Apr 272016
 
Osterpredigt in der Friedenskirche der Stephanus-Stiftung in Berlin-Weißensee

27. März 2016 zu den Texten 1. Korinther 15, 1-11 und Mk. 16,1-8

Von Pfarrer Dr. Willibald Jacob
* 26. Januar 1932   † 3. Juli 2019

Ich blicke zurück auf das Jahr 1950. Vor gut 65 Jahren fand hier an dieser Stelle in der Friedenskirche der Stephanus-Stiftung die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland statt, die sogenannte Friedenssynode. Ihre zentrale Botschaft lautete: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!

Diese Botschaft füge ich den Texten des heutigen Ostersonntags hinzu:

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde,
wir hören beide Texte für die Predigt. Paulus schreibt an die Korinther vor dem Krieg um Jerusalem und dessen Zerstörung mitsamt dem Tempel im Jahre 70. Markus schreibt nach diesem Ereignis, wahrscheinlich an seine Gemeinde in Ägypten.

Es geht um Jesus, den Christus, den Messias, den auferstandenen, den lebendigen, den wahren Menschen. Jesus kommt wieder zu den Menschen und bleibt bei ihnen.

Und nun das Besondere. Bei Paulus sind die Akteure und Empfangenden ausschließlich Männer. Ihnen geht ein Licht auf, im Kollektiv oder als Einzelne; sechsmal nennt Paulus Männer:

  • Petrus,
  • die Zwölf (Jünger),
  • 500 Brüder,
  • Jakobus,
  • alle Apostel (70)
  • und dann Paulus, der Geringste, die unzeitige Geburt.

Und zwischen Petrus und Paulus die ganze Hierarchie der Männer, klassisch. Wir kennen die Kombination bei vielen Kirchen. Sie bilden das Gerüst für den Erhalt der Kirche.
Peter und Paul …

Wo aber bleiben die Frauen? Ihre Rolle beginnt nach dem Krieg, klassisch. Wir kennen das. Die Männer sind tot.

Nach dem 2. Weltkrieg waren es die Trümmerfrauen die aufräumten. Auch in der Kirche waren es weithin Witwen, deren Männer in der Sowjetunion oder in Frankreich oder sonst wo umgekommen waren. Sie sammelten die Kinder zur Christenlehre neuer Art. Meine Mutter war hier im Kirchenkreis Weißensee eine „Katechetin der ersten Stunde“.

Nach dem Krieg um Jerusalem im Jahre 70 treten Markus und seine Kollegen Evangelisten hervor. Und was sehen wir bei Markus? Nur Frauen suchen nach Jesus, dem Gekreuzigten. Sie kommen an das Grab und finden es leer.

  • Maria aus Magdala,
  • Maria, die Mutter des Jakobus
  • und Salome.

Furcht und Entsetzen packt sie. Ein Bote sagt Ihnen: Entsetzt Euch nicht. Er ist nicht hier. Er wird vor Euch hergehen.-

Aber sie hören nicht. Sie rennen davon in großer Furcht und sagen niemandem etwas. Hier endet das Evangelium des Markus. Alle Zusätze wollen die Krassheit der Ereignisse abmildern. Die Frauen jedenfalls sind realistisch, sie bauen keine Hierarchie, um das Leben abzusichern. Sie fürchten sich und machen dann neue Erfahrungen. Im Krieg war es immer so, und danach.

Was heißt hier zeitbedingt; die Sprache der Bibel, ihre Symbole und gleichnishaften Erzählungen? Die Frauen beginnen einen rund 2000 Jahre langen Kampf. Sie fragen nach Jesus Christus und die Männer regieren in der Kirche wie in Gesellschaft und Staat. Und dann beginnen Veränderungen, die uns bis heute bestimmen. Rund um den 30-jährigen Krieg von 1618 – 1648 wächst die moderne Wissenschaft heran. Im Krieg stehen Christen gegeneinander und Galilei und seine Kollegen entdecken neue Welten.

Menschen beginnen zu fragen: Wie kann Gott das zulassen, wenn es ihn denn gibt?

Vor 350 Jahren entsteht die alteuropäische Religionskritik. Wir kennen Friedrich Nitzsche und Karl Marx. Für die Frauen ändert sich nicht viel, aber sie sind als Begleiterinnen zugleich Signalgeber. Sie räumen immer wieder die Trümmer weg, die die Männer hinterlassen haben und erziehen ihre Kinder.

Während des 1. Weltkrieges erkämpften sich die Frauen in einigen Ländern das Wahlrecht, z.B. in England und Russland; und sie dürfen ein eigenes Bankkonto eröffnen. Seht euch den Film „Die Suffragetten“ an. Er läuft gerade. In ihm sagt der englische Minister für Staatssicherheit: „Wenn die Frauen aufstehen (Auferstehung), dann sollen ihre Ehemänner Ordnung schaffen. Sie sind die Herren“. Und das gilt gleichermaßen auch für Familien und Fabriken!

Was sind die Folgen für uns?

Ich nenne zwei Folgen:

  1. Der Glaube an das ewige Leben und an ein Jenseits verblasst. Wie sollen wir die Auferstehung der Toten fassen? Aber auch ein Dietrich Bonhoeffer kommt und sagt uns das Jenseits findet ihr im Diesseits. Und wir hören ein Wort des Paulus auf neue Weise: „Gott der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi“. (2. Korinther 4, 6) Das ist es.
  2. Erleuchtung unserer Herzen aber heißt Hoffnung. Hoffnung aber heißt heute und einst Überraschung, was noch kommen kann. Meine atheistischen Freunde, mit denen ich darüber spreche, sagen: Ja, das lassen wir uns gefallen, wenn das so ist. Wir wissen nichts über das Jenseits. Wir werden uns überraschen lassen. Und deshalb bedeutet Auferstehung Veränderung. Veränderung in Geist Jesu, Leben durch Gnade.

Lasst mich zum Schluss nochmals zurückkommen auf das Wort der Synode 1950. Vor gut 65 Jahren saßen hier vor der Kanzel am Präsidiumstisch Gustav Heinemann, Otto Dibelius und Martin Niemöller. Dort oben auf der Empore saßen mein Freund Dietrich Gutsch und ich. Und wir hörten:

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!

Das war die Botschaft von der Auferstehung nach dem 2. Weltkrieg. Was haben wir aus dieser Botschaft gemacht? Nach 2001 ist ein 50-jähriger Krieg gegen den Terror proklamiert worden, basierend auf Lüge und Verstellung einer christlichen Welt. Heute sind die Flüchtlinge wie ein Menetekel an der Wand wie z.Z. des Propheten Daniel: Euer goldener Werte- und Wohlstandskoloss steht auf tönernen Füßen. Denn die Botschaft gilt. Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein! Und auch nicht die Ausbeutung der Schwachen in Afrika und anderswo.

Krieg ist längst eine Unmöglichkeit, nicht normal. Und: Der Frieden ist keine Bedrohung. Waffenhändler fürchten den Frieden. Ihre Geschäfte sind ein Zeichen dafür, dass Gottes Gnade an uns vergeblich ist.

Wir setzen dagegen: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Und: Fürchtet euch nicht. Es muss nicht so sein. Er, der Lebendige, geht uns voran, im Leben und im Sterben. Amen.


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