Chronik Niederlein

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Niederlein

Die Vorfahren von Helene Gäbler geb. Niederlein aus Dresden

verfasst von ihrem Sohn Johannes Gäbler, Radebeul bei Dresden, 1980

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Vorbemerkungen

In meiner Arbeit "Gäblerheimat" berichtete ich über die Herkunft meines Vaters Heinrich Gäbler und seiner Brüder. Deren Vorfahren stammten sämtlich aus der Umgebung von Zittau, wo sie fast ausschließlich Bauern und Weber waren.

Nun will ich meinen Kindern und Enkeln erzählen, wer die Vorfahren meiner Mutter Helene Gäbler geb. Niederlein (29.10.1870, - 19.11.1959) und ihrer Schwester Elisabeth Trochold geb. Niederlein (27.10.1875 - 02.04.1967) waren. Hier handelt es sich großenteils um Handwerker aus Dresden, seiner näheren und weiteren Umgebung, aber auch aus anderen Teilen Sachsens und Deutschlands.

Mein Vater Heinrich Gäbler hatte durch Befragen der noch lebenden Verwandten und derjenigen meiner Mutter unsere Vorfahren und der Abkömmlinge, also eine Sippentafel der Verwandten zusammengestellt. Diese Tafeln gingen 1945 verloren, ebenso die von meinem verstorbenen Bruder Martin Gäbler (07.05.1902 - 19.05.24) hergestellte und ergänzte Abschrift der väterlichen Verwandten. Ich selbst begann unmittelbar nach dem Abiturientenexamen im Jahr 1925 mit der Forschung in den Kirchenbüchern Dresdens. Da die Vorfahren Niederlein meiner Mutter von Oberlandesgerichtsrat Walter Niederlein in Dresden-Laubegast bereits großenteils erforscht waren, begann ich mit den Vorfahren meiner Großmutter Selma Niederlein geb. Carl. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte setzte ich meine Forschungen fort, wobei ich nicht nur in den Kirchenbüchern Sachsens, sondern auch im Staatsarchiv Dresden und im Dresdner Stadtarchiv arbeitete, sowie mancherlei Druckschriften heranzog. Außerdem korrespondierte ich mit vielen anderen Forschern. Nun bin ich zu einem gewissen Abschluss gekommen, wobei ich bei meinen väterlichen Vorfahren (meine Arbeit "Gäblerheimat") schon wieder eine große Reihe von Ergänzungen gefunden habe.

Viele Lücken ergaben sich in Dresden, da im Jahre 1760 die Kreuzkirche, die Hauptkirche der Stadt, im Siebenjährigen Kriege in Trümmer fiel, damit auch die Kirchenbücher verlorengingen. Einen teilweisen Ersatz bilden die sogenannten Wochenzettel, die die Kirchen zur Berichterstattung an den Rat der Stadt sandten und die im Ratsarchiv Dresden erhalten sind. Sie enthalten manche Angaben über Taufen, Trauungen und Beerdigungen der Zeit vor 1760.

Die Kirchenbücher der übrigen alten Dresdner Kirchen (Annenkirche, Dreikönigskirche, Matthäuskirche) sind erhalten geblieben. Die Sophienkirche (einst nahe dem Postplatz gelegen) und die Frauenkirche führten kaum eigene Kirchenbücher.

Die Ahnentafel zeigt schon, dass die Eltern, Groß- und Urgroßeltern meiner Mutter sämtlich in Dresden geheiratet haben und auch dort gestorben sind.  Nachfolgend werden in den einzelnen Abschnitten die Vorfahren der Urgroßeltern meiner Mutter und deren Schicksale, soweit sie mir bekanntgeworden sind, besprochen.

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Friedrich Gottlob Niederlein, seine Vorfahren und Nachkommen

Der Familienname meiner Mutter kann verschieden gedeutet werden. Er  tritt als Niederle, Niederla, Niederlin, Niederlau, Niederley und Niederlein auf. Man kann ihn als eine Verkleinerung von Nieder auffassen, möglich ist aber auch eine Verstümmelung von Niederlehner, einem Lehensmann, der an tieferer Stelle eines Ortes siedelte. Vorwiegend findet sich der Name im süddeutsch-österreichisch-böhmischen Raume, er tritt aber auch bereits vor dem Jahre 1600 in der Zittauer Gegend, diesseits und jenseits der sächsisch-böhmischen Grenze auf. So gab es etliche Müllerfamilien Niederlein, unter ihnen einen Martin Niederlein im Jahre 1615 in Türchau, wenige Kilometer nordöstlich von Zittau, der einen Teil seiner Kinder in Zittau taufen ließ.

Ein Sohn dieses Müllers könnte der erste gesicherte Vorfahr Martin Niederle sein, obwohl seine Taufe nicht nachweisbar ist. Im Zittauer Kirchenbuch findet sich folgender erster Eintrag:

"Anno 1646. Augustus. Mittwoch 15. Martin Niederle, der Vater, ein Golttdrattwercker, die Mutter Anna, d. Kind Gottfried. Die Pathen H.(Herr) Martin Schwartzbach, Seidenkramer in der Kohlgassen, Gottfried Eichler, Herrn Martin Eichlers, Stadtrichterß am Ringe nachgelasner Sohn, Jungfr. Maria Elisabet, H. Johann Kißlingß, Med. Doct. und vornemer Practicus in der Webergassen Eheleibliche Tochter,"

Die Auswahl der Paten lässt darauf schließen, dass der Vater ein geachteter Mann in Zittau war oder einer bekannten Familie aus der Umgebung der Stadt entstammte, obwohl er sich nur vorübergehend in Zittau aufhielt. Dies folgt aus den Begräbniseinträgen des eben erst getauften Kindes und dessen Mutter:

"Anno 1646. Augustis. Freitag 17. Ist mitt Einem Abdancken begraben Martin Kiederless, Eineß Goldttdrattarbeitterß p. t. (pro tempore = zur Zeit) in der Böhmischen Gassen 6 Wochen Kindlein." (Ein Kind, das noch nicht 6 Wochen war, wurde als 6-Wochen-Kind bezeichnet.)

"Anno 1646. September. Montag 10.  Ist mitt Einem Abdancken begraben Martin Niederlß, Eines Golttdrattarbeiterß, dieser Zeitt in der Böhmischen Gassen sich aufhalttend Eheweib."

Nur 11 Wochen nach dem Tode seiner Frau, am 25.11.1646, heiratete Martin Niederle unfs Neue, vielleicht besaß er ein oder mehrere kleine mutterlose Kinder, obwohl wir von diesen später nichts erfahren:

"Anno 1646. Den 26. Sonntag nach Trinitatis.  Der Kunstreiche Martin Niederle, Ein Goltdratt-Arbeitter, ein Wittwer, Mitt Jgfr. Elisabett, weil. Georg Häntzschelß, Eines Fleischers zu Oschwitz Helicta fil. (nachgelassene Tochter)."

Unter Oschwitz ist sicherlich der Ort Oschitz (jetzt Osečná) südlich von Zittau in Böhmen zu verstehen. Später wird Elisabeth Niederle in Dresden als "eines böhmischen Exulanten Witbe" bezeichnet, wobei Exulanten Personen waren, die im Zuge der Gegenreformation ihres evangelischen Glaubens wegen ihre (böhmische) Heimat verlassen hatten. Wenn diese Angabe richtig ist, wäre doch nicht die Umgebung von Zittau die Heimat von Martin Niederle gewesen.

Martin Niederle war Golddrahtarbeiter, d.h. ein Kunsthandwerker, der z.B. Goldfiligranarbeiten herstellte. Wo er gelernt hat, ist bisher nicht feststellbar gewesen, möglicherweise könnte dies in Prag geschehen sein, zumal die Lausitz bis 1635 zum Königreich Böhmen gehörte, und er leicht dahin einwandern konnte. In Zittau wird Martin Niederle nach 1646 nicht mehr genannt, wir finden ihn aber in Dresden wieder, wo sicherlich am kurfürstlichen Hofe bessere Möglichkeiten zur Ausübung seines Berufes zu erwarten waren.

Sein Sohn Paul Niederle wird 1682 als 33jährig, 1663 und 1682 als aus Dresden gebürtig bezeichnet. Daher muss Martin Niederle zwischen 1646 und 1649 nach Dresden zugewandert sein. Der Dreißigjährige Krieg war beendet, aber für Martin Niederle scheint noch keine Möglichkeit bestanden zu haben, sein Kunsthandwerk auszuüben. Erstmals wird er in Dresden bei der Beerdigung eines Töchterleins am 11.06.1657 genannt. 1663 wird er als Goldschmied und gewesener Soldat in der Dresdner Unterguardia, 1675 als Goldschmied, 1680 anlässlich der Trauung seiner Tochter Anna Sabina als verstorbener "Churfürstlich Sächßischer Hofbefreyter Golddrath Arbeiter" bezeichnet.

Die Untergarde war eine Truppe, die die Stadttore bewachte, Absperrdienste bei Feierlichkeiten und Festlichkeiten versah und ähnliche Dienste leistete. Sie war bereits vor dem Jahre 1600 in einer Stärke von 100 Mann gegründet worden.

Hofbefreite waren Künstler und Handwerker, die nicht Bürger und nicht Angehörige einer Innung waren, sondern als Hofbediente dem Hofmarschallamte des Kurfürsten unterstanden.

Wir sehen also, dass Martin Niederle, da sich nach Abschluss des Dreißigjährigen Krieges die wirtschaftlichen Verhältnisse gebessert hatten, doch wieder in seinem Beruf tätig sein konnte und sogar beim Kurfürstlichen Hofe angestellt worden war. Er wurde am 17.06.1675 in Dresden begraben.

Seine Witwe Elisabeth überlebte ihn mehr als 25 Jahre. Sie kam allerdings bald in Not und so finden wir unter den Almosenrechnungen der Kreuzkirche, im Ratsarchiv Dresden aufbewahrt, im Band Ostern 1681 bis Ostern 1682, Blatt 115, folgendes Gesuch:

"Wohl Ehrenvester Hochachtbarer Wohlgelahrter und hochweiser in ehren geneigter H. Bürgermeister, Demselben wir wißend sein, das Gott der Herr mich in betrübten Witbenstand gesezet und in solche Armuth gerathen laßen, daß des Hungers ich mich nicht mehr erwehren kan. Daher ich gedrungen worden meine Zuflucht zu dem H. Bürgermeister zunehmen, indem ich erfahren, daß Maria Seyffertin die zeithero das Gottes Kasten Brodt genoßen, sich verheyrathen will. Wenn dann nun hierdurch sich diese Stelle erledigen wird. Als gelanget an den H. Bürgermeister mein freundliches Bitten, er wolle geruhen mich arme Witbe mit dem Auge der Barmherzigkeit anzusehen, und mich an der Stelle anzunehmen. Solches meinen andächtigen Gebeth hinwiederumb zuverdienen erkennen ich mich willig. Sign: Dreßden, 9. Jan.1682 Elisabeth Niederlauin .Des H. Bürgermeisters in ehrenwillige"

Ob dieses Gesuch sofort bewilligt wurde, wissen wir nicht.

Bei einer Eintragung Nicolai 1698 wird sie "Elisabeth Niederlauin, eines böhm. Exulantens Witbe" genannt, wie schon erwähnt worden ist. Sie erhielt als Unterstützung wöchentlich 3 Groschen und wohl auch Brote.

Anmerkung 1701: "den 19. May a.d. (Anno Domini) 1701 gehet ab Elisabeth Niederlauin."  Wahrscheinlich ist sie an diesem Tage oder kurz vorher verstorben.

Martin Niederle hatte mindestens sieben in Dresden geborene Kinder, von denen der Sohn Caspar als "Feldwaibel" (Feldwebel) bezeichnet wird. Zwei Söhne, Daniel und Johann Christoph, wurden Goldschmiede. Der letztere hatte zwei Söhne, die wiederum eine Goldschmiedelehre antraten. Die Tochter Martin Siederies, Anna Sabina, heiratete den Arzt Johann Christoff Creutzner in Dresden.

Das älteste der in Dresden geborene Kind Martin Niederles war der bereits genannte Paul Niederle (-lau). Sein Geburtsjahr war wahrscheinlich 1649, er wird 1663 und 1666 als Schlosserlehrling genannt. In der Dresdner Dreikönigskirche heiratete er am 12.10.1673:

"Paul Niederlau churf. Soltadt bey der Unter Guardi mit Jgfr. Annan, George Seyfferts, Churf. Soltadens bey der Unter Guardi Eheleibliche Tochter."

Paul Niederlau wird auch noch 1682 als Soldat bezeugt. Dann kehrte er aber zum Schlosserberuf zurück und heiratete in Chemnitz (St. Jacobi) am 23.08.1686 abermals, Maria Elisabeth Geyer:

"Paul Niederlau, Bürger und Schlosser in Dresden, Wittwer, mit Maria Elisabeth fla. (filia = Tochter) weil. Mathes Geyer, merseburgischen Amtmanns in der Grafschaft Forste."

Es ist anzunehmen, dass Maria Elisabeth tatsächlich unsere Vorfahre ist. Infolge der lückenhaften Unterlagen ist bisher ihr Todestag nicht nachweisbar, auch keine weitere Eheschließung von Paul Niederlau, der ab 1700 als abgedankter Soldat bezeichnet wird und am 04.03.1713 in Dresden beerdigt wurde.

Die Trauung der Eltern von Maria Elisabeth Niederlau geb. Geyer ist in Chemnitz unter dem 04.05.1647 verzeichnet und besagt, dass Mathias Geyer, "churfürstlioh sächsischer Steuerbedienter und Landschreiber in Chemnitz", Sohn des "verordneten Bürgermeisters der kaiserlich freien Bergstadt Schönfeld in Böhmen" (heute: Krásno, südwestlich von Karlsbad (Karlovy Vary) Bartholomäus Geyer war.

Mathias Geyer war mit Maria Elisabeth Greimius, der Tochter des Kantors der Chemnitzer Kirche St. Jacobi Elias Greimius verheiratet, der 1633 bei der großen Pestepidemie in Chemnitz starb. Dieser war der Sohn des Stadtrichters von Scheibenberg im Erzgebirge Fabian Greim und seit 1624 mit Maria Steiner, der Tochter des Chemnitzer Bürgers und Händlers Heinrich Steiner verheiratet.

Paul Niederlau hatte mindestens 13 Kinder, von denen Johann Caspar, geboren 1688, Bürger und Nagelschmied in Dresden war, und George Paul Soldat wurde. Einer der jüngsten Kinder war unser Vorfahr Heinrich Martin Niederley oder Niederlau. Er wurde am 27.12.1705 in der Dresdner Annenkirche getauft. Über sein Leben wissen wir nur, dass er Strumpfwirkergeselle war und etwa 1730 eine Anna Dorothea heiratete, deren Geburtsname aber wegen der fehlenden Kirchenbücher unbekannt ist. Sie starb im Jahre 1767 mit 58 Jahren. Ihr folgte ihr Ehemann im Februar 1778, er starb an "Steckfluß", wohl Lungenentzündung. Neben zwei Töchtern ist uns der Sohn Johann Heinrich Niederley bekannt, der 1737 geboren, Pachtgärtner war.

Ein weiterer Sohn von Heinrich Martin war unser Vorfahr Johann Immanuel Niederley oder Niederlein, ebenfalls Pachtgärtner in Dresden, geboren 1746, der am 14.10.1770 in der Dresdner Frauenkirche getraut wurde:

"Johann Emanuel Niederlein, Pachtgärtner allhier, Heinrich Martin Niederleins, Strümpfwürckers allhier eheleibl. Sohn, und Jgfr. Johanna Sophia, Friedrich Gottlob Stielerts; Bürgers und Brandtweinbrenners allhier nachgel. Tochter."

Über den Vater Friedrich Gottlob Stielert, der teilweise auch als Tagarbeiter bezeichnet wird, ist nur bekannt, dass er aus Dresden stammte und am 24.03.1733 Dresdner Bürger wurde. Seine Frau Johanna Sophia, wiederum ist ihr Familienname nicht bekannt, starb 1778 im Alter von 66 Jahren.

Ihre Tochter Johanna Sophia verw. Niederlein geb. Stielert heiratete 1805 im 56. Lebensjahre nochmals, und zwar den verabschiedeten Canonier, Karl Christian Jentz oder Gentz, Schneider, ab 1780 Kanonier, geb. um 1762. Über das weitere Schicksal dieses Ehepaares wissen wir nichts.

Der älteste Sohn von Johann Immanuel (zwei weitere Kinder starben klein) war unser Vorfahr Friedrich Gottlob Niederlein, der, laut Taufeintrag in der Kreuzkirche, am 22.07.1771 nachmittags 2 Uhr geboren wurde. Das Bürgerrecht erlangte er als Kammachermeister am 30.07.1803 und heiratete am 16.10.1803 Christiane Juliane Gallwitz aus Lommatzsch. Er starb, noch nicht 40jährig, am 11.5.1811 und hinterließ vier Kinder, von denen die Tochter mit 6 Jahren starb.

Ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes heiratete Christiane Juliane Niederlein geb. Gallwitz den 13 Jahre jüngeren, erst 21jährigen aus Großenhain gebürtigen Kammachermeister Johann August Krille, der wahrscheinlich die Werkstatt ihres ersten Mannes übernahm und dem sie noch drei Kinder schenkte. Nach ihrem Tode ging dieser eine zweite Ehe mit Johanna Carolina Täschner aus Dahlen bei Oschatz ein, die Pate bei meiner Mutter wurde, aber bereits etwa 1875 starb.

Der jüngste Sohn von Friedrich Gottlob Niederlein, Ernst Moritz Niederlein, wurde Klempnermeister in Dresden, die beiden anderen wurden, wie der Vater, Kammacher: Ernst Friedrich Carl Niederlein und Friedrich August Niederlein.

Der Sohn von Ernst Moritz Niederlein, ebenfalls Ernst Moritz (1842-1903), war Stadtbuchhalter in Dresden. Er heiratete Elisabeth Wigard (1844-1934), die Tochter von Franz Wigard, der, aus München stammend, als Schüler von Gabelsberger dessen Stenografiesystem nach Sachsen brachte, in Dresden Landtagsstenograf war, dem Frankfurter Parlament 1848/49 als Dresdner Abgeordneter angehörte, später Medizin studierte und ein bekannter Dresdner Arzt wurde. Ihm zu Ehren gibt es in Dresden eine Wigardstraße. Der jüngste Sohn des Stadtbuchhalters war Oberlandesgerichtsrat Dr. Walter Niederlein, der sich Jahrzehnte um die Erforschung der Namensträger Niederlein bemühte. Er war Jürgen Gäblers Patenonkel und kam 1945 ums Leben. Sein Sohn Wigard (mein Pate) lebt in Dresden-Laubegast und hat 7 Kinder.

Der älteste Sohn von Friedrich Gottlob Niederlein war Ernst Friedrich Carl Niederlein, der als Kammachermeister seine Werkstatt hinter der Annenkirche in Poppitz hatte (benannt nach einem vor Jahrhunderten nach Dresden eingemeindeten dort gelegenen Dorf). In seinem Hause wurde seine Enkelin, meine Mutter, geboren. Von ihm ist ein Stammbuch erhalten mit vielen Eintragungen besonders von anderen Gesellen, die er auf seiner Wanderschaft als Handwerksbursche durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Italien traf. Auch seine spätere erste Frau und Cousine Juliana Wercker aus Meißen ist in diesem Stammbuch durch folgenden, eigenhändig geschriebenen Vers vertreten, mit einem Kranz nach Art der Meißner Blumenmalerei verziert (vielleicht war sie Blumenmalerin in der Porzellanmanufaktur?):

Bester Freund sey zufrieden
Bin ich gleich jetzt manchen Tag,
Also weit von Dir geschieden,
Das ich Dich nicht sehen kann,
Doch ich hoffe mit verlangen,
Das der Himmel uns vereint.
Für Dein Wort thut mir nicht bangen,
Weil Dus redlich stets gemeint,
Deine Dich stets liebende
Juliana Werker
Meißen, den 1ten May 1831

Zurückgekehrt von der Wanderschaft heiratete Ernst Friedrich Carl Niederlein dann auch diese seine Cousine in Meißen am 29.04.1832.

Nach ihrem frühen Tode am 22.07.1837 ging er wieder mit einer Cousine, Johanna Laura Schilde, die Ehe ein. Seine und seine beiden Frauen Mütter waren Schwestern und Töchter von Christian Gottlieb Gallwitz in Lommatzsch. Ernst Friedrich Carl Niederlein starb, 82 Jahre alt, im Jahre 1887. Über die Vorfahren Gallwitz und Schilde hören wir später.

Der Sohn seiner ersten Frau war der Buchbinder Carl August Niederlein, geboren 1833, der 1877 unverheiratet starb. Der jüngere Sohn seiner zweiten Frau war Carl August Moritz Otto Niederlein, der, wie der Vater, Kammacher wurde, dessen Werkstatt übernahm, infolge des Niederganges der Handwerksbetriebe nicht bestehen konnte und schließlich nach dem Tode seiner ersten Frau unter Zurücklassung seiner Kinder nach Hannover ging, wo er 1922 starb.

Von ihm stammte der etwa 1927 mit Frau und zwei Töchtern nach Amerika als Mormone ausgewanderte Sohn Karl ab, der in Berlin eine Bäckerei besaß. Karl starb während des zweiten Weltkrieges in Amerika, seine Frau, die "Tante Anna", schickte uns nach dem Kriege viele Pakete mit Lebensmitteln und Kleidung, die uns in großer Not sehr halfen. Ihre beiden Töchter Erika verh. Walter Kempe (dieser 1978 verstorben) und Hildegard verh. Robert Feinauer leben in Amerika und haben Kinder und Enkel.

Ein Bruder von Karl war Otto Niederlein, Postbeamter in Bautzen, der zwei Söhne der ersten und den Sohn Wolfgang der zweiten Frau hatte, letzterer trat vor Jahren mehrfach als "Moderator" im Fernsehen auf. Ein weiterer Bruder von Karl und Otto, Paul, starb unverheiratet im Heim der Inneren Mission "Bethesda", dem jetzigen Radebeuler Krankenhaus. Eine Schwester Martha verh. Jürgens war in Hannover kinderlos verheiratet.

Der ältere Sohn der zweiten Ehe von Ernst Friedrich Carl Niederlein war mein Großvater, Schuldirektor Karl August Moritz Niederlein (1842-1914), über den meine Mutter in ihren "Lebenserinnerungen" ausführlich berichtet hat.

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Die Vorfahren der Schwestern Gallwitz

Der bereits erwähnte Christian Gottlieb Gallwitz war der Vater der drei Schwestern Johanna Dorothea (geb. 1775), Christiana Juliana (geb. 1777) und Johanna Rosina Gallwitz (geb.1784).

Sein Vater Anton Gottlieb Gallwitz war Schuhmacher in Lommatzsch. Dessen Vater war Christian Gallwitz (Gollwitz, Golbitz), der in Ostrowo in Polen lebte. Er war ebenfalls Schuhmacher. Anton Gottlieb war wahrscheinlich auf der Wanderschaft nach Lommatzsch zu Christian Dietrich gekommen, der als Schuhmacher wohl sein Meister war. Kurz nach dessen Tode heiratete Anton Gottlieb des Meisters älteste Tochter Anna Rosina Dietrich, die ihm 9 Kinder schenkte, von denen mindestens drei klein starben. Über die Vorfahren von Christian Dietrich und seiner Frau Rosina geb. Steude hören wir später mehr.

Der älteste Sohn von Anton Gottlieb Gallwitz war der anfangs genannte Christian Gottlieb Gallwitz, geboren 1743, der ebenfalls Schuhmacher war, er heiratete in Lommatssch Johanna Magdalena Arras, über deren Vorfahren nachher vielerlei au berichten ist. Er starb 1793 und hinterließ einen Sohn und drei Töchter, während vier Kinder klein starben. Sein Sohn, ebenfalls Christian Gottlieb Gallwitz, verblieb in Lommatssch. Die älteste Tochter Johanna Dorothea heiratete den Meißner Kammacher Johann Gottfried Wercker, die mittlere Tochter Christiana Juliana Gallwitz, wie oben berichtet, den Dresdner Kammacher Friedrich Gottlob Niederlein und die jüngste Tochter Johanna Rosina Gallwitz den Dresdner Gürtlermeister Johann August Schilde. Der Sohn der mittelsten Tochter war unser bereits genannter Vorfahre Ernst Friedrich Carl Niederlein, der zunächst die Tochter Juliana seiner Tante Johanna Dorothea verehel. Wercker und nach Julianes Tode die Tochter Juliana Laura seiner Tante Johanna Rosina verehel. Schilde heiratete, wie bereits berichtet.

Da nicht nur Friedrich Gottlob Niederlein, sondern auch Johann August Schilde mit etwa 40 Jahren starb, heirateten die Schwestern Christiana Juliana Niederlein geb. Gallwitz und Johanna Rosina Schilde geb. Gallwitz bald nach dem Tode ihrer Männer nochmals, die erstere den schon erwähnten Johann August Krille, die letztere wieder einen Gürtler, Karl Moritz Hänsel, wie wir noch hören werden.

Die Frau von Christian Gottlieb Gallwitz war Johanna Magdalena Arras, Tochter des Lommatzscher Kürschnermeisters Christian Arras und der Maria Sophia Güther aus Strehla an der Elbe. Deren Vater, der Schneider Johann Christoph Güther, stammte aus Ronneburg in Thüringen, wo die Familien Güther und Zeidler seiner Eltern mehrere Generationen zurückverfolgt werden konnten.

Johann Christoph Güther hatte sich verheiratet mit Maria Elisabeth Apitz, Tochter von Christian Apitz, Weißgerber in Strehla, der aus einer alteingesessenen Familie der Stadt Oschatz stammte, während die Mutter Dorothea Reinhard den Schilfmüller Paul Reinhard in Strehla zum Vater hatte

Im 17.Jahrhundert gab es auf der Elbe zahlreiche Schiffmühlen, die im Fluss verankert waren und durch den Elbstrom angetrieben wurden. Paul Reinhard oder Reinhart kaufte die Schiffmühle am 27.04.1633 für 300 Gulden von den Erben seines Vorgängers. Vorher war er Windmüller in Altenau, nördlich von Strehla gewesen. Er wurde dann auch noch Besitzer einer weiteren Schiffmühle in Bobersen flussaufwärts von Strehla bei Riesa.

Christian Arras, der fast 89jährig im Jahre 1802 in Oschatz starb, und seine Ehefrau Maria Sophia geb. Güther hatten neben zwei klein gestorbenen Kindern einen Sohn Christian Gottfried Arras, der ebenfalls Kürschner wurde und in Lommatzsch verblieb, und vier Töchter, von denen die beiden jüngsten zwei Brüder Wiedemann, Schuhmacher in Oschatz, heirateten. Bei ihnen verbrachte wohl der alte Vater Christian Arras seine letzten Lebensjahre. Seine älteste Tochter Christiana Sophia heiratete den Dresdner Kammachermeister Carl Daniel Huthmann, während Johanna Magdalena Arras als Frau von Christian Gottlieb Gallwitz unsere Vorfahre wurde.

Schon der Vater von Christian Arras, Sixtus Arras (1673-1745), war Kürschner-Meister in Lommatzsch. Er war dreimal verheiratet und hatte sechs Söhne und drei Töchter. Entsprechend einer damaligen Sitte gaben die Eltern einem jüngeren Kind oft den Namen eines vorher verstorbenen Kindes. So wurden drei Kinder David nach dem Vornamen des Großvaters von Sixtus genannt. Zwei Söhne, der von der zweiten Frau abstammende Sixtus, und Christian wurden die Ahnherren einer zahlreichen Nachkommenschaft. Letzterer war der Sohn der dritten Frau von Sixtus, der Tochter Magdalena Krebs des Christian Krebs, dessen Herkunft und diejenige seiner Frau Magdalena nicht bekannt ist. Christian Krebs war in Grubnitz, später Oelsits bei Riesa Pachtmüller.

Die Chronik von Lommatzsch berichtet, dass bei dem Stadtbrand am 30.05.1727 103 Häuser der Stadt vernichtet wurden (die Stadt bestand aus etwa 25O Häusern), darunter auch die Häuser von Sixtus Arras und seines Sohnes Sixtus. Bei einem Feuer im Jahre 1756 wurde dann das wiederaufgebaute Haus des Sohnes zur Eindämmung des Feuers eingerissen.

Der Vater unseres Vorfahren Sixtus Arras hieß ebenfalls Sixtus. Dieser Sixtus Arras (1621-1676) trat 1640 in Lommatzsch in die Bäckerlehre ein, wurde 1643 Geselle und 1651 Bäckermeister, Am 11.11.1651 heiratete er Gertraute Rösch, die ihm zehn Kinder schenkte, von denen drei klein starben, während sich drei Söhne und vier Töchter verheirateten. Die Söhne David und der jüngste Sohn, unser Vorfahr Sixtus, hatten viele Nachkommen, wovon auch heute noch Namensträger Arras vorhanden sind. Etliche Generationen Bäcker, später Müller Arras lassen sich nachweisen. Am 26.01.1652 kaufte Sixtus Arras für 50 Gulden eine Brandstatt in Lommatzsch in der Meißner Gasse, um darauf ein Haus zu bauen.

Seine Frau Gertraute geb. Rösch kam durch die 2. Ehe ihrer Mutter Maria verw. Rösch geb. Altner mit dem Sattler Wilhelm Breuer nach Lommatzsch, nachdem deren erster Mann Andreas Rösch, aus der Umgebung von Leipzig stammend, Besitzer eines Pferdnergutes in Klein-Pösna, im Dreißigjährigen Kriege im Jahre 1635 als Soldat auf der Leipziger Festung Pleißenburg ums Leben kam. Darüber berichtet das Gerichtsbuch Leipzig, Bd.523 Blatt 28 (aufbewahrt im Staatsarchiv Dresden): 08.09.1636:

"Zu wißen sey hiermit, damnach Andreas Rösche gewesener Soldat auff der Vhestung Pleißenburg alhier zu leiptzigk, sonsten aber inwohner zu Kleinem Peßna, im abgewichenen Jahr durch etliche Soldaten auff der Straße angegriffen, ihm seine Pferde abge¬nommen, er darüber erschoßen worden, vndt also Schändlich vmb sein Leben kommen, dadurch seine hinterbliebene Witbe nicht allein in großes Schrecken vndt Elendt gerathen, Sondern auch die Haußhaldung wegen der täglichen Schweren und Unerträglichen einquartierungen Plackereyen, Contributionen, entrichtungen der ordinarii vndt anderer gefalle, zu malen weiter gedachter ihr Ehemann biß in 500 Guld. Schulden verlaßen vndt von Mobil, nicht das geringste vorhanden, langer alßo nicht fuhren können zu der abfindung der Kinder gantz kein ander Mittel gewust, als daß das gut veralimiret vndt verkauift werden mußte, inmaßen die Wittibe am 19. Julij dießes Jahres erschienen vor mir ...   

Die Subhastation wird angeordnet und das Gut verkauft; Alß ist Andreas Röschens gewesenes Pferdnerguth, wie solches im Dorff Klein Peßna und zwischen Lorenz Sperlings und Hanß Seyferts Gütern gelegen, mit allen zugehörungen u. gebeuden, gärten und ackern zowol mit 2 darinnen vorhandenen Pferden, Schiff f. Geschir, eine Kuhe, 8 Schweine vndt allen darinnen vorhanden. Feder Viehe Caspar Jenichen, Burger vndt Jahr Koch zu Leiptzigk vndt seinem Weibe (Marien Magdalenen) vmb 1900 Gulden Kauf Summa zugeschlegen. Die Röschische Witbe hat freye Herberge im guthe auf ein Jahr lang. 8.9.1636"

Im gleichen Gerichtsbuch, Blatt 24 vom 20.7.1636 werden ihre unmündigen Kinder aufgezählt: Anna, Barbara, Georg, Hanß, Gertraude. Beim Tode des Vaters war unsere Vorfahre Gertraude erst drei Jahre alt, denn sie wurde am 22.5.1632 in Kleinpösna bei Grimma getauft.

In dem genannten Gerichtsbuch, Blatt 36 vom 25.11.1636 heißt es beim Vergleich der Mutter mit ihren Kindern wegen des Vaterteils:

"gedachte Wittibe an itzo sich mit dem Brbarn vndt Mannhafften Wilhelm Breuer, Vnter ihrer Churf. Durchl. Leib Compagnia Fahnen Sattlern wiederumb zu uerehelichen gesonnen."

Wilhelm Breuer war Bürger und Sattler in Lommatzsch und nur zeitweise "Fahnensattler" in Dresden. Die Schwester Barbara von Gertraute Rösch heiratete den Lommatzscher Böttcher Wenzel Hermann.

Die Vorfahren von Gertraute Rösch können wir bis vor das Jahr 1600 zurückverfolgen, sie waren sämtlich Bauern in der Umgebung von Leipzig, teilweise wurden sie auch als Pferdner, d.h. Besitzer eines größeren Gutes bezeichnet.

Der sehr seltene und in Lommatzsch nicht gebräuchliche Vorname Sixtus führte mich nach längerer Sucharbeit zu dem überraschenden Ergebnis, dass der Bäckermeister Sixtus Arras väterlicher- und mütterlicherseits von Pfarrerfamilien abstammte. Zunächst fand sich der folgende Traueintrag in Lommatzsch:

"1632. Herr Jacob Prescher, Bürger alhier, mit Frau Annen, des weilandt Ehrwirdigen. Achtbaren und Wolgelarten Herrn Davitis Arras, Pfarrers zu Beicha hinterlassener Wittwe ehelichen getrauet den 14. February."

Dass diese Anna die Mutter von Sixtus Arras war, ergibt sich aus dem Gerichtsbuch Lommatzsch Nr.40, Blatt 611:

"Vergleichung Sixti Arraßens mit weyland Herrn Jacobi Preschers . Gantoris seel. hinterlaßenen Kindern Vormündern. Zue wissen denen es nötig, demnach die Erbare und viehltugentsame Fraue Anna, weyland Herrn Jacobi Preschers Cantoris alhier Ehe-licher Haußfrau am 1O.Novembris Anno 1640 coram actis undter andern disponiret, das Ihr bemelter Eheherr und obgesezter Sohn alle außenstehenden Schulden, wie die Nahmen haben, und undter weß Jurisdiction solche stehen, So nach absugk 200 fl. (Gulden) dem Sohne außgesetzten Vatertheile, besage aufgerichteten Inven-tariy annoch auf 684 f1. 12 gr. belauften zuegleicher Theilung Einnahmen und einheben mögen, weilen aber in Zwischen die Landes ruin krig, brand und Plünderung soviehl causiret, daß der Sohn Sixtus Arraß bis dato sein Vatertheil darum nicht complet: Auch der Stiefvater Herr Jacob Prescher bey seinen leben von diesen Schulden gar ein weniges mit dem Sohne in Theilung erlangen können, Und also nach absterben Herrn Jacobi Preschers Gantoris, die witbe Frau Margaretha wieder ad secundas nuptias (zur 2. Ehe) schreiten wollen, hat Sie am 4. January 1656 bey ausmachung der kindere Vatertheil solche Schulden und Ihre part (ihr Teil) davon denen kinderen und Vormünderen mit Sixto Arraßen, dem Stieffsohne uf Gewinst und Verlust Zu gleicher Theilung ein Zufordern consentiente curatore cetiret (mit Genehmigung ihres Vormundes, Frauen konnten damals nicht selbständig handeln) abgetreten und übergeben, derowegen heut acto Sixtus Arraß und Prescherischer kindere Vormundere sich Zuesammen betaget und sowohl eingehobenen alß noch außenstehender Schulden wegen berechnung gepflogen, ..."

Aus der Urkunde folgt weiter, dass Maria Magdalena, Martha und Anna Christina Kinder von Jacob Prescher waren. Als Vetter von Sixtus Arras wird der "Churf. Landrenthmeister Braun zu Dreßden" erwähnt. In dem Schriftstück vom 02.07.1658 wird ferner "Martin Waude der Prescherischen kindere Stieffvater" genannt.

Diese Gerichtsbucheintragung zeigt, dass im Jahre 1656 bereits die Mutter Anna (geb. Naumann) und der Stiefvater Jacob Prescher, Kantor in Lommatzsch, verstorben waren und die Stiefmutter Margaretha abermals geheiratet hatte. Ihr zweiter Ehemann war der Bäckermeister Martin Waude, der nach Margarethes Tode noch Anna Fischer und schließlich Regina Thieme ehelichte.

Wiederum nach Martin Waudes Tode im Jahre 1677 heiratete diese seine dritte Frau den Stadtrichter und Witwer Georg Fischer. Da die Mutter von Sixtus Arras ihre erste Ehe 1618 einging, ergeben sich in dieser "Kettenehe" somit weitere sechs Trauungen: Anna verw. Arras geb. Naumann 1632 mit Jacob Prescher, Jaoob Prescher etwa 1641 mit Margaretha Eichler, Margaretha verw. Prescher geb. Eichler 1656 mit Martin Waude, Martin Waude 1665 mit Anna Fischer, Martin Waude 1671 mit Regina Thieme, Regina verw. Waude geb. Thieme 1678 mit Georg Fischer.

Diese Kettenehe zeigt die hohe Sterblichkeit im 17. Jahrhundert, im Durchschnitt bestanden diese Ehen also nur etwa sehn Jahre. Aus diesen sieben Ehen gingen mindestens 20 Kinder hervor, die in der Mehrsahl klein starben. Besonders schlimm wirkte sich die im Jahre 1633 in Lommatzsch auftretende Pest aus. Im Dezember dieses Jahres starben die drei Brüder Christoph, Jeremias und Daniel von Sixtus Arras und ein Kind von Jacob Prescher, wohl ebenfalls ein Kind von Anna geb. Naumann.

Der Vater von Sixtus Arras war David Arras, Pfarrer in Beicha bei Lommatzsch. Er wurde 1587 oder 1588 in Wurzen geboren, besuchte von 1603 bis 1609 das Gymnasium in Grimma, anschließend die Universität Leipzig. Im Jahre 1617 wurde er Pfarrer in Beicha, wo er 1630 starb. Da die Kirchenbücher von Beicha verbrannt sind, ist sein Todestag nicht festzustellen. Zufällig ist aber sein Traueintrag und der Taufeintrag seines Sohnes Sixtus erhalten geblieben, da diese im bei Oschatz gelegenen Pfarrhaus Schweta seines Schwiegervaters, Pfarrer Jeremias Naumann, verzeichnet sind:

"Der Ehrwürdige und Wohlgelahrte Herr David Arraß, Pfarrherr zu Beicha 17.2.1618 in Schweta Jungfrau Anna Naumann, (Tochter von) Pfarrer Jeremias Naumann in Schweta."

Besonders bemerkenswert ist der Taufeintrag unseres Vorfahren, des späteren Lommnatzscher Bäckermeisters Sixtus Arras, im Schwetaer Kirchenbuch vom Jahre 1621:

"Den  26.Novembris Vmb 6 Uhr vormittage ist meiner Tochter Anna, Herrn Davidts Arraß, Pfarherren zu Beichav Ehefraw, welche auf ihrer Schwestern Sybillen alhier zur Hochzeidt gewesen, undt nach solcher vor 8 Tagen verrichteten Hochseit gelegen undt einen Jungen Sohn geboren, welcher folgenden Tages als den 27. Novembris getauffedt, undt in der Tauffe Sixtus genennedt worden. Die Taufpathen seindt gewesen: Die Edle, Ehrenvieltugendreiche Jungfraw Elisabeth, des auch Edlen Gestrengen undt Ehren-vhesten Georgiy Cosmi von Shalhausen als Pacht Inhabers des Guttes Schwedtaw Eheleiblichen Tochter Undt dann der Ehrwirdige, Undt wolgelahrdte Herr Joachim Cramerus, Pfarherr au Limpach."

Die Hochzeit von Sybilla Naumann mit Sixtus Arras, Diakonus in Trebsen, Bruder des Kindesvaters, hatte am 20.11.1621 in Schweta stattgefunden. Es hatten somit zwei Brüder Arras zwei Schwestern Naumann geheiratet. Dieser Sixtus Arras wurde dann Nachfolger im Amt seines Schweigervaters Jeremias Naumann, den er aber nur zwei Jahre bis 1628 überlebte.

David, der Vater des Bäckermeisters, und Sixtus Arras waren Söhne des Grimmaer Superintendenten David Arras, der 1545 in Wurzen geboren wurde, die Fürstenschule in Grimma ab 1557, die Universitäten Leipzig ab 1561 und Jena ab 1567 besuchte. Am 11.01.1571 wurde er in Jena  Magister, dann in mehreren Orten Pastor, ab 1584 Diakonus in Wurzen und 1592 Superintendent in Grimma, wo er am 19.07.1612 starb. Sein Vater war der Wurzener Tuchmacher Bartholomäus Arras, sein mütterlicher Großvater Matthäus Trage, Bürgermeister in Wurzen, der 1552 starb.

Superintendent David Arras hatte 12 Kinder, von denen ihn 5 Söhne und 5 Töchter überlebten, vier der Söhne wurden Pfarrer. Er heiratete im Jahre 1573 Barbara Braun, die Tochter des Wurzener Stiftssuperintendenten Valentin Braun.

Über den Superintendenten David Arras existiert eine gedruckte Leichenpredigt.  Derartige Leichenpredigten wurden seinerzeit für bedeutendere Persönlichkeiten veröffentlicht. Sie enthielten neben der Würdigung des Verstorbenen oft ausführliche Angaben über sein Leben und seine Verwandtschaft.

Die Leichenpredigt auf David Arras erschien unter dem Titel: "Leichenpredigt auf David Arras, gehalten von M. Johannes Albertus in Grimma, Diener der Kirchen am Wort Gottes daselbsten. Gedruckt zu Leipzig Bey Tobias Beyer Anno MDGXII." Der Text beginnt folgendermaßen:

"Eine Christliche Ehren oder Leichpredigt / Bey dem Volckreichen Leichbegängniß / des Ehrwürdigen / Achtbarn und Wolgelahrten Herrn / M.David Arras, Superintendenten zu Grimm, Welcher den 19. Julii dieses instehenden 1612. Jahres in Christo wol vnd selig entschlaffen / vnd den 21. hernachen in vnsrer lieben Frawen Kirchen / ehrlichen in die Erden ist gesetzet worden. Vber den  Spruch Pauli / 1. Cor. 2.2. Ich hielt mich nicht dafür / daß ich etwas wüste / vnter euch / ohn allein Jesum Christum den Gecreutzigten. Zum Trost / Gedechtniß vnd Ehren Des Ehrwürdigen / Achtbarn vnd Wolgelarten Herrn M.David Arras sehligen / vnd.  in Gottruhende Weiland Superintendenten zu Grimm / hinderlassenen hochbetrübte Wittwe / Söhnen vnd Töchtern.

Als der Erbarn vnd viel Tugentsamen Prawen Barbarae / Herrn M. Valentini Brauns / Weiland Superintendenten zu Wurtzen / Ehe-leiblichen Tochter / nun mehr hinderlassene Wittwe / Valentino Arras. Frawen Barbarae / des Achtbarn vnd Wolgelarten Herrn M. Johan. Schellenbergij Rectoris in Freybergk Ehlichen Haußfrawn Frawen Annae, Leonhardt Beyern / Bürgern daselbsten Ehlichen Haußfrawen. Frawen Catharinae, des Ehrwürdigen / Achtbarn vnd Wolgelarten Herrn M. Zachariae Zimmermanns / Pfarrers zu Hohenstadt Ehlichen Haußfrawen. Frawen Marthae, Herrn Christophori Sauberzweigks Schösser in Böhlen / Ehlichen Haußfrawen. Jungfrawe Reginae Arrassin. Davidi, Bartholomaeo, Christophoro vnd Slxto Arras. .....

Sein Leben ist erbar vnd auffrichtig / on alle grobe vbelthat gewesen; In seinem Ampt vnd Regiment verständig / freundlich vnd glimpfflich / wenn im schon bißweilen eingeredet wurde / er solte ein wenig einen Ernst brauchen: Da gab er zur antwort vnd war sein Symbolum: Qui nescit dissimulare, nescit etia imperare. Wer nit versehen vnd verhören / der kan nit regiere. Meines Wissens hat er keinen Menschen / wes Standes er gewesen / gedrücket."

Der Schwiegervater von David Arras, Valentin Braun, ist wahrscheinlich 1498 (nach anderen Angaben 1495) in Erfurt geboren und starb am 20.6.1598 in Wurzen. Auch über ihn existiert eine Leichenpredigt, aus der zu entnehmen ist, dass er ab 1538 in Wittenberg studierte und Famulus von Luther war, "bei Luther und Melanchthon überaus wohl gelitten". 1541 ernannte ihn die Universität Wittenberg zum Magister. Vor der Wittenberger Zeit war er seit 1533 in Erfurt im Schuldienst. Über Oschatz und Döbeln kam er 1559 oder 1560 als Pfarrer und Superintendent nach Wurzen.

In die Amtszeit von Valentin Braun fällt im Zuge der Reformation die Übergabe des ehemaligen katholischen Bistums Meißen an den Landesherren, Kurfürst August von Sachsen, der die Regierungs- und Verwaltungsvollmachten erhielt. Das Bischofsamt, das der letzte katholische Bischof Johann von Haugwitz bis zum Jahre 1581 ausgeübt hatte, wurde dem Superintendenten Valentin Braun als nunmehrigem Stiftssuperintendenten von Wurzen übertragen. Unser Vorfahr war damit eigentlich der unmittelbare Nachfolger des letzten Bischofs von Meißen. Erst im Jahre 1921 wurde das katholische Bistum Meißen mit Sitz in Bautzen neugegründet.

In Wurzen bemühte sich Valentin Braun um Ausbreitung und Festigung der evangelischen Lehre. Seine Verdienste würdigte der Kurfürst August (im Volksmund zusammen mit seiner Frau: Vater August und Mutter Anna genannt) durch eine lebenslange Rente von 150 Gulden, Im Jahre 1577 unterschrieb Valentin Braun die "Konkordienformel", eine Lehrnorm der evangelischen Kirche, zu der sich alle Prediger durch Unterschrift bekennen mussten und die das durch Anhänger Melanchthons verfälschte Luthertum wiederherstellen sollte. Als Nachfolger des Kurfürsten August vertrat aber sein Sohn Christian ab 1586 Kurfürst, eine freiere theologische Richtung, wodurch er die Geistlichen veranlasste, vier Sätze zu unterschreiben, die die Abschaffung der  Konkordienformel bedeuteten. Die allermeisten Pfarrer, so auch Valentin Braun, unterschrieben auch diese Sätze. Dadurch kam er in den Verdacht der Charakterschwäche und verlor an öffentlicher Gunst. Nach Christians Tode im Jahre 1591 verlangte die neue Regierung, die wieder eine streng lutherische Richtung einnahm, dass Valentin Braun seine frühere Schuld durch eine Sendschrift ausdrücklich bekennen sollte. Da er dies ablehnte wurde der über neunzigjährige im Jahre 1592 von seinem Amt als Stiftssuperintendent abgesetzt. Er starb, fast hundertjährig, am 20.6.1598.

Einige Jahre vor seinem Tode machte Valentin Braun ein Vermächtnis von jährlich 24 Thalern für studierende Nachkommen (Freunde genannt) bzw. Döbelner Bürgersöhne.

Seine Frau Barbara, die 1603 starb, war die Tochter von Johannes Sohreber, der 1515 bis 1548 Stadtschreiber und Bürgermeister in Oschatz war, während sein Vater gleichen Namens als "Herzoglischer Rentmeister" in Oschatz bezeichnet wurde.

Von Valentin Braun kennen wir vier Söhne und drei Töchter. Ein Bild von ihm und seiner Familie ist im Wurzener Dom vorhanden. Der Sohn Sixtus war Bürgermeister in Naumburg und wurde angeblich "in Edelstand erhoben". Der Sohn Valentinus war zuletzt Superintendent in Leisnig und dessen Sohn war der bereits erwähnte Landrentmeister Matthäus Braun in Dresden, Der Sohn Christophorus wurde Phil. und Med. Doctor in Leipzig und dessen Sohn Johann Christoph Jur. Doctor und Königlich Schwedischer Kriegsrat. Seine Tochter Anna heiratete den Oschatzer Bürgermeister George Wenden, die Tochter Catharina den vornehmen Wurzener Bürger Johann Eulenau, dessen Sohn Johannes Konrektor der Kreuzschule zu Dresden wurde. Und die Tochter Barbara war mit unserem schon genannten Vorfahren dem Grimmaer Superintendenten David Arras verheiratet.

Auch die Vorfahren der Mutter Anna Arras geb. Naumann unseres Bäckermeisters Sixtus Arras waren Pfarrer. Ihr Vater, Jeremias Naumann, war, wie schon berichtet, Pfarrer in Schweta bei Oschatz. Er heiratete 1592, 1595 und 1597 jeweils Pfarrerstöchter, aber alle drei Frauen starben nach kurzer Zeit, wohl sämtlich "in Kindesnöthen". "Weil aber die Haushaltung der Schweter Pfarre nothwendig eine getreue Gehülfin erforderte, so mußte er zur 4then Heyrath schreiten." Er nahm Martha geb. Hendel, die Witwe des Bauern Jacob Clauß, ab 1578 Bauer in Dürrweitzschen bei Döbeln, zur Frau, von der auch die zwei erwähnten Töchter, unsere Vorfahre Anna und ihre Schwester Sybilla abstammten. Durch das Erbteil seiner Frau aus ihrer ersten Ehe wurde Jeremias Naumann recht begütert, denn in dem Oschatzer Gerichtsbuch Hr.66 (im Staatsarchiv Dresden) ist verzeichnet, dass er an verschiedene Oschatzer Bürger Geld verlieh.

Sein Vater war Blasius Naumanna auch Neander genannt, Superintendent in Borna, der dreimal verheiratet war. Sein Gebursort und Geburtsjahr stehen nicht fest, wahrscheinlich ist er 1516 in Leisnitz bei Oschatz zur Welt gekommen. Im Jahre 1539 wurde er in Leipzig immatrikuliert, 1547 Magister, 1548 kam er als Rektor an die Stadtschule zu Oschatz. Dort heiratete er, nachdem seine erste Ehe nur von kurzer Dauer war, am 14.02.1553 Maria Buchner, die 1573 nach der Geburt des 10. oder 11. Kindes starb.

Blasius Naumann wurde 1556 als Superintendent nach Borna berufen. Die Eintragung im Bornaer Kirchenbuch lautet:

"Der neue Pastor Mag. Blasius Naumann ist Freitag nach Oswald, den 7.8.1556, abends anher von Oschatz eingezogen und durch D. Joh. Pfeffinger zu Leipzig den Sonntag nach Invocavit investiert worde: den 10,Sept."

Er starb am 13.08.1575, sein Grabstein, der bei der Erneuerung der Kunigundenkirche zu Borna im Jahre 1924 vernichtet wurde, lautete

"Sunt posita haec: Hospes: Blasio monumenta Neandro, Praestanti meritis et pietate Viro. Ille DEI Verbum Llngva factisque professus, Hie per tres annos et tria lustra fuit. Motuus exuvias telluri credidit, at mens In Christo aeterna munera Pacis habet."

Und nach der sehr freien Übersetzung der im Jahre 1688 gedruckten Bornischen Chronica:

"Diß Denck-Mahl, Wanders-Mann, ist hergesetzt zu Ehren Herrn Nauman seliger, sein Lob dadurch zu mehren, Weil Er die Gottes-Lehr mit Worten und der That Christeyffrig achtzehn Jahr bey uns gepredigt hat. Sein blasser Leib der liegt nun in der finstern Höle, Bes Leibs bester Theil, die theur-erkauffte Seele, Die ist bey Christo dort in jener Ehren-Stadt, Die nichts als Engel-Lust und süssen Frieden hat."

Neben unserem Vorfahren Jeremias Naumann sind noch die Lebensumstände von dessen Bruder Johannes bekannt, der ebenfalls Pfarrer war und von dem Nachkommen als Apotheker in Norrköping in Schweden nachweisbar sind.

Maria Buchner, die Frau von Blasius Baumann, war die Tochter von Johann Buchner. Dieser hatte ursprünglich den Namen Heller, da er aber, wahrscheinlich im Jahre 1502, in Geisa in der Rhön, im sogenannten Buchnerlande geboren war, nannte er sich Buchner. Er studierte bei Luther und Melanchthon in Wittenberg, kam über Jessen an der Elster und Torgau, wo er Hofprediger und Beichtvater Kurfürst Friedrichs des Großmütigen war, im Jahre 1539 auf Luthers Empfehlung als erster evangelischer Superintendent nach Oschatz. Der lateinisch geschriebene Brief Luthers an seinen Freund Spalatin vom 22.09.1539 ist erhalten, in dem Luther wünscht, dass Buchner in Oschatz eingesetzt wird: "damit ich den Mann nicht völlig zur Verzweiflung bringe", wie eine Stelle des Briefes in deutscher Übersetzung heißt.

Johann Buchner heiratete am 18.05.1527 wohl in Torgau Catharina von Zeschau "auff Sitzenroda", die ihm 11 oder 12 Kinder schenkte. Im Weimarer Staatsarchiv fand sich ein Schreiben des Propstes Johannes Donatz an den Bischof Johann von Meißen vom 27.05.1523, in dem unter den fünf aus dem Kloster Sitzenroda südlich von Torgau am Rande der Dahlener Heide entlaufenen Nonnen auch "Catharina von Csösche", 20 Jahre alt, genannt wird. Woher diese Catharina von Zeschau stammte, ist bisher unbekannt, da die Familie von Zeschau in ihren verschiedenen Zweigen damals viele Güter in der Umgebung von Torgau besaß. Zwei andere Nonnen, Veronika und Margaretha von Zeschau, flohen zusammen mit Katharina von Bora, Luthers späterer Frau, ebenfalls im Jahre 1523 aus dem Kloster Nimbschen bei Grimma. Sie waren Töchter von Heinrich von Zeschau auf Obernitzschka, an der Mulde, südlich von Wurzen gelegen.

Demnach stammte Bäckermeister Sixtus Arras von vier Superintendenten ab: David Arras in Grimma, Valentin Braun in Wurzen, Blasius Naumann in Borna und Johann Buchner in Oschatz, und eine seiner Vorfahren war die ehemalige Nonne Catharina von Zeschau.

Wiederum auf einen Pfarrer führt die Vorfahrenreihe von Christian Dietrich, dem Vater von Anna Rosina Gallwitz geb. Dietrich. Dieser war nach Lommatzsch von Tharandt zugewandert, wo sein Vater George Dietrich Maurer war und im Jahre 1683 Sabina Specht heiratete. Nicht nur Christian Dietrich, sondern auch sein Großvater mütterlicherseits Michael Specht war Schuhmacher, letzterer der Sohn des Tharandter Lehnrichters Barthel Specht.

Michael Specht nahm im Jahre 1642 Anna Küntzelmann zur Frau, die aus dem benachbarten Hainsberg, damals Hanßbach genannt (heute Freital-Hainsberg), stammte. Der Traueintrag im Tharandter Kirchenbuch lautet:

"1642. Michael Specht Bürger und Schuster alhier hat sein Kirch¬gang gehalten mit J. Annen Salomon Küntselmans zu Hanßbach hinderlaßener Tochter am 26. January."

Der Bauer Salomon Küntzelmann war mit Margareta Schumann aus dem Hainsberger Kirchdorf Somsdorf verheiratet.

Der Großvater von Salomon Küntzelmann war Martin Küntzelmann. Dieser war etwa 1506 in Possendorf bei Dresden geboren und studierte in Leipzig. Der  Eintrag in den Leipziger Universitätsmatrikeln des Jahres 1526 lautet: "ex Misnium Natione Martinus Küntzelman ex Possendorff". Er kam 1535 als katholischer Priester nach Döhlen (heute Freital-Döhlen). Bei Einführung der Reformation im albertinischen Herzogtum Sachsen im Jahre 1539 wurde Martin Küntzelmann der erste evangelische Pfarrer von Döhlen. Er heiratete bald darauf und hatte mindestens 6 Kinder. Sein ältester Sohn Martin Küntzelmann wurde unser Vorfahr, der zweite Sohn Bartholomäus sein Nachfolger im Döhlener Pfarramt. Pfarrer Martin Küntzelmann, der 1568 starb (steht im Widerspruch zu dem Sterbedatum in dem folgenden Auszug), wurde bekannt durch die Einführung der Obstbaumzucht im Plauenschen Grunde. Er legte am Rande des Windberges und in Gittersee, wo er zwei große Güter besaß, Obstbaumkulturen an, die auch im Dreißigjährigen Kriege nicht ausgerottet wurden, als den kaiserlichen Truppen 3000 Obstbäume zum Opfer fielen.

In Sachsens Kirchengalerie von etwa 1837 steht unter dem Artikel über die Kirche Döhlen:

"Von den zwei ersten evangelischen Geistlichen des Ortes noch Folgendes! Martin Küntzelmann, erster evangelischer Prediger, der im Jahre 1539, kaum daß Herzog Georg die Augen für immer geschlossen hatte, von seiner Kirche abfiel, war schon seit dem Jahre 1535 hier angestellt und starb 1581, allgemein bewundert und betrauert. Er steht als tiefer Forscher nach den geheimen Kräften der Natur in den Büchern seiner Zeit, und da er zugleich die Vorurtheile seiner Zeitgenossen benutzte und seine Kenntnisse vorzüglich in der Heilung schwerer Krankheiten kund gab, so galt er hier wie im Auslande als ein Teufelsbanner und Wunderthäter. Sein Lohn für seine Bemühungen, den er sich ausbat, bestand in nichts anderem, als in jungen Obstbäumen und Pfropfreißern, da er so sehr für die Baumzucht eingenommen war; und obsohon einstmals eine gräfliche Familie in Böhmen ihm für die Heilung ihres Sohnes große Geldsummen bot, nahm er doch nichts weiter an, als Obstbäume und Pfropfreißer einer guten Gattung. Dadurch wuchs nicht nur bei dem großen Haufen der Wunderglaube an ihn, sondern er ward auch, da seine Gemeinde sowohl, als auch Fremde seinem Beispiel folgten und Bäume nach seiner Anordnung pflanzten und pflegten, der Gründer der in hiesiger Gegend allgemein bekannten und lohnenden Obstzucht.

Ihm folgte sein Sohn Bartholomäus Küntzelmann, welcher im Jahre 1616 starb. Er war so unglücklich, sich dem in Sachsen eingeschlichenen Calvinismus anzuschließen, wozu er sich vorzugsweise von seiner Frau verleiten ließ, die ihm, da er ihr endlich Gehör schenkte und seinen Namen in einer Schrift unterzeichnete, wodurch er öffentlich Antheil an dieser Lesart bezeugte, hastig zurief: 'Schreibt, lieber Herr, schreibt, daß ihr bei der Pfarre bleibt!' was später zum Sprüchwort geworden ist. Doch, als bald darauf (wir hörten dies bei der Lebensbeschreibung von Valentin Braun) der Kryptocalvinismus (heimliche Calvinismus) mit aller Härte aus Sachsen verdrängt wurde, und die heimlichen Freunde desselben an das Tageslicht traten und bestraft wurden, mußte auch, so erzählt man, dieser Prediger zur Strafe einen Priesterrock mit einem Ärmel tragen."

Die Witwe des Pfarrers Martin Küntzelmann starb im Jahre 1583 in Hainsberg und wurde in Döhlen, der Wirkungsstätte ihres Mannes, begraben. Der von ihrem Sohne Bartholomäus verfasste Begräbniseintrag lautet:

"1583, Nr.18:  Am 25. marty oder an Tage Annunctiazioni Mariae (Maria Verkündigung) Am welchen Tage unser lieber Her Jesus ge¬storben (Irrtum, darüber mit anderer Schrift: empfangen) ist ist meine hertztrewe liebe mutter Barbara Küntzelmann Zu Hanßbergk dißmal wonhafftig In christo Eingeschlaffen christlich vnd mit Erzelungk vieler Sprüche welche eine hinderlassene Widtfraw war Martini Küntzelman In dholln (Döhlen) pastor vnd ist nach ihres Herrn todte biß zu ihrem seligen entschlaffen eine Gotfürchtige Widtfraw blieben xv (15) Jhar weniger viij (8) wochen. Diese ist Zue  Zauckerade kranck wurden vnd Nachmals kranck gen Hanßbrg gefürt wurden vnd alda wie oben verzeichnet verschieden vnd gen dhellen auf ihr begeren begraben wurden nahe beim Kirchthürichen wan man auß dem pfargarten auf den Kirchhoff gehett. Her Joannes Strubach pfarher zu Somßdorff als ihr Selsorger hat die leich predig gethan vnd den tex zum philip: 3 cap. vnser wandel vmb hiemel aufgeleget. Her Martinus Conradus Hatt sie auch zur erden bestetigen Sampt der gemeine zu Hanßbergk. Auch die gemeine zu dhollen ist auff mein begeren mitte gangen. Item Hans Dippolt von Grensigk zu Zauckerade Sampt sein gelipten gemal vnd Junck-fraw Brigitta so von Grensigin.  27 Marty Ist sie zur erden be-stetiget wurden."

Die Mutter von Anna Rosina Gallwitz geb. Dietrich war Rosina Steude, die Tochter des alten Strumpfstrickers Matthes Steude in Lommatzsch. Dieser hatte seine Ehefrau Regina geb. Sprößig nach über 30jähriger Ehe Anfang 1686 verloren und heiratete nun die knapp 23jährige Judith Kühne, die aus einem alteingesessenen Lommatzscher Geschlechte stammte, das sich in früherer Zeit Kune nannte. Ihr Vater Paul Kühne war Schuhmacher und hatte Margaretha Steude zur Frau, die aber anscheinend nicht näher verwandt mit dem Strumpfstricker Matthes Steude war. Die Trauung von Paul Kühne mit Margaretha Steude geschah am gleichen Tage, dem 11.11.1651, an dem auch Sixtus Arras, der Bäckermeister, die Ehe mit Gertraute Rösch einging.

Der Vater von Paul Kühne war Martin Kühne, ebenfalls Schuhmacher in Lommatzsch. Dieser war wahrscheinlich dreimal verheiratet, sein Vater wohl der Schneider Bartholomäus Kune. Da vor dem Jahre 1600 etliche Kune in Lommatzsch und seiner Umgebung existierten, ließ sich bisher nichts Sicheres über die Herkunft von Martin Kühne feststellen.

Ebenso wie Judith Steude geb. Kühne, die ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes nochmals, einen Barettmacher aus Döbeln, heiratete, hat sich auch ihre Mutter Margaretha Kühne geb. Steude zweimal verehelicht, letztere mit dem Schuhmacher Christian Heintze, der aus der Lausitz nach Lommatzsch gekommen war und wohl Frau Haus und Werkstatt seines Vorgängers übernahm, wie dies früher oft der Fall war. Vater Christian Steude und Großvater (Thomas Steude waren Tischler in Lommatzsch.

 

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