Sep 072014
 

Die Domgemeinde Bremen stellt ein Plakat
gegen israelkritische Demonstration auf –
Kritik an einseitiger Sichtweise

Jeden Sonnabend versammelt sich vor dem St Petri Dom eine kleine Schar Demonstranten zur „Mahnwache für Palästina“. Die Domgemeinde kann dagegen nichts tun, will sich aber nicht vereinnahmen lassen. Deshalb geht sie jetzt mit einem Plakat auch öffentlich auf Distanz. 

Von Matthias Lüdecke

Seit Jahren gehört sie am Sonnabend zum gewohnten Bild: Eine kleine Gruppe Demonstranten, die vor dem Dom eine „Mahnwache für Palästina“ abhält – und dabei vor allem die Politik Israels kritisiert. „Gerechtigkeit für Palästina – Druck auf Israel“ steht dann etwa auf einem Plakat, das auch auf Bildern im Internet zu sehen ist. 

Die Domgemeinde hat mit dieser Demonstration vor ihren Toren nichts zu tun. Viel dagegen ausrichten kann sie aber nicht. Schon vor zwei Jahren untersagte sie die Kundgebung auf den Domtreppen. Das konnte sie, weil die Treppen zu ihrem Grundstück gehören. Nun stehen die Demonstranten ein Stück vor den Treppen. Dort ist öffentlicher Grund. Der Gemeinde sind die Hände gebunden. 

Reagiert hat sie nun aber trotzdem. Immer sonnabends, wenn die Demonstranten vor ihrer Tür stehen, stellt die Gemeinde ein Plakat neben das Dom-Portal. Und auf diesem Plakat distanziert sie sich deutlich von dem Geschehen. Die Kundgebung, heißt es dort, stehe nicht im Einklang mit den Positionen der Domgemeinde und der Landeskirche. Und dann, deutlicher: „Die Bremische Evangelische Kirche und die St. Petri Domgemeinde distanzieren sich ausdrücklich von den dort vorgebrachten pauschalen und einseitig gegen Israel vorgebrachten Provokationen.“ 

„Wir sind in der letzten Zeit oft gefragt worden, ob wir etwas mit der Demonstration zu tun haben“, erzählt Christian Gotzen, Pastor der Gemeinde, „deswegen wollten wir öffentlich Stellung beziehen.“ Ähnlich hatten Landeskirche und Gemeinde das vor zwei Jahren in einer Erklärung getan. Natürlich sei die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein hohes Gut, sagt Gotzen. Und natürlich könne differenzierte Kritik an einzelnen politischen Entscheidungen der israelischen Regierung Teil der Debatte sein. So steht es auch auf dem Plakat. Doch die Situation im Nahen Osten sei hochkomplex, sagt Gotzen. Es sei wichtig, verschiedene Standpunkte zu hören. Bei den Demonstrationen werde aber nur eine einseitige Sicht vertreten – und dafür wolle sich die Domgemeinde nicht instrumentalisieren lassen. „Wir sind Kirche, wir beten für Frieden für alle“, sagt Gotzen, der in der Einseitigkeit der Demonstration auch eine Gefahr sieht: „Wir müssen achtsam sein, weil so Antisemitismus befördert werden kann.“ Das Plakat sei daher auch ein Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde. 

Mehrfach habe die Domgemeinde die Demonstranten gebeten, an einen anderen Ort zu wechseln, berichtet Gotzen, vor die Bürgerschaft oder das Rathaus etwa – politische Orte für eine politische Demonstration. Das sei ein Gebot der Fairness und würde Missverständnisse vermeiden, findet der Pastor. Doch lehnten die Demonstrationsteilnehmer das Ansinnen bisher ab.

Und diese Position hat sich auch nicht verändert, wie Arn Strohmeyer sagt, der die meisten der Mahnwachen offiziell angemeldet hat. „Wo wir stehen, ist städtischer Grund“, sagt er, ein Grund zudem, auf dem man gut gesehen werde. Strohmeyer ist derzeit in Urlaub – und ein wenig verwundert über die Plakataktion. „Ich hatte eigentlich gedacht, dass der Streit sich gelegt hat“, sagt er, „offenbar ist das aber nicht so.“ Als Kompromiss, so sagt er, will Strohmeyer nach seinem Urlaub den Demonstranten vorschlagen, ihrerseits auf einem Plakat darauf hinzuweisen, dass sie mit der Domgemeinde nichts zu tun haben. 

Ob das die Wogen glättet, ist allerdings offen. Grigori Pantijelew, stellvertretender Vorsitzender der jüdischen Gemeinde jedenfalls kritisiert die Mahnwachen scharf: „Die Teilnehmer beanspruchen einen öffentlichen Raum, der dafür nicht geeignet ist, lassen sich auf keinen Kompromiss ein und sonnen sich in einem zweifelhaften Ruhm.“ Die öffentliche Distanzierung der Domgemeinde nehme die jüdische Gemeinde daher sehr positiv auf und sei dankbar dafür. 

Die Domgemeinde hat den Demonstranten kürzlich einen Brief geschrieben, mit der Bitte um ein Gespräch und der Hoffnung auf Einigung. Sollte der von Strohmeyer angedeutete Vorschlag wirklich kommen, erklärt Gotzen, müsse man ihn in der Gemeinde und ihren Gremien, die die Entscheidung für das Plakat einstimmig mitgetragen hätten, erst einmal beraten. 

Weser Kurier vom 28.08.2014


Offizielle Stellungnahme der St. Petri Domgemeinde zur anti-israelischen Kundgebung vor den Domtreppen

Jeden Samstag versammelt sich in der Bremer Innenstadt, unterhalb der Domtreppen, eine Gruppe mit Transparenten. In der ergangenheit hat sich diese Gruppe mit ihren israelfeindlichen Plakaten auch auf den Domtreppen versammelt, woraufhin die St. Petri Domgemeinde von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und diese Versammlung auf ihrem Grund und Boden
untersagt hat.

Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes demokratisches Gut, das weder die Bremische Evangelische Kirche noch die St. Petri omgemeinde in Zweifel zieht. Gleichwohl erweckt diese Gruppe direkt vor dem Eingang eines kirchlichen Wahrzeichens der Stadt Bremen und durch inhaltliche Bezugnahme auf biblische Texte den Eindruck, ihre Kundgebung stünde im Einklang mit den Positionen der Domgemeinde und der Landeskirche.

Dies ist nicht der Fall.

Die Bremische Evangelische Kirche und die St. Petri Domgemeinde distanzieren sich ausdrücklich von den dort vorgebrachten pauschalen und einseitig gegen Israel gerichteten Provokationen.

Die Lage im Nahen Osten ist außerordentlich komplex. Als Christinnen und Christen vertreten wir die Auffassung, dass Demagogie oder Stimmungsmache diesen Konflikt nur verschärfen. Deshalb setzen wir uns für Dialog und Verständigung ein. Nicht zuletzt aufgrund der deutschen Geschichte steht das Existenzrecht Israels für uns außer Zweifel.

Das schließt wie bei jedem anderen Staat ggf. differenzierte Kritik zu einzelnen politischen Entscheidungen ein, nicht aber eine pauschale Diffamierung des gesamten israelischen Volkes. Die verbalen und inhaltlichen Entgleisungen dieser Demonstranten lehnen wir ausdrücklich ab.


Leserbrief  

Es ist das gute Recht der Bremer Domgemeinde, einer Mahnwache zu verbieten, sich auf dem Gelände der Domgemeinde zu postieren. Es ist auch ihr gutes Recht, sich mit einem eigenen Plakat von dem Anliegen der Mahnwache zu distanzieren und ihre eigene Position kundzutun.

Es ist aber nicht legitim, wenn behauptet wird: „Die Bremische Evangelische Kirche und die St.-Petri-Domgemeinde distanzieren sich ausdrücklich von den dort vorgebrachten pauschalen und einseitig gegen Israel vorgebrachten Provokationen.“

Es gibt keine Instanz, die im Namen der Bremischen Evangelischen Kirche eine solche Stellungnahme veröffentlichen darf. Das verbietet die Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche.

Es gibt viele Christen in Bremen – auch wir gehören dazu – die sich inhaltlich mit dem identifizieren, was die Mahnwache anprangert. Mit Antisemitismus hat das gar nichts zu tun. Wir teilen die Empörung der Mahnwache über die widerrechtliche Siedlungspolitik der israelischen Regierung, die nun sogar noch erweitert werden soll.

Wir wissen von namhaften und keineswegs militanten Palästinensern, wie demütigend es für sie ist, dass sie in ihrem eigenen Hoheitsgebiet von israelischen Siedlern tyrannisiert werden, dass ihnen im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben wird, dass ihre Olivenhaine zerstört werden, ihnen ihr Land weggenommen wird und ihr Hoheitsgebiet zu einem Flickenteppich geworden ist, in dem sie ständig an Checkpoints kontrolliert werden, und ihnen viele Zugänge verwehrt sind. Eine solche Besatzungspolitik, anders kann man es inzwischen nicht mehr nennen, erzeugt Verbitterung und Hass. Gegen solches Unrecht zu protestieren, sehen wir als unsere Christenpflicht an. 

Claus Bulling und Ernst Uhl, Bremen

Weser Kurier vom 05.08.2014


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