Gespräch mit Peter Grottian

Peter Grottian ist Professor für Politologie an der Freien Universität Berlin und Sprecher der Initiative Berliner Bankenskandal

Das Bundesverfassungsgericht hat Finanzhilfen des Bundes für das mit 60 Milliarden Euro verschuldete Berlin abgelehnt. Überrascht Sie das?

In zweierlei Hinsicht. Eigentlich war ich fest davon ausgegangen, daß die extreme Haushaltsnotlage der Stadt zumindest symbolisch anerkannt werden und sich daran ein langgestreckter Verhandlungsprozeß zwischen Bund und Berlin anschließen würde. Mehr noch erstaunt mich aber die Rigidität des Richterspruchs, weil er dem Land ein knallhartes Sparprogramm auf der Ausgabenseite diktiert, ohne die Einnahmeseite auch nur zu berücksichtigen.

Welches Signal geht davon aus?

Mit der Entscheidung wird das neoliberale Dogma, staatliche Aufgaben auf ein Minimum zu reduzieren, praktisch zum Regierungsauftrag erklärt – ganz egal, mit welchen sozialen Zumutungen und Verwerfungen dies einhergeht. Das Gericht hat ein bedingungsloses Autonomieprinzip der Länder dekretiert. Dieses besagt: Wenn ein Land, aus welchen Gründen auch immer, in eine Haushaltsnotlage gerät, muß es sich gefälligst selbst aus dem Schlammassel ziehen. Damit sind auch die beiden seinerzeit zugunsten Bremens und des Saarlands getroffenen Verfassungsgerichtsurteile faktisch revidiert.

Die Karlsruher Richter sehen in Berlin noch längst nicht alle Einsparpotentiale ausgeschöpft, speziell in den Bereichen Kultur, Hochschulen und Wissenschaft. Was läßt dies für die Zukunft fürchten?

Das hängt von der Reaktion der Regierenden ab: Der SPD-PDS-Senat kann sich dafür entscheiden, das neoliberale Diktat aus Karlsruhe auf Teufel komm raus durchzuziehen, so wie es Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ohnehin immer vorschwebte. Oder die Verantwortlichen versuchen, eine breite und vernünftige Debatte über Lösungen anzuregen, die für die Regierenden bis dato nicht in Frage gekommen sind.

Woran denken Sie dabei?

Wenn Karlsruhe den Ländern schon ein Höchstmaß an Haushaltsautonomie abverlangt, dann müßte dies auch für die Einnahmenseite gelten. Dabei denke ich beispielsweise an eine Notlagensteuer, mit welcher Spitzenverdiener und Unternehmer zur Finanzierung des Berliner Gemeinwesens herangezogen werden könnten. Ein weiterer Vorschlag wäre ein Moratorium für den Schuldendienst.

Was könnte das Urteil für die Berliner Linkspartei im Falle einer fortgesetzten Regierungsbeteiligung bedeuten?

Auf das Verhalten der Ex-PDS darf man gespannt sein. Ich gehe davon aus: Wenn sich die Regierung den Karlsruher Vorgaben bedingungslos beugt, wenn sie alle öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften verscherbelt, wenn sie Hartz-IV-Empfänger mit neuen Demütigungen traktiert, Studiengebühren einführt und die Bildungs-, Hochschul- und Kulturausgaben weiter kürzt – dann wird die Linkspartei bei den nächsten Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Interview: Ralf Wurzbacher
junge Welt vom 20.10.2006

Bundesverfassungsgericht verwirft Finanzklage Berlins -  Schallende Ohrfeige

Kommentar

Kräftiger hätte die höchstrichterliche Ohrfeige für die Berliner Politiker nicht ausfallen können. Die Klage um mehr Geld wurde Bürgermeister Wowereit und seinen Freunden nur so um die Ohren gehauen. Und das Klatschen dringt laut bis nach Bremen und bis ins Saarland. Die Botschaft an die politisch Verantwortlichen ist klar: Regelt euren Kram selbst !

Die Richter haben das leidige Thema der Länderfinanzen und der Länderneuordnung dorthin zurückgegeben, wo es hingehört, in die Politik. Die Abfuhr für das Land Berlin mindert auch die Chancen des Landes Bremen auf weitere Finanz-Spritzen des Bundes.

Die Richter haben Hilfen nur als letztes Mittel, als Ultima Ratio, zugelassen. Zuvor müssten alle Sparmöglichkeiten ausgeschöpft sein. Und prompt verlautet schon aus der Bundesregierung, dass dies im Falle Bremens und des Saarlandes noch nicht geschehen sei. Das heißt, Bremen wird dem Kurs folgen müssen, den Berlins Bürgermeister Wowereit nun vorgegeben hat: Sparen auf Deubel komm raus!

Die Karlsruher Juristen sind unerbittlich. Sie fordern, alles bis zum letzten Cent auszureizen. Das reicht vom Verscherbeln des Familiensilbers bis zur Erhöhung von Gebühren, also etwa auch der Kindergarten-Gebühren.

Hier können sich Politiker nicht mehr beliebt machen. Wenn sie die Vorgabe ehrlich vollziehen, werden sie ihr Image und ihre Akzeptanz bei der Wählerschaft schädigen. Es ist vorauszusehen, dass sie das nicht tun werden. Deshalb werden die "armen" Länder weiter in die Schuldenfalle schlittern, immer nach dem frischen Motto: " Ein Staat kann nicht pleite gehen".

Auch der Verweis Bremens auf die vom Bundesverfassungsgericht in seinem früheren Spruch anerkannte Bedürftigkeit des Landes wird nichts nützen. Ausdrücklich weist Karlsruhe jetzt auf die zeitliche Begrenztheit der damals zuerkannten Hilfen hin. Mit anderen Worten: Das war einmalig. Also ist für Bremen guter Rat teuer.

Neben der Forderung, den Gürtel bis zum letzten Loch zu schnallen, haben die Richter den Politikern auch noch empfohlen, sich weiter Gedanken um den Föderalismus zu machen. Mit anderen Worten, sie sollen überlegen, ob die Länder eigentlich alle so noch zu halten sind.

Objektiv ist das bei der jetzigen Gesetzeslage in der Abgaben- und Steuerfrage nicht der Fall. Die Finanzbeziehungen der Länder und des Bundes müssen neu geregelt werden. Das heißt nicht zwingend, dass die Existenz Bremens in Frage gestellt ist. Die Diskussion aber wird sich wieder beleben. Und nach diesem Urteil bleibt kein Thema tabu.

Es gab Zeiten, in denen in der gesellschaftlichen Diskussion beklagt worden ist, dass Karlsruhe und nicht die Politik die Weichen stelle. Nun hat sich das Verfassungsgericht nicht für zuständig erklärt und damit kurioserweise doch wieder Politik gemacht.

Weser Kurier vom 20.10.2006

Die armen Schlucker sehen sich auf ihrem Weg bestätigt

Alle Regierungschefs der Bundesländer loben das Urteil

Peter Mlodoch

Immer, wenn eine der gepanzerten Limousinen vor dem Luxushotel in Bad Pyrmont vorfährt, brandet bei den 100 zumeist älteren und mit Kameras bewaffneten Zaungästen freundlicher Applaus auf. Die Parade der Länderfürsten war gestern bei herrlichem Herbstwetter eine willkommene Abwechslung im Kuralltag. Beifall gibt es aber auch von den beklatschten Herren selbst. In Abwesenheit von Klaus Wowereit, der erst am späten Nachmittag zur Jahresministerpräsidentenkonferenz stoßen soll, loben ausnahmslos alle Regierungschefs das Urteil. Sogar die Arme-Schlucker-Länder Bremen und Saarland gewinnen dem Karlsruher Spruch nur positive Seiten ab. "Die Entscheidung ist eine Aufforderung, unseren Klageweg weiter zu verfolgen", meint Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU). Auch Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) denkt nicht daran, die Klage auf neue Finanzspritzen des Bundes zurückzuziehen. Einig sind sich alle Ministerpräsidenten, dass sie ihre Finanzbeziehungen auf neue Beine stellen müssen. "Das Urteil ist ein deutlicher Fingerzweig für die Föderalismusreform II", sagt Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber (CSU). "Wir müssen jetzt wirklich was tun", meint Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). "Es gibt eine Menge von Dingen zu regeln, die in der Verantwortung der Länder stehen." Welche das genau sind, da hört die große Übereinstimmung allerdings auf. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) bekennt sich zum Länderfinanzausgleich, schränkt aber gleich wieder ein, dass die Solidarität nicht grenzenlos sei. "Es kann nicht sein, dass ein Land, das sich mehr leistet als andere, Geld von diesen anderen bekommt." Wulff und Stoiber sprechen sich für einen nationalen Stabilitätspakt aus. Parlamente dürften neue Schulden nur noch mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen, fordert der Niedersachse, sein bayrischer Amtskollege bringt Schuldenverbote, Sanktionen bei Verstößen und ein Frühwarnsystem ähnlich wie auf EU-Ebene bei den Maastricht-Kriterien ins Spiel. "Wir müssen jetzt Regeln aufbauen, die den Ländern verstärkt Vorgaben machen, die das Grundgesetz und die europäische Stabilitätspolitik nicht einhalten", pflichtet Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger (CDU) bei. Eines mag kein Regierungschef aus dem Spruch des Verfassungsgerichts herauslesen: den Auftrag zur Länderneugliederung. Darauf hebe das Gericht nirgendwo ab, jubiliert Böhrnsen. "Das ist ein deutliches Signal an alle, die einer solchen Scheinlösung kurzfristig das Wort reden." Das tun in Bad Pyrmont aber noch nicht einmal die Ministerpräsidenten der großen Länder wie Oettinger oder Koch. Auch für Nordrhein-Westfalens Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) stellt sich die Frage nicht: "Gerade die Tatsache, dass es kleine Länder gibt, dass es Stadtstaaten gibt und dass es große Länder gibt, macht doch den Reiz des Föderalismus aus." Der Applaus der Kleinen ist ihnen gewiss.

Weser Kurier vom 20.10.2006

"Acht zu null ist ein Wort"

Die Spitzenpolitiker der Großen Koalition halten eine Finanzreform und Länder-Neugliederung für utopisch

Von Dietrich Eickmeier

Seit gestern gilt Hans Eichel in Berlin als Prophet. Eichel habe schon vor eineinhalb Jahren, erinnern sich Mitarbeiter, das Karlsruher Urteil richtig vorhergesagt. Je mehr Klagen, je mehr verfassungswidrige Länderhaushalte, so die damalige These des Bundesfinanzministers, desto größer werde die Chance, "dass wir nicht zahlen müssen". Und so war man in der Bundesregierung über die Abweisung der Berlin-Klage "nicht wirklich überrascht". Doch "acht zu null ist schon mal ein Wort" sagt ein Berater von Kanzlerin Angela Merkel. Noch mehr als über die unerwartete Einstimmigkeit der Richter zeigt man sich im Bundesfinanzministerium über die Verschärfung der Kriterien für Haushaltsnotlagen durch die Verfassungsrichter erfreut: "Das ist eine Vorentscheidung für das Saarland und Bremen", heißt es in der Umgebung von Minister Peer Steinbrück. Der hätte sich eine Niederlage in Karlsruhe finanziell gar nicht leisten können, weil trotz derzeit sprudelnder Steuerquellen eine Milliarden-Mehrausgabe für die Hauptstadt einer "Selbstgefährdung" des Bundesetats gleich gekommen wäre. Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks sprach von einer "erheblichen Präzedenzwirkung" des Urteils nicht nur für die noch anhängigen Klagen - sie bewertete die Karlsruher Leitlinie auch als einen "entscheidenden Eckpfeiler" für eine Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, wie sie die Große Koalition vereinbart hat und wie sie auch die Karlsruher Richter für nötig halten - ohne dafür inhaltliche oder zeitliche Vorgaben zu machen. Dennoch hofft Volker Kröning, Obmann der SPD-Bundestagsfraktion für die so genannte Föderalismusreform II, dass sich durch das Karlsruher Urteil die Finanzdebatte "nach einem halben Jahr des Stillstands wieder belebt". Denn das Gericht, so der Bremer Abgeordnete, habe die "Verantwortung an die Politik zurück gegeben", weil die geltende Rechtslage "für die Verhütung und Beseitigung von Haushalts-Notlagen nicht ausreicht". Doch Skepsis ist durchaus angebracht. Bund und Länder hätten sich bislang nicht einmal auf die Besetzung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe einigen können, stellen die Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) und Olaf Scholz (SPD) frustriert fest. Auch ein hochrangiges Kabinettsmitglied zeigt sich "nicht zufrieden" mit der Entwicklung und spricht von einer "schlechten Zeit" für Finanzreformen. Die meisten hätten "andere Sorgen" sagt er, zudem trauten sich die Ministerpräsidenten der Länder "gegenseitig nicht". Ernüchtert ist man auch im Kanzleramt angesichts der schlechten Erfolgsaussichten für die Finanzreform, auch wenn sich offiziell noch niemand davon verabschiedet hat. In noch weitere Ferne ist wohl auch der Traum einiger Staatsreformer gerückt, die Zahl der Bundesländer von 16 auf sieben oder acht zu reduzieren. Zwar rechnet Kröning damit, dass "die Neugliederungs-Debatte wieder hochkommt". Doch aus dem Karlsruher Urteil, da ist er sich mit dem Verfassungsrechtler Christian Waldhoff einig, "lässt sich dafür nichts herauslesen". Zudem, sagt der Bonner Professor, diese Frage "politisch sowieso utopisch ist". Wohl wahr. Schon Alt-Kanzler Helmut Kohl hatte, aus Erfahrung vieler Debatten klug geworden, Mitte der 90-er Jahre gesagt, er werde sich "für den Rest meines Daseins in dieser Frage nie mehr engagieren". Und die Erkenntnis seines Amtsnachfolgers Gerhard Schröder, dass "zwei Arme noch keinen Reichen ergeben", hat Sachsens CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt erst kürzlich ins Fabelhafte gesteigert: "Ich kenne nicht mal ein Märchen, in dem aus drei Armen ein Reicher wurde."

Weser Kurier vom 20.10.2006

Finanzsenator nach dem Urteil: Die Wurst hängt jetzt höher

Hier Zuversicht, dort Skepsis - Reaktionen auf den Richterspruch

Von Wigbert Gerling

Der Stadtstaat Berlin ist als Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht abgeblitzt, der Senat des Stadtstaats Bremen, der mit vergleichbarer Zielsetzung die Juristen angerufen hat, bleibt optimistisch: Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) betonte nach dem Urteil gestern, er sei "sehr zuversichtlich, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommen wird: Bremen hat einen verfassungsrechtlich verbrieften Anspruch auf weitere Hilfen der Solidargemeinschaft". Skepsis hingegen beim Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel: "Die Aussichten, dass wir das bekommen, was wir verdient hätten, sind wohl nur noch gering." Bremen hatte sich im April an das Verfassungsgericht gewandt, um Finanzhilfen zu erstreiten. Anders als Berlin, so Böhrnsen, könne Bremen Fakten vorlegen, die eine "extreme Haushaltsnotlage" belegten. CDU-Bürgermeister Thomas Röwekamp erklärte, die Entscheidung zu Berlin habe keine vorbestimmende Wirkung für den Ausgang des Bremer Verfahrens. Bremen habe gespart, müsse aber nun "die Eigenanstrengungen noch einmal verstärken." Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) war zur Urteilsverkündung in Karlsruhe. Sein Fazit: "Die Wurst hängt jetzt höher." Bremen werde die Ausgaben noch einmal genauer unter die Lupe nehmen. "Auch Vermögensveräußerungen," so der Ressortchef, "müssen geprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden." Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) war ebenfalls dort: "Die Maßstäbe für die Gewährung von Hilfen sind strenger geworden." Die Aussichten Bremens vor Gericht seien allerdings im Vergleich zu Berlin besser." Bremen ist nicht Berlin," betonte CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau. Bremen sei 1992 eine "extreme Haushaltsnotlage" bescheinigt worden, allerdings seien die vorher gesagten Einnahmen dann auf Grund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nicht eingegangen. Der Hinweis der Richter, Berlin habe immer noch viele Wohnungen als Vermögenswert, kurbelte in Bremen postwendend die Debatte um einen Verkauf der Bremer Anteile an der Gewoba an. Hickel: "Ich sage es ungern, aber es ist ein Wink des Gerichts mit dem Zaunpfahl." Karoline Linnert, Fraktionschefin der Grünen, hält es "für dringend notwendig", dass nun noch besser begründet wird, "warum Bremen eine eigene Wohnungsbaugesellschaft braucht". Es gebe eine soziale Verantwortung gegenüber den Mietern, deshalb könne dieser wichtige Sektor nicht privaten gewinnorientierten Unternehmen überlassen werden. Linnert liest aus dem Urteil heraus, dass die Richter es offenbar leid seien, über Nothilfen für Länder zu befinden. SPD-Parteichef Uwe Beckmeyer warnte davor, das Urteil einfach auf Bremen zu übertragen. Er erinnerte an den Vorschlag zur Gründung eines zentralen nationalen Entschuldungsfonds. Nach Einschätzung von FDP-Chef Uwe Woltemath wird Bremen, nachdem Berlin abgeblitzt sei, wohl "kein zusätzliches Geld mehr bekommen."

Weser Kurier vom 20.10.2006

Berlin verliert - Bremen kämpft weiter

Verfassungsgericht: Haushaltsnotlage der Bundeshauptstadt ist aus eigener Kraft zu überwinden

Trotz eines Schuldenbergs von mehr als 60 Milliarden Euro erhält Berlin nicht mehr Geld vom Bund. Das Bundesverfassungsgericht wies gestern die Klage auf Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage ab. Der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen und sein Finanzsenator Ulrich Nußbaum sind gleichwohl zuversichtlich, dass sie mit ihrer eigenen Klage erfolgreich sein werden.

Während das Urteil in Berlin als bitter empfunden wurde, begrüßten es die anderen Bundesländer als Bestätigung ihrer eigenen Finanzpolitik. Die Ministerpräsidenten kündigten auf ihrer Konferenz in Bad Pyrmont an, eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu erarbeiten.

Nach Überzeugung der Karlsruher Richter befindet sich Berlin zwar in einer angespannten Haushaltslage. Diese könne das Land aber "mit großer Wahrscheinlichkeit" aus eigener Kraft überwinden. Bundeshilfen zur Sanierung eines Landes seien nur als letzter Ausweg möglich, wenn eine Existenzbedrohung nicht anders abzuwehren sei. Der Senat fällte seine Entscheidung einstimmig mit acht zu null Stimmen.

Das Gericht mahnte Regelungen zum Umgang mit Not leidenden Landeshaushalten an. Obwohl Karlsruhe bereits 1992 auf das Problem hingewiesen habe, sei das Instrumentarium des geltenden Finanzausgleichs mit der Bewältigung von Haushaltssanierungen einzelner Länder überfordert.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte, die Vorgaben im Grundgesetz zur Schuldenaufnahme bei Bund und Ländern müssten präziser gefasst werden. Bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen plädierte er für pragmatische Lösungen. Eine zu groß angelegte Neuordnung könnte auch scheitern, warnte er.

Mit Blick auf die ebenfalls gegen den Bund klagenden Länder Bremen und Saarland sprach der Minister von "erheblicher Präzedenzwirkung" des Urteils. Bremen und Saarland wollen jedoch an ihren Klagen festhalten. Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen sagte, er sei "sehr zuversichtlich, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommen wird: Bremen hat einen verfassungsrechtlich verbrieften Anspruch auf weitere Hilfen". Anders als Berlin könne man Fakten vorlegen, die eine "extreme Haushaltsnotlage" belegten. Finanzsenator Ulrich Nußbaum räumte ein: "Wir müssen die Eigenanstrengungen deutlich verschärfen."

Von den Ministerpräsidenten der Länder wurde das Urteil einhellig gelobt. Sie sind sich einig, dass sie ihre Finanzbeziehungen auf neue Beine stellen müssen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff bekennt sich zum Länderfinanzausgleich, schränkt aber ein: "Es kann nicht sein, dass ein Land, das sich mehr leistet als andere, Geld von diesen anderen bekommt."

Die Richter betonen: "Eigenständigkeit und politische Autonomie bringen es mit sich, dass die Länder grundsätzlich für die haushaltspolitischen Folgen autonomer Entscheidungen selbst einzustehen und eine kurzfristige Finanzschwäche selbst zu überbrücken haben." Die Probleme Berlins lägen bei den nach wie vor zu hohen Ausgaben. Der Vergleich mit Hamburg zeige, dass Berlin für Hochschulen, Wissenschaft und Kultur deutlich mehr ausgebe. Zudem könne das Land seine Einnahmen zum Beispiel durch den Verkauf der landeseigenen Wohnungen verbessern, so die Richter.

Weser Kurier vom 20.10.2006

Berlin hofft auf Karlsruhe

. . . und auf rund 35 Milliarden Euro

Von Peter Gärtner

Es hat sich etwas Erstaunliches getan in Berlin. Der Schuldenberg steigt nicht mehr, jedenfalls nicht durch handfeste Ausgaben. Hätte die Stadt keine Verbindlichkeiten, für die sie allein in diesem Jahr 2,4 Milliarden Zinsen zahlen muss, dann wäre der Landeshaushalt das erste Mal seit langer Zeit ausgeglichen. Thilo Sarrazin ist der erste Politiker seit dem Mauerfall, der schonungslos auf die Ausgabenbremse getreten ist. "Die Kinder schrein, die Eltern fliehn, da hinten kommt der Sarrazin", heißt es gern auf den Protestplakaten. Beliebt hat sich der Sozialdemokrat damit nicht gemacht. Aber es wird inzwischen an der Spree anerkannt, dass an einer konsequenten Sparpolitik kein Weg mehr vorbeiführt. S-Bahn-Fahrkarten kosten mehr, Theater und Oper auch. Die Beamten müssen nun mehr arbeiten, die Lehrer mehr unterrichten. Und nirgends in der Republik ist der Kita-Platz für gut verdienende Familien teurer als in Berlin.Dabei ist Haushaltskonsolidierung in der Hauptstadt ein qualvoller Prozess. Denn den Ehrgeiz, aus eigener Kraft zu wirtschaften, hat man den Berlinern in Ost und West in den Jahrzehnten der Teilung gründlich ausgetrieben. Beide Stadthälften galten bis zum Mauerfall als üppig subventionierte Schaufenster der jeweiligen Systeme - in der armen DDR stöhnte die gesamte Republik über die Bevorzugung Ostberlins, im reichen Westen fiel die Alimentierung Westberlins nicht weiter auf. Dass in diesen Tagen gern an die frühere Teilung erinnert wird, liegt nicht am nahenden 9. November, sondern an dem am Donnerstag erwarteten Spruch des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.Das höchste deutsche Gericht wird darüber entscheiden, ob die Bundesregierung und die anderen Länder dazu verpflichtet sind, Berlin beim Schuldenabbau zu helfen. Denn dass die Finanzlage der 3,5-Millionen-Stadt extrem ist, bestreitet niemand. Der Schuldenberg ist auf über 61 Milliarden Euro angewachsen und aus eigener Kraft nicht abzutragen. Sarrazin hat nicht nur in den vergangenen Jahren seine Hausaufgaben erledigt, er hat auch Karlsruhe "transparente Kontrolle" und einen "öffentlichen Nachweis" für die Verwendung der "ausschließlich zur Entschuldung" gedachten Hilfen zugesichert.In der Finanzverwaltung steigt parallel zur Empörung mancher Geberländer über die Wahlversprechen der Volksparteien SPD und CDU (letztes Kita-Jahr beitragsfrei, später auch die ersten beiden) die Hoffnung, dass Berlin tatsächlich eine Chance zur Entschuldung erhält. Dabei geht es nicht um eine konkrete Summe; doch analog zum BVG-Urteil von 1992, als eine extreme Haushaltsnotlage der Länder Bremen und Saarland anerkannt wurde, dürfte die Hauptstadt mit einer Übernahme von gut der Hälfte der Schulden rechnen. Das liefe dann auf eine Summe von 35 bis 40 Milliarden Euro hinaus. Dass sich in Berlin inzwischen vieles geändert hat, das geben selbst die Kassenwarte der anderen Bundesländer zu - zumindest hinter vorgehaltener Hand.

Weser Kurier vom 18.10.2006

Mit dem Rücken an der Wand 

Warum der Bremer Finanzsenator das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Berlin mit Spannung erwartet

Von Wigbert Gerling

Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe - für finanziell notleidende Länder ist dies die Adresse der Hoffnung. Dort residiert das Bundesverfassungsgericht, das morgen darüber entscheidet, ob das Land Berlin ein Anrecht auf finanzielle Hilfen des Bundes hat. Es geht um Berlin, aber es ist auch eine Bremer Delegation vor Ort, weil sie aus dem Urteil in eigener Sache ihre Schlüsse ziehen möchte. Schließlich liegt am Schloßbezirk 3 auch ein entsprechender Antrag des kleinsten Bundeslandes vor. Grundlage ist das, was Juristen einen Normenkontrollantrag nennen. Es wird überprüft, ob eine geltende politisch-gesetzgeberische Praxis mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Dreh- und Angelpunkt ist der Verfassungsartikel Artikel 107. Demnach muss sichergestellt sein, "dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird". Viel wichtiger aber für das Verfahren: Es könne per Gesetz bestimmt werden, "dass der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihren allgemeinen Finanzbedarfs gewährt". Das Klagen der klagenden Länder: Wir stehen finanziell mit der Rücken zur Wand, sind in einer "extremen Haushaltsnotlage", aber der Bund gewährt trotzdem nicht die grundgesetzlich möglich Hilfe. Flankiert von Gutachten renommierter Finanzwissenschaftler hatten Berlin und auch Bremen solche Normenkontrollanträge in Karlsruhe eingereicht - die Regierung an der Spree vor drei Jahren, ihre Amtskollegen an der Weser erst Anfang April dieses Jahres. Wann die Bremer Klage verhandelt wird, steht noch nicht fest. Eindeutig aber ist, dass nicht nur Berlin klamm ist, sondern auch das Land Bremen. Drei Milliarden Euro nimmt es jährlich ein, gibt aber vier Milliarden aus. Jahr für Jahr muss also eine Milliarde zusätzlicher Schulden aufgenommen werden. Die Ausgaben für Zinsen sind für 2006 mit rund 580 Millionen Euro kalkuliert. Stattlich ist auch ein anderer Ausgabenposten, der nicht von heute auf morgen entscheidend verändert werden kann: Für das Personal im öffentlichen Dienst müssen pro Jahr rund 1,3 Milliarden Euro hingelegt werden. Unterdessen ist der Schuldenberg in Bremen ist auf rund 13,5 Milliarden Euro angewachsen, Tendenz täglich steigend. Während Berlin juristisch gesehen Anfänger ist, was diesen Normenkontrollantrag angeht, kann Bremen als erfahren eingestuft werden. Das reicht zurück bis in die 80er Jahre. Damals stellte Bremen einen Normenkontrollantrag und forderte unter anderem eine höhere "Einwohnerwertung", ein Ausgleich dafür, dass die Metropole Bremen so mancherlei finanziell unterhält, was auch die Niedersachsen nebenan gerne nutzen. Das Theater ist da nur ein Beispiel. Der 27. Mai 1992 wurde unter finanzpolitischem Blickwinkel ein historisches Datum für Bremen. Karlsruhe erkannte die "extreme Haushaltsnotlage" an, mit dem Bund wurde daraufhin eine Sanierungsvereinbarung geschlossen - Bremen bekam von 1994 bis 1998 pro Jahr 1,8 Milliarden, damals noch nicht Euro, sondern D-Mark. Anschließend wurde geprüft, ob Bremen aus dem Gröbsten heraus war. Fazit: Nein. Also gab es bis 2004 weitere Hilfszahlungen, wenn auch mit abnehmender Tendenz - von anfangs 1,8 Milliarden Mark im Jahr bis zuletzt 700 000 Mark. Insgesamt bekam das Land von 1994 bis 2004 umgerechnet 8,5 Milliarden Euro. Seither ist Schluss. Nun klagt Bremen erneut. Berlin ist ein Stadtstaat, Bremen auch; Berlin ist hoch verschuldet, Bremen auch; Berlin will Bundeshilfe, Bremen auch. Wegen solcher Parallelen fährt Finanzsenator Ulrich Nußbaum morgen nach Karlsruhe, um sich das Urteil der Richter ganz genau anzuhören. Für ihn wäre der Donnerstag ein guter Tag, sagte er gestern, wenn das Verfassungsgericht an seiner früheren Rechtsprechung festhielte und das "bündische" Grundprinzip untermauerte: dass Bund und Länder als Solidargemeinschaft einstehen und aushelfen müssen, wenn ein Partner in Not ist.Wenn Berlin eine "extreme Haushaltsnotlage" bescheinigt wird, aus der eine Finanzhilfe abgeleitet werden könnte, rechnen Fachleute damit, dass die Richter den Ländern noch deutlicher konsequente Eigenleistungen bei der Haushaltskonsolidierung abverlangen. Überdies könnten weitere Hilfszahlungen an noch schärfere Kontrollen der armen Ländern gekoppelt werden.

Weser Kurier vom 18.10.2006

Interview mit Hickel und Dannemann zu dem mit Spannung erwarteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Professor Rudolf Hickel: Er ist Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen. Der Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler beschäftigt sich seit Jahren mit den ökonomischen und fiskalischen Grundlagen des Stadtstaates Bremen.

Professor Günter Dannemann war von 1994 bis 2002 Staatsrat beim Senator für Finanzen in Bremen, bevor er eine Tätigkeit als Honorarprofessor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen aufnahm.

Frage: Morgen wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Normenkontrollantrag des Landes Berlin in Sachen Bundesergänzungszuweisungen/Haushaltssanierung verkünden. Gibt es im Vorfeld Hinweise darauf, wie das Gericht entscheiden wird?

Hickel: Es gibt, je nach Betroffenheit, ganz unterschiedliche Spekulationen darüber. Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich zur Klage Berlins auf Finanzhilfen ein sehr grundsätzliches Urteil fällen, das dann auch auf den Stadtstaat Bremen anzuwenden ist.

Dannemann: Mir sind keine Hinweise bekannt. Die Bandbreite der vielen Spekulationen reicht von glatter Ablehnung bis zur vollen Bestätigung des Berliner Wunsches nach Teilentschuldung von 35 Milliarden Euro.

Rechnen Sie damit, dass die Kriterien, die das Gericht schon einmal 1992 in einer Entscheidung über den gleichen Fragenkomplex angelegt hat, auch diesmal gelten?

Im Prinzip ja: Am Beispiel Berlin wird erneut definiert werden, was ein Hauhaltsnotlagenland ist. Strenge Kriterien zum Umfang der Finanzhilfen und vor allem zu deren Verwendung werden festgelegt werden.

1992 hat das Gericht eine extreme Haushaltnotlage des Saarlands und Bremens anhand der Zinssteuerquote und der Kreditfinanzierungsquote festgestellt. Da das Gericht sich in der Kontinuität seiner Rechtsprechung bewegen dürfte, erwarte ich, dass diese Kriterien nicht über den Haufen geworfen, sondern allenfalls ergänzt werden.

Der Bund wurde 1992 aufgefordert, ein Haushaltsnotlage-Gesetz vorzulegen, in dem geregelt wird, wie mit der Verschuldung der Länder und mit Ergänzungszuweisungen umzugehen ist. Dieses Gesetz gibt es bis heute nicht. Wird das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber erneut anmahnen?

Davon ist auszugehen. Jedoch, dem Gericht wird wohl der Mut fehlen, einen Vorschlag zur Schaffung eines Fonds zur Entschuldung der klammen Länder für einen Neustart des Föderalismus zu unterbreiten.

Vermutlich ja. Gesetzliche Verfahrensregelungen, wie eine extreme Haushaltsnotlage diagnostiziert, therapiert oder präventiv verhindert werden kann, gibt es bisher nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass das Gericht seinen Auftrag von 1992 präzisieren wird.

Wird das Gericht überhaupt eine konkrete Entscheidung vorlegen, oder wird es vielmehr Wege beschreiben, wie über den Themenkomplex zu befinden sein soll?

Es wird keine konkreten Entscheidungen vorlegen, aber die Grundprinzipien zur Beantwortung beider Fragen beschreiben. Spannend ist die Frage, ob das Gericht für Länder, die Sanierungshilfen erhalten, die Einsetzung eines Sparkommissars fordert.

1992 haben die Verfassungsrichter den Mut gehabt, Modellrechnungen zur Höhe der notwendigen Hilfen für das Saarland und Bremen zu erstellen. Ich erwarte nicht, dass sie sich noch einmal so weit vorwagen. Sie werden aber zumindest Wege aufzeigen, wie der Haushalt Berlins gerettet werden kann. Spannend für Bremen wird sein, ob die Richter auf die 1992 von ihnen geforderten Maßnahmen zur Verstärkung der Wirtschaftskraft eingehen.

Rechnen Sie damit, dass das Gericht im Zusammenhang mit der Schuldenproblematik eine föderale Neugliederung des Bundesgebiets fordert?

Nein! Ich gehe davon, dass die Neugliederung von Ländern nicht grundsätzlich gefordert wird. Aber, wie schon in den Urteilen 1992 und 1999, wird es Hinweise in diese Richtung geben. Die berechtigte Forderung Bremens, die Verteilung der Finanzen fair zu regeln, wird leider auch nicht im Urteilsspruch gegenüber dem Gesetzgeber gefordert werden.

Die Richter haben bereits 1992 auf die Möglichkeit hingewiesen, das Bundesgebiet neu zu gliedern. Eine Wiederholung oder Verschärfung dieses Hinweises ist denkbar. Bremen ist durch seine überdurchschnittliche Wirtschaftskraft Geberland bei Steuern und Sozialbeiträgen und finanziert Berlin sowie die ostdeutschen Länder kräftig mit.

Weser Kurier vom 18.10.2006

Pro Sekunde 33 Euro mehr Schulden

Bund der Steuerzahler weiht Schuldenuhr ein - Finanzsenator: Ein paar Jahre zu spät

Von Christian Dohle

Zwei Jahre lang hat der Bund der Steuerzahler nach einem Standort für die Schuldenuhr gesucht, gestern nun ging sie in Betrieb - an der Fassade der FDP-Zentrale an der Ecke Violenstraße / Buchtstraße. Aktueller Stand kurz nach der Enthüllung: Knapp 13 Milliarden Euro. Wochenlang hatte der Bund der Steuerzahler die Zahl für den Starttag recherchiert, in der sowohl die Schulden der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven als auch die der Sondervermögen enthalten sind. Um 33 Euro wächst der Schuldenberg nach Steuerzahler-Hochrechnungen jede Sekunde, um mehr als 2,8 Millionen Euro jeden Tag, um gut eine Milliarde Euro im Jahr. Das Auge kommt bei der Aktualisierung in Sekundenbruchteilen nicht mehr mit. Die letzte Ziffer der elfstelligen Zahl ist kaum noch zu erkennen. Der Landesvorsitzende des Bundes der Steuerzahler, Axel Gretzinger, beklagte bei der Einweihung die viel zu geringen Sparanstrengungen des Landes im Sanierungszeitraum. "Die Auflagen vom Bund und den anderen Ländern sind nicht hart genug gewesen. Man hätte mehr Sparen verlangen müssen." Ausbaden müssten das jetzt die künftigen Generationen, denn schon jetzt betrage die Pro-Kopf-Verschuldung fast 20 000 Euro, mahnte Gretzinger. Rechne man die Schulden des Bundes hinzu, seien es gar mehr als 30 000 Euro. FDP-Chef Peter Bollhagen nutzte die Einweihung der Schuldenuhr für eine politische Abrechnung: Das SPD-CDU-Bündnis sei zwar als Sanierungskoalition gestartet, erinnerte der Liberale. Doch trotz 8,5 Milliarden Euro Bundeshilfen hätte das Land mehr Schulden als je zuvor. Bollhagens Fazit: "Die Koalition ist gescheitert." Kritisch äußerte sich auch Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) zum Finanzgebaren seiner Vorgänger. Süffisanter Kommentar: "Die Schuldenuhr kommt ein paar Jahre zu spät.

Weser Kurier vom 12.05.06

Aktueller denn je

Von Rudolf Hickel

John Kenneth Galbraith, das Ökonomen-Genie aus den USA, ist im Alter von 97 Jahren gestorben. Der Ökonom, Sozialkritiker, Berater der Präsidenten Roosevelt und Kennedy sowie Diplomat schrieb über 33 Bücher und eine kaum zu überschauende Flut an Aufsätzen. In seinem berühmt gewordenen Buch "The affluent society" von 1958 warnte er bereits vor einer heute in Deutschland aktuellen Politik der Spaltung zwischen "öffentlicher Armut und privatem Reichtum". Auch die ökologischen Folgen des entfesselten Wirtschaftswachstums kritisierte er schon in den 1950er Jahren. Als echter Liberaler, der die Chancengleichheit unabhängig vom sozialen Status herstellen wollte, gilt er heute als profiliertester Kritiker des Neoliberalismus.

Mit Superlativen gilt es sparsam umzugehen. Dennoch darf John Kenneth Galbraith als einer der ganz großen Analytiker und Reformer des modernen Kapitalismus bezeichnet werden. Mit einer ungeheuerlichen Schreibwut hat er dessen Triebkräfte aus Vermachtung und Interessengegensätzen sowie dessen Krisenanfälligkeit beschrieben. Allerdings ist seine Popularität in den letzten Jahren geschrumpft. Den derzeit übermächtigen Glauben an die Erlösung durch die neoliberal entfesselte Reichtumsmaschine Kapitalismus stören die galbraithschen Botschaften von einer solidarischen Ökonomie. Sein Tod sollte zum Anlass genommen werden, sein Werk für eine politisch gestaltete, solidarische Wirtschaftsgesellschaft neu zu entdecken.

Galbraiths Erfolge sind auf zwei Gründe zurückzuführen. Zum einen formuliert er gut lesbar, provozierend, aufklärend, gespickt mit ätzendem Witz. Zum anderen ist es die interdisziplinäre Methode, die Zusammenführung verschiedener Fachdisziplinen. Obwohl er dem Theorierevolutionär John Maynard Keynes aus Großbritannien oft widersprochen hat, große Übereinstimmungen sind unübersehbar. Galbraith begründet - wie Keynes - die Notwendigkeit politischer Gestaltung zur Vermeidung von Wirtschaftskrisen, zur Versorgung mit öffentlichen Gütern und zur sozialen Absicherung gegen Risiken, die die Märkte für diejenigen schaffen, die vom Erwerbseinkommen existenziell abhängig sind.

In dem 1967 vorgelegten Bestseller "Der moderne Industriestaat" greift er die neueren Entwicklungen im "organisierten Kapitalismus" auf. Hervorgehoben wird die voranschreitende Trennung der Kapitaleigner - Shareholder - gegenüber der wachsenden Schicht von Kapitalfunktionären. Aus heutiger Sicht hat Galbraith jedoch den in den letzten Jahren ausgebauten Einfluss der Kapitaleigener gegenüber den Topmanagern unterschätzt. Heute werden die Bosse auf den Vorstandsetagen durch die geballte Macht der Kapitalgeber zur Renditesteigerung getrieben. Die Anpeitscher sind die Agenten der Shareholder, vor allem die großen Fondsvertreter sowie die kleine Clique hemdsärmeliger Analysten im Machtzentrum der New Yorker Börse.

In seinem wohl wichtigsten Werk "Gesellschaft im Überfluss" steckt Galbraith die für die Wirtschaft wesentlichen Staatsaufgaben ab. Ökonomisch bezahlbare Bedürfnisse werden durch die Profitwirtschaft bedient und vorangetrieben. Während dadurch der Überfluss im privaten Reichtum wächst, verarmen mangels Einkommen nicht nur die zahlungsunfähigen Konsumenten. Vor allem verarmt der öffentliche Sektor, weil es keinen entsprechenden Mechanismus zur Sicherstellung seiner notwendigen Produktion gibt. Privatwirtschaftlicher Reichtum innerhalb sich ausbreitender öffentlicher Armut ist die Folge. Dies belegen verwahrloste Städte, eine defizitäre Infrastruktur und riesige Einkommensarmut.

Galbraith argumentiert für den Abbau dieses Ungleichgewichts zwischen Staat und Privatwirtschaft. Er will die riesigen Produktionsmöglichkeiten in den Wohlstand für Alle umsetzen und das heißt "Kampf gegen die Armut". Die Überflussgesellschaft ist heute für Deutschland aktueller denn je. Durch eine reichtumsschonende Steuerpolitik und Umschichtung der Einnahmen und Lasten im föderalen Bundesstaat konzentriert sich derzeit in Deutschland die öffentliche Armut auf die Gemeinden.

Weser Kurier vom 07.05.06

Starke Zweifel an Kompetenz der GBI

Vorwurf: Bei Gebäude-Anmietung für Kulturbehörde offenbar wieder nicht an Behinderte gedacht

Von Peter Voith

Die Gesellschaft für Bremer Immobilien (GBI) beschreibt sich auf ihrer Internet-Homepage als "ein kompetentes Team von etwa 100 Mitarbeitern", das sich den "vielfältigen Herausforderungen rund um die Immobilie" stellt. Die Gemeinde der Zweifler an der Kompetenz ist unterdessen gewachsen. Grund: Wieder mal seien bei Raumplanungen für öffentliche Gebäude die Belange von Behinderten nicht berücksichtigt worden. Es geht um den eigentlich in wenigen Tagen geplanten Umzug der Kulturbehörde.

Die fast 40 Mitarbeiter, die bisher am Herdentor im R+V-Versicherungsgebäude und an der Knochenhauerstraße untergebracht sind, sollten in das Kulenkampff-Haus am Altenwall einziehen. Doch die Kulturbehörde sträubt sich. Grund: Entgegen der Vereinbarung im Mietvertrag mit der GBI sei die Barrierefreiheit nach DIN nicht gewährleistet. Inzwischen hat sich der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück eingeschaltet und insbesondere das Fehlen eines behindertengerechten Fahrstuhls bemängelt.

Der vorhandene Aufzug sei zu klein für Behinderte, die etwa auf einen Elektro-Rollstuhl angewiesen sind. Ein zu kleiner Aufzug? So ein Fall hatte die GBI erst vor wenigen Monaten in die Schlagzeilen gebracht. Damals war das Sozialzentrum Süd betroffen. Die GBI hatte für die Mitarbeiter ein Gebäude angemietet, dessen Aufzug ebenfalls nicht behindertengerecht war. Weder Eltern mit Kinderwagen noch Elektro-Rollstuhlfahrer können in die oberen Etagen gelangen. Zurück zur Kulturbehörde.

Das Kulenkampff-Haus hat sieben Etagen und auch einen Fahrstuhl. Allerdings: Der ist etwa für Behinderte, die in einem Elektro-Rollstuhl sitzen, zu klein. Es müsste also, um der DIN-Norm 18024 zu entsprechen, ein größerer eingebaut werden. Doch dann, so die GBI, wäre die Anmietung "nicht mehr wirtschaftlich" gewesen. Jetzt ist vorgesehen, die Behinderten in einem Besprechungsraum in der ersten Etage zu empfangen. Problem: Dazu müssen sie erst einmal einen so genannten Plattformlift benutzen.

Aber auch dazu wären sie auf fremde Hilfe angewiesen. Landesbehindertenbeauftragter Joachim Steinbrück weist darauf hin, dass solche Lifte aufgrund von Sicherheitsbestimmungen nur benutzt werden dürfen, wenn eine zweite Person anwesend ist. Das widerspreche den Vorgaben der Barrierefreiheit, die im Bremischen Behindertengleichstellungsgesetz (BremBGG) verankert seien. Steinbrück: "Wer in der heutigen Zeit öffentliche Gebäude mit Barrieren baut oder anmietet, diskriminiert Menschen mit Behinderung." Er erwarte deshalb, dass es der GBI doch noch gelingt, einen neuen Aufzug zu installieren.

Das ist auch die Auffassung der Kulturbehörde. Florian Kruse, Sprecher von Kultursenator Jörg Kastendiek (CDU), wollte sich zu dem Fall nicht weiter äußern. Er erklärte lediglich: "Im Mietvertrag ist eine Barrierefreiheit nach DIN vereinbart. Wir gehen davon aus, dass die GBI ihren Teil des Vertrages erfüllt." Innerhalb der Behörde ist inzwischen Unruhe ausgebrochen. Die bangen Fragen unter den Mitarbeitern lauten: Verschiebt sich jetzt der Umzugstermin? Müssen wir unsere Urlaubspläne über den Haufen werfen?

Können wir überhaupt noch im alten Gebäude bleiben oder ist dort schon ein Nachmieter gefunden? Oder ziehen wir doch schon ins Gebäude am Altenwall und müssen dann vielleicht unter Baustellenlärm arbeiten? Oder sitzen wir womöglich bald auf der Straße? "Soweit wird es nicht kommen", versicherte ein Insider. "Aber wir werden es auf keinen Fall hinnehmen, dass wir jetzt doppelt Miete zahlen müssen, wo uns der Umzug doch eigentlich Geld sparen sollte." Man werde alle Kosten, die durch Versäumnisse der GBI entstanden seien, der Gesellschaft in Rechnung stellen - "und zwar in voller Höhe", hieß es mit verärgertem Unterton.

Die GBI erklärte auf Nachfrage, man habe der Kulturbehörde bei einer gemeinsamen Besichtigung klarmachen können, dass das Gebäude "nicht zu 100 Prozent barrierefrei" umgebaut werden könne. Dazu hätte es eines neuen Aufzugsschachtes bedurft. Und der, so GBI-Sprecher Matthias Cramer, wäre "richtig teuer" geworden. Im übrigen wies er darauf hin, dass "öffentliche Gebäude barrierefrei sein sollen und nicht müssen". Cramer: "Auch im Gesetz steht ein Vorbehalt nach Maßgabe der Haushaltslage."

Der Fachdienst für Arbeitsschutz habe die Umbaupläne im übrigen abgesegnet und festgestellt, dass die erforderlichen Arbeitsplatzrichtlinien eingehalten würden. Freilich: Ob die GBI Begriffe wie "barrierefrei" oder "behindertengerecht" tatsächlich ernst nimmt, daran zweifelt man auch in der Sozialbehörde. Deren Mitarbeiter verhandeln inzwischen direkt mit der Vermieterin des Gebäudes an der Großen Sortillienstraße, um den Anbau eines behindertengerechten Fahrstuhls im Sozialzentrum Süd zu ermöglichen. Nur am Rande beteiligt: das "kompetente Team" der GBI.

Beschränkt statt barrierefrei

Kommentar von Peter Voith

Das einstige Liegenschaftsamt, das sich nun vornehm Gesellschaft für Bremer Immobilien mbH nennt, hat sich inzwischen einen zweifelhaften Ruf erworben. Die Liste der Kritikpunkte ist lang. Rechnungshof und Parlamentarier attestierten der GBI umfangreiche Mängel bei der Schulsanierung, beim Verkauf von leerstehenden Gebäuden (ehemalige Stadtbibliothek Neustadt) mangelhafte Planung (Nachverhandlungen beim Verkauf von drei Häusern am Wall für ein Justizzentrum) und Mängel im Controlling. Man könnte auch sagen: Erst wird falsch geplant und dann auch noch Geld verplempert.

Und jetzt, wo es um die Belange von Behinderten geht, achtet die GBI plötzlich aufs Geld? Sparen ist notwendig. Aber bitte nicht an der falschen Stelle. Denn wenn ein Land wie Bremen ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz beschließt und sich extra einen Behindertenbeauftragten leistet, heißt das für die Herrichtung öffentlicher Gebäude: Wer A wie Aufzug sagt, muss auch B wie barrierefrei sagen.

Politiker überlegen nicht zu Unrecht, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in einen städtischen Eigenbetrieb umzuwandeln, um die Ex-Behörde wieder enger an die Leine nehmen zu können. Das Wörtchen "beschränkt" im Firmennamen - die GBI hat es inzwischen mehrfach untermauert.

Weser Kurier vom 05.05.06

Für eine Insolvenzordnung im Bundesstaat

Anmerkungen zur Klage des Landes Berlin auf Anerkennung einer Haushalts-Notlage

Von Beate Jochimsen und Kai Konrad

... Das Bundesverfassungsgericht hatte mit dem Urteil 1992 die Empfehlung verbunden, das Problem innerhalb des föderalen Systems neu zu ordnen. Das ist nicht geschehen. Das Land Berlin hat sich eigentlich nur entsprechend der bestehenden Anreizlage verhalten. Seine Finanzlage ist inzwischen beklemmend, und ohne Finanzhilfen wird es kaum gehen.

Ganz so unproblematisch wie 1992 mit dem Saarland und Bremen wird das nicht werden. Die anderen Länder und der Bund sind klamm. Die Ansprüche des Landes Berlin übersteigen die Summen, um die es 1992 ging. Von etwa 35 Milliarden Euro ist die Rede. Die Verschuldungslage hat sich in den vergangenen zwölf Jahren bei vielen Ländern und dem Bund verschlechtert. Vielleicht hat beim Schuldenmachen der Gedanke an mögliche Finanzhilfen der Bund-Länder-Gemeinschaft im Falle der eigenen Haushaltsnotlage eine Rolle gespielt. Bestimmt jedenfalls hat der Gedanke die Gläubiger beruhigt. Einige Länder haben vielleicht auch Schulden gerade deshalb gemacht, damit sie mit dem Hinweis auf eigene Finanzprobleme den Ansprüchen anderer Bittsteller besser begegnen können.

Von der Hilfe für das Land Berlin einmal abgesehen: wie könnte eine wirksame Verschuldungsbremse für die Zukunft denn aussehen? Verschiedene Vorschläge, etwa des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, wollen den Landespolitikern das Schuldenmachen erschweren. Interessant ist dabei der Vorschlag einer geeigneten Insolvenzordnung für Länder. Eine solche Ordnung darf dabei auf keinen Fall darauf gerichtet sein, bankrotte Länder und ihr öffentliches Vermögen zu "liquidieren". Im Gegenteil: Im Falle der Überschuldung soll die Insolvenzordnung das Land und seine Einwohner vor seinen Kreditgebern schützen. Die Gläubiger sollen im Zuge des Insolvenzverfahrens einen Teil ihrer Forderungen abschreiben und damit einen Beitrag zu den Sanierungslasten tragen. Eine solche Insolvenzordnung würde Kreditgeber vorsichtiger machen. Sie würden überlegen und prüfen, ob ein Land kreditwürdig ist. Ein hoch verschuldetes Land würde keine zusätzlichen Kredite bekommen. Dieser Mechanismus wäre eine wirksame Schuldenbremse...

SZ vom 08.04.06

Hoffnung auf mehr Geld 

Föderalismusreform: Bremen setzt auf neue Steuerverteilung in Bund und Ländern

Von Elke Gundel

Bundestag und Bundesrat haben sich gestern in erster Lesung mit der Föderalismusreform befasst. Was halten prominente Bremer von dem Vorhaben? Unsere Zeitung hat nachgefragt.

Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) sieht die Reform positiv:

Das föderale System werde gestärkt. Die Gefahr von Blockaden zwischen Bundesrat und Bundestag sinke. Die Landesparlamente würden gestärkt. Auch die verabredete zweite Stufe der Reform, mit der die Bund-Länder-Finanzbeziehungen modernisiert werden sollen, sei für Bremen ein wichtiger Punkt, um dem Paket zuzustimmen. Bremen setze dabei auf eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Länder. Das jetzige Finanzsystem verdecke die tatsächliche wirtschaftliche Stärke Bremens "und macht uns zum Nehmerland".

Bremens CDU-Vorsitzender Bernd Neumann begrüßt die Reform:

"Für Bremen bringt die Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen große Chancen. Das betrifft die Reform der Gesetzgebungskompetenzen und die Neuordnung der Finanzverantwortung. Die Verlagerung von Kompetenzen auf die Länder bietet gerade unserem Zwei-Städte-Staat die Möglichkeit, eigene Akzente zu setzen. Auch bei den Änderungen zur Finanzverantwortung kann Bremen durch die Neuerungen profitieren: Der Abbau der Mischfinanzierung eröffnet neue Perspektiven, die die Handlungsfähigkeit Bremens erhöhen und die Eigenständigkeit sichern. Nun gilt es, auch im Rahmen der zweiten Stufe der Föderalismusreform zu einer gerechten Steuerverteilung zu gelangen - denn dann ist Bremen lebensfähig."

Karoline Linnert, Fraktionsvorsitzende der Grünen, lehnt die Reform ab:

Sie "birgt für Bremen viele Nachteile. Bundesmittel für Strukturprogramme, besonders bei Bildung und Wissenschaft, wird es nicht mehr geben. Allein aus dem Vier-Milliarden-Euro-Programm des Bundes für den Ausbau von Ganztagsschulen hat Bremen 28 Millionen Euro bekommen. Die Finanzierung solcher wichtigen Projekte wird künftig allein Ländersache sein. Was das für ein Land wie Bremen mit enormen Haushaltsproblemen heißt, kann sich jeder ausmalen. Gleiches gilt für die Hochschulfinanzierung. Umwelt- und Beamtenrecht sowie der Strafvollzug werden weitgehend Ländersache. Dadurch droht ein Dumpingwettbewerb zu Lasten der ärmsten Bundesländer. Eine Abwärtsspirale droht: Wer behandelt seine Gefangenen am schlechtesten, wer bezahlt seinen Beamten am wenigsten und wer hat die laschesten Umweltauflagen?"

Der Präsident des Bremer Oberlandesgerichts, Wolfgang Arenhövel, ist zugleich Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

Er hat die Bundestagsabgeordneten davor gewarnt, die Reform im Schnelldurchlauf zu verabschieden. Gerade bei einer Reform, die in die Grundstrukturen der Verfassung eingreift, müsse der Gesetzgeber nachweisen, dass die einzelnen Regelungen sachlich begründet, notwendig und angemessen sind. Das sei bisher nicht geschehen. "Gesetzgebungsblockaden zwischen Bund und Ländern werden nicht verhindert, wenn den Ländern Kompetenzen eingeräumt werden in Bereichen wie dem Strafvollzug und der Besoldung für Richter und Staatsanwälte, die zwingend einer bundeseinheitlichen Regelung bedürfen."

Der Rektor der Bremer Uni, Wilfried Müller, erklärt:

"Die Konkurrenz zwischen den Universitäten dürfte zunehmen. Nur noch forschungsstarke Unis werden dann die Chance haben, mit Aussicht auf Erfolg in Berlin Förderanträge zu stellen. Auf Sonderprogramme, etwa zur Überwindung des Numerus Clausus in bestimmten Fächern, dürfen die Hochschulen dann nicht mehr hoffen. Damit müssen die Länder jetzt alleine fertig werden. Die Wirkung der Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Ländern hängt also weitgehend vom konkreten Verhalten der Länder in den nächsten Jahren ab."

Martin Rode, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Bremen, kritisiert:

"Viele verkennen Umweltschutz immer noch als Bremse für das Wirtschaftswachstum. Die hohen deutschen Umweltschutzstandards sind jedoch Motor für Innovation. Nicht umsonst ist Deutschland bei erneuerbaren Energien technologisch führend. Weitreichende Anforderungen an Luftreinhaltung, Abwasservermeidung, Wiederverwertung stofflicher Rückstände zwingen zu Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen, wodurch im Hochlohnland Deutschland zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Mit der Föderalismusreform sollen die Länder das Recht bekommen, die Umweltstandards unter das Bundesniveau abzusenken. Das führt zur Zersplitterung des deutschen Genehmigungsrechts mit der Tendenz zum Ökodumping. Streit mit der EU ist so ebenfalls vorprogrammiert."

Weser Kurier vom 11.03.06

Die Reform des Föderalismus

Mehr Licht als Schatten

Kommentar von Dietrich Eickmeier

Für Angela Merkel ist die Sache klar. Die Föderalismusreform beweise, dass nur die Große Koalition auch wirklich große Reformen zustande bringen könne, sagt die Kanzlerin. Das klingt ein bisschen nach ängstlichem Pfeifen im dunklen Wald. Denn jene, welche den über Jahrzehnte immer undurchdringlicher gewordenen Gesetzes- und Kompetenzdschungel zwischen Bund und Ländern lichten wollen, sind in den vergangenen Wochen ein wenig in die Defensive geraten. Es wird also trotz breiter Mehrheit für Schwarz-Rot noch eine Menge Überzeugungsarbeit notwendig sein.

Die Aufgabe lohnt allemal. Denn die Föderalismusreform, wie sie die Koalition jetzt auf den Weg bringt, weist eindeutig mehr Licht als Schatten auf. Es muss versucht werden, die Kompetenzen zu entflechten, um lähmende Blockaden durch unterschiedliche Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat weitgehend zu vermeiden. Im Idealfall werden dann sogar die Finanzbeziehungen überschaubarer und gerechter. Für Stadtstaaten wie Bremen liegt hier vielleicht sogar die letzte Chance, auf Dauer die Eigenständigkeit bewahren zu können.

Die Zeit, in der die Staatsreform nur Freunde hatte, ist dennoch vorbei. Mit der Zahl der Kompromisse im Gesamtpaket hat sich auch die Zahl der Skeptiker und Kritiker - vor allem in der SPD-Bundestagsfraktion - massiv erhöht. Staatsrechtler üben Kritik an der Zersplitterung des Beamtenrechts, Umweltpolitiker beschwören wie ihre Bildungskollegen die Gefahren einer Kleinstaaterei auf Kosten von Natur und Bildungswohl. Keine Frage: Das Kompromiss-Paket birgt auch Risiken.

Vor allzu großem Pessimismus sei aber gewarnt. Nehmen wir das Besoldungsrecht: Die Befürchtung, die reichen süddeutschen Länder würden künftig massenweise hoffnungsvolle Nachwuchs-Staatsdiener aus dem armen Norden abwerben, ist wohl übertrieben. Denn wer geht schon für 400 Euro mehr aus Bremen, Neumünster, Oldenburg oder Hannover nach München oder Stuttgart, wenn dort allein schon die Miete 500 Euro höher ist?

Zu fragen ist auch, ob die Länder wirklich so stark von einem einheitlichen Umweltgesetzbuch, das es bislang ja noch gar nicht gibt, abweichen werden. Zumal ja auch noch ein nachträglicher Korrekturmechanismus eingebaut wird. Oder nehmen wir die Bildungspolitik: Da werden die Nord-Länder tatsächlich aufpassen müssen, dass es beim Hochschulbau und bei der Wissenschaftsförderung nicht tatsächlich zu einem Süd-Nord-Gefälle kommt. Wenn aber die Stärkung der Länder in der Bildungspolitik schon als Rückfall in den Bildungsnotstand der 60-er Jahre betrachtet wird, dann ist das schlicht Panikmache.

Kein Zweifel, dass der Bund in Sachen Ganztagsschulen einen wichtigen Impuls gegeben hat. Aber was ändert sich eigentlich sonst? Wer mit Kindern von einem Bundesland ins andere umziehen musste, hatte bisher schon regelmäßig Probleme mit der Schule. Andererseits haben die Länder aber mit der Vereinbarung über einheitliche Bildungsstandards bereits eine richtige Lehre aus PISA gezogen. Schließlich ist Bildungspolitik zunehmend auch eine gesamtpolitische Aufgabe schon in kleinen regionalen Einheiten. Das Bildungsgefälle innerhalb einer Stadt etwa liest sich doch wie ein Sozialatlas. Da gibt es vor Ort viel zu tun.

Weser Kurier vom 07.03.06

Von der Beamtenbesoldung bis zum Wasserhaushalt

Der Gesetzesdschungel wird gelichtet: Was die Staatsreform bringt

Von Dietrich Eickmeier

Das erste ganz große Projekt der großen Koalition ist eine umfassende Reform des Bundesstaats. Allein 25 Grundgesetz-Artikel sollen geändert oder neu gefasst werden, um Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen und langwierige Vermittlungsverfahren zu vermeiden. Der Anteil der in der Ländervertretung zustimmungspflichtigen Gesetze soll von etwa 60 auf 35 bis 40 Prozent reduziert werden. Es bleibt aber dabei, dass der Bundesrat auch künftig einem Gesetz zustimmen muss, wenn es erhebliche Kosten in den Ländern verursacht. Auch die Kommunen dürfen in Zukunft nicht mehr per Bundesgesetz neue Aufgaben und damit zusätzliche Kosten aufgeladen bekommen. Die Kernpunkte der Reform:

Kompetenzen

Ladenschluss- und Gaststättenrecht, Strafvollzug, Spielhallen und das Versammlungsrecht, das Presserecht und das Notariatswesen sind Ländersache. Die Länder erhalten außerdem neue Kompetenzen für das Demonstrationsrecht, den Strafvollzug, das Notarrecht und das Heimrecht, das Pflegebedürftige und ihre Angehörige betrifft. Alleinige Bundeskompetenz sind das Melde- und Ausweiswesen, der Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland, das Waffen- und Sprengstoffrecht, das Kriegsfolgenrecht und die Kernenergie.

Bildung

Die Rahmenkompetenz des Bundes entfällt. Die Länder sind künftig allein zuständig für Schulen und Hochschulen. Der Bund zieht sich aus dem Hochschulbau zurück. Die bislang vom Bund für diese bisherige Gemeinschaftsaufgabe aufgewendeten Mittel werden zu 70 Prozent (695,3 Millionen Euro) auf die Länder übertragen. Die restlichen 30 Prozent (298 Millionen Euro) setzt der Bund künftig für "überregionale Fördermaßnahmen im Hochschulbereich" ein. Dem Bund verbleibt die Zuständigkeit für Zugang und Abschlüsse an den Hochschulen. Aber die Länder erhalten hier ein Abweichungsrecht von Bundesregelungen. Eingriffe des Bundes bei der Finanzierung von Bildungsprojekten wie Ganztageschulen soll es nicht mehr geben. Die Kompetenz des Bundes für die berufliche Bildung bleibt erhalten. Der Bund kann also per Bundesgesetz die Inhalte eines Lehrberufs festlegen.

Umwelt

Der Bund erhält im Umweltbereich, wo er bislang nur für die Rahmengesetzgebung zuständig ist, Kompetenzen für den Naturschutz und die Landschaftspflege sowie den Wasserhaushalt. Damit kann er erstmals ein Umweltgesetzbuch schaffen. Davon dürfen die Länder künftig aber wiederum weitgehend abweichen.

Beamte

Die Kompetenz für das Dienst-recht, die Besoldung und die Versorgung der Landes- und Kommunalbeamten geht vom Bund auf die Länder über. Der Bund kann künftig nur noch grundsätzliche Statusrechte entscheiden und auch dies nur mit Zustimmung des Bundesrates. Das öffentliche Dienstrecht erhält eine Öffnungsklausel. Das kann bis zur Abschaffung des Berufsbeamtentums gehen. Innere Sicherheit: Das Bundeskriminalamt (BKA) und damit der Bund erhalten neue und zusätzliche Kompetenzen. Das BKA ist damit für die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus zentral zuständig.

Stabilitätspakt

In einem neuen Grundgesetzartikel wird die gemeinsame Verpflichtung von Bund und Ländern zur Haushaltsdisziplin festgelegt. Etwaige Strafzahlungen an Brüssel bei Verstößen gegen die Euro-Stabilitätskriterien müssen vom Bund (65 Prozent) und den Ländern (35 Prozent) getragen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass Deutschland Strafen zahlen muss, weil es EU-Richtlinien nicht umgesetzt hat.

Weser Kurier vom 07.03.06

Bremen hofft auf mehr Geld

Staatsreform: Böhrnsen setzt auf Ende der "Benachteiligung" bei Steuereinnahmen

Von Dietrich Eickmeier

Gestern fiel in Berlin der Startschuss für die bislang umfassendste Reform des deutschen Bundesstaats. Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) setzt dabei vor allem auf die zweite Stufe. Die verabredete Neuordnung der Finanzbeziehungen bringe die große Chance für eine gerechtere Steuerverteilung. "Die strukturelle Benachteiligung Bremens muss beendet werden", fordert Böhrnsen. "So weit waren wir noch nie", meinte der Bremer Bürgermeister gestern in Berlin gegenüber dem WESER-KURIER. Zuvor hatten Bundesregierung und Ministerpräsidenten bei Stimmenthaltung Mecklenburg-Vorpommerns dem von der schwarz-roten Koalition ausgehandelten Kompromiss zur Föderalismus-Reform zugestimmt. Bremen, das zusammen mit Bayern, NRW und Berlin beauftragt wurde, das Gesetzespaket mit allein 25 Verfassungsänderungen am Freitag im Bundesrat einzubringen, befinde sich damit "in exponierter Position", betonte Böhrnsen. Deshalb habe man Bedenken - etwa gegen die geplanten Kompetenzverlagerungen beim Beamtenrecht oder Strafvollzug - zurückgestellt. Vor allem die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern sieht der Bremer Bürgermeister als Chance für das Haushaltsnotlageland an: "Wir wollen dieses Tor nutzen". So will Böhrnsen erreichen, dass Bremen seine wirtschaftliche Stärke (Platz zwei in der deutschen Rangliste) auch im Finanzausgleich berücksichtigt bekommt. Denn davon bleibe bei den Steuereinnahmen bislang "zu wenig übrig". Auch der besonderen Aufgabenstruktur der Stadtstaaten müsse durch eine höhere Einwohnerwertung Rechnung getragen werden. Vor allem aber sollen die Seehäfen als "nationale Aufgaben" mehr "Anerkennung" finden. Böhrnsen: "Die Unterhaltung der Häfen kostet uns mehr als 100 Millionen Euro jährlich, der Bund zahlt uns aber nur elf Millionen." In den Ausbau der Containerterminals investiere Bremen eine Milliarde Euro - das seien "Ausgaben für das ganze Land, den Exportweltmeister Deutschland". Gestern gab es erst einmal nur grünes Licht für den zweiten Anlauf zur Staatsreform durch Kabinett, Ministerpräsidenten und die Fraktionen von Union (zwei Enthaltungen) und SPD. Dort gab es die stärksten Vorbehalte dagegen, dass künftig die Länder vom Bund mehr Zuständigkeiten in der Bildungs- und Hochschulpolitik, die Kompetenz für den Strafvollzug, die Besoldung der Landes- und Kommunalbeamten sowie Abweichungsmöglichkeit vom Umweltrecht des Bundes bekommen sollen. Im Gegenzug wollen die Länder auf Zustimmungsrechte im Bundesrat verzichten.

Weser Kurier vom 07.03.06

Kein Sparpaket

Kommentar von Michael Brandt

Trotz der tagelangen Beratungen und der Beteuerungen, der aktuelle Beschluss dokumentiere die Handlungsfähigkeit der Großen Koaliton: Das vermeintliche 30-Millionen-Sparpaket, das die beiden Bürgermeister geschnürt haben, ist nicht echt. Nur zum geringen Teil werden Mittel tatsächlich gekürzt, kein Projekt wird gekippt.

Stattdessen werden die Neubau-Vorhaben, Anschaffungen und Reparaturen in der Mehrzahl auf mehrere Jahre gedehnt oder ganz in die Zukunft verschoben, um die Belastungen in den beiden Haushaltsjahren 2006 und 2007 gering zu halten. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bremen sie letztlich doch bezahlen muss. Damit aber werden gleichzeitig die Spielräume in den Jahren ab 2008 noch einmal enger.

Der jetzige Konsens wurde mit dem Wissen erkauft, dass den Haushältern die tatsächliche Verzichtsdebatte noch bevor steht. Diesen dicken Brocken schieben die Bürgermeister vor sich her.

Weser Kurier vom 01.03.06

Projekte werden über Jahre gestreckt

Senat segnet Vorschläge der Bürgermeister ab - Aktueller Haushalt um 30 Millionen Euro reduziert

Von Michael Brandt

Bremen will 2006 und 2007 je 30 Millionen Euro weniger ausgeben, als ursprünglich geplant. Eine Liste, bei welchen Projekten die Koalition den Rotstift ansetzt, präsentierten gestern Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) und Innensenator Thomas Röwekamp (CDU). In der Regel handelt es sich allerdings um Streckungen und Verschiebungen. Bei der Innenbehörde wird beispielsweise die Einführung des Polizei-Digitalfunks in die Länge gezogen. Das bringt laut Senatserklärung für den Haushalt eine Million Euro. Weitere Beispiele für Streckungen: Die Sanierung der Justizvollzugsanstalt, Sanierung von Sportanlagen, Umbau des Überseemuseums, Erneuerung der Bühnentechnik am Goetheplatz. Auch am Investitionszuschuss für die Bremer Straßenbahn AG soll gekürzt werden, auch wenn dies mit den Betroffenen noch nicht verhandelt ist. Bei der Städtebauförderung, beim Programm Wohnen in Nachbarschaften, bei den Beiratsmitteln und beim Programm Soziale Stadt wird außerdem gekürzt. Die Ressorts werden dabei unterschiedlich stark belastet. Die Innenbehörde etwa trägt im laufenden Jahr rund 1,7 Millionen Euro bei, Bildung 2,4 Millionen und Bau knapp 4,5 Millionen Euro. Die Kasse "Allgemeine Finanzen" liefert 5,6 Millionen Euro. Hieraus werden unter anderem Gebäudesanierungen finanziert. Zusätzlich dazu hat sich der Senat auf eine Kürzung von zehn Millionen Euro in diesem Jahr quer durch alle Dienststellen geeinigt. Damit soll ausgenutzt werden, dass während der haushaltslosen Zeit ohnehin nur begrenzt Ausgaben erlaubt sind. Bürgermeister Böhrnsen wehrte sich gestern dagegen, angesichts der Verschiebungen und Streckungen von einem Finanztrick zu sprechen. Fakt sei, dass der Haushalt 2006 und 2007 um je 30 Millionen Euro niedriger ausfalle. Böhrnsen: "Wir sind zufrieden." Das vorliegende Zahlenwerk unterstreiche, dass der Senat auch in schwieriger Zeit in der Lage sei, politische Entscheidungen zu fällen. Thomas Röwekamp antwortete bereits im Vorgriff auf den Vorwurf, die Haushaltsstrategie würde künftige Generationen belasten: "Es kann nicht alles in diesem Doppelhaushalt passieren." Den Auftrag, die je 30 Millionen einzusparen, hatte sich der Senat am 12. Dezember 2005 selbst erteilt. Maßstab für den Betrag, um den es dabei geht, ist die Summe der Restmittel, die Jahr für Jahr zwar im Haushalt vorhanden sind, aber von den Ressorts nicht abgerufen werden. Der grüne Finanzpolitiker Jan Köhler übt Kritik am 30-Millionen-Beschluss. Er sagt: "Die Große Koalition hat keine Probleme gelöst, sondern wie üblich vertagt." Köhler befürchtet, dass die Entscheidung, Projekte zu strecken, zu Lasten künftiger Haushalte gehen könnte. Einen Schlagabtausch am Rande lieferten sich gestern CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). Perschaus Aufschlag: Der Finanzsenator habe einmal mehr nicht zur Lösung des Problems beigetragen. Die Finanzbehörde verweist als Antwort unter anderem auf den Lösungsvorschlag in der 30-Millionen-Debatte. Perschau habe offenbar in dieser Angelegenheit nicht mitbekommen, was passiere. Böhrnsen sprang in einer weiteren Erklärung Nußbaum bei.

Weser Kurier vom 01.03.06

 

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