Jun 172016
 
Überraschende Entdeckungen in St. Etheldreda in Horley

Von Gretchen Seiffert

Das kleine Dorf Horley liegt ungefähr 5 km nὂrdlich von Banbury. Die mittelalterliche Kirche aus ockerfarbenem Sandstein steht auf einem Hügel, umgeben von den Häusern des Dorfes. Die Kirche ist tagsüber geὂffnet. Nach dem Eintritt durch die Westtür wird der Blick sogleich von dem Lettner mit der Kreuzigungsgruppe angezogen. Der dunkelhäutige Christus mit den weit ausgebreiteten Armen scheint Leiden und Tod überwunden zu haben und wird von zwei Engeln gekrὂnt. Ein goldenes, sonnenfὂrmiges Ziergitter hinter dem Kreuz, wie auch das Gold der Engel und der Nägel, die Hände und Füsse durchbohren , scheinen zu strahlen. Die roten Farben des Lendentuchs des Gekreuzigten und der Gewänder von Maria und Johannes harmonieren mit den Farben eines alten Wandbilds des heiligen Christophorus. Geht man weiter in den Raum, sieht man das in blauen und goldenen Farben gehaltene hὂlzerne Gitter vor dem Altarraum mit zwei Kerzen tragenden Engeln. Das helle Blau des Gitters findet ein Echo in der blau und silbernen Farbtὂnung der sechs holzgeschnitzten Leuchter, die von den Gewὂlben des Kirchenschiffs hängen.

Foto: Andressa Tsuhako

Foto: Andressa Tsuhako

Foto: Andressa Tsuhako

Wahrscheinlich kommt die Frage auf, wann diese Holzschnitzwerke mit ihren vollen, warmen Farben, abgestimmt auf den mittelalterlichen Kirchenraum und seine Wandgemälde, entstanden sind. Der schlichte Stil scheint weder mittelaterlich, noch Restauration des 19. Jahrhunderts zu sein. Für £2 kann man einen Kunstführer für die Kirche erwerben und darin lesen, dass diese Arbeiten im Zeitraum von 1947 bis 1950 unter der Leitung des Oxforder Architekten Laurence Dale ausgeführt wurden, der den am „Bauhaus” ausgebildeten John Allenby mit den Schnitzarbeiten beauftragte. Auch die kleine aus dem lokalen Sandstein gemeisselte “Walsingham Madonna” ist von John Allenby.

Foto: Andressa Tsuhako

So, wer war John Allenby? Das Wort “Bauhaus” lässt schon aufhorchen. John Ivor Allenby war nicht sein ursprünglicher Name. Er hiess eigentlich Johannes Ilmari Auerbach und war ein jüdischer Flüchtling aus Deutschland. Wegen seiner aktiven Mitgliedschaft in der KPD wurde er von den Nationalsozialisten zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und danach noch monatelang in das Konzentrationslager in Fuhlsbüttel gesperrt. Während seiner Inhaftierung erlitt er infolge von Misshandlungen bleibende gesundheitliche Schäden. Seine Frau Inge war auch jüdisch. Sie hatte einen britischen Pass. 1936 folgten sie dem Rat ihres Vaters und verliessen Deutschland. Zunächst reisten sie nach Italien und Zypern und 1938, als sie endlich die Aufenthaltsgenehmigung hatten, nach London.Während des Krieges diente er der Britischen Armee in London. 1946, nach seiner Entlassung, folgte er seiner Frau nach Oxford, die schon dort lebte. Er wurde Lehrer an der Kunstschule in Oxford. Das Paar lebte sehr bescheiden in einem mὂblierten Zimmer, wo sie “unter demselben Wasserhahn abwechselnd ihre Gesichter, Kartoffeln, Strümpfe, Fisch, Füsse, Taschentücher, Gemüse, Geschirr wuschen und wo der Kamm neben der Butter lag und die Zahnbürste neben der Schuhbürste,” wie er an seine Schwester in Deutschland schrieb (Johannes Ilmari Auerbach: Eine Autobiographie in Briefen). Erst 1949 war es mὂglich, ein Atelier zu mieten. Bis dahin musste er sich mit dem Atelier der Kunstschule begnügen. Die materiellen Umstände mögen nicht günstig gewesen sein, aber er hoffte jetzt darauf, sein Lebenswerk schaffen zu kὂnnen. Denn alle seine Erlebnisse, auch die Irrfahrten und Enttäuschungen hatten sich für ihn so abgerundet, das ein Sinn hineingekommen war. Jedoch die Skulpturen für die Kirche in Horley waren seine letzten grὂsseren Werke.

Church in Horley

St Ethelreda’s Kirche in Horley, Oxfordshire, Foto: Richard Rogerson

Es war ein Auftrag nach seinem eigenen Herzen, wie er zu dem Journalisten von der “Oxford Mail” sagte, der über diese neue Ausstattung der Kirche berichtete. Schon Anfang 1950 starb er an einem Herzschlag, gerade 50 Jahre alt.


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