Apr 252014
 

Ein Nachruf auf Edda Weßlau

09.09.1956 – 12.04.2014

Von Johannes Feest

Als Dekanin reformierte sie Bremens Jura-Studium, als Theoretikerin untersuchte sie die Praxis des Deals.

Am 12. April 2014 ist Edda Weßlau gestorben. Exakt 20 Jahre zuvor, im April 1994, war die Rechtswissenschaftlerin an die Universität Bremen gekommen. Die heroischen Zeiten des Bremer Modells („Der neue Jurist“) mit seiner Einstufenausbildung waren fast vorbei, aber die Abstempelung als rote Kaderschmiede löste sich erst langsam auf. Die Ausbildung im Strafverfahrensrecht war bis Mitte der 90er-Jahre im Wesentlichen den Praktikern überlassen worden, weshalb hier ein großer Nachholbedarf an kritischer Theorie bestand.

Prof. Dr. Edda Weßlau

Edda Wesslau
“Als Wissenschaftlerin sollte man authentisch bleiben
und agieren, dann wird man auch wahrgenommen.”

Im Übrigen war die Rechtswissenschaft 20 Jahre lang in Bremen eine reine Männerdomäne gewesen, so dass Edda Weßlau, zunächst als Vertretung und ab August 1995 als Professorin zu den ersten drei juristischen Hochschullehrerinnen gehörte. Damit sind die Problembereiche genannt, derer sich Edda Weßlau mit großem persönlichem Einsatz annahm.

Bei der Neustrukturierung der Ausbildung ging es darum, sich einerseits wieder in den gemeinsamen Rahmen des Deutschen Richtergesetzes einzufügen, andererseits einige der Errungenschaften des Projektstudiums zu bewahren. Für Edda Weßlau, die selbst in Hamburg eine dem Bremer Modell verwandte Ausbildung durchlaufen hatte, war es eine Herzenssache, sich für eine Erhaltung progressiver Strukturen einzusetzen.

Als Studiendekanin war sie maßgeblich an der Schaffung der dazu erforderlichen Rechtsgrundlagen beteiligt. Darüber hinaus verstand sie es, nicht zuletzt in ihrer Zeit als Dekanin des Fachbereichs (2005-2009), Brücken zur Stadt und zum Senat zu schlagen. Beispielhaft erwähnt sei der Abschluss eines Kooperationsvertrages zwischen Fachbereich und Justizsenator, der zu verstärkten personellen Verbindungen führte – Praktiker als Honorarprofessoren und Hochschullehrer auf Richterstellen. Sie selbst war von 2007 bis 2011 Mitglied des Bremer Staatsgerichtshofes.

Auf nationaler Ebene war Edda Weßlau als progressive Strafverfahrensrechtlerin eine Figur von stetig wachsender Bedeutung. So war sie Mitglied einer, vom Bundesjustizministerium eingerichteten, Kommission zur Reform des Sanktionsrechts, deren umfangreicher Bericht allerdings nach wie vor auf seine Umsetzung wartet. Sie war in der Redaktion der Zeitschrift „Kritische Justiz“. Die beiden von ihr verfassten Monografien betreffen die zentralen und weiterhin hochaktuellen rechtspolitischen Fragen der Vorfeldermittlungen und des Konsensprinzips – also des „Deals“: Auch nachdem die prozessualen Absprachen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und sogar vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet wurden, sah sie die Bedenken dagegen nicht ausgeräumt. Bis zuletzt, auch während ihrer schweren Erkrankung, wirkte sie an einem der führenden Kommentare zum Strafprozessrecht mit.

Als eine der ersten Professorinnen im juristischen Fachbereich war es für sie ein natürliches Anliegen, eine stärkere Repräsentanz von Frauen auf allen akademischen Ebenen einzufordern. In den Jahren 1998-2000 war sie auch Sprecherin der vom Akademischen Senat der Universität eingesetzten Zentralen Kommission für Frauenfragen. Sie stellte sich jedoch nicht zur Wiederwahl, um sich voll den Aufgaben des Fachbereichs widmen zu können. In diesem Rahmen trug sie erheblich zu einem Klima bei, in dem die Frauenförderpläne der Universität konstruktiv und konsensual umgesetzt werden konnten.

Durch ihren frühen Tod ist eine der letzten Repräsentantinnen des ursprünglichen Stils der Bremer Juristenausbildung verloren gegangen. Dieser Stil war durch intra- und interdisziplinäre Kooperation gekennzeichnet, der auf einem dichten Netz freundschaftlicher Verbindungen beruhte. Im Verhältnis zu den Studierenden wurde großen Wert auf gute Ansprechbarkeit der Lehrenden gelegt, häufig symbolisiert durch offene Türen der Dienstzimmer. Die drastischen Personaleinsparungen der letzten Jahre, verbunden mit dem Exzellenzdünkel, drohen dieses Klima zu zerstören.

Edda Weßlau wird allen, die sie kannten, als eine hinreißend sympathische, intellektuell anregende und politisch aktive Person in Erinnerung bleiben. Sie hinterlässt eine schmerzliche Lücke.  

taz.bremen vom 24.04.2014


Trauer um Edda Weßlau

Von Matthias Lüdecke

Die Universität trauert um Edda Weßlau. Wie die Hochschule mitteilte, starb die Professorin bereits am 12. April nach langer schwerer Krankheit. Weßlau wurde 57 Jahre alt. „Mit Edda Weßlau haben wir eine unersetzbare Persönlichkeit verloren“, schreibt die Universität.

Weßlau hatte in Hamburg Rechtswissenschaften studiert. Sie schrieb ihre Doktorarbeit über die Probleme bei Vorfeldermittlungen. Ihre Habilitationsarbeit schrieb sie über das Konsensprinzip. 1995 folgte Edda Weßlau dann dem Ruf der Bremer Universität und war dort bis zuletzt Professorin für Strafrecht und Strafprozessrecht. In den Jahren 2005 bis 2009 war sie Dekanin, sie war Mitdirektorin des Zentrums für Europäische Rechtspolitik und Mitherausgeberin der Schriftenreihe „Bremer Forschungen zur Kriminalpolitik“ und der Zeitschrift „Kritische Justiz“. Von 2007 bis 2011 gehörte sie dem Bremer Staatsgerichtshof an.

„Edda Weßlau war eine herausragende Wissenschaftlerin. Die Kombination aus analytischem Scharfsinn, Kreativität, Mut zur Kritik, konsequentem Gerechtigkeitssinn und schnörkelloser Sprache haben ihr Denken und Schreiben einzigartig gemacht. Ihre Fairness im Umgang mit anderen, ihr unbestechliches Handeln, ihre Bereitschaft, Probleme offen anzusprechen, und ihre soziale Solidarität zeichneten sie aus“, würdigte die Universität die Verstorbene. Auch Justizstaatsrat Matthias Stauch zeigte sich betroffen und würdigte Weßlaus Verdienste: „Edda Weßlau war eine ausgesprochen wichtige und aktive Impulsgeberin für die Entwicklung des Studiengangs Rechtswissenschaft in Bremen und sie war sehr bedeutsam für die Kooperation zwischen Universität und Justizressort.“

Weser Kurier vom 18.04.2014


Prof. Dr. Edda Weßlau (1956-2014)

Prof. Dr. Edda Weßlau ist am 12. April 2014 nach langer schwerer Krankheit verstorben. Der Fachbereich Rechtswissenschaft ist von dieser Nachricht tief betroffen.

Edda Weßlau hat in Hamburg Rechts­wissenschaften studiert und ihre Karriere als Schülerin von Prof. Dr. Fezer in Hamburg begonnen. Schon ihre Dissertation über die Probleme der Vorfeldermittlungen hat enorme Beachtung gefunden: Edda Weßlau war damit eine der ersten, die diese Schnittstelle zwischen Polizeiarbeit und Strafverfahren präzise analysiert hat. Das Buch gehört ebenso wie die Habilitation zum Konsensprinzip im Strafverfahren zur strafrechtlichen Basisliteratur.

1995 folgte Edda Weßlau dem Ruf der Universität Bremen und war dort bis zuletzt Professorin für Strafrecht und Strafprozessrecht. Vor allem ihre vierjährige Amtszeit als Dekanin (bis 2009) hat den Fachbereich geprägt. Sie war Mitdirektorin des Zentrums für Europäische Rechtspolitik, Mitherausgeberin der Schriftenreihe “Bremer Forschungen zur Kriminalpolitik” und der Zeitschrift „Kritische Justiz“.

Edda Weßlau war eine herausragende Wissenschaftlerin. Die Kombination aus analytischem Scharfsinn, Kreativität, Mut zur Kritik, konsequentem Gerechtigkeitssinn und schnörkelloser Sprache haben ihr Denken und Schreiben einzigartig gemacht. Ihre Fairness im Umgang mit anderen, ihr unbestechliches Handeln, ihre Bereitschaft, Probleme offen anzusprechen, und ihre soziale Solidarität zeichneten sie aus.

Mit Edda Weßlau haben wir eine unersetzbare Persönlichkeit verloren.

Weibliche Vorbilder an der Uni Bremen

Ausstellung Weibliche Vorbilder an der Uni Bremen
ganz links: Edda Wesslau

Lebenslauf

  • 09.09.1956 geboren in Wolfsburg
  • April 1975 Abitur am Theodor-Heuss-Gymnasium in Wolfsburg
  • Oktober 1977 Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg mit der Note „gut“ (15 P.) 
  • Dezember 1984 bis September 1988 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Hamburg, Lehrstuhl von Prof. Dr. Gerhard Fezer
  • Juni 1988 Abschluss des Promotionsverfahrens mit einer Arbeit zum Thema „Vorfeldermittlungen – Probleme der Legalisierung vorbeugender Verbrechensbekämpfung aus strafprozessualer Sicht“ mit der Note „summa cum laude“
  • Oktober 1988 bis August 1995 Hochschulassistentin am Seminar für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Hamburg, davon …
  • Juli 1992 bis Dezember 1993 beurlaubt wegen Erziehungsurlaub
  • April 1994 bis August 1995 beurlaubt wegen Vertretungsprofessur an der Universität Bremen, Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht
  • 1994 Erteilung eines Rufes auf die Professur (C 4) für Strafrecht und Kriminalpolitik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Ruf abgelehnt
  • Dezember 1994 Abschluss des Habilitationsverfahrens mit einer Arbeit zum Thema „Das Konsensprinzip im Strafverfahren“
  • August 1995 Ernennung zur Professorin (C 4) für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Bremen
  • Oktober 1996 bis September 1998 stellvertretende Fachbereichssprecherin
  • Oktober 1998 bis Mai 2000 Sprecherin der Zentralen Kommission für Frauenfragen des Akademischen Senats
  • Oktober 2001 bis Juli 2002 stellvertretende Studiendekanin
  • Juli 2002 bis Juli 2005 Studiendekanin
  • Juli 2005 bis Juli 2009 Dekanin des Fachbereichs Rechtswissenschaft 
  • Seit 2009 Direktorin des Zentrums für Europäische Rechtspolitik
  • 12.04.2014 gestorben in Bremen

 Universität Bremen vom 17.04.2014

Todesanzeige Edda Weßlau in de Süddeutschen Zeitung

Todesanzeige Edda Weßlau in de Süddeutschen Zeitung

 

 

xx