Okt 052019
 
Alles halb so schlimm!

Von Dirk Beckerhoff | 22. Februar 2019

Soeben flaut die Auseinandersetzung um die Höchstwerte für Feinstaub und Stickoxide etwas ab, da tritt ein anderer Emissions-Höchstwert wieder in den Vordergrund: Das CO2. Erst jetzt, auf dem Hintergrund der Feinstaub- und Stickoxid-Debatte, sorgt ein Interview mit Prof. Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und einer der Leitautoren des Weltklimarats (IPCC) für Furore, Überraschung und Ratlosigkeit, das DER SPIEGEL bereits am 6. Oktober 2018 veröffentlichte [1]. Klima-, Umwelt- und Medizinwissenschaft müssen sich fragen lassen: „Und welche „Wahrheit“ sollen wir morgen „glauben“ ?“

Prof. Marotzke kündigt in erfreulicher Offenheit und Klarheit an, der Weltklimarat werde zur Erreichung des 1,5-Grad-Erwärmungszieles den Höchstwert für das C02-Budget auf etwa tausend Gigatonnen mindestens verdoppeln. Plötzlich werden also fünfhundert Gigatonnen – fünfhundert Milliarden Tonnen CO2 – als „nicht-erwärmungs-wirksam“ frei gegeben. Gleichzeitig wird in Deutschland auf das Härteste um die Abschaltung der letzten Kohlekraftwerke gerungen. Der jährliche CO2-Ausstoß eines durchschnittlichen Kohle-Kraftwerkes beträgt etwa 20 Mio. Tonnen. Folglich könnten weltweit zusätzlich 2.500 (zweitausendfünfhundert) durchschnittliche Kohlekraftwerke etwa zehn Jahre lang im Vollast-Betrieb Kohle verbrennen, um das riesige CO2-Budget zu verbrauchen, das so überraschend zusätzlich frei gegeben worden wird.

Diese Kehrtwendung des Weltklimarates in Sachen „Treibhauseffekt“ ist – auch nach Meinung von Prof. Marotzke – nahezu revolutionär :

Das (Anm.: die Verdoppelung des Höchstwertes) ist eine wirklich spannende Frage, die in der Fachwelt seit etwa einem Jahr für helle Aufregung und heftige Diskussionen sorgt“.

Begründet wird die CO2-Kehrtwende des Weltklimarates mit Versagen der Klima­-Modelle :

„Unsere früheren Modelle sind an einer entscheidenden Stelle zu empfindlich. Die Simulationen geben zwar korrekt wieder, wie eine erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu dem entsprechenden Temperaturanstieg führt. Das Problem ist nur: Weitere Emissionen führen zu einer geringeren CO2-Konzentration in der Luft als vermutet. Offenbar verbleibt ein kleinerer Teil der Treibhausgase in der Atmosphäre, weil Wälder und Ozeane mehr davon schlucken als gedacht. Anders ausgedrückt: In den früheren Simulationen erzeugten die angenommenen Emissionen eine stärkere Erwärmung als in der Wirklichkeit.“

Auch die auf der Pariser-Klimakonferenz fast als „Rettung der Welt“ gefeierte Absenkung des Erwärmungszieles auf 1,5 Grad Celsius wird massiv herabgestuft:

SPIEGEL: „Warum wurde die Grenze von 2 Grad auf 1,5 Grad abgesenkt ?“

Marotzke: „Das kam auch für uns Klimaforscher überraschend. Vor allem die westpazifischen Inselstaaten bestanden bei den Pariser Verhandlungen auf 1,5 Grad, weil sie schon bei 2 Grad vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht wären. In den meisten Weltregionen jedoch, insbesondere in Europa, erwarten wir keine großen Unterschiede zwischen einer 1,5-Grad-Welt und einer 2-Grad-Welt. Es ist sicher nicht so, daß bei 1,5 Grad alles in Ordnung wäre und bei 2 Grad alles katastrophal.“

SPIEGEL: „Gibt es Schwellenwerte, oberhalb derer irreversible Prozesse beginnen?“

Marotzke: „Wir können das nicht ausschließen, aber die Belege für solche Kipp-Punkte sind bisher eher schwach. Am ehesten könnte eine Erwärmung von 2 Grad dazu führen, daß der grönländische Eispanzer abschmilzt, wodurch der Meeresspiegel langfristig um sieben Meter anstiege – das wäre eine höchst dramatische Veränderung. Aber selbst wenn es dazu käme, würde sich das Abtauen über 3000 Jahre hinziehen. Alle anderen angeblichen Kipp-Punkte wie das Versiegen des Golfstroms oder das Abschmelzen der Westantarktis sind auf absehbare Zeit unwahrscheinlich.“

Dank der offenen Worte von Prof. Marotzke wird in dem Interview neben der Fehler­-Anfälligkeit von Klimamodellen eine zweite, ebenfalls oft kritisierte Schwäche des Weltklimarates deutlich. Es handelt sich um die „Tendenz“ des Weltklimarates, wissenschaftliche Ergebnisse nach politischen Interessen und politischen Opportunitäten zu manipulieren: 

SPIEGEL: „Politisch ist das (Anm.: die Verdoppelung des CO2-Budgets) äußerst brisant.“

Marotzke: „In der Tat. Einige von meinen Kollegen machen sich deshalb schon Sorgen, daß dies falsch ankommt. Wenn sich das herumspricht, so ihre Befürchtung, legen alle wieder die Hände in den Schoß. Ich sehe aber auch das Umgekehrte:  Der unerwartete Zeitgewinn hilft uns gegen den weitverbreiteten Fatalismus, man könne nichts tun, weil sich der Klimawandel ohnehin nicht mehr aufhalten lasse.“


[1]  „Galgenfrist verlängert“ ; Klima: Der Physiker Jochem Marotzke über die überraschende Entdeckung, daß die Menschheit mehr Zeit hat, die globale Erwärmung zu stoppen; DER SPIEGEL, 06.10.2018, S.111

Einige Kommentare

Für mich als dummen Laien:
„Folglich könnten weltweit zusätzlich 2.500 (zweitausendfünfhundert) durchschnittliche Kohlekraftwerke etwa zehn Jahre lang im Vollast-Betrieb Kohle verbrennen, um das riesige CO2-Budget zu verbrauchen, das so überraschend zusätzlich frei gegeben worden wird.“
Aktuell werden weltweit ca 1400 neue Kohlekraftwerke geplant oder gebaut. Folglich dürften die (und nur die) dann etwa 15 Jahre lang laufen, bis das Budget verbraucht ist. Also bis 2034.
Und was machen wir dann? Alle plötzlich abschalten weil das Budget verbraucht ist? Oder warten, bis ein neues Modell „überraschend“ doch noch ein größeres Budget verspricht?
Oder ist es -auch bei einem größeren, weiterhin beschränkten- Budget nicht trotzdem eine gute Idee, die neuen Emissionen zu reduzieren?
Andererseits: Wer in 10-15 Jahren nicht in „westpazifischen Inselstaaten“ wohnt (die nach Aussage von Prof Marotzke ja „schon bei 2 Grad vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht wären“), der braucht sich ja keine Sorgen zu machen. Sollen die Insulaner doch sehen, wo sie unterkommen.

Bei den Aussagen von Herrn Marotzke handelt es sich, wie im Interview lang und breit ausgeführt, um die Ankündigung dessen, was der gesamte IPCC im nächsten Sachstandsbericht sagen wird – sofern er nicht erneut aus politischen Gründen manipuliert. Also: Keine Einzelmeinung sondern wissenschaftlicher Stand des gesamten IPCC! Offen bleibt derzeit nur, wie die Politik den wissenschaftlichen Konsens „verbiegen wird“. Fakt ist: Der Immissionsanteil pro Einheit Emission (wieviel wird von der Luft dauerhaft aufgenommen?) ist beim CO2 realiter deutlich geringer, als der IPCC bei seinen bisherigen Prognosen stets angenommen hat: Klassischer Annahmen-Irrtum!

Rico Schrage
22. Februar 2019 um 17:37

Ich kann auf die schnelle keine offizielle Quelle finden, die den Anstieg des CO2 Budgets um 500 Gigatonnen bestätigt. Hat der Autor noch andere, nicht kostenpflichtige Quellen? Scinexx gibt das Budget für das 1.5 Grad Ziel noch mit 372 Gigatonnen an.

Rainer Küper
22. Februar 2019 um 18:49

Keine Hektik, Herr Schrage. Sie dürfen sich sehr viel Zeit nehmen, sogar unter Licht, das mit Elektrizität aus der Verbrennung von Braunkohle leuchtet. Diese 500 Gigatonnen CO2-Budgetverdoppelung wird nicht die letzte sein.

Rico Schrage
24. Februar 2019 um 2:15

Das Interview ist 4 Monate her, und die Aussage kommt von EINER Person. Müsste man nicht meinen, wenn das IPCC diese Meinung vertreten würde, hätte man das nicht schon längst kommuniziert? Mir ist neu, dass die Meinung des kompletten IPCC nur von Herrn Marotzke bestimmt wird….

Rainer Küper
24. Februar 2019 um 10:01

@Herr Rico Schrage
Warum glauben Sie der einen Person Schellnhuber aber nicht der anderen Person Marotzke? Warum sollten das IPCC und die Staatsmedien Nachrichten verbreiten, die der herrschenden Kaste mißfallen?

P. Dietze
24. Februar 2019 um 10:43

Die Erhöhung des Restbudgets ist nicht das Werk von Herrn Marotzke, sondern basiert auf einem Artikel in NATURE, siehe SPIEGEL unter

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimawandel-streit-um-co2-budget-der-menschheit-a-1170186.html

Meinem Kommentar zur Berechnung der 1000 GtCO2 wäre noch hinzuzufügen dass IPCC diesen Wert mit der 5fach zu hohen Verdoppelungssensitivität von 3 Grad berechnet hat. Nimmt man 0,6 Grad, so ergibt sich ein zulässiger Anstieg auf 815 ppm. Mit dem Anstieg der Senkenflüsse um 0,05 GtC pro ppm würden diese dann auf etwa 26 GtC/a ansteigen, was das 2,4-fache unserer heutigen Emission bedeutet. Also das Restbudget sowie den Kohleausstieg können wir vergessen!

Dr. Dirk Beckerhoff
24. Februar 2019 um 11:35

Bei den Aussagen von Herrn Marotzke handelt es sich, wie im Interview lang und breit ausgeführt, um die Ankündigung dessen, was der gesamte IPCC im nächsten Sachstandsbericht sagen wird – sofern er nicht erneut aus politischen Gründen manipuliert. Also: Keine Einzelmeinung sondern wissenschaftlicher Stand des gesamten IPCC! Offen bleibt derzeit nur, wie die Politik den wissenschaftlichen Konsens „verbiegen wird“. Fakt ist: Der Immissionsanteil pro Einheit Emission (wieviel wird von der Luft dauerhaft aufgenommen?) ist beim CO2 realiter deutlich geringer, als der IPCC bei seinen bisherigen Prognosen stets angenommen hat: Klassischer Annahmen-Irrtum!

Meine Recherchen zum „Restbudget“ ergaben dass dieses auf falschen Berechnungen beruht und je nach Ansatz beliebige Werte ergibt. Deshalb ist bei IPPC auch ein Streit darüber entbrannt. Für das 2-Grad-Ziel von Paris hatte Prof. Stocker für einen Anstieg von 400 auf 445 ppm unter der Annahme dass etwa 50% der Emission in die Senken geht (was völlig falsch ist, da der Senkenfluss NICHT von der Emission, sondern von ppm-280 abhängt), etwa 700 GtCO2 berechnet.

  • Wie in meinem Kommentar am 24.2. dargestellt, haben tatsächlich Richard J. Millar er al. in Nature Geoscience unter http://www.nature.com/articles/ngeo3031 ihre Studie veröffentlicht, wo sie einen weiteren Temperaturanstieg von 0,6 Grad (und folglich einen Anstieg auf etwa 467 ppm) zugrunde legen und bei ca. 54% Senkenfluss dann etwa 800 (oder eher 1000?) GtCO2 herausbekommen – angeblich sogar eine Vervierfachung des bisher geltenden Werts.

Es ist grotesk, welche Scharlatanerie hier betrieben wird – auf die wir dann den Kohleausstieg (!!) begründen. Tatsachen sind dass – gemäss IPCC mit 3 Grad pro Verdoppelung gerechnet, im Gleichgewicht bei 396 ppm bereits die 1,5 Grad-Grenze erreicht ist – und wir jetzt schon bei 406 ppm sind – also es GAR KEIN Restbudget gibt und die Emissionen sofort auf Null gehen müssten.

Andererseits gilt, wenn ein weiterer Anstieg um 0,6 Grad auf 815 ppm (im Gleichgewicht, gerechnet mit real 0,6 Grad pro Verdoppelung) zugelassen wird, dass die Senkenflüsse in Wirklichkeit von 6 GtC (bei 400 ppm) auf etwa 26 GtC/a ansteigen, was ca. das 2,4-fache unserer heutigen globalen Emission ist. Das heisst, CO2 ist ein SCHEINPROBLEM und Reduktionen zum Klimaschutz sind überhaupt nicht notwendig. Dem närrischen Treiben des IPCC sowie der laienhaften Klimaschutzpolitik muss daher schnellstens Einhalt geboten werden.

Frank Grabitz
22. Februar 2019 um 23:07

Dann warten Sie doch einfach ab, bis Sie es finden und dann dürfen Sie hier informieren.

Es bleibt aber die Frage ob unsere Qualitätsmedien diese Meldung des Spiegel und von Herrn Marotzke an die große Glocke hängen und unsere grünen Umweltpolitiker überhaupt offiziell davon Notiz nehmen und verarbeiten. Höchstens die AfD könnte im Bundestag darüber informieren um sicher zu stellen, dass es auch wirklich ankommt. Die nächsten Tage werden es zeigen, denn das Interview an sich ist erstaunlich. So gesehen müssten dann noch mehr Eingeständnisse kommen.

Funk René 
23. Februar 2019 um 13:47

372 Gigatonnen sind im Vergleich zum Gesamtgewicht der Atmosphäre irrelevant. Vor allem mit Einbezug der physikalischen und thermodynamischen Grundlagen und Hauptsätzen.

372 Gigatonnen entsprechend   372’000’000’000 Tonnen
Gewicht der Atmosphäre 5’130’000’000’000’000 Tonnen
In Prozent 0.007251%
An der Gesamtmenge des CO2 mit 0.04% verglichen, sind das immer noch lediglich 18.1275%.

Hinzu kommt die physiakalisch geringe Eigenschaft, in den schmalen Infrarot-Linien in den angeregten Zustand zu gelangen.

Form von O-C-O erlaubt nur 2 Haupt-Bindungsdehnungs-, 1 Biege- und 1 Rotationsmodi, die zu einer Infrarotabsorption führen. CO2 absorbiert bei λ = 15 μm und λ = 4.25 Infrarotwärme. Die stärkeren Linien bei λ = 4.25 μm, u = 11,75, erfahren eine 100-mal kleinere Überlappung zur schwarzen Körper Strahlung, als die Linien nahe 15 μm. Dementsprechend kann dieses Band nur einen kleinen Beitrag zur absorbierten Energie leisten.

Eine Verdoppelung des derzeitigen CO2-Wertes führt zu ∆T < 0,24 K. Der zehnfache Wert von co2 ergibt ∆T < 0,80 K. Diese moderaten Temperaturanstiege sind überhaupt nicht kritisch.

Die ewige Diskusion um CO2 ist völlig überflüssig und wird den weiteren Verlauf niemals beeinflussen. Die gewaltigen solaren und interplanetarischen Kräfte lassen sich durch menschliche Beschlüsse niemals beeinflussen oder steuern.

Gerald Pesch
24. Februar 2019 um 12:12

Und deswegen wurde ja auch der „Rückkopplungsfaktor“ erfunden, damit man die lächerlich geringe direkte Wirkung in einen politisch verwertbaren alarmistischen Wert hochmanipulieren kann. Die entsprechend konditionierten Computerprogramme spucken dann die erwünschte Klimaerwärmung aus und schon können die grünen Maschinenstürmer die „grosse Transformation“ ausrufen. Im Hambacher Forts sitzen die Öko-Kämpfer in den Bäumen und Greta organisiert das Schuleschwänzen zur Klimarettung. Die Klick-Medien hypen das Ganze bis zum pathologischen Exzess und die politischen Parteien (bis auf wenige Ausnahmen) prostituieren sich auf dem grüner Wählerstrich. Fazit: Wir schaffen das. Auweia…..

P. Dietze
23. Februar 2019 um 14:23

Ich habe mir überlegt, wie man das vielleicht ganz einfach berechnet hat. Da wir bei etwa 0,9 Grad angekommen sind, hätten wir noch 0,6 Grad zum Anstieg. Das bedeutet dass die CO2-Konzentration (hier im Gleichgewicht) von 406 auf 467 ppm steigen darf:

3*ln(467/406)/ln(2) = 0,6 Grad

Und wenn pro ppm 2,123 GtC in die Atmosphäre gehen und von der Emission 54% absorbiert werden, ergibt sich das Restbudget zu

61*2,123/(1-0,54)*3,667 = 1032 Gt CO2

Das ist allerdings eine Milchmädchenrechnung à la IPCC, denn die Senkenflüsse, die bei 400 ppm 6 Gt pro Jahr betragen und um 0,05 Gt pro ppm ansteigen, betragen bei 467 ppm dann 9,35 Gt – das wären etwa 86% unserer derzeitigen Emission!

T. Heinzow
22. Februar 2019 um 17:34

Wenn die Herrschaften sich doch das hier mal anschauen würden:

Erster Sonnenfleck des neuen Sonnenzyklus Nr. 25 ist da! Schwache Sonne – kühle Erde!

Vielleicht dämmerts dann ja mal bzgl. dessen, was demnächst an Abkühlung weltweit kommt. Dauert natürlich bis die 2/3 Meeresoberfläche und der „Golfstrom“ abgekühlt sind. Fakt ist jedenfalls, daß die Nordpolarmeereisfläche wieder seit Jahren zunimmt. Und die sog. Nordwestpassage ist wieder dicht.


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