Apr 122019
 
Ein Leben für die Mission

Von Friedhelm Beyreiß

Teil 2

Inhalt

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Chingleput 1903 – 1904

Chingleput, eine Missionsstation im Süden von Madras, war nur eine Zwischenstation, bevor Kabis das von ihm neu erbaute Missionshaus in Pandur beziehen konnte, das ihm und seiner Frau dann für vier Jahre eine neue Heimat werden sollte.

Für diese Jahre und auch die folgenden bis zu seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Missionsdienst im Jahr 1910 gibt es von ihm weder Briefe noch Berichte an das Missionshaus in Leipzig. Diese Briefe, obwohl sicherlich geschrieben, sind leider nicht mehr auffindbar. Dafür liegen aber aus der Zeit von Februar 1904 bis Juli 1905 die Rundbriefe seiner Frau vor, die diese an die Kinder in Deutschland schrieb, ebenso zahlreiche Einzelbriefe und Postkarten. Jeder Brief umfasst vier bis acht engbeschriebene DIN A 4 Seiten. Aus ihnen soll im Folgenden zitiert werden, geben sie doch ein anschauliches Bild der ersten Jahre nach der Rückkehr aus der Heimat wieder. Sie wurden im regelmäßigen Abstand von drei Wochen geschrieben und in Deutschland von den Kindern als Zirkularbriefe weitergereicht. Während im ersten Teil der Briefe von den alltäglichen Ereignissen auf der Station berichtet wird, geht Thora Kabis im zweiten Teil auf die empfangenen Briefe ein, beantwortet Fragen, kommentiert schulische Ereignisse der Kinder oder bestellt Grüße an Verwandte und Freunde. Hier interessiert hauptsächlich der erste Teil, aus dem zweiten wird nur zitiert, soweit es für den Gesamtinhalt des Briefes von Bedeutung ist.

Meine lieben Kinder!

Der Sonntag ist wieder da, und gerade sonntags eilen meine Gedanken so gern zu Euch allen und ich versetze mich zu Euch und stelle mir vor, was Ihr alle gerade macht. Dann denke ich an die Sonntage in Halle, die Wintersonntage, wenn wir bei schönem Wetter gleich nach Tisch einen Spaziergang machten und heimgekehrt es allen so gut schmeckte, die warme Milch und das schöne Weissbrot mit Fruchtmarmelade. Im Dämmerstündchen saßen wir so gern in der Halle, wenn das Feuer im Ofen lustig brannte und die Gardinen an der Wand im Laternenschein sich so hübsch abspiegelten. Das waren so schöne Stunden, die wir gewiss alle nicht vergessen. Die kurzen Notizen, die Vater in sein Tagebuch gemacht, bringen uns alles wieder in Erinnerung, und ich blättere so gern in dem Tagebuch, sowohl wie in den Erinnerungen. Vater hat heute hier gepredigt, es ist so schön, wenn er mal zu Hause ist. Gerade hat er sich in die englische Zeitung vertieft, die ja jetzt sehr interessant ist wegen des russisch­japanischen Krieges. Er hat sich eigentlich immer gar nicht recht wohl gefühlt die letzten Tage. Dass die Reise nach Rangun nun entschieden ist, habe ich Euch schon geschrieben. Nächste Woche reist Vater ab und kann frühestens am 29. zurück sein. Herr Pamperrien glaubt, dass Vater noch länger in Rangun bleiben muß, aber Vater hofft, die Geschäfte so schnell wie möglich abwickeln zu können. Er muß sich nun noch Anzüge machen lassen, denn die beiden in Köln gekauften sind schon recht abgetragen, wahrscheinlich muss er deswegen noch nach Madras. Diese Reise ist nun natürlich das Tagesgespräch. Es sind so mancherlei Vorbereitungen und es gibt noch so viel zu tun vorher, Monatsabschluss und Rechnungen zu erledigen, Lehrerversetzungen finden statt, drei neue treten an, und die bisherigen werden auf andere Stationen gesandt. Dann muss Vater noch mal in den Distrikt auf eines der weitesten Dörfer. Von Bangalore ist er wohlbehalten zurückgekehrt, brachte einen wunderschönen Rohrstock mit silbernem Kopf mit, den ihm die Gemeinde nebst einem dzd. herrlicher Orangen aus Dankbarkeit für die ihr geleisteten Dienste geschenkt hat. Sie hätten ihn am liebsten als ihren Missionar behalten. Einen Korb voll Gemüse und Kartoffeln brachte Vater ebenfalls mit, Blumenkohl, gelbe Rübchen, Bohnen und Kohlrabi, so frisch und schön.

Tempelwagen

Wie schade, dass heute die Post nicht kam, sonntags hat man so schön Zeit zum Lesen. Nun freuen wir uns auf morgen. Heute hat Vater Gehaltsauszahlungstag, die Lehrer sind bei ihm. Früh war er beim Schneider, glücklicherweise können die Kleider hier gemacht werden. Der Abreisetag rückt immer näher und mit ihm die unvermeidliche Trennungsstunde. Vater kann mich nicht mitnehmen, so gern er es täte. Viel hat er es im Herzen bewegt, wir wollten zweiter Klasse fahren auf dem Schiff, aber es ist zu kostspielig. Vaters Reise kostet 150 Rps. hin und zurück, noch mehr aber kostet das Leben in Rangun im Hotel. So muss ich allein hier zurückbleiben, und daß mir das schwer fällt, kann ich nicht leugnen.

( Rundbrief vom 28.2. / 1.3.1904 )

Meine inniggeliebten Herzenskinder!

Mit welcher Spannung sah ich heute der Post entgegen, von welcher ich in meiner Einsamkeit so manchen lieben Gruß erhoffte. Ich ahnte nicht, welch unverhoffte Freude sie mir bringen würde. Denkt Euch, zwischen all den deutschen Briefen von Euch, sah ich Vaters Handschrift, 2 Karten und 1 Brief. Ich traute meinen Augen nicht, ich wusste ja, daß erst nächsten Mittwoch ein Brief aus Rangun kommen konnte. Ganz aufgeregt vor Freude sprang ich mit meinen Schätzen hinauf, setzte mich hier oben, wo ich ungestört bin, auf die Veranda in den schönen Wind und las nun zuerst mit wahrer Freude Vaters liebe Karten und den Brief, der an Euch geschrieben ist. Oh, ich kann gar nicht sagen, wie glücklich ich war und bin. Wenn ich auch nun nach 10 Tagen nur eine Nachricht vom Schiffe habe, so tut doch jedes liebe herzliche Wort wohl und das hilft nun wieder ein paar Tage weiter, bis ich am Mittwoch einen Brief erhalte und dann das Wiedersehen winkt. Ich freu mich zu sehr, dass der liebe Vater Euch geschrieben hat. Mit schwerem Herzen begleitete ich ihn am 10. nach Madras. Dort blieben wir über Mittag bei Wagners, bis wir nachmittags zum Hafen fahren mußten. In einem kleinen Boot fuhr ich mit aufs Schiff, wie wunderbar ist einem da zumute, am liebsten möchte man gleich darauf bleiben und der lieben Heimat zusegeln. Vaters Kabine war fein, für zwei Personen eingerichtet, auch die Pastorsfamilie hatte eine schöne Kabine, viel zu luxuriös für solch einfach gewöhnte Leute. Ehe ich fort musste, bekam ich noch eine gute Tasse Tee und Biscuits und dann schieden wir, und ich fuhr im Boot zurück, sah auf dem Pier der Landungsbrücke noch lange Vater stehen und winken und sah um 5 Uhr das Schiff zum Hafen hinaussegeln. Es winkte zuletzt auch noch Jemand mit weißem Tuch, aber ob das Vater war, weiß ich nicht.

Zu Hause war es still und leer, ich ging gleich zu Bett mit meinem Kummer. Die ersten Tage waren die schwersten, dann kam die deutsche Post und ich hatte viel zu schreiben, und das hat mit über die ersten Tage der Woche hinweg geholfen. Ich schrieb auch täglich eine Seite an Vater, aber als ich diesen Brief am Mittwoch abschicken musste, und ich ihm nicht mehr schreiben konnte, fehlte mir auch viel. Ich kann nämlich Vater nur einen einzigen Brief nach Rangun schicken, und ebenso er mir nur einen senden, da nur alle 8 Tage ein Schiff nach Rangun geht und eins kommt. Vater wird dort sehr viel zu tun haben, und es ist keine leichte Aufgabe, die er hat. Nächsten Sonnabend, den 26., möchte er die Rückreise antreten. Gott gebe, dass derselben dann nichts mehr im Wege steht. Wie ich mich aufs Wiedersehen freue, könnt Ihre Euch denken. Dienstag früh, den 29., fahr ich nach Madras und hol Vater ab. 2 Telegramme habe ich von ihm erhalten und ihm heute das 3. geschickt. Man kann für 4 As vier Worte telegrafieren, das ist doch ein Lebenszeichen.

Seit einigen Wochen habe ich eine kleine Handarbeitsschule. Sieben kleine Mädchen kommen zweimal die Woche zu mir, um die edle Kunst des Nähens zu lernen. Das ist aber eine schwere Aufgabe für so ein Kind, das keine Ahnung vom Nähen hat. Die können nicht die Nadel richtig fassen, den Faden nicht aufziehen, die aus dem Stoff nicht wieder herauskriegen. Die armen kleinen Dinger. Die drei Größeren haben’s kapiert und säumen nun schon ganz nett. Sie kommen furchtbar gern und mir macht es viel Freude, auch helfen sie mir, gerade jetzt, die Einsamkeit zu vertreiben. Ich lese jeden Morgen tamulisch und wenn Vater Zeit hat, übersetzte ich mit ihm. Englisch lese ich auch täglich und die Wörter die mir fremd sind, schreibe ich mir auf und lerne sie beim Nähen.

Der Haushalt bringt auch mancherlei Arbeit, und die Leute muss man beständig beaufsichtigen, wenn man es ordentlich gemacht haben will. Hat man sich an eine Arbeit gemacht, bei der man gern mal bleiben möchte, so kommen tausenderlei Störungen. Ein Mann bringt Hühner zum Verkauf, ein Junge kommt mit Eiern, eine Frau bringt Schmalz zum Kochen, das wird abgewogen, vorsichtig, ja nicht zu viel, denn es ist kostbar, der Preis wird verhandelt. Oder eine Frau bringt Hühnerfutter, die beim Reisstoßen abgestoßenen Hülsen der Reiskörner, eine Art Kleie. Das geht gerade so wie in Halle, wo es hundertmal am Tag klingelte, nur klingeln sie hier nicht, sondern sie husten, oder wie hier, wo man des Lichtes wegen genötigt ist, auf der Veranda zu sitzen, stehen sie plötzlich vor einem. Man hört sie ja nicht, weil sie barfuß sind. Es fehlt auch nicht an Armen aus der Gemeinde, die kommen ihr Leid zu klagen, um Medizin und Almosen zu bitten. Auch europäische weiße Bettler gibt es, heruntergekommene Kreaturen, für alle muß man ein offenes Ohr haben und eine offene Hand dazu.

Frühmorgens bin ich jetzt immer im Garten, ehe die Sonne es zu gut meint, dann füttere ich die Pfauen und den Papagei. Der wird täglich früh herausgelassen zu einem Morgenspaziergang, und wenn ich Topfpflanzen nachsehe und in Ordnung halte, wandert er mit. Hühner und Enten wollen auch fressen, und sie sind nicht gerade die bescheidensten Kostgänger. Vater wird sich freuen, wenn er all seine Lieblinge wiedersieht.

( Rundbrief vom 20./21.3.1904 )

Meine innig geliebten Herzenskinder!

Heut ist der 2. Ostertag. Es ist erst 6 Uhr früh morgens. Die Sonne ist eben aufgegangen und schon eifrig bemüht, die Tautröpflein, die die frühen Morgenstunden spenden, möglichst schnell wegzulecken. Vor einer guten halben Stunde ist Vater abgefahren nach Apur zum Gottesdienst. Um vor der Mittagshitze zurück zu sein, um seines und des Pferdes willen, ging er so früh. Für Apur, das nicht sehr weit ist, braucht er nur ½ Tag. Ostern, wie viel anders ist es hier. Hier ist kein Ahnen, kein Hoffen und Harren auf den herannahenden Frühling, es ist das reine Gegenteil, verdorrt, versengt, vertrocknet ist alles. Wie schön war das Osterfest vorm Jahr, wir waren noch mal so traulich beisammen, versteckten und suchten Ostereier und ließen sie uns auch gut schmecken. Am 2. Ostertag waren früh die grünen Bäume mit Schnee bedeckt und nachmittags fingen wir an zu packen. Osterdienstag kam Onkel Heinrich mit den Kindern und wir gingen alle in den zoologischen Garten. Mittwoch kam Deine Anstellungsorder für Dresden, mein liebes Mariechen, und das Klavier wurde geholt, nachdem wir zum letzten Mal mit Tränen in den Augen zusammen gesungen hatten. Es war der letzte Tag für Euch im Elternhause. Nur zu gut werden diese letzten Tage auch in Eurem Gedächtnis fortleben. Ein ganzes Jahr ist seitdem verstrichen, Gott hat uns hindurch geholfen und ihm sei Dank, da es nun schon hinter uns liegt und wir ein Jahr dem Wiedersehen näher sind.

Die Hitze ist jetzt schon ganz fürchterlich, Vater leidet besonders darunter. Er ist jetzt immer sehr matt und muss sich schonen. Nach Rangun reiste er mit einem englischen Arzt, der sagte ihm, dass er das Leben leicht nehmen und sich schonen müsse. In den heißen Mittagsstunden solle er ruhen und schlafen unter der Pankah, überhaupt nicht ohne die nötige Ruhe arbeiten.

Aber wie soll er das bei all der Arbeit nur machen? Wer nur irgend kann, geht jetzt auf die Berge, alle englischen Missionare, auch einige von den unsern. Wir dürfen im nächsten Jahr daran denken, müssen nun sehen, wie wir uns dieses Mal durchstrampeln (in der Hitze strampelt man möglichst wenig). Nun muss ich Euch aber noch erzählen von Vaters Rückkehr aus Rangun. Heut vor acht Tagen war er noch auf dem Schiff und segelte Madras zu und wir beide konnten vor Freude kaum den Dienstag erwarten. Früh am Morgen dieses Tages fuhr ich nach Madras, dort vom Bahnhof aus auf der Tram bis zum Hafen, und in derselben Minute, als ich dort um 8 Uhr anlangte, kam Vater von der Landungsbrücke herunter, so daß keiner von uns auf den anderen hatte zu warten brauchen. Wie glücklich wir waren, uns wieder zu haben nach der langen Trennung, könnt Ihr Euch denken. Nach Verhandlungen mit einem Droschkenkutscher, der mehr haben wollte, als wir geben wollten, fuhren wir in das Missionshaus, machten im Lauf des Nachmittags viele Besorgungen in der Stadt und waren froh, als wir abends im Zug saßen und Chingleput zueilten.

Taufunterricht

Unweit des Missionshauses empfingen uns die Lehrer und Schulkinder mit Fackeln und begleiteten uns mit Gesang. Am Tor stand ein großes Welcome und alle Eingänge des Hauses waren mit Palmzweigen geschmückt. Die Schulkinder waren glücklich, sie hatten ja so etwas noch nicht erlebt, und ihre Freude stieg noch bedeutend, als wir eine Tüte Bonbons unter sie verteilten. Auspacken konnten wir nicht mehr am späten Abend, das geschah erst am folgenden Tage, und was für Schätze hatte Vater mitgebracht. Er war reich beschenkt worden, von der Gemeinde, vom Jünglingsverein, von den Schulkindern und von einzelnen Gemeindemitgliedern. Das Hauptgeschenk sind zwei hohe burmesische Figuren, die auf ihrer Schulter an einer Stange eine Glocke tragen. Dieselbe besteht aus einer runden Metallscheibe, die mit einem Hammer angeschlagen wird, und einen dunklen Ton gibt. Die Figuren sind etwa 1 ½ Fuß hoch. Sie stehen in der Esshalle, und unsere Tischglocke erklingt nun immer in diesen dumpfen Tönen, wie es auch überall in Nordindien Sitte ist.

( Rundbrief vom 4.4.1904 )

Meine inniggeliebten Herzenskinder!

Gestern vor einem Jahr verließen wir Euch, Ihr lieben 3 Kleinen und kehrten einsam und arm in das so trostlos verlassene Heim nach Halle zurück. Die Erinnerung daran bewegt uns jetzt noch tief, doch sind wir dankbar, dass ein ganzes Jahr der Trennung schon hinter uns liegt. Auch in den kommenden Wochen weckt jeder Tag aufs Neue den durchgekosteten Trennungsschmerz, es ging ja von einem Abschied zum andern und die Wunde wurde immer wieder aufgerissen. Wie herrlich muss nun einmal das nächste Wiedersehen sein! Daß wir durch unsere gegenseitigen Briefe so miteinander fortleben, ist doch herrlich, und wie ganz anders ist es jetzt, wenn wir aneinander denken, als früher, da wir Eure lieben Gestalten uns kaum vorstellen konnten.

Was wir an Hitze durchgemacht haben in diesem Monat, ist nicht zu beschreiben. 36 und 38 Grad C. ist die gewöhnliche Temperatur am Mittag und Nachmittag, aber die Hitze steigt oft auf 40 und 42 Grad im Schatten. Steigt sie so hoch, dann ist es einfach unerträglich und man ist in den Mittagsstunden von 12 bis 4 unfähig, zu arbeiten. Glut umgibt einen, und da hilft auch kein Fächeln. Man muss stillhalten und sehen, wie man durchkommt. Um 11 Uhr beginnt die Hitze, dann schließe ich alle Türen, gegen ½ 4 erhebt sich Wind und die Hitze beginnt, abzunehmen.

Montag ist der liebe Vater nach Pandur gefahren, den Hausbau zu besichtigen, der bis an die Türschwellen gediehen war. Jetzt sind die Türen und Fensterrahmen eingesetzt, und der Bau geht flott voran. Wir beschäftigen uns nun viel mit diesem neuen Hause, unserer künftigen Wohnstätte, und in Gedanken richten wir es uns schon immer ein. Vor dem Umzug graut uns, aber da wir gerne hinziehen, wird es uns schon leichter werden. Vorher gibt es aber hier noch eine Aufgabe zu erfüllen. Vater soll eine Kostschule bauen, die die Mädchenschule in Cuddelore aufnehmen soll, die hierher verlegt wird. Das ist ein großes improvement für die einsame stille Chingleput Station, und wir freuen uns schon darauf, wenn kleine Schulmädel hier einziehen. Nun gilt es, einen Platz im Garten auszusuchen, einen Plan und Kostenvoranschlag zu machen und für das Material und die Arbeiter zu sorgen, und was die Hauptsache ist, alles für möglichst wenig Geld. Das bringt Sorgen mit sich und ist nicht leicht. Der Bau soll möglichst bald fertiggestellt werden. Vater hat einen kleinen Plan entworfen, der wird nun von unserem guten Freund, der auch das Haus in Pandur baut, ausgearbeitet.

Bald nach Vaters Rückkehr aus Rangun haben wir uns eines Tages daran gemacht, eine neue Pankah aufzuhängen. Das ist schwerer als man denkt, da die Stricke, der Platz und die Höhe genau abgemessen werden muß, und die Hitze derartige Arbeiten so erschwert. Zur Unterhaltung erschienen draußen ein paar Schlangenbeschwörer, die gleich, ohne zu fragen, mit ihrer eigenartigen Musik 2 Schlangen aus den Körben hervorlockten. Dann musste einer von unseren Leuten zwei Hände voll Erde nehmen und vor sich hinhalten. Nach einer Weile unter Musik, Hokuspokus und viel Rederei, schlug der Schlangenbeschwörer auf die Handvoll Erde und mit derselben fiel eine große Schlange auf den Boden, eine Kobra, die er alsbald mit der Hand ergriff und zu den zweien in den Korb steckte. Auf diese Weise fabrizierte er noch zwei Schlangen, riesige Tiere, die sich am Boden wanden und von denen eine ihn sogar blutig in den Finger biss. Ein grausiges Spiel. Noch verschiedene andere ausgezeichnete Kunststücke machten sie. Sie waren erst kürzlich in Deutschland und Amerika gewesen, mit Hagenbeck, erzählten sie uns noch.

( Rundbrief vom 24.4.1904 )

Meine lieben teuern Herzenskinder!

Heut ist wieder Sonntag und mein Wunsch, mit Euch zu plaudern und Euch recht viel zu erzählen, ist groß. Ich will versuchen, vor Tisch, ehe die allergrößte Hitze eintritt, Euch noch so viel wie möglich zu schreiben. Wir sind vor einer Stunde aus der Kirche gekommen, und nachdem wir unsere nassen Kleider gewechselt haben, empfängt Vater noch Besuche von Gemeindemitgliedern, und ich sitze hier oben und zerfließe beinahe, fühle die Tropfen nur so rinnen und muß mich beständig abwischen und den Briefbogen durch ein Stück Papier vor der nassen Hand schützen.

Gleich nach der Kirche kam ein kleiner reizender Heidenjunge, um wie alle Tage, seine gelernten Aufgaben herzusagen. Er ist etwa 9 Jahre alt und ist vor kurzem mit einer Landpredigerswitwe aus Madura als ihr kleiner Diener hergekommen. Wir hielten ihn immer für einen Verwandten von ihr, natürlich für ein Christenkind, da er auch stets mit in die Kirche kam. Nun stellte es sich heraus, dass er ein Heidenjunge ist. Seine Mutter lebt in Madura, ebenso die Verwandten, und sie haben der Pastorenfrau das Kind als Hausdiener überlassen. Der Kleine, ein gewecktes allerliebstes Bürschchen, kommt immer mit zur Kirche und achtet genau auf alles was er hört. Es gefällt ihm unter den Christen so gut, daß er den großen Wunsch hat, auch Christ zu werden. In seinen Freistunden kommt er hier in unsere Schule und lernt mit den anderen Kindern, und rührend ist es, wenn er bemüht ist,  ja nicht die ihm von seiner gütigen Herrin gegebene freie Zeit zu überschreiten. Vorige Woche brachte er Vater 3 As von seinen Ersparnissen und bat um eine Postkarte, damit er an seine Mutter schreiben und sie fragen könne, ob er Christ werden und sich taufen lassen dürfe. Im selben Augenblick aber erschien ihm eine Postkarte zu klein, seine Gedanken darauf zu bringen, und so legte er noch 3 As dazu und bat um einen Briefumschlag mit Marke und um einen Briefbogen. Dann ging er zum Lehrer, den er gebeten hatte, ihm den Brief zu schreiben, und diktierte ihm Wort für Wort seinen Wunsch und seine Bitte. Was wohl seine Mutter antworten wird?

Seit acht Tagen haben wir nun unseren Kostschulbau im Missionsgarten begonnen, zuerst das Abmessen der Mauern und einzelnen Zimmer, das Vater ohne einen Sachverständigen nur mit Hülfe gewöhnlicher Maurer selbst in der Sonnenhitze besorgen musste. Dann wurde ausgegraben und gestern das Fundament gelegt, das erst zum Teil fertig ist. Wenn nur erst die Hitze etwas nachlassen wollte, die das Beaufsichtigen so erschwert, aber der Juni meint es wirklich noch besser als der Mai. Das Pfingstfest werden wir nicht vergessen, über 44 Grad zeigte das Thermometer im Schatten und erreichte seit Mitte Mai oft diese Höhe. Und selbst abends sind es noch immer 37 Grad, ohne jeglichen Wind. Diese Mittag- und Nachmittagstunden sind eine rechte Prüfung, man weiß nicht, wie man sie hinbringen soll. Sitzt man auf dem Stuhl, so glaubt man, es ist ein Feuer darunter geschürt und auf dem glühendheißen Bett hält man es erst recht nicht aus. Und doch verlangen die schmerzenden Glieder sehnsüchtig nach Ruhe. Es ist einfach, als befände man sich in einem feurigen Ofen. So müssen wir des Tages Last und Hitze geduldig ertragen, hoffen täglich auf Linderung und auf Regen und trösten uns damit, daß es doch endlich einmal wieder anders werden muß. Es ist das nur inmitten der brennenden Sonnenglut ein zweifelhafter Trost.

( Rundbrief vom 5. Juni 1904)

Meine geliebten Herzenskinder!

Seit dem 12. hatten wir endlich einige richtige ordentliche Regengüsse mit schweren Gewittern, die ein bisschen Leben in den verdorrten Boden brachten und Grashälmchen an das Tageslicht beförderten. Seitdem hat es immer wieder geregnet, heute ist im ganzen Garten ein grüner Schimmer, und morgen früh wird der Rasen grün sein. Man kann beim Wachsen richtig zusehen. Ein wohltätiger Anblick. Vorige Woche, ehe Vater nach Tranquebar reiste, sind in unserem Garten aus Wasser und Lehm Steine für den kleinen Kostschulbau gemacht worden, die der Billigkeit halber nicht gebrannt, sondern in der Sonne getrocknet werden. Natürlich darf es da nicht regnen. Aber o weh, als einige Felder fertig waren, verdüsterte sich der Himmel. Sofort wurde alles was Hände hatte angestellt, die getrockneten Steine unter Dach zu bringen. Zuletzt halfen noch sämtliche Schulkinder mit ihren kleinen Händchen, Stein für Stein herzutragen, und so konnte die Hauptmasse wenigstens gerettet werden, während sich die halbfertigen Steine wieder in Wohlgefallen auflösten, als der Guss begann. Am nächsten Tag mussten dann alle Steine wieder in der Sonne ausgebreitet werden. Das ist ein Bauen mit Hindernissen, wenn man nicht genügend Mittel dafür hat.

Dienstag muss Vater mit Herrn Pamperrien nach Pandur, wo die Anlage der Industrieschule und vieles Andere beraten werden soll. Wichtig für uns. Auf der Rückreise steigt Herr Pamperrien hier ab, die Kostschule zu besichtigen und am Tag darauf hat Vater eine weitere Reise nach Chittur in Gerichtsangelegenheiten zu machen. So vergeht die Zeit in Unruhe und Abwechslung.

Landschaft bei Chingleput

Dann rückt die Zeit des Umzugs heran, in der 2. Septemberhälfte hoffen wir, nach Pandur übersiedeln zu können. Vater wird sich nun noch mal alles ansehen und den genauen Zeitpunkt feststellen. Es ist uns doch ganz eigen zumute, daß wir hier nicht bleiben, und haben nun wieder recht das Gefühl, daß wir noch auf der Wanderung sind, noch nicht zu Hause angekommen. Es gilt nun wieder einen frischen Anfang in ungeordneten Verhältnissen und wir überlegen schon viel hin und her, wie alles werden wird.

( Rundbrief vom 24. Juni 1904 )

Meine lieben teuren Herzenskinder! Ach ich bin glücklich, daß ich Euch heut wieder schreiben kann, Euch allen zusammen. Die drei Wochen bis zum Cirkularbrief kommen mir immer recht lang vor, obwohl doch jede einzelne so schnell vergeht. Wie gern möchten wir an solch schönem stillen Sonntag wie heute, Euch Ihr lieben Kinder alle um uns haben, wie verlangt das Herz danach so oft und das Sehnen ist dann so groß. Heute vorm Jahr landeten wir in Colombo. Es war ein wichtiger Augenblick, die beschwerliche Seereise lag hinter uns und bald sollten wir Indiens Boden betreten. Am 27. kamen wir in Tuticorin an, und nun sind wir schon ein volles Jahr wieder in Indien, und doch noch nicht am Ziel. Bald sollen wir wieder unser Haus abbrechen und unser endgültiges Heim betreten und uns wohnlich in demselben einrichten. Sind wir erst dort angelangt, dann wird auch unser letztes Ziel, die liebe teure deutsche Heimat viel näher gerückt sein, dann zählen wir die Jahre, die uns noch von Euch trennen.

 

Vor drei Wochen waren wir ja in Tiruvallur und besuchten von da aus am ersten Morgen die neue Station Pandur. Als nach ¾ stündiger Fahrt im Jutka der Bauplatz in Sicht kam, ließen wir den Karren langsam fahren, um den neuen Anblick zu genießen und die Stätte zu betrachten, die nun bald unser neues Heim werden soll. Das erste Stockwerk des stattlichen Hauses stand fertig da, und die Arbeiter deckten die unteren Zimmer. Die Nebenhäuser für Küche und Dienerwohnungen waren schon fix und fertig. Es berührt wundersam, daß an dieser Stelle, wo ich so oft mit Vater in der Kapelle und auch mit Gudrun im Zelt kampiert habe, sich nun ein Missionshaus erhebt und damit die Gründung einer neuen Station begonnen hat. Hier, wo vor zehn Jahren noch alles heidnisch war und nun viele Dörfer zum Teil und einige auch ganz, christlich geworden sind. Dankbaren Herzens stiegen wir aus, froh nach dem schlechten Sitzen im Wagen wieder auf unsere Beine zu kommen. Wir maßen die Zimmer aus und richteten sie in Gedanken ein und am liebsten wären wir gleich dort geblieben. Ende Juli solls fertig sein, aber es ist noch viel Arbeit. Die beiden Oberzimmer und das Dach müssen fertiggestellt werden, und dann das Abputzen und die feinere Arbeit innen und außen. Sechs bis acht Wochen muss dann alles noch trocknen.

Über Madras, wo wir ½ Tag Besorgungen machten, reisten wir dann wieder heim. Auf der Rückreise war ich mit Vater in Konerikuppam, wo eine Trauung nebst Gottesdienst stattfand. Das Brautpaar, das aus einem anderen Dorf kam, ließ lange auf sich warten, und als es endlich mit Gefolge erschienen war, begaben sie sich alsbald daran, die Brautkleider anzulegen. Wie ein Pascha stand der Bräutigam da und ließ sich ein schönes Kleidungsstück nach dem anderen anlegen.

Wir konnten es von den Fenstern der Kapelle aus so schön beobachten. Auf der anderen Seite neben einem großen Strohhaufen saß die Braut auf der Erde, umgeben von Basen, Schwiegermüttern und Freundinnen, Onkeln und Vettern. Eine gute Tante kämmte ihr Haar, aber es wurde immer nicht schön und glänzend genug, so wurde immer wieder von neuem angefangen. Endlich war der schöne, natürlich falsche Zopf befestigt, der bei keiner Braut fehlen darf, und der, sowohl wie der ganze schönfrisierte Kopf, mit weißen duftenden Jasminblüten bedeckt wird. Eine wer weiß wie viele Ellen lange Girlande von diesen aneinandergereihten Blütenblättern wird um den Kopf gelegt und der Zopf damit umwickelt. Dann wurde ihr, trotz der vielen Zuschauer, das Hochzeitskleid angelegt und darauf zogen sie mit Gesang und Trommelbegleitung herein in die Kapelle, wo Vater sie einsegnete. Als der Bräutigam nach der Trauung seine Unterschrift in das Trauregister einschreiben sollte, erklärte er, er könne nicht schreiben, auch wusste er nicht, ob seiner Braut diese edle Kunst geläufig war; sich danach zu erkundigen, war ihm noch nicht eingefallen. Alle beide konnten nur den üblichen Krakel oder Strich machen, der dann als ihre Unterschrift bescheinigt wurde.

( Rundbrief vom 26. Juli 1904 )

Meine lieben Herzenskinder!

Wenn man sich aufs Plauderstündchen freut, dann schreibt man noch einmal so gern. So geht es mir immer, so geht es mir auch heute, und am allermeisten, wenn ich Euch, Ihr lieben Kinder schreibe. Voll Sehnsucht gleiten meine Gedanken zu Euch in die Ferne. Ihr seid nun alle wieder aus den Ferien heimgekehrt und neu gestärkt und recht erholt und an vielen schönen Erlebnissen reicher zurückgekommen in Euer altes Nest. Diese Gedanken bewegen uns heute, wenn wir an Euch denken, aber wenn Ihr diese Zeilen lest, liegt das alles ja schon längst hinter Euch und Ihr seht schon wieder ganz hoffnungsvoll den nächsten Ferien entgegen.

Vorige Woche war Vater in Chittur gewesen, sechs Stunden mit der Bahn nordwestlich von hier. Dort hat er vor Gericht einen Prozess ausgefochten und gewonnen, und kehrte als glücklicher Sieger heim. Es handelte sich um 24 Morgen Land, das der Mission streitig gemacht wurde. Nun muss Vater diese Woche nach Tiruvallur in Gemeindeangelegenheiten und dann will er endgültig den Termin unseres Umzuges festsetzen.

Unsere Kostschule ist nun auch bald fertig. Vorige Woche erhob sich nachmittags ein großes Jammergeschrei draußen. Eine Frau war beim Auflesen der Bausteine von einem Skorpion gestochen worden und als wirksames Gegenmittel hatte ihr der Pferdeknecht mitleidig ein brennendes Schwefelhölzchen an die schmerzende Stelle gehalten. Die Folge davon war, dass große Brandblasen an der Hand entstanden. Unser Katechet wurde Sonnabend von einem großen schwarzen Skorpion gestochen, so dass seine Hand dick anschwoll. Zwischen den Steinen und Ziegeln hat sich auch manches Schlänglein gefunden, da passiert leider immer wieder solch ein Unglück.

Eben haben wir einen Korb voll zerbrechlicher guter Sachen eingepackt, den Vater dann mit nach Tiruvallur nehmen will. Das gab uns schon einen Vorgeschmack auf die viele Packerei, die uns noch bevorsteht, und das alles bei der großen Hitze.

( Rundbrief vom 14. August 1904 )


Pandur 1904 – 1908

Endlich war es soweit, das neue Haus war fertiggestellt, und am 8.September 1904 konnte die Missionsstation bezogen werden. Sie lag in nicht allzu weiter Entfernung von der Bahnstation Madras – Arkonam, unmittelbar an der Landstraße nach Pandur, und ziemlich zentral zu den zwölf zugehörigen Kapellenorten.

Meine geliebten Herzenskinder!

Sonntag ist heute, der erste Sonntag in Pandur. Unser Herz ist voll Lob und Dank, dass nun unser Wunsch erfüllt ist und wir durch Gottes Gnade unseren Wohnsitz hier haben aufschlagen dürfen. Am 8. früh um 7 Uhr brachen wir von Tiruvallur auf nach Pandur, eine ganze Karawane. Voran Frau Gäbler und ich in unserem Wagen, dann Vater und Herr Gäbler in einem Wagen und außerdem noch drei Bandys mit unseren Leuten und ihren und unseren Sachen, Hühnern, Pfauen, Papagei und allem Möglichen. Es war ein schöner Morgen, bedeckter Himmel und nicht so heiß. Voller Erwartung fuhren wir die schöne Landstraße dahin, sechs Meilen von der Bahnstation Tiruvallur bis Pandur. Wir kamen durch den Ort Tiruvallur, der zwei Meilen von der Bahn liegt und daselbst wurden gleich alle nötigen Lebensmittel für den Tag und auch noch etwas Vorrat mitgenommen. Als wir uns Pandur näherten, tauchten die weißgekleideten Gestalten unserer Christen und Lehrer auf, die uns erwarteten, und bald sahen wir das Haus, einer kleinen Festung gleichend, im Sonnenglanz daliegen. Singend begleitete uns die Gemeinde auf dem mit Girlanden geschmückten Weg bis zum Haus, das auch ganz wunderschön geschmückt war. Singend zogen wir dann alle einmal um das Haus herum, und nachdem Vater ein Gebet gesprochen, öffnete er die Tür und wir traten ein und mit uns viele viele Menschen. Dann wurden wir feierlich bekränzt, Vater hielt noch eine Ansprache und danach kamen alle auf uns zu und begrüßten uns mit einer Limone als Geschenk. Nach einer ausführlichen Hausbegehung, zum ersten Mal bezogen wir ein ganz neues Haus, packten wir den Futterkorb aus, deckten unseren Tisch und ließen uns das erste Frühstück schmecken.

Unsere Möbel waren alle schon angekommen und zum kleinen Teil für den Empfang schon von Stroh und Matten befreit. Dann fuhren Gäblers wieder ab und überließen uns unserem neuen Haus, der neuen Umgebung und den vielen Menschen, die uns von Stund an umgaben und unser Haus umlagerten. Besonders neugierige Kinder stehen den ganzen Tag an Türen und Fenstern und können sich nicht satt sehen an dem vielen Schönen, Neuen und Seltsamen. Ich glaube fast, ich selber bin am meisten der Gegenstand ihres Staunens, denn eine weiße Frau haben viele von ihnen noch nicht gesehen, und nun soll gar eine von ihnen beständig unter ihnen wohnen. Und wenn ich nun gar mal ein paar Worte mit ihnen rede, das macht ihnen königlichen Spaß. Aber es ist eine unzivilisierte kleine Bande, an der es noch viel zu tun gibt. Ganz gern ließen sich ein paar Mädchen den Besen in die Hand drücken, um das Haus auszukehren und dabei zugleich von innen alles anstaunen zu können.

Wir haben tüchtig gearbeitet die letzten drei Tage, sämtliche Kisten ausgepackt, damit es mal ein Ende wurde mit dem ewigen Stroh und Papier, aber eingeräumt ist natürlich noch kaum etwas. Es ist eine riesige Arbeit, so ein Haus einzurichten. Das wird wohl noch diese ganze Woche brauchen. Welche Mühe kostete es auch, bis sich einer herbeiließ, uns Milch zu liefern. Jetzt kommen sie dafür von allen Seiten. Eier gibt es noch nicht, die Leute sind es ja noch gar nicht gewohnt, dergleichen zu liefern. Heute gönnen wir uns einen ruhigen Tag, denn wir sind ganz herunter von dem ewigen Packen und Aufräumen. Man muss ja überall und nirgends sein, oben und unten, die Mahlzeiten müssen bei aller Unordnung besorgt werden, auch die Tiere brauchen ihr Futter, und man weiß oft noch nicht, wo man das Notwendige bekommen kann. Bei allen Schwierigkeiten des Anfangs sind wir aber doch immer dankbar, dass wir nun endlich hier sind, wo wir hingehören, und wo wir bleiben, so Gott will, bis wir mal ganz von Indien Abschied nehmen.

Unsere lieben Berge von Chingleput haben wir erst recht vermisst. Hier ist der Ausblick ringsum frei, weit in die Ferne sieht man, auf Felder mit Bäumen und Palmen, ganz nah das Dorf Pandur mit seinen strohbedeckten Hütten. Im Norden, ebenso nah, die Landstraße mit ihren wundervollen Bäumen und jenseits die Wohnungen von unseren Christen und Lehrern.

Inzwischen haben wir eben endlich Mittag gegessen, und dann gab es nach Tisch noch mancherlei zu besprechen, da unser Kutscher mit dem Wagen nach Tiruvallur fahren soll, um die Post zu holen und eine Anzahl Tontöpfe mitzubringen. Wir müssen ja alles was wir brauchen in Tiruvallur holen lassen, täglich einen Boten die vier Meilen dorthin schicken. Das ist sehr umständlich.

Nun ist es schon Mittwochnachmittag und ich muss meinen Brief fertig schreiben, damit unser Bote ihn morgen mitnimmt. Sechs Tage weilen wir nun schon hier in Pandur und mit jedem Tage, je mehr wir mit allem in Ordnung kommen, sind wir lieber hier. Rastlos haben wir die letzten zwei Tage gearbeitet, alle Bilder aufgehängt, in der Halle die Matten gelegt und vieles mehr. Nun fühlt sich Vater gar nicht recht wohl und muss pausieren und etwas ruhen. Vielleicht kann ja nachher noch meine Stube mit Matten ausgelegt werden. Das ist allemal eine rechte Arbeit wegen der größeren Möbel und Schränke. Es ist sehr heiß jetzt und lange schon hat es hier nicht geregnet, die Felder sind trocken und dürr und die Leute sehr verzagt. Entsetzliche Staubstürme machen es unsagbar ungemütlich. Derartiges haben wir gar noch nicht erlebt. Es ist alles immer mit Staub bedeckt und man möchte nur immer alle Gegenstände in den Schränken verstecken. Türen und Fensterläden halten wir geschlossen, und doch müssen wir wirklich Staub schlucken. Die Wasserverhältnisse sind auch noch schlecht, weil der neue große Brunnen noch nicht ganz fertig ist.

( Rundbrief vom 11./14. September 1904 )

Meine lieben Herzenskinder alle!

Was kann ich heute hier in meiner Einsamkeit Besseres tun, als Euch zu schreiben. Wenn ich mich mit Euch unterhalte, vergehen die langen Vormittagsstunden am schnellsten, bis ich dann am Nachmittag mich wieder zum Besuch bei Vater im Hospital aufmachen kann. Gestern habe ich Euch schon kurz geschrieben, aber nun sollt Ihr ausführlich Näheres erfahren. Es war gestern vor acht Tagen, am 22. abends, als Vater die erste Regung von Fieber spürte. Gerade hatte er zum ersten Mal in Pandur am Schreibtisch gesessen und etliche Postkarten geschrieben und wollte dann endlich einen wichtigen Brief an den Kirchenrat anfangen. Das Fieber war nur leicht und am anderen Morgen vollständig verschwunden, aber Sonnabendvormittag kam es schon wieder und stieg sehr schnell bis über 40 Grad. Vater litt sehr, besonders die Kopfschmerzen, die Hitze und zusätzlich die Fieberglut waren furchtbar, und ich schrieb auf  Vaters Wunsch an Herrn Gäbler, damit er eventuell nach Madras zum Doktor gehe. Sonntag früh ½ 6 kam Herr Gäbler zu uns, und nachdem das Fieber in den Morgenstunden Vater verlassen hatte, wurde verabredet, dass wenn der Fieberanfall sich wiederholen würde, Vater nach Madras zum Arzt gehen solle. Montag früh fühlte sich Vater recht wohl, nahm sich vor zum Mittag herunter zu kommen, und schaute voller Freude hinab in den Garten, wo so fleißig gearbeitet wurde. Aber um 11 war mit einem Schlag das Fieber wieder da und der Anfall war noch heftiger als zuvor. Stundenlang machte ich nasse Umschläge auf Stirn und Kopf, während ein Mann Kühlung fächelte und ein anderer die schmerzenden Glieder massierte. Wie schrecklich ist solches Fieber, und man ist so hilflos.

Dorfstraße in Pandur

Diese Nacht war besonders schlimm, Vater war rast- und ruhelos, und erst in den Morgenstunden kam der Schlaf. Ich schickte einen Eilboten an Herrn Gäbler, dass er mit dem Morgenzug nach Madras reise und Aufnahme im Hospital beantrage und packte alles an dem Tage zusammen zu einem längeren Aufenthalt hier. Mittwoch früh um 6 fuhren wir dann von Pandur ab und Vater schaute noch einmal zurück und sagte: „Mein liebes Pandur, wann werd ich dich wiedersehen?“ Es war so wehmütig. Ihm war das Fortgehen schwer, aber ich war froh, dass wir gingen, denn nach jedesmaligem Besserwerden hatte Vater geglaubt, keiner ärztlichen Hülfe mehr zu bedürfen. Am Abreisetag früh war er noch so elend und schwach, dass Herr Gäbler und ich froh waren, als wir ihn glücklich in der Bahn hatten und nachher im Hospital im Bett. Ein einzelnes Zimmer war leider nicht frei, so liegt er in einem Riesensaal mit anderen zusammen. Fleißiges Chinin schlucken und die Luftveränderung helfen, so dass bis jetzt das Fieber nicht wieder aufgetreten ist.

Nachmittags besuche ich Vater, das geht aber nicht so einfach wie früher, als wir noch hier in der Nähe wohnten wir nur anspannen ließen und in ¼ Stunde dort waren. Herr Wagners Pferd ist krank, ich muß also die Elektrische benutzen. Die geht aber erst eine ganze Strecke von hier ab und dieses Ende fahre ich mit Schwester Emmas Push-push. Das geht langsam und braucht eine viertel Stunde. Die Elektrische braucht eine halbe Stunde, da sie an den Ausweichstellen und für jeden aufspringenden und abgehenden Passagier unzählige Mal anhält. So vergeht viel Zeit mit der Hin-und Rückfahrt und vor 6 muss ich Vater wieder verlassen, damit ich vor der Dunkelheit nach Hause komme. Um 3, nach der größten Hitze, schiebe ich ab. Der alte Gärtner, der Euch noch alle kennt und die Schuljungen schieben den Push-push mit Vergnügen aus lauter Liebe und Anhänglichkeit. So geht für diesen doch nur kurzen Besuch der ganze Nachmittag hin.

Früh schicke ich einen Boten zu Vater mit einem Morgengruß, mittags kommt der zurück und bringt mir Nachricht. Vermutlich braucht Vater nicht mehr lange im Hospital zu sein und kann hier im Haus noch ein paar Tage abwarten, wo ihn seine Nurse besser pflegen wird als die dort. Hier im Hause, unserem ehemaligen Heim, ist für mich alles vertraut. Wagners sind auf den Bergen und ich habe die beiden Gästezimmer in Beschlag genommen. Alles hier erinnert mich an Euch, der Garten, die Schule, die Bäume, die Siegfried und Gudrun gepflanzt haben, jeder Weg und Steg hier, jeder Strauch und der Teich, alles ist mit Erinnerungen verknüpft. Wenn Vater hierher kommt, werden wir recht in Erinnerungen schwelgen, da wir allein sind und unseren Gefühlen keinen Zwang anzutun brauchen.

Eben kommt ein Briefchen von Vater, heute Nachmittag verlässt er das Hospital. Gott sei Dank!

Ihr lieben Kinder, wie gut war es, dass ich Euch am Freitag schrieb, als ich noch allein hier war. Jetzt ist es zu unruhig dazu, es kommen so viele Leute, die Vater sehen wollen. Es geht ihm Gottlob gut, er hat sich gestern und vorgestern recht ruhig gehalten, unter der schwebenden Pankah auf einem Liegestuhl gelegen und sich gepflegt.

Gestern gingen wir hier in den Kirchgarten, auf den Friedhof und den Schulhofgarten, uns überall junge Pflanzen und Bäumchen erbittend für unseren Compound in Pandur. Die genannten Gärten alle hat Vater zu dem gemacht, was sie heute sind, da grünt und blüht es im Überfluß und die Gärtner wollen uns gern davon abgeben.

Das große Grundstück, auf dem unser Haus in Pandur steht, ist ja Feld und Ackerland, auf dem kein einziger Baum und Strauch steht. Dies in einen Garten zu verwandeln, so schön wie hier in Madras, ist nun unsere Aufgabe. In Chingleput habe ich mir dazu schon selbst allerlei gezogen und größere und kleinere Pflänzchen mit nach Pandur genommen. Dort wurden sie aus Mangel an Töpfen zuerst in die Erde gesteckt und darüber ein Schutzdach aus Palmblättern gebaut. Auch draußen hatten wir schon angefangen, den Hauptweg abgesteckt und ausgemessen. Dabei hatte sich Vater wohl auch übernommen, war zu lange in der Sonne geblieben. Die Untersuchung seines Blutes hat ergeben, dass nicht Malaria die Ursache seines Fiebers war. So kann es, wie Jedermann sagt, nur von dem feuchten, noch nicht genügend ausgetrockneten Haus herrühren, was ja bekanntlich sehr ungesund ist. Das Fieber wäre wieder gekommen, wenn Vater dort geblieben wäre. Übermorgen wollen wir nun wieder zurück nach Pandur, inzwischen hat das Haus noch Zeit zum Trocknen gehabt. Sollte das Fieber wiederkommen, muß Vater wieder fliehen.

( Rundbrief vom 30. September / 3. Oktober 1904 )

Meine lieben Herzenskinder!

Sechs Wochen sind wir nun schon hier in Pandur, und diese Wochen sind in großer Unruhe und unsäglich vieler Arbeit viel zu schnell dahin geeilt, wir sind kaum zur Besinnung gekommen. Heute ist der 7. Sonntag hier und Vater ist zu einem entfernten Predigtort gefahren. Er muß jeden Sonntag in ein anderes Dorf, um vor dem Eintritt der Regenzeit möglichst alle Dörfer besucht zu haben. Leider zieht sich aber das Eintreten des Monsuns noch hin. Es herrscht großer Wassermangel und die Felder können nicht bestellt werden. Da ist große Not und die Klagen, die Vater täglich anzuhören hat, sind ohne Ende und ebenso die Bitte um Hilfe.

Bethanienschule in Rajapuram

Welcher Unterschied zwischen Chingleput und hier. Dort die größte Stille und Einsamkeit auf der Station zwischen den lieblichen Bergen, hier ein Leben und Treiben, ein unermüdliches Arbeiten und Schaffen. Es ist, als ob die Menschen aus der Erde wachsen. Es gibt aber auch so viel zu tun, dass man manchmal meint, die vielen Hände würden nicht ausreichen.

Unser Land, auf dem die Station gebaut ist, ist ja Ackerland. Kein Baum, kein Strauch, der Schatten geben könnte, alles holprig und uneben, mit vielen tiefen Löchern vor den Hütten und Brunnen, die hier früher einmal standen. Viele Hände arbeiten täglich daran, alles einzuebnen und die tiefen Löcher zu füllen. Dazu haben wir Erde von einem Grundbesitzer gekauft, die nun auf Ochsenkarren herangeschafft wird. Nun gilt es, dieses wüste Stück Land in einen Garten zu verwandeln, und das so bald als möglich, bevor die Regenzeit beginnt. Während des eigentlichen Monsunregens können wir nichts in die Erde bringen und um nicht ein ganzes Jahr zu verbringen, müssen wir uns beeilen. Ein großes Feld mit 600 Plantanenpflanzen ist schon fertig.

Wir haben auch schon 50 Kokosbäumchen, junge Palmen gepflanzt und noch 25 bestellt. 25 Mangobäumchen, 25 Korkbäumchen, die schnell wachsen und später so hübsch weiß blühen, 25 Orekaypalmen, 5 Limonenbäumchen, 3 Akazienbäumchen, 4 Mandelbäumchen und noch viele andere, die ich gar nicht alle nennen kann, warten darauf, gepflanzt zu werden. Einige Bäumchen haben wir im botanischen Garten in Madras gekauft. Außerdem haben wir noch viele junge Pflänzchen aus Samen gezogen und ringsum Baumwollbäumchen gesetzt, die sollen mal Geld einbringen. Für die Palmen, Mangos und die anderen größeren Bäume müssen Quadratmeter große und tiefe Löcher gegraben, und dieselben dann mit Dünger gefüllt werden. Um jedes Bäumchen wird ein kleiner Graben gezogen zur Ableitung des überschüssigen Wassers. Aber nach jedem heftigen Regen schwemmt es alles auf und muss wieder erneuert werden. Ihr könnt Euch vorstellen, wie viel es da zu tun gibt.

In Madras hatten wir uns ja auch noch so viele Pflanzen zusammengebettelt, und als der Bandy damit kam, ging das Pflanzen von neuem los. Die bestellten 50 Töpfe waren inzwischen gekommen, nun grünt und blüht es auf der Veranda schon ganz wundervoll. Vieles ist aber noch in den ersten Anfängen, wie freut man sich da, wenn die ersten Blättchen kommen und alles weiter wächst und gedeiht. Jeden Morgen ist mein erster Gang zu diesen meinen Pflanzenkindern. Man kann es gar nicht erwarten, das alles größer wird, aber da heißt es Geduld haben. Unsere Nachfolger erst werden im Schatten der Bäume sitzen und die erhofften Früchte ernten können.

Unser Haus haben wir nun schon fast vollständig eingerichtet. Besonders gefällt uns die große Halle, unser Wohn-und Esszimmer. Sie hat vorn und hinten eine Tür und zwei Fenster und seitwärts zwei Ausgänge, die hüben und drüben in Vaters und meine Stube führen. Wir haben also unten drei Räume, vorne eine schöne große Veranda und hinten eine kleinere. Oben sind zwei schöne große Schlafzimmer, eins davon ist die Gaststube. Leider sind diese Zimmer etwas niedrig, sie hätten ruhig ein paar Fuß höher gebaut werden können, weil die Räume in Indien nicht hoch und luftig genug sein können.

Die Fenster an der Seite von Vaters und meiner Stube, wo keine Veranda ist, haben kleine saubere Schutzdächer aus Holz und Ziegeln. Hell und schön sind alle Räume, eine wahre Wohltat für Lichtfreunde, wie wir es sind. Die Wände und Decken sind weiß gestrichen, die vielen Türen und Fenster sowie die Deckenbalken hellgrün. Die Türen haben ein hellgrünes Feld und einen dunkelgrünen Rand. Zusammen mit den weißen Wänden und Decken sieht das aus wie Schneeglöckchen.

Im Anfang, als wir herkamen, war es noch sehr heiß, aber der heftige Sturmwind, der damals herrschte, und der das ganze Haus mit allem was darin war, mit einer weißen Staubschicht bedeckte, ließ uns die Hitze nicht so sehr spüren. Diese Hitze und besonders die feuchten Wände haben sicherlich mit zu Vaters Krankheit geführt. Bis zum letzten Tag vor unserer Ankunft waren die Arbeiter ja noch im Hause gewesen, angestrichen wurde noch während unseres Hierseins, es war eben noch kaum fertig, als wir kamen. Am Hühner- und Taubenstall wurde auch noch gearbeitet, ebenso noch bis jetzt an dem großen Brunnen, von dem wir das Wasser noch immer nicht benutzen können. Zum Überfluss, um all das Durcheinander noch zu erhöhen, hatte sich der Tischler, der unsere Möbel reparieren sollte, zu früh eingestellt und musste nun auch noch beschäftigt werden. Aber nun ist alles wieder schön, heil und ordentlich.

Nun wollt Ihr sicherlich noch wissen, wie wir hier auf dem Lande, fern von der Stadt und vier Meilen entfernt vom nächsten Bazarort Tiruvallur leben. Das geht alles besser als wir dachten. Eier und Milch bekommen wir inzwischen hier von den Leuten, aber jeden Morgen müssen wir einen Läufer nach Tiruvallur schicken, der auf dem Bazar die täglichen Bedürfnisse einkauft, Fleisch, Brot und Sonstiges, und die Post holt. Um ½ 7 zieht er ab und kommt im besten Fall um 11 Uhr wieder, oft aber später. Wir müssen diesen Mann dafür extra halten, denn der Hausdiener kann natürlich nicht fünf Stunden entbehrt werden, und man könnte ihm nach solchem Marsch nicht zumuten, am Küchenfeuer zu stehen und zu kochen. Dieser Läufer ist ein sehr netter Mann, den wir von Kind auf aus Majaveram kennen. Er wird wohl nächstens seine Frau und vier Kinder mit hierher bringen, um den Compound noch belebter zu machen, als er schon ist. Die täglichen Lebensmittel bekommen wir alle in Tiruvallur, alles Übrige wird, wie auch auf den anderen Stationen, in Madras bestellt. Hühner haben wir natürlich auch, die Pfauen haben sich gut eingelebt und vier Tauben sind auch schon da.

( Rundbrief vom 23./27 Oktober 1904 )

Meine lieben teuren Herzenskinder!

Nun ist die Festwoche vorüber, die meinen Geburtstag und unseren Silberhochzeitstag in sich schloss, und es ist mir eine liebe Aufgabe, heute mit meinen Gedanken bei Euch zu weilen und Euch zu erzählen. Es ist ein schöner Sonntag heute am ersten Advent. Der liebe Vater hat hier Gottesdienst und Abendmahl gehalten und außer zwei Kindern taufte er einen jungen Menschen von 18 Jahren, der in den letzten Monaten unterrichtet worden ist. Derselbe kam am Tage vor unserer Abreise von Chingleput und meldete sich zum Unterricht. Da wir ihn nicht dort lassen konnten, weil kein Missionar da war, nahmen wir ihn mit hierher. Er ist ein netter brauchbarer Junge und will nun gerne hier bleiben, da seine Verwandten noch Heiden sind. So war der Gottesdienst besonders festlich heute und die lange Kapelle gefüllt von Menschen. Aber wir merkten auch so recht, wie wir uns nach einem würdigeren Gotteshaus sehnen. Wir möchten gar zu gern bald anfangen zu bauen, wenn wir nur die nötigen Mittel dazu hätten.

Meinen Geburtstag vor acht Tagen haben wir sehr schön und ganz für uns gefeiert. So gedachten wir auch, den Tag unserer Silberhochzeit ganz still zu verleben, denn so viel wir wussten, hatte niemand Kenntnis davon und es war uns das Liebste, ganz für uns zu sein. Da wurden wir früh um ½ 5 mit dem Choral „Lobe den Herren“ geweckt. So klang es von vielen Stimmen in den frühen Morgen hinein und zu uns herauf. Es waren die Missionsdiener und Gemeindemitglieder. Uns wurde gar weh ums Herz, waren es doch nicht Eure lieben Stimmen, und doch waren sie uns gesandt zum Trost und zur Freude. Heiße Sehnsucht erfüllte uns. Lautlos entfernten sich die Leute nach dem Gesang, und als wir herunterkamen, fanden wir im Garten und auf der Veranda alles aufs schönste geschmückt. Sie hatten Pfähle eingegraben und dazwischen Girlanden gezogen, ohne dass wir davon etwas gemerkt hatten. Danach begrüßten sie uns mit Trommelwirbel, während wir unseren Kaffee tranken. Dann sollten wir zur feierlichen Begrüßung in die Kirche kommen, weil unsere Halle zu klein war für all die Menschen. Wir mussten uns in unseren Wagen setzen, den 6 – 8 Mann bis zur nahen Kapelle zogen, unter ohrenzerreißendem Trommelwirbel. In der Kirche saßen wir unter einem Ehrenbogen, der für uns hergerichtet war, wie sie es für ihre Hochzeiten machen, und dann folgte eine Feier mit Gesang, Gebet, Ansprache und Bekränzung.

Unser Pastor Devasakagam überreichte uns im Namen aller zwei reizende kleine silberne Becher, mit Götzenfiguren verziert, und als Festschmaus einen schönen Kuchen. Wir hatten nicht im Geringsten mit dergleichen gerechnet und waren aufs höchste überrascht. Als Vater mit einigen Worten dankte und auch den Gesang am frühen Morgen erwähnte, dabei unserer Kinder gedenkend, konnte er vor tiefer Bewegung minutenlang nicht sprechen. Es war ergreifend. Ja, es ist schwer, sich immer so stark zu machen.

Danach wurden wir unter Trommelwirbel wieder nach Hause geleitet, so langsam wie möglich. Wir nahmen eine Anzahl Kinder mit in den Wagen, zum Jubel der Leute. Vor dem Hause erwarteten uns einige Männer mit sehr geschickten Fechtspielen mit langen Stöcken. Es war interessant, die eleganten Windungen der Körper zu sehen und wie geschickt und meisterhaft sie die Hiebe parierten. Natürlich gab es dafür eine Festbelohnung, denn die armen Menschen, die jetzt nicht wissen, wo sie das tägliche Brot hernehmen sollen, sollten auch einen festlichen Tag haben. Es waren so gegen 300 Christen, die uns umgaben. Als endlich das Trommeln eingestellt wurde, und sie befriedigt abzogen, konnten wir zu Mittag essen. Am Abend kamen noch viele Leute, und erst sehr viel später konnten wir Eure liebe Post öffnen. Wie wehmütig war es uns ums Herz. Aber wenn Gott es will, dann feiern wir unseren 30. Hochzeitstag mit Euch zusammen.

Als ich am Sonntagnachmittag soweit an Euch geschrieben hatte, gingen Vater und ich nach dem Tee zu Fuß noch zu dem nahen Dorfe Kanachavallipuram, wo wir viele Ländereien besitzen. Dort besichtigten wir einen großen Brunnen, der vor drei Jahren in der Hungersnotzeit gebaut wurde und den Namen Thora – spring in einer Steinplatte eingegraben, trägt. Wir mussten tüchtig ausschreiten, um vor der Dunkelheit zurück zu sein. Es ist jetzt so kühl abends, daß man das kann, und es ist eine wohltuende Bewegung. Freilich muß man sich umziehen, wenn man nach Hause kommt. Ein Jammer ist es, die verdorrenden Saaten und unbebauten Felder zu sehen.

Ein Tag ist regenlos wie der andere. Wir beschäftigen schon täglich gegen 90 Leute, die sonst keinen Verdienst haben, und täglich strömen mehr hinzu.

( Rundbrief vom 27./29. November 1904 )

Meine lieben teuren Herzenskinder!

Wie hab ich mich darauf gefreut, Euch zu schreiben an diesem Weihnachtsfest, wie hat mein Herz nach Euch allen verlangt. Stets sind unsere Gedanken bei Euch gewesen und mit heißer Sehnsucht haben wir Euer gedacht, so wie auch Ihr mit treuem Gedenken und inniger Liebe uns umgeben habt. Das fühlten wir und das sagten uns Eure lieben Briefe, die mit großartiger Pünktlichkeit alle am Hl. Abend hier eintrafen und in die wir uns am Ende eines sehr arbeitsreichen Tages mit großer Freude vertieften. Es war einzig schön, dass die Briefe ausnahmsweise mal samstags kamen und so gerade rechtzeitig zum Weihnachtsabend.

Mit wehmütigem Gedenken schmückte ich am Nachmittag den Baum und gedachte der vielen Weihnachtsfeste in Mayaveram und Madras, wo Ihr als kleine Kinder uns umgabt und an die beiden herrlichen Feste in Halle, wo unsere lieben Töchter den Christbaum schmückten und wir so glücklich vereint waren.

Der Reis wird gesetzt

Nun will ich Euch von Weihnachten erzählen. Es ist so viel, was man schreiben möchte, und ich schreibe eben gerade so, wie es mir in den Sinn kommt, ohne viel Überlegung, denn die Zeit ist knapp. Ich habe mich hier oben hin zurückgezogen, denn unten schwärmen zu viele Menschen ums Haus, die alle noch Weihnachtswünsche loswerden wollen. Vorige Woche fuhren wir nach Madras, die nötigen Einkäufe zu machen. Der Tag vorher war recht trübe, wie es tagelang schon gewesen war, es nieselte sogar hin und wieder und gegen Abend kam ein feiner Sprühregen, der sich dann allmählich zu einem kräftigen Regen entwickelte. Regen auf das verdorrte Land, auf die verwelkte Saat, auf die vertrockneten Felder, Regen, der nichts mehr helfen konnte. Aber es war Regen, der erste in dieser Regenzeit, und er klang uns wie Musik. Aber unsere Reise, aufschieben konnten wir sie nicht mehr. Morgens fuhren wir im offenen Wagen bei strömendem Regen die sechs Meilen bis zur Bahn und mussten den ganzen Tag in Madras im Regenwetter unsere Besorgungen erledigen, was höchst unangenehm war bei dem ganzen Dreck, der dann entsteht.

Beladen mit Schätzen, hauptsächlich mit Kleidern und Stoffen für die Leute, kehrten wir zurück. Da der Regen abends aufhörte und wir uns im Wagen in Tücher und Decken eingehüllt hatten, hatten wir eine wunderschöne Rückfahrt. Der frische kalte Regenwind und ab und zu ein paar Tropfen im Gesicht taten uns wohl und es war uns zumute, wie auf einer Fahrt zu Hause. Frierend und hungrig nach dem langen Fastentag kamen wir daheim an und das Erste war, das wir uns um- und warm anzogen. Der Mond schien schon wieder durch die Wolken und von da an regnete es keinen Tropfen mehr, wir hatten uns also den schlechtesten Tag für Madras ausgesucht.

Donnerstag und Freitag waren Schulbescherungen. Die Kinder kamen von den Dörfern alle her, in Reih und Glied mussten sie sitzen, und jedes bekam ein Stück Zeug als Kleidung, Griffel, Bleistifte oder Federhalter, ein biblisches Bildchen und die fleißigsten unter ihnen ein extra Geschenk. Außerdem bekamen sie getrocknete Erbsen und eine einfache Art Backwerk ausgeteilt. Es sind alles so arme Kinder und bei vielen kann man schon die Rippen zählen und die eingefallenen Gesichter zeigen, dass sie schon Hunger leiden müssen. So haben gegen 240 Kinder etwas erhalten, die meisten ein Kleidungsstück, das sie besonders nötig brauchten, und natürlich etwas zu essen. Zu den Kindern gesellten sich die Eltern, die armen Witwen und sonstige Leute, die keinen Verdienst hatten. Es fällt so schwer, all das Elend zu sehen und nur so wenig helfen zu können.

Am Freitag wurde die Kapelle frisch geweißt und alles gereinigt, und am Samstag erstrahlte dann der erste Christbaum in Pandur. Die Schulkinder sangen und die Kirche war, wie überhaupt jeden Sonntag, gedrängt voll, sie ist viel viel zu klein und so dunkel und dumpf. Am Weihnachtsabend war sie aber nach Kräften erleuchtet, wozu auch alle Lampen aus unserem Haus beitragen mussten. Ja, von solcher Dürftigkeit macht man sich zu Hause keinen Begriff, aber auch wir haben Weihnachten noch nie in Indien in solch armseliger Kapelle gefeiert. Hätten wir nur erst eine ordentliche Kirche hier.

Nach dem Gottesdienst kamen unsere eigenen Leute nebst den Missionsdienern, die hier auf dem Compound wohnen, zu uns ins Haus, etwa 24 Personen, Eltern und Kinder. Dann bescherten wir uns, aßen um 9 Uhr zu Abend und lasen zum Schluss Eure lieben Briefe. Danach arbeitete Vater noch am Schreibtisch, denn nur in den stillen Nachtstunden hat er Ruhe dazu, aber ich seh das nur mit Sorge an. Am ersten Festtag kamen früh, noch vor der Kirche, unter lauter Trommelbegleitung, einige Heiden aus Kannenkaranei, mit einem Ochsenwagen und übergaben Vater ein großes Götzenbild aus Stein mit dem Versprechen, auch Christen zu werden. Wir stellten die Figur als Christbescherung in unserem Garten auf. Nach dem Gottesdienst wurden noch diejenigen Schulkinder beschenkt, denen am Tag zuvor noch nicht beschert worden war, so dass wir erst am Nachmittag etwas Ruhe und Zeit für uns fanden. Nun ist das Weihnachtsfest vorüber, und es hat noch recht schön, still und friedlich für uns geendet. Nach einem Spaziergang auf der schönen Landstraße und durch die Felder, brannten wir noch einmal die Lichter an unserem Christbaum an, und nun liest Väterchen in den Zeitschriften. Wie lang hat er das nicht mehr getan, wie hat er sich geplagt mit all der Not und dem Elend der Leute hier.

( Rundbrief vom 26. Dezember 1904 )

Meine inniggeliebten Herzenskinder!

Die Hälfte des Januars ist bereits vorüber, und ich habe Euch allen schon ein extra Brieflein und Karten geschrieben, aber noch keinen Cirkularbrief in diesem neuen Jahr. Ich schrieb Euch schon, wie wir dasselbe begonnen, wie wir gefeiert, beglückwünscht und bekränzt wurden in der landestypischen Weise. Wir hatten nicht gedacht, daß so viele Gratulanten auch von auswärts hierher kommen würden, so z.B. die Bauleute aus Madras, die wie stets, auch diesmal schöne Gaben brachten, als Ausdruck ihrer Verehrung. Herrliche Orangen und Plantanen, sogar ½ dzd. Äpfel, auf den Bergen gewachsen, einen schönen Kuchen und indisches Backwerk, letzteres zum Verschenken sehr geeignet. Besonders hier in Pandur, wo man nichts bekommen kann, sind solche Geschenke sehr willkommen. Die Gemeinden kamen alle einzeln mit Sang und Klang, mit Girlanden und Limonen, und manche der Häuptlinge hielten rührende Reden, die von ihrer großen Dankbarkeit zeugten. Am 8. Januar wurden uns die letzten Girlanden umgehängt, bis dahin mussten wir täglich bei solchen Ehrenbezeugungen stillhalten, und die Zahl der Girlanden stieg auf über 40. Alles war bekränzt im Hause, die schönsten Blumen setzte ich in Glasschalen, aber die meisten wurden nach und nach verschenkt. Alle Tage kamen Mädchen und Frauen, um Blumen bittend, mit denen sie dann ihr Haar schmückten. Ganz froh war ich schließlich, als alles verschenkt war, und ich Ruhe hatte. Gleich nach Neujahr fing natürlich die Arbeit wieder an, nicht nur in der Studierstube, sondern auch draußen mit den vielen arbeitslosen Leuten, die wir beschäftigen. Außer den Männern drängten sich Frauen und Kinder zur Arbeit, denn sie wollen alle essen, und der Verdienst der Männer ist schmal. Um sie nicht abzuweisen, schickte Vater sie auf die Felder, Kuhdung zu suchen, jeder Korb voll für drei As. Da liefen aber die Frauen und Kinder, und am Abend stand eine ganze Batterie Körbe Kuhdung, umgestülpt wie lauter Kuchen, in einer Ecke des Gartens, und die fleißigen Helferinnen mit den geschenkten Blumen im Haar warteten auf den Lohn für den kostbaren Stoff. Am ersten Abend waren es 100 Körbe, am zweiten 200, und am dritten 526. Das Messen der Körbe voll mit gleichem Maß und das Auszahlen der über 100 Menschen und mehr ist jeden Abend eine nervenaufreibende laute Angelegenheit. Jetzt werden nicht mehr so viele zu der Arbeit zugelassen, aber gegen 250 Körbe sind es jeden Tag. Eben ruft mir Vater herauf, dass er insgesamt bis jetzt 2195 Körbe Kuhdung gekauft hat. Ich begreife nur nicht, wo sie ihn nur immer finden. Dieser Stoff, der für die umliegenden Felder stets verwandt wird, soll uns mal für die geplante Ackerbauschule zugutekommen. Eine solche hier zu errichten, ist schon jahrelang Vaters Wunsch und Vorschlag, und ein Missionsfreund hat schon 18000 Mark zur Erhaltung einer solchen gegeben, aber erst muss sie gebaut sein, müssen die dafür notwendigen Mittel vorhanden sein. Wie oft sind wir im November und Dezember über die uns gehörenden Felder der benachbarten Ortschaften gegangen, um den geeignetsten Platz dafür auszusuchen. Derselbe ist nun gefunden, ganz nah in der nächsten Dorfflur, in Kannenkarenei, nur wenige 100 Schritt von hier. Dort soll die Ackerbauschule errichtet werden. Vater hat sich einen Plan dazu ausgedacht, wir haben die letzten Tage viel zusammen geplant, den Platz ausgemessen, die Größe der Räume bestimmt, usw. Heute geht der Entwurf nach Madras ab, wo von Sachverständigen ein Kostenvoranschlag erstellt wird. Zur Synode wird das dann dem Kirchenrat vorgelegt und der schickt alles zur Genehmigung nach Leipzig an das Collegium. Das ist ein guter Schritt vorwärts, ach hätten wir nur erst die Bewilligung. Gestern Abend besuchten wir ein Sudradorf hier in der Nähe, dessen Einwohner gerne eine Schule haben möchten, vorher waren schon aus einem anderen Dorf vier Abgesandte gekommen, die erklärten, dass 21 Familien aus ihrem Dorf Taufunterricht haben möchten. Das sind echte Freudenstunden für einen Missionar, aber die Aufnahme in den Unterricht erfolgt natürlich nicht sofort. Erst gilt es, die Beweggründe ihres Kommens zu erforschen. Es haben sich auch mehrere Familien aus anderen Dörfern angemeldet, doch wollen sie sich nicht eher taufen lassen, als bis die Hungersnot vorüber ist, damit man ihnen nicht nachsagen kann, sie wären nur deswegen gekommen. Jetzt, bei dem herrlich kühlen Wetter ist es einfach wundervoll hier, wie ein deutscher Sommer, und morgens und abends für unsere Begriffe schon kalt. Wenn ringsherum alles grün wäre, wäre es noch schöner. Aber im Garten ist fast alles gut angegangen, viele der Bäumchen sind gut gewachsen, aber den schönsten Anblick bietet das Plantanenfeld. Der große Brunnen muss täglich aber auch all sein Wasser hergeben, das durch Ochsen heraufgezogen, und dann auf die Felder geleitet wird.

( Rundbrief vom 15./17.Januar 1905 )

Meine lieben Herzenskinder!

Heute ist wieder der Cirkularbrief an der Reihe und das freut mich, kann ich doch da so schön mich mit Euch allen beschäftigen und Euch von uns erzählen. Ist es auch nicht viel und nichts Besonderes, was wir erlebt haben in den letzten drei Wochen, so weiß ich doch, dass Euch alles und jedes interessiert, und mir macht es nur Freude, Euch zu schreiben.

Ochsen fördern Wasser aus einem neuen Brunnen

Am Freitag ist nun der liebe Vater nach Tranquebar zur Synode abgereist, und ich bin für eine Woche allein im Haus, aber nicht allein in Pandur. In Chingleput war ich in Vaters Abwesenheit allerdings wie in der größten Weltabgeschiedenheit, aber hier fühlt man sich absolut nicht einsam. Es geht alles seinen Gang weiter. Die Kulis arbeiten auf den Feldern und im Garten, Frauen und Kinder bringen Kuhdung oder gesammeltes Feuerholz, die Ochsen ziehen das Wasser aus dem Brunnen herauf, die Schulkinder gehen zur Schule und Mittwochs und Sonnabends kommen die Mädchen zu mir in die Handarbeitsstunde. Abends werden die Arbeiter ausbezahlt, sind es viele, kommt ein Lehrer dazu und hält Ordnung. Ich beaufsichtige die Leute, die in der Nähe arbeiten und führe die Rechnungsbücher für Vater. Wir haben ja hier für all die Ländereien einen Verwalter. Der wohnt in Tiruvallur, ist aber für diese Tage mit seiner Familie hergezogen zu meinem Schutz. Allerdings kommt er nun alle Augenblicke mit einem anderen Anliegen. Für ihn soll hier auch noch ein Haus gebaut werden. Abends gehe ich mit ihm auf die umliegenden nahen Felder und sehe, was die Leute gemacht haben. Neben dem großen Plantanenfeld ist vorige Woche ein Feld mit Pfeffer bebaut worden und dazwischen ein schöner breiter Weg angelegt. Der Pfeffer wurde im Garten neben dem Brunnen auf einem Stückchen Feld gesät, die Pflänzchen dann ausgesät auf unser Feld, und die überschüssigen an die Arbeiter verkauft. Ebenso sind mehrere andere Felder, die zur Station gehören, mit Ragie bepflanzt, einer Getreideart, die nur drei Monate bis zur Ernte braucht. Diese Pflanzen haben wir auch selber gezogen. Das grünt nun alles ringsum, weil die Felder regelmäßig von unserem Brunnen bewässert werden. Die Ochsen, die wir mieten müssen, um das Wasser herauf zu ziehen, kosten täglich 1 Rps. Vater meint, wir müssten eigentlich eigene Ochsen haben, aber so ein gutes Paar Ochsen kostet fast 100 Rps., viel zu viel für uns. Wir haben auch mehrere Gemüsefelder im Garten, von denen wir schon recht viel geerntet haben. Alle drei bis vier Tage werden die reifen Früchte abgepflückt und entweder nach Tiruvallur auf den Markt gebracht, oder hier direkt auf der Veranda abgewogen und dann verkauft. In Indien muss man ja vieles machen, Schirme neu bespannen und Schuhe flicken, aber Gemüsehökerin bin ich bislang noch nicht gewesen. Die Einnahmen werden dann wieder für den Garten verwandt, indem wir vielen unserer Christen Arbeit und Brot geben. Wir könnten es ebenso wie andere machen, und alles der Natur überlassen, aber wir denken, der gute Boden kann doch etwas hervorbringen zum Nutzen Vieler.

Letzte Woche brachte Vater aus Yercand noch viele Pflanzen mit, außerdem für uns Orangen, Strauchtomaten und kleine Aprikosen. Letztere sind ja im Vergleich mit unseren daheim sehr kümmerlich, aber es sind eben doch Aprikosen, die als Kompott ganz wunderbar schmecken. Die Bäumchen hinter dem Haus, die wir schon vergangenes Jahr pflanzten, sind so buschig geworden, dass die Hühner ihren Schatten suchen können. Nun sind schon vier Tage der Einsamkeit vorüber, nur noch einmal so lang, und dann kommt Vater schon wieder. Wie freut man sich auf das Wiedersehen nach solcher Trennung, und wie entbehrt man sich. Gott lob geht es ihm inzwischen wieder besser. Am Vormittag der Abreise war er nämlich ganz elend, hatte die bösen Herzbeschwerden und sah ganz blass aus. Ich ließ ihn nur mit großer Sorge abreisen. Die Nacht vorher war er bis 1 Uhr aufgeblieben bei seiner Arbeit und hatte sich in letzter Zeit viel zu sehr überanstrengt. Ich bin so froh für ihn, dass er mal ganz raus ist und Leib und Seele auf der Synode ein wenig erholen kann. Gott sei Dank haben wir dieses Jahr die schöne Aussicht, auf die Berge gehen zu dürfen. Ich bin gespannt, welche Nachricht Vater darüber aus Tranquebar mitbringt. Wir möchten am liebsten Mai und Juni herauf, den April hier unten noch aushalten, was leichter ist, als nach dem Bergaufenthalt die Hitze im Juni zu ertragen. Freilich ist es für Vater sehr schwer, sich in diesem Hungersnotjahr hier loszureißen.

( Rundbrief vom 5./8. Februar 1905 )

Meine inniggeliebten Herzenskinder!

Endlich bekam ich den ersten Brief von Vater, nach dem ich so lange sehnsuchtsvoll ausgeschaut hatte. Gott lob geht es ihm schon viel besser. Einmal täglich bekommt er ein Serum in jede Seite eingeimpft, und das scheint schon das ganze treatment zu sein. Wir hofften, er würde bald entlassen, aber nun muss er doch eine längere Behandlung durchmachen, 18 bis 21 Tage wird es dauern. Der liebe Vater hat viel zu leiden unter der großen Kälte. Dort herrscht ja der kälteste Winter, ein Winter in Indien, man kann es sich gar nicht so recht vorstellen, dort am Fuß des Himalajas. All die hohen Herrschaften, der Vicekönig und die Gouverneure wohnen in der heißen Zeit dort oben und lassen es sich wohl sein, während wir gewöhnlichen Sterblichen hier unten schwitzen müssen. Nun muss Vater jetzt, wo es hier unten noch erträglich ist, die Zeit auf den kalten Bergen zubringen und wenn er wiederkommt, ist hier bereits große Hitze. Aber wenn er nur wieder ganz gesund wird, lässt sich das alles ertragen. Vater hat mir mitgeteilt, daß er Euch einen ausführlichen Brief schreiben wird, dann könnt Ihr alles von ihm selbst erfahren.

( Rundbrief vom 27. Februar 1905 )

Meine geliebten Kinder alle, Gott zum Gruß!

Eigentlich ist es Zeit, unter die wollenen Decken zu kriechen, denn es ist in meinem Zimmer ungemütlich kalt geworden, obwohl ich den ganzen Tag das Kaminfeuer nach Kräften geschürt habe. Ich möchte aber den Brief an Euch eben noch angefangen haben, mit Euch allen ein Plauderstündchen halten, wozu ich in Pandur leider nie die Zeit finden kann. Vierzehn Tage meiner Behandlung sind nun mit dem heutigen Tage schon vorüber. Täglich muss ich um ½ 8 Uhr zum Pasteur Institute gehen.

Ein Aufseher überwacht das Dreschen

Es ist ein schöner Weg durch einen Kiefernwald, schön freilich erst, seit der Schnee ziemlich weggetaut ist. Vorher war das Stapfen durch den hohen Schnee sehr beschwerlich, und da ich nur ein Paar Schuhe habe, hatte ich meine liebe Not, dieselben bis zum nächsten Hospitalgang wieder trocken zu bekommen. Nun habe ich mir vom Schuster hier ein Paar neue Schuhe machen lassen und kann jetzt auf den Spaziergängen die herrliche Natur, die wunderbaren Gebirgsketten des Himalajas so recht genießen. Man meint, gar nicht in Indien zu sein, sondern im Gebirge daheim. Nur die unzähligen schwarzen, weißen und braunen Adler, die über den Schluchten kreisen, passen nicht so recht in dieses Bild. Also alle Morgen bin ich nun ins Krankenhaus gewandert, und dort impft der Arzt mit einer Nadelspritze, manchmal ein­mal zweimal ein Serum in die Seiten links und rechts des Leibes. Es schmerzt so gut wie nicht und man hat auch sonst keine Beschwerden davon. Und doch soll diese Behandlung der einzig wirksame Schutz gegen tollen Hundebiss sein. So müssen wir alle Gott von Herzen danken, daß es dieses Institut hier in Indien gibt und dass ich mich hier behandeln lassen kann.

Heute vor 14 Tagen kam ich hier an. Eine Reise von über 1800 Meilen lag hinter mir, zu der ich vier Tage und vier Nächte gebraucht hatte. Immer wieder den Zug wechseln und viele lange Aufenthalte auf den belebten Bahnhöfen machten die Fahrt doch recht beschwerlich. Aber was gab es auch alles zu sehen, die vielen Menschen in ihrer Mannigfaltigkeit. So viele unterschiedliche Nationalitäten in ihren verschiedenen Trachten. Amüsant war es, eine Familie aus einem Kamelwagen aussteigen zu sehen, die Männer und Kinder trugen lange Röcke, Hosen und Kappen, alles von einer buntgeblümten Farbe und der ganze Anzug bestand aus mit Baumwolle wattiertem Zeug, also wie aus Steppdecken gemacht. Die Frauen hatten grasgrüne seidene Hosen an, rote Kittel, und trugen noch ein Stück Zeug als Schleier über dem Kopf. In der Nase hatten die Damen einen Ring, der bis zum Ohr reichte. Eine gar wunderbare Gesellschaft, leider weiß ich nicht, welchem Volke sie angehörten. Nach hier oben gab es dann aber keine direkte Verbindung mehr. Man muss entweder herauf reiten, sich in einer Riska ziehen lassen, oder in einer Sänfte getragen werden. Am liebsten wäre ich ja geritten, aber die Wunde am Bein ließ das nicht ratsam erscheinen, und so entschloss ich mich zur Riska, einem zweirädrigen Karren, den man ja auch in China in Gebrauch hat. Zwei Mann zogen, zwei schoben, und vier waren zum Auswechseln noch mit dabei. Zunächst war es ein großartiger Weg, an den Berghängen entlang, als dann aber Eis und Schnee begannen und der Pfad immer steiler und enger wurde, kamen wir kaum noch vom Fleck und die Kulis ächzten und stöhnten ganz fürchterlich. Die letzten Meilen schließlich musste ich aussteigen und zu Fuß gehen. Das war natürlich sehr anstrengend, und ich kam ganz erschöpft hier an. Das Hotel war belegt, so dass ich nur noch ein Verandazimmer bekam. Nun habe ich zwar durch die beiden großen Glastüren einen herrlichen Blick auf die Gebirgsketten des Himalajas, bekomme das Zimmer aber nicht warm, obwohl ich den ganzen Tag den Kamin schüre. Zu deutschem Winterwetter gehört eben auch ein deutscher Ofen.

Alle Gäste des Hotels sind Patienten hier. Man glaubt gar nicht, wie viele Menschen in Indien von tollen Hunden gebissen werden, aber nicht nur von Hunden, sondern auch von Schakalen, Wölfen und Hyänen. So ist einer der Patienten hier auf der Jagd von einem Schakal angefallen worden, nachdem er ihn angeschossen hatte, und heute brachte man einen Ochsenfuhrmann, den eine Hyäne entsetzlich zerfleischt hatte. Dann gibt es hier noch eine weitere seltsame Patientin im Hotel, eine nicht alt sein wollende, aber doch alt gewordene Miss Blake. Sie hat vor drei Jahren eine Vergnügungsreise nach Indien gemacht, hat einen netten Foxterrier gefunden und sich so in dieses Tierchen, Snot genannt, verliebt, dass sie ihm zuliebe ihren Aufenthalt in Indien bis jetzt ausgedehnt hat. Rückkehr nach England wäre ja Abschied von Snot gewesen, da man nach England keine Hunde mitbringen darf. Im Februar nun erkrankte Snot und wurde von ihr zärtlich gepflegt. Sie nahm ihn mit in ihr Bett, wenn er Schüttelfrost hatte, ihn zu wärmen, und fütterte ihn zuletzt mit rohen Eiern und Whisky. Snot war dankbar und leckte sie, was er nur konnte. Dann starb er aber doch, und wie sich nun herausstellte, an der stillen Tollwut.

Miss Blake war außer sich vor Trauer, ihr Trost war, dass er so ein quiet peaceful end gehabt hatte. Außerdem glaubte sie an die Auferstehung ihres Snots. Zur Belohnung für diese zärtliche Pflege musste sie nun hierher kommen, um sich behandeln zu lassen, denn wenn der tolle Snot sie auch nicht gebissen, so hat er sie doch nach Kräften beleckt, und das Gift könnte so in ihr Blut gedrungen sein. Nun, da Snot nicht mehr unter den Lebenden weilt, ist ihr Indien verleidet, und nach der Behandlung kehrt sie nach England zurück. Nach ihren Worten zu schließen, muß sie sehr reich sein, nach ihren Taten sehr arm, da sie oft lange feilscht, um einige Pfennige abzuhandeln, wenn arme Leute ein Bündel Feuerholz zum Verkauf bringen. Ja, es gibt wirklich wundersame Menschen auf Gottes weiter Welt.

( Rundbrief des Vaters vom 5. März 1905 )

Meine lieben Herzenskinder!

Mit welch frohen Gefühlen ergreife ich heute die Feder, um Euch zu schreiben. Der liebe Vater ist wieder da, und das Herz fließt über vor Lob und Dank gegen Gott, der uns nach der langen Trennung ein frohes Wiedersehen beschert hat. Am Donnerstag früh um ½ 5 durfte ich ihn in Tiruvallur am Bahnhof erwarten. Ich schlief Mittwochnacht bei Gäblers, um früh leicht zum Bahnhof gelangen zu können. Geschlafen hab ich freilich nicht viel, sondern vor freudiger Erwartung kaum die Augen geschlossen, und wie klopfte das Herz, als der Zug in dunkler Morgenstunde mit den feurigen Augen herandampfte und der liebe Vater ausstieg. Aber wie sah er aus nach der viertägigen Reise, beinahe wie ein Schornsteinfeger, so schwarz und rußig. Auf jeder Station wäre zwar ein Barbier gekommen, um ihn zu rasieren, aber das Geld wollte er doch lieber sparen. Und wie freute er sich, wieder in seinem geliebten Pandur zu sein! Die Schulkinder empfingen uns mit Girlanden, Fähnchen und Gesang, das Haus war festlich geschmückt mit Blumen und Grün, und trotz der frühen Morgenstunde waren viele Gemeindemitglieder zur Begrüßung erschienen. Nach einem Bad und einem langen Frühstück übergab ich Vater die Kasse und die Schlüssel und war froh, nach sieben Wochen alles wieder in seine Hände legen zu können. Abends nach Sonnenuntergang gingen wir Hand in Hand durch den Garten und freuten uns an jedem Bäumchen und Strauch und an jeder aufgeblühten Blume, wie auch an den Feldern.

Tags darauf ging dann die Arbeit an, und Vater steckt nun schon wieder tief drin, hat er doch so viel nachzuholen. Für April und Mai haben wir nun Bergurlaub erhalten, aber dieser Termin ist unmöglich für uns, da Vater kaum die dringendsten Geschäfte bis dahin erledigen kann. Vater wollte auf einen Monat Urlaub verzichten, weil er unfreiwilligen Urlaub hatte nehmen müssen, aber der Arzt hat erklärt, dass er nach der Behandlung unbedingt den vollen Bergurlaub nehmen müsse. Nun müssen wir sehen, wie in Tranquebar entschieden wird. Morgen schicken wir nun auch noch unsere drei von dem Hund gebissenen Leute in die Klinik, damit sie dieselbe Behandlung erhalten wie Vater. Sie hatten natürlich sofort ein native – treatment durchgemacht, was sie der weiten Reise vorzogen, aber nun sollen sie doch noch hin. Die drei sind unser Diener, der Bazargänger und der Gärtner. Mit einem Schlag drei Arbeitskräfte zu verlieren, ist für mich sehr schwierig, zumal ein Aushilfsdiener erst wieder eingearbeitet werden muss.

( Rundbrief vom 19. März 1905 )

Wasserfall in den Bergen bei Kodaikanal

Meine lieben teuren Herzenskinder!

Wie dankbar genießen wir den ersten Sonntag hier auf den Bergen. Wir kamen vorige Woche am Montag hier oben an, nach einer anstrengenden langen Reise. Sonnabendnachmittag fuhren wir mit der Bahn von Tiruvallur ab, nachdem wir bei Gäblers Mittag gegessen hatten. Es war ein schönes Gefühl, als der Zug abdampfte und wir Haus und Hof und alle Arbeit hinter uns ließen und den wohlverdienten Urlaub antreten konnten. Die ganze Woche hatten wir noch tüchtig zu tun, Vater mit der Übergabe der Station an Herrn Gäbler und sonstigen Amtsgeschäften, und ich mit einpacken, ordnen und aufräumen des Haushalts, da in unserer Abwesenheit der Fußboden aller Zimmer unten mit Zement belegt werden soll, weil die weißen Ameisen überall herausgekommen sind und unsere schönen neuen Matten teilweise ganz zerstört haben. Wie waren wir doch froh, als wir endlich im Zuge saßen! Wir mussten zweimal umsteigen mit all unserem Gepäck, aber schließlich kamen wir am anderen Tag vormittags in Ameneijakenur an , wo wir aber noch bis zum Abend warten mussten, bevor die großen Ochsenwagen kamen, die uns in sieben Stunden bis zum Fuß der Berge brachten. Dort nahmen bereitstehende Kulis unsere Koffer und Lasten auf, wir setzten uns auf die Stühle, und Punkt drei Uhr in der stockfinsteren Nacht bewegte sich die Karawane die Bergpfade hinan, die da unten nur allmählich aufwärts steigen.

Trotz der Kälte versuchten wir, auf dem wiegenden Stuhl ein wenig zu schlummern, aber als endlich der Morgen dämmerte und schließlich die ersten Sonnenstrahlen auf unseren Pfad schienen, waren wir doch sehr froh. Nun sahen wir erst die Schönheit ringsum, vor allem die felsigen Berge, denen wir schon ein gutes Stück näher gekommen waren, die Schluchten und Täler und die mit üppigem Grün und Strauchwerk bewachsenen Bergabhänge. Die blühenden Blumen am Rande des Pfades entzückten uns, und die Kulis, die das bemerkten, pflückten mir einige und legten sie mir in den Schoß. Man hat ja immer extra Träger dabei zum Wechseln. Unter dem Sing Sang der Träger, Euch sicherlich noch gut in Erinnerung, ging es langsam die steilen Zickzackwege hinauf. Als wir rasteten und unseren kalten Tee zum Butterbrot tranken, mussten wir einer Kuh Platz machen, die mit ihrem Kälbchen an uns vorbei wollte. Halt, dachte ich, die Kuh könnte uns doch etwas warme Milch geben. Der Besitzer war bereit und melkte die Milch direkt in unser Glas. So hatten wir zu dem harten Brot schöne warme Milch, und unseren Spaß hatten wir auch noch.

Wie wehmütig erinnerten wir uns aber auch daran, wie Du, lieber Siegfried auf meinem Schoße saßest und Gugchen auf Vaters Knien die Berge hinaufgetragen wurde. Auch hier weckt jeder Spaziergang laufend Erinnerungen. Um 10 Uhr kamen wir hier oben an, freundlich willkommen geheißen von den Familien Matthes und Sandegreen, bei denen wir dann warmes Frühstück bekamen und auch zum Mittagessen eingeladen waren. Am Abend gingen wir so früh wie möglich ins Bett, da wir ja zwei Nächte kaum geschlafen hatten. Ach wie schön ist es, unter die warmen Decken zu kriechen, wie herrlich schläft es sich in der Kühle. Nun haben wir schon unser Haus so gut es ging eingerichtet, mit mitgebrachten Gardinen und Tischdecken, Eure Bilder stehen auf dem Tisch und wir können alles so recht genießen. Nachdem gestern noch zwei Missionsschwestern kamen, sind wir jetzt schon 12 Deutsche hier oben und noch fünf Kinder, also schon eine ganz ansehnliche Gesellschaft.

( Rundbrief vom 16. April 1905 )

Meine lieben Herzenskinder!

Heut ist unser letzter Sonntag hier in Kodaikanal, noch drei Tage, und wir müssen unser Bündel schnüren und wieder hinabsteigen in das Tiefland, wo Hitze und Arbeit auf uns warten. Dort hat jetzt nach den Zeitungsnachrichten die größte Hitze angefangen, in Madras vorgestern 41 Grad, und Madras ist nicht weit von Pandur. Ach wie haben wir die Wochen hier genossen, besonders die Spaziergänge in den schönen Eukalyptuswäldern, entweder bei Sonnenschein, wenn die Sonne durch das Laub zittert und den Waldfrieden so wonnig warm erfüllt, oder aber auch, wenn die Wolken so tief in den Baumwipfeln hängen. Wie genossen wir diese Waldeinsamkeit, wo jeder Weg uns an Euch, meine Lieben erinnerte, und saßen oft auf einem Baumstamm, ruhten ein Weilchen und sangen ein Lied. Auch heute nach der Kirche gingen wir hinaus und lagerten uns im Schatten der hohen Bäume auf dem weichen Moos. Diese Herrlichkeit wird nun bald wieder für lange Zeit vorbei sein. Wir haben hier vorige Woche fleißig Briefe geschrieben, auch Vater solche, zu denen er unten nicht kommt, und ich habe Taschentücher und Handtücher bestickt, eine Arbeit, zu der ich unten auch keine Ruhe habe. In Pandur warten die Leute schon schmerzlich auf unser Kommen, wird die Hungersnot doch immer größer, und alle erwarten Hilfe von uns. Vor kurzem erhielten wir die Nachricht, dass ein Maurer, der sich in Pandur angesiedelt hatte, von einer Kobra gebissen worden war. Er starb einen Tag darauf, just an dem Tag, an dem er den Fußboden unseres Hauses mit Zement belegen sollte, und am Tag nach unserer Abreise aus Pandur wurde zwischen den Lehrerhäusern abends im Dunklen ebenfalls eine große Kobra erschlagen. So lauert der Tod überall.

( Rundbrief vom 28. Mai 1905 )

Meine lieben Herzenskinder alle.

Gestern war mein Briefschreibetag und ich hätte so gern, wie ich es sonntags zu tun pflege, ein Stündchen mit Euch verplaudert, aber bei 38 Grad die Feder zur Hand zu nehmen, war mir nicht möglich. Drum will ich schnell heut die Vormittagsstunden nutzen. Ja Ihr lieben Kinder, das Leben ist wieder mal sehr schwer in Indien. Erstens ist es die Hitze, an die wir uns leider wieder gewöhnen müssen. Zwar gab es letzte Woche ein kurzes Gewitter, aber die Hoffnung auf Regen hat sich nicht erfüllt. Jetzt ist die Zeit, Ragie zu säen, und Vater hat für fast 100 Rupies Saatkorn spendiert, weil die armen Menschen sich mit halbem Kulilohn durchschlagen müssen, aber fällt kein Regen, so ist auch dieses Geld wieder verloren.

Einweihung der Kapelle in Patterei-Perumbudur

Die Hungersnot nimmt täglich zu, so viele Menschen hungern inzwischen. Wir beschäftigen etwa 200 Christen täglich gegen halben Lohn, aber immer mehr drängen sich zur Arbeit, und die so sparsam vom Kirchenrat gewährten Mittel sind schnell erschöpft, von unserem eigenen Geld gar nicht zu reden. Diese Not ist noch schwerer zu ertragen als die Hitze und beides im Verein setzt uns furchtbar zu, besonders dem lieben Vater, auf dem ja die ganze Last und Sorge liegt, und der, weil körperliches Nichtwohlbefinden dazu kommt, unsäglich unter diesen Zuständen leidet. Wenn jetzt die Sommerregen nicht eintreten, wird die Not aufs höchste steigen. Nur Gott kann helfen und dass er es tut, darum bitten wir ihn täglich. Von dem Sturm, den wir am ersten Tag unserer Ankunft aus Kodaikanal hier erlebten, habe ich Euch auf den Karten ja noch nicht berichtet. Da erhob sich mittags um zwei ein furchtbarer Orkan. Ich war gerade oben, um die in die Sonne gelegten Reisedecken wieder aufzufalten, während Vater sich endlich nach dem mit Mühe zubereiteten ersten Mittagessen auf seinen bequemen Stuhl zur dringend nötigen Ruhe niedergelassen hatte, denn wir waren ja von der zweitägigen anstrengenden Reise ganz zerschlagen. Da fing es an zu regnen, und Vater eilte trotz seiner Müdigkeit herauf, um mir beim Hereinschaffen der Decken und Kissen zu helfen. Wie gut, dass er kam. Im selben Moment fuhr ein Sturm in das Plantanenfeld, so dass die hohen Stämme sich mit ihren Spitzen zur Erde neigten und es nicht anders schien, als wären sie alle geknickt. Zum Jammern war aber keine Zeit. Wir stürzten an die Türen und Fenster, um sie zu schließen, aber nur mit größter Mühe schaffte Vater es, so sehr drückte der Sturm dagegen. Durch die Fugen drang alsbald das Wasser ins Zimmer und überschwemmte es im Nu. An dem Blätterdach zwischen den beiden Stuben zauste der Sturm gehörig, und zahllose Ziegel flogen vom Dach herunter, dasselbe zum Teil abdeckend. Es gelang mir noch, eine gute Lampe hereinzuholen, die andere war leider schon beschädigt. So rüsteten wir uns, herunter zu gehen, denn wie mochte da der Sturm gewütet haben.

Als der Wind einmal Atem holte, stiegen wir barfuß, uns notdürftig mit einem Handtuch schützend, durch den peitschenden Regen zu Marthas zukünftigem Zimmer herüber, wo ja die Treppe herunterführt, und betrachteten uns unten das Durcheinander, das der Sturm angerichtet hatte. Bilder waren von den Wänden geflogen, Stühle und ein Kleiderständer umgeworfen, und alles, was auf den Tischen gelegen hatte, war im ganzen Haus verstreut, etliche Briefe und Papiere gar zum Fenster hinaus geflogen. Von der Wetterseite her waren die weißen Wände und die Möbel überall mit schmutzigen Regentropfen bedeckt und überall an den Türen war das Wasser hereingekommen. Wie sah aber erst unsere Kapelle aus! Wir sahen schon von oben das halbe Dach in Fragmenten durch die Luft fliegen, das Stroh, mit dem sie gedeckt ist, war halb herunter, ein trauriger Anblick. In nur fünf Minuten wurde so viel zerstört, allein von unserem Hausdach sind mehr als 150 der schönen Ziegel heruntergeflogen. Die Plantanen aber, die wir für verloren hielten, waren zum Glück nicht geknickt. Sie sind aber so gebogen, dass sie nun mit Stämmen gestützt werden müssen. Auch an der Landstraße sind viele der alten großen Bäume entwurzelt. Das war der erste Tag nach unserer Rückkehr von Kodaikanal.

( Rundbrief vom 19. Juni 1905 )

Meine inniggeliebten Kinder.

Eben warte ich wieder auf den lieben Vater, der zum Gottesdienst nach Kanachavallipuram gefahren ist, und sicherlich erst später wieder zurück kommt, weil er sich noch die Arbeit an dem dortigen Brunnen ansehen möchte. Vier neue große tiefe Brunnen sind in Arbeit genommen worden in den ringsum liegenden Ortschaften, wodurch viele unserer Christen und Katechumenen einen kleinen Verdienst haben, so dass sie notdürftig ihr Leben fristen können. Das Ausgraben der Brunnen macht oft große Schwierigkeiten, da die Erde jetzt eisenhart ist, und wenn man auf eine gute Quelle stößt, kann man oft des Wassers nicht mehr Herr werden, obwohl es die Ochsen ständig herauf ziehen, und oft findet man auch gar keine Quelle, und alle Arbeit war vergebens. Ist die Tiefe dann genügend, wird ein flacher Holzrand eingesenkt, und darauf dann das Mauerwerk aufgebaut. Diese Brunnen sind eine wahre Wohltat und in Zeiten der Dürre das einzige Hilfsmittel, die umliegenden Felder zu bestellen. Es sollten jährlich eine Anzahl gebaut werden, damit die Leute immer unabhängiger vom Regen werden. Zum Brunnenbau braucht man aber Steine, und da solche von Madras kommen zu lassen viel zu kostspielig ist, so müssen sie hier an Ort und Stelle gebrannt werden, so wie die Steine für unser Haus ja auch hier selbst gebrannt wurden. Das bedeutet wieder Arbeit für unsere Christen. Im Lauf der letzten Monate sind hier fünf größere Ziegelöfen mit je fünfzig- bis siebzigtausend Steinen aufgebaut und gebrannt worden. Das Formen der Steine aus Lehm gibt eine Zeit lang Vielen Arbeit, dann das Brennen selbst und das Bewachen der Öfen. Vorigen Freitag wurde der letzte Ofen in Brand gesetzt, einen kleinen Spazierweg von uns entfernt. Wir gingen früh und abends hinüber, beobachteten den Aufbau, der ein paar Tage dauert, und erlebten das Anbrennen. Regnen darf es aber nicht in diesen Tagen, sonst ist alle Arbeit vergebens, und die Ziegel lösen sich in Wohlgefallen auf. Die Steine werden in vielen Reihen als kleine Mauern aufgebaut, mit mauerbreiten Zwischenräumen, in die großen Holzblöcke geschichtet werden. Gutes Brennholz ist das Wichtigste dabei, und Vater hat extra dafür ein Stück Wald auf einer Auktion erstanden. Verdient haben die Leute dabei 1 ½ as pro Tag und Person, das ist nach unserem Geld 12 ½ Pfennig. Sonst bekommen die Frauen jetzt für andere Arbeiten nur 1 as. Das ist doch ein Hungerlohn.

Erntedankfest in Pandur

Ja, die armen Menschen! Und da es nicht regnet, wird die Lage immer kritischer. In unserem Garten, wo an den Wasserrinnen entlang etwas Gras wächst, hocken beständig Frauen und Kinder und zupfen den Samen von den Gräsern zu ihrer eigenen Nahrung, und in der Erde graben sie nach Ameisen und Würmern, die sie an Ort und Stelle mit Stumpf und Stiel verzehren. Und die Regierung tut immer noch nichts, oder nur verschwindend wenig. In Madras schwärmen viele hundert Bettler durch die Straßen, vom Lande hereingezogen, und weil man sich ihrer nicht mehr erwehren kann, werden sie jetzt an einigen Stellen gespeist. Aber hier auf dem Land geschieht nichts. Unsere armen Christen leiden furchtbar, ganze Familien kommen oft von fernen Dörfern und bitten um Nahrung. Die Kleider nur noch Lumpen, viele können sich kaum noch bedecken. Und waschen können sie diese Lumpen auch nicht, da sie aus der Tiefe des versiegenden Dorfbrunnens nur Schlamm herauf holen, der kaum das nötige Trinkwasser hergibt. Pandur und die drei angrenzenden Dörfer, in denen unsere Missionsländereien liegen, haben bessere, von uns gebaute Brunnen. Das Wasser, das hier auf die Felder geleitet wird, benutzen die Leute dann gleich zum Waschen der Kleidung. Mich dauern immer ganz besonders die Frauen und jungen Mädchen, die viel Anstandsgefühl besitzen und sich doch oft nur spärlich bedecken können. Auch meine kleinen Nähschülerinnen haben nur ein Tuch um die Hüften geschlungen, nur die Lehrer- und Katechetenkinder sind etwas besser gekleidet, mit Rock und Hemd oder einer Bluse. Zu Weihnachten sollen diejenigen Mädchen, die regelmäßig kommen, einen Rock erhalten; das ist ihr sehnlichster Wunsch. Die Nähschule ist im Augenblick gut besucht und einige Mädchen haben schon viel gelernt. Es macht ihnen Spaß, wenn sie immer sicherer werden. Nur leider kommen viele so unregelmäßig, weil sie immer wieder auf den Feldern arbeiten, Feuerholz sammeln oder ähnliche Arbeiten verrichten müssen. Aber nicht nur die Menschen, auch das Vieh leidet Hunger. Die Ziegen versuchen, von den niedrig hängenden Zweigen der Bäume an der Landstraße das Laub abzufressen, und manch einer zieht nach und nach das ganze Stroh vom Dach seiner armseligen Hütte, um damit sein Vieh zu füttern und es so ein paar Tage länger am Leben zu erhalten.

Nach einer Pause schreibe ich wieder ein wenig. Denkt Euch, was soeben verhandelt worden ist: Wir haben ein Kind gekauft, um es vor dem sicheren Hungertode zu retten. Früh kam eine Sudrafrau und brachte ein zweimonatiges Kind, einen Knaben, den sie gern verkaufen wollte, weil sie ihn nicht ernähren konnte. Sie habe nichts zu essen, sie und ihr Mann könnten keine Arbeit finden und sie wüssten nicht, wie sie mit ihren drei Kindern weiter leben sollte. So bat sie flehentlich, ihr das Kind für 5 Rps abzukaufen, damit das Kindchen leben bleibe und sie mit ihrer Familie wieder eine Zeit lang zu leben hätte. Was für Gefühle einen dabei bewegten. Ich war der Meinung, diese unnatürliche Mutter müsste mit ihrem Kind leben und sterben, aber sie jammerte so und das arme Würmchen dauerte uns und die Umstehenden so sehr, dass ein Lehrer und seine Frau, die selbst keine Kinder haben, sich bereit erklärten, das Kind aufzunehmen und groß zu ziehen, falls der Verkauf zustande käme. Einen geringen Anteil wollte er dazu geben, ebenso trugen einige andere geringe Gaben bei, aber wir selbst mussten natürlich die größte Summe zahlen. So soll das Kindlein aus den Händen seiner bedauernswerten Mutter in die unsrigen übergehen. Damit die Leute nun später das Kind nicht zurückfordern können, wird die ganze Verhandlung von der Polizei noch bestätigt. Was sagt Ihr nur dazu?

( Rundbrief vom 30.Juli / 1. August 1905 )

Mit diesem Brief enden die noch vorhandenen handschriftlichen Aufzeichnungen der Missionarsfrau. Es gibt aber einen Bericht von ihr aus dem Jahr 1905, den sie unter der Überschrift „Die Nähschule in Pandur“ für die jugendlichen Leser und Leserinnen des Missionsblattes der Leipziger Mission geschrieben hat. Dieser Bericht fand sich nach ihrem Tod im Februar 1915 in ihrem Nachlass. Sie hatte ihn aus Bescheidenheit bis dahin nicht veröffentlichen wollen, so dass er erst im August 1915 gedruckt wurde.

Von einer Nähschule in Pandur habt Ihr jungen Leser und Leserinnen wohl noch nichts gehört? Das war auch nicht gut möglich; denn bis vor kurzer Zeit hat dieselbe noch gar nicht bestanden. Erst Ende vorigen Jahres, nachdem wir im September auf unsere neue Station Pandur übergesiedelt waren, konnte ich anfangen, die kleinen Mädchen von Pandur und Kannen Karenei um mich zu sammeln. Zunächst folgten sie der Aufforderung nur sehr zögernd und schüchtern. Nur einige wenige konnten sich entschließen, an der Handarbeitsstunde teilzunehmen. Diese Kinder hatten ja gar keine Ahnung vom Nähen. Dass man mit Hilfe von Nadel und Faden einen hübschen bunten Rock und Rauke (Jäckchen) herstellen kann, wie sie ihn so gerne tragen, das war ihnen etwas ganz Unbekanntes.

Die Nähschule in Pandur

Nur eine Frau gibt es im Dorfe, die des Nähens kundig, wenigstens imstande ist, ein zerrissenes Kleid zu flicken. Als ich einmal abends zum Dorf ging, begegnete mir auf dem Weg eine Frau aus dem benachbarten Sudradorf. Sie trug in ihrer Hand einen langen Stock, auf dem ein altes Kleidungsstück hing. Dabei hielt sie den Stock mit dem Kleid möglichst weit von sich ab, um es ja nicht zu berühren. Auf meine Frage, warum sie das tue, wollte sie nicht recht antworten, wohl aus Scham. Andere taten es für sie und sagten, sie habe das Kleid von der oben erwähnten Pariafrau flicken lassen. Als Sudrafrau dürfe sie es nicht berühren, bis es gewaschen sei. Es sei ja unrein für sie, weil eine Pariafrau es angefasst habe. Alle lachten dabei sehr und die Sudrafrau schämte sich. Ich sagte ihr aber, sie solle doch ihre Töchter zu mir in die Nähschule schicken. Da wollte ich ihnen zeigen, wie man ein Kleid flickt, damit sie es später selbst tun könnten. Zwei kleine Sudramädchen kamen dann auch ziemlich regelmäßig. Auch unsere kleinen christlichen Pariamädchen fanden sich immer zahlreicher ein. So kommen jetzt reichlich noch einmal so viele Kinder zur Nähschule. Das Nähen macht ihnen jetzt sehr viel Freude. Während es im Anfang lange dauerte, bis sie Nadel und Faden und besonders den Fingerhut richtig handhaben konnten, nähen viele von ihnen jetzt schon Röcke und Rauken und andere Gegenstände. Glücklich sind sie, wenn sie Beutel nähen dürfen, von denen ich den ersten, den sie zustande bringen, ihnen allemal schenke. Die ganz Kleinen, die 4 und 5 jährigen, fädeln Perlen ein. Ganz stolz kommen sie dann zu mir, wenn sie eine Kette in 2 Farben fertig eingefädelt haben. Übergroße Arbeit hindert die Kinder leider am regelmäßigen Besuch der Nähschule. Sie müssen vielfach in den Feldern mitarbeiten oder werden von ihren Eltern ausgeschickt, Holz und Kuhdung zu sammeln, damit ihre Mütter abends die kümmerliche Nahrung kochen können. Wenn ihre Kleider zerreißen, so sind die Eltern nicht imstande, ihnen neue zu beschaffen.

Missionar Kabis mit Frau und Tochter Martha an der Poststation Tiruvallur

Darum Ihr lieben jungen Freunde unserer braunen Kinderschar, die Ihr es daheim bei Vater und Mutter so gut habt, betet für die kleinen, armen Pariakinder in Pandur, daß der liebe Gott ihnen bald bessere Zeiten schenke, in denen sie genügend zu essen haben und dann gerne zur Schule kommen können, um fleißig zu lernen.

( Die kleine Missionsglocke )

Regen Anteil nahm Frau Kabis auch an dem geplanten Bau der Ackerbauschule. Mit dieser wollte Kabis die Christen mit rationellen Ackerbau- und Gartenbaumethoden vertraut machen. Außerdem sollten einfachste Zimmermannfertigkeiten gelehrt und Schmiedearbeiten vermittelt werden, um so die Bauern zu befähigen, viele Arbeiten selbst ausführen zu können. Nach Bereitstellung der Mittel durch den Kirchenrat in Tranquebar und mit Hilfe großzügiger Spenden aus Deutschland konnte Kabis diesen Plan verwirklichen. Unter seinem Nachfolger wurde zu Beginn des Jahres 1914 sogar ein deutscher Landwirt als Leiter der Schule eingestellt.

Die neue Ackerbauschule in Pandur

Kabis zweites Anliegen, die kleine Lehmkapelle durch einen steinernen Kirchenbau zu ersetzen, ging ebenfalls in Erfüllung. Auch hier waren es wieder die Spenden aus Deutschland, die es Kabis ermöglichten, im August 1906 den Grundstein für eine neue Kirche zu legen. Allerdings musste er die Fertigstellung des Gebäudes seinem Nachfolger überlassen, da er kurz vorher die Station übergab. Weil auf der neugegründeten Station ein Friedhof fehlte, die Christen begruben ihre Toten auf dem Brennplatz der Hindus, erwarb Kabis ein Grundstück, ziemlich zentral zwischen vier Christendörfern gelegen, um dort einen Friedhof anzulegen. Die erste Tote, die dort bestattet wurde, war ein junges Mädchen, und da ihre Beerdigung am 29. November 1905 erfolgte, dem Tag, an dem zweihundert Jahre zuvor die ersten Missionare Ziegenbalg und Plütschau von Kopenhagen aus ihre Reise nach Indien angetreten hatten, beschloss er, zu deren Gedächtnis auf dem neuen Friedhof ein Gedenkkreuz zu errichten. Ein großer Granitstein aus dem verfallenen Tempel von Pandur diente als Sockel, auf dem sich das polierte und mit einer entsprechenden Inschrift versehene Kreuz erhob. Neben diesen baulichen Maßnahmen kam aber die eigentliche Missionsarbeit, Predigt, Unterricht und Taufe, nicht zu kurz. Jeden Sonntag wurde reihum in den Dörfern Gottesdienst gehalten und Kabis hatte die große Freude, viele Hindus taufen zu können. Ganz besonders freute es ihn, dass sich zunehmend Sudras, die in den Dörfern oft recht einflussreiche Stellungen innehatten, zum Taufunterricht meldeten. Trotzdem lag in einigen dieser Jahre der Schwerpunkt seiner Arbeit eindeutig in der Bekämpfung der Hungersnot, in der auch materiellen Unterstützung der Ärmsten sowie in der Einleitung zahlreicher Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in der Landwirtschaft. Während die Regierung die Arbeitslosen in großen Scharen nach Sri Lanka, Burma oder Mauritius auswandern ließ, versuchte Kabis durch konkrete Maßnahmen vor Ort, wie z.B. den Brunnenbau, den Einsatz ertragreicher Saatmittel oder moderne Bewässerungsmethoden, das Los der Bevölkerung zu verbessern.

Im Herbst 1906 konnten Kabis und seine Frau ihre dritte Tochter Martha als Missionslehrerin in Indien begrüßen. Nach dem Erlernen der tamilischen Sprache, einer relativ leichten Aufgabe, da die Grundkenntnisse dieser Sprache noch aus der Kindheit vorhanden waren, sollte sie als Lehrerin eingesetzt werden. Leider stellte sich jedoch nach kurzer Zeit heraus, dass sie das Klima nicht vertrug. Starke Kopfschmerzen machten ihr zeitweise die Arbeit unmöglich, so dass sie zur Erholung in die kühlen Berge geschickt werden musste. Der schlechte Gesundheitszustand der Tochter war für die Familie natürlich eine große Belastung. Zusätzlich gab es bei dem Vater ernsthafte Herzprobleme. Der Arzt diagnostizierte ein Herzleiden und empfahl ihm, Indien umgehend zu verlassen. Dazu konnte sich Kabis aber nicht entschließen. Er folgte mit seiner Frau der Tochter in die Berge und erhoffte sich in dem kühlen Klima eine rasche Gesundung. Der mehrmonatige Aufenthalt brachte zwar eine gewisse Besserung, die Ärzte rieten aber von einem weiteren Einsatz im heißen Tiefland ab. So musste Kabis schweren Herzens um seine Ablösung aus Pandur bitten, ein Entschluss, der ihm umso schwerer fiel, als sich im Lauf der vier Jahre auf dieser Station ein freundschaftliches Verhältnis zu vielen Gemeindemitgliedern gebildet hatte. Am Tag des Abschieds fanden sich viele Hundert von ihnen ein, um sich von ihrem geliebten Missionar zu verabschieden, ihn zu beschenken und ihm ihre guten Wünsche zu überbringen. Nach der Übergabe der Station an seinen Nachfolger, den Missionar Schomerus, hielt er einen letzten Gottesdienst in der völlig überfüllten kleinen Kapelle und verließ dann, von einem langen Ehrenzug begleitet, sein geliebtes Pandur.


Bangalur 1908 – 1910

Die Arbeit in einer Stadtgemeinde war Kabis von der Zeit in Madras noch wohlvertraut, unterschied sich aber deutlich von der einer Dorfgemeinde. Dafür waren die Anforderungen aber auch wesentlich geringer. Es gab nur wenige Landgemeinden zu betreuen, die weiten anstrengenden Fahrten entfielen also weitestgehend. Das Klima war angenehm kühl, zahlreiche Europäer verbrachten dort die heiße Zeit, und die Familie pflegte, wie die Eintragungen im Gästebuch belegen, einen regen gesellschaftlichen Verkehr. Dennoch fehlte Kabis die Kraft, noch einmal eine neue Aufgabe zu beginnen, dazu war sein Gesundheitszustand schon zu geschwächt. Umso größer war die Freude für ihn, im Frühjahr 1909 an der Einweihung der Ährenkirche in Pandur teilzunehmen, deren Grundstein er selbst zwei Jahre zuvor gelegt hatte, und deren Planung ihm eine so wichtige Aufgabe gewesen war. Kabis reiste mit Frau und Tochter in der untersten Wagenklasse. So konnte er elf Gemeindemitglieder seiner neuen Gemeinde einladen, ihn auf dieser Reise zu begleiten. Nach zwölfstündiger anstrengender Eisenbahnfahrt erreichte die Reisegesellschaft am späten Abend die so vertraute Bahnstation Tiruvallur.

Innenansicht der Ährenkirche

Durch die mondhelle Nacht ging es im Ochsenwagen nach Pandur, wo die Gruppe kurz vor der Missionsstation von unzähligen ehemaligen Gemeindemitgliedern empfangen wurde. Staunend nahmen seine Begleiter den festlich geschmückten Garten, die inzwischen erweiterte Ackerbauschule und vor allem die Kirche wahr. Im Mondlicht erhob sie sich auf einer kleinen Anhöhe, für Kabis an diesem Abend die Krönung seiner Tätigkeit in Indien. Am nächsten Tag erfolgte die feierliche Einweihung. Von Kabis angeführt, gingen zehn Missionare und fünf einheimische Pastoren vom Missionshaus zu der alten Kapelle. Nach einem Abschiedsgottesdienst zogen alle mit den heiligen Büchern und Geräten in einer Prozession um die neue Kirche, bevor die Türen von Kabis feierlich geöffnet wurden. Der Übergang von der dunklen niedrigen Lehmkapelle in die neue, lichtdurchflutete hohe Kirche war überwältigend. Trotz der Größe konnten aber bei weitem nicht alle Besucher im Inneren Platz finden, so dass eine große Menschenmenge draußen vor der Tür und an den Fenstern lauschend den Gottesdienst verfolgte. Kabis vollzog die Weihe und gab der Kirche den Namen „Kadiralajam“, zu Deutsch „Ähren-und Sonnenstrahlkirche“. Mit dieser Namensgebung sollte an den deutschen Ährenleseverein erinnert werden, durch dessen unermüdlichen Sammeleifer der Bau der Kirche ermöglicht worden war.

Ich war so froh und dankbar bewegt, dass ich noch einmal Gottes Wort meinen alten Gemeinden predigen und sie an alle Wohltaten erinnern konnte, die Gott in den letzten zwanzig Jahren seit ihrer Taufe erzeigt, und ich rief den verschiedenen Gemeinden ihre Tauftage ins Gedächtnis. Zudem hatten wir gerade am selbigen Tage vor elf Jahren mit Gebet den Bau der alten Lehmkapelle von Pandur begonnen. Wie dankbar und froh waren wir damals schon gewesen in der Hoffnung, die gar zu kümmerliche Hütte im Pariadorfe bald mit einer Kapelle, hart an der öffentlichen Landstraße gelegen, vertauschen zu können, wo ich mit viel Mühe ein kleines Stückchen Land erworben hatte. Wie wunderbar hatte Gott seitdem geholfen, dass inzwischen all das schöne Land, das um diese Kapelle lag, der alte Dorfplatz, von dem jeder Pandurbauer ein Stückchen sein Eigen nannte, allmählich in unseren Besitz kam, dass das Land, auf dem ich oft früher nur mein Zelt aufschlagen durfte, nun den Garten um ein neues Missionshaus bildet. Ja, ein Wunder wars, dass schließlich auch der heidni­sche Dorfpriester sich willig machen ließ, seine ererbten Priesterpfründe mir zu verkaufen, wodurch der Bauplatz für die Ährenkirche gewonnen und ihre so einzig schöne Lage ermöglicht wurde. Selbst der Bewässerungskanal, der dieses Land von unserem Garten trennte, konnte schließlich trotz Einspruchs einflussreicher Brahmanen um unser Kirchengrundstück herumgelegt werden, so dass dieses nun mit dem Missionshausgarten ein Ganzes bildet. In der schönen neuen Kirche musste ich auch die allerersten Christen jener Gegend an ihre Taufe, Silvester 1893, erinnern in dem sehr ärmlichen Ochsenstalle eines ihrer Täuflinge. Ja, das Sonst und Jetzt konnte einem das Herz schon übergehen lassen vor Danken und Loben.

( Erinnerungen an Johannes Kabis )

Nach der Feier begab sich Kabis mit den vielen auswärtigen Gästen zu der Ackerbau-und Handwerkerschule, die inzwischen unter seinem Nachfolger erheblich erweitert worden war, und deren zahlreiche Gebäude inmitten grünender Reisfelder lagen. Ein großes Windrad trieb eine Pumpe an, die unermüdlich das Wasser aus dem tiefen Brunnen schöpfte. Auch hier war die neue Zeit eingezogen, die Ochsen wurden nicht mehr benötigt. Kabis Hoffnung, im kühlen Bangalur noch einige Jahre tätig sein zu können, erfüllte sich leider nicht. Die Herzbeschwerden verschlimmerten sich, und da der Arzt dringend zu einer Behandlung in Deutschland riet, entschloss sich Kabis im September 1909 um Urlaub zu bitten, wohl wissend, dass es ein endgültiger Abschied werden würde. Die Antwort aus Leipzig kam postwendend.

Lieber Bruder Kabis!

Gestern Abend hat uns ihr Urlaubsgesuch vorgelegen. Man merkt ihm an, dass es mit großer Herzensbewegung geschrieben ist, und wir fühlen mit Ihnen, wie schwer Ihnen der Abschied von Indien fällt. Das ist ja begreiflich. Zwar sprechen Sie nur von Urlaubsgesuch, und was sähen wir lieber, als dass Ihr Herzleiden sich in verhältnismäßig kurzer Zeit hier so besserte, dass wir Sie wieder nach Indien schicken könnten. Aber Sie selbst denken ja, nachdem was Sie mir früher schrieben, doch an einen Abschied für immer. So fasst es auch der Kirchenrat auf und offenbar auch, nachdem was Sie schreiben, der Arzt, welcher Ihnen sagt, dass Ihr Werk in Indien getan sei. Dass Sie sich noch die Möglichkeit vorbehalten, bis Ostern 1911 zu warten, hängt ja, wie ich annehme, damit zusammen, dass Sie noch nicht klar darüber sehen, ob mit Ihnen auch Ihr Fräulein Tochter wird heimkehren müssen. Aber nach dem, was ich über Dr. Kugelbergs Äußerungen höre, ist freilich die Hoffnung sehr gering, dass sie die indische Arbeit ohne Gefahr wieder aufnehmen kann.

Synode in Tranquebar 1910

Und die größere Wahrscheinlichkeit scheint nach Ihrem Schreiben doch die zu sein, dass Sie schon im nächsten Frühjahr kommen. So ungern wir Sie verlieren als einen der Senioren mit gewichtiger Stimme im Rate der Brüder, so muss ich doch anerkennen, dass für die Station Bangalur der Unterschied des Termins nicht wesentlich ins Gewicht fällt. Denn die Besetzung mit einem europäischen Bruder wird voraussichtlich im Frühjahr 1911 ebensowenig möglich sein, wie jetzt. Über Ihre Zukunftsgedanken sprechen Sie sich in keiner Weise aus. Ich darf aber wohl annehmen, dass Sie ebenso wie Bruder Gehring es vorziehen werden, nicht noch nach so langer indischer Wirksamkeit in den Kirchendienst zu treten, sondern dass Sie es vorziehen werden, im Missionsdienst als heimischer Berufsarbeiter zu bleiben. Das würden wir auch mit Freuden begrüßen und zwar umso mehr, als uns die Anstellung eines Berufsarbeiters in Hamburg, wie Sie ja aus dem Missionsblatt wissen, sehr am Herzen liegt.

( Briefe der Direktoren, 17.9.1909 )

Mit diesem Brief war die Entscheidung getroffen, nach über dreißigjähriger Tätigkeit in Indien würde die endgültige Heimreise angetreten werden. Ein letztes Mal fuhr Kabis nach Tranquebar zur Synode, um sich von den Missionsgeschwistern zu verabschieden, bevor im Frühjahr 1910 das Schiff nach Deutschland bestiegen wurde. Martha, die Tochter, blieb in Indien zurück, da immer noch die vage Hoffnung bestand, dass sie die Missionsarbeit wieder aufnehmen würde. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht, sie musste schon bald den Eltern in die Heimat folgen. Auf der Rückreise verwirklichte Kabis einen großen persönlichen Wunsch: Er machte für einige Tage Zwischenstation in Ägypten und besuchte von dort aus die Pyramiden und, was ihm besonders am Herzen lag, einige Stätten im Heiligen Land, wie Jerusalem und Bethlehem. Ende April schließlich betraten er und seine Frau wieder deutschen Boden.


Hamburg 1910 – 1919

Der Empfang in Deutschland war für alle Beteiligten überwältigend. Bis auf Martha, die drittälteste Tochter, hatten sich alle Kinder und viele Verwandte zur Begrüßung eingefunden. Sogar ein Enkelkind, Maria, die älteste Tochter hatte in der Zwischenzeit geheiratet, konnte begrüßt werden. Nun galt es zunächst, Kabis Gesundheit wieder herzustellen. Zu diesem Zweck begab er sich für einige Zeit zur Kur nach Bad Nauheim, bevor er anschließend, wie mit der Missionsleitung abgesprochen, Hamburg zu seinem Wohnsitz wählte, um von dort seine Tätigkeit im norddeutschen Raum aufzunehmen. Die folgenden Jahre waren ausgefüllt mit Vortragsreisen, Predigten und Gemeindebesuchen im gesamten norddeutschen Raum, von Schleswig-Holstein über Mecklenburg bis hin in das Oldenburger Land. Insbesondere die vielen Missionsfeste, die in den einzelnen Gemeinden gefeiert wurden, boten Kabis die Möglichkeit, von seiner Arbeit in Indien zu berichten und für den Gedanken der Mission ideell und materiell zu werben. Die Freude über die Geburt weiterer Enkelkinder und die Hochzeit der zweitältesten Tochter Elisabeth wurde überschattet von der Sorge um Martha, die ihre Arbeit als Missionslehrerin in Indien endgültig aufgeben musste und um Gertrud, die viertälteste Tochter, die ständige Betreuung in einer Pflegeanstalt brauchte. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges brachte weitere Sorgen. Walther, der älteste Sohn, im In-und Exportgeschäft in Madras tätig, gelangte auf abenteuerlichen Wegen zurück nach Deutschland, meldete sich freiwillig an die Front und kehrte schwer verwundet aus dem Krieg zurück. Zwar erholte er sich zunächst von den Folgen der Verletzungen, starb dann aber doch im Jahr 1921. Auch Siegfried, der zweitälteste Sohn zog an die Front, kehrte aber gesund und wohlbehalten wieder zurück.

Im Februar 1915 starb Thora Kabis, geliebte Frau und treue Wegbegleiterin in Indien, nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von knapp 62 Jahren. Das war für Kabis ein schwerer Schicksalsschlag, war er seiner Frau doch stets in besonderer Liebe verbunden gewesen. Im Frühjahr 1919 unternahm er eine längere Vortragsreise in das Oldenburger Land, es sollte seine letzte sein. Am 30 März war er in Neuenkirchen bei Oldenburg, hatte vormittags noch gepredigt und nachmittags einen Missionsvortrag gehalten, als er sich abends unwohl fühlte. Er begab sich früh zur Ruhe, aus der er jedoch nicht mehr erwachte. Auf dem Hamburger Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte.


Nachwort

Viele Stunden habe ich mich mit den Briefen, Fotos und Dokumenten meiner Urgroßeltern beschäftigt, nahm immer mehr Anteil an ihrem Leben, und wurde zugleich an meine Mutter erinnert, die mir so oft von ihrem Großvater erzählt hatte. Gleichzeitig wurde ich neugierig, beschäftigte mich die Frage, welche Spuren noch vorhanden sein könnten in einem Land, das für meine Vorfahren von so großer Bedeutung gewesen war. Gut neunzig Jahre, nachdem Missionar Kabis das Tamilenland verließ, wird sein Name weiterhin in großer Ehrfurcht und Dankbarkeit genannt. Zwar gibt es keine Missionsstationen mehr, dafür aber eine eigenständige evangelisch – lutherische Tamilenkirche, nicht nur in der Gegend um Madras, sondern im ganzen Tamilnadu. Die Fabriciusschule in Madras ist die größte Schule dieser Kirche und führt inzwischen bis zur Klasse zwölf, die Schüler können also das indische Abitur erwerben. Das kleine beschauliche Dorf Chingleput hat sich zu einer mittleren Kleinstadt entwickelt, und in der Nähe von Pandur gibt es ein Dorf mit Namen Kabismedu, in dem vor kurzem eine neue Kirche gebaut wurde. In Pandur erinnert noch vieles an das Wirken meiner Urgroßeltern. Eine neu errichtete Mittelschule bekam den Namen „Kabis Higher Secondary School“ und die Ährenkirche erhebt sich noch immer auf dem Hügel unweit des Missionshauses. Die Ackerbauschule ist inzwischen verschwunden, dafür wurden aber eine Primary School gebaut, eine Krankenstation mit zwei Krankenschwestern eingerichtet, sowie ein Mädchen- und ein Jungenheim. Auch die Nähschule, von meiner Urgroßmutter so bescheiden begonnen, gibt es noch als inzwischen eigenständige Einrichtung. Manche älteren Gemeindemitglieder wissen zu berichten, dass Missionar Kabis ihren Vater oder Großvater taufte, und die Erinnerung an dessen Wohltaten ist noch in vielen Gemeinden lebendig. So werde ich mich auf den Weg machen, dieses Buch mitnehmen nach Südindien, um dort vor Ort, in Pandur oder Chingleput, in Tranquebar oder Madras die Spuren meiner Urgroßeltern zu verfolgen; Spuren, die inzwischen sehr viel mit mir zu tun haben.


Quellen

Gehring A.    Johannes Kabis, ein Vater der Paria, Leipzig o.J.

Kabis G.       Unveröffentlichte Briefe an die Eltern in Indien. ( 1899 – 1901 )

Kabis J.        Ein Tag in Majaweram. Leipzig 1900

Kabis J.        Sechs neue Gemeinden im Landbezirke von Madras Leipzig 1900

Kabis J.        Unveröffentlichter Brief an die Kinder (1905)

Kabis S.       Unveröffentlichte Briefe an die Eltern in Indien, ( 1896 – 1901 )

Kabis T.        Unveröffentlichte Briefe an die Kinder in Deutschland, ( 1904 / 1905 )

Kabis T.        Die Nähschule in Pandur Leipzig 1915 Unveröffentlichtes Manuskript

Kliche D.      Johannes Kabis Briefe an die Direktoren und das Collegium der Leipziger Mission 1878 – 1909 Manuskriptdruck Dortmund 1988

Nagel M.      Aus meiner Jugendzeit Unveröffentlichtes Manuskript

N.N.             Erinnerungen an Johannes Kabis Im Monatsblatt der Ev.-Luth. Mission zu Leipzig Leipzig 1954


Lebensdaten von August Ferdinand Rudolph Johannes Kabis

Geboren am 1.8.1853 in Rudolstadt, trat Oktober 1868 in das Leipziger Missionsseminar ein, bestand Frühjahr 1872 das Maturitätsexamen am Nikolai-Gymnasium, studierte an der Universität, bestand Frühjahr 1876 das 1. theol. Examen, genügte seiner Militärpflicht, wurde am 22.2.1877 (mit Pamperrin u. Gehring) in Rudolstadt ordiniert, durch Generalsuperintendent Leo am 23.5.1877 (mit denselben) nach Indien abgeordnet, landete mit ihnen am 9.10.1877 in Madras, mußte zeitweilig die Druckerei übernehmen u. fast 2 Jahre führen, gab sie im Oktober 1879 an Hobusch zurück, verheiratete sich am 25.11.1879 in Madras mit Frl. Thora Riemer aus Köln, zog im Dezember 1879 nach Mayavaram zu Miss. Wannske, übernahm im März 1880 die Station selbständig, übernahm im Mai 1887 die Station Madras u. erhielt im Sept. Miss. Rüger als Gehilfen, reiste im April 1890 in Heimaturlaub, übernahm, nach Indien zurückgekehrt, am 6.10.1891 den provis. Vorsitz im Kirchenrat, und war ständiges Mitglied d. Kirchenrates, übernahm (nach Pomperriens Rückkehr) im Februar 1893 wieder Madras, kam im September 1901 auf Heimaturlaub in Deutschland an, traf am 30.6.1903 wieder in Tranquebar ein, übernahm am 3.8.1903 die Station Chingleput, wurde im März 1904 zu einer Visitationsreise nach Rangoon gesandt, siedelte am 8.9.1904 nach Pandur über, übergab Pandur am 15.10.1907 an Schomerus u. übernahm Bangalore, kehrte Frühjahr 1910 in die Heimat die zurück, nahm am 1.8.1910 seinen Wohnsitz in Hamburg als Berufsarbeiter der Mission, verlor am 6.2.1915 seine Frau durch den Tod, starb am 30.3.1919 in Neuenkirchen/Oldenburg auf einer Vortragsreise.

Sein Lebenslauf Miss.Bl. 1919,121ff., 148ff., 204ff., 221ff., 244ff.

Von ihm stammt Gr. Palmzw. ½ 7.12.13.15

Kabis-High School ist am 25.7.1966 in Pandur eingeweiht worden!

Miss. Kabis wurde am 07.04.1919 neben seiner Gattin in Hamburg beigesetzt; KR Nagel (Schwiegersohn) hielt Grabrede.

Kinder: 5 Töchter u. 2 Söhne

(Tochter Gertrud Wisuwasam Kabis am 30. Jan. 1954 im Alter von 68 Jahren in Bethel heimgegangen!)

13.6.1966 verstarb in Hamburg Martha Santoscham Kabis, Tochter v. Missionar Kabis (I. Q. W.) 1966 S. 174

Nachtrag: „Nähere Angaben zu seinen Kindern“ befinden sich in der Pers-akte des Miss. Johannes Kabis II.


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