Jun 082014
 

Geschichte der evangelischen Mission

Von Paul Gäbler

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Evangelisches Kirchenlexikon – Kirchlich-theologisches Handwörterbuch, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2. Auflage 1962, Band H – O, Spalte 1347-1354


Grundsätzliches

Die Kirchengeschichte ist die Geschichte des in der Welt fortwirkenden Christus (K. D. Schmidt) und damit die Geschichte vom fortgesetzten Kommen des Reiches Gottes unter den Menschen. Zwar vollzieht sich diese Geschichte in der Verhüllung und ist damit letztlich dem menschlichen Zugriff entzogen. Aber ihre Auswirkungen finden ihren Niederschlag im Leben der Menschen und im Leben der Kirchen und werden damit der Beobachtung und Beurteilung zugänglich. Das gleiche gilt von der Missionsgeschichte. Aber während die Kirchengeschichte ihre Aufmerksamkeit auf das Geschehen in der Christenheit richtet, hat es die Missionsgeschichte wesentlich mit dem Kommen des Evangeliums zu den Nichtchristen zu tun. Dabei ist zu beachten, dass sich dieser Prozess auf eine doppelte Art vollziehen kann (vgl. A): durch Ausbreitung, d.h. durch das schlichte und selbstverständliche Zeugnis der Christen unter Nichtchristen (jeder Christ ein Evangelist), sowie durch Sendung, d.h. durch den spezifischen Dienst von eigens ausgesandten Missionaren und Missionarinnen, also durch Plan-M. Das eine wie das andere ist Mission.

16./17. Jahrhundert

Als sich mit dem Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert dank der Entdeckungsreisen der Zugang zu neuen Kontinenten auftat, trat der sich immer stärker entfaltende Weltverkehr in den Dienst der nun einsetzenden territorialen und wirtschaftlichen Expansion und wurde so zugleich der Schrittmacher der Mission Die zu dieser Zeit führenden Weltmächte waren Spanien und Portugal, beide katholisch. Alsbald entwickelte die röm.-kath. Kirche eine großzügige, imponierende Missionsstätigkeit in Übersee im Sinne der Sendung. In der Folgezeit kamen aber auch die anderen maritimen Nationen, die das Erbe Spaniens und Portugals antraten, zum Zuge; erst durch sie entfaltete sich, freilich teilweise sehr zögernd, die protestantische Missionssarbeit in Übersee. Deutschland dagegen, im Herzen Europas und abseits der überseeischen Verkehrswege gelegen, war stärker nach Osten und Südosten orientiert, von wo die Türken  – sie standen 1529 vor Wien – das Abendland bedrohten.

a) Die Reformation. Gustav Warneck hat die Auffassung vertreten, dem Zeitalter der Reformation habe die Missionstat und selbst die Anerkennung der Missionspflicht gefehlt, was er freilich nach Kräften zu entschuldigen versuchte. Ähnlich urteilten Julius Richter und H. W. Schomerus und urteilen noch heute Erich Schick und K. S. Latourette. So ist es eine bis heute weit verbreitete Anschauung, dass Luther und seine Mitarbeiter hinsichtlich der Mission versagt hätten. Demgegenüber ergeben neuere Untersuchungen ein ganz anderes Bild (H. Früh, K. Holl, W. Elert, W. Holsten, H. Dörries, W. Maurer u.a.). Danach hat Luther schon auf Grund seines ev. Ansatzes die M. durchaus bejaht. Denn, meint er, das Evangelium ist für die ganze Welt bestimmt und soll zu allen Völkern kommen. Diese missionarische Aufgabe ist keineswegs abgeschlossen und wird auch von Luther für seine Zeit als verpflichtend angesehen. Nach ihm soll jeder einzelne Christ ein Missionar sein und das Evangelium bezeugen, in Übersee wie in Deutschland, wo immer er mit Heiden oder Türken in Berührung kommt, ob er ordiniert ist oder nicht. Es ist ganz im Sinne Luthers gedacht (Elert), wenn Löhe sagt: „Die Mission ist nichts als die Eine Kirche Gottes in ihrer Bewegung – die Verwirklichung einer allgemeinen kath. Kirche“. So gründete sich für Luther die selbstverständliche Pflicht zur Mission auf den „dynamischen Charakter des Evangeliums und den Bewegungscharakter der Kirche“ (Hülsten). Wie Luther dachten Melanchthon, Bugenhagen, Veit Dietrich u.a.; selbst Calvin war von ihm beeinflusst. Auch Bucer, Zwingli und Bibliander bejahten die Mission. Ebenso spiegelt sich das reformatorische Missionsdenken in den lutherischen Bekenntnisschriften (Wiebe). Wenn somit die deutsche Reformation von der Mission sprach, so geschah es im Sinne der Ausbreitung; die Mission auch im Sinne der Sendung auszuüben, fehlten ihr die praktischen Möglichkeiten.

b) Das gleiche gilt nach Elert von der lutherischen Orthodoxie. So gab Philipp Nicolai in seinen Commentarii de regno Christi einen von Missionsliebe getragenen, sorgfältigen Bericht über die Lage der Mission in der ganzen Welt, den sogar Johann Gerhard reproduzierte. Letzterer kritisierte zwar Adrian Saravia (1531-1613), weil dieser die Missionspflicht aus der apostolischen Sukzession ableitete, trat aber selbst unmissverständlich für die Mission im Sinne Luthers ein. Und wenn Justinian von Welz (1621-1668) mit seinen Missionsplänen von den Führern der Orthodoxie, voran Ursinus, abgelehnt wurde, so geschah das wegen seiner schwärmerischen und asketischen Ansichten und nicht aus Abneigung gegen die Mission überhaupt. „Dieser inneren Gegenreformation gegenüber handelte die lutherische Orthodoxie in Wahrung berechtigter Interessen“ (Maurer). Sie verstand sich noch um 1600 dazu, die römisch-katholische Missionsarbeit als christlich anzuerkennen, weil diese sich laut Nachrichten aus China bei ihrer Verkündigung auf die Erlösung durch Christus beschränkte und vom Papst, Fegefeuer, den verdienstlichen Werken und Ablässen schwieg. Zu kritisieren ist aber, dass die Orthodoxie, die für die Mission als Sendung durchaus offen war, diese nur gelten lassen wollte, wenn sie durch den Landesherrn geschah und es sich dabei um Ordinierte handelte; dabei konnte jedoch ein evangelischer Landesherr nach dem Prinzip des cuius regio, eius religio überhaupt keine Pfarrer in katholisch beherrschte Länder ausschicken. Dagegen hat sie die Möglichkeiten zur Mission im Sinne der Ausbreitung trotz der unvorstellbaren Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges fleißig genutzt und sowohl Juden-Mission wie auch unter den damals in vielen Dörfern als Knechte bei den Bauern arbeitenden kriegsgefangenen Türken Mohammedaner-Mission getrieben (vgl. Frick).

c) Außerhalb Deutschlands. Die Probe auf das oben über die reformatorische Missionsauffassung Gesagte ergibt sich im Blick auf Schweden, dessen König Gustav Wasa bereits 1559 mit der Missionsarbeit unter den heidnischen Lappen in Nordschweden begann. Als Oxenstierna 1637 in Nordamerika am Delaware eine schwedische Kolonie gründete, setzte man damit unter den Indianern ein. Die Niederlande nahmen, nachdem sie das spanische Joch abgeschüttelt hatten, durch die 1602 gegründete Holländisch-Ostindische Kompanie auf Formosa (1624-1662), Ceylon (1642-1796) und in der indonesischen Inselwelt eine typische Kolonial-Mission von unterschiedlicher Qualität auf, die vielfach zu oberflächlichen Bekehrungen führte. Ein ähnlicher Missionsversuch in Brasilien unter den Indianern endete 1667 mit der Aufgabe der Kolonie. England begann nach seinem Sieg über die spanische Armada (1588) seit dem 17. Jahrhundert, in den verschiedensten Teilen der Welt ebenfalls auf dem Weg über Handelsniederlassungen Stützpunkte zu erwerben, ohne dabei seiner Missionspflicht zu gedenken. Erst die englischen Auswanderer in Amerika besannen sich bei der Berührung mit den Indianern darauf. So blühte die Indianermission unter solch hervorragenden Männern wie John Eliot (1604-1690) auf. Das dadurch geweckte Interesse führte immerhin zur Begründung einer ersten Missionsgesellschaft in England selbst, die sich freilich mit finanziellen Hilfeleistungen begnügte (Englische Missionsgesellschaften). Dänemark, das im Laufe des 17. Jahrhunderts Kolonien in Ost- und Westindien sowie in Westafrika erwarb, dachte zunächst nicht an Mission.

18. Jahrhundert

Das 18. Jahrhundert brachte für Deutschland endlich die Möglichkeit zur Missionsarbeit in Übersee im Sinne der Sendung. Eine bedeutsame Rolle spielte dabei die neue Form der Gemeinschaftsbildung, die im Sozietätswesen ihren Ausdruck fand. Der beschwingte, weltoffene Barockmensch liebte es, sich mit Gleichgesinnten in Bruderschaften und Vereinigungen zur Pflege gemeinsamer Gesinnung und zu gemeinsamem Handeln zusammenzuschließen. So entstanden auch die pietistischen Zirkel, in denen der Missionsgedanke kräftig Wurzel schlug (Pietismus).

a) Die Dänisch-Hallesche Mission verdankte ihren Ursprung der Sorge des dänischen Königs Friedrich IV. für das Seelenheil seiner heidnischen Untertanen in der ostindischen Kolonie Tranquebar. Ziegenbalg, der zusammen mit Plütschau 1706 nach Indien segelte, legte mit unbeirrbarer Klarheit die Fundamente einer echt lutherische Missionsarbeit und war dabei zugleich voll ökumenischer Umsicht. Er fand Mitarbeiter und Nachfolger von Format. Sein väterlicher Freund A. H. Francke war ein warmherziger Förderer seiner Arbeit, dem es wirklich um das Evangelium zu tun war – im Gegensatz zu Leibniz, dessen Missionspläne sich in Verbindung mit der Wissenschaft in den Bahnen der Kulturpropaganda bewegten.

b) Die Brüdergemeine begann 1732 ihre Brüdermission unter dem frommen Graf von Zinzendorf, die sie innerhalb von 28 Jahren auf 28 verschiedene Missionsfelder führte und bei der sie als tapfere Streiterschar unter unerhörten Opfern ihren Missionsgehorsam bewährte. Sie ist das erste ev. Beispiel einer ausgesprochenen Kirchen-Mission. Ihr Ziel war es, „Seelen für das Lamm“ zu gewinnen. Als Missionare zogen zumeist schlichte Laien hinaus. Sie waren zweifellos theologisch unzureichend ausgebildet. Aber es wurde damit ein für allemal eine Bresche in die Anschauung geschlagen, als ob nur akademisch gebildete Theologen für den Missionsdienst in Frage kämen.

c) Der württembergische Pietismus wurde unter der Führung von Männern wie Samuel Urlsperger (1685 bis 1772) und dessen Sohn Joh. Aug. Urlsperger (1728-1806) der dritte Quellort der deutschen Mission. Er übernahm damit das Erbe des Halleschen Pietismus, der der Aufklärung verfiel und die Dänisch-Hallesche Mission zerfallen ließ, und wurde dann der eigentliche Träger der Deutschen Christentumsgesellschaft, aus der schließlich die Basler Mission hervorging.

d) Das Ausland. Während in Holland der Missionseifer immer mehr erlahmte, kam es zwar in England zur Gründung weiterer Missionsgesellschaften (Englische Missionsgesellschaften), aber zur Aussendung eigener Missionare kam es, von der Indianer-Mission abgesehen, trotz der wachsenden Überseebesitzungen zunächst nicht, so sehr man brieflich und finanziell etwa an der Tranquebarmission Anteil nahm. Erst die Erweckungsbewegung unter Charles und John Wesley – letzterer wurde vorübergehend Missionar – bereitete den Boden für eine Wende vor. Ins letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts fielen dann die Anfänge der aufblühenden englischen Missionsarbeit in Indien und Südafrika. Dänemark fand in dem Norweger Hans Egede (1686-1758) einen Missionar, der als Apostel der Eskimos die Missionsarbeit in Grönland begründete und dann in Kopenhagen dänische Missionare dafür ausbildete.

19.Jahrhundert

a) Allgemein. Die rapide technische Entwicklung samt der dadurch bedingten Industrialisierung und Suche nach neuen Überseemärkten, das immer schnellere Wachstum der Bevölkerung samt dem damit verbundenen Auswanderungs- und Kolonisationsdrang, die weiteren geographischen Entdeckungen, die anhebenden ethnologischen und linguistischen Forschungen, das aufflammende Interesse an den fremden Religionen und Kulturen, der Kampf gegen den Sklavenhandel – das und vieles andere mehr wirkte wie ein gewaltiger Sog nach fernen Ländern und entfachte zugleich in Europa wie in Amerika einen großartigen Missionseifer, der vor allem in der nun entstehenden Missionsfreiwilligenbewegung geradezu zur Missionsbegeisterung führte. Viele Tausende von Missionaren zogen in alle Teile der Welt und bedeckten sie mit Missionsstationen. Sowohl das Tempo dieser Entwicklung wie auch die Intensität des missionarischen Einsatzes waren so stark, dass die Missionsstatistik, so imponierend auch ihre Ziffern sind, vor der Wirklichkeit verblasst. Da es den Rahmen dieser Übersicht sprengen würde, diesen Siegeszug des Evangeliums auch nur skizzenhaft anzudeuten, muss auf die zahlreichen zusammenfassenden Artikel über die verschiedenen Länder (Afrika, Asien, Australien, China, Japan, Indien, Indonesien, Hinterindien usf.) und Religionen verwiesen werden. Auch die Differenziertheit in der Begegnung mit dem Heidentum und die damit gegebenen Probleme der missionarischen Verkündigung sowie die Differenziertheit in der breiten Skala der Arbeitsweise, die von der Bibelübersetzung und Bibelverbreitung, Taufe, Gemeindegründung, Gemeindeführung und Kirchenzucht bis zum Aufbau eines Missionsschulwesens und sozialer Hilfe (Social Gospel) reicht, kann nur erwähnt werden. Die Fülle der dadurch gegebenen missionstheologischen und missionsmethodischen Fragen kann deshalb ebenfalls nur angedeutet werden. (III).

b) In Deutschland war die Entwicklung freilich weniger stürmisch. Hatten im 18. Jahrhundert die offiziellen Kirchen, vor allem unter dem Einfluss der Aufklärung, dem Pietismus kritisch, ja feindlich gegenübergestanden, so brachte die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die in verschiedenen Landesteilen Deutschlands aufbrechende Erweckungsbewegung eine Versöhnung zustande; der Pietismus wurde orthodox und die Orthodoxie pietistisch (K. D. Schmidt). Die vom 18. Jahrhundert. her bestehenden pietistischen Kreise und die neu entstehenden erweckten Kreise wurden nunmehr die Träger von Missionsvereinen und schließlich von Missionsgesellschaften. Geistesvollmächtige Männer der Kirche spielten dabei oft eine entscheidende Rolle. Neben der Basler Mission (gegr. 1815) entstanden so die Rheinische (1828) und Norddeutsche Mission (1836), die einen interkonfessionellen Charakter haben und auf den Missionsfeldern jeweils mit Anglikanern, Presbyterianern, Kongregationalisten u.a. zusammenarbeiten, während die Leipziger Mission (1836) durch Graul, die Neuendettelsauer (1841) durch Löhe, die Hermannshurger (1849) durch Ludwig Harms und die Schleswig-Holsteinsche (1876) durch Jensen eine lutherische Prägung erfuhren und ausgesprochen kirchlich sind. Die Berliner Mission (1824), ursprünglich stärker pietistisch eingestellt, gehört jetzt zu den lutherischen Missionen. Ein dritter Typ sind die Glaubensmissionen, die von den Kreisen der Gemeinschaftsbewegung getragen werden, wie die Neukirchener (1882) und Liebenzeller Mission (1899). Daneben entstand eine Vielfalt weiterer Gesellschaften, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann (Missionsgesellschaften). Von Bedeutung war es, dass sich im Laufe des Jahrhunderts auch die theologischen Lehrer an den Universitäten in wachsendem Maße mit der Mission auseinanderzusetzen begannen. Gustav Warneck bekleidete als erster seit 1896 einen Lehrstuhl für Mission und legte die Grundlagen für die Missionswissenschaft. Er schuf 1878 die Missionskonferenz für die Provinz Sachsen und gab das Vorbild für die Begründung ähnlicher Missionskonferenzen, die in allen Teilen Deutschlands entstanden und das Missionsleben kräftig befruchteten. Die breitere Öffentlichkeit wurde auf die Mission aufmerksam, als mit Beginn der deutschen Kolonialära die Aufgaben in Übersee akut wurden. Freilich wäre zu dem Problem Mission und Kolonisation auch viel Kritisches zu sagen. Für die internationale Zusammenarbeit der deutschen Missionen wurden die Kontinentalen Missionskonferenzen bedeutsam, die seit 1866 in etwa vierjährigem Abstand in Bremen stattfanden. – Das Ergebnis all dieser Bemühungen ist eindrucksvoll genug. Ziffernmäßig ist zwar der überseeische missionarische Einsatz hinsichtlich der Zahl der Arbeitskräfte und der finanziellen Mittel im Vergleich zu dem Großbritanniens und Amerikas sehr bescheiden, aber qualitativ den anderen keineswegs nachstehend.

20. Jahrhundert

Das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Ökumene. Das stürmische Crescendo der missionarischen Betätigung in seiner bunten Mannigfaltigkeit und manchmal auch Gegensätzlichkeit führte nicht nur zu Divergenzen und Überschneidungen, sondern offenbarte auch die konfessionelle Zerrissenheit der Christenheit als schreiende Not. So setzte auf zahlreichen Missionsfeldern schon im 19. Jahrhundert die Fühlungnahme zwischen den Vertretern der verschiedenen Missionsgesellschaften ein, die zu gemeinsamen Missionskonferenzen und mannigfachen Arbeitsgemeinschaften führte. Dieser ökumenische Geist, der schon z.Z. der Dänisch-Halleschen Mission sichtbar geworden war, beseelte auch den großen John Mott, unter dessen Leitung die glanzvolle Internationale Edinburgher Missionskonferenz 1910 tagte. Das Ziel des nun entstehenden Internationalen Missionsrates und der im Laufe der Zeit durch Motts unermüdliche Wirksamkeit in zahlreichen Missionsgebieten gebildeten Nationalen Missionsräte sowie der nachfolgenden Internationalen Missionskonferenzen war die Koordinierung und Konsolidierung der buntscheckigen Missionsarbeit. Seit der Amsterdamer Tagung (1948) ist der Internationale Missionsrat aufs engste mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen verbunden und wird wahrscheinlich auf dessen nächster Tagung 1960 in ihn integriert werden. Gleichzeitig haben die Begegnung der Kirchen und das interkirchliche Gespräch nicht nur die Frage nach dem Selbstverständnis der Kirchen entfacht, sondern auch mit zu der Entstehung der konfessionellen Weltbünde beigetragen. Der Lutherische Weltbund, der seit Lund (1947) eine eigene Abteilung für Welt-Mission geschaffen hat und in den Jahrestagungen seines Ausschusses für Welt-Mission die führenden Missionsmänner aus Ost und West vereinigt, hat durch seine Afrika-Konferenz in Marangu (1955) und die Ostasien-Konferenz in Madras (1956) der Missionsarbeit und den jungen Kirchen einen großartigen Dienst getan.

Ein zweites Charakteristikum dieser Epoche ist die durch die beiden Weltkriege beschleunigte Entstehung der Jungen Kirchen, deren Zahl allein im Raume des Luthertums mehr als fünfzig beträgt. Sie bedürfen zwar weiterhin der Hilfe der abendländischen Missionare, werden aber nun auch ihrerseits Träger der Missionsarbeit. Neben anderem stehen sie vor der Aufgabe, eigenständige christl. Lebensformen und eine eigenständige Theologie zu erarbeiten, mit den bedrängenden Problemen des Nationalismus und der Rasse zu ringen und eine neue Antwort auf die alten und immer neuen Fragen der Missionstheologie und Missionsmethodik zu finden.

Ein drittes Kennzeichen unserer Zeit ist das Wiedererwachen der Weltreligionen. Vornehmlich der Islam, Hinduismus und Buddhismus sind erneuert und verjüngt aus den Katastrophen der jüngsten Vergangenheit hervorgegangen und setzen nicht nur zur Mission unter ihresgleichen ein, sondern auch zur Gegenpropaganda im Abendland, Zu ihnen gesellt sich der Kommunismus mit seinem Weltanspruch. Nur eine in sich geeinte und gefestigte Christenheit, die von verzehrendem Missionseifer erfüllt ist, hat die Verheißung des Sieges.

Ausblick

Wir gingen davon aus, dass sich die Mission. auf eine doppelte Art vollziehen kann, durch Ausbreitung und Sendung. Die Geschichte der evangelischen Mission lehrt uns, dass im 16. und 17. Jahrhundert Mission fast nur im Sinne der Ausbreitung geschah, weil die Möglichkeiten zur Sendung so gut wie nicht bestanden, und im 18. und 19. Jahrhundert fast nur im Sinne der Sendung, obwohl – um das nun deutlich auszusprechen – die Möglichkeiten zur Ausbreitung mehr als gegeben waren. Statt dessen wurde durch die nominell christlichen Vertreter des Abendlandes weithin der Name Christi gelästert unter den Heiden. Nicht nur das, die gesamte Missionsarbeit wurde dadurch für viele Nichtchristen unglaubwürdig (vgl. Panikkars Buch). So lehrt uns die Missionsgeschichte im Lichte des reformatorischen Missionsdenkens ein vertieftes Verständnis dessen, was Mission heißt: nicht Ausbreitung oder Sendung, sondern Ausbreitung und Sendung, soweit Gott zu letzterem die Möglichkeit gibt. Das wäre dann zugleich eine Antwort auf die heute so brennende Frage nach dem rechten Verhältnis von Kirche und M. Es käme nur darauf an, die nötigen Folgerungen daraus zu ziehen.