Aug 202016
 

VI. Schlaraffia hinterm Draht!

(Schäfer)

Verpflegung, Küche, Tante Anna (unter Mitarbeit von Saknus und Scheuermann)

Wir erhielten die den englischen Soldaten zustehende Verpflegung, die – natürlich! – als mehr wie ausreichend bezeichnet werden muss, dazu kamen noch pro Monat 5000 Rp. „Messing allowance“ und 1500 Rp. Zuschuss aus unseren Lagerbetrieben, = 10½ Rs. pro Mann und Monat. Wahrscheinlich lebten wir wesentlich besser als die Tommis, schon allein darum weil unser Küchenpersonal aus erstklassigen Fachmännern bestand, wie sie bei ihnen – zugegebenermassen – nicht zu finden waren und die Briten die Kochkunst nicht mit solcher Begeisterung wie unsere Köche betrieben.

Unsere Köche / der rothaarige irisch-österreichische Gilli – den ich nebenbei vor einer Laparotomie bewahrt hatte durch rechtzeitige Diagnose: Pleuritis diaphragmatica ! – und Westfalen, Röll, Konejung, Keuschen (Onkel) und die „Sonderklasse“: Büllesbach (Koch und Konditor), meisterten ihre Aufgabe in nicht zu überbietender Weise, obwohl die Küchenanlage für 600 Mann nicht gerade das Höchstmass modernen Komforts bot und vor dem Feuer schon in der kalten Jahreszeit eine Bullenhitze herrschte, ganz zu schweigen von der April – Mai Temperatur ehe der Monsun einsetzte! Trotzdem arbeiteten sie tagein tagaus unverdrossen weiter, auch nach der Kürzung ihrer Bezüge auf ½ Rs. (um 50%), als ab 1945 die Reichszulage aussetzte.

Unvergessen bleiben uns die Reistafeln mit fast javanischen Delikatessen á la Hotel des Indes und die „dinners“ (anders kann man es kaum nennen) zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten.

(Rehsenberg): Der perfekte Koch und Konditor hiess Büllesbach (von der Firma Epperlein). Helfer waren unter anderen: Diestelkamp, Julius Schadt, Schaller, Bergmann (Metzger), Lehniger sen. (Metzger), Lehniger jun. (Metzger und Bäcker, Walter Paas, Johann Pass, Wilhelm Pass, Hirsch jun., Kissing, Lux (manchmal auch Chefkoch), Becker (Dollar- oder Polizei-Becker), Böckler, „Juno“, Schröder Heinemann, Vornhecke, Katsch, Klotsche, Laudien, Schröder (Metzger) Tiegfeld, Klesse und andere)

Eine unserer beliebtesten Fressereien – monatlich 2 mal – Bami, (chinesich) Nudeln und Schweinefleisch benötigte, sie verschlang folgende Zutaten (nach Scheuermann) :

280 Pf. Mehl
200 Eier (für 600 Mann)
300 Pfl. Weisskohl
1½ Zentner Schweinefleisch
1 Zentner Leber
½ Zentner Speck
1½ Zentner Zwiebeln
80 – 90 Pfd. Erbsen aus Australien, Amerika.
Südafrikanische Dosen Porree, Lauch, Petersilie, Lombok (Paprika).
Das „nötige“ Bratfett: 40 Pfund 

Das alles wurde an einem Abend restlos „verorbert„, auch die Briten liessen sich stets einen guten „Schlag“ davon munden. Wurst-, Speck-, Schinken- Umsatz in den kalten Monaten bis zu 3500 lb. = Pfund á 450 g (1 Zentner pro Tag) zu 1800 Rs., (nach Saknus), nach Scheuermann „nur“ 1000 lb.

Die uns von der Lagerverwaltung täglich gelieferte Ration pro Mann bestand aus: Frischfleisch 14 onz (á 28 g) = 392 g – nebenbei meist bestes Gefrierfleisch von Calcutta oder Bombay im Kühlwagen hierher verfrachtet! (ca. 2000 km !!) aus Südafrika, Südamerika, Australien, selten von dem abgetriebenen Vieh des Landes !! 

oder Dosenfleisch 7½ onz = 210 g
oder Gefrierfleisch 10 onz = 280 g
Frischgemüse 224 g
Mehl oder Reis (2 x wöchentlich) 111 g
Zucker 56 g !!
Brot 336 g = ⅓ kg
Zwiebeln 168 g
Marmelade 28 g
Fett (Erdnuss) 14 g
Thee 20 g (im Monat 600 g !!!)
Kartoffeln 280 g
Holz 1,5 kg
Eis 1 lb pro Mann = 6 Zentner pro Tag !!! (für alle)

Dazu wie oben gesagt: 5.000 Rp. Messe-Zuschuss und 1.500 Rs. Überschuss aus unseren Lagerbetrieben, worüber monatlich abgerechnet, durch eine Kommission überprüft und am schwarzen Brett angehängt wurde.

Tante Anna erfordert und verdient eine Sonderdarstellung in extenso („Tante Anna, so wie Du gebaut bist, Du bist die schönste Frau im Land…“) ein Schlager dieser Zeit.

Lienhard, Cocos- und Amorphophallus – Züchter aus Ceram hatte den Betrieb als Relab = Restaurations-Lager-Betriebe schon in Alas Vallei ganz klein mit einem Petroleum Tin für Kaffeekochen begonnen, hier gestaltete sich das Unternehmen zu einem – für ein Internierungslager – erstklassigen Kaffeehausbetrieb, unter Leitung von Büllesbach, Jacobi, Saknus.

Aus den Rebate Fonds stellten die Briten Stühle und Tische, erstere sogar mit Armlehnen (!), zur Verfügung, wir kauften Tischtücher, Gläser und Geschirr, Jo König und Friebel schmückten die Wände sehr schön mit Gemälden aus der Heimat und Insulinde aus, selbst meine Amorphophallus und Rafflesia Motive fanden so noch den Weg an den Fuss des Himalaya! Wenn das Block-Orchester Samtag Abend bis in die späte Nacht spielte (12h, soweit mir erinnerlich, Polizeistunde) vergassen die Kombattanten bei reichlichen Mengen Alkohol, belegten Broten, Kuchen, Kaffee, Cigarren und Cigaretten wirklich für einige Stunden „ihr schweres Schicksal“!?, im fernen Osten hinter Stacheldraht zu sitzen.

Besonders an Schlachttagen ging es hoch her, da gab es auf Vorausbestellung – um der Nachfrage gerecht zu werden – Blut- und Leberwurst und Schweinskarbonade paniert mit Kartoffelsalat für 8 Anna = 50 Pf. und „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ in endloser Wiederholung! Ich sehe und höre noch eine solche von Bacchus Lyaios überwältigte Crew bei lindem Vollmondscheine Arm in Arm gestützt heimwärts wanken und in die nächtliche Stille Hindustans ein Lied aus fernen Zeiten hinausschmettern: „in Hannover an der Leine, haben die Mädchen dicke Beine und der Arsch ist kugelrund …“, namentlich die Kugel kam aus tiefstem Herzensgrund und klang onomatopoetisch in die nächtliche Stille hinaus! Ich war nur seltener Gast dieses Kulturunternehmens, wohnte aber nur durch eine Strasse getrennt dicht dabei und erlebte daher alles aus nächster Nähe, ohne – auf Ehre! – ein Ärgernis daran zu nehmen, wie es immerhin einigen „Gerechten“ = Pharisäern erging. Das Lagerorchester unter Rudi Beyers Leitung mit Toni Poczimek als Bassgeiger und Jodler sei schon hier (cfr. =  Concerte) lobend erwähnt.

Zu Weihnachten und Sylvester gab es besondere Schlemmereien, da wurden sogar Tischtücher organisiert, die Tafeln mit Blumen geschmückt, ein Christbaum brannte und die Menüs sind mir noch heute in Erinnerung.

Blumenkohlsuppe
Russische Eier mit Mayonnaise, Toast, Butter
Befsteak á la Rossini, pommes frites
oder Schweinskotellett mit Rotkohl
Schokoladenpudding mit Vanillesauce
Kaffee, feines Gebäck

Von Scheuermann erhielt ich folgende „Einfuhrliste“:

1944

Heiliger Abend
Fleischbrühe
Blumenkohl mit Holländischer Tunke
Illustrierte Platte: 4 Sorten Wurst und Käse,
Butter, Brot Kaffee Mürbeteig-Gebäck

1. Weihnachtstag
 7 h ) 1 Tasse Kaffee, 1 Scheibe Christstollen
 8 h ) Tee, Brot und Butter, 1/4 Pf. Wurst
13 h) Cornedbeaf, Sauce Remoulade, Bratkartoffeln, Tomaten, grüner Salat
15 h) Kakao, Butterkuchen

18 h) Kasseler Rippenspeer, Gemüse, Kartoffeln Pudding Charlotte Ruce
1945: Plumpudding, der brennend aufgetragen wurde !

2. Weihnachtstag

7 – 15 h) siehe erster Feiertag
18 h) Schweinebraten, Erbsen, Kartoffeln, Pudding

Sylvester
Kaltes Büffet
Knackwurst, Kartoffelsalat, belegte Brote
Berliner Pfannkuchen, Punsch

Auf dass in dieser höchst wichtigen Angelegenheit „Weihnachts-Menüs“ in der Internierung keine falschen Berichte der Nachwelt überliefert werden, hier die Original-Speisekarten, die mir liebenswürdigerweise Kamerad Schürmann zur Verfügung stellte:

1943

1.Weihnachtsfeiertag

Fischbrötchen mit Blätterteig, Blumenkohl mit Westlandtunke (früher Sauce Hollandaise!!), Kasseler Rippchen, Butterkartoffeln, Grüner Salat mit Speck Krustenpudding mit Schlagsahne (echt!!) – für 600 Mann!! – Kaffee – Punsch

Heiliger Abend

Kraftbrühe mit Eierkuchen Gemischter Aufschnitt Kaiserschmarrn, Apfelkompott Kaffee mit Mürbeteiggebäck Punsch

1944

Heiliger Abend

Kalte Platte
Bowle
Plumpudding, Weinschaumtunke
Kaffee

1. Weihnachtstag 

Lachsmayonnaise
Kasseler Rippenspeer, Grüne Erbsen, Kartoffelmus
Fruchttorte mit Schlagsahne !!

Aus meiner Glanzzeit der Internierung, bei den Italienern, in der I. Klasse (Hauleute = Selbstzahler) bewahre ich in treuem und dankbarem Gedenken die Weihnachtsmenus von

1942

Heiliger Abend

Hors d’oevre (u.a. Kaviar!)
Gebratene Seezunge, Sauce mayonnaise
Roastbeaf a la Rossini
Gallina faraone (Perlhuhn) in Speck gebraten, Blumenkohl, Kartoffeln Dolce di Natale Kaffee

Sylvester

Leberpastete von Eis auf Toast
Tomatensuppe
Seezunge gebraten, Sauce tartare
Gebratene Gans, Blumenkohl, Grüner und Tomatensalat
Fruchttorte
Kaffee

Aus dieser Zeit stammt mein Ausspruch: Cedo solamente alla violenca: Ich weiche nur der Gewalt (hier das Lager zu verlassen!!! Der Herrgott soll mir diese nichtnationale „Verfressenheit“ vergeben! !

Als unser Wing Commander, Dpt. Ward – „Englands last hope“, wie ihn „Schersant“ Friend (mit Recht!!) nannte – bewegten Herzens und -fast – Tränen in den Augen sich von uns verabschiedete und uns seinen Dank und seine Anerkennung „for your high degree of discipline, collaboration and cameradeship“ aussprach, erwähnte er von allen Betrieben namentlich die Köche Gilli und Büllesbach, die first class Arbeit geliefert hätten!! Die Besoffenheitsarien beim Appell (cfr.oben) hatte der milde old hand also entweder bereits wieder vergessen oder er bewertete sie als belanglos und unvermeidlich. Er selbst kam nebenbei manchmal auch reichlich „gerötet“ zum Nachmittags-Appell! Aber noch nicht – oder nur dem geübten Neurologen und „Romberg-Experten“ erkennbar – schwankend!!

Weitere Verdienste (um die Internierten) der Tante Anna (nach Darstellung von Saknus):

Als Kaffee-Kantine begonnen, durch Büllesbach – Jacobi erweitert: Bäckerei, Festessen (auf Bestellung z.B. an Geburtstagen p.p. Brat- oder Backhändl, gebratene Enten gefüllt etc., etc.) Nasi Goreng, Spiegeleier, Torten, Kuchen für Freund und Feind, Später nach Eröffnung der Blockbetriebe Schlachterei und Schnapsbrennerei, Speck, Schinken, Wurst, Schnaps-Verkauf, Sonnabends „mit Musik“.

Dienst sehr anstrengend, im Sommer Schwierigkeiten Personal zu bekommen!

Kaffee-Verkauf: Durchschnittlich 24 Kessel = 750 Portionen, Schwarz 1 Anna, mit Milch 1 1/2 Anna, an Spitzentagen inclusive Tee, Eistee, Kakao, das doppelte Quantum!!!

Kuchen durchschnittlich (3 x pro Woche!!) 10 – 15 Bleche (á 32 Stck. Kuchen) ca.500 Stck Hamburger Rundstücke, Berliner Pfannkuchen, Spritzkuchen, Schnecken, Kranzkuchen, Cremeschnitten, Streuselkuchen, Bienenstich, Butter-, Quark-, Frucht-Kuchen, Äpfel, Aprikosen, Guajaven, Physalis „Judenkirschen“, Pfirsich, Nuss-, Mohn-, Schokoladen-Hörnchen, Fleischpasteten, Torten (2 – 4 Anna das Stück), Durchschnitt: 320 – 480 Stücke Tageskonsum!! Weihnachten gab es Christstollen, Mohnstriezel (Epperlein Stuttgart-Batavia in Ehren zu nennen!!) Nürnberger Pfefferkuchen auf Oblaten, Baumkuchen, gebrannte Mandeln, Marzipankugeln mit Schokoladenüberzug, feinstes Mürbeteig-Confect etc., etc. Man musste sich sehr dazuhalten, etwas davon zu bekommen, meine Wohnung lag günstig, nur 10 m Distanz!! Ein ca. 1 m hoher Wedding-Cake aus Marzipan den Büllesbach für einen Briten fabriziert hatte, wurde sogar in der Illustr. Weekly abgebildet! Von früh 6 h bis abends 10 h – mit einer Stunde Mittagspause – spendete Tante Anna ihre Herrlichkeiten!

Die Preise für die Backwaren konnten so niedrig gehalten werden, da wir so viel Brot (auch Tee!) erhielten, dass wir es nicht verzehren konnten – trotz aller Schweine-, Enten-, Hühnerzucht (Engelhard und der „Entengraf“ Lippe) wanderte immer noch Brot in die Mülleimer und 1943 starben 3 Millionen Hungers allein in unserer Provinz Orissa!!! Ein prominenter Hinduh sagte im Parlament:“ Jährlich sterben Millionen unserer Landsleute an Hunger, noch nie ist hier ein Engländer verhungert! – Als ultima ratio holten wir schliesslich statt 7 nur 6 Brote ab. (Natürlich blühten-weisses Weizenbrot in Indien!) Das uns zustehende Mehl des 7 Brotes erhielten wir in Substanz für unsere Kuchenbäckerei! Ein mir neuer Kulturkreis eines „generous and human Governments of India“!

Auch mit Tee (20 g pro die !!!) wurden wir so reichlich beliefert, dass wir unser Essgeschirr darin abspülten. Später nahmen wir hier – für heisses Wasser und bekamen den nicht abgeholten Tee auf Rebate-Pund gutgeschrieben oder – zum Schluss – nahmen ihn in Substanz mit heim, pro Mann 1 – 2 Pfund = 6 – 12 Zentner!! (aus einem Block!)

Sandwiches: Schinken, Wurst, Ei, Käse, 200 – 450 Stück pro Tag. Wurst-, Speck-, Schinkenumsatz in den kalten Monaten maximal 1800 Rs. !! (nach Scheuermann Wurst- Fleischwaren-Umsatz in den warmen Monaten 100 lb., in den kalten 1.000 Ib.)

Der Küchenverwaltung unterstanden

1)  Hauptküche, Chefkoch Gilli
2)  Diätküche
3]  Essigfabrik (monatlich 180 lb.)
4)  Küchengewürz-Garten (Dill, Estragon, Majoran, Petersilie)
5)  Wurstfabrik
6)  Kaffee-Rösterei: monatlich 7 Sack á 112 lbs.
7)  Schweinestall (8 – 13 Tiere)

Schnapsbrennerei (eigenes Dezernat, siehe oben): 1.200 Pullen monatlich.

Nach Deckung aller Unkosten ging der Reingewinn, 1500 – 2000 Rs. an die Küche der Lagerleitung, die davon zusätzlich Lebensmittel kaufte» Jeden Morgen erschien u.a. der Milchmann mit geeister und steril verpackter Butter von der Milly: veterinär-hygienisch überwachten Militär-Kuhfarm.

Kalkulation Tante Anna: Hauptunkostenträger Kaffee, Kuchen etc. = minimaler Gewinn« Schnapsgewinn (Differenz Verkaufspreis minus Selbstkosten Brennerei) ergibt Reingewinn = Minimum!

Saknus zuerst alleiniger Manager, später – da zu anstrengend – abwechselnd mit Diegelmann, Saknus ausserdem zusammen mit Bergholz (Bankprokurist Soerabaya) Finanzenüberwachung aller Betriebe. Vor der Abreise gab es noch aus Ersparnissen der Blockleitung und aus Rebate Fund 20 Rs. pro Mann = 12.000 Rs.! Die „Kopfarbeiter“ (Büro, Bibliothek), erhielten ein Präsent von 30 Rs., die armen Schulmeister, wurden auch bei der zweitletzten Chance“ übergangen. Aus einem hohen Finanz-Direktorium ertönte sogar ein schallendes Gelächter, schon über die blosse „Idee“ ! (ehrbare Hamburger Kaufleute!) Kochen muss bezahlt werden: lebenswichtiger Betrieb, Schulmeisterei offenbar „Privatvergnügen“! – freilich, bei 30° – 40° C ein sehr zweifelhaftes (mihi !) – Doch sehr angreifbare Auffassungen! In der Verwaltung überwogen offenbar „die Arbeiter der Faust“ oder wenigstens Leute mit deren Mentalität.

Am Küchendienst mussten sich alle Internierten der Reihe nach beteiligen, monatlich 2 – 3 x, etwa 2 h lang. Nur Büro, Sanität, Bibliothek, Blockarbeiter waren davon befreit, Schulmeister erst nach dauerndem, immer wieder rezidivierendem Meckern der Opposition. Abkauf gegen ½ á Rs. pro Mal, Nachfrage grösser als Arbeitsangebot. Mein Dauer-Beauftragter war Herr Ziegfeld – Semarang, Chef und Partner der grossen Zuckerfirma Erdmann & Sielcken – Batavia, – im besten Zuckerjahr 30 Millionen Gewinn! – der auch die Goldmine Simau gehörte.

Tagesordnung, Speisezettel:

Früh um 6 h, beim ersten Hahnenschrei erschien die Mannschaft eines Spezialunternehmens: Heissen Kaffee gefällig!, statt 1 Anna = Tante Anna-Preis, für 1½ á Anna: fob = frei ans Bett gebracht! Dann ging man Duschen (wenigstens ich konstant, auch im Winter! cfr. „Froh erwache jeden Morgen“ aus meinem opus: 2 Jahre unfreiwillig im Kapuzinerkloster) – 7 h – 7, 10 h Appell, 7,30 h Frühstück: Tee, für die beati possidentes, die bereits bei Tante Anna guten schwarzen Kaffee (1 Anna) auf Wunsch mit Milch, (zuletzt Milch gegen Zuzahlung von 1/2 Anna) erhalten hatten. Abwechselnd Hafergrütze mit Milch, Milchreis oder Griessbrei, Brot, auf Wunsch getoastet (gegen Wochenabonnement von einigen Annas bei Tante Anna oder einem Spezial-Unternehmen), oder 1/6 á Tin Cornedbeef, oder 1/4 á Pf. Leber- oder Blutwurst oder Schwartenmagen, (von mir fast constant an „Kannibalen“ abgegeben, primo loco: Knaackio: „Knaack frisst alles“!) oder Marmelade, nur allerfeinster Qualität: aus Agra, Australien, Neu Seeland (1×1!!) Amerika (Delmonte), Palästina = „die Judenschmiere“, oder Honig, oder Syrup.

Um 9 h trafen Post und Zeitungen im Lager ein und die getauschten Bücher aus der Bibliothek lagen in der Baracke auf unseren Plätzen. Extra Spezialdienst !

Sportleute begannen ihre Spiele, Schüler ihren Unterricht, „Arbeiter“ ihre Arbeit. 

12 h Mittag: Eintopf oder gebratenes oder gekochtes Fleisch, mit Kartoffeln und Gemüse, (selten auch Seefisch) oder Reistafel (kleinen Formats) mit Curry etc. (cfr. oben). Fleisch nur Gefrierfleisch allererster Qualität aus Argentinien, Afrika, Australien (cfr. oben).

3 h Tee, 18 h Appell (2x pro Woche), 18,30 h Abendessen noch reichlicher als mittags, Sonntag stets mit Nachspeise: Pudding, Früchten etc. Um 10 h zu Bett» „light out“. In den warmen Sommernächten tagten aber überall noch die „braintrusts“ bis spät in die Nacht im Freien. Man stellte auch sein Bett ins Freie, da die Baracken noch nicht abgekühlt waren! Im Italiener-Block musste freilich fast allabendlich gegen 10 1/4 aa h das Kommando der Runde ertönen: „light out!“, täglich erreichte eben der Befehl „um 10 Schluss“ nicht ohne spezielle Aufforderung sein Ziel und die braven britischen Sergeanten mussten auch bei strömendem Monsunregen die Runde machen, auf dass alle Lichter gelöscht wurden, aber!! … ohne dass jemals eine Disziplinarstrafe verhängt wurde: „generous and human“!

VII. Kantine – Warenverkauf 

(Andreas Fischer, meinem alten Sobat Keras!)

Die monatlichen Umsätze beliefen sich im Allgemeinen auf Beträge zwischen 9 – 15.000 Rs. Als Basis hierfür diente: 600 Mann a 20 Rs. pro Monat vom Engländer (15 plus 5), sowie den alle drei bis vier Monate eintreffenden Betrag von 40 Rs. gezahlt vom deutschen Reich. Die grösste Summe, die demnach theoretisch pro Mann hätte ausgegeben werden können, wäre bei ca. 33 Rs. gelegen, zuzüglich Privatgelder, da jedoch neben der Kantine auch noch diverse andere Ausgabemöglichkeiten bestanden, so floss nicht der ganze Betrag in die Kantinen-Kasse, sondern er verteilte sich auf die restlichen Unternehmen wie „Tante Anna“, die Handwerker und die Kantinen in Wing 6 und Wing 1.

Die Organisation der Kantine fusste auf freiwilliger Mitarbeit. Eine Bezahlung der Helfer fand nicht statt, lediglich erklärten sich die Wing-Leitungen damit einverstanden, dass den Mitarbeitern ein Wäschegeld zur Verfügung gestellt wurde, das zunächst bei 3 Rs. und später bei 5 Rs. lag. Diese Ausgaben wurden von den gemachten Gewinnen bestritten.

Wir in Wing 7 hatten bekanntlich drei Abteilungen, unter meiner Leitung: die sogenannte „Dry-canteen“, die „clothing department“ bzw. „the tailoring and shoe-department“, an deren Spitze jeweils ein Herr stand, der im allgemeinen vollkommen selbständig diese Unterabteilungen leitete.

Der gesamte Einkauf unterstand dem Kantinen-Leiter. Der Einfachheit halber hatten wir noch eine eigene Buchhaltung errichtet, damit die Abrechnung über die subsistance allowance doppelt durchgeführt werden konnte. Die Kantine selbst unterstand wiederum dem Lagerleiter bzw. dem Wing-captain. Letzterer war dem Kommandanten dafür verantwortlich, dass nur erlaubte Waren hereingebracht wurden. Ausserdem hatte er dafür zu sorgen, dass nur die behördlich zugelassenen Kontraktoren mit uns in Geschäftsverbindung standen. Selbstverständlich wurde in British-Indien ja auch nur mit Wasser
gekocht, und es dürfte nicht unbekannt gewesen sein, dass wir sehr viele Artikel hatten, die an und für sich nicht gestattet waren. Das wusste der Wing-commander natürlich auch, es kam nur darauf an, die Sache nicht zu übertreiben. Mit Ausnahme von Deoli hatten die im Lager kommandierten Engländer für unsere Handlungsweise volles Verständnis und deckten uns auch bei den wiederholt stattfindenden Kontrollen seitens des Kommandanten.

Prinzipiell war es unter der englischen Lagerleitung gestattet, in der „Dry-Canteen“ einen bescheidenden Gewinn zu machen, während die beiden restlichen Abteilungen zu Einstandspreisen verkaufen mussten. Im grossen und ganzen wurde diese Linie auch eingehalten. Es ergaben sich natürlich Gelegenheiten, mal billiger einzukaufen, und wenn dann nicht jedes Mal zu neuen Preisen verkauft wurde, so geschah es nur, um in der Linie der beiden anderen Wings zu bleiben; denn bei der geradezu phantastischen Unordnung, die die Kontraktoren im allgemeinen hatten, war es für uns ein leichtes, diese Burschen von Zeit zu Zeit recht beträchtlich aufs Kreuz zu legen. Gewissensbisse hierüber brauchte man sich nicht zu machen, denn diese geriebenen Burschen machten auf Kosten der Internierten ein Millionengeschäft. Der Verdienst, der aufgeschlagen wurde lag im allgemeinen bei 5%. Dank unserer geschickten Einkaufs-Tätigkeit bzw. der Tatsache, dass auch von uns der Kontraktor hier und da gewaltig aufs Kreuz gelegt wurde, entstanden Gewinne, die höher lagen als es bei der theoretischen Kalkulation von 5% möglich war. Aus diesem Grunde hatten wir eine sogenannte „doppelte“ Buchführung, die nach aussen hin einen ca. 5%igen Gewinn auswies, während der Blockleitung jeweils die genaue Summe aufgegeben wurde.

Der gemachte Gewinn wurde jeweils am Monatsende an die Blockkasse abgetragen und zur Deckung der allgemeinen Unkosten bzw. für Sonderanschaffungen, grösseren Essenszuschüssen etc. verwendet. Jeweils am Monatsende fand von der Überprüfungs-Kommission eine eingehende Kontrolle unserer Bücher statt, wobei auch von Zeit zu Zeit Stichproben über die Gewinne gemacht wurden. Ich kann von unserer Kantine nur sagen, dass diese Kontrollen exakt und genau durchgeführt wurden, und dass es meines Wissens in keinem einzigen Fall zu einer Beanstandung gekommen ist.

Die Kontraktoren erhielten keinen squeeze. Das war auch nicht erforderlich, denn die Burschen verdienten sowieso schon enorm. Jedoch konnte man ihnen gelegentlich mit einigen deutschen Spezialitäten („Tante Anna“) eine kleine Freude bereiten, was dann auch von Zeit zu Zeit geschah. Wenn wir jedoch schon das Wort squeeze gebrauchen, so möchte ich nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, dass meines Wissens (Beweise habe ich natürlich nicht in Händen) der gesamte englische Stab vom Kommandanten herunter bis zum gate-keeper von den Kontraktoren einen ansehnlichen „Bakshish“ bekamen, der z.T. nicht von Pappe war. Wie ich kürzlich in Hamburg hörte, ist unser letzter Campcommander Co. Williams 1947 aus dem englischen Staatsdienst ohne Pension entlassen worden, weil ihm laut meinen Gewährsmann unsaubere geschäftliche Methoden während der Zeit unseres dortigen Daseins nachgewiesen wurden. In wieweit diese Mitteilung auf Tatsachen beruht, entzieht sich meiner Kenntnis, ich persönlich halte es jedoch für durchaus möglich. (Auch ich (Schäfer) habe diese „Story“ berichtet bekommen, aus Indien direktly).

Wie schon gesagt, war es uns theoretisch nur gestattet, die in Indien selbst hergestellten Waren zu verkaufen. Die Praxis sah jedoch wesentlich anders aus, und es war eine bekannte Tatsache, dass die Tommies bei uns in den Kantinen besser und billiger Import-Waren kaufen konnten, als in Deradun vom Kontraktor. Die Frage nach dem Wieso ist leicht zu beantworten. Diese Importwaren wurden bekanntlich vom Kontraktor zu Schwarzmarktpreisen verkauft. Wollten wir sie haben, mussten wir die geforderten Preise bezahlen. Beschweren konnten wir uns bekanntlich nicht, denn dann hätten wir uns ins eigene Fleisch geschnitten. Wollte jedoch ein Tommi in der Stadt in einem indischen Laden einen Import-Artikel kaufen, dann wurde von ihm ebenfalls der Schwarzmarkt-Preis verlangt. Es bildete sich nun die Praxis heraus, dass nach einem derartigen Kauf der Betreffende sich klageführend an den Magistrat wandte und der indische Kaufmann entsprechend bestraft wurde. Dass ein derartiges Gebaren sich schnell herumsprach, war klar. Die Folge davon war, dass die Kaufleute in Deradun den Engländern einfach nichts mehr verkauften, sondern stets mit einem freundlichen Lächeln versicherten, dass sie keine Import-Ware hätten. Es blieb den Leuten also nichts anderes übrig, als sich vertrauensvoll an die von ihnen bewachten deutschen Internierten zu wenden mit der Bitte, ihnen doch mal eine Flasche Scottch Whisky oder eine Tube American Dental-Cream, etc., etc. zu verkaufen. Sie sehen, lieber Doktor, auch in diesem Falle hat sich die bekannte deutsche Tüchtigkeit bewiesen.

(Rehsenberg): Nun eine andere Geschichte, die den Vorteil hat, wahr zu sein. Eines Tages kam Major McAlpin (der etwas korpulente vornehme Engländer, von dem man behauptete, er sei früher jahrelang in Deutschland gewesen) zu mir und bat mich, ihm 2 Büchsen guten Käse aus unserer Kantine zu besorgen. Ich sofort zur Kantine hin. Hier sagte man mir, dass dieser ausgezeichnete Büchsenkäse vom indischen contractor „schwarz“ geliefert sei und dass die englischen Offiziere hiervon um Gottes willen nichts erfahren dürften. Ich zurück zu Major McAlpin und sage ihm, dass die Kantine leider keinen Käse habe. Darauf McAlpin zu mir: „Mr. Rehsenberg, ich weiss ganz genau, dass der contractor gestern Mittag soundsoviele Büchsen Käse schwarz an Wing 7 gliefert hat. Ich habe ja nichts dagegen und will auch nichts verraten, nur möchte ich gern 2 Dosen davon, gegen Bezahlung natürlich, mithaben. In Ihrer Rechnung an mich dürfen Sie dann aber nicht Käse schreiben, sondern schreiben Sie am besten Kuchen.“ Nach einigem Hin und Her hat Major McAlpin dann seinen Käse bekommen.

Wie hängt nun die Sache zusammen? Das ist ganz einfach. Die indischen Contractoren machten während des Krieges gern Schwarzgeschäfte. An deutsche Internierte konnten sie zu annehmbaren Schwarzmarktpreisen verkaufen, da krähte kein Hahn nach. Die Rechnung lautete z.B. auf Regenschirme oder weiss Gott was, in Wirklichkeit waren aber Luxusartikel wie Speck und Käse in Büchsen, Kakao, Kaffee und vieles andere geliefert, und der contractor hatte ein fabelhaftes Geschäft gemacht. An englische Offiziere zu liefern, hatte der contractor aber kein Interesse, weil diese nur die von der Regierung vorgeschriebenen Fest- oder Höchstpreise zahlen durften und wollten. So kam denn ab und zu der eine oder andere Offizier zu uns ins Lager und kaufte sich doch dort, was das Herz begehrte und er draussen nicht bekam!!

Die monatlichen Umsätze der einzelnen Artikel sind mir entfallen. Ich glaube jedoch, dass sie bei Frisch-Obst um 500 Rs. herum lagen. Der Zigaretten-Umsatz lag wesentlich höher und dürfte wohl das drei- und vierfach des eben genannten .Betrages ausgemacht haben.

Patent-Medizinen wurde» im Verhältnis wenig gekauft, den» der Block-Arzt lieferte ja praktisch alles kostenlos. Hin und wieder bestand rege Nachfrage nach Atebrin, Plasmochin, sowie dem Schweizer Präparat gegen Dysenterie (Entero Vioform).

Der grosse Psychotherapeut!!; (Schäfer)

Ich kaufte mir einmal in der Kantine Bananen und ein anderer Internierter „Obat“ = Patentmedizin. Er nahm die günstige Gelegenheit wahr und konsultierte mich doch noch „für alle Fälle“, kam aber – offenbar! – an die falsche Adresse!! „Ist das gut“? und zeigte mir eine kleine blaue Dose mit der Aufschrift Geest. Nach einer gewissen Zeit- bis bei meinen bescheidenen englisch-holländischen Sprachkenntnissen der Groschen gefallen war – hatte ich aber doch heraus: das muss ein Hefepräparat sein! „Wofür wollen Sie es denn nehmen?“ Gegen Furunkel – Ja ja, ich erinnere mich, vor etwa 3 Jahrzehnten habe ich das auch verordnet, aber jetzt ist Hefe aus der Mode gekommen, jetzt nimmt man (toternst!!) Sägespäne!! Prompt ging der „Invalide“ = mentalinvalide in die Tischlerei und holte sich Sägespäne und frass sie auch, mit welchem Erfolg auf den tractus intestinalis!! hat er mir nicht verraten, habe ihn auch nicht weiter mehr darüber gefragt! Es lebe die Innere Medizin – in meinen Händen!! „Spass muss sein in der Internierung“!! oder: „Es ist zu wahr, um schön zu sein“!