Nov 062017
 


Beitrag zum Thema „Ideale und Träume“ der ÖJD-Senioren-Tagung Oktober 2017 in Neudietendorf

Von Walter Hiller

Wesensmerkmale moderner Gesellschaften sind Utopien oder Visionen. Früher sagte man dazu Träume. Im Unterschied zu früheren religiösen Heilserwartungen und Apokalypsen verweisen sie auf die Gestaltbarkeit der Zukunft. Und diese wird von Menschen, also von  uns gemacht. Nicht nur der bisherigen, auch die kommende Geschichte wird wesentlich von Menschen gemacht. Dabei geht es immer um die zentrale Frage: Wie werden und wie wollen wir in der Welt von morgen leben?

Betrachten wir die Weltlage heute, stellen wir fest: Wir leben in einer Welt, die sich in einem radikalen Umbruch befindet – wirtschaftlich, kulturell, sozial. Es ändern sich die gesellschaftlichen Zusammenhänge, in denen bisher die Menschen lebten und arbeiteten. Es findet eine Individualisierung der Menschen statt und darauf ist keine Gesellschaft vorbereitet. Das ist überall auf der Welt zu beobachten und hängt mit dem nicht gesteuerten Prozess der Globalisierung zusammen. Globalisierung unter dem Diktat der Kolonialisierung war zunächst eine europäische Angelegenheit und hatte von Anfang an weltweite Auswirkungen. Aber jetzt findet er zeitgleich überall statt, rund um die Erde.

Diesen Prozess haben wir als Weltbürger mit den entsprechenden Institutionen  demokratisch legitemierter Staaten und den Vereinten Nationen zu organisieren auf der Grundlage der Menschenrechte, wozu es keine Alternative gibt.

Unter den genannten Aspekten erscheint unsere Zukunft in vielerlei Hinsicht als unsicher. Ungelöste Probleme in Konfliktgebieten, der rasante Bedeutungsgewinn des Populismus in der ganzen Welt,  langfristig die drohende Klimakatastrophe, um nur einige unter vielen Ursachen zu nennen und zu ahnen, was auf uns zukommt. Welchen Lauf die Geschichte der Menschheit nehmen wird und wie man ihn am besten beeinflussen kann, ist offen.

Unerbittlich aber steht fest: Wir leben inmitten einer Zeitenwende. Der radikale Umbau ist im Gange, den es eigentlich zu gestalten gäbe, statt so zu tun als fände er nicht statt. Viele lassen sich in trügerischer Sicherheit wiegen, statt aufzustehen um der Politik Beine zu machen.

Reden wir von Träumen und der Kraft der Hoffnung für eine Welt von morgen, müssen wir uns zunächst vor Augen führen, wie ungerecht und menschenfeindlich unsere Weltordnung heute gestaltet ist: So leben zum Beispiel nur etwa 800 Millionen Menschen in Reichtumsregionen und Milliarden Menschen geht es  wirklich elend. Es ist ein Skandal, dass die Weltgesellschaft, die nur 0,5 % des Sozialproduktes aufwenden müsste, um alle Menschen über zwei US-Dollar Kaufkraft zu heben, das noch nicht zustande gebracht hat.

Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen Angst haben und sich bedroht fühlen, sogar vernichtet zu werden. Hinsichtlich dieser Bedrohung für die Menschheit sollten wir an dieser Stelle über einige Szenarien etwas genauer nachdenken. Vordringlich ist der Klimawandel mit evtl. Folgen für Millionen Menschen. Dazu gehören aber auch Waffen, Waffenhandel und Nuklearwaffen

Klimawandel – Ist unser Planet noch zu retten?

Weltweit nehmen die Wetterextreme zu. Es gibt nicht nur mehr Überflutungen, auch Dürren werden intensiver, Hurrikane und Tornados wüten heftiger. Dabei stellt sich die bereachtigte Frage: Gibt es überhaupt noch eine Chance, dies beherrschbar zu halten?

Nach Aussagen der Wissenschaft ist das noch zu schaffen, die schlimmsten Konsequenzen der globalen Erwärmung zu verhindern. Einige Schäden sind bereits entstanden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Der Meeresspiegel wird weiter ansteigen, egal was wir tun. Schnee und Eis in den Alpen sind in jedem Fall in Gefahr. Küstenstädte und ganze Bereiche in den USA wie Miami, große Teile von Florida sind durch den steigenden Meeresspiegel stark gefährdet. Das gilt ebenfalls für viele Küstenregionen rund um die Erde, angefangen von den Malediven über Bangladesch, wo Millionen Menschen werden umziehen müssen.

Zur Erinnerung: Deutschland hatte auf dem Gebiet der Energiewende eine Führungsrolle. Der CO 2 Ausstoß ist allerdings so stark angestiegen, weshalb Berlin ihre selbst gesteckten Klimaziele für 2020 verfehlen wird. Minus 40 % CO2 gegenüber 1990 sind nicht mehr zu schaffen.  Eine Schande!

Unbedingt erforderliche Maßnahmen sind: 1. Ein schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien von Wind- und Solarkraft und einem schnellstmöglichen Ausstieg aus der Energieversorgung durch Erdöl und Erdgas sowie Kohle. 2. Planen und Entwickeln von Verkehrssystemen auf der Grundlage von E-Mobilität und Ökostrom.

Klimawandel treibt den Hunger

Der Hunger ist längst nicht besiegt. Im Gegenteil: Erstmals seit vielen Jahren nahm die Zahl der weltweit hungernden Menschen 2016 deutlich zu. Nach einem Rückgang von 1,01 Mrd. auf 777 Mio. zwischen 1990 und 2015 wurden 2016 weltweit rund 815 Mio. Hungernde registriert. Das UN-Ziel, den Hunger bis 2030 weltweit zu besiegen, rückt damit in weite Ferne.

Wesentliche Ursachen des Hungers weltweit: Kriege, Bürgerkriege und gewaltsame Auseinandersetzungen zählen neben den Folgen des Klimawandels und zunehmenden Naturkatastrophen zu den Hauptursachen der mangelhaften Nahrungsmittelversorgung.

Umwelt verbessern –  Erde und Meere reagieren empfindlich

Insektenforscher beklagen ein massenhaftes Insektensterben. Die meisten Insekten haben allein schon jede Möglichkeit verloren, sich oder ihren Nachwuchs (Eier, Larven) zu ernähren oder einen geeigneten Lebensraum zu finden, da ihnen durch Monsanto & Co die entsprechenden Wildkräuter oder Blumen fehlen.

Was der Verlust der Insekten für die Landwirtschaft (Bestäubung), aber auch für die Vogelwelt bedeutet, muss nicht weiter erläutert werden.

Wissenschaftler stellen fest, dass der Insektenbestand seit 1989 um 76 % zurückgegangen ist. Besonders betroffen sind Bienen, Wespen, Ameisen und große Schmetterlinge. Die Monokulturen, steigender Einsatz von Pestiziden dürften wohl eindeutig die Hauptverursacher dieser Tragödie sein.

Zu unserem Lebensraum gehören auch die Meere. 40 % der Weltmeere sind bereits stark durch menschliche Eingriffe beeinträchtigt. Knapp 90 % der Fischbestände werden überfischt. Plastik und Müll landen unbehandelt im Meer. Ändert sich die jetzige Praxis nicht soll es bis 2050 – gemessen am Gewicht – mehr Plastik als Fische im Meer geben.

Hochrüstung tötet täglich

1,7 Bio Dollar haben die Regierungen der Welt 2016 für Rüstung ausgegeben:
600 Mrd. USA, 200 Mrd. Europ. NATO Staaten, 200 Mrd. China, 69 Mrd. Russland.

Schwellenländer rüsten auf trotz Krisen und die nächste Runde der Aufrüstung läuft:
54  Mrd. Dollar Plus  USA
100 Mrd. jährlich alle NATO Staaten, bedeutet je 2% vom Sozialprodukt
Für Deutschland bedeutet das eine Steigerung von 41 Mrd. Euro auf 69 Mrd.

Kritisch hierzu ist zu bemerken:
Der Logik der Aufrüstung folgen reale Kriege und mehr Waffen bedeutet weniger Sicherheit.

Alternativen:
Abschaffung von Armee und Rüstung wäre ideal, aber kaum machbar.
Abrüstung in Schritten müsste unbedingt realisiert werden in Verbindung mit  Entspannungspolitik wie sie in den  70er/ 80er Jahren in der festgefahrenen Ostpolitik erfolgte.

Diese Alternativen sind alternativlos, wenn die Welt nicht weiter in Kriegen und Zerstörung versinken soll. Weltweit 18 Kriege und mehr als 400 Konflikte hat das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung im Jahr 2016 gezählt.

Geld wird verpulvert:
Von den 65 Mio. Flüchtlingen sind die  meisten Opfer der Kriege der 1. Welt, des Rüstungsexports und des Waffenhandels.

Fast 1 Mrd. Menschen gehen hungrig zu Bett.

1,7 Billionen Dollar für Waffen sind Ausdruck einer zutiefst inhumanen Politik, die den Profit der Rüstungskonzerne und die geostrategischen Interessen der kapitalistischen Länder über das Leben und die Entwicklung stellen.

Atomare Rüstung – Kampf dem Atomtod

Anfang 2017 besaßen 9 Länder insgesamt rund 15 000 Nuklearwaffen, davon waren 4150 einsatzbereit.
USA  6800, Russland 7000, China 270, Frankreich 300, GB 215
Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel nur wenige.
Die neun bestehenden Atommächte sind dabei ihre Arsenale zu modernisieren.
Trump droht Nordkorea „mit der totalen Vernichtung“ und  den Vertrag zur Kontrolle des iranischen Atomprogramms zu annullieren.

Der Friedensnobelpreis 2017 stärkt der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican) den Rücken. Dieser Dachverband hat weltweit 450 aktive Organisationen, die für ein Verbot von Atomwaffen werben. Einen Verbotsantrag von Ican für die Abschaffung von Atomwaffen haben im Juli 122 Staaten unter dem UN-Dach in New York verabschiedet. Die Bundesregierung gehörte nicht dazu, sie warb dagegen für das Atomwaffenarsenal der Nato: „Solange es Staaten gibt, die Atomwaffen als militärisches Mittel ansehen, und Europa davon bedroht ist, besteht die Notwendigkeit einer nuklearen Abschreckung fort.“

Unsere Verantwortung besteht darin, alle Anstrengungen für das Atomwaffenverbot zu unterstützen, damit wir nicht weiter in Angst und Schrecken leben müssen. Erinnern in diesem Zusammenhang möchte ich an die reale Kriegsgefahr, die in den 1950er Jahre mit der Wahrscheinlichkeit der Vernichtung großer Teile der Menschheit, insbesondere des deutschen Volkes, verbunden war, nicht in Vergessenheit geraten darf. Das Atomwaffenzeitalter muss zu Ende gehen. Mehr als 72 Jahre nach dem Einsatz der ersten Atombombe in Hiroshima ist es höchste Zeit, die menschheitsbedrohenden Waffen zu verschrotten, was natürlich auch für die Atomkraftwerke zu gelten hat.

Politik bestimmt unser Leben

Kraft der Hoffnung für die Welt von morgen ist unser Thema und dabei stellt sich für uns die Frage: Was können wir tun?

Die aufgezählten Themen stellen sich als komplexe Probleme dar, die für unsere Lebensgrundlage und für die Menschheit insgesamt eine große Gefahr  bedeuten. Betrachten wir darüber hinaus unseren Alltag, stellen wir fest, dass auch dort soziale und andere Probleme bestehen, die einzelne Personen oder ganze Gruppen betreffen. Diese sozialen Fragen müssen im Zusammenhang mit den großen Problemen gesehen werden. Das ist kein Gegensatz, sondern es sind zwei Ebenen auf denen agiert werden muss. Auf der lokalen Ebene können wir unmittelbar einwirken,  persönlich oder in einer Bürgerinitiative, um Kommunalpolitiker oder Abgeordnete des Bundestages aufzufordern dieses Problem zu lösen. Für die weltweit zu lösenden Probleme, wie Klimawandel, Umwelt, Abrüstung, ungerechte Einkommens- und Vermögensverteilung brauchen wir die weltweit organisierten sozialen Netzwerke, mit entsprechenden Aktionsgruppen vor Ort, um gegenüber der herrschenden neoliberalen Politik Druck auszuüben. Dazu gehören z.B. Greenpeace, medico international, Amnesty International, Eine andere Welt ist möglich, Ärzte ohne Grenzen, Gewerkschaften, kirchliche und politische Gruppen und viele andere Verbände. Durch ihre Zahl und Stärke bilden sie eine Gegenmacht gegenüber den Superreichen, der Herrschaft der Finanzmärkte, die nicht auf gleiche Lebensverhältnisse, sondern auf maximale Rendite setzen.

Unsere Hoffnung liegt  demnach in den vielen kleinen Schritten, die wir in unserem Alltag machen und auf den Initiativen und Aktionen der sozialen Bewegungen, die sich weltweit zusammenschließen, um ein solidarisches, demokratisches und umweltgerechtes Wirtschaftssystem als Alternative zu einem räuberischen Kapitalismus zu schaffen. Ohne den Glauben und die Hoffnung daran, dass sich die Welt verändern lässt, kann man ja gleich aufgeben.


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