Aug 192014
 

„Windelweiche Leitlinien“

Der frühere Vize des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle warnt:
Das neue 
Außenwirtschaftsgesetz soll bloß die Rüstungsindustrie beschäftigen. 

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taz: Herr Simonsen, die Regierung will das Außenwirtschaftsgesetz bloß „entschlacken“. Warum sorgen Sie sich?
Olaf Simonsen: Die Bundesregierung und das Parlament verhandeln nicht die wahren Gründe, warum das Außenwirtschaftsgesetz umgeschrieben wird. Entschlackung heißt in Wirklichkeit: Nicht Frieden und Sicherheit sollen Kriterien der Rüstungsexporte sein, sondern die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen. Das Problem der Auslastung der Rüstungsbetriebe bei verminderter Nachfrage der Bundeswehr soll dadurch gelöst werden.

Wo ist die Neuigkeit? Bislang hat das Gesetz bei einer Genehmigungsquote von 98 Prozent Rüstungsexporten offensichtlich keinen Einhalt geboten.
Aber nur deshalb, weil das bisherige Gesetz aus Kalte-Kriegs-Zeiten stammt und auf die neue Weltordnung seit 2001 nicht vorbereitet war. Unter der Hand wurde unsere Rüstungsexportpolitik am Gesetz vorbei ausgerichtet. Seit zehn Jahren werden Länder beliefert, die als sogenannte Partner im Kampf gegen den Terror plötzlich als belieferungsfähig gelten: Pakistan etwa, oder Bahrain. Um den Kategorien Frieden und Sicherheit aber wieder Geltung zu verschaffen, müsste man nun im neuen Gesetz Rüstungsbeschränkung scharf definieren.

Aber die „Politischen Grundsätze“ für den Rüstungsexport aus dem Jahr 2000 sind doch auf Menschenrechte geeicht …
… und haben offensichtlich keinen bindenden Charakter. Nein, wir brauchen ein Gesetz, das vom Parlament geschrieben wird – und keine windelweichen Leitlinien, die sich die Exekutive selbst verfasst hat und die von der Industrie als Anspruchsgrundlage und nicht etwa als Beschränkung angesehen werden.

Nun kontrolliert das Außenwirtschaftsgesetz doch bloß die „sonstigen Rüstungsgüter“. Das echte Kriegsgerät – Panzer und dergleichen – läuft übers Kriegswaffenkontrollgesetz.
Auch die „sonstigen Rüstungsgüter“ sind für die Kriegführung unerlässlich: Militär-Lkws, Zünder, Hochgeschwindigkeitskameras, Software und Lizenzen zählen dazu. Das Verrückte: Auf den Verkauf dieser „sonstigen Rüstungsgüter“ soll der Exporteur nach dem Entwurf sogar einen Anspruch bekommen. Das ist ein Ermächtigungsgesetz. Die Ausfuhr etwa der im Grundsatz weniger problematischen Dual-use-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden können, bleibt dagegen stärker unter Kontrolle.

Läuft die Kontrolle nicht ohnehin längst über die EU?
Die Europäisierung ist noch so ein verbreitetes Missverständnis: In der Tat haben wir EU-weit gemeinsame Vorschriften. Angewendet werden diese Regeln aber ganz national. Frankreich und Großbritannien beliefern ihre ehemaligen Kolonien, die wir für Krisengebiete halten würden. Wir beliefern Israel, obwohl es ein Krisengebiet ist.

Sie saßen bis 2009 als Vizepräsident im zuständigen Bundesamt. Sie konnten handeln.
Entscheidungen über Rüstungsgüter werden von der Regierung getroffen. Das Amt hat keine Zuständigkeit für politische Fragen. Etwa welche neuen Länder beliefert werden, das sagen das Wirtschafts- und Außenministerium.

Selbst das Stockholmer Sipri-Institut ist halbwegs zufrieden mit der Rüstungsexportkontrolle der Bundesrepublik – die europäische Konkurrenz sei gewissenloser. Ist das nichts?
Das reicht nicht. Die Rolle Deutschlands ist eine besondere. Zum Beispiel wäre, ganz pragmatisch gesehen, der Schaden für Deutschland größer als für andere, wenn es – was absehbar ist – zu einem größeren Skandal kommt, weil Waffen deutscher Provenienz am ganz falschen Ort auftauchen. Dazu kommt aber der Grundsatz „Es gibt keine Gleichheit im Unrecht“. Nur weil andere sich unsittlich verhalten, kann das für uns kein Maßstab sein. Die deutsche Rüstungsindustrie ist zwar stark, aber für uns nicht so bedeutsam wie die britische für Großbritannien oder die französische für Frankreich. Das ist eine Chance.

taz vom 10. 12. 2012 


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