Jun 062014
 

Opfer deutscher Regierungen

Snowden und Elisabeth Käsemann sind Opfer deutscher Regierungen. 

Die faz schreibt am 06.06.2014 u.a.:

An diesem Freitag vor genau einem Jahr bekam das Wort „Prism“ für die Welt eine ganz neue Bedeutung. Wie die „Washington Post“ damals enthüllte, ist dies der Name eines Spähprogramms, mit dem der amerikanische Geheimdienst NSA gewaltige Mengen von Daten aus dem Internet einsammelt, von E-Mails über Fotos bis zu Daten aus sozialen Netzwerken. Es war ein Erdbeben nicht nur für die NSA, sondern auch für einige der prominentesten amerikanischen Technologiekonzerne, die in dem Bericht als Lieferanten dieser Daten identifiziert wurden.

Auf gleichzeitig veröffentlichten NSA-Folien wurden die acht Unternehmen aufgelistet, die nach und nach Teil des „Prism“ -Programms geworden sein sollen, angefangen mit Microsoft im Jahr 2007, gefolgt von Yahoo, Google, Facebook und einigen anderen, bis hin zu Apple 2012. Daten würden direkt von den Rechenzentren dieser Unternehmen abgegriffen, hieß es auf einer der Folien.

Die „Prism“ -Enthüllung war eine der ersten in einer Serie von Berichten, die auf Informationen des früheren Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden zurückgingen. In den vergangenen zwölf Monaten sind immer neue Methoden bekanntgeworden, mit denen sich die NSA und Geheimdienste anderer Länder persönliche Daten beschaffen, und oft spielten amerikanische Technologiekonzerne eine große Rolle. Die Konzerne sehen sich seither zum Krisenmanagement gezwungen: Sie haben Verdächtigungen zurückgewiesen, willige Komplizen von Geheimdiensten zu sein, und sie sind mehr und mehr auf Konfrontationskurs mit der amerikanischen Regierung gegangen. 

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Elisabeth Käsemann
Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

Während der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) hat sich Außenminister Genscher nicht dafür eingesetzt, dass Elisabeth Käsemann freigelassen wurde. Während andere westliche Regierungen erfolgreich auf die Freilassung ihrer entführten Bürger drängten, retteten die deutschen Behörden keinen einzigen der etwa 100 bundesdeutschen und deutschstämmigen „Verschwundenen“, die von den Militärs ermordet wurden. Auch die beiden Staatsminister/in des Auswärtigen Amtes Klaus von Dohnanyi und Hildegard Hamm-Brücher haben sich u.a. nicht um E. Käsemann gekümmert.

Der Spiegel schreibt am 04.06.2014 u.a.:

Der Dokumentarfilmer Eric Friedler hat nun für seinen 75-Minüter „Das Mädchen“, der am Donnerstag in der ARD Premiere feiert, die Ereignisse rund um das Spiel und rund um die Ermordung rekonstruiert. Was nicht so einfach gewesen sein dürfte, da sich entscheidende Akteure nicht so gut erinnern. Oder es erst gar nicht versuchen. Klaus von Dohnanyi und Hildegard Hamm-Brücher, damals beide Staatsminister im Auswärtigen Amt, verstricken sich beim Interview in Widersprüche. Hamm-Brücher stottert, der sonst so selbstgewisse Dohnanyi artikuliert immerhin Scham. Genscher, der damalige Außenminister, will erst gar nicht vor die Kamera.

Der freitag schreibt am 06.06.2014 u.a.:

Selbst Hidegard Hamm-Brücher, damalige Staatsministerin im Außenamt, wie Klaus von Dohnanyi, „dohnanyiert“ leicht verschämt, mädchenhaft süffisant stichelnd giftend, „Wie sich wohl der Dohnanyi sich da heraus schummeln wird, wenn sie ihn auch befragen?“, als ginge es um Schummel beim Murmelspielen, verlegen, aber in der gestern gesendeten ARD Dokumentation über den Fall „Elisabeth Käsemann“ im vollen Umfang geständig?:„ich habe den Deutschen Bundestag damals 1977, in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, vom Blatte lesend, belogen, es werde von der Bundesregierung alles Menschenmögliche getan, um das Leben bundesdeutscher Bürger in Argentinien, Chile und andernorts in der Welt vor Verschleppung, Folter, Tod zu retten“Wieso damals nicht mehr an Hilfe für „Elisabeth Käsemann in Not“ in Argentinien, trotz vorliegenden Hinweisen durch die britische Bürgerin Diana Austian, Amnesty International von Seiten des Auswärtigen Amts geschah, vermag sie sich so wenig, wie Klaus von Dohnanyi bis heute erklären.Klaus von Dohnanyi in etwa „Auch wenn ich nicht zuständig war, hätte ich mich mehr um den Fall Frau Käsemann kümmern müssen, aber Sie müssen wissen, Argentinien war damals weit weg, ich war wohl mit meinem Kopf wohl nur in Europa“. Wirklich? Das sagt der Sohn eines vom NS- Regime ermordeten Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi, über eine Elisabeth Käsemann, die Tochter des Widerstandskämpfers Professor Ernst Käsemann. Klaus von Dohnanyi deutet im Interview der Film- Dokumentation an, dass das damals mit Sicherheit ein unverzeihlicher Fehler war, man habe aber Angst vorm Chef, Hans- Dietrich Genscher, gehabt, der mit dem Fall Elisabeth Käsemann nicht belangt werden wollte und, eiskalte Distanz signaliserend, nur einmal, Richtung Schnappatmung, japsend das Wort von dem„Ach das Mädchen. Elisabeth Käsemann….“ abwehrend, hinwarf.

Die taz schreibt am 08.07.2014 u.a.:

Amnesty International hatte das deutsche Außenministerium in Berlin frühzeitig über die Verhaftung und den Aufenthaltsort Käsemanns informiert. Heute bestreitet kaum noch jemand, dass Elisabeth Käsemann von der damals tatenlos gebliebenen deutschen Bundesregierung hätte gerettet werden können. Eine Klage des Vaters von Elisabeth, des prominenten Theologen und Mitglieds der Bekennenden Kirche, Ernst Käsemann, gegen die Bundesrepublik wegen unterlassener Hilfeleistung, wurde dennoch abgewiesen.

Dem dabei immer wieder gezeichneten Bild von einer pazifistischen Studentin hat jetzt der argentinische Journalist und Herausgeber der Zeitschrift Bewaffneter Kampf, Sergio Bufano, überraschend widersprochen. Bufano war 1976 Käsemanns Lebensgefährte. Es sei „ein Irrtum, zu behaupten, Elizabeth sei eine Pazifistin gewesen, die nur in den Armenvierteln gewirkt“ habe, so Bufano. Sie strebte „wie diese ganze Generation“ nach der sozialen Revolution, berichtete er jetzt der argentinischen Tageszeitung Página/12.

Elisabeth Käsemann habe in den 1970er Jahren bereits früh dem revolutionären Untergrund angehört, sei aktives Mitglied des PRT-ERP gewesen. Die ERP waren neben den Montoneros die zweite große argentinische Guerillagruppe. 1972 sei Elisabeth an der bewaffneten Aktion zur Befreiung politischer Gefangener aus der Haftanstalt im südargentinischen Rawson beteiligt gewesen. 19 der Geflohenen wurden damals auf dem Flughafen in Trelew vom Militär gestellt, 16 von ihnen hingemetzelt. Nur sechs konnten ins Nachbarland Chile entkommen.

Die linksgerichteten ERP waren bereits in der Phase vor dem Militärputsch bis 1976 entscheidend geschwächt worden. 1976/77 ermordeten die Militärs etwa 5.000 weitere vermeintliche ERP-Mitglieder.

Sergio Bufano schreibt, er habe Käsemann 1976 bei einem Untergrundtreffen kennengelernt. Sie hätten sich ineinander verliebt. Elisabeth habe sich jedoch 1976 von den ERP abgewandt, sei aber in anderen politisch-militärischen Gruppen weiter aktiv gewesen. Sie war eine Militante, habe jedoch „praktisch nie“ eine Waffe benutzt. „Die Arbeiterklasse geht nicht ins Exil“, habe Käsemann im Dezember 1976 zum Abschied zu Bufano gesagt, als der nach Mexiko ins Exil ging. Elisabeth Käsemann blieb und kämpfte weiter, war also alles andere als eine naiv-mildtätige Studentin, die in den Armenvierteln Almosen verteilte. 

Hartmut Scherzer schreibt in der Frankfurter Neuen Presse am 11.07.2014

Deutschland gegen Argentinien – in diese klassische Serie mit nunmehr drei WM-Endspielen fällt auch das dunkelste Kapitel in der Länderspiel-Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes: Die Folterung und Ermordung der deutschen Studentin Elisabeth Käsemann durch die Junta kurz vor dem Testspiel am 5. Juni 1977 in Buenos Aires. Das Spiel gegen den Weltmeister galt als Generalprobe – im doppelten Wortsinn – für die Weltmeisterschaft ein Jahr später im Land der Diktatoren.

Der mehrfach preisgekrönte Regisseur Eric Friedler hat in einer erschütternden Dokumentation („Das Mädchen“) unter anderem aufgezeigt, wie sich der 1992 verstorbene DFB-Präsident Hermann Neuberger in seiner Funktion als WM-Cheforganisator der Fifa zum Komplizen des Massenmörders Jorge Rafael Videla machte. Die „Doku“ wurde am 5. Juni, eine Woche vor dem WM-Eröffnungsspiel, in der ARD gesendet.

Als Fachberater Friedlers habe ich mich anderthalb Jahre lang mit diesem schockierenden Thema beschäftigt, den unvorstellbaren Grausamkeiten in den Foltergefängnissen und der brutalen Ermordung Zehntausender. Das Schicksal der Elisabeth Käsemann steht exemplarisch für diese Gräuel. Das Auswärtige Amt und Neuberger, nicht aber die Mannschaft, wussten von der Folterhaft der deutschen Staatsbürgerin, unternahmen aber nichts zu deren Befreiung. Dabei wäre das Testspiel ein ideales Druckmittel gewesen. Es hätte nur eines Anrufs von Neuberger bedurft: „Jorge, lass das Mädchen frei, sonst spielen wir nicht.“ Doch ein Fußballspiel schien wichtiger als ein Menschenleben.

Stattdessen verständigte sich Fifa-Vizepräsident Neuberger mit dem deutschen Botschafter darauf, das Spiel nicht abzusagen, nachdem die Hinrichtung (Genickschuss) der deutschen Frau in einem angeblichen Schusswechsel der Botschaft bekannt geworden war. Sie beschlossen sogar, den Tod zunächst zu verschweigen und erst am Tag nach dem Spiel bekanntzugeben.

In all den Monaten der Recherchen und der stundenlangen Interviews mit Beteiligten haben mich Neubergers Untätigkeit und seine positive Haltung zur Militär-Junta entsetzt. Ich habe mich immer wieder gefragt: Können Schulen, Stadien, Sporthallen im Saarland, kann die DFB-Zentrale in Frankfurt weiterhin den Namen Hermann Neuberger tragen?


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