Jan 152014
 

Robert Henze 1827 – 1881

Autobiografie sprachlich und inhaltlich überarbeitet

Inhalt

Robert Henze

Bildhauer Robert Henze

Motto: Bilde und schaffe, was der Unsterblichkeit wert ist.

Kindheit und Schule

In Dresden auf der Neugasse No 19 im Jahre 1827 den 8. Juli wurde ich geboren. Damals stand auf dieser Stelle, wo jetzt ein dreistöckiges Haus steht, ein kleines vorderes Gebäude und ein ebenso kleines Hintergebäude, daneben noch ein paar Schuppen von Brettern. In den Gebäuden, welche nur aus Parterre und Dach bestanden, war in dem an der Strasse die Schlosser Werkstelle meines Vaters und im hinteren Gebäude war die Wohnung. Meinen Vater, welcher als ein guter, tüchtiger und solider Schlossermeister bekannt war, verlor ich schon als ich drei Jahre alt war, kann mich deshalb auch nur dunkel oder fast gar nicht an ihn erinnern. Zu dieser Zeit waren wir drei Geschwister, ein älterer Bruder und eine ältere Schwester. Mein jüngerer Bruder wurde erst zwei Monate nach dem Tode des Vaters geboren.

Die Mutter musste sich nach dem Tode des Vaters nach einem tüchtigen Werkführer umsehen. Einen solchen bekam sie auch, namens Holzegel, der auch nach Verlauf von einem Jahr unser Stiefvater wurde, über welchen wir auch nie im geringsten in irgend einer Weise zu klagen hatten, denn das Gefühl eines Stiefvaters haben wir nie gehabt.

Mein älterer Bruder Julius und meine  Schwester besuchten die Evangelische Freischule, ich aber kam in die sogenannte Böhmische Schule auf die Pirmaische Strasse, wo ich auch den berüchtigten Pastor Stephan, welcher später nach Amerika mit seinen Glaubensgenossen auswanderte, kennen lernte.

Als ich neun Jahre war wurde die erste Distriktschule eingerichtet, in welche ich als Schüler eingeweiht wurde, später wurde dies die erste Bürgerschule auf der Joha… gasse.

Zu allem andern Unterricht zeigte ich weniger Talent als zum Zeichnen. Deshalb gewann mich auch der Zeichenlehrer namens Kaul sehr lieb und er erlaubte mir alle Sonntage den ganzen Tag bei ihm zeichnen zu dürfen; später durfte ich auch malen. Nicht weniger Talent hatte mein Bruder Julius, doch war sein dramatisches Talent vorherrschend, so dass wir oft mit andern Freunden Theater spielten. Die Stücke schrieb mein Bruder selbst. Die Kostüme wurden aus alten Jacken mit Goldtressen und Flinkern (möglichst Spanisch) eigenhändig hergestellt, wo die Schwester natürlich sehr behilflich war. Die Bühne (Procenium) wurde aus Bohnenstangen, die Kulissen und Hintergründe aus Papier angefertigt. Die Malereien führten wir natürlich selbst aus. Spielen durften oder konnten wir leider zu Haus nicht, denn da war zu wenig Platz, deshalb musste die Grossmutter ihre Stube, welche damals auf der jetzigen Landhausstrasse wohnte, hergeben. Entree war auf dem ersten Platz sechs Pfennige, auf dem zweiten Platz drei Pfennige. Vom Einkommen wurden die fünf Stücke sechs Pfennige Lichter, die wir brauchten, und die sonstigen Ausgaben bestritten. Auch in der alten Gastwirtskaserne auf der Rebahnstrasse wurde oft auf dem Putzboden gespielt.

Unsere Erziehung war ziemlich streng, doch waren wir trotzdem böse Rangen, denn Raufereien gab es oft, so dass ich mit manchem Loch im Kopf nach Hause kam, wo ich jetzt noch Spuren aufzuweisen habe; deshalb ging auch bei uns zu Hause nie das Heftpflaster aus.

Cupid von Robert HenzeCupid von Robert HenzeCupid von Robert Henze
© Christopher Henze

Ausser meinem Zeichnen und Bilder kolorieren hatte ich schon etwas Neigung zur Plastik, denn ich fabrizierte Männchen aus Ton oder Gips mit Mechanik. Auf Garderobe wurde allerdings zu dieser Zeit noch nicht so gesehen als heut zu  Tage in den Schulen, deshalb mussten wir und ich zumal, weil ich der Jüngere mit war, abgelegte Kleider tragen, so unter anderem eine Zeit lang einen Frack von einem Onkel, welcher mir allerdings etwas  zu gross war, doch sagte die Mutter, es sei schade denselben abzuschneiden und wurde nun aus diesem Grund auch so angezogen. Die Ärmel wurden umgeschlagen und die Schösse gingen ziemlich bis auf die Schuhe. Die  Farbe war blau und hatte vergoldete Knöpfe. Dieses Kostüm, dazu helle Hosen, gaben oft den Anlass zu Ulkereien und  Gelächter. Ich betrachtete das auch von der lächerlich heiteren Seite und trieb alle möglichen Faxen damit. Erinnern kann ich mich auch noch, dass ich oft den Schoss über die Achsel nahm, und wenn mich die Jungen neckten, so sagte ich, seit ruhig, heute habe ich meinen Konzertfrack und meine Billardhosen an.

Viele Unannehmlichkeiten in meiner Jugend verursachten wir immer einem gewissen Herrn Sommer, derselbe war Wagenlackierer und hatte einen solchen Schuppen bei uns gemietet. Konnten wir und seine Enkel, welche oft zu uns kamen, seine Böcke und Bretter erwischen, so wurden Brücken und Türme gebaut. Dadurch entstand viel Staub, was natürlich seinen lackierten Sachen viel Schaden machte, was natürlich zum Schluss mit ein paar tüchtigen Hieben, mittelst einer alten Säbelscheide endete. Hinten im Hof stand auch ein sehr grosser Zapfen Birnbaum, auf welchem wir unsere Kletterkünste ausführten, aber auch durch Schutzanlagen einer sehr langen Stange zum Seiltanzen benutzt wurde. Es war mir ein leichtes auf der Stange herauf und herunter, rückwärts und mit Tanz laufen zu können, welche Kunst wir dem berühmten Seiltänzer Kusir abgelauscht hatten. Natürlich gab das immer Ursache zu Löchern in  Hosen und Jacken, was der armen Mutter, die ausserdem all zwei Jahre für ein Kind mehr zu sorgen hatte, keine Freude bereitete. Bei der Grossmutter musste immer eins von uns Kindern schlafen, damit sie nicht allein war. So kam auch die Reihe an mich. Schlecht ging es uns da nicht, zu tun hatten wir weiter nichts, als früh und abends eine Betrachtung von … zu lesen und einige alte Geschichten von Napoleon dem Ersten, seinem Einzug in Dresden, von der grossen Illumination und Feuerwerk mitanzuhören.

Die Vergnügungssucht war auch nicht so als Heut zu Tage, es ging höchstens in die grossen Gärten zu Hochs oder zu Bergamus nach Neustadat auch im Plauenschen Grunde. Da gab es nur ein einfaches Bier mit Butterbrot, höher wurden die Ausgaben nicht gemacht. Einmal kann ich mich entsinnen, dass unser Dienstmädchen mit uns drei Ältesten Kinder einmal auf den Lansberg gegangen ist. Dieses muss aber in meinen früheren Jahren gewesen sein, denn ich bin grosse Stücke von ihr gehockt worden. Da ging es mir auch wohler als meinen andern Geschwistern, denn oben angekommen sollten die mitgenommenen Bemmchen verzehrt werden. Ich aber als Kleinster wurde dann von ihr auf den Schoss genommen und mit Kaffee und Zwieback gefüttert. Sie sagte „lass den hübschen Keinen mal bei mir vor die Hand“. Ob ich wirklich ein hübsches Kind gewesen bin, lass ich hingestellt, denn an Schönheit hab ich bis auf den heutigen Tage noch nichts entdecken können.

Schlosserlehre und Wanderschaft

Als die Schulzeit vergangen und ich nun zwölf Jahre geworden war, wurde es auch nötig, mich zu einem Beruf zu entschliessen. Die grösste Lust hatte ich freilich Künstler zu werden, wollt auch ungeheuer gern die Akademie besuchen. Wir waren aber zu dieser Zeit an Zahl der Kinder bis zu zehn gestiegen, und da sagte der Stiefvater, es sei nicht gut möglich, so viel an mich wenden zu können und ich sollte doch ein Handwerk lernen. So entschloss ich mich, auch schnell Schlosser zu werden, lernte beim Vater die drei Jahre, welche man als Meister Sohn bloss zu lernen nötig hat.

Meine Lehrjahre waren freilich keine Herrenjahre. Arbeiten mussten wir von früh um fünf bis abends sieben Uhr. Oft wurde auch bis abends zehn gearbeitet. In dieser ganzen Zeit waren nur eine halbe Stunde Frühstück und die Zeit der Essens Pause, sonst wurde immer fest gearbeitet. Die Lehrgesellen gingen auch nicht immer sehr liebenswürdig mit uns um, denn ich habe mitunter tüchtig Haue bekommen. Aber gelernt hatte ich etwas. Mein Gesellenstück fiel zu allgemeiner Zufriedenheit aus. Ich arbeitete auch sonntags gewöhnlich aber für mich. Da wurden für die Schwester Nähschrauben oder Garnwinden gemacht oder ich zeichnete Schloesser oder Geländer.

Einer meiner Lehrgesellen, welcher viele Jahre bei meinem Vater in Arbeit stand, war ein gewisser Wagner aus Altona gebürtig. Dieser Mensch war ein geborener Sänger und zweitens Schauspieler und Deklamator. Beim Feilen lag immer seine Rolle unterm Schraubstock, um oft einen Blick hinan zuschauen. Er spielte in vielen kleinen Gesellschafstheatern und hatte immer die erste Rolle. Nebenbei ein lustiger Bursche, Tänzer und Faxen Macher. Am liebsten ass er Klösse und so weiss ich, dass er einmal wegen einer kleinen Prügelei auf dem Schulgut 19 Tage eingesperrt wurde. Meine Mutter, immer mitleidig, schickte ihm zwei- oder dreimal Klösse in die Polizei. Es gäbe viel von diesem genannten Altonaer zu erzählen doch gehört es weniger hier her.

Fama auf der Kunstakademie in Dresden

Fama auf der Zitonenpresse
der Kunstakademie in Dresden

Foto: Thomas Wolf, www.foto-tw.de

Mein Bruder, Julius, welcher auch Schlosser war und zu seinem Vergnügen Gitarre lernte, redete mir doch Flöte blasen zu lernen, worin ich aber es nicht weit gebracht habe trotz allem Quälen.

Mein Stiefvater blies auch Stockflöte und so wurde manchmal abends wo auch mein Bruder seine Gitarre üben kam, musiziert. Der Lehrer namens Graupem war aber immer  sehr müde, weil er gewöhnlich den Abend vorher zum Tanz gespielt hatte und während des Spielens einschlief, was immer eine heitere Sache für alle war.

Die drei Jahre meiner Lehre waren zu bald vergangen. Ich war also ein zünftiger Geselle und durfte nun auch rauchen und tanzen und zum Biere gehen. Auch schickte es sich in die höllische Fremde zu gehen. Es war noch drei Wochen bis Weihnacht 1844. Ich war 17 Jahre gewesen. Zu dieser Zeit musste gerade ein Geselle meines Vaters nach Haus. Derselbe war aus Altona. Dieser sagte, ich sollte doch gleich mit ihm gehen, das hätte ich zu Gesellschaft. Dieses überlegte ich mir nicht länger und so wurde das Felleisen geschnürt und zur Reise vorbereitet. Die Mutter staffierte mich so gut als möglich mit Wäsche und Strümpfen aus. Meine Barschaft bestand ausser den Kleidern aus sechs Talern, einer Lizenz für das  Wanderbuch, die Flöte und ein Blechkästchen, darin war ein selbstgefertigter schöner Storchschnabel, etwas Farbe und Pinsel. Ich muss hier noch bemerken, dass ich neben meiner Schlosserei immer sonntags Silhouetten auf Glass malte, womit ich immer ein kleines Taschengeld verdiente. Das Stück mit Rahmen wurde für zehn Groschen hergestellt, natürlich hatte ich da immer zu tun, denn die bekannten Gesellen lassen sich  für diesen Preiss schon sich und ihre Geliebten verewigen.

Ich hatte also alles beisammen. Nun nahm ich von meinen Eltern und Geschwistern Abschied und die Reise ging bei ziemlich kaltem Wetter im Schnee fort. Es war 14 Tage vor Weihnachten 1844. Wir fuhren bis Niederau mit der Eisenbahn, dann ging es zu Fuss mit meinem Felleisen, das 40kg schwer war, über Elsterwerda, Herzberg usw. bis Berlin und von da nach Hamburg. Wir marschierten den Tag gewöhnlich fünf Meilen mit  ziemlich starkem Schritt, denn wir mussten uns mehr warm laufen, weil ich nur ein Oberröckchen darunter eine wollene Jacke anhatte, denn von Winterüberzieher wusste ich noch nichts, kaufen konnte ich nicht einmal Unterbeinkleider.

Jerimia fuer die Markuskirche

Jerimia für die Markuskirche von Robert Henze
© Albrecht Kühn

Wir gingen also nach Altona, um dort Quartier zu machen. Zu diesen Zeiten war noch auf den Herbergen Handwerksgebrauch. Dieses kannte ich noch nicht und so trat ein Anderer, welchem ich etwas dafür bezahlte, für mich ein. Hierbei muss ich erwähnen, dass der Handwerksgebrauch trotz seinem Zopf viel für sich hatte, weil Streitigkeiten und alles ohne Prügeleien ausgeglichen wurden und jeder auf sein Handwerk stolz  war, was jetzt nicht mehr der Fall ist.

Ich bekam also nach Weihnacht in Ottensen bei Atona Arbeit, blieb da bis Pfingsten 1845. Sonntags sah ich mir Altona und Hamburg an. In Hamburg war nach dem Brand von 1842 schon viel wieder gebaut. Bewundert wurden die schönen Häuser auf der Jungferngasse, den Hafen, die Kirchen etc. Auch zeigten mir die älteren Nebengesellen das Leben auf St. Pauli, doch liessen sie mich nicht allein, um nicht etwa in schlechte Gesellschaft zu kommen, was ich ihnen heute noch danke. Einer von den Gesellen hatte die Tochter eines Hamburger Zimmermanns am Hamburger Stadttheater zur Geliebten. Durch diesen hatte ich auch die Gelegenheit, manchmal mit ihm im Theater auf den Schnürboden zu kommen, wo ich von oben manches hübsche Stück zu sehen bekam. Freilich war der Eindruck nicht da, als man vom Zuschauerraum das Spiel ansah.

Das Frühjahr kam in diesem Jahr etwas  spät, die Elbe war bis Ostern auch in Hamburg zugefroren und habe mich da gewundert, welches Leben da auf dem Eise war, Karussell, Schaubuden etc. Als das Eis fort war, sah ich nun das Leben auf dem Wasser, das Ankommen und Abfahren der grossen Schiffe, Dampfschiffe und Bote.

Bei meinem Meister hatte ich es ganz gut, konnte mich weder über Kost noch Lohn beklagen. Ich wollte aber die Welt sehen und so ging ich nach Pfingsten wieder weiter. Es zog mich nach  Süden. Marschierte also von Hamburg durch die Lüneburger Heide nach Hannover, Kassel bis Frankfurt am Main. Da gab es auch Arbeit, die Herberge war in der goldenen Guoste. Die Herbergsmutter musste Mitleid für mich kleinen Kerl haben, denn sie sorgte eben für Arbeit, trotzdem wenig Arbeitgeber da waren. Ich bekam bei einem Meister namens Pilzer Arbeit; daselbst wurden nur eiserne feuerfeste Kassenschränke fabriziert, wobei ich viel lernen konnte. Leider hielt die Arbeit nicht lange an und ich bekam bei einem Mechanikus, welcher grössere Maschinen baute, Beschäftigung. Auch da hielt ich es nicht lange aus, denn weil ich ihm seinen Bohnenschneidemaschinen und Äpfelmühlen und Verkorkmaschinen abzeichnete, schickte er mich fort. Davon hab ich nie Gebrauch gemacht, ihm also nie geschadet aber der Mann hatte also nach seinem Begriff jedenfalls Recht. Ich verlies also Frankfurt, welches mir nicht so recht  war, denn die alte interessante Stadt und das Städtische Museum mit seinen schönen Werken und der Kupferstichsammlung vermisste ich sehr.

Zunächst ging ich nach Mannheim. Dort bekam ich auch  Arbeit, erst bei einem Herrn Hoennermann und dann bei einem Hannes Sackenau. Sein Eindruck war nicht einnehmend, er sah aus wie der Jude Ischariot,  rotes Haar und Bart, verbissen etc. Ich hielt es eine Weile aus, denn der Winter war da. Früh gab es nur ein Pfund Brot ohne irgendetwas dazu, schlechtes Mittagessen und schlechte Schlafstelle. Schon um fünf Uhr früh, wenn er aufstand, war das Erste, dass  er seine Frau verfluchte (alte Hure etc.). Dieses war für mich jungen Kerl nicht sehr erhebend erbauend. Bald  sollte das auch ein Ende nehmen. Ich war bei ihm auf Arbeit gewesen, beim raus Gehen, als ich schon in der Haustür war, hörte ich hinter mir ein fürchterliches Geschrei. Sein Schwager hatte nämlich meinen guten Sackenau so mit einer Wagendeichsel geschlagen,  dass ihm gleich das Blut aus Mund, Nase und Ohren floss. Man brachte ihn nach Haus, ich sollte helfen etc. Er lag Wochen, behielt aber eine Schwäche im Kopf.

Psyche_von_Robert Henze

Original Grab des Bildhauers Robert Henze mit aufsteigender Psyche von ihm selbst entworfenen, während Brandbomben auf Dresden im Februar 1945 zerstört.
© Albrecht Kühn

Ich suchte wieder Arbeit und zwar drüben über den Rhein, jetzt Ludwigshafen damals Rheinschanze. Ludwigshafen war erst 1843 gegründet worden, es wurde viel gebaut und war viel zu tun.  Dort war ich 3/4 Jahre. Das schönste Haus baute ein Herr Gienanth, welcher viele Eisenwerke in der Pfalz  besass. Seine schöne  junge  Frau  interessierte alle. Sie war eine famose Reiterin. In diesem Haus war ich, solange der ganze Ausbau dauerte, fortwährend beschäftigt. Die jungen Leute wohnten schon drin. Es gab immer zu tun auch in den Wohnstuben. So hatte ich einmal in der Kinderstube etwas am Stuhlzeug zu machen. Die junge Frau sass unten mit ihrem Kind und liebkoste es. Mich interessierte dies und ich sah manchmal von der Leiter herunter. Dabei frug sie mich nach meiner Heimat.

Ich war dort nur als der kleine Sachse bekannt. Auch hatte ich das erste Probeschloss an dem Bahnhof, welche nach Speyer führte, angeschlagen. Als die Bahn eingeweiht wurde, durften wir auch die Probefahrt (unentgeltlich) mitmachen.

Die Arbeit war wieder zu Ende und ich musste fort, hatte aber nicht viel Geld. Ich  dachte aber, vielleicht bekommst Du beim Herrn von Gienanth ein Trinkgeld, ich riskierte es und mir wurden auch zwei Rappen verabreicht. Die Gnädige Frau fuhr gerade aus, ich begrüsste sie. Dieselbe frug mich, warum ich denn heute so geputzt war; ich antwortete ihr, dass ich  fortwolle. „Nun reisen sie  glücklich“ war die Antwort und verabschiedete sich. Das gab mir einen gewissen Trost und ich fuhr mit der  Eisenbahn bei Sturmwetter wieder nach Frankfurt am Main.

Dort angekommen, sagte die Herbergsmutter „Nun, was wollen Sie denn schon wieder? Hier gibt es keine Arbeit“. Das war ein schöner  Schreck. Aber am  nächsten Tage kam mein früherer Meister (Pilgern) auf die Herberge und, als er mich sah, sagte er „Ei da ist ja der Maler wieder da.“ Nun Sie können bei mir Arbeit haben. Ich war wieder ein Jahr ziemlich dort, bekam immer schöne  Arbeit, besonders die Figuren an den Kassenschränken auszuführen, konnte immer etwas Neues machen. Gezankt haben wir uns nur einmal, wo er erklärte, „der kleine Sachse hat ein Maul wie ein dreischneidiges Schwert.“ Zuletzt aber, als ich abreiste, weil ich wegen der Stellung zum Militär nach Hause musste, schenkte er mir noch ein paar schöne, ziemlich neue Hosen.

Ausbildung zum Bildhauer

Jetzt ging es nun schnell nach Haus. Selbstverständlich freuten sich alle, dass ich ges… war und noch ein paar Gulden mitbrachte. Soldat wurde ich nicht, denn ich hatte das Mass nicht, was mir auch ganz recht war. Jetzt arbeitete ich beim Vater weiter. Der Bruder Julius war Lokomotivführer geworden. Der und  der Bruder Rudolf wollten auch in die Fremde (er war auch Schlosser).

Die Lust zum Zeichnen und Malen trat jetzt, nachdem ich viel gesehen hatte, stärker als früher auf. Ich ging wieder zu meinem alten Zeichenlehrer Kaul, er lies mich ein bisschen malen in Öllithographien.

Das war meine Erholung des Sonntags. Kaul bastelte immer für sich, so baute er einen Apparat zu Hobelbildern, da waren natürlich Bilder wichtig, wo ich ihm immer die feinen Konturen, weil seine Augen nachliessen, zeichnen musste. Ich hatte es schon so weit gebracht, dass ich ein G…bild gemalt hatte auch dasselbe auf die Ausstellung zu geben gewagt hatte. Billig war es, hatte auch einen Käufer, doch als derselbe zu mir kam und mich in der Schlosserwerkstätte fand, schien er doch die Lust zum Kauf verloren zu haben, jedenfalls aus Vorurteil.

Henzestr. in Dresden

Henzestr. in Dresden

So malte ich auch Portraits, freilich sehr billig, na sie waren auch danach. Auch Landschaften hatte ich versucht auf Porzellan. Kurz, ich verdiente schon damals Geld damit. Zwar war es dem Vater nicht recht, weil ich auch oft an den Wochentagen nicht genug arbeitete, wenn etwas zu malen war und er mich nötig hatte, was ich ihm nicht verdenken konnte.

Mein Freund Wiessing der Kunstformer zog mit mir in meine kleine Wohnung bei den Eltern im Haus zusammen. Er formte und ich malte, doch musste ich ihm auch manches modellieren. Auf seinen Vorschlag wollten wir ein Compagnie Geschäft machen, doch um etwas tüchtig zu lernen war doch noch mehr Schule nötig. Jetzt meldete ich mich zum Besuch auf der Akademie, legte meine Arbeiten vor und wurde auch auf Probe, weil ich schon 27 Jahre alt war angenommen. Leben musste ich auch und so wurde früh bis acht gearbeitet, dann an die Akademie gegangen und abends wieder bis spät, damit wurde etwas verdient und durch weniges, was ich der Mutter für Essen und Kaffee gab, das Leben gefristet. Auch half ich dem Vater mitunter noch, weil viel zu tun war. So hab ich noch die Türen und Leisten in dem Haus, was jetzt Professor Hähnel von der Regierung hat, angeschlagen lassen, freilich ohne Wissen des Professors.

Der Bildhauer, jetzt Professor Schilling, war unterdessen aus Italien zurückgekehrt und hatte das Atelier auf der Schaeferstrasse No 11 gemietet. Er führte den Fries im Treppenhause des neuen Museums auf der linken Seite aus. Mein Schwager Wiessing (derselbe hatte unterdessen meine Schwester Maria kennen gelernt) hatte für Herrn Schilling zu tun und mit ihm gesprochen, ob ich nicht bei ihm als Schüler eintreten könnte. Er war nicht abgeneigt, sagte nur, dass er mir jetzt nichts bezahlen könnte, sollte ihm aber helfen; würde mit dem was ich schon gelernt hatte weiter kommen. Doch müsste ich die Sachen ernstlich betreiben oder gar nicht.

Es war im Sommer 1859 als ich zu ihm kam. Auf der Akademie war ich den Gipssaal durch und ging nun bloss abends in den Aktsaal, wo ich unter den berühmten Professoren Schnorr, Carolfeld, Hübner, Hähnel und Nietschul zeichnete und modellierte. Tagsüber war ich beim Herrn Schilling im Atelier. Jetzt war ich allerdings ganz Bildhauer, meinem Schwager auch wieder nicht ganz recht.

Ich hatte mich ganz Herrn Schilling übergeben. Derselbe gewann mich auch lieb und lud mich ein auch an seinem Polterabend teilzunehmen. Er heiratete von Ernst Arnold, Kunsthändler, die ältere Tochter Louise. Ich wurde nun nicht bloss mit dem seiner Kunst sondern auch mit der Familie Schilling bekannt. Da wurden nun Geburtstage, Hochzeitstage etc. gefeiert, wo immer etwas künstlerisch Poetisches gemacht  wurde. Ich half da fleissig mit und  lernte dabei das eigentliche Familienleben kennen, denn von Gesellschaftsfesten und heiterem Zusammensein, kannte ich bis dahin so gut wie noch nichts. Ich lernte das eben erst von der poetischen Seite kennen, wurde mit geistreichen Leuten und auch mit  hübschen jungen Mädchen bekannt, wo ich durch die Unterhaltung viel profitierte. Auch gab mir  Schilling immer etwas zu lesen und er schenkte mir ein hübsches Buch oder ein hübsches Werk. Ich war nun jede Woche einige Tage bei Schillings. Die Familie wuchs und die Kinder hatten mich ebenso lieb wie ich sie. Schilling hatte immer hübsche Arbeiten, wo ich ihm helfen durfte und er mir auch wöchentlich einen kleinen Lohn, anfangs drei und später fünf Rappen gab. Das half mir nun auch ungemein zu meinem Fortkommen und Auskommen. Auch lernte ich bei ihm mit Marmor zu arbeiten, so habe ich ein Relief und einen Christus etc. ausgeführt. Ohne eigentliche Anleitung fasste ich das sehr leicht, weil ich ja mit Meissel und Hammer umgehen wusste. So waren nun unter Schillings Leitung und seiner immer bewiesenen Freundschaft vier Jahre vergangen. Die Arbeit liess etwas nach.

Eines Tages frug mich Professor Nietschul, ob ich nicht  bei  ihm  im  Atelier die Schiller- und  Goethegruppe kopieren wollte. Ich war sehr bereit auch unter seiner Leitung einmal zu arbeiten. Nachdem ich die Gruppe angefangen hatte, (das eigentliche Modell war in München in der Giesserei) und es nach den Skizzen und Photographien nicht so recht gehen wollte, sagte der  Professor, es ist jedenfalls gut, wenn Sie nach München gehen und die Arbeit dort nach dem Original fertig machen. Ich dachte, das ist ja famos und reiste ab nach München. Da hatte ich nun das Glück, dass zu dieser Zeit die erste grosse Kunstausstellung im Glaspalast war. Was sah ich da für herrliche Arbeiten, von längstens bis auf die heutige Zeit. Die herrlichen Malereien in der Ludwigskirche und die schöne Pinakothek, mit den wunderbaren Fresken von Cornelius. Kurz, alles was München an Kunst bot. Dieses alles wirkte ganz besonders auf mich. Dann war unter anderem in diesem Jahre (Herbst) die Feier des 700jaehrigen Bestehens der Stadt München.

Da war zu dieser Feier ein herrlicher Zug aller der verschiedenen Jahrhunderte mit echten Kostümen, Wagen, Musik etc. Auch nahm ich an dem Künstlerfrass, der abgehalten wurde, mit teil, das war eine Zeit, wie ich sie noch nicht erlebt hatte. Es waren viele Künstler auch aus Dresden da, darunter waren auch die Herren Schilling und Hähnel. Mit diesen hatte ich oft das Glück zusammen zu sein und unter ihrem Urteil die Kunstwerke zu betrachten.

Nachdem ich auch das Oktoberfest mitgemacht, war ich auch fertig und musste wieder zurück nach Dresden. Ich hatte meine Arbeit, so gut als ich es gekonnt hatte, abgeliefert und ging nun wieder zum Schilling, half ihm noch längere Zeit und machte auch für mich einige Arbeiten.

Professor Hähnel, welcher Professor Schilling oft besuchte hatte und auch die Arbeit, welche ich für Schilling in Marmor gemacht hatte, oft gesehen und frug mich, ob ich für ihn eine Schillerbüste ausführen wolle.

Ich übernahm die Arbeit für hundert Taler mit Lieferung des Marmors. Es war nicht sehr viel, doch half dieses mir weiter. Die Büste war fertig und sollte die Korrektur bei Prof. Hähnel im Atelier vollenden.

Nachdem dies geschehen, hatte Hähnel in dieser Zeit auch das Monument des König Friedrich August in  Arbeit. Er bot es mir an ihm zu helfen, was ich mit grosser Freude annahm.

Unter Professor Hähnel war die Anregung noch weit grösser. Wie bekannt ist er ja einer der geistreichsten Bildhauer der Neuzeit, immer trieb er uns an zu komponieren und zu zeichnen. Zurzeit als das Monument des Königs Friedrich August ausgeführt wurde, hatte Hähnel die  Schüler Kundenau aus Wien, Kautsch, König und Strecker. Mit Kundenau war ich sehr befreundet, wir waren oft zusammen, lernten die Familie Bernhard Reinhold (Maler, 1824-1892) kennen, wo  wir ein- und  ausgingen und ich zum ersten Mal meine jetzige Frau sah.

Bei Hähnel blieb ich nun, half erst am Hilfsmodell zum Fürsten Schwarzenberg Reiterstatue, welche später ganz ausgeführt wurde und an welcher ich acht Jahre mit daran gearbeitet habe. Die Arbeit fiel in das Jahr 1866 wo der Krieg zwischen Sachsen und Österreich war.

Nachdem das Modell zum Schwarzenberg fertig war, sagte der Herr Professor Hähnel, ich müsste auch einmal nach Italien und jetzt passte es ihm am besten. Ich hatte mir etwas gespart und Hähnel gab mir noch 100 Rappen. Reinhold und Kundenau waren schon dort. Der Maler Rauwatche, der auch nach Italien ging, war mein Reisegefährte.

Wir fuhren Ende September fort. In Rom ging es mir nicht sehr gut, erst bekam  ich  einen Gallenanfall und später das Fieber. Frau Reinhold, denn ich wohnte bei Reinholds mit Kundenau zusammen, hat mich sehr gut gepflegt, welches ich ihr in meines Leben nie vergessen werde. Im April musste ich mit Reinhold und Kundenau zurück.

Vorher, im Jahre 1863 war eine Konkurrenz zu einem Brunnenstandbild für Meissen ausgeschrieben (Heinrich I.), wo ich die Konkurrenz gewann und denselben in 2/3 Lebensgrösse ausführte. Im Jahre 1864 wurde er in Sandstein aufgestellt, wofür ich auch von der Stadt Meissen eine sehr schöne Vase mit einer Ansicht von Meissen und einer Widmung als Geschenk erhielt. Es war mein erster selbstständiger Auftrag.

Heinrichsbrunnen von Robert Henze

Der Heinrichsbrunnen in Meißen wurde 1863 errichtet. Das von dem Dresdner Bildhauer Robert Henze geschaffene Denkmal zeigt Heinrich I mit seiner Burggründung im Arm.
© Albrecht Kühn

Im Jahre 1867 half ich auch Professor Hähnel am Modell des Herzogs von Braunschweig Öls (Reiterstatue). Das Modell war 2/3 Lebensgrösse und wurde von Howaldt in Braunschweig ganz in Kupfer getrieben. Das Modell habe ich für Hähnel nach Braunschweig gebracht und selbst an Howaldt abgeliefert. Das war eine kleine Erholung, denn ich besuchte von Braunschweig aus den Harz und Brocken.

Eines Tages machte mir der Professor Hähnel den Vorschlag eine Skizze von der Kurfürstin Anna von Sachsen zu machen. Ich liess mir das nicht zweimal sagen. Aber ich machte die Skizze so wie alle meine Skizzen zuhause. Arbeitete daran früh von fünf bis achteinhalb, dann ging es zu Hähnel ins Atelier und sonntags. Auf Anregung Hähnels machte  ich noch eine Skizze, doch wurde die erste zur Ausführung gewählt.

Der Stadtrat bestellte die Figur und habe dieselbe 2,25 hoch im Jahre 1868 ausgeführt, sie wurde in Nürnberg gegossen bei Lanz und Howaldt und den 9. Oktober 1869 ohne alle Einwände aufgestellt. Zu dieser Figur habe ich sehr viele Studien gemacht, und habe sie so gut ich konnte durchgeführt. Später erhielt ich dafür auf der Ausstellung in Berlin 1870 die  kleine goldene Medaille und 110 Rappen Prämie vom Preussischen Kunstverein. Das Jahr drauf schickte ich das Modell nach Wien, wo mir die Künstler dasselbe für die Ausstellung ins Künstlerhaus für den Preis von 200 Rappen abkauften. Nie habe ich bei dieser Arbeit geglaubt, dass sie so ansprechen würde.

Im Jahre 1867 wurde auch der Schwarzenburg in Wien enthüllt, wo mich der Herr Professor Hähnel mit dahin nahm. Er bezahlte meinen Reise und die Ziehungskosten. Ich freute mich ungeheuer einmal Wien zu sehen und es ist  grossartig, was da alles zu sehen ist. Die herrlichen Galerien, ja es ist schon eine Kaiserstadt.

Im Jahre 1869 im September reiste ich mit meinem Bruder Julius nach Nürnberg wegen Guss der Kurfürstin Anna. Ich fand alles sehr gut von Howaldt gearbeitet, ging dann weiter mit Julius nach Regensburg und  München (Ausstellung), traf dort den Maler Cholant, welcher mir riet mit ihm einen Abstecher nach Salzburg, Berchtesgaden und Königsee zu  machen, auch zum Chiemsee. Es war wunderbar und ich habe mich göttlich amüsiert.

Professor Hähnel half mir auch an verschiedenen Arbeiten, z.B. am Raffael in der Pension für das Wiener Opernhaus. Später auch an den Hilfsmodellen zu den Pegasusgruppen für das Wiener Opernhaus.

Familie

Während der Zeit, als ich bei Hähnel war, verkehrte ich und meine Kollegen bei Herrn Balzer auf der Chemnitzerstrasse. Wir gingen sehr oft nach einem Mittagstisch, welchen wir lange auf dem Feldschlösschen hatten, zum Kaffee zu Herrn Balzer, doch sorgten nicht er sondern seine Tochter Anna mehr für uns. Anna interessierte sich sehr für Kunst, hatte auch Talent zum Malen, worin ihr Herr Reinhold Unterricht gab. Auch gab sie oft kleine Tees und Abendgesellschaften, wo ich immer zum Arrangement behilflich war. Ich war also gewissennassen der Hausfreund. Nach meinen kleinen Triumphen in der Kunst kam ich auch in diesem Haus mehr in Achtung, die Neigungen zu mir wurden etwas stärker, obwohl früher andere bevorzugt wurden, die allerdings an Gestalt und Kurven jedenfalls besser waren  als  ich!

Es war am 5. März 1872, ich war zum Mittagstisch daselbst eingeladen. Nach Tisch, als der Vater sein Mittagsschläfchen machte und ich mit Anna vertraulich allein war, hatten wir beide den Mut uns zu verloben. Sie war zwar nicht gleich einverstanden, doch machte sich alles mit der Zeit und wir feierten am 16. März 1872 die Hochzeit. Wir waren glücklich! Machten eine sehr schöne Hochzeitsreise in die Schweiz zum Bruder Armin und kamen nach vier Wochen gesund und munter in die Villa auf dem Chemnitzerstr. wieder an.

Im Jahre 1873 wurde mir  noch das grosse Glück zuteil, dass mich meine liebe Frau am 28. August mit einem gesunden Jungen, unseren Martin erfreute.

Robert und Anna Henze

Robert und Anna Henze

Meiner guten lieben Frau war es nicht vergönnt, das Modell der Germania zu sehen, denn die Hoffnung auf ein Kindchen verhinderte sie auszugehen. Auch durfte sie dieses nicht wagen, denn eine frühere Fehlgeburt, wovon sie sehr schwach war, bedingte es, dass sie die ganzen neun Monate fast stets gelegen hat. Es war am 9. Februar 1877, als sie mit dem Zwillingspärchen niederkam, Marie und Elisabeth waren frische gesunde Kinderchen, gediehen ganz gut, doch  wurde uns die ältere, die Maria, durch eine schreckliche Krankheit den Brechdurchfall, wovon so viele, viele Kinder in diesem Jahr  starben, genommen. Elisabeth wurde nur noch dadurch, dass wir gleich eine Amme nahmen, gerettet. An das Ammensuchen werde ich mein Lebtag denken!

Selbständigkeit

Im Jahre 1869 riet mir Hähnel, mich selbstständig zu machen und mir ein Atelier zu bauen. Ich sprach mit der Mutter, ob sie die Erlaubnis mir geben wollte im Hof von der neuen Gasse, wo wir wohnten, eins bauen zu dürfen. Sie war damit, wie auch meine Geschwister einverstanden. Jetzt wurden wieder die paar hundert Thaler, welche ich mir mit meinen Arbeiten und dem Lohn von Hähnel ersparte, daran gesetzt und ein hübsches Atelier gebaut. Das Atelier war da aber noch keine Arbeit. Der Krieg gegen Frankreich war in vollem Gange, immer Sieg auf Sieg (1870). Man war im hohen Grade begeistert.

Die Schlacht bei Sedan war geschlagen, Napoleon III war gefangen. Alles, wie auch ich glaubte, der Krieg sei nun zu Ende. Ich sagte mir: da muss etwas geschehen. Es liess mir keine Ruhe, ich machte eine Skizze zu einer Germania. Der Krieg ging fort. In der Zeit machte ich noch eine Skizze zu einer Victoria. Nachdem der Krieg bald zu Ende war, gab ich beide Skizzen aufs Rathaus. Ich arbeitete immer noch bei Hähnel, eines Tages trat der Herr Stadtrat Stueberl ein, ich solle auf das Rathaus kommen, sie wollten zum  Siegesfest die Germania gross als Dekorationsfigur ausführen lassen. Der Professor frug, was der Stadtrat gewollt hätte, als ich es ihm sagte, frug er ob ich schon eine Skizze gemacht hatte, als ich es bejahte, sagte er: „Na, blamieren sie sich nur nicht, denn das ist nicht so leicht“. Ich hatte aber Courage, dass er mir ein paar Schüler zum Helfen geben möchte. Dieses erlaubte er mir und so ging es los.

Relief Ludwig Richter 1884

Relief Ludwig Richter von Robert Henze 1884, links neben dem
Leonhardi-Museum. Unter dem Relief finden sich die letzten
Worte des Malers Richter aus seinem Tagebuch.
© Albrecht Kühn

Professor Hähnel reiste unterdessen nach Wien wegen der Pegasus Gruppe. Es ging alles ganz gut und die Figur stand am 5. März 1871 zum Siegesfest fertig auf dem Alten Markt.

Professor Hähnel war unterdessen zurückgekehrt, nachdem er die Figur sich auf dem Markt von allen Seiten besehen hatte, sprach er sich sehr zufrieden aus. Auch Professor Schilling sagte zu  mir „Sie wissen gar nicht wie gut die Figur ist“. Die schönste Arbeit war es  nicht, aber lustig zu machen, der Stadtrat gab mir die abgeschlossene Summe von 300 Talern. Unsere Truppen sollten den 11. Juli 1871 in Dresden als Sieger zurückkehren, natürlich wurde da viel gebaut und gearbeitet. Die Patriotischen Vereine welchen auch Schilling angehörte, wollten auf der Augustusbrücke zwei Victoria stellen, welcher Kurtz ausführen sollte. Der lehnte dies aber ab, weil er nicht auf Dekorationsarbeit eingestellt sei. Schilling trug mir die Arbeit an. Er sagte „Sie müssen diese Arbeit machen“, meine Antwort war: „Eine ist schon fertig“. Dieselbe wurde als Skizze eingereicht und genehmigt, die andere schnell gemacht und gedacht. Mit Hilfe von ein paar Hähnel Schülern wurden die zwei Victorien zwei Meter 25 hoch in vier Wochen in Gips ausgeführt. Architekt Schreiber hatte die Säulen und Bildhauer Hauptmann die Dekorative gemacht. Sie wirkten ganz gut und standen bei Sturm und Wetter, Schnee und Regen ein ganzes Jahr, jede auch einem Bein schwebend. Im Jahre 1871 hatte ich noch mehr Arbeiten ausgeführt, unter anderem eine Dürer Statue (Dekoration) nach Meissen zum Dürer Tag, eine kleine Germania für Bronzeabguss für den Prinzen Georg eine Motivtafel mit Fleiss und Liebe für den Herrn Bankdirektor Schilling als Geschenk zu seiner goldenen Hochzeit und Zeichnung zu einem Schild und verschiedene Kleinigkeiten.

Eros von Robert Henze

Entwurf für Phantastos mit dem Künstler Bildhauer Robert Henze in seiner Werkstatt ca. 1890-1894.
Das Atelier II befand sich seit 1877 auf der
Hohen Straße 54 in Dresden-Plauen.

Phantastos heute

Im Jahre 1872 hatte ich auch zwei Sitzende Figuren in 2/3 Lebensgrösse,  die Industria und Liberalitas zu einem  Grabmal für den Fabrikanten Herrmann nach Bischofswerda vollendet und dieselben wurden in Wien in Bronze gegossen. Diese zwei Figuren waren meine ersten grösseren Arbeiten in dem neuen Atelier. Dann hatte ich eine Germania für die Aula der Leipziger Universität zum Gedächtnis der 1864 gefallenen Studenten vollendet  in 1/2 Lebensgrösse. Dieselbe habe ich später nochmal lebensgross für Lauchhauer zu einem Siegesdenkmal in Neu Ruppin ausgeführt.

Meine nächste Arbeit waren nun sechs Zwickel an dem neuen Theater in der Neustadt. Ich begann nach der Hochzeit mit Amor und Psyche, schöner konnte es ja nicht passen. Ausser den sechs Zwickeln musste ich in diesem Jahr noch zwei dekorative Figuren für die goldene Hochzeit seiner Majestät des Königs Johann gemacht werden. Ich machte die Treue und die Liebe, welche auf der Fläche mit grossem Transparent versehen, war auf dem Schlossplatz. Meine gute Frau war mit der Treue sehr zufrieden. Noch wurden in diesem Jahr eine kleine Wachsfigur (Saxonia) und ein Christengel für unseren Christbaum fertig. 1873 hatte ich mehr Arbeiten für Herrn Schreiber an das königliche Haus übernommen u.a. zwei Karyatiden an den Erkern. Die vier Figuren auf den Verdachungen.

Dann wurde auch das Teplitzer Theater gebaut, wo ich auch für Herrn Architekt Schreiber drei Reliefs, die Komik, Tragik und Lyrik sowie das Märchen und die Sage (zwei Kinder) lieferte. In die zwei Nischen habe ich auch die Modelle für Sandstein, die Poesie und die Musik ausgeführt. Auch machte ich in diesem Jahre die etwas des Cornelius für Düsseldorf.

Im Jahre 1874 kamen nun kleinere Arbeiten von Porträts und Figuren fertig zu liefern, was noch angefangen war. Ich musste im Jahre 1875 ein neues Postamt nach einer Zeichnung von Nikolai mit hinweg lassen, doch behielt ich am Postamt die vier Figuren, welche die Wissenschaft, die Wehrkraft, Friede und Trauer darstellten.

Ich arbeitete ausser vielen Skizzen  einer Figur (Kranzwerferin) für Herrn Eberhardt, zwei Skizzen für das Dresdener neue Kunsthaus, Liebe und Gerechtigkeit, und dann den schönen Brunnen von Matrelli im jetzigen Stadtkrankenhaus restauriert. Derselbe war in einem schrecklichen Zustand, keine Arme mehr vorhanden, im Bassin wuchsen die Flieder- und Holundersträuche ellenhoch. Um die Armstellung und dgl. richtig wiederherzustellen hatte ich viel nachzusuchen. Herr Prof. Hähnel aber, welcher mir  sagte, es sei der ganze Brunnen als Modell in Lehm in seinem Atelier gewesen, weil die Meissener Porzellanfabrik eine Miniatur davon hergestellt hatte. Man habe diese dann nach England verkauft. Dies brachte mich auf den Gedanken nach Meissen zu fahren und dort anzufragen. Leider wurde mir keine Hoffnung gemacht, dass noch irgendetwas von der Form vorhanden sei.

Grabanlage Bierling
© Albrecht Kühn
Grabanlage Bierling Grabanlage Bierling Grabanlage Bierling Grabanlage Bierling Grabanlage Bierling

Doch  schrieb mir bald darauf der Herr Vorsteher Lundritz, das sie die Form von Neptune gefunden hätten wovon er mir auch später einen Abdruck schickte. Ich war sehr glücklich darüber, weil ich doch jetzt alles von der Hauptfigur so wie früher herstellen konnte. Es gab aber viel zu tun, denn was fehlte da nicht alles? Hände, Füsse, Finger, Zehen, Muscheln, Gehänge usw. Ich habe mit drei Steinbildhauern und auch andern Bildhauern die ganze Sache durchgearbeitet, wurde aber fertig und ist dieselbe nachdem alle Wasserrohre hineingelegt wurden am 18. September 1875 wieder zum ersten Mal in vollem Gange gewesen.

Auch habe ich in diesem Jahre, nachdem ich die Konkurrenz gewonnen hatte, eine Brunnenfigur für die Stadt Crimmitschau 2,17 hoch modelliert und die zwei grossen Figuren des neuen Theaters, Liebe und Gerechtigkeit angefangen und dieselben bis Ende März 1876 vollendet. Im Jahre 1876 machte ich noch Skizzen u.a. eine Brunnenskizze nach Lemburg.

Wir auch die an das Postamt gehörigen Lorbeer- und Eichenkränze nebst Wagen. In diesem Jahre war auch noch der Fuerst Wolfgang von Brandenburg auf Einsendung der früheren Skizzen bestellt worden. Es war auch zu meiner Freude ein sehr schöner Auftrag. Ich begann die Figur zu Anfang Mai und habe mit Hilfe meines Schülers Heinert die Hauptfigur gelegt, den Bärenkampf und den dazugehörigen Drachen bis Ende 1879 vollendet.

Mit dem Beginn des Jahres 1880 fing ich eine Madonna (für Bitterin) für Herrn Schwarz an, welche ich schon Anfang Februar fertig hatte.

Siegesdenkmal Germania

In Jahr 1874 wurde mir der ehrenvolle Auftrag eine Skizze zum Siegesdenkmal für den Alten Markt zuteil, mit dem Wunsch die Germania von 1871 als Hauptfigur beizubehalten. Nachdem ich die Skizze fertig hatte und ausgestellt war, ja auch schon genehmigt war,  musste sich der Architekten Verein in die Sache einmischen, was mir viel Verdruss und Verzögerung verursachte.

Darauf schlug ich den Stadträten vor, die Figuren aus Marmor zweiter Qualität herzustellen, da man das Ganze dann, wenn wir den Mörtel dazu kaufen müssen, für denselben Preis herstellen könnten; besonders da wir in  Dresden noch nichts in Marmor hätten. Man war damit einverstanden und wurde auch dieses beschlossen. So verging  das Jahr 1874 mit Hoffnungen.

Ich machte mit Herrn Cellai in Florenz, welchen ich schon früher kennen gelernen hatte einen Anschlag über die Marmorarbeit und Lieferzeit, denn wir hatten mit Anfertigung der Modelle und Ausführung nicht viel Zeit, weil das Ganze am 2. September 1880 fix und fertig stehen müsse. Dieses war auch die Ursache, mich nach Italien zu wenden wegen der Ausführung. Anders hätte ich die Zeit nicht einhalten können. Blöcke mussten ausgesucht und bestellt werden. Auch die Preise dort waren etwas billiger als hier. Ebenfalls ist das Material der Italiener freundlicher als unser Sandstein, mit dem die Dresdener Bildhauer arbeiten. Trotz all dieser Beschlüsse war aber das Denkmal immer noch nicht endgültig bestellt.

1876 war auch das Jahr, wo endlich das Siegesdenkmal fest bestellt wurde und ich konnte schon am 1. März in demselben Jahr mit der Germania anfangen. Mehrere Arbeiten ausserdem veranlassten mich einen Gehilfen zu nehmen und so ging es nun frisch an die Arbeit, die Germania welche ich in 2/3 der wirklichen Grösse modelliert habe, wurde bis Ende Dezember noch in diesem Jahre fertig, so dass ich dieselbe noch im Februar nach Florenz zu Herrn Cellai absenden konnte.

Germania Kopf

Germania Kopf
Foto von User:Kolossos

Im Jahr 1877 modellierte ich auch nun zum Siegesdenkmal die Wissenschaft und mit Hilfe von Herrn Pitschaft, meinem Gehilfen, noch zwei Karyatiden, eine in Rüstung. Auch habe ich viele Ornamente für Herrn Dr. Spitzer modellieren lassen durch Herrn Pitschaft und die zwei Eckfiguren (die Staerke) angefangen. Am 8. März 1877 wurde die Stärke oder vielmehr die Wehrkraft vollendet und abgefordert.

Es liess mir keine Ruhe die Marmorarbeiten in Florenz einsam zu sehen. Ich musste deshalb mit meinem Schwiegervater am 15. März 1877 dahin nach Florenz. Es war noch ziemlich kalt bis über den Brenner, dann wurde es schon milder, obwohl in  Bologna noch etwas Schnee lag. Herr Cellai holte uns auf dem Bahnhof ab und den andern Tag ging es gleich in das Atelier. Die Arbeiten waren tüchtig fortgeschritten, die Germania vollendet punktiert, auch die Wissenschaft schon ziemlich weit. Alles war sehr gewissenhaft gemacht und nachdem ich mich überzeugt hatte, war ich etwas beruhigt. In Florenz wurden alle Galerien und Schönheiten betrachtet und nach Fiesole gefahren. Auch besuchte ich den Maler Sattler und den Bildhauer Prof. Pazzi und Hildebrandt. Wir fuhren auch einmal nach Carrara bei  Spezia. Vater machte, trotzdem er schon 78 Jahre war, alles mit.

So fuhren wir in  Spezia weit in den Hafen hinaus und als wir am linken Ufer waren, stand ein grosses eisernes Fahrzeug mit einer kolossalen Schiffskanone, welche für das grosse Kriegsschiff, dem Tantalus, welches in  Spezia auf der Werft lag und  eben  gebaut wurde, bestimmt war. Es sollte gerade ein Probeschuss getan werden und wir blieben deshalb in der Nähe auf dem Wasser. Das Rohr war neun Meter lang, wurde mit Dampfmaschinen bewegt und gerichtet und endlich der Schuss mittels elektrischer Batterie abgefeuert. Wir hatten von der furchtbaren Lufterschütterung den ganzen Tag Kopfweh. Abends fuhr ich mit Herrn Cellai zurück nach Florenz, Vater aber ging nach der Riviera und Genua.

Die Zusage und Hoffnung auf das Siegesdenkmal veranlasste mich, da mein Atelier in der Neugasse jetzt zu klein wurde, ein Stück Land in Plauen zu kaufen, um dort ein Atelier zu bauen. Etwas Geld hatte ich doch, war dies lange nicht hinreichend. Deshalb musste ich mir bei … das Geld borgen, und mit fünf Prozent verzinsen. Das Atelier wurde noch in diesem Jahre fertig und wurde im Oktober bezogen. Das Land kostete 2.500 Rappen und das Atelier mit Anlage des Gartens ziemlich 4.000 Rappen. Es war die Zeit des Schwindels, wo alles so teuer war, doch hat der Baumeister Stock mit wenig Verdienst dasselbe gebaut.

Überreste der Germania Überreste der Germania
Überreste der Germania
© Albrecht Kühn

Nachdem ich den Entwurf für die vier Figuren fertig hatte, war noch immer nichts entschieden; mal wollte der Stadtverwaltung kein Geld genehmigen und machten wieder Einwendungen, schlugen Änderungen vor, doch liess sich  der Herr Oberbürgermeister nicht davon abbringen, die Germania aufzustellen und so wurde nach langem Debattieren und mit Bewilligung die Hälfte der Kosten aus der Guenzischen Stiftung zu nehmen, die Sache  beschlossen. Früher war aber das Ganze aus Granit und Bronze bestimmt, denn man  glaubte die Bronze würde dazu vom König durch Schenkung einiger alter französischer Kanonenläufe gestiftet. Aber die Herrn Stadträte bekamen auf ihr Ersuchen die Antwort, dass man zwar einige Rohre zu Glocken gespendet habe, aber so viel wie dazu gehöre, sei man jetzt nicht ermächtigt herzugeben und das läge dem Sächsischen Armeekorps zu ferne. Der Marmorblock für Germania hatte 20 Kubikmeter und ein Gewicht von 600 kg. Denselben in das Studio in Florenz zu schaffen waren von Carrara 20 Leute und 12 Ochsen mitgekommen. Es ist ein sehr schöner fester Marmor, welcher auch gewiss für unser Klima von Dauer sein wird, hätten wir nur von dem verfluchten Russ nicht so viel zu leiden. Den 15. April war ich von Florenz wieder nach Dresden zurückgekehrt. Meine liebe Frau mit der Nichte und Martin empfingen mich auf dem Bahnhof, mein guter Martin, welcher schon vier Jahre war, überreichte mir einen Veilchenstrauss, die ersten aus dem Garten.

Nun ging es an die drei  Figuren, den Frieden. Mit dieser Figur habe ich mich schon gequält, trotzdem ich mich am meisten darauf gefreut hatte. Im September war er vollendet und abgesandt. An Stelle der Treue machte ich nur Skizzen. Vater und manche andere fanden es für geeigneter die Begeisterung oder das Ideal zu setzen. Nachdem die Skizze fertig wurde, das grosse Modell sofort angefangen und dieselbe bis Ende April 1879 vollendet. Nun bereitete ich mich 1880 von neuem zur  Reise nach  Florenz vor, um die sämtlichen Figuren noch durch zu korrigieren. Schenkt mir Gott Gesundheit und eine glückliche Rückkehr, so hoffe ich, dass das  Monument am ersten September des Jahres enthüllt werden kann, Glückauf! Am 24. Februar 1880 also ging die Reise in Begleitung des Schwiegervaters und des Herrn Rafaelo Cellai, welcher auf einer Reise nach Wien, in Dresden mich besuchen wollte, nach Florenz.

Robert Henze

Bronzemedaille aus dem Jahr 1902 (33,5 mm)
Vorderseite: ROBERT HENZE * 8. JULI 1827
Rückseite: SEINEN / FREUNDEN / 1902
© Christopher Henze

In Florenz fand ich gleich neben dem Atelier, wo die Figuren in Marmor von Herrn Cellai ausgeführt wurden, ein hübsches Zimmer auf der Via Bruneto Latini. Ein anderes Zimmer bewohnte Herr Lampl mit Frau aus Wien, welche bei Herrn Cellai arbeiteten. Frau Lampl, eine Dresdenerin, Tochter des verstorbenen Restaurateurs Stephan. Als Hilfe bekannt, nahm sie mich in Kost. Ich lebte gut und billig. Mehreres ist aus den Briefen an meine liebe Frau zu ersehen. Dort arbeitete ich  fleissig mit in Marmor, machte nebenbei noch drei Skizzen, eine Gruppe Venus und Amor, eine Amazonengruppe und eine Flora. In der freien Zeit wurden alle Kunstschätze, welche Florenz birgt, studiert. Sonntags machten wir Ausflüge nach dem Lande. Die Zeit verging schnell, Nachricht erhielt ich oft von zu Hause. Hatte zwar oft Sehnsucht nach meiner lieben Frau und Kindern. Zum Geburtstag meiner Frau schickte ich eine hübsche goldene Kette mit Medaillon. Meinem Bruder zeichnete ich zu seinem 35jaehrigen Amtsjubiläum ein Wappen. Auch habe ich mich in meiner Einsamkeit  einmal für meine Frau auf den Pegasus geschwungen! Donnerstag, den 1. Juli, reiste ich in Florenz ab und zwar in Begleitung des Herrn Lampl nebst Frau, welche wieder nach ihrer Heimat Wien zurückgingen. Wir  Reisten über Spezia, Genua, Mailand nach Ala, wohin wir unsere Koffer vorausgeschickt hatten. In Bozen trennten wir uns. In Dresden kam ich um sechs Uhr früh an.

Altmarkt in Dresden mit Kreuzkirche und Germania um 1890

Altmarkt in Dresden mit Kreuzkirche und Germania um 1890

 Auf dem Bahnhof erwartete mich meine liebe Frau, Martin und Liesbeth, mein Schwiegervater und Nichte Hedwig und meine beiden Schüler Glaesert und Heinert. Ich wollte gerne bis zu meinem Geburtstag am 8. Juli in Dresden sein. Nun ging es an ein Sorgen und Laufen wegen des Monumentes, der Sockel war fertig und man rüstete zum Aufzug der grossen Figur, nebst den vier kleinen. Am 30. Juli kamen die fünf Figuren in Dresden an, diese waren am 20. Juli in Florenz abgegangen. Herr Cellai war einige Tage schon vorher in Dresden eingetroffen. Alles war gut und glücklich angekommen und wurden auch alle fünf Figuren ohne den geringsten Schaden versetzt. Die Figuren waren alle auf drei Wagen mit sechs Rädern geladen, die Germania auf einem. Die Germania wog 12.370 Kilo. Zwei Figuren 5.350 Kilo und die andern zwei mit der Fahnenspitze 6.550 Kilo. Für Fracht haben wir 3.171 Mark bezahlt, für Zollgebühr vier Mark und 17 Rappen. Die  Aufstellung mit  Hebung hatte Herr Baumeister Eduard Mueller übernommen, welcher er mit der grössten Sorgfalt besorgte. Am 1. September war also die Enthüllung.

Altmarkt in Dresden 1881

Altmarkt in Dresden 1881

Mit schwerem Herzen ging ich schon früh um 4.30 Uhr nach dem Alten Markt, nur noch einmal das Ganze im Morgengrauen anzusehen, denn vorher war es unmöglich, da das Ganze mit Brettern verschlagen war und eben keine Distanz war. Der Tapezierer nahm die obere Hülle weg, die ganze Umhüllung lag unten auf der Stufe, ich trat zurück und dachte „Nun Gott befohlen, ist nichts mehr zu ändern“. Man  zog die Umhüllung hinauf und ich ging nach Haus, um meinen Kaffee zu trinken. Um zehn Uhr sollte ich am Rathaus sein. Meine Frau und Schwiegervater hatten ein Billet zum Eintritt auf den Balkon. Martin war nicht mit, als mich aber die Frau Oberbürgermeisterin sah, fragte sie: „Wo haben Sie denn ihren Martin.“ „Der ist zu Hause“, sagte ich. „Ach der muss dabei sein“ Ich liess ihn gleich holen und er kam noch zu Recht. Ich war unterdessen unten mit dem anderen Herrn versammelt. Punkt elf Uhr kam seine Majestät der König, die Königin, der Prinz Georg und Gemahlin.  Alle Tribünen waren besetzt, ich stand mit Professor Nikola  zusammen. Die Sachsenhymne war  gespielt, die Enthüllung begann, mir pochte das Herz, die Tränen waren nahe, ich versuchte mich an dem Anblick der 250 Festzugsfrauen zu zerstreuen. Der Oberbürgermeister hatte gesprochen und der Vorhang fiel! Jetzt war ich gerichtet! Allgemeiner Jubel, ich holte frisch Atem. Der Oberbürgermeister redete mit dem König, die Herrschaften gingen in Begleitung des O.B. um das Denkmal herum. Nach langer Zeit rief mich der O.B. zum König. Er  sprach einige Worte des Beifalls, Prinz Georg erkundigte sich nach der Bedeutung der Figuren, die Prinzessin Georg sprach von einer grossen Arbeit. Alles war in fünf Minuten abgemacht. Mehr geschah an diesem Tage von hoher Seite nichts.

Dresden Kreuzkirche 1900

Dresden – Altmarkt mit Siegessäule und Kreuzkirche
1900

Glücklicher war ich bei den freundschaftlichen Grüssen der Künstler, den Freunden und den Bekannten. Es war keine Verstellung sondern es kam von Herzen, ich war glücklich. Ich dankte Gott, dass ich meine Arbeit zur Freude des Publikums hingestellt hatte, ich hatte die Herzen des Volkes, vielleicht weniger die Herzen der hohen Herrschaften mit ihren Schwänzen. Nach fünf Tagen brachte mir mittags der Herr Oberbürgermeister das Ritterkreuz erster Klasse, den Albrechtsorden.

Die Zeitungen sprachen sich im Allgemeinen recht gut über das Denkmal aus, der Stadtrat hatte alles auf dem Alten Markt brillant dekoriert mit Gasbeleuchtung, Flaggen und Grün. Abends wurde die Germania vom Rathaus aus vom dritten Stock aus elektrisch beleuchtet. Bei dem weissen Strahl war der Jubel am grössten. Dabei spielten zwei Musikkapellen abwechselnd. Am 2.September war der eigentliche Siegestag, wo wieder auf  dem Alten Markt  grosser Jubel und der Gesang von 9.000  Kindern ertönte. Männergesang und grosse Rede von Herrn Ackermann (Hofrat). Auch meine alte Mutter hatte ich auf den Balkon des Rathauses führen lassen.

Aber am 2. September hatte ich mich mit meinem Bruder und vielen Freunden, dem Herrn Professor Nikolai, Professor Giese und Pohle nebst des Vorstands des Künstlervereins dem Baumeister Mirus zu mir in den Garten geladen, wo es ein sehr feines Abendessen mit Wein gab. Es wurde viel gesprochen und Frau Mirus überreichte mir einen schönen grossen Lorbeerkranz. Wir waren bis früh um zwei Uhr fröhlich beisammen. Es ist ein schönes Gefühl für seine Vaterstadt ein  Monument geschaffen zu haben, welches an die grossen Taten Deutschlands vom Jahre 1870/71 erinnert und was allgemein Beifall findet.

Siegesdenkmal von Robert Henze

Foto der Germania von 1880

Zu Hause waren massenhaft Gratulationen eingetroffen, auch von meinem Freund Riebisch, ein schönes Gedicht mit einem Lorbeerkranz. Herr Cellai, welcher auch den Albrechtsorden 2. Klasse bekommen hatte, reiste fröhlich und zufrieden wieder zu den Seinen nach Florenz.

Weitere Arbeiten

Schon musste ich mich bald wieder zu einer Reise vorbereiten, weil an dem 12. September das Wolfgang Denkmal in Brandenburg enthüllt werden sollte. Ich traf abends an dem 11. dort ein und sah schon, wie sich die Stadt überall geschmückt hatte. Überall nagelte man Zweigranken. Am 12. früh ging ich gleich zu Herrn Steinmetzmeister Merkel, welcher die Leitung des Unterbaues und das Fundament übernommen hatte; ich holte mir bei ihm über alles Auskunft, besuchte auch den Herrn Oberbürgermeister, der mir sagte ich sollte mich um drei Uhr auf dem Rathaus einfinden. Schon um ein Uhr zogen alle Vereine und Handwerker, Schiffer, Beamte und Schulen auf. Um drei Uhr war alles aufgestellt und zehn Minuten später erschienen der Herzog Friederich von Anhalt, die Herzogin, die Prinzen und die Prinzessinnen. Nach mehreren Ansprachen wurde der Bau enthüllt. Es ging alles sehr gut. Nach Ende der Reden kam der Herzog und die Herzogin sogleich zu mir, gaben mir die Hand und waren äusserst liebenswürdig, sprachen sich sehr lobend aus.

Dann gingen alle in das Rathaus, wo Erfrischungen gereicht wurden und wo ich dem Herrn Minister von der Veronick vorgestellt wurde. Lernte auch den Herrn Oberstleutnant Cornelius kennen, den Sohn des grossen Cornelius. Abends war Festbankett, wo es sehr fröhlich zuging, Illumination und Feuerwerk. Den andern Tag, nachdem ich mir Brandenburg angesehen hatte, reiste ich wohlgemut wieder ab.

Bildhauer Robert Eduard Henze

Robert Eduard Henze  1827–1906
© Christopher Henze

Am 23.September erhielt ich vom Herzog von Anhalt den Verdienstorden für Wissenschaft und Kunst, Albrechts des Bären, worüber ich sehr erfreut war.

Anfang Oktober 1880 bekam ich von Herrn Dr. Jungmann in Leipzig den Auftrag die Büste des Herrn Rektor Eckstein in Leipzig zu modellieren und in Marmor auszuführen. Ich reiste für 14 Tage nach Leipzig und wohnte bei Frau Hulthof. Es war eine schwere Aufgabe, weil der Herr Rektor fast nicht gesessen hat und ich musste die Büste in seinem Schreibzimmer in der Thomasschule machen, wo er dabei schrieb oder fort musste oder Stunden zu geben hatte. Sie ist aber trotzdem zur Zufriedenheit ausgefallen und wurde sehr ähnlich. Nachdem ich wieder zurück war, fing ich gleich die Arbeit an der Villa Gebhardt in Leipzig an, welche ich durch den Herrn Baumeister Rosshuf erhielt. Es waren vier Zwickel und zwei Giebelfiguren und  zwei Figuren als Verdeckung über dem Bogen. Damit wurde ich im Mai fertig und machte dann zwei Zwickel für das Kinderspital auf der Chemnitzerstrasse, wofür ich nichts bekam sondern dem Spital als Geschenk übergab.

Eine grosse Ehre widerfuhr mir am 12. März 1881 als mir das Diplom zugeschickt wurde, wo ich als Ehrenmitglied der königlichen Kunstakademie zu Dresden ernannt wurde. Das Jahr 1881 war nicht reich an Bestellungen. Ausser dem eben genannten fertigte ich noch zwei Porträts an. Eine Skizze der Barbara Uthmann nebst Brunnen womit ich nach Annaberg fuhr um selbiges dem Bürgermeister vorzulegen. Im Sommer kam noch eine schöne Bestellung von Herrn Bierling, nämlich eine Grabfigur  für den neuen Amtskirchhof in Loebtau.

Auch manche schmerzliche Tage hatte ich dieses Jahr, denn es starb mein lieber Bruder Carl am 8. Dezember. Er war schon lange brustleidend, wozu noch ein Blutsturz eintrat. Kurz davor hatten wir auch den Schwager Politisch begraben, welcher in seinen  besten Jahren schon die Sinne verlassen musste.


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