Feb 062014
 

Von Gerhard Rein, 05.02.2014

Hast Du das gehört? Haben Sie das gelesen? Nun hat er sich zur Kenntlichkeit entstellt. Das Telefon steht nicht still, und die Mails haben in den Tagen nach dem 31. Januar 2014 fast nur ein Thema: Die Rede des Bundespräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Erregung ist groß und lässt nicht nach. Etwas selbstverliebt hat sich Joachim Gauck ja gelegentlich als links, liberal und konservativ beschrieben. Das war nur albern. Die Münchner Rede hat bestätigt, dass Gauck schon seit  langer Zeit ein konservativer Nationalist ist, der seine Landsleute dazu ermutigen möchte, seiner Gedankenwelt zu folgen. In der BILD- Zeitung jubelt der eingeschränkte Peter Hahne, dies sei die beste Rede, die je ein Bundespräsident gehalten habe. In der FAZ bescheinigt Herausgeber Nonnenmacher, Gauck habe Wegmarken für die Zukunft gelegt, in der Süddeutschen Zeitung verteidigt Stefan Kornelius den Bundespräsidenten gegen alle Kritik. Gauck sei ein Opfer der Menschen, die ihn nicht verstehen wollen. Da ist sie wieder: die merkwürdige Harmonie der großen Zeitungen unserer kleinen Welt-Provinz.

Dabei ist die Rede Gaucks alles andere als eindeutig. Sie ist gespickt mit vagen, dreisten, offenen und versteckten Andeutungen. Eine kleine Auswahl:

  • im außenpolitischen Vokabular reimt sich Freihandel auf Frieden und Warenaustausch auf Wohlstand.“
  • Gauck fragt: „Ergreift die Bundesrepublik genügend Initiative, um jenes Geflecht aus Normen, Freunden und Allianzen zukunftsfähig zu machen, das uns doch Frieden in Freiheit und Wohlstand in Demokratie gebracht hat?“.
  • Gauck ordnet ein: „Ich muss wohl sehen, dass es bei uns – neben aufrichtigen Pazifisten – jene gibt, die Deutschlands historische Schuld benutzen, um dahinter Weltabgewandtheit oder Bequemlichkeit zu verstecken… So kann dann aus Zurückhaltung so etwas wie Selbstprivilegierung entstehen.“ Ein ziemlich typischer Gauckscher Singsang. Der von ihm so oft positiv verstandene Begriff Selbstermächtigung wird nun als Selbstprivilegierung denunziert.

Die Reaktionen auf Gaucks Rede sind bemerkenswert.

  • Der eigenwillige CSU- Politiker Gauweiler warnt davor, Deutschland durch Gauck in einen neuen Krieg hineinreden zu lassen.
  • Jürgen Todenhöfer bezweifelt, ob Gauck wirklich wisse, wovon er rede.
  • Hans-Christian Ströbele fragt einigermaßen entsetzt, was denn aus der DDR- Protest- Parole „Schwerter zu Pflugscharen“ geworden sei.
  • Im Berliner Tagesspiegel kommentiert Antje Sirleschtov, „Gauck mahnt die Deutschen, sich nicht länger hinter dem Holocaust zu verstecken während andere in den Krieg ziehen.

Die Worte Holocaust oder Auschwitz kommen in Gaucks Rede nicht vor. Dass man sie so interpretiert, fällt auf Gauck zurück. Nicht zu Unrecht.

Eine Erinnerung: Als Anfang Juni 2010 SPD und Grüne in Berlin ihren Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten vorstellten, beschrieb Siegmar Gabriel Joachim Gauck als einen Versöhner, als einen Menschen, der die Nation einen könne. Dabei hatte Gauck bis dahin keinerlei Fähigkeiten erkennen lassen, eine solche Rolle spielen zu können.Im Gegenteil: er polarisierte. In seinen öffentlichen Reden hielt er schon damals die Deutschen für „friedensverwöhnt“ und sprach immer wieder von Menschen in unserem Land, „die fast neurotisch auf der Größe der deutschen Schuld beharren.“ Mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel hielt er 2003 gegen Kanzler Schröder den von der USA initiierten Krieg gegen den Irak für richtig.

Es dauerte noch von Juni 2010 bis März 2012, ehe Joachim Gauck nach dem unglücklichen Kapitel Christian Wulff dann doch Bundespräsident wurde. Eine Gruppe namhafter Christen, die wie Gauck in der DDR durch die Diktatur-Erfahrung geprägt waren, veröffentlichten zum Amtsantritt des Bundespräsidenten im März 2012 einen Text, in dem sie kritisch mit dem Freiheitsbegriff von Gauck sich beschäftigten und darauf hinwiesen, dass es nicht nur auf eine Haltung der Freiheit ankomme, sondern auf eine Verfassung der Freiheit. Sie selbst fühlten sich durch Erfahrungen in der DDR ermutigt, kritische Bürger im vereinten, demokratischen Deutschland zu bleiben. Wer sich aber kritisch mit Gaucks Freiheitsbekundungen auseinandersetzt, wird von seinen Anhängern beschimpft. Zu den traurigen Folgen der Präsidentschaft Gaucks zählt, dass sie die Träger der friedlichen Revolution, des politischen Umbruchs in der DDR entzweit und gespalten hat. Von einem Versöhner Gauck ist nichts zu spüren. Nirgendwo.

Dieser Eindruck verstärkt sich dadurch, dass nicht nur durch seine Münchner Rede, sondern schon lange davor, Gauck maßgeblich zu einer schleichenden Militarisierung unseres Denkens beigetragen hat. Kanzlerin Merkel hält den deutschen Waffenexport als Teil ihrer Friedenspolitik. Gaucks Forderung nach stärkerem militärischen Einsatz der Bundesrepublik versieht der Bundespräsident mit blumigen Beschreibungen der Bundeswehr als „Stütze unserer Freiheit“, Teil des „Demokratiewunders„, als „Friedensmotor für das große Wir„. So wird Deutschland immer mehr zum Akteur einer militär gestützten Interessen- und Machtpolitik. Die aktuelle Debatte um Hermes-Bürgschaften ausgerechnet für Rüstungs-Geschäfte mit Saudi-Arabien zeigt uns ja die verworrene und auch leicht verlogene Haltung der Bundesregierung. Vom „Vorrang für Zivil“ ist nicht einmal mehr die Rede.

Die Verwirrung greift um sich. Sie ist auch tief in die Evangelische Kirche eingedrungen. Ihre Kammer für Öffentliche Verantwortung hat am 27.Januar 2014 einen Text zu Afghanistan veröffentlicht. „Der Einsatz in Afghanistan: Aufgaben evangelischer Friedensethik„. Ein Text der Verwirrung. Der Spaltung. Nichts ist mehr selbstverständlich. Der Konsens der Friedensdenkschrift von 2007 ist längst dahin. Eine Fraktion, die nahe bei den Positionen der USA, ihrem Krieg gegen den Terror, nahe den Positionen der Bundesregierung steht, trifft auf Ethiker, die sich nicht den politischen Vorgaben unterordnen wollen. Kammermitglied Generalleutnant Rainer Glatz erklärt auf einer abendlichen Veranstaltung in Berlin, er habe sich bei der Schlußabstimmung der Stimme enthalten, damit der Text überhaupt veröffentlicht werden könne. Er halte ihn für zu militärlastig, vom Engagement der Zivilgesellschaft sei kaum die Rede. Ein Major fügt hinzu, wenn das zivilgesellschaftliche Engagement nicht zur Sprache komme, dann sei dieser Text nicht nur lieblos, sondern gottlos.

Und da sitzen wir nun, abends, in der Tiefgarage der Friedrichstadtkirche, und spüren, wie die Verwirrung auch uns ergreift. Vergesst die Theologen, die Sicherheitspolitiker, vertraut den Militärs. Die wissen, was Krieg ist und haben die Schnauze voll davon. Der 44-seitige Text beginnt mit dem Satz. „Die deutsche Beteiligung am internationalen Einsatz in Afghanistan geht ihrem Ende entgegen.“ Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms widerspricht vehement. Hoffentlich nicht, erklärt er. Bis zur Rede Gaucks in München waren es noch vier Tage.


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