Jul 262014
 

Die Bündnisgrünen versagen als Opposition in Berlin

Von Hans-Jochen Tschiche

Wenn ich den Spitzenpolitikern meiner Partei, den Bündnisgrünen, in Berlin zuhöre, kommt bei mir Langeweile auf. Von Opposition ist wenig zu merken. Sie nennen ihr Auftreten konstruktive Politik Ihr Ziel ist eine künftige Koalition mit der CDU/CSU. Da sie längst in das bürgerliche Lager zurückgekehrt sind, in jene berühmt-berüchtigte Mitte, ist ihr Vorhaben nicht aussichtslos. Der herzerfrischende und freche Auftritt der Bündnisgrünen ist jedenfalls Vergangenheit. 

Die Bundesvorsitzende Simone Peter trägt in ihren Grundsatzreden längst bekannte Thesen vor. Bei Versammlungen der Partei steigt schon nach kurzer Zeit der Lärmpegel. Smalltalks übertönen die Parteizentrale. Von Cem Özdemir höre ich fast nichts mehr. Seine Realos betreiben die zukünftige Koalition mit der CDU in der Bundesrepublik. Hessen ist der Probefall. 

Zur Ukraine fällt der Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt nichts anderes ein, als dass Putin der alte böse Feind sei. Kein kritisches Wort zur Ausdehnung der Nato bis vor die Tore Russlands. Die Bündnisgrünen rufen Freiheit und Demokratie und merken kaum, dass sie sich in Menschenrechtskrieger verwandeln. Wenn auch alle Welt vor einer militärischen Intervention warnt, ist sich niemand sicher, dass es nicht doch zu einem Waffengang um die Ukraine kommt. Frieden schaffen ohne Waffen, der alte pazifistische Traum, ist bei den Bündnisgrünen ausgeträumt. 

Auch  beim ökologischen Umbau lief einiges schief. Ein erheblicher Teil der Ökosteuer wurde zur Stabilisierung der Rentenbeiträge verwendet. Dann wurde in der Partei die bedingungslose Grundsicherung diskutiert. Unter der Regierung von Gerhard Schröder ist die Idee der bedingungslosen Grundsicherung auf Hartz IV gekommen. Die Betroffenen geraten in eine menschenunwürdige Abhängigkeit von den Behörden. Sie müssen jederzeit zur Verfugung stehen, und ihre Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Der Empfänger verhungert zwar nicht, aber ist vom gesellschaftlichen Leben so gut wie ausgeschlossen. Die Bündnisgrünen haben das mitgetragen und denken bis heute nicht daran, etwas zu ändern. Das alles entfernt die Partei weit von ursprünglichen Zielen. 

Mit der FDP rechnet keiner mehr so richtig. Deshalb versucht Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter, ihr Erbe zu okkupieren. Er sei ein linker Liberaler, habe ich gelesen. Das erinnert mich an die sozialliberale Koalition der 1970er-Jahre. So will man sich scheinbar auch dem anderen Machtzentrum andienen. Dazu braucht man die Linken. Mit ihnen wollen die Bündnisgrünen aber auf keinen Fall. Und so wird wohl ihr Schlafwagen auf dem Bahnsteig der CDU ankommen. Deshalb will die Parteispitze nicht unangenehm auffallen. Auf den harten Oppositionsplätzen will sie nicht sitzen bleiben. Sie will stattdessen Schlafwagenplätze reservieren, die sie nachts zur Macht schaukeln. Ich halte diesen Kurswechsel für falsch. Meine Partei droht ihren Ruf als attraktives und innovatives Projekt zu verlieren. Sie sollte sich mutig den Problemen der Zeit stellen. Raus aus der Deckung und rein in die Opposition – das sollte die neue Losung sein. 


Publik-Forum Nr. 14, 2014
Hans-Jochen Tschiche ist Mitbegründer des Neuen Forums. Als bündnisgrüner Politiker saß er im Landtag von Sachsen-Anhalt und im Bundestag.


Links