Amboland

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Wirtschaft und Besiedelung im südlichen Amboland

Von Johannes Paul

Sonderdruck aus Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Museums für Länderkunde zu Leipzig, N. F. 2, 1933

Inhalt

  1. Die geographische Individualität

  2. Natur des Landes
    2.1 Aufbau, Boden und Wasserführung
    2.2 Klima
    2.3 Pflanzenwelt
     

  3. Die Bewohner
     

  4. Die menschliche Wirtschaft
    4.1 Der Bodenbau (Hackbau)
    4.2 Die Viehhaltung
    4.3 Jagd, Fischfang und Sammelwirtschaft
    4.4 Handwerk und Gewerbe
     

  5. Die Besiedelung
    5.1 Form und Anlage der Werften
    5.2 Lage der Siedelungen
    5.3 Die Stammesgebiete
     

  6. Die Stellung des Ambolandes in der europäischen Kolonialwirtschaft Südwestafrikas
    6.1 Europäersiedelungen im Amboland
    6.2 Der Wanderarbeiterverkehr
     

Anmerkungen

Literatur

Karten


1. Die geographische Individualität

Südwestafrika hat Anteil an den drei großen natürlichen Regionen Südafrikas, der Küstenabdachung, den Randhochländern und dem zentralen Aufschüttungsgebiet der Kalahari. Sie durchziehen das Land in drei nahezu meridionalen Längsstreifen. Im äußersten Norden schiebt sich jedoch das Sandfeld zungenförmig nach Westen bis nahe an die Küstenabdachung vor. Hydrographisch nimmt der größte Teil dieses Gebietes eine Sonderstellung ein. Zwischen Kunene, Okawango und dem südwestafrikanischen Karstfeld entwickelte sich hier ein abflussloses Sonderfeld der Kalahari; sein Sammelbecken, die Etoschapfanne, ist ganz nahe an den südlichen Rand gerückt. In der Abflusslosigkeit sah man in erster Linie die Berechtigung, dieses Gebiet als gesonderte natürliche Landschaft, Amboland, auszugliedern und sie dem großen östlichen Sandfeld und den übrigen Landschaften Südwestafrikas an die Seite zu stellen (L. Schultze , 1910, S. 246).

 Das südliche Amboland liegt beidseitig der Grenze zu Angola und der Etschopfanne (grüner Pfeil) 

Die Grenzen dieses abflusslosen Gebietes umfassen jedoch sehr verschiedenartige Landschaftsformen. Im Süden bestimmen ausgedehnte baumlose Grassteppen wie die Ombuga und der völlig vegetationslose Boden der Etoscha und der kleineren westlichen Pfannen weithin das Landschaftsbild. Zwar tritt auch hier schon gelegentlich Trockenwald auf, wie er weiter im Süden fast unbekannt ist, aber nur an einzelnen begünstigten Stellen bildet er größere und dichte Bestände. Meist herrscht im Süden der großen Pfanne eine lichte Baumsteppe vor, in der noch immer die für das Hereroland so charakteristischen Dornbäume eine große Rolle spielen. Vor allem ist es aber die extreme Wasserlosigkeit, die den Süden des abflusslosen Gebietes vom Norden unterscheidet. Wasserstellen sind äußerst selten und durchweg stark salzhaltig. Die Umgebung der Etoscha ist darum ein nahezu menschenleeres Gebiet. Schon 60 - 80 km nördlich der Etoschapfanne beginnt dagegen eine Vegetation, die stark von der des übrigen Südwest abweicht und bereits tropischen Charakter zeigt. Das Sandfeld trägt hier einen dichten, hochstämmigen Trockenwald, der jedoch nicht mehr lückenlos erhalten ist. Denn günstigere Grundwasserverhältnisse und reichlichere Niederschläge ermöglichten hier den Ovambo Ackerbau auf Regenfall und damit die Errichtung fester Ansiedelungen. In einzelne Stämme getrennt, rodeten sie den Wald, und so treten uns heute ihre Stammesgebiete als Rodungslichtungen im Waldland entgegen.

Die andersartige Pflanzenwelt und mehr noch die durch die Eingriffe des Menschen bewirkten Umgestaltungen berechtigen uns, dieses Siedelungsgebiet der Ovambostämme von dem Süden des abflusslosen Gebietes, dem Etoschagebiet, zu trennen und es als besondere Landschaft zu betrachten, wie das schon F. Jaeger (1921, Bd. II) in seiner Gliederung Südwestafrikas in natürliche Landschaften vorgeschlagen hat. Die Grenze nach SW, S und SE wird gebildet durch die Linie der am weitesten gegen die Trockengebiete des Kaoko- und Karstfeldes, der Ombuga und der Omaheke vorgeschobenen Ovambosiedelungen. Nach Norden zieht sich das Kulturgebiet der Ovambo bis weit nach Angola hinein. Äußere Gründe verhinderten die Bereisung dieses nördlichen Teiles des Ambolandes1). Die vorliegende Darstellung bezieht sich darum nur auf die südlich der Angolagrenze gelegenen Stammesgebiete, die hier als südliches Amboland bezeichnet werden. Die Abgrenzung nach Norden folgt also keiner natürlichen Grenzlinie. Aber das so umschriebene Gebiet weist doch viele gemeinsame Züge auf, die es in deutlichen Gegensatz zu dem nördlichen Teil des Ambolandes stellen. Denn während die in Südangola nach Norden rasch zunehmenden Regenmengen den dortigen Stammesgebieten eine nur selten durch extreme Trockenheit gestörte Wirtschaft ermöglichen, finden wir hier im südlichen Amboland den Ackerbau an seiner äußersten Trockengrenze, was nicht nur den Wirtschafts- und Siedelungsverhältnissen in ihren Einzelheiten, sondern überhaupt dem ganzen Landschaftsbild und der Lebensweise der Bewohner einen besonderen Charakter aufprägt.

Die nomadische Viehwirtschaft der Eingeborenen im Nama- und Hereroland ließ das Land dort fast ganz so, wie es von Natur war; es blieb seiner Physiognomie nach im wesentlichen eine Naturlandschaft. Auch die europäische Farmwirtschaft hat daran bis heute nicht viel geändert, nur als kleine verstreute Kulturinseln liegen Farmhaus, Staudamm oder Ackerfeld in dem sonst unbezwungenen Lande. Das Amboland dagegen ist - neben kleineren Gebieten am Okavangoufer und im Caprivizipfel - die einzige Landschaft in ganz Südwestafrika, in der der Mensch auf weiten zusammenhängenden Flächen die Natur umgestaltet, in der er aus der Naturlandschaft eine Kulturlandschaft gemacht hat. Es soll die Aufgabe der folgenden Darlegungen sein zu untersuchen, welche besonderen Formen Wirtschaft und Besiedelung dieser Kulturlandschaft unter den besonderen Verhältnissen dieses Raumes und seiner Bewohner angenommen haben und welche Wesenszüge somit dem Gesamtbild eignen2).


2. Natur des Landes

2.1 Aufbau, Boden und Wasserführung

Das Amboland ist eine fast horizontale Ebene, keine Berge, nicht einmal Hügel beleben die einförmige Fläche. Es ist ein nach Westen vorgeschobener Teil des südafrikanischen Sandfeldes der Kalahari. Das Grundgestein, das nur in den Randgebieten zutage tritt, hat hier eine sehr beträchtliche Einmuldung erfahren. Tiefbohrungen, die zum Zweck der Wassererschließung 1928 in Ukuanjama südlich von Namakunde vorgenommen wurden, erwiesen die Mächtigkeit der Aufschüttungen zu mindestens 464 Fuß, scheinen jedoch auch damit das Grundgestein noch nicht erreicht zu haben (Report 1928, S. 60).

In diese einförmige Fläche, auf der das Auge unmittelbar keine allgemeine Neigungstendenz wahrnehmen kann, ist nun ein Relief von Kleinformen hineingearbeitet. Deren wichtigste sind die ganz flachen Flussbetten, die sog. Omiramben, die das Land im allgemeinen in N-S-Richtung durchziehen. In ihnen strömt ein Teil der Niederschläge Südangolas in guten Regenjahren ganz langsam in das südliche Amboland und erreicht mitunter sogar die Etoscha. Allerdings ist das Gefälle so gering, dass das Wasser in ihnen unter dem Einfluss starker lokaler Regen im Süden gelegentlich auch einmal in entgegengesetzter Richtung fließen kann. Nur an der Wasserführung dieser Omiramben lässt sich eine ganz schwache Neigung der Fläche nach Süden zur Etoscha hin erkennen. Man nahm bis vor kurzem fast allgemein an, dass der größte Teil dieses von Norden zuströmenden Wassers aus dem Kunene stamme, in geringerem Maße aus dem Kuvelai und Kaundu und vielleicht auch aus dem Okavango. Es ist wahrscheinlich, dass der Oberlauf des Kunene früher ein Zufluss des ehemaligen Etoschasees war, dann aber durch einen Küstenfluss, den jetzigen Unterlauf des Kunene, angezapft wurde, so dass seine Wassermassen jetzt dem Ozean zufließen (F. Jaeger, 1926, S. 12). Oberhalb der Kawalefälle, also etwa an der Stelle, wo der Kunene aus seiner anfänglichen N-S-Richtung nach Westen abbiegt, sollen vom linken Kuneneufer mehrere Omiramben nach Südosten abzweigen und sich mit dem Netz vom Omiramben vereinigen, das durch die Zerfaserung des Kuvelai und anderer kleinerer Flüsse Südangolas im Amboland entsteht. Auf diesem Wege soll nun das Hochwasser des Kunene in guten Regenjahren auch heute noch übertreten und die Flut (s. u.) im Amboland verursachen. Freilich sind die Abzweigstellen und der Verlauf dieser angeblichen Abzugsomiramben nur sehr mangelhaft bekannt. Die bisherigen Höhenangaben - Kunene beim Herantritt an die (alte) südwestafrikanische Grenze 1.100 m (die Karte des deutsch-portugiesischen Grenzgebietes gibt dagegen schon für die oberhalb gelegenen Orte Humbe und Fort Rocadas nur 1.007 und 1.005 m an), Olukonda 1.100 m, Etoschapfanne 1.065 m (F. Jaeger, 1926, S. 2 und 3) - beruhen nur auf wenigen barometrischen Höhenmessungen, widersprechen z. T. einander und konnten jedenfalls die Frage nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Nur glaubte man, das gelegentliche Auftreten der Flut im Ambolande, der sog. Efundja , nicht anders als durch die Mitwirkung des Kunenehochwassers erklären zu können.

Neuere Messungen, die bei Gelegenheit der Vermessung der Grenze zwischen Südwestafrika und Angola im Jahre 1928 am linken Kuneneufer vorgenommen wurden, haben jedoch relative Höhenverhältnisse ergeben3), die es recht unwahrscheinlich machen, dass tatsächlich auch heute noch Kunenewasser bis zur Etoscha gelangt. Man würde demnach also doch wohl dem Kuvelai und dem Kaundu den Hauptanteil an der Flut im Amboland zuschreiben müssen. Das Quellgebiet des Kuvelai liegt bereits unter 15 - 16° südlicher Breite in dem viel regenreicheren Bergland von Kassinga, also schon weit außerhalb des Sandfeldes, so dass mindestens im obersten Teil seines Einzugsgebietes der Abfluss wesentlich größer sein dürfte als die lokale Versickerung. Ob daneben auch aus dem Okavangosystem - vielleicht auf dem Wege über den Otjimpolosumpf und den Otjimpolo-Omuramba - Wasser in das südliche Amboland gelangen kann, lässt sich noch nicht mit Sicherheit entscheiden. Eine endgültige Lösung dieser interessanten hydrographischen Fragen wird bei den sehr geringen Niveaudifferenzen, um die es sich hier handelt, nur durch ein exaktes Nivellement der fraglichen Omurambastücke möglich sein. Woher aber auch das Wasser stammen mag, Tatsache ist, dass das südliche Amboland zu seinen eigenen, im Vergleich zu den anderen Landschaften Südwestafrikas schon hohen Niederschlägen, noch gelegentlich Überschwemmungen von Norden her erfährt, was für seine Grundwasserverhältnisse und für das wirtschaftliche Leben seiner Bewohner von entscheidender Bedeutung ist.

Die Flussbetten, die die Flut zuführen und verteilen, gehören dem Typus an, den man in Südafrika im Gegensatz zu den Rivieren als Omiramben (Singular: Omuramba) bezeichnet. Die eigentlichen Omiramben sind hier im Amboland ganz flache, nur selten mehr als 3 m tief in das Sandfeld eingesenkte Flussbetten (Abb. 1). Ihre Breite kann etwa so bis mehrere 100 m betragen, die Uferböschung ist sehr flach, aber doch stets deutlich nachzuweisen. Der Boden ist lehmig oder tonig und mit Gras bewachsen. Eine eigentliche Erosionsrinne fehlt, ist aber mitunter durch eine Kette kleiner Vleys angedeutet. Diese Omiramben sind die großen Wasserzufuhradern, die unter häufiger Verzweigung als ein labyrinthisches Gewirr das Amboland in wechselnder, aber vorherrschend nord-südlicher Richtung durchziehen.

Abb. 1
Omuramba bei Oshigambo (Ondonga).
An der Uferböschung wilder Feigenbaum.

Im südlichen Amboland verbreitern sich diese Omiramben nun häufig bis auf 1.000 m und mehr, einzelne Inseln schieben sich ein, und die Uferböschung ist oft nicht mehr deutlich zu erkennen. Es ist der Typus der sog. Oiana (Singular: Oshana), der vor allem im Westen sehr verbreitet ist. Die Oiana sind also breiter und noch flacher als die eigentlichen Omiramben, aus denen sie hervorgehen. Trotz der mit dem Auge oft kaum wahrnehmbaren Vertiefung sind jedoch die Uferlinien wenigstens in den Waldgebieten deutlich nachweisbar, da der Wald an ihnen mit scharfer Grenze aufhört, während die Oiana selbst fast durchweg mit hohem, hartem Gras bestanden sind (Abb. 2). Neben, z. T. auch in diesen Omiramben und Oiana gibt es noch eine dritte Art von Vertiefungen, die in und auch noch nach der Regenzeit Wasser halten können, die Vleys. Es sind außerordentlich flache, pfannenförmige Becken, deren Durchmesser einige wenige Meter bis viele hundert betragen kann. Mitunter sind sie kettenartig in der vorherrschenden Omurambarichtung aufgereiht und scheinen damit einen alten Omurambalauf anzudeuten, der infolge seines immer geringer werdenden Gefälles schließlich ganz abgestorben ist.

Abb. 2

Abb. 2
Oshana im Waldgebiet zwischen Ukuanjama und Ombarantu.
Mopanebäume, in der Trockenzeit ohne Laub.

Nach sehr starken Regen in Südangola dringt nun die Flut ganz langsam nach Süden vor; sie benutzt dazu die großen durchlaufenden Omiramben, verbreitet sich zu großen Flächen in den Oiana und tritt wohl auch in die danebenliegenden Vleys über, wenn diese nicht schon vorher durch lokale Regen gefüllt sind. Dann stehen etwa zwei Fünftel des ganzen südlichen Ambolandes unter Wasser; die höhergelegenen sandigen Flächen, die in den Stammesgebieten die Felder und Werften tragen, ragen nur als ganz flache Inselzüge daraus hervor. In den westlichen Stammesgebieten sind jedoch die Höhenunterschiede vielfach so gering, dass das Wasser gelegentlich auch bis in die Felder vordringt.

Abb. 3

Abb. 3
Brunnen in Ombarantu.

Der lockere Sandboden und die Flachheit des Landes begünstigen in hohem Grade die Versickerung, der Abfluss ist ganz gering. Soweit die Niederschläge des südlichen Ambolandes nicht unmittelbar oder durch nachfolgende oberflächliche Austrocknung des Bodens wieder verdunsten, versickern sie darum an Ort und Stelle. Auch der größte Teil des durch die Efundja in guten Regenjahren nach Süden geführten Wassers, das in den Omiramben, Oiana und Vleys mehrere Wochen oder gar Monate lang stehen bleibt, versickert hier, soweit es nicht verdunstet. Nur in sehr guten Efundjajahren erreichen größere Wassermengen fast ausschließlich durch den Ekuma, der die meisten der bis ganz nach Süden vordringenden Omurambaarme vereinigt, die Etoscha, und vollständig scheint diese in der Gegenwart überhaupt nicht mehr überflutet zu werden (F. Jaeger, 1926, S. 15). Die eigenen Niederschläge wie auch die in Efundjajahren von Norden zugeführten Wassermassen kommen also zum größten Teile dem südlichen Amboland zugute; sie schaffen hier Grundwasserverhältnisse, wie sie in gleicher Weise keine andere Landschaft in Südwestafrika aufzuweisen hat, und bilden damit die erste und wichtigste Voraussetzung für eine dichte Besiedelung.

Abb. 4

Abb. 4
Großer Brunnen in Ukulukathi

Die Wasserlöcher der Ovambo, die mitunter mehr als 10 m tief sind, zeigen alle ein ähnliches Bild (Fig. 1 und Abb. 3 und 4). Unter dem etwa 50 cm tiefen, lockeren, oft humosen oder schwach lehmigen Oberflächensand lagert eine mehrere Meter mächtige Sandschicht, die mitunter stark kalkhaltig und dann verfestigt und von Kalkkonkretionen durchsetzt ist. Nach unten nimmt dieser Sand - oft in deutlichen Horizonten - an Tongehalt zu und wird schließlich von einem graugrünen Ton unterlagert, der nur noch geringe Sandbeimengungen aufweist. Über dieser Tonschicht sickert das Wasser langsam zu, die wechselnde Mächtigkeit des überlagernden Sandes bestimmt also die Tiefe, bis zu der gegraben werden muss. Mitunter sind die Brunnen nur flache Löcher von 3 - 5 m Tiefe (Abb. 4). Wo dagegen der Ton erst in größerer Tiefe das Wasser halten kann, sind bedeutende Erdbewegungen nötig, denn der lockere Sand lässt oben meist nur eine mäßig steile Böschung zu. Wird der Kalk- oder Tongehalt reicher, so kann man nahezu senkrechte Wände stehenlassen, und wenn schon oberhalb des Wasserspiegels tonige Horizonte mit sandigen wechseln, dann bilden sich leicht Stufen aus, die das Heraufreichen des Wassers erleichtern (Abb. 3). Auch im Laufe eines Omuramba lassen sich Brunnen anlegen, sie sind jedoch im allgemeinen nicht wasserreicher als die danebenliegenden auf den höheren Sandflächen und werden beim Abkommen der Efundja leicht zugeschüttet.

Fig. 1

Im Laufe der Trockenzeit sinkt der Grundwasserspiegel fast überall, weniger durch unmittelbare Verdunstung auf der meist sehr kleinen Wasseroberfläche der Brunnen, mehr schon durch die reichliche Entnahme von Wasser für Menschen und Vieh. Gegen Ende der Trockenzeit sickert das Wasser nur noch sehr spärlich zu, viele Brunnen versagen ganz. Schon die Eingeborenen machten die Erfahrung, dass tieferes Graben dann keinen Zweck hat, da man in größerer Tiefe, wenn überhaupt, nur brackiges Wasser trifft. Auch die neuerlichen Tiefbohrungen in Ukuanjama bestätigen das; mit zunehmender Tiefe wurde Wasser von immer höherem Salzgehalt angetroffen (Report 1928). Die obere, Süßwasser führende Schicht und das tiefere Brackwasser scheinen nicht völlig getrennt zu sein, denn die Erfahrung lehrt, dass manche Brunnen, die anfangs gutes Wasser geben, im Laufe der Zeit bei starker Entnahme brackig werden. Hierbei zeigt sich auch eine deutliche jahreszeitliche Periode, indem das Wasser in vielen Brunnen gegen Ende der Trockenzeit immer salzhaltiger wird, so dass sein Genuss sogar den Eingeborenen schwer erträglich ist. Die der Etoscha nächsten südlichen und auch die südwestlichen Stammesgebiete sind nicht nur durch die an sich schon geringere Menge des Grundwassers ungünstiger gestellt als die nördlicheren Gebiete, sondern auch dadurch, dass die Brunnen in der Trockenzeit hier früher und viel stärker brackig werden. Einer weiteren Ausdehnung dieser Stammesgebiete nach Süden scheinen also schon durch die Grundwasserbedingungen Schranken gezogen zu sein.

Trotz dieser Einschränkungen sind aber die Grundwasserverhältnisse im Süden des Ambolandes wesentlich günstiger als in fast allen anderen Teilen Südwestafrikas. Damit ist jedoch erst die eine Voraussetzung für die Existenz einer zahlreichen sesshaften Bevölkerung gegeben. Die andere besteht in der klimatischen Bevorzugung des Ambolandes gegenüber dem übrigen Südwest, die es gestattet, hier - wenn auch unter ungewöhnlich schwierigen Bedingungen - Ackerbau auf Regenfall zu betreiben.


2.2 Klima

Das Amboland gehört seiner Breitenlage nach zur äußeren Tropenzone; in ihm vollzieht sich der Übergang von dem subtropischen Trockenklima Südwestafrikas zu dem feuchten Tropenklima Angolas.

Schon die Wärmeverhältnisse weisen gegenüber den südlicheren Landschaften wesentliche Unterschiede auf; wegen der größeren Annäherung an den Äquator und der geringeren Meereshöhe sind die Temperaturen höher, die täglichen und jährlichen Schwankungen dagegen geringer. Das zeigt sich bei einem Vergleich des jährlichen Wärmeverlaufs von Ondangua in Ondonga mit dem ebenfalls im Sandfeld, aber 4½ Breitengrade südlicher und in 1.417 m Meereshöhe gelegenen Gobabis4).

Die mittlere Jahrestemperatur ist also in Ondangua schon 3,3° höher als in Gobabis, und zwar liegen vor allem die Minima und überhaupt die Temperaturen der kalten Zeit wesentlich höher, während die Maxima von Gobabis besonders in der heißen Zeit denen des Ambolandes nahe kommen. Die heißeste Zeit liegt vor dem kräftigen Einsetzen der Regenzeit, aber selbst die Hauptregenmonate (Januar und Februar) bringen nur geringe Abkühlung. Die mittlere tägliche und jährliche Wärmeschwankung ist zwar auch in Ondangua noch recht beträchtlich, zeigt aber doch schon merkbar geringere Werte als die meisten der südlicheren Stationen. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Station Ondangua nur für den äußersten Süden des besiedelten Ambolandes, d. h. für die bis in die Ombugasteppe vorgeschobenen Teile der südlichsten Stammesgebiete charakteristisch ist, wo, ähnlich wie an der Etoscha, die nächtliche Ausstrahlung noch immer stark ist. Eine kürzere Beobachtungsreihe der nur ca. 100 km nördlicher in dem busch- und waldreichen Ukuanjama gelegenen Station Omupanda zeigt, dass dort sowohl die tägliche wie die jährliche Wärmeschwankung noch wesentlich geringer ist.

An diesen Temperaturverhältnissen sind zwei Züge besonders bemerkenswert: die hohe Wärme bei relativ geringeren Schwankungen als im Süden und das Fehlen von Frösten. In ganz vereinzelten kalten Nächten des Juni und Juli kann zwar die Temperatur an der Südgrenze des Kulturlandes gelegentlich den Gefrierpunkt nahezu erreichen, aber bei der Flachheit des Landes ist kein Absinken und lokales Aufstauen kalter Luftmassen möglich, wodurch in den südlicheren Bergländern mitunter starke Fröste entstehen.

Die hohen Mitteltemperaturen bei nur mäßigen Schwankungen bekommen Bedeutung durch ihre physiologische Wirkung auf den Menschen. Der Ambomann ist an sie gewöhnt. Wenn er nun als Arbeiter nach dem Süden geht, so ist er darum schon empfindlicher gegen die starken Wärmeschwankungen im Hereroland als die dortigen Eingeborenen, und vor allem leidet er unter dem gleichmäßig kühlen Klima des Küstengebietes mit seiner hohen Luftfeuchtigkeit, z. B. auf den Diamantfeldern bei Lüderitzbucht. Dem Europäer ist andererseits gerade die hohe Wärme, der nachts keine starke Abkühlung folgt, schon wesentlich weniger zuträglich als etwa das Klima des Hererolandes. Immerhin wären auch diese Wärmeverhältnisse noch erträglich, wenn sie nicht im Zusammenhang mit den während und nach der Regenzeit stagnierenden Wassermassen das Gedeihen der Anophelesmücken in hohem Grade begünstigten. Malaria tritt darum hier schon viel häufiger und in schwereren Fällen auf als im übrigen Südwest, und sie ergreift auch die Eingeborenen stark, und sogar Schwarzwasserfieber kommt vor. Die Fiebergefahr ist gegen Ende der Regenzeit am größten.

Entscheidend für das Gesamtbild des Klimas sind aber mehr als die Temperaturen die Niederschlagsverhältnisse. In Südwestafrika nehmen im allgemeinen die Regenmengen von W nach E und von S nach N zu, das Amboland gehört also zu den niederschlagsreichsten Teilen. Die Zahl der Beobachtungsstationen, die durchweg im Anschluss an die nur langsam von Ondonga aus vordringenden Missionsstationen entstanden, ist noch zu gering und die Länge der Beobachtungsreihen ist - abgesehen von den Stationen in Ondonga - zu kurz, um schon jetzt ein klares Bild von der mittleren Niederschlagsverteilung gewinnen zu können. Doch lässt sich auch heute schon erkennen, dass im Amboland die Regenmengen ebenfalls von S nach N ansteigen. Eine Zunahme von W nach E zeigt dagegen nur das südliche Amboland; in Südangola ist das dort wesentlich höhere Randhochland, das das Amboland im Westen begrenzt, am regenreichsten, da die Ostwinde dort noch einmal zum Ansteigen gezwungen werden (Marquardsen, Karte 6). Die südlichen und besonders südwestlichen Stammesgebiete des Ambolandes sind darum am ungünstigsten gestellt, sie haben nur etwa 350 bis 550 mm mittleren Jahresniederschlag. Südukuanjama erhält dagegen schon mehr als 600 mm, und in Südangola steigen die Regenmengen rasch weiter an.

Als Teil der äußeren Tropenzone besitzt das südliche Amboland eine sommerliche Regenzeit und eine Trockenzeit. Die Station Ondangua in Ondonga zeigt im Durchschnitt aus 19 Beobachtungsjähren folgende jahreszeitliche Verteilung des Regenfalls in Millimetern:

Die Regenzeit beginnt also im allgemeinen Ende November und dauert bis März oder Anfang April. Keine der Stationen des südlichen Ambolandes mit längerer Beobachtungsdauer zeigt im mehrjährigen Mittel eine Unterbrechung der Regenzeit. Die Mittelwerte allein geben jedoch nur ein sehr unvollkommenes Bild von den wirklichen Niederschlagsverhältnissen, da sie gerade das Charakteristische, die starken unregelmäßigen Schwankungen, ausschalten. Drei verschiedenartige Schwankungen sind dabei zu unterscheiden.

Die Schwankungen der Jahresmengen sind sehr bedeutend. Schon die relativ kurzen Beobachtungsreihen, die P. Heidke (1919) aus dem Amboland veröffentlichen konnte, zeigen gewaltige Unterschiede zwischen dem bisher beobachteten regenreichsten und trockensten Jahr (Omupanda 908 mm und 237 mm, Ondangua 956 mm und 184 mm, Olukonda 921mm und 181 mm). Da nun in den regenreichen Jahren meist, wenn auch nicht immer, auch noch bedeutende Wassermassen aus Südangola herbeiströmen, so bekommt das südliche Amboland dann für kurze Zeit einen Wasserüberfluss, der verhängnisvoll werden kann. Die trockensten Jahre zeigen dagegen Minima, die jeden Anbau in Frage stellen können.

Nahezu die gleiche Bedeutung für den Anbau der Kulturpflanzen hat weiter die unregelmäßige Verteilung der Niederschläge über die Regenzeit. Der niederschlagsreichste Monat ist im allgemeinen der Januar oder Februar, mitunter kann es aber auch schon der November oder gar erst der April sein. Oft fallen sehr beträchtliche Regenmengen in kurzer Zeit; Tagesmengen von mehr als 50 mm sind nicht selten und sogar solche von 100 mm und mehr - das ist also rund ein Fünftel der mittleren Jahresmenge - kommen vor. Dagegen sind selbst auf der Höhe der Regenzeit oft viele Tage hintereinander ohne jeden Niederschlag. In manchen Jahren können diese Unterbrechungen mehrere Wochen dauern und damit den Ablauf der Regenzeit und die ihr folgende Entwicklung der Pflanzenwelt völlig verändern.

Schließlich ist auch noch die strichweise verschiedene Ergiebigkeit der einzelnen Regenfälle von Bedeutung. Fast alle Niederschläge fallen in der Form von Gewitterregen. Die Tendenz zur Gewitterbildung tritt zwar meist über das ganze Land hin gleichzeitig auf, aber die wirklich fallenden Regenmengen können selbst auf engem Raum recht verschieden sein. In vieljährigen Mittelwerten gleichen sich diese Unterschiede aus, für das Landschaftsbild im einzelnen Jahr können sie aber doch Bedeutung bekommen, da eben nach langer Trockenheit mitunter schon ein geringes Mehr oder Weniger an Regen zur rechten Zeit für die Entwicklung der Pflanzenwelt entscheidend sein kann. Der Ablauf der klimatischen Erscheinungen ist also kein jedes Jahr gleichmäßig wiederkehrender Rhythmus, sondern er ist großen unregelmäßigen Schwankungen unterworfen. Den jahreszeitlichen Wechsel zwischen Regenzeit und Trockenzeit und auch die starken Schwankungen der Niederschläge hat das Amboland mit den meisten Ländern der äußeren Tropenzone gemeinsam. Für das südliche Amboland werden aber diese Schwankungen noch gewaltig verstärkt durch das gelegentliche Auftreten der Efundja, das in den oben dargelegten Besonderheiten des Reliefs dieses abflusslosen Gebietes begründet ist, während gerade in den Trockenjahren mit ihren für eine anspruchsvollere Vegetation oft ganz ungenügenden Regenmengen dieser dann besonders erwünschte Zufluss ausbleibt. Ein unregelmäßiges Schwanken zwischen Zeiten mit kurzem, aber mitunter übergroßem Wasserreichtum und solchen extremster Trockenheit ist also der entscheidende Faktor, dem sich alles Leben im südlichen Amboland anpassen muss.


2.3 Pflanzenwelt

Wer sich dem Ambolande von Süden her nähert, befindet sich jenseits der kahlen Fläche der Etoscha und der grenzenlosen Weite der fast bäum- und strauchlosen Ombugagrassteppe in einer völlig veränderten Umgebung. Die Besonderheiten des Klimas und der Wasserführung ließen hier eine Vegetation entstehen, die nach Üppigkeit und Arten stark von der Pflanzenwelt der südlicheren Landschaften Südwestafrikas abweicht.

Abb. 1
Omuramba bei Oshigambo (Ondonga).
An der Uferböschung wilder Feigenbaum.

Die vorherrschende natürliche Vegetation ist ein hochstämmiger, laubabwerfender Trockenwald. Er zeigt auf weite Strecken ein sehr einförmiges Bild, da er ganz vorwiegend, stellenweise ausschließlich, von Mopane (Copaifera mopane Benth.) gebildet wird. Der Mopane ist hier ein kräftiger, bis ca. 15 m hoher Baum (Abb. 2). Die doppelt-halbmondförmigen Blätter, die bei starker Sonnenbestrahlung zusammengeklappt werden können, bilden in der Regenzeit wenigstens ein lichtes Blätterdach; in der Trockenzeit trocknen sie am Ast zu braunrotem Laub und fallen ab, in manchen Beständen jedoch erst zu Beginn der neuen Vegetationsperiode.

Andere Laubbäume treten gegenüber dem Mopane im Walde ganz zurück, überragen ihn jedoch gelegentlich in einzelnen mächtigen Exemplaren wie der breitkronige, bis 20 m hohe Omuandi (Diospyros mespiliformis) und der mitunter noch größere wilde Feigenbaum (Ficus damarensis) (Abb. 1). Auffällig selten und dann nur als Niederholz vertreten sind die Akazien, die besonders im Hereroland in so vielen Arten vorkommen. Mögen sie dort auch noch so dicht zusammentreten, so bilden sie doch nirgends einen regelrechten Wald, sondern jene charakteristische Pflanzenformation, die man in Südwest als "Busch" bezeichnet. Die Mopanebestände des Ambolandes dagegen sind wirkliche Wälder, wenn sie auch an Dichte und Vegetationskraft nicht dem tropischen Regenwald vergleichbar sind, so dass ihre Rodung und das Offenhalten der gerodeten Stellen den Eingeborenen keine ernstlichen Schwierigkeiten bereitet. Der Mopanewald dehnt sich auch nach SW in das Kaoko- und Karstgebiet und nach E in die Omaheke aus, ändert aber dort seinen Charakter. Nur noch stellenweise treten dort reine Mopanebestände auf, sie werden niedriger und sind häufiger mit anderen Arten - vielfach wieder Akazien - gemischt.

Abb. 2

Abb. 2
Oshana im Waldgebiet zwischen Ukuanjama und Ombarantu.
Mopanebäume, in der Trockenzeit ohne Laub.

Nur eine Art natürlicher Lichtungen gibt es in diesem Wald, das sind die Vleys und die Omiramben und Oiana, die das Land als vielfach verzweigtes Netz durchziehen und bei einer Breite bis zu 1.000 m somit beträchtliche Flächen einnehmen. Da sie in guten Regenzeiten wochen- oder gar monatelang unter Wasser stehen, kann in ihnen keine Baum- oder Buschvegetation aufkommen. Mit scharfer Grenze endet der Wald am oberen Rande dieser Oberschwemmungsflächen, während die flache Böschung und der ganze Boden - bis auf die völlig vegetationslosen kolkartigen Zentren der Vleys - mit hohem, hartem Gras bestanden sind. Diese ausgedehnten Grasfluren (Abb. 2) bilden eine schöne Abwechslung in der Einförmigkeit des Trockenwaldes, aber sie haben fast keinen wirtschaftlichen Wert, da das saure und in trockenem Zustande ganz nährstoffarme Omurambagras als Weide kaum zu gebrauchen ist.

Auch abgesehen von diesen Grasfluren der Omiramben usw. ist jedoch der Wald heute nicht mehr lückenlos erhalten. Von N kommend, wanderte das Hackbauernvolk der Ovambo ein; in einzelne Stämme getrennt, rodete es an verschiedenen Stellen den Wald, und so bilden heute seine Stammesgebiete große Rodungslichtungen im Waldland, also Kulturlandschaften, in denen der Mensch weithin die natürliche Vegetation - vor allem den Mopane - unterdrückt, dagegen einige ihm nützliche Bäume geschont und seine Kulturpflanzen angebaut hat.

Abb. 9
Mädchen beim Dreschen (Ukualuthi).

Schon der Baumbestand dieser Kulturlandschaften zeigt ein neues und abwechslungsreiches Bild. Anspruchsvollere Arten, die im übrigen Südwest nur vereinzelt oder gar nicht vorkommen, lassen auch in der Vegetation den Übergang zu den Tropen erkennen. Vor allem ist es die Dumpalme (Hyphaene ventricosa), die mit ihrem leicht gebogenen Stamm und den mächtigen Fächern in einzelnen Exemplaren oder ganz lichten Gruppen, aber nie zu dichten Beständen vereint, dem Landschaftsbild vielfach das Gepräge gibt (Abb. 6 und 9). Freudig begrüßt der Ambomann, der sich zur Arbeit in den Minen oder Ortschaften des Südens verdingt hatte, auf dem mühseligen Rückmarsch die am nördlichen Horizont auftauchenden Fächerpalmen Ondongas als ersten Gruß der nahen Heimat. Die Palme kommt in allen Stammesgebieten vor, ihre Verbreitung als hochstämmiger Baum ist jedoch in manchen Gegenden infolge des Raubbaues der Eingeborenen beschränkt. Denn die Bäume werden nicht nur häufig durch rücksichtsloses Abzapfen von Palmwein vernichtet, sondern weit mehr noch werden in Hungerszeiten gefällt, da das zarte Mark der Krone essbar ist. - Zu der Palme tritt in manchen Gebieten der Baobab (Adansonia digitata) (Abb. 6). Mit seinem gedrungenen Stamm, den rasch sich verjüngenden Ästen und der bis zu 30 m hohen Krone ist er der mächtigste unter allen Bäumen des Ambolandes. Seine Früchte werden in Hungerszeiten wohl auch gegessen, haben aber nur geringen Nährwert. Der Baobab ist nicht allgemein verbreitet; in Ondonga z. B. fehlt er wohl ganz, Südukuanjama hat nur vereinzelte Exemplare aber in den Gebieten der kleineren Weststämme beherrscht er auf weite Strecken das Landschaftsbild.

In allen Stammesgebieten trifft man dagegen den stattlichen Omugongo (Sclerocarya Schweinfurthiana Schinz) an, dessen Früchte zu einem stark berauschenden Getränk vergoren werden, ferner den schon aus dem Walde bekannten Omuandi und den wilden Feigenbaum, die ebenfalls um ihrer Früchte willen geschätzt und darum auch in den Stammesgebieten geschont werden.

Abb. 6
Kulturlandschaft im Stammesgebiet von Ombarantu mit Baobab und Hyphaenepalmen.
Rechts die Palisadenumzäunung einer Warft.

Sehr auffällig ist die Tatsache, dass Hyphaene, Baobab und Sclerocarya fast nur in den lichten Parklandschaften der Stammesgebiete vorkommen, mitten im dichten Wald aber bis auf ganz wenige Ausnahmen fehlen. Schon Schinz (1891, S. 469 ff.) machte diese Beobachtung. Da ihm eine gleichzeitige Einwanderung dieser Bäume zusammen mit dem Menschen mit Rücksicht auf den Baobab, der den Eingeborenen nur sehr geringen Nutzen gewährt, unwahrscheinlich erschien, wollte er sie erklären mit einem erst in jüngerer Zeit erfolgten Vordringen des Mopanewaldes auf Kosten einer früher herrschenden lichten Buschvegetation, so dass die genannten drei Bäume als Zeugen früherer Vegetationsverhältnisse heute nur noch in den vom Menschen offengehaltenen Rodungslichtungen der Stammesgebiete die ihnen zusagenden Lebensbedingungen finden. Ein solches Vordringen des Mopanewaldes in ein Gebiet mit früher offener Buschvegetation kann aber nicht gut anders möglich sein als unter der Voraussetzung einer Zunahme der Niederschläge in jüngerer Zeit, was mit allen in anderen Gebieten Südafrikas gemachten Beobachtungen in Widerspruch steht. Nun hat aber nicht nur Passarge (1904, S. 688 ff.) für andere Teile der Kalahari nachgewiesen, dass Baobab und Sclerocarya den Wald durchaus nicht völlig meiden, sondern es sind auch im Ambolande selbst ganz vereinzelte Exemplare aller drei Bäume im Waldgebiet zu finden. Das gute Gedeihen von Palme und Sclerocarya in den Stammesgebieten ist also wahrscheinlich auf die Schonung zurückzuführen, die die Eingeborenen ihnen wie auch dem Omuandi und der Feige gewähren. Ob dieselbe Schonung auch dem Baobab bei seinem geringen unmittelbaren Nutzen zuteil geworden ist, kann allerdings fraglich erscheinen. Heute jedenfalls trifft man im äußersten Süden junge Exemplare von ihm nur selten.

Schon in dem Baumbestand der Stammesgebiete zeigen sich also die Eingriffe des Menschen, noch deutlicher aber in den eigentlichen Kulturpflanzen, die auf den Feldern angebaut werden. Form und Inhalt dieser Kulturlandschaft der Stammesgebiete kann erst dann verständlich werden, wenn man die besondere Eigenart der Menschen in Betracht zieht, die sie geschaffen haben.


3. Die Bewohner

Die Bewohner des Ambolandes sind die Ovambo. Sie gehören der großen Gruppe der südlichen Bantuvölker an und bilden unter der Eingeborenenbevölkerung von Südwestafrika einen besonderen und ziemlich einheitlichen Typus. Ist es auch in manchen Einzelfällen nicht leicht, allein nach der physischen Konstitution einen Ambomann von einem Herero zu unterscheiden, so ist doch der Grundtypus des ganzen Volkes ein wesentlich anderer. Der Ambomann ist im Durchschnitt kleiner und stämmiger gebaut, seine Gesichtsbildung ist runder, es fehlen im allgemeinen die großen aristokratischen Gestalten, die unter den Herero so häufig sind (Abb. 11 - 13). Schon im Körperbau glaubt man den Unterschied des sesshaften Ackerbauern gegenüber den viehzüchtenden Nomaden zu erkennen.

Abb. 11

Abb. 11
Familie aus Ombarantu.

Allerdings ist auch das Volk der Ovambo nicht ganz frei von fremden Beimischungen. Man trifft nicht selten einzelne Individuen, die durch ihre gerade oder nach außen gebogene Nase, steil aufsteigende Stirn und weniger wulstige Lippen stark von dem allgemeinen Typus abweichen (Abb. 10). Auch unter den Ovambo zeigen sich also deutlich jene merkwürdigen Spuren offenbar nordafrikanischer Einflüsse, die bei vielen Bantuvölkern Südafrikas in irgendeiner Form zu finden sind.

Abb. 10

Abb. 10
Junger Mann aus Süd-Ukuanjama.

Eine andere Beimischung, wohl wesentlich jüngeren Datums, stellen die Buschleute dar. Im Süden des besiedelten Ambolandes, besonders in der Umgebung der Etoschapfanne, leben noch heute einzelne Buschmannhorden, die Heikum, die sich jedoch durch ihren größeren Wuchs, dunklere Hautfarbe und besonders durch ihre Sprache, einen Namadialekt, wesentlich von den eigentlichen Kalaharibuschleuten unterscheiden. Nach F. Jaeger (1921, Bd. II, S. 19) stellen sie bereits Mischlinge zwischen den Ovambo und den Kalaharibuschleuten dar, nach L. Fourie (1927, S. 49 ff.) sind sie entstanden aus einer Mischung von Hottentotten mit Angehörigen eines jetzt ausgestorbenen Buschmannstammes, die die eigentlichen Urbewohner des Ambo- und Hererolandes gewesen sein sollen. Diese Heikum befanden sich früher teilweise in Abhängigkeit von den Häuptlingen der südlichen Ambostämme; einige zahlten Tribut an den Häuptling von Ongandjera, und seit alter Zeit brachen Buschleute im Dienste des Häuptlings von Ondonga Kupfererz im Otavibergland für ihren Oberherren (Schinz, 1891, S. 293 u. 321). Ein Teil dieser Heikumbuschmänner hat die alte Lebensweise aufgegeben und sich am Rande der südlichen Stammesgebiete niedergelassen, so in Südondonga, Ongandjera und Eunda. Sie zeigen heute nach Wuchs und Hautfarbe vielfach schon starke Beimischung von Ovamboblut, treiben Hackbau und haben auch sonst mehr oder weniger die Lebensweise der Ovambo angenommen.

Abb. 12

Abb. 12
Schmiede bei der Arbeit Ukuanjama.

Die Zahl der Ovambo, an denen diese fremden Beimischungen zu erkennen sind, ist jedoch relativ gering. Weitaus die meisten von ihnen zeigen den Bantutypus. Über ihre Herkunft und die Zeit der Einwanderung ist wenig Sicheres festzustellen. Einzelne Gebräuche und Traditionen weisen immer wieder nach Osten oder Nordosten als Herkunftsrichtung hin, manche Legenden vielleicht auch auf eine Wanderung vom oberen Sambesi her (The Native Tribes, Hahn, 1928, S. 1 ff.). Es ist anzunehmen, dass sie als Hackbauer diese Wanderung nicht freiwillig machten, denn sie führte sie in immer regenärmere, also für ihre Wirtschaftsform ungünstigere Gebiete, und die heutigen Wohnsitze der südlichen Ambostämme liegen bereits sehr nahe an der Existenzgrenze des Ackerbaues auf Regenfall. Diese Lage- und Umweltbedingungen dürften ein wesentlicher Grund sein für die geringe Höhe ihrer materiellen Kultur die deutlich hinter der der Ostküstenbewohner Südafrikas zurücksteht. Hier an der Westseite Südafrikas, wo die großen südafrikanischen Völkerstraßen in dem Rückzugsgebiet des Trockenlandes enden, fehlten belebende Einflüsse von außen fast ganz; Inzucht war die Folge und wurde noch verstärkt durch die Absonderung in kleine, streng voneinander getrennte Einzelstämme Das unregelmäßige Schwanken zwischen übergroßer Feuchtigkeit und stärkster Trockenheit, zwischen Jahren des Wohlstandes und schlimmen Hungerjahren, in denen das an Kornnahrung gewöhnte Volk in weitem Umfang auf die primitivste Wirtschaftsform, das Sammeln von Feldkost, zurückgeworfen wird um nur notdürftig das Leben zu fristen, bedingt eine Unregelmäßigkeit der Lebenshaltung, die bis zur Bedrohung der Existenz großer Volksteile gehen kann. Das musste auf die Entwicklung aller Kulturelemente, die eine gewisse Gleichmäßigkeit der Lebenshaltung und Stetigkeit der Tradition voraussetzen, sehr hemmend einwirken, während es andererseits unmittelbare Anpassung an die wechselvolle Natur förderte.

Abb. 13

Abb. 13
Wanderarbeiter auf dem Marsch nach Tsumeb.

Auch die politische Organisation des Volkes ist von Bedeutung für die heutigen Wirtschafts- und Siedelungsverhältnisse. Mit Ausnahme der Stämme Ukulukathi und Eunda, die wahrscheinlich als Abspaltungen von Ukualuthi oder Ongandjera aufzufassen sind (Report 1029 S. 98 ff.), standen ursprünglich alle Stämme des südlichen Ambolandes unter eigenen Häuptlingen. In Ombarantu wurde die Häuptlingswürde schon vor längerer Zeit von den Eingeborenen gewaltsam beseitigt, und eine Oligarchie von Großleuten trat an ihre Stelle. Der Häuptling von Ukuanjama wurde nach der Besetzung Südwestafrikas durch die Truppen der Südafrikanischen Union im Verlauf eines Aufstandes getötet, und ein europäischer Regierungsbeamter wurde mit den Funktionen eines Häuptlings für den südlichen, zu Südwestafrika gehörenden Teil Ukuanjamas betraut Die Häuptlingswürde hat sich bei den südlichen Ambostämmen zu einer fast unbeschränkten Autokratie des Herrschers herausgebildet. Er hat nicht nur alle Entscheidungen zu treffen, die den Stamm als Gesamtheit angehen, sondern es werden auch Grund und Boden des ganzen Stammesgebietes, ja sogar Besitz und Leben seiner Untertanen als sein Eigentum betrachtet Und diese Machtbefugnis ist nicht nur nominell, wie es z. B. bei den Hererohäuptlingen vielfach der Fall war, deren weniger an den Boden gebundene Untertanen sich der Willkür ihres Herrschers leichter durch Übertritt zu einem anderen entziehen und dadurch Ansehen und Macht des ersteren schwächen konnten (The Native Tribes, Vedder, 1928, S. 189 ff). Für den Ambomann bedeutet Flucht aus dem eigenen zu einem anderen Stamm fast immer Verlust seines gesamten Besitzes, völlige Lösung aller Familien- und Stammesbindungen und eine höchst ungewisse Zukunft, kommt daher nur im äußersten Notfalle in Betracht. Die Herrscher des Ambolandes haben denn auch von dieser Abhängigkeit ihrer Untertanen bis in die jüngste Zeit hinein reichlichen Gebrauch gemacht, und wenn auch heute Fälle von grober Willkür in der Rechtsprechung nicht mehr so häufig sind wie in früheren Zeiten, so ist doch auch jetzt noch die Entscheidung des Häuptlings für jeden seiner Untertanen unbedingt maßgebend. Das Weideland des Stammesgebietes wird von allen Bewohnern gemeinsam benutzt, aber der Häuptling kann bestimmte Teile davon für sich allein zurückbehalten, er kann eine beliebige Anzahl von Fruchtbäumen für sich beanspruchen und von seinen Untertanen Lieferung von Korn verlangen, um einen seiner Stellung entsprechenden Haushalt führen zu können. Vor allem aber ist entscheidend, dass er allein - in eigener Person oder durch einen von ihm über ein bestimmtes Gebiet gesetzten "Elenga" (Großmann) - die ihrer Größe nach im allgemeinen genau festliegenden Feldgrundstücke vergeben kann. Die Felder werden nicht als volles Eigentum, sondern als eine Art Lehen vergeben und können gegen geringwertigere umgetauscht oder gar ganz eingezogen werden, wenn der Benutzer dem Häuptling aus irgendeinem Anlass missliebig wird. Das ist nicht nur der Fall, wenn er aus politischen Gründen den Unwillen des Häuptlings erregt, sondern mitunter schon dann, wenn er durch Wohlstand zu sehr über die Masse der übrigen Untertanen hervorragt und der Häuptling darum seinen Einfluss befürchtet. Hierdurch bekam zum mindesten in der Vergangenheit diese Verbindung von unbeschränkter Häuptlingsgewalt und Landvergebung eine wesentliche Bedeutung für die Wirtschaftsführung des einzelnen Untertanen. Da der Ambomann nicht weiß, ob die Früchte seiner bzw. seiner Familie Arbeit auch wirklich ihm allein zugute kommen werden und da allzu großer Wohlstand Gefährdung bringen kann, fehlt ihm im allgemeinen der Anreiz, sich mehr als das im Augenblick unbedingt Lebensnotwendige zu erarbeiten. Der Sinn für wirtschaftliche Vorsorge für die Zukunft, zu dem die Ovambo doch gerade das wechselvolle Klima ihres Lebensraumes erziehen müsste, ist auffallend gering entwickelt.


4. Die menschliche Wirtschaft

Die wichtigste Grundlage für die Nahrungsversorgung ist bei allen Stämmen des südlichen Ambolandes der Anbau von Kulturpflanzen in der Form des afrikanischen Hackbaues. Die Viehhaltung spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle, schon aus dem Grunde, weil innerhalb der Stammesgebiete und auch in deren Umgebung die nutzbaren Weidevorräte recht begrenzt sind. Erträgnisse der Jagd kommen im allgemeinen für die tägliche Ernährung nur in sehr geringem Maße in Betracht, da erst in weiterer Entfernung von den Kulturgebieten ein größerer Wildbestand auftritt. Sehr charakteristisch für die Schwankungen, denen auch das Leben des Menschen durch die Unregelmäßigkeiten im Verlauf der klimatischen Erscheinungen ausgesetzt ist, sind dagegen zwei Wirtschaftszweige, die als Ergänzung der normalen Nahrungsversorgung in manchen Jahren von Bedeutung werden können, nämlich das Fangen der Fische, die in guten Regenjahren mit der aus Südangola kommenden Flut in Massen herbeigeführt werden, und andererseits das Sammeln von Feldkost aller Art, durch das man nach Trockenjahren mit schlechter Ernte den Hunger notdürftig abzuwehren sucht. Zu diesen der Nahrungsversorgung dienenden Wirtschaftszweigen kommt schließlich noch ein einfaches Handwerk, das die Gerätschaften für Haus- und Feldarbeit sowie Waffen und Schmuck liefert. Der Austausch dieser Erzeugnisse des Handwerks und der Handel mit Salz, auf das die südlichsten Ambostämme wegen ihrer Nachbarschaft zu den Salzpfannen des Etoschagebietes eine Art Monopol haben, hat schon seit alter Zeit einen Handelsverkehr zwischen den einzelnen Stämmen und sogar über die Grenzen des Landes hinaus entstehen lassen.


4.1 Der Bodenbau (Hackbau)

Nur der Anbau von Kulturpflanzen ermöglicht die Existenz einer so dichten Bevölkerung, wie sie das Amboland heute besitzt, und nur er gibt den Stammesgebieten das Gepräge von wirklichen Kulturlandschaften. Seine Erträge sind jedoch hier am äußeren Rande der Tropenzone immer unsicher.

Darum kommt den klimatischen Bedingungen besondere Bedeutung zu. Die hohe Wärme bewirkt zusammen mit der meist sehr geringen relativen Luftfeuchtigkeit eine starke Verdunstung. Einzelne kleine Regenschauer, auch wenn sie sich oft wiederholen, bleiben darum für die Pflanzenwelt fast wirkungslos, da das Wasser nicht in den Boden eindringen kann, sondern schon an der durch Isolation stark erhitzten Oberfläche verdunstet. - Wichtig ist das Fehlen des Frostes, weil dadurch die Vegetationszeit der Kulturpflanzen nicht verkürzt wird. Der Farmer im Hereroland muss an manchen Stellen schon im Mai mit Frostgefahr rechnen; er kann daher in den Jahren, in denen reichliche Regen erst in der zweiten Hälfte der Regenzeit fallen, gar nichts oder doch nur Gewächse mit sehr kurzer Vegetationszeit (Dreimonatsmais) anbauen. Der Ambomann dagegen kann auch noch späte Regen ausnutzen, da er die Ernte ohne Gefahr bis Juni oder Juli hinausschieben kann.

Von entscheidender Bedeutung für die Formen des Hackbaues und seine Erträgnisse sind die Niederschlagsverhältnisse. Die einseitige Verteilung der Niederschläge auf die kurze Regenzeit, der eine längere Trockenzeit gegenübersteht, ist an sich dem Anbau nicht hinderlich, und die mittleren Jahresmengen sind bei günstiger Verteilung über die Regenzeit durchaus ausreichend, um eine genügende Ernte zu erzielen. Verhängnisvoll sind jedoch die starken Schwankungen, deren Ausmaß oben an einigen Beispielen gezeigt wurde. Obgleich bei dem ebenen und sandigen Boden des Ambolandes fast der gesamte Niederschlag - soweit er nicht gleich wieder verdunstet - der Pflanzenwelt an Ort und Stelle zugute kommt, also nur sehr wenig durch Abfluss verloren geht, sind die Regenmengen in trockenen Jahren doch so niedrig, dass sie nur ganz geringe Ernten ermöglichen. Die Ernteerträge sind aber nicht etwa einfach proportional den Jahresregenmengen, vielmehr kommt als weiterer mitbestimmender Faktor die Verteilung der Niederschläge innerhalb der Regenzeit hinzu. Nicht selten herrscht nach den ersten kräftigen Regen, nach denen die Aussaat erfolgt, wieder eine längere Trockenzeit, die gefürchtete "Oluteni". Auf rein sandigem Boden kann die junge Saat bereits nach einer Dürrezeit von zwei Wochen vertrocknen, schwerer Boden kann schon 3 - 4 Wochen Trockenheit vertragen. Wer beide Bodenarten auf seinem Grundstück hat, pflegt darum meist zu Anfang der Regenzeit nur auf dem schweren Boden zu säen und zwar sehr dicht; regnet es dann weiter, so verpflanzt man die zu dicht aufgegangenen jungen Pflanzen auf den leichteren Boden. - Das strichweise Auftreten der Regen kann schließlich zur Folge haben, dass die Ernte in den verschiedenen Stammesgebieten, oft sogar in den einzelnen Teilen desselben Stammesgebietes, recht verschieden ausfällt. Die starken Schwankungen der Niederschläge nach Jahresmengen, jahreszeitlicher und räumlicher Verteilung, die sich durch gemeinsames Auftreten in ihren Wirkungen verstärken können, verleihen dem Wirtschaftsleben im Amboland eine große Unsicherheit.

Abb. 8

Abb. 8
Feld (Kaffernkorn) nach mäßig guter Regenzeit (Ukualuthi).

Die beiden Kulturpflanzen, von denen die Ernährung des ganzen Volkes abhängt und die darum fast ausschließlich vorherrschen, sind das Kaffernkorn (Andropogon Sorghum) und die Kolbenhirse (Pennisetum spicatum) (Abb. 8 u. 9). Das Kaffernkorn wird in guten Jahren bis drei Meter hoch; es verlangt einen nicht zu leichten Boden und hat eine lange Vegetationszeit (5 - 6 Monate), darum ist es bei spätem Einsetzen der Regenzeit nur hier im frostfreien Norden mit Sicherheit anbaufähig. Die Kolbenhirse wird nur bis zwei Meter hoch, ist widerstandsfähiger gegen Dürre und gedeiht auch auf sehr leichtem Boden. Die zu Mehl zerstampften Körner beider Getreidearten liefern das Hauptnahrungsmittel, einen mit Wasser oder Milch gekochten Brei; vom Kaffernkorn werden jedoch auch beträchtliche Mengen zum Bierbrauen verwendet.

Abb. 9
Mädchen beim Dreschen (Ukualuthi).

Neben Hirse und Kaffernkorn sind alle anderen Kulturgewächse von ganz untergeordneter Bedeutung. Am weitesten verbreitet ist noch die Vignabohne, die mitunter zwischen den bereits aufgehenden Kornschösslingen gesteckt wird. Sehr vereinzelt trifft man kleine, meist eingezäunte Beete mit einigen Tabakpflanzen. Die Kultur des Tabaks wie auch der Erdnuss, der Kürbisse und Melonen erreicht erst bei den nördlichen Ovambostämmen in Südangola größere Bedeutung. Auffällig ist, dass der Mais gar nicht angebaut wird, obgleich er in Angola weit verbreitet ist und seine Kultur den nach Hereroland wandernden Ovambo auch von den dortigen Farmen bekannt ist. Der Grund dafür liegt offenbar in der größeren Anspruchslosigkeit von Hirse und Kaffernkorn, die wegen ihrer tieferen Wurzelung auch längere Regenpausen besser überstehen.

Individueller Landbesitz ist im Amboland völlig unbekannt. Der Häuptling ist, wie oben erwähnt, Herr über Grund und Boden; nur durch ihn oder den von ihm eingesetzten Großmann (Elenga) kann der Einzelne ein Feld zugewiesen erhalten, und zwar nicht als vollen Besitz, sondern nur zur Nutzung. Die Lage der einzelnen Felder, ihre Größe und Grenzen sind meist genau festgelegt und den Nachbarn bekannt; eine willkürliche Vergrößerung auf Kosten des umliegenden Graslandes ist darum nicht ohne weiteres möglich, da immer noch genügend Weide für das Vieh vorhanden sein muss. Fast zu jedem Feld gehört auch eine bestimmte Anzahl der geschätzten Fruchtbäume, die bei der Bewertung desselben eine wesentliche Rolle spielen. - Wenn möglich, erhält jedes Familienoberhaupt ein so großes Grundstück, wie es gerade mit seinen Angehörigen, d. h. in erster Linie mit den zu seinem Haushalt gehörenden Frauen bebauen kann. Die Großmänner, zumal wenn sie Häuptlingssöhne sind oder der Adels-"Esimo" angehören, werden naturgemäß auch bei der Feldvergebung bevorzugt, und auch sonst ist der Entscheidung des Häuptlings ein weiter Spielraum gelassen. Bei gutem Verhalten gegenüber dem Häuptling kann aber jetzt in den meisten Fällen die Zuweisung eines Grundstücks als dauernd angesehen werden.

Die Felder der Ovambo sind durchweg Einzelfelder, die fast stets durch eine mehr oder weniger breite Strecke Weideland voneinander getrennt sind. Liegen doch einmal mehrere Felder nahe beieinander, so bleibt stets ein schmaler Rain als Grenze stehen. In der Mitte oder am Rande eines jeden Feldes liegt die dazugehörige Werft, Nährfläche und Wohnfläche der einzelnen Familie bilden also eine untrennbare Einheit. Darum ist die Lage der Felder nicht nur bestimmt durch Klima und geeigneten Boden, sondern auch durch die Faktoren, die die Lage der menschlichen Siedelungen beeinflussen, z. B. durch die räumliche Konzentration auf die Stammesgebiete, die hochwasserfreie Lage während der Regenzeit, die Nähe ausdauernder Wasserstellen usw.

Der Anbau ist also beschränkt auf die Stammesgebiete, aber auch hier sind die Felder nicht gleichmäßig dicht über das Land verteilt. Zunächst scheiden mit den Omiramben, Oiana und Vleys beträchtliche Flächen aus, da ihr harter Boden für den Anbau ungeeignet ist und da sie in der Regenzeit zu lange unter Wasser stehen. Nur selten greifen die Felder auf die flache Omurambaböschung über, fast stets beschränken sie sich auf die zwischen den Flussläufen gelegenen, nur wenig höheren Sandflächen. Auch auf diesen ist der Boden nicht überall für die Anlage von Feldern geeignet. Mitunter ist der lockere Oberflächensand brackig, vielfach auch nicht tiefgründig genug, so dass sich der Anbau dort nicht lohnt. Solche Flächen werden als Weideland genutzt, oft kommt auf ihnen auch lichter Mopanebusch auf, der aber innerhalb der Stammesgebiete infolge starker Ausnutzung selten größere Höhe erreicht, da die umliegenden Werften hier bequemer als in dem fernen Hochwald ihren Bedarf an Brennholz decken können.

Die Form der Felder ist bei allen Stämmen rundlich oder oval, gerade Linien oder scharfe Ecken kommen fast nie vor. Nahe der Mitte, manchmal auch am Rande, liegt die Werft, zu der ein nach außen sich rasch verbreiternder Zugangsweg für Menschen und Tiere freigehalten werden muss, wodurch das Feld eine etwa leberförmige Gestalt bekommt (Fig. 2). Die durchschnittliche Größe des einzelnen Feldes beträgt etwa 1 - 1½ ha, bei Großleuten und Häuptlingen auch ein Mehrfaches davon. Da der Häuptling jedoch nicht nur auf den Ertrag seines eigenen Feldes angewiesen ist, sondern auch von seinen Untertanen Zuschüsse empfängt, ist das zur Häuptlingswerft gehörende Feld nicht so groß, wie man nach dem beträchtlichen Korn- und Bierverbrauch der zahlreichen Bewohner (bis 100 Personen) und Gäste einer Häuptlingswerft annehmen sollte.

Fig. 2

Die Feldarbeit ist Aufgabe der Frauen, ihr Werkzeug dabei die Feldhacke mit eisernem Blatt und kurzem Holzstiel (Abb. 7). Fruchtwechsel und systematische Brache sind unbekannt, Düngung mit Kralmist dagegen ist bei allen Stämmen verbreitet, wird jedoch sehr verschieden sorgfältig durchgeführt. Eigenartig wirken in dieser Landschaft, in der man die menschliche Wirtschaft so vielfach unter den Wirkungen der Trockenheit leiden sieht, gewisse Vorkehrungen, um den Schaden gelegentlicher allzu starker Regenfälle abzuwenden. Die Felder werden nämlich vor der Aussaat nicht eingeebnet, sondern der Boden wird mit der Hacke zu einzelnen erhöhten Beeten aufgeworfen, die durch ein zusammenhängendes Netz von kleinen Gräben getrennt sind (Abb. 7).

Abb. 7
Frauen bei der Feldarbeit in Ukuanjama.

Dadurch wird vermieden, dass nach sehr starkem Regen oder beim Übertreten des Efundjahochwassers aus einem benachbarten Omuramba das Feld völlig unter Wasser gesetzt wird. Und zugleich wird auf diese Weise eine Verbrackung des Bodens um die Pflanzen verhindert, die in den südlichen Stammesgebieten leicht eintreten kann, indem die Salze der tieferen Bodenschichten durch das eindringende Wasser gelöst und durch kapillares Aufsteigen und Verdunsten des Wassers an die Oberfläche gebracht werden. Auch hierin zeigt sich, wie der Hackbau im Amboland sowohl mit den Wirkungen zu großer wie allzu geringer Feuchtigkeit zu kämpfen hat.

Abb. 8

Abb. 8
Feld (Kaffernkorn) nach mäßig guter Regenzeit (Ukualuthi).

Die Aussaat findet zu Beginn der Regenzeit nach den ersten Regen statt, der Zeitpunkt ist also stark von den unregelmäßigen Schwankungen der einzelnen Jahre abhängig. Setzen dann die Regen kräftiger ein und dauern sie vor allem gleichmäßig an, so sprießen die grünen Halme schnell empor und erreichen in den wenigen Regenmonaten 2 - 3 m Höhe. Dann ist die sonst so freie Aussicht in der Landschaft gehemmt, Menschen und Tiere, ja sogar die von Palisaden umgebenen Werften verschwinden hinter den hohen Kornfeldern. Wenn aber nach den ersten Regen wieder eine längere Trockenperiode, die "Oluteni", einsetzt, dann wird das Wachstum empfindlich geschwächt, und mitunter ist sogar eine zweite Aussaat nötig. Zur Erntezeit bieten darum die Felder in den einzelnen Jahren ein sehr verschiedenes Bild. Weit über mannshoch, gleichmäßig dicht und mit körnerschweren Rispen und Kolben stehen Kaffernkorn (Abb. 8) und Hirse in guten Jahren und geben wirklich tausendfältige Frucht; kaum mehr als meterhoch, ganz licht stehende Pflanzen mit vorzeitig vertrocknetem Halm und verkümmerter Frucht, das ist das Bild nach schlechter Regenzeit.

Abb. 9

Abb. 9
Mädchen beim Dreschen (Ukualuthi)

Die reifen Ähren werden mit der Hand gebrochen und auf einer Tenne ausgedroschen, die am Rande des Feldes aus festgestampftem Ton errichtet wird (Abb. 9). Formen und Ertrag des Hackbaues sind also in stärkstem Maße von dem wechselvollen Ablauf der Regenzeit in den einzelnen Jahren abhängig. In guten Erntejahren, und das sind mitunter auch solche mit nur mittlerer, aber günstig verteilter Regenmenge, ist der Nahrungsbedarf des ganzen Volkes reichlich gedeckt, und es können noch große Mengen von Kaffernkorn zum Bierbrauen verwendet werden; in schlechten Jahren dagegen kann der Hunger die Existenz große Volksteile bedrohen. Noch heute ist die große Hungersnot in allgemeiner Erinnerung, die dem Dürrejahr von 1914/15 folgte. Damals traf die ganz ungenügende Jahresmenge der Niederschläge mit einer besonders ungünstigen Verteilung der Regenzeit zusammen, es gab darum eine völlige Missernte. Nach Schätzung von Missionaren fielen in Ukulukathi, Ongandjera und Ombarantu etwa 50% der Bevölkerung dem Hungertod und den der Unterernährung folgenden Krankheiten zum Opfer, und auch die anderen Stämme litten stark.


4.2 Die Viehhaltung

Für die Nahrungsversorgung ist die Viehhaltung - eine eigentliche Zucht findet kaum statt - nur von geringer Bedeutung, im Gesamtbild der Stammesgebiete wie im täglichen Leben des Ambomannes spielt sie aber trotzdem eine wesentliche Rolle, da es mannigfacher Vorkehrungen bedarf, um Feldbau und Viehhaltung miteinander in Einklang zu bringen.

An erster Stelle unter den Haustieren steht das Ovamborind; es ist sehr kleinwüchsig und gewährt nur geringen Fleisch- und Milchertrag, was wohl eine Folge der dauernden Inzucht und der fast allgemeinen Überstockung der sehr beschränkten Weideflächen ist. Das Rind ist ein wichtiger Wertmaßstab, wenn auch nicht der einzige; der Besitz einer ansehnlichen Herde ist ein Zeichen von Reichtum, den man allerdings seinen Nachbarn und vor allem dem Häuptling nicht allzu deutlich zu zeigen wünscht. Deshalb pflegen wohlhabendere Leute ihren Viehbesitz gern auf mehrere Werften von ärmeren Verwandten zu verteilen. Auch Ziegen sind zahlreich, dagegen scheinen Schafe nicht gut zu gedeihen, wohl hauptsächlich deswegen, weil die ihnen zusagenden Futterbüsche hier im äußersten Norden von Südwestafrika größtenteils fehlen. Auf einzelnen Werften werden Hühner gehalten, die jedoch ebenfalls von sehr kleinem Wuchs sind. Viele Werften werden von einem Hund bewacht. Pferde sind ein Luxus, den sich nur die Häuptlinge und wenige Großleute leisten können, da sie hier in der Regenzeit durch die Pferdesterbe stark gefährdet sind.

Die Viehhaltung muss sich dem Hauptzweig der Nahrungsversorgung, dem Hackbau, unterordnen. Die Felder sind zwar oft mit einer niedrigen Hecke aus trockenem Buschreisig eingezäunt, um das Eindringen des Viehs zu verhindern. Vielfach fehlt aber genügend Buschwerk in erreichbarer Nähe. Dann müssen die Tiere, damit sie nicht in die Felder einbrechen, sorgfältig gehütet werden, was ausschließlich Aufgabe der Männer und Knaben ist. Ebenso dürfen sie aus dem gleichen Grunde nachts nicht frei umherlaufen, wie es auf den Farmen des Hererolandes der Fall ist. Das Vieh wird darum jeden Abend in den Kral getrieben, der innerhalb der Palisadenumzäunung der Werft liegt. Da die Weide innerhalb der Stammesgebiete sehr beschränkt ist, kann jede Werft im allgemeinen nur eine geringe Menge von Rindern halten; 10 - 15 Stück ist etwa die Durchschnittszahl, nur die Häuptlinge und einige Großleute besitzen Herden von mehreren hundert oder gar über tausend Stück, verteilen aber dann fast stets ihren Viehbesitz über mehrere Werften. Bei ärmeren Leuten müssen Ziegen teilweise, in seltenen Fällen auch ganz die fehlenden Rinder ersetzen, völlig ohne Groß- oder Kleinvieh ist aber kaum eine Werft.

Weideland für das Vieh bildet innerhalb der Stammesgebiete das Land zwischen den Feldern, nach der Ernte werden die Tiere auch auf die abgeernteten Felder getrieben. Der Graswuchs ist im Amboland reichlicher, die Qualität der Weide dagegen geringer als in den trockeneren Gebieten Südwestafrikas. Besonders das harte Gras der Omiramben und Oiana wird vom Vieh sehr ungern gefressen und hat nur ganz geringen Nährwert. Das gesamte Weideland der Stammesgebiete steht allen Mitgliedern des Stammes offen, tatsächlich ist jedoch der einzelne Viehbesitzer an die nähere Umgebung seiner Werft und vor allem seiner Wasserstellen gebunden. Nicht jede Werft hat einen eigenen Brunnen, denn zum Ausschachten sind meist bedeutende Erdarbeiten nötig, und nicht überall ist Wasser in erreichbarer Tiefe zu finden. Auch die Unterhaltung der Brunnen verursacht Mühe, da diese während der Regenzeit häufig teilweise verschüttet werden. Eine eigene Wasserstelle kann sich darum im allgemeinen nur die Werft leisten, die über zahlreiche Arbeitskräfte verfügt. Meist teilen sich mehrere Anlieger in die Benutzung eines gemeinsamen Brunnens, ein Recht auf Wasserentnahme haben jedoch nur die, die regelmäßig zu dessen Unterhaltung beitragen. Wenn am Ende der Trockenzeit nach schlechten Regenjahren der Grundwasserspiegel stark sinkt und die neuen Regen lange ausbleiben, versiegen manche Brunnen völlig, und da zu dieser Zeit das Gras in den Stammesgebieten meist ganz abgefressen ist, hat das Vieh dann sowohl unter Wasser- wie Weidemangel zu leiden.

Um diesen Schwierigkeiten abzuhelfen, muss die Viehwirtschaft auch über den Raum der Stammesgebiete hinausgreifen. In den Mopanewäldern, die als breite unbewohnte Grenzstreifen die einzelnen Stämme voneinander trennen, findet sich wenigstens stellenweise recht guter Graswuchs; hier ist darum eine Weidereserve gegeben, die durch Anlage von Viehposten ausgenutzt werden kann. Fast alle Besitzer größerer Herden haben allein oder gemeinsam mit anderen einen solchen Viehposten, der lediglich aus einer Wasserstelle im Walde besteht, an die man das Vieh bringt, sobald die Weide in den Stammesgebieten knapp zu werden beginnt. Manche Leute lassen ihre Herde überhaupt den größten Teil des Jahres auf Posten stehen und behalten nur einige Milchkühe dauernd bei der Werft. Wer keine Wasserstellen im Walde besitzt, kann sein Vieh wenigstens während und kurz nach der Regenzeit dorthin bringen, da dann in den Vleys noch genügend Oberflächenwasser vorhanden ist. Die Stämme Ombarantu und Ukulukathi-Eunda haben ihre Viehposten und Tränkestellen sogar bis zum Kunene vorgeschoben. Diese an der Peripherie der Stammesgebiete im Walde gelegenen Viehposten dienen also zur Entlastung der Weide des Kulturlandes; nur sie ermöglichen neben dem Hackbau noch die Haltung eines relativ großen Viehbestandes.


4.3 Jagd, Fischfang und Sammelwirtschaft

Die Erträgnisse der Jagd sind gering. Wegen der hohen Siedelungsdichte ist größeres jagdbares Wild innerhalb des Kulturlandes selten zu finden. Nur kleine Böcke halten sich in den Buschstreifen der weniger offenen Stammesgebiete, und in der Regenzeit kommen Scharen von Wasservögeln aus Südangola, ziehen aber wieder nach Norden, sobald das offene Wasser eingetrocknet ist. Auch in den einförmigen Trockenwaldgebieten ist der Wildbestand gering. Erst in der offeneren Landschaft des Otjimpolofeldes sind die großen Antilopen häufiger, am Rande des Kaokogebietes kommen sogar Giraffen und Elefanten vor, und der größte Wildreichtum findet sich in der Umgebung der Etoschapfanne, wo das Salz und einige natürliche Quellen große Rudel von Gnus, ferner Zebras, Oryxantilopen und Springböcke anlocken. In Richtung auf diese Gebiete werden von den Häuptlingen der angrenzenden Stammesgebiete gelegentlich größere Jagdzüge unternommen; doch ist das mehr eine Art Sport, für die Ernährung des Volkes ist die Jagd nur von sehr geringer Bedeutung.

Dagegen kann in manchen Jahren der Fischfang wesentlich zur Nahrungsversorgung beitragen. Wenn nach sehr starkem Regen in Südangola die Hochflut (Efundja) nach Süden strömt, führt sie meist beträchtliche Mengen von Fischen mit sich, die dann in den netzartig sich ausbreitenden und verflachenden Omiramben und Oiana des südlichen Ambolandes im wörtlichen Sinne aufs Trockene gesetzt werden. Man nahm bisher meist an, dass diese Fische - hauptsächlich sind es Welse, die bis ein Meter Länge erreichen - dem Kunenenfluss entstammen, ja man sah in dem Auftreten der Fische im Amboland geradezu eine Bestätigung der Theorie einer gelegentlichen Kommunikation zwischen Kunene und Ambolandomiramben. Nachdem aber jetzt die Annahme einer solchen Verbindung sehr unwahrscheinlich geworden ist, wird man die Herkunft der Fische ebenso wie die der Wassermassen der Efundja selbst in erster Linie im Kuvelai suchen müssen, der zwar nur ein periodischer Fluss ist, in dessen Oberlauf sich aber nach Marquardsen (1928, S. 61) auch in der Trockenzeit große Teiche mit Fischen, Fröschen, Krokodilen und Flusspferden befinden.

Schon während der Flut können die Fische leicht gefangen werden, indem man quer durch die Omiramben Zäune baut, in die dicht nebeneinander Reusen eingefügt sind. Nach der Flut bleiben auch viele Fische in den Vleys und in den vom Hochwasser überfluteten Brunnenlöchern zurück. In Gegenden mit ganz geringer Niveaudifferenz zwischen Omiramben und Kulturland können sie mitunter sogar in den Furchen der Felder gefangen werden, wie es z. B. in Ombarantu gelegentlich der Fall war. Die Fische werden getrocknet und bilden eine willkommene Abwechslung in der sonst so einförmigen Kost. Da die neue Ernte meist erst zwei bis drei Monate nach dem Abzug der Efundja eingebracht wird, der Mangel an Korn also gerade gegen Ende der Regenzeit am größten ist, können Fische in dieser Zeit sogar ein sehr wichtiger Bestandteil der Ernährung überhaupt werden.

Ist der Fischfang ein Geschenk der Efundja in den wenigen sehr guten Regenjahren, so bildet dagegen das Sammeln wildwachsender Früchte usw. eine Hilfe gegen die Hungersnot, die schechten Regenjahren folgt. Schon in normalen Jahren spielt die Sammelwirtschaft eine gewisse Rolle. Besonders geschätzt sind die pflaumengroßen Früchte des Omugongo (Sclerocarya Schw.), die zu einem stark alkoholhaltigen Getränk vergoren werden. Frisch gegessen werden die kirschengroßen Früchte des Omuandi (Diospyros mesp.). Von der Hyphaenepalme bleibt fast kein Teil ungenutzt. Die Blattfasern dienen zur Herstellung von Flechtarbeiten, die Blattstiele als Bogen, der Stamm gibt Nutzholz, durch Abzapfen gewinnt man den Palmwein, und die pfeffer-kuchenartig schmeckende Schale der Früchte ist essbar. In Hungerzeiten weitet sich der Kreis dessen, was als essbar befunden wird, sehr wesentlich. Das weiche Mark der Palmkrone besitzt einen gewissen Nährwert, die Palmen werden darum in solchen Zeiten in großer Zahl gefällt. Auch mit den Früchten des wilden Feigenbaumes und des Baobab, mit zahlreichen anderen Früchten, Knollen und sonstiger Feldkost sucht man den schlimmsten Hunger zu stillen. Aber der begrenzte Raum der Kulturlandschaft der Stammesgebiete bietet der zahlreichen Bevölkerung nur geringen Ertrag; der sesshafte, an Kornnahrung gewöhnte Hackbauer kann nicht plötzlich die Lebensweise des Buschmannes annehmen und ohne Schaden für seine Gesundheit längere Zeit ausschließlich von Feldkost leben.


4.4 Handwerk und Gewerbe

Die Wirtschaftsform des Hackbaues und die mit ihm verbundene Sesshaftigkeit der Bevölkerung machen bei den Ovambo einen umfangreicheren Besitz an Gerätschaften für die Haus- und Feldarbeit nötig, als ihn ihre nomadisierenden südlichen Nachbarvölker vor dem Eindringen der europäischen Zivilisation besaßen. Dieser Bedarf an Geräten, auch an Waffen und Schmuck wird heute noch zum größten Teil im Lande selbst hergestellt.

Das Flechten von sauberen Körben und Tellern aus Palmblattfasern ist eine Technik, die von den meisten Frauen beherrscht wird, wenn auch in sehr verschiedenem Grade der Vollkommenheit. Das Schnitzen hölzerner Becher und Näpfe, in die oft einfache Ornamente eingebrannt oder eingeschnitzt werden, setzt schon größere Kunstfertigkeit voraus, die nicht jeder besitzt. Ähnlich steht es mit der Lederbearbeitung, die die für die Bekleidung nötigen breiten Leibriemen und den Lendenschurz liefert, und auch die Herstellung der Hüftketten für die Frauen, die aus runden Scheiben von Strausseneierschalen gefertigt werden, verlangt besondere Geschicklichkeit. Vollends gelernte Handwerker erfordern schließlich die Töpferei und die Schmiedekunst, aber auch sie werden nicht als ausschließliche Erwerbsquelle, sondern nur neben dem Hackbau betrieben.

Das Rohmaterial für die Töpferei ist der dunkle Ton, der im Boden mancher Vleys und Oiana besonders rein gefunden wird. Das Formen geschieht in überdeckten Gruben, die nur einen ganz engen verschließbaren Eingang haben und meist so niedrig sind, dass man darin nicht aufrecht stehen kann. Die fertigen Gefäße werden mit Holz oder Holzkohle gebrannt (Abb. 14), wobei der dunkle Ton eine braunrote Farbe annimmt. Die Töpferei ist ausschließlich Frauenarbeit; hergestellt werden dickbauchige Töpfe, die oft am oberen Rand ein einfaches Strichornament eingedrückt erhalten, ferner flache Schüsseln und Pfeifenköpfe. In Ukuambi soll der Ton besonders geeignet sein; die Töpferei ist in diesen Stammesgebiet zu besonderer Vollkommenheit ausgebildet worden, aber auch in den anderen Stämmen wird sie betrieben.

Abb. 14

Abb. 14
Frauen beim Brennen von Tonwaren.

Noch stärker an bestimmte Stammesgebiete gebunden ist die Ausübung des Kupfer- und Eisenschmiedehandwerks. Bei der Mächtigkeit der lockeren Aufschüttungen, die den Boden des südlichen Ambolandes bilden, sind Erzlagerstätten nirgends zu finden. Das Rohmaterial musste darum von außerhalb eingeführt werden, und diejenigen Stämme, die die Zufuhr nahezu als Monopol in der Hand hatten, besorgten auch in erster Linie die Weiterverarbeitung. Schon lange vor der Entdeckung der Kupfererzlager des Otaviberglandes durch die Europäer haben Buschleute, die unter der Oberherrschaft des Ondongahäuptlings standen, dort Erz gebrochen, das dann durch Ovambo nach Ondonga gebracht wurde. So entstand in diesem Stammesgebiet ein besonderes Kupferschmiedehandwerk, das vor allem die bis 3 kg schweren Fußspangen für die Frauen und schmälere Armringe mit einfachen Ornamenten liefert.

Das noch wichtigere Eisenerz ist jedoch nur am Nordrande des Sandfeldes zu finden. Aus den stets ausweichenden Angaben der Eingeborenen geht wenigstens soviel hervor, dass es im Nordosten Ukuanjamas an einem Platz in der Nähe von Cafima in etwa 4 m tiefen "Eisensteingruben" abgebaut wird. Einmal im Jahr gehen die Schmiede des südlichen Ukuanjama mit ihren Blasebälgen dorthin, brechen das Erz und schmelzen es an Ort und Stelle zu kleinen, ziemlich unreinen Eisenklumpen aus. Der Handel mit Roheisen scheint früher ganz gering gewesen zu sein, vielmehr erfolgte auch die Weiterverarbeitung fast ausschließlich in Ukuanjama, das damit lange Zeit ein Monopol für Eisenschmiedearbeiten unter den südlichen Ambostämmen besaß. Heute sind jedoch auch in anderen Stämmen einzelne Eisenschmiede zu finden. Die Erzeugnisse der Eisenschmiedekunst sind viel mannigfaltiger als die der Kupferbearbeitung, sie bestehen in Geräten (Hacken, Axtklingen), Waffen (Speere, Pfeilspitzen, Messer) und Schmucksachen (Arm- und Fußringe usw.). Darum spezialisieren sich die meisten Schmiede auf die Herstellung nur eines oder weniger Artikel.

Im Landschaftsbild der Stammesgebiete ist von dieser handwerklichen Tätigkeit freilich nur wenig zu sehen, da größere Bauten oder Anlagen dazu nicht nötig sind. Der Schmied schlägt seinen Arbeitsplatz meist neben der Werft unter einem Baum oder einem leichten Schutzdach aus Ästen auf (Abb. 12), die unterirdischen Formräume für die Töpferei sind nur an der kleinen Einsteigeöffnung und an einer geringen Bodenerhöhung bemerkbar, und das Brennen der Tonwaren geschieht meist nur an vorübergehend dazu hergerichteten Plätzen (Abb. 14).

Abb. 12

Abb. 12
Schmiede bei der Arbeit Ukuanjama.

Dagegen hat der notwendige Austausch dieser handwerklichen Erzeugnisse schon früh einen lebhaften Handel entstehen lassen, der sogar die sonst so betonte politische Absonderung der einzelnen Stammesgebiete überwandt. Die wichtigsten Handelsartikel sind Tonwaren, Eisen- und Kupferschmiedearbeiten, ferner auch Erzeugnisse des Hackbaues, durch deren Austausch die Wirkungen lokal schlechter Ernten in einzelnen Stammesgebieten bis zu einem gewissen Grade gemildert werden können. Sogar weit über die Grenzen des südlichen Ambolandes griffen diese Handelsbeziehungen hinaus. Reisende Ambohändler, meist aus Ondonga, versorgten früher das Hereroland mit Tonwaren und Schmiedearbeiten, bevor dort Erzeugnisse europäischen Ursprungs eindrangen (Schinz, 1891, S. 153 ff.). Nach den nördlichen Stammesgebieten wurde dagegen hauptsächlich Salz ausgeführt, das dem regenreicheren Norden fehlt, während es besonders in einigen kleinen Salzpfannen nördlich und westlich der Etoscha in großen Mengen vorkommt. Es wird dort von den Bewohnern Ondongas, Ukuambis und Ongandjeras ausgebeutet und gegen Korn und Tabak, der weiter im Norden besser gedeiht, ausgetauscht. Auch hieraus erkennt man die Stellung des südlichen Ambolandes als Übergangslandschaft zwischen den regenfeuchten Tropen und den Trockengebieten Südwestafrikas.


5. Die Besiedelung

Form, lokale Lage und allgemeine Verbreitung der Siedelungen im Amboland werden wesentlich bedingt durch die Eigenart der Hauptwirtschaftsform, also des Hackbaues mit allen seinen Folgen für die gesamte Lebensführung. Die nomadische Viehzucht der Hottentotten, z. T. auch der Herero, verlangte rasche Veränderlichkeit der Siedelungen, damit man den jeweils günstigsten Weideplätzen nachgehen konnte, und der geringe für diese Wirtschaftsform nötige Hausrat ermöglichte die Anlage von leicht verlegbaren Wohnstätten. Anders steht es im Amboland. Der Feldbau gestattet und erfordert feste Wohnplätze mit Möglichkeit zur Vorratsspeicherung, und die stärkeren Niederschläge der Regenzeit machen eine solidere Hüttenkonstruktion notwendig. Zum Schutz der Felder muss das Vieh nachts stets zusammengetrieben werden, was Einbeziehung eines Viehkrales in die Werftanlage bedingt, und schließlich muss zur Bewahrung dieses mannigfaltigeren Besitzes auch eine stärkere Schutzumwallung um den Wohnplatz angelegt werden.


5.1 Form und Anlage der Werften

Die Wohnstätten des Ovambo sind Einfamilenwerften, die stets in der Mitte oder am Rande des dazugehörigen Feldes liegen. Eine solche Werft ist ein nach einem traditionellen Grundrissplan angeordnetes System von Hütten, Vorratsspeichern, Viehkrälen und kleinen offenen Höfen und Gängen, das im Inneren durch Wände in einzelne Abteilungen gegliedert und nach außen von einem kreisförmigen Palisadenwall umgeben ist.

Abb. 17

Abb. 17
Hütte einer Werft in Ombarantu.

Die Einwohnerzahl der Werften ist sehr verschieden, entsprechend der durch die ungleiche Zahl der Frauen stark schwankenden Kopfzahl der Familien, zu denen nicht selten auch noch einige alleinstehende fernere Verwandte kommen. Im Durchschnitt kann man im südlichen Ambolande für jede Werft etwa sieben menschliche Einwohner und 10 - 15 Stück Vieh annehmen. Bei reichen Großleuten und besonders bei den Häuptlingen, die stets mehrere Frauen haben, vergrößert sich diese Zahl wesentlich, zumal sich auf deren Werften meist auch noch zahlreiche entfernte Familienmitglieder sowie ein besonderes Gefolge aufhalten, so dass die Zahl der Bewohner dadurch auf etwa 100 Menschen ansteigen kann.

Abb. 19

Abb. 19
Teil einer Werft in Ukuanjama.

Schon die einzelne Ovambohütte (Abb. 17 und 19) zeugt nach Form und Ausführung von der Sesshaftigkeit ihres Bewohners. Sie ist eine auffällig kleine Kegeldachhütte mit zylindrischen, oft auch schwach konischem Unterbau von 1,50 m bis höchstens 2,50 m Durchmesser. Die Wand wird gebildet aus möglichst dicht gesetzten, kaum mehr als 1 m hohen Pfählen. Soll die Hütte als Schlafraum dienen, so werden die Fugen zwischen den einzelnen Pfählen sauber mit Lehm versehen, der Boden aus gestampftem Lehm wird zum Schutz gegen etwa eindringendes Regenwasser etwas aufgefüllt, und auch die sehr kleine Eingangsöffnung ist dann stufenförmig erhöht. Auf der Pfahlwand sitzt das kegelförmige, ebenfalls nur wenig über 1 m hohe und sorgfaltig mit dichten Lagen des harten Omurambagrases bedeckte Dach derart, dass sein Rand ein gutes Stuck über die Wand hinausragt.

Neben diesen Hütten, die zum Schlafen und zur Aufbewahrung von Geräten, Milch, Bier usw. dienen, hat jede Werft noch eine Anzahl von Grasdächern, die ebenso wie die Hüttendächer gebaut sind, aber nicht von einem ringsum geschlossenen Unterbau sondern nur von einigen wenigen Pfählen getragen werden (Abb. 18 und 19). Sie dienen als Schutzdächer gegen Sonne und Regen, der Aufenthalt unter ihnen ist bei der Hitze des Tages angenehmer als in den völlig geschlossenen Hütten, und während des Regens wird die Feuerstelle unter ihnen aufgeschlagen. - Die Zahl der Hütten einer Werft ist naturgemäß abhängig von der Zahl der Werftbewohner. Die Durchschnittswerft des gemeinen Mannes enthält etwa 10 bis 15 Hütten oder Schutzdächer (ohne die Kornspeicher), während bedeutende Großmanns- oder gar Häuptlingswerften mehr als 50 Hütten umfassen können.

Abb. 18

Abb. 18
Empfangsraum (Olupale) in der Werft eines Großmannes in Ukuanjamas.

Die Ovambowerft ist jedoch nicht nur Wohnstätte, sondern sie muss im Gegensatz zur ursprünglichen Herero- und Hottentottenwerft auch besondere Vorrichtungen zur Aufspeicherung der Erntevorräte haben. Da die in der kurzen Erntezeit eingebrachten Kornvorräte für alle Dorfbewohner das ganze Jahr hindurch ausreichen müssen, ist ihre sachgemäße Aufbewahrung von großer Bedeutung. Die Kornspeicher (Abb. 16), in denen das geschieht, bilden darum einen wichtigen Teil der Werft. Es sind urnenförmige, aus Palmblattfasern oder Bast und Zweigen geflochtene Körbe die gewöhnlich etwa 1 m bis 1,50 m hoch sind, in umfangreichen Werften aber mitunter so groß werden, dass man eine kleine Leiter anlegen muss, um die mit einem Deckel verschlossene Öffnung zu erreichen. Die Speicher werden von einem mehrfüßigen Holzgestell etwas erhöht über dem Boden gehalten, damit die Bodenfeuchtigkeit in der Regenzeit und tierische Schädlinge abgehalten werden; gegen Termitenfraß sichert außerdem eine Vermischung der Körner mit der Asche gewisser Holzarten. Zum Schutz gegen Regen werden die Körbe mit einem Dach von der gleichen Konstruktion wie die Hüttendächer bedeckt. Bei den kleineren Kornspeichern sitzt das Dach unmittelbar auf dem Korb auf und muss bei Bedarf abgehoben werden, bei den größeren ruht es meist auf besonderen Pfosten. Auch die Zahl der Kornspeicher einer Werft ist von der Bewohnerzahl und dem Wohlstand des Werftoberhauptes abhängig. Doch pflegt man in Werften mit großen Kornvorräten aus Gründen der Raumersparnis lieber die Ausmaße der einzelnen Speicherkörbe als deren Zahl zu vergrößern. Zum Stampfen des Kornes dient eine kleine Tenne aus Lehm, in die mehrere Holzmörser eingelassen sind.

Abb. 16

Abb. 16
Kornkörbe einer kleinen Werft in Ondonga.

Einen großen Teil der Werft nehmen schließlich noch die Viehkräle ein, in die die Tiere am Abend eingetrieben werden. Es sind offene, von festen Baumstammpalisaden umgebene Höfe. Um den gesamten Umfang der Werft nicht zu sehr anschwellen zu lassen, werden sie möglichst klein gehalten so dass das Vieh darin oft sehr eng zusammengedrängt wird. Fast stets besteht eine Unterteilung in Rinder-, Kälber- und Kleinviehkral. Nur selten werden die jungen Kälber, die gegen starken Regen und Nachtkühle empfindlicher sind, durch ein über den kleinen Kälberkral gebautes Dach geschützt.

Abb. 19

Abb. 19
Teil einer Werft in Ukuanjama.

Die Hütten, Kornspeicher, Viehkräle usw. treten nun zu jener eigenartigen Siedlungsform zusammen, die man in Südwest als Werft bezeichnet (Abb. 19). Im Landschaftsbild ist von der ganzen Anlage freilich nur wenig zu sehen, denn von außen sieht man nur einen kreisrunden dichten Palisadenwall, der durch seine Höhe (2,50 - 3 m) alles darin Befindliche verbirgt Die Anlage des Inneren ist jedoch ein recht kompliziertes Gebilde, das am besten an der Hand der Grundriss-Skizzen (Fig. 3 und 4) verdeutlicht werden kann. Palisadenwälle aus Baumstämmen oder auch aus leichterem Material gliedern es in eine Vielzahl von Gängen, Kralen und in kleine Höfe, in denen wie in abgesonderten Zellen jeweils mehrere Hütten stehen Da die Wände auch im Inneren den Überblick über das Ganze verhindern, erscheint eine solche Werft beim ersten Betreten zunächst wie ein willkürlich verbautes, verworrenes Labyrinth. Bei näherer Untersuchung des Grundrisses zeigt sich jedoch, dass der Anlage ein bestimmter Plan zugrunde liegt.

Zwei verschiedene Grundrisstypen sind dabei im südlichen Amboland zu unterscheiden. In Ondonga und vorwiegend auch in den Gebieten der kleineren Weststämme (Fig. 3) führt von dem kaum meterbreiten Eingang ein schmaler, etwas gerundeter Palisadengang bis ungefähr zur Mitte, wo der offene Empfangsraum (Oshinianga) das Zentrum der ganzen Anlage bildet. An ihm liegt meist die Hütte des Hausherrn, die besonders geräumig und oft noch von einer kreisrunden Palisadenwand umgeben ist. Links von dem Hauptgang liegen die Viehkrale, die einen besonderen Zugang dicht neben dem Eingang für die Menschen haben. Erst von der Oshinianga aus öffnen sich die Zugänge zu den zellenartigen Höfen, in denen die Hütten der Frauen, die Aufbewahrungsräume für Geräte, Milch, Bier usw. liegen. Jede Frau hat eine solche Abteilung für sich, in der mindestens eine Schlaf- und Gerätehütte, meist auch noch ein Schutzdach (zum Kochen während der Regenzeit) und einige Kornkörbe stehen. In größeren Werften sind die Räumlichkeiten der "Ersten Frau" nach Läge und Größe deutlich vor denen der anderen bevorzugt. Ein großer Teil der Peripherie wird von den in langer Reihe aufgestellten Kornkörben eingenommen.

Dieselben Einzelelemente bei etwas anderer Grundrissgestaltung zeigt der Typus der Ukuanjamawerft (Fig. 4). Bei ihr führt der Weg spiralförmig (entgegen dem Uhrzeigersinne) nach innen, so dass man innerhalb der Außenpalisade fast den halben Werftumfang umschreiten muss, bevor sich ein Zugang zu dem ebenfalls im Zentrum gelegenen Empfangsraum (Olupale) (Abb. 18) auftut, von dem man erst zu den übrigen Abteilungen gelangt. Der Platz zum Stampfen des Kornes hegt fast immer rechts vom Eingang, ist jedoch erst auf einem weiten Umweg von diesem aus zu erreichen. Die langgestreckte Reihe der Viehkräle bildet einen großen Teil der Peripherie, deren Rest von den Kornkörben eingenommen wird. Die Abteilungen der Frauen und die übrigen Räumlichkeiten gruppieren sich konzentrisch um die Olupale und sind durch ein verzweigtes System von Palisadenwänden voneinander getrennt. Kein Punkt der Werft ist also auf direktem Wege vom Eingang her zu erreichen, die meisten inneren Räume sogar nur auf vielfach verschlungenen Umwegen über die Olupale. Eine große Ukuanjamawerft macht darum, mehr noch als die Werft des Ondongatypus, den Eindruck eines wirklichen Labyrinthes. Der Weg nach innen ist leicht zu finden, wenigstens bis zur Olupale, während es umgekehrt für den Fremden beim ersten Besuch nicht leicht ist, in dem komplizierten, aber keineswegs verworrenen System von engen Gängen und Höfen ohne Führung rasch den Weg nach außen zu finden. Die beiden Werftformen zeigen in der ganzen Anlage eine geschickte Gliederung und Ausnutzung des Raumes; alle Einzelteile fügen sich zwanglos der fast kreisförmigen äußeren Palisadenumzäumung ein, gerade Linien und größere tote Winkel werden fast ganz vermieden.

Beide Werfttypen können je nach Größe und Hüttenzahl wohl vereinfacht oder auch noch weiter kompliziert werden, aber das ihnen zugrundeliegende Formprinzip bleibt dabei im wesentlichen gewahrt, und die gelegentlichen individuellen Abweichungen sind nur gering. Es gibt jedoch auch Mischformen zwischen beiden Typen, die z. B. bei einigen der kleineren Weststämme recht zahlreich werden. Solche Werften zeigen dann häufig auch in der Gliederung des gesamten Innenraumes nicht mehr jene strenge traditionelle Form, die den beiden Grundtypen eigen ist.

Abb. 18

Abb. 18
Empfangsraum (Olupale) in der Werft eines Großmannes in Ukuanjamas.

Im allgemeinen hat jede Werft zwei Eingänge, je einen für Menschen und Tiere. Sie liegen jedoch fast stets unmittelbar nebeneinander und werden häufig durch einen kralartigen Vorbau zu einem zusammengefasst, fallen wohl auch ganz zu einem einzigen zusammen, indem sich erst innerhalb der Palisadenwand die Wege für Menschen und Tiere trennen. Dadurch ist eine gute Kontrolle über den Aus- und Eingangsverkehr möglich, und die ganze Anlage ist gegen einen überraschenden Angriff gut zu verteidigen. - Auffällig ist bei den meisten Werften eine Orientierung des Eingangs ungefähr nach Osten oder Nordosten, was von manchen Eingeborenen mit  der angeblichen Herkunftsrichtung des Volkes bei der Einwanderung, von anderen mit dem Hinweis auf die Richtung des Sonnenaufgangs begründet wird.

Das Baumaterial der äußeren und inneren Wände ist nicht bei allen Werften das gleiche. Wenn möglich, wird man alle Palisaden aus Baumstämmen errichten, wozu sich die etwa schenkeldicken, aber ziemlich gerade gewachsenen Mopanestämme gut eignen (Abb. 18). Dicht nebeneinander in den Boden eingerammt und untereinander verflochten, ergeben sie eine Wand von etwa 2½ bis 3 m Höhe und großer Festigkeit. Zwar halten gerade die sehr widerstandsfähigen Mopanestämme lange Zeit, da sie wegen der geringen Luft- und Bodenfeuchtigkeit, die während des größten Teiles des Jahres herrscht, nicht verfaulen und auch bei einer Verlegung der Werft oft wieder verwendet werden können. Trotzdem bedingt die hohe Siedelungsdichte und die Menge der für die einzelne Werft nötigen Baumstämme einen gewaltigen Holzverbrauch, denn eine mittelgroße Werft braucht über 100 m, eine umfangreiche Großmanns- oder Häuptlingswerft oft sogar über 300 m Palisadenwand zur äußeren Umfriedigung und zur inneren Gliederung. Dieser Holzbedarf muss fast ganz aus den Waldzonen zwischen den einzelnen Stammesgebieten gedeckt werden, da im Kulturland, abgesehen von den Fruchtbäumen, die geschont werden müssen, hochstämmige Bäume selten sind. Daher ist es oft schwer, beim Bau einer neuen Werft die genügende Menge von Baumstämmen zu beschaffen, besonders in den inneren Teilen der großen Stammesgebiete, die vom Walde weit entfernt liegen, und im äußersten Süden, wo das Kulturland schon weit in die baumlose Grassteppe der Ombuga vorgeschoben ist. In solchen Gebieten oder auch sonst auf Werften, die nicht über viele Arbeitskräfte verfügen, werden darum mitunter die Baumstämme teilweise ersetzt durch dicke, etwa 2 m hohe fest geschnürte Ruten- oder auch nur Strohbündel, die untereinander verflochten sind und durch einige eingerammte Baumstämme Halt bekommen (Abb. 11).

Abb. 11

Abb. 11
Familie aus Ombarantu.

Im allgemeinen wird von den Ovambo aller Stämme auf den Bau der ganzen Werftanlage viel Arbeit und Sorgfalt verwandt. Wenn man trotzdem gelegentlich verfallende oder nur mangelhaft ausgebesserte Werften trifft, so ist das in vielen Fällen nur ein Zeichen für die schwindende Arbeitskraft ihrer Bewohner, die wegen Alter, Wegzug der Kinder oder dergl. nicht mehr in der Lage sind, die große Anlage ordnungsgemäß zu unterhalten. - Dagegen sind die Werften der Heikumbuschmänner, die sich am Südrand einiger Stammesgebiete niedergelassen und sich der Lebensweise der Ovambo mehr oder weniger angepasst haben, sehr flüchtig gebaut. Bei ihnen ist die strenge Ovambowerftform fast ganz verlorengegangen, ihre Wohnstätten sind oft nichts anderes als formlose Gruppen von flüchtig erbauten Hütten, die nur von einem dürftigen Zaun aus Reisig- oder Strohbündeln umgeben sind.

Die Größe der Werft hat sich naturgemäß nach der Bewohner- und Hüttenzahl sowie nach dem Umfang der nötigen Viehkräle zu richten, sie ist damit zugleich auch ein Zeichen für die soziale Stellung des Werftoberhauptes. Der Durchmesser einer mittleren Werft beträgt ungefähr 15 - 25 m, aber die Werften mancher Großleute und Häuptlinge haben etwa 40 - 50 m Durchmesser, in seltenen Einzelfällen geht er sogar noch darüber hinaus. Diese großen Werften mit ihren zahlreichen Hütten und Höfen, den gewaltigen Kornkörben und den festen, manchmal aus doppelter Baumstammreihe gesetzten Palisadenwänden machen einen sehr stattlichen Eindruck. Im Gegensatz zu den flüchtigen Werftanlagen der Herero und Hottentotten kommt bei ihnen am stärksten die durch den Hackbau bedingte Sesshaftigkeit und Behäbigkeit in der ganzen Lebensführung ihrer Bewohner zum Ausdruck, daneben aber auch Besitzbewusstsein und das daraus folgende größere Schutzbedürfnis.


5.2 Lage der Siedelungen

Für die Lage der Siedelungen innerhalb der Stammesgebiete gilt das gleiche wie für die Lage der Felder, da beide eine untrennbare Einheit bilden. Werften ohne Felder gibt es nicht, weil alle Familien, auch die wenigen, die über den eigenen Bedarf hinaus handwerklich oder gewerblich tätig sind, Hackbau treiben, und ebenso kommen Felder ohne Werften fast nie vor, da zu jeder Werft nur ein Feld gehört. Die Siedelungen sind also ebenso wie die Felder beschränkt auf die zwischen den Flussläufen liegenden, nur ganz wenig höheren Sandflächen. Alle bei normaler Efundja unter Wasser stehenden Vertiefungen (Omiramben, Oiana, Vleys), also etwa zwei Fünftel des Landes, sind auch innerhalb der Grenzen der Stammesgebiete von der Besiedelung ausgeschlossen und können höchstens als minderwertiges, weil fast ganz mit saueren Gräsern bestandenes Weideland genutzt werden. Unmittelbare Randlage an einem Omuramba bietet manche Vorzüge (günstige Fischfanggelegenheit, unmittelbare Nähe offenen Wassers während und kurz nach der Regenzeit), hat aber auch den Nachteil, dass in den seltenen Jahren, in denen die Efundja sehr stark abkommt, gelegentlich auch die neben den großen Omiramben gelegenen Felder und Werften überflutet werden und dadurch Schaden leiden. Trotzdem meiden die Siedelungen die Omurambanähe nicht, sind aber auch abseits von den Flussläufen in etwa der gleichen Dichte über die Fläche verstreut, soweit nicht ungeeigneter Boden den Anbau ausschließt.

In der einförmigen Ebene des amboländischen Sandfeldes sind bevorzugte, orographisch bedingte Verteidigungslagen nirgends gegeben. Gegen überraschende Überfälle bieten die festen äußeren Palisadenwände der Werften guten Schutz. Eine längere Belagerung kann aber die einzelne Werft kaum aushalten, da sehr bald Wassermangel eintritt und bei der leichten Brennbarkeit des gesamten Baumateriales die Werft einem Angriff durch Feuer nicht standhält. Einen gewissen Ersatz bieten die mächtigen Stämme großer Affenbrotbäume, die bei alten Exemplaren stets hohl sind und einer beträchtlichen Zahl von Menschen vorübergehend Zuflucht bieten können, zumal sich darin nicht selten auch ein kleiner Vorrat von Wasser finden soll. Durch Umhegung mit einem Erdwall oder Palisadenzaun wurden sie in früheren Zeiten manchmal sogar zu kleinen Festungen ausgebaut.

Selbst das Streben nach wirksamer Verteidigung gegen eindringende Feinde hat die einzelnen Werften nirgends zu geschlossenen dorfartigen Siedelungen zusammentreten lassen. In allen Stammesgebieten des südlichen Ambolandes herrscht vielmehr als einzige Siedelungsform die isoliert liegende Einzelwerft. Ob dafür auch traditionelle, auf die Zeit vor der Einwanderung zurückreichende Motive mitbestimmend sind, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls weist auch die Natur des Landes die südlichen Ovambo auf eine möglichst geringe Konzentration der Siedelungen hin. Bei den eigenartigen Grundwasserverhältnissen des südlichen Ambolandes lassen sich zwar zahlreiche kleine Wasserstellen erschließen, aber sie dürfen nicht in größerer Zahl zu nahe beieinander liegen, und die Ergiebigkeit der einzelnen Brunnen ist in der Trockenzeit so gering, dass in den meisten Fällen nur eine größere oder ganz wenige kleinere Werften mit Sicherheit auf genügend Wasser aus einer Stelle rechnen können. Umfangreiche Großmanns- und Häuptlingswerften brauchen fast stets mehrere Wasserstellen. Brunnen mit so starker Wasserförderung, wie sie für die Versorgung einer an einem Punkt konzentrierten größeren Anzahl von Menschen und Vieh nötig wäre, lassen sich bis auf ganz wenige Ausnahmen (Abb. 4) überhaupt nicht erschließen.

Abb. 4

Abb. 4
Großer Brunnen in Ukulukathi

Auch die sorgfältige Bestellung und Bewachung der Felder müsste leiden, wenn das Feld nicht in unmittelbarer Nähe der Werft liegen würde. Wegen der unsicheren Niederschlagsverhältnisse ist zum Unterhalt jeder Familie schon eine beträchtliche Flächengröße erforderlich, zumal bei der herrschenden Verbindung von Hackbau und Viehhaltung, da ja zwischen den Feldern noch die vielfache Fläche als Weideland für das Vieh freigehalten werden muss. Stallfütterung ist unbekannt und kaum durchführbar. Bei der heutigen Siedelungsweise in Einzelwerften findet also das Vieh, soweit es überhaupt in den Stammesgebieten und nicht auf entfernteren Viehposten steht, seine Weide in der näheren Umgebung der Werft. Bei dorfartigen Siedelungen würde der tägliche Weidegang über sehr viel größere Strecken führen müssen, was den in der Trockenzeit oft schon sehr kümmerlichen Zustand der Herden noch weiter verschlechtern würde. Außerdem würde durch das tägliche Aus- und Eintreiben größerer Herden ein nicht geringer Teil der in den Stammesgebieten an sich schon knappen Weide nutzlos zertreten werden.

Die Siedelungsweise der verstreut liegenden Einzelwerften ist also auch durch die besonderen Grundwasser- und Klimaverhältnisse geboten, nur eine solche gestattet bei der bestehenden Verbindung von Hackbau und Viehhaltung hier an der Trockengrenze des Hackbaues noch die beste Nutzung des Bodens. In der nördlichen Gebirgsumrandung des Ambolandes dagegen, wo die Grundwasserbedingungen wenigstens stellenweise viel günstiger und der Ertrag der Felder wegen der besseren Regenmengen und vor allem wegen der Regenverlässlichkeit viel größer ist, sind im Stammesgebiet der Ngangela nordwestlich von Ukuanjama schon größere Dörfer (Rundlinge) die Regel, und das Häuptlingsdorf Galange im Lande der Mbundu soll sogar nahezu 20.000 Einwohner zählen (Schachtzabel, 1923, S. 43 und 69 ff.).


5.3 Die Stammesgebiete

Die heutige Verbreitung der Ovambosiedelungen und damit überhaupt die Ausdehnung der Kulturlandschaft ist bedingt durch natürliche Faktoren und solche, die in der politischen Organisation des Volkes beruhen. - In dem weiten Sandfeld der Omaheke, das sich nach Osten an das bewohnte Amboland anschließt, sind die Niederschlagsverhältnisse kaum ungünstiger als in den meisten der südlichen Stammesgebiete. Trotzdem kommt es für eine dauernde Besiedelung durch Hackbauer nicht in Frage, da das ganze Jahr über ausreichende Wasserstellen fast nirgends erschlossen werden können, wenigstens nicht von den Ovambo mit ihren Mitteln. Die Omaheke ist darum auch heute noch der unbestrittene Lebensraum einer kleinen Zahl freier Buschleute, die sich ihm mit ihrer primitiven Sammelwirtschaft vortrefflich angepasst haben, vor allem auch durch ihre Fähigkeit zur Erschließung und rationellen Ausnutzung allergeringster Wasservorkommen, worin sie dem Ovambo weit überlegen sind.

Ähnlich liegen die Verhältnisse an der Südgrenze des bewohnten Ambolandes, in der Ombugasteppe. Auch hier sind Wasserstellen sehr selten sie sind stark salzhaltig, und zugleich scheint der Anbau an der Südgrenze des Kulturlandes vielfach unmittelbar durch Verbrackung des Bodens zu leiden. Auch im Grenzgebiet des Ambolandes nach Südwesten (Übergang zum Kaokogebiet) lässt sich nur an ganz wenigen Stellen Wasser erschießen. Ausschlaggebend für die großen Züge in der Verbreitung der Ovambosiedlungen sind also in erster Linie die Grundwasserverhältnisse. Die eigenen Niederschläge des südlichen Ambolandes dürften auch in guten Regenjahren kaum genügen, um einen ausreichenden Grundwasservorrat zu bilden. Entscheidend sind vielmehr die aus Südangola herbeiströmenden Wassermassen der Efundja, die hier zum größten Teil versickern; wahrscheinlich wird man auch in den Jahren ohne Efundja einen langsamen Zustrom des Grundwassers aus Südangola annehmen dürfen. Nur in den Teilen des Sandfeldes, denen außer den eigenen Niederschlägen auch noch dieser Zustrom zugute kommt und in denen das Grundwasser in erreichbarer Tiefe liegt, ist die Existenz einer so zahlreichen Bevölkerung möglich, wie sie das südliche Amboland heute zeigt.

Aber auch dieses Gebiet mit günstigen Grundwasserverhältnissen ist keineswegs vollständig besiedelt. Vielmehr ist noch eine weitere und sehr wesentliche Beschränkung für die Ausbreitung der Siedelungen festzustellen, die in der politischen Organisation des Volkes ihre Ursache hat. Die Ovambo zerfielen wahrscheinlich schon zur Zeit der Einwanderung in ihre heutigen Wohnsitze in mehrere Stämme, deren Zahl sich hier durch Abspaltung noch vergrößert zu haben scheint. Eine übergeordnete politische Einheit hat sich nicht herausgebildet, die einzelnen Stämme stellen vielmehr politisch unabhängige Gebilde dar, deren Angehörige im allgemeinen ein starkes Stammesbewusstsein haben. Im materiellen Kulturbesitz der einzelnen Stämme bestehen nur recht geringe Unterschiede, die Stammeseigenart zeigt sich aber in gewissen dialektischen Abweichungen der Sprache, in manchen Gebräuchen und Traditionen und z. B. auch in den kunstvollen Haartrachten der Frauen, die in jedem Stamme eine besondere, von denen der Nachbarstämme meist stark abweichende Form haben (Abb. 17).

Abb. 17

Abb. 17
Hütte einer Werft in Ombarantu.

Jeder Stamm stand ursprünglich zu den meisten anderen in einem gewissen Gegensatz, der oft in kriegerischen Unternehmungen zum Austrag kam, wenn auch nur in der harmloseren, aber dafür um so häufigeren Form von Viehräubereien. Das Verteidigungsbedürfnis verlangte darum die Aufrechterhaltung eines schützenden Grenzwaldsaumes zwischen den einzelnen Stämmen, der im Bewusstsein des Volkes als Niemandsland betrachtet wird. Auch aus innerpolitischen Gründen unterstützten die Häuptlinge diese Entwicklung; sie wünschten Geschlossenheit und Übersichtlichkeit ihres Stammesgebietes, keiner der Untertanen sollte sich durch abseitige Siedelungslage ihrer Kontrolle entziehen. Da die Häuptlinge die volle Verfügung über Grund und Boden haben, konnten sie tatsächlich eine wirksame Siedelungspolitik unter diesen Gesichtspunkten betreiben. Die einzelnen Stammesgebiete sind darum nicht nur ihrer ursprünglichen Anlage nach, sondern auch in ihrer heutigen Form ausgedehnte Kulturlandschaftsinseln, die voneinander durch etwa 15 - 30 km breite, völlig unbewohnte Grenzwaldstreifen getrennt werden. Nur die beiden ganz kleinen, im äußersten Westen gelegenen Stamme Ukulukathi und Eunda, die wahrscheinlich Abzweigungen von Ukualuthi oder Ongandjera darstellen und bezeichnenderweise auch kein eigenes Häuptlingstum entwickelt haben, sind zu einem einzigen Siedlungsgebiet verschmolzen.

Acht solcher Stammesgebiete haben am südlichen Amboland in der oben gegebenen Umgrenzung Anteil (Fig. 5). Aber das größte und volkreichste von ihnen Ukuanjama wird durch die Meridiangrenze zwischen Angola und Südwestafrika, die neuerdings durch Übergabe des bisher strittigen Grenzstreifens an Angola endgültig noch weiter nach Süden gerückt ist und jetzt dem Breitenkreis der Kambele- (= Ruacana) Fälle vom Kunene bis zum Okavango folgt (Grenzvertrag 1926, Nr. 61), zerschnitten, so dass nur etwa sein südliches Drittel zu Südwestafrika, der Rest zu Angola gehört. Wenn auch diese Grenzziehung die auf die Zeit des Wettlaufs der europäischen Mächte um die Aufteilung Afrikas zurückgeht, wegen der Unmöglichkeit wirksamer Überwachung bisher nur geringe praktische Bedeutung hat, so ist sie doch um der zukünftigen Entwicklung willen bedauerlich. Denn sie zerschneidet das größte aller Stammesgebiete, sie trennt in willkürlicher Weise die südlichen Stämme von der nördlichen Gruppe und stellt beide Gebiete unter zwei verschiedene Kolonialverwaltungen, die in der Praxis ihrer Eingeborenenpolitik stark voneinander abweichen. Schon heute ergeben sich daraus Schwierigkeiten, indem z. B. die Stämme Ukulukathi-Eunda und Ombarantu von ihren gewohnten Viehposten und Tränkestellen am Kunene abgeschnitten wurden; und manche neue werden auftreten, wenn erst das südliche wie das nördliche Amboland stärker als bisher in das Wirtschaftsleben und Verkehrssystem des übrigen Südwestafrika bzw. Angola einbezogen sein werden. Die Einwohnerzahl des südlich der Grenze gelegenen Teiles von Ukuanjama beträgt etwa 45.000 - 60.000; aber die Bevölkerung ist recht ungleich verteilt. Neben Gebieten mit hoher Siedelungsdichte haben sich hier noch umfangreiche Busch- und Waldstreifen erhalten, so dass der Eindruck entsteht, als sei dieser südliche Teil Ukuanjamas erst in jüngerer Zeit besiedelt worden. In der Gegenwart wird aber gerade hier viel neues Land gerodet, da manche Bewohner des nördlichen Ukuanjama sich lieber südlich der Grenze niederlassen, um sich der portugiesischen Oberhoheit zu entziehen - eine Binnenwanderungsbewegung im Ukuanjamastamme, die jedoch nach schlechten Regenjahren wenigstens zum Teil wieder rückläufig wurde. Im Vergleich zu den übrigen Stämmen des südlichen Ambolandes hat jedoch auch dieser Teil Ukuanjamas noch verhältnismäßig hohe Niederschläge, so dass er im allgemeinen nicht so oft und nicht so stark unter schlimmen Missernten zu leiden hat.

Fig. 5

 Das südliche Amboland liegt beidseitig der Grenze zu Angola und der Etschopfanne (grüner Pfeil) 

Annähernd ebenso groß wie der südlich der Grenze gelegene Teil Ukuanjamas ist das Stammesgebiet von Ondonga, das ca. 45.000 - 50.000 Einwohner besitzt. Es ist von allen Stammesgebieten am weitesten nach Süden in der Richtung auf die Etoscha vorgeschoben, z. T. schon über die Waldgrenze hinaus, so dass der Südrand seiner Kulturlandschaft unmittelbar in die offene Ombugagrassteppe übergeht. Infolge seiner südlicheren Lage hat es schon etwas geringere Niederschläge, und die Grundwasserverhältnisse sind hier in der Trockenzeit nach Menge wie Güte wesentlich schlechter. Andererseits ist Ondonga durch diese Lage dem Otavibergland und dem Hereroland am nächsten gerückt. Die zwei Wege, die, von Süden kommend, die Etoschapfanne am Ost- und Westrand umgehen und an wenigen dürftigen Wasserstellen die Ombuga durchqueren, führen beide nach Ondonga. Dadurch wurde dieser Stamm zum wichtigsten Vermittler des Verkehrs zwischen dem Amboland und den südlicheren Gebieten. Die Einfuhr von Kupfererz aus dem Otavibergland lag ganz in seiner Hand, Ondongaleute sind es hauptsächlich, die das Salz in den kleinen Salzpfannen westlich und nördlich der Etoscha ausbeuten, und auch der früher offenbar bedeutende Handelsverkehr mit Hereroland führte zum größten Teil über diesen Stamm. Diese bevorzugte verkehrsgeographische Stellung hat sich Ondonga auch jetzt noch erhalten und sogar verbessert, da sich der Vorteil seiner Lage seit dem Beginn der europäischen Kolonisation in Südwestafrika nur noch verstärkt hat.

Die kleinen westlichen Stammesgebiete stehen hinter Ukuanjama und Ondonga an Umfang und Bevölkerungszahl weit zurück, haben aber trotzdem ihre Selbständigkeit erhalten können. Ukuambi und Ombarantu (ca. 7.000 und 5.000 Einwohner) sind noch allseitig von Wald umgeben. Ongandjera (6.000 - 7.000 Einwohner), Ukualuthi (ca. 6.000 Einwohner) und Ukulukathi-Eunda (ca. 2.000 Einwohner) liegen dagegen schon am südwestlichen Rande des eigentlichen Mopanehochwaldgebietes und leiden sehr unter häufiger Dürre und Grundwassermangel.

Bei der noch sehr ungenügenden Kartierung des Landes (vgl. Karten Nr. 1 - 3) lassen sich zahlenmäßige Angaben über die Größe der einzelnen Stammesgebiete nur schätzungsweise machen. Das eigentliche Kulturland (ohne die abseits gelegenen Viehposten) von Ondonga und dem südlich der Grenze gelegenen Teil Ukuanjamas mag je rund 2.000 - 2.500 qkm umfassen, während die Flächen der kleinen Weststämme zwischen ca. 200 und 800 qkm schwanken. Für das Kulturgebiet aller südlich der Grenze gelegenen Stammesgebiete zusammen wird man eine Fläche von ungefähr 7.000 - 10.000 qkm annehmen dürfen, was bei einer Gesamtbevölkerung von rund 137.0005) eine durchschnittliche Volksdichte von etwa 15 - 20 pro Quadratkilometer ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Stammesgebiete unproduktive Flächen umfassen, so dass sich also, wie auch die Beobachtung zeigt, in manchen gut besiedelten Gegenden die Dichtezahl noch wesentlich erhöht.

Abb. 5

Abb. 5
Landschaft im Stammesgebiet von Süd-Ondonga.
Im Mittelgrund ein großes Vley.

Für südwestafrikanische Verhältnisse ist das eine außerordentlich hohe Bevölkerungsdichte, die es begreiflich macht, dass hier der Mensch die Natur nicht nur an einzelnen Punkten, wie es fast im ganzen übrigen Südwestafrika der Fall ist, sondern flächenhaft in weiten, zusammenhängenden Gebieten zu einer Kulturlandschaft umzugestalten vermochte. Trotz der eintönigen Flachheit des Landes und der geringen Unterschiede im materiellen Kulturbesitz der Stämme ist das Landschaftsbild in den einzelnen Stammesgebieten keineswegs gleichartig. Es erhält jedoch sein eigenartiges Gepräge weniger unmittelbar durch die Werke des Menschen als vielmehr durch die Reste der natürlichen Vegetation, die zwar teilweise auf die verschiedenen Grundwasser- und Niederschlagsverhältnisse zurückgehen, in dem Umfang aber, in dem sie erhalten oder durch Kulturpflanzen ersetzt sind, und in dem Vorherrschen einzelner Arten von Fruchtbäumen usw. zum großen Teil doch schon wieder eine Einwirkung des Menschen darstellen. Südondonga, dessen Kulturland bereits über die südliche Waldgrenze in die Ombuga vorgeschoben ist, ist eine offene Steppe, über die nur ganz licht einige hohe Bäume oder Büsche verteilt sind. Kilometerweit schweift der Blick über die weite Sandfläche mit dürftigem Steppengras und kärglichen Feldern, erst am Horizont wird er begrenzt durch die Silhouette einiger schlanker Fächerpalmen (Abb. 5). Im nördlichen Ondonga und vor allem im wasserreicheren Ukuanjama herrscht eine lichte bis dichte Parklandschaft vor. Gruppen von Fruchtbäumen wechseln mit Palmbüschen und gelegentlich ausgedehnteren Busch- und Waldstreifen, hinter denen selbst bei hoher Siedelungsdichte die Felder und Werften fast verschwinden können. Die regenärmeren westlichen Stammesgebiete sind wieder offener; neben der Fächerpalme tritt hier im Westen immer häufiger der Baobab auf, der bei dem auffälligen Überwiegen alter Exemplare mit seinem gewaltigen Stamm und den unförmigen Ästen diesen Landschaften einen im Vergleich zum übrigen Südwestafrika fremdartigen Charakter gibt.

Abbv. 6

Abb. 6
Kulturlandschaft im Stammesgebiet von Omarantu mit Baobab und Hyphaenepalmen.
Rechts die Palisadenumzäunung einer Werft.

Unauffällig ordnen sich die Bauten und Anlagen des Menschen diesen verschiedenen Vegetationsbildern ein; nirgends wird durch Form, Material oder Farbe eine betonte landschaftliche Wirkung gesucht, eher vermieden. Die Palisadenwände der Werften lassen von außen nichts von dem komplizierten Aufbau des Innern erkennen. Die Felder heben sich als eigentliche Kulturflächen nur während eines Teiles des Jahres deutlich hervor; in der zweiten Hälfte der Trockenzeit, wenn sie abgeerntet sind und auch das umliegende Grasland völlig abgeweidet ist, unterscheiden sie sich namentlich in den busch- und baumarmen Strecken der Stammesgebiete nur wenig von den unbebauten Teilen des Landes (Abb. 6 und 7). Auch die Wasserstellen treten trotz der entscheidenden Bedeutung, die sie gerade hier für die Existenzmöglichkeit des Menschen haben, wenig hervor. Nur dort, wo das Grundwasser tiefer liegt oder lockerer Boden keinen steilen Böschungswinkel zulässt, sind sie auch auf größere Entfernung als solche zu erkennen an den Erdwällen, zu denen das geförderte Material meist ringförmig um den Brunnenrand aufgeworfen ist. Bei dem geringen Verkehrsbedürfnis und dem Fehlen mechanischer Transportmittel spielen Wege kaum eine Rolle im Landschaftsbild. Unmittelbar vor den Werften und den Wasserstellen ist von Menschen und Tieren ein breiter Zugang ausgetreten und frei von Pflanzenwuchs. Aber die Spuren verlieren sich rasch in dem umgebenden Grasland, und nur in sehr dicht besiedelten Gegenden ist gelegentlich zwischen den Feldern ein schwach ausgetretener Fußpfad zu erkennen.

Abb. 7
Frauen bei der  Feldarbeit in Ukuanjama.

Sind auch alle diese Zeichen menschlicher Tätigkeit zahlreich genug, um in ihrer Gesamtheit für die Stammesgebiete die Bezeichnung Kulturlandschaft zu rechtfertigen, so erscheinen sie doch gering im Vergleich zu der hohen Bevölkerungsdichte, von der der europäische Beobachter unwillkürlich eine stärkere Umgestaltung der natürlichen Landschaft, ein augenfälligeres Hervortreten der Werke des Menschen erwartet. Der Grund dafür liegt nicht so sehr oder jedenfalls nicht allein in der Unfähigkeit der Bewohner, nachhaltiger auf die Natur einzuwirken, als vielmehr in der besonderen Eigenart dieser Menschen, die mit ihren Bauten, Anlagen usw. gar nicht danach streben, der Natur bewusst gegenüberzutreten, sondern sich ihr möglichst unauffällig anpassen, sich ihr ein- oder unterordnen wollen. Es fehlen alle geraden Linien, alle rechteckigen Flächen und ähnliche geometrische Figuren sowie jede betonte Symmetrie, also gerade die wichtigsten der Formelemente, die in der europäischen und in der europäisch-kolonialen Kulturlandschaft so vielfach vorherrschen und dort den Gegensatz von Menschenwerk und Natur so stark betonen. Rund wie der Grundriss der Hütten ist die Umzäunung der Werften, abgerundet, doch ohne geometrische Exaktheit sind die Formen der Felder und die Waldsäume der Stammesgebiete, gewunden und auch das kleinste Hindernis umgehend ist der Lauf der gelegentlich schwach angedeuteten Fußpfade. Auch darin spiegelt sich die bei aller Einfachheit doch in sich geschlossene und der Natur noch unmittelbarer verbundene Kultur der Menschen wider, die hier ihre Heimat haben.


6. Die Stellung des Ambolandes in der europäischen Kolonialwirtschaft Südwestafrikas

Erst sehr spät wurde Südwestafrika Gegenstand der europäischen Kolonialinteressen. Im Jahre 1884 erfolgte die deutsche Besitzergreifung, aber erst nach 1905 setzte die wirtschaftliche Erschließung in stärkerem Maße ein. Die europäische Kolonisation ist jedoch dann in wenigen Jahren überraschend schnell vorgedrungen. Die politische Organisation der Eingeborenen im Nama-, Herero- und Otavibergland wurde zerbrochen, in deren alten Weidegründen breiteten sich europäische Farmen, Minen und Ortschaften aus. Die überkommenen Wirtschafts- und Lebensformen der Eingeborenen wurden hier durch die enge Berührung mit der europäischen Zivilisation in kurzer Zeit nachhaltig umgestaltet; das Binnenland Südwestafrikas zwischen Oranje und Etoscha wurde zu einer europäischen Siedlungskolonie, in der die Eingeborenen zwar auch heute noch an Zahl weit überlegen sind und als Arbeiter eine wichtige Rolle spielen, aber nur in völliger Unterordnung unter die Herrschaft der Europäer leben.

Es ist auffällig, dass die Ausbreitung der europäischen Kolonialwirtschaft noch vor dem äußersten Norden Südwestafrikas haltgemacht hat, also gerade vor den Teilen des Landes, die durch ihren Regenreichtum am meisten bevorzugt erscheinen. Der Grund dafür ist nicht nur in der Abgelegenheit dieser Gebiete zu suchen, sondern mehr noch in den Schwierigkeiten, die hier die Natur des Landes der Ausbreitung europäischer Wirtschaftsunternehmungen entgegenstellte. Schon das Klima ist hier im Norden durch die gleichmäßigere Hitze und das häufigere Vorkommen tropischer Krankheiten dem Europäer weniger günstig als in den südlicheren Landschaften. Die etwa 200 km breite, fast wasserlose und menschenleere Trockenzone im Umkreis der Etoscha, die das besiedelte Amboland von der Nordgrenze der Farmgebiete Südwestafrikas trennt, hat das weitere Vordringen der Farmen verhindert. Durch ihre äußerste Armut an zuverlässigen Wasserstellen wirkte diese Zone, die nur auf zwei die Etoscha im Osten und Westen umgehenden Wegen (Tsumeb-Namutoni-Ondonga; Outjo-Okaukuejo-Ondonga) unter Schwierigkeiten durchquert werden kann, als ein starkes Verkehrshindernis, durch das auch das Vordringen mittelbarer europäischer Einflüsse lange Zeit gehemmt wurde. Auch die starke, in häufigen Stammeskämpfen geübte Bevölkerung ließ nach den Erfahrungen der Hottentotten- und Hererokriege eine vorsichtigere Behandlung der Ovambostämme angezeigt erscheinen. Am Südrand der Etoschapfanne endete zur deutschen Zeit die tatsächliche europäische Herrschaft, was in der Anlage von Okaukuejo und Namutoni als Grenzfestungen zum Ausdruck kam; auch heute noch endet hier die sogenannte Polizeizone, deren Grenze Europäer nur überschreiten dürfen, wenn sie im Besitz einer besonderen Erlaubnis der Mandatsregierung sind. Trotz der für koloniale Verhältnisse geringen Entfernung von den in rascher Entwicklung begriffenen europäischen Siedlungsgebieten Südwestafrikas konnten darum die Eingeborenen im Amboland ihre bisherige Wirtschafts- und Siedlungsweise und ihre überkommene soziale und politische Organisation bis vor kurzem noch fast ganz in den alten Formen erhalten. Aber es zeigen sich doch auch hier schon die ersten Ansätze zu jener unaufhaltsamen Entwicklung, die nach und nach auch die entlegensten Gebiete in den Kreis der europäischen Interessen, der kolonialen Wirtschaft und damit der Weltwirtschaft einbezieht.


6.1 Europäersiedelungen im Amboland

Die ersten und bis vor kurzem einzigen Europäer, die sich im Amboland niedergelassen haben, waren Missionare. Schon 1870 kamen die ersten von ihnen, die der finnischen Missionsgesellschaft angehörten, dort an. Ondonga blieb lange Zeit ihr einziges Arbeitsgebiet; die Versuche, auch bei den westlichen Stämmen Fuß zu fassen, scheiterten lange Zeit an deren feindseliger Haltung und gelangen endgültig erst nach mehreren Jahrzehnten. Seit 1890 errichtete dann auch die deutsche Rheinische Mission einige Stationen in Ukuanjama, die jedoch nach dem Weltkrieg gänzlich aufgegeben werden mussten, da sie bereits nördlich der Angolagrenze liegen. Die Finnische Mission besitzt gegenwärtig fünf Hauptstationen und ein großes Eingeborenenhospital in Ondonga, je eine Hauptstation in Ukuanjama, Ukuambi, Ongandjera, Ombarantu und Ukualuthi und eine Handwerkerschule in dem Waldgebiet zwischen Ondonga, Ukuambi und Ukuanjama. Dazu kamen in neuerer Zeit noch eine englische Missionsstation in Süd-Ukuanjama und zwei deutschkatholische Stationen in Ukuambi und Ombarantu.

 Es ist in dieser Arbeit, in der es sich in erster Linie um die unmittelbaren materiellen Einflüsse der europäischen Zivilisation auf die Wirtschafts- und Siedlungsverhältnisse des Ambolandes handelt, nicht der Ort, die aufopferungsvollen Bemühungen der Mission um die geistige Hebung der Eingeborenen zu betrachten. Doch muss wenigstens auf einen Zweig der Missionsarbeit besonders hingewiesen werden, da er neben seiner ideellen Seite auch große unmittelbare Bedeutung für die zukünftige Bevölkerungsentwicklung des Ambolandes hat. Der gesundheitliche Zustand der Ovambo ist im Vergleich zu vielen anderen südafrikanischen Bantuvölkern nicht gut. Die ungleichmäßige Ernährung begünstigt die Anfälligkeit für viele Krankheiten und deren bösartigen Verlauf in hohem Maße. Freilich ist es heute in vielen Fällen schon nicht mehr leicht, die im Lande heimischen Krankheiten von denen zu sondern, die durch den Wanderarbeiterverkehr vom Süden her mitgebracht oder verstärkt werden. Schon frühzeitig wandte sich darum die Mission der ärztlichen Versorgung der Eingeborenen zu. Heute findet fast auf jeder Missionsstation poliklinische Krankenbehandlung durch ausgebildete europäische Kräfte statt. Mehrere Stationen verfügen außerdem noch über ein besonderes Eingeborenenhospital, deren größtes, das der Finnischen Mission in Ondonga, 1927 rund 4.000 Krankheitsfälle behandelte. In dem menschenarmen Südwestafrika, dessen wirtschaftliche Entwicklung fast dauernd unter einem empfindlichen Mangel an eingeborenen Arbeitskräften leidet, sind diese Bemühungen um den Gesundheitszustand seines größten Eingeborenenvolkes auch für die Kolonialwirtschaft von besonderer Bedeutung.

Nach dem Weltkrieg traten zu den Missionsstationen noch einige weitere Europäersiedlungen, die hauptsächlich dem Wunsch nach stärkerer Heranziehung der Ovambo als Arbeitskräfte für die europäische Kolonialwirtschaft Südwestafrikas ihr Entstehen verdanken. Die Mandatsregierung errichtete zur Aufsicht über das gesamte südliche Amboland ein Eingeborenenkommissariat mit dem Sitz in Ondangua (Ondonga) und eine weitere Regierungsstation in Süd-Ukuanjama. Ferner gestattete sie die Niederlassung eines europäischen Anwerbungsagenten sowie eines Kontrollarztes für die angeworbenen Arbeiter in Ondonga und die Errichtung einer großen Handelsstation in Ondonga mit einer Zweigstelle in Ukuanjama. Diese Handelsstationen sollen den heimkehrenden Wanderarbeitern Gelegenheit geben, ihr erspartes Geld in europäischen Waren anzulegen, ohne dass sie sich auf dem beschwerlichen Rückmarsch damit belasten müssen. Vor allem aber sollen sie dazu dienen, auch bei den übrigen Ovambo ein Bedürfnis nach europäischen Waren entstehen zu lassen und dadurch deren Bereitwilligkeit zur Wanderarbeit verstärken.

Alle diese Europäersiedelungen, besonders die Missionsstationen, bestehen zwar meist aus einer größeren Anzahl von Gebäuden, die oft von einem kleinen Garten umgeben sind; ihre Gesamtzahl (rund 20) ist jedoch viel zu gering, um das ursprüngliche Bild der Stammesgebiete mehr als nur ganz lokal zu verändern. Doch sind sie Zentren eines gesteigerten Eingeborenenverkehrs, und zu ihrer Verbindung untereinander wie auch nach Süden entstanden mehrere dauernde Wege für Wagenverkehr, ebenfalls Spuren beginnenden europäischen Einflusses im Landschaftsbild.


6.2 Der Wanderarbeiterverkehr

Durch die rasche Ausbreitung europäischer Farmen und Ortschaften, die nach der Beendigung der großen Aufstände in Südwestafrika südlich der Etoschapfanne einsetzte, durch den Bau und Betrieb von Eisenbahnen, Hafenanlagen usw. und vor allem durch den in großem Maßstabe beginnenden Abbau der Kupfererze des Otaviberglandes (1907) und der Diamantenfelder bei Lüderitzbucht (1908) entstand ein dringender Bedarf an eingeborenen Arbeitskräften. Hottentotten, Herero und Bergdama konnten diesen rasch wachsenden Arbeiterbedarf nur zum Teil befriedigen, erwiesen sich auch nicht für alle vorkommenden Arbeiten als gleich geeignet und willig. Man kam darum bald auf den Gedanken, durch geeignete Werbung auch die Ovambo heranzuziehen. Der Arbeiterbedarf in den der europäischen Wirtschaft erschlossenen Teilen Südwestafrikas einerseits und die klimatisch bedingte Unsicherheit in der Ernährung der Bewohner des Ambolandes andrerseits wirkten zusammen, um zwischen diesen Gebieten einen lebhaften Wanderarbeiterverkehr, eine Art "Sachsengängerei" entstehen zu lassen, die z. T. über sehr große Entfernungen führt (Luftlinie Amboland - Lüderitzbucht rund 1.000 km).

Die Bedeutung, die das Amboland als Lieferant eingeborener Arbeitskräfte für die europäische Kolonialwirtschaft Südwestafrikas in den letzten Jahrzehnten gewonnen hat, zeigt sich in der raschen Steigerung der Zahl der Ovambo, die innerhalb der europäischen Siedlungsgebiete gezählt wurden. Vor 1905 waren kaum wesentlich mehr als 1.000 Ovambo im eigentlichen Schutzgebiet ansässig, 1913 betrug ihre Zahl bereits ca. 6.000, und 1929 wurden innerhalb der Polizeizone über 13.000 gezählt (Oelhafen , 1926, u. Report 1929). Dabei ist zu beachten, dass es sich bei diesen Zahlen fast ausschließlich um erwachsene Männer handelt, die in europäischen Diensten stehen, während die Zahl der Frauen und Kinder ganz gering ist. In Zeiten normaler Wirtschaftslage war in den Nachkriegsjahren etwa die Hälfte aller Ovambo, die innerhalb der Polizeizone im Dienst von Europäern standen, in den Minen beschäftigt. Der Rest verteilte sich vorwiegend auf städtische Berufe (Hausangestellte, Arbeiter im öffentlichen Dienst u. a.), weniger auf Farmarbeiter. Die Minen sind also der größte einheitliche Arbeitgeber für die Wanderarbeiter. Auf den Diamantenfeldern bei Lüderitzbucht und in den Kupferbergwerken von Tsumeb stellten die Ovambo im Durchschnitt der Jahre 1924 - 1930 rund die Hälfte aller eingeborenen Arbeitskräfte (Reports 1924 - 1930). Allerdings ist es für die Minen, die mit einem dauernden Stamm von geübten Arbeitern billiger produzieren würden, ein empfindlicher Nachteil, dass die Ovambo nur recht kurzfristige Arbeitskontrakte eingehen. Die meisten lassen sich nur für sechs Monate oder ein Jahr verpflichten, und nur sehr wenige bleiben mehrere Jahre oder gar dauernd im Süden. Heimatgefühl, Stammes- und Familienbindungen sind noch stark genug, um fast alle Ovambo zur baldigen Rückkehr in die Heimat zu veranlassen. Auch ist der Zustrom der Arbeitsuchenden starken Schwankungen unterworfen, die durch den Ausfall der Ernte im Amboland bedingt sind. In den meisten Jahren ist auch eine starke jahreszeitliche Periode deutlich, da in der Hauptarbeitszeit des Hackbaues nur sehr wenige Arbeiter sich anwerben lassen.

Die Ausbreitung dieses Wanderarbeiterverkehrs hat auch an der politischen Nordgrenze Südwestafrikas, die das Amboland und den größten Stamm Ukuanjama durchschneidet, nicht haltgemacht. Von den 5.614 Eingeborenen, die 1927 im Amboland neu angeworben wurden, stammten nur 4.211 aus den südlichen Stammesgebieten, 1.403 dagegen aus den benachbarten Teilen Südangolas (Report 1927), da es den portugiesischen Kolonialbehörden heute (und auch wohl noch auf lange Zeit) ganz unmöglich ist, den Eingeborenenverkehr über die Grenze zu sperren.

Wenn auch die Ovambo als Wanderarbeiter den Einflüssen der europäischen Kolonialzivilisation nur vorübergehend und bei weitem nicht so nachhaltig wie die dauernd innerhalb der Polizeizone lebenden Eingeborenen ausgesetzt sind, so lässt sich doch auch heute schon erkennen, dass infolge dieses Wanderarbeiterverkehrs die ursprünglichen Verhältnisse im Amboland sich in mancher Beziehung zu wandeln beginnen. So finden neuerdings besonders europäische Kleidungsstücke und europäischer Hausrat verschiedenster Art in kleinen, aber wachsenden Mengen im Amboland Eingang und beginnen dort die Erzeugnisse des heimischen Handwerks und Gewerbes langsam zu verdrängen. Doch hat sich das Handwerk im Amboland gegen diese Konkurrenz bisher noch verhältnismäßig gut halten können, da der Erwerb europäischer Waren nur denen möglich ist, die als Wanderarbeiter in europäischen Diensten Geld verdient haben. Die überwiegende Mehrzahl des Volkes ist dagegen auch heute noch fast ausschließlich auf Tauschhandel mit den eigenen Wirtschaftsprodukten angewiesen und kann damit auch nur die Erzeugnisse des heimischen Handwerks und Gewerbes erlangen.

Die Betriebsformen des Hackbaues, die bisherigen Siedlungsverhältnisse und der soziale Aufbau des Volkes haben durch den Wanderarbeiterverkehr noch keine wesentlichen Umgestaltungen erfahren; wichtiger sind dagegen die schädigenden Folgen für den Gesundheitszustand der Ovambo.

Eine einigermaßen zuverlässige Kontrolle über die gesundheitlichen Verhältnisse der Eingeborenen in Südwestafrika ist nur bei den Minenarbeitern möglich. Im Durchschnitt der Jahre 1924 - 1930 betrug die Sterblichkeit unter den eingeborenen Arbeitern der Diamantenfelder 32,8 pro 1000 bei einem Maximum von 74,2 i. J. 1924 (Reports 1924 - 1930); doch geben diese Zahlen kein ganz vollständiges Bild, da die schwereren Fälle an Tuberkulose, deren Auftreten bei den Eingeborenen durch das Küstenklima stark begünstigt wird, zur weiteren Behandlung in Eingeborenenhospitäler des Binnenlandes überführt werden. In den Kupferbergwerken in und bei Tsumeb (OMEG-Gruppe) starben im Durchschnitt der Jahre 1926 - 1930 61,0 (Maximum 1929 mit 85,77) von je 1.000 beschäftigten Arbeitern (Reports 1926 - 1930), eine außerordentliche hohe Sterblichkeit, wenn man bedenkt, dass es sich dabei durchweg um ausgesuchte Arbeiter im Alter von ca. 15 - 50 Jahren handelt. Die Zahl der eigentlichen Betriebsunfälle ist gering. Die abnorme Höhe der Sterblichkeit ist vielmehr zum größten Teile die mittel- oder unmittelbare Folge von Erkrankungen an Lungenentzündung und Influenza (z. T. in Verbindung mit Tuberkulose), die in den meisten Jahren epidemisch mehr oder weniger stark auftreten.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die einzelnen Eingeborenenstämme von dieser Epidemie in sehr verschieden starkem Maße betroffen werden. Auf den Diamantenfeldern betrug im Jahre 1929 die Sterblichkeit bei den innerhalb der Polizeizone Südwestafrikas rekrutierten Eingeborenen nur 8,6, bei den südlichen Ovambo dagegen 21,7 und bei den nördlichen Ovambo 36,1. In den Kupferminen starben 1927 von den in der Polizeizone Rekrutierten nur 18,9, von den Ovambo (einschließlich einer kleinen Zahl von "other tropical natives") dagegen 105,4 von je 1.000 beschäftigten Arbeitern (Reports 1927 und 1929). Auch in anderen Jahrgängen findet sich, soweit überhaupt Angaben darüber zu erlangen sind, eine ganz ähnliche Abstufung. Es zeigt sich also, dass trotz der anerkennenswerten Bemühungen der Minenärzte und der Mandatsregierung die Eingeborenen um so stärker zu leiden haben, je weiter aus dem Norden sie kommen, d. h. je mehr das Klima ihres Heimatlandes tropischen Charakter hat. Die Verluste der Ovambo sind darum noch wesentlich höher, als die auf die gesamte eingeborene Arbeiterschaft berechneten mittleren Sterblichkeitsziffern der Minen erkennen lassen. Von den nördlichen Ovambo starben in ungünstigen Jahren mehr als 10 v. H. Dabei ist noch besonders zu beachten, dass die Arbeiter aus dem Amboland vorher auf ihre körperliche Eignung zur Minenarbeit ärztlich genau untersucht worden sind und dass in diesen Zahlen nur die Todesfälle enthalten sind, die in den Minenhospitälern im Verlauf der kurzfristigen Kontraktzeiten vorkamen. Die Krankheitsfälle, die als Folge der Wanderarbeit erst nach der Rückkehr der Arbeiter im Amboland auftreten, werden z. T. von den dortigen Missionshospitälern behandelt, entziehen sich jedoch zum großen Teile auch heute noch jeder europäischen Kontrolle.

Das epidemische Auftreten der genannten Krankheiten ist auf den Diamantenfeldern vorwiegend, in den Kupferbergwerken fast ausschließlich beschränkt auf die kalte Zeit einschließlich der Übergangsmonate, in denen überhaupt Erkältungskrankheiten jeder Art bei Europäern wie Eingeborenen besonders häufig sind. Es liegt darum nahe, in der gesteigerten Empfänglichkeit der Eingeborenen aus tropischen Gebieten eine Wirkung der veränderten klimatischen Bedingungen zu sehen, in die sie durch den Wanderarbeiterverkehr versetzt werden. Die Diamantenfelder bei Lüderitzbucht liegen durchweg im Bereich des südwestafrikanischen Küstenklimas. Dieser Klimatypus, der mit seinen gleichmäßig niedrigen Temperaturen bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit und geringer Intensität der Sonnenstrahlung völlig von dem Klima des Binnenlandes abweicht, ist allen südwestafrikanischen Eingeborenen ungewohnt, am meisten aber den Ovambo, die darum auch am stärksten darunter leiden.

Auch das Klima des Otaviberglandes, in dem die Kupferbergwerke liegen, zeigt gegenüber dem des Ambolandes schon merkbare Unterschiede, insbesondere durch größere Winterkälte und stärkere Tages- und Jahresschwankungen der Temperatur. Der Wanderarbeiterverkehr bedeutet also auch hier für die Ovambo einen Klimawechsel, einen Übergang aus tropischem in mehr oder weniger subtropisches Hochlandsklima. Dazu kommt, dass die Ovambo zum großen Teil stark mit Malaria infiziert sind (Report 1929), dass vielfach gerade die Eingeborenen, die sich zur Wanderarbeit bereitfinden, ihre Heimat in schlechtem Ernährungszustand verlassen und dass sie unmittelbar vor ihrer Einstellung in die Bergwerksarbeit einen langen und entbehrungsreichen Marsch hinter sich haben (die Wegentfernung von Ukulukathi bzw. Nordukuanjama bis Tsumeb beträgt über 400 km, die übliche Marschgeschwindigkeit ist besonders bei der Durchquerung des Etoschagebietes sehr groß, da hier die Wasser- und Nahrungsversorgung schwierig ist). Es ist wahrscheinlich, dass durch alle diese Umstände bei einem allgemeinen Ausbruch der Epidemie in den Minen die Widerstandskraft der Wanderarbeiter wesentlich verringert wird. Überhaupt zeigt sich auch nach den Erfahrungen in anderen Teilen Südafrikas, dass die Eingeborenen, die zum ersten Male mit der europäischen Zivilisation in Berührung kommen, vor allem im Bergbau und in sonstigen städtischen Berufen am Anfang besonders stark unter gewissen Krankheiten (Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose u. a.)6) und unter den gänzlich veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen zu leiden haben, während sie später eine wesentlich größere Widerstandskraft entwickeln. Es besteht also die Hoffnung, dass auch im Amboland die Schädigungen, die sich aus dem Wanderarbeiterverkehr für den Gesundheitszustand der Bevölkerung bisher ergeben haben, allmählich auf ein erträgliches Maß zurückgehen werden.

Schon seit längerer Zeit ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Amboland wahrscheinlich für Anbau von Baumwolle, Tabak, verschiedener tropischer Obstsorten u. a. geeignet ist, und von manchen Seiten wurde die Zukunft des Ambolandes in der Errichtung großer, von Europäern geleiteter Pflanzungsbetriebe gesehen (Nitsche, 1913). Eine gewisse Stütze erhielten diese Absichten durch den schon 1904 von dem deutschen Farmer Gesert (1904) vorgeschlagenen und später von dem südafrikanischen Professor E. H. L. Schwarz (1918) in phantastischer Form verbreiteten Plan, den Kunene an der Stelle des linken Ufers, von der angeblich Abzugsomiramben das Hochwasser in manchen Jahren in das Amboland führen, durch ein Wehr abzudämmen und dadurch diesen Strom dauernd in das Amboland und weiter in die Etoschapfanne abzuleiten. Noch bei dem im Jahre 1926 erfolgten Abschluss des Grenzvertrags zwischen der Südafrikanischen Union und Portugal über die Nordgrenze von Südwestafrika, der durch eine Unklarheit des deutsch-portugiesischen Grenzvertrages vom Jahre 1886 notwendig geworden war, scheint man auf südafrikanischer Seite unter dem Eindruck dieser Pläne gestanden zu haben. Denn durch diesen Vertrag wurde der bisher als neutrale Zone betrachtete strittige Grenzstreifen endgültig Angola zugesprochen, aber die Regierung der Südafrikanischen Union behielt sich als Mandatar über Südwestafrika das Recht vor, "to use up to one half of the flood water of the Kunene River for the purpose of inundation and irrigation in the Mandated Territory" (Grenzvertrag 1926). Nach neueren Höhenmessungen am linken Kuneneufer ist es jedoch recht unwahrscheinlich geworden, dass überhaupt Wasser aus dem Kunene selbst bei starker Hochflut gegenwärtig noch in das Amboland abfließt (s. unter 2.1). Einer künstlichen Ableitung dieses Stromes dürften demnach wesentlich größere Schwierigkeiten entgegenstehen, als man bisher annahm. Aber auch abgesehen von der Frage nach der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeit eines solchen Bewässerungsprojektes ist es zweifelhaft, ob die Errichtung großer europäischer Pflanzungsbetriebe im Amboland überhaupt im Interesse der Gesamtwirtschaft Südwestafrikas wünschenswert ist. Denn diese Betriebe würden hier wahrscheinlich immer unter schwierigen Bedingungen arbeiten, und sie wären nicht möglich ohne umfangreiche Landenteignung im Amboland. Das würde aber nicht nur mit den berechtigten Interessen der Eingeborenen kaum vereinbar sein, sondern es würde auch für die europäischen Wirtschaftsbetriebe in Südwestafrika schwerwiegende Folgen haben. Denn die Wanderarbeiter aus dem Amboland konnten bisher nur darum in den Minen und Ortschaften des Südens zu verhältnismäßig sehr niedrigen Löhnen arbeiten, weil ihre Angehörigen dauernd und sie selbst nach dem Ablauf der Kontraktzeiten ihren Lebensunterhalt allein aus dem Ertrag ihrer Felder in den heimischen Stammesgebieten beziehen. Das ist für die europäische Kolonialwirtschaft ein großer Vorteil, besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten, da sie dann nicht mit den Kosten für den Unterhalt eines arbeitslosen Eingeborenenproletariats belastet wird. Ferner hat sich nach den Erfahrungen in anderen Kolonialgebieten Afrikas gezeigt, dass die allzu rasche Hereinziehung von zahlreichen Eingeborenen in europäische Wirtschaftsformen und besonders in industrielle und städtische Berufe auch die Gesamtheit der Europäerbevölkerung dieser Länder vor schwer zu meisternde Aufgaben auf wirtschaftlichem, sozialem und politischem Gebiete stellt (Leubuscher, 1931). Allerdings hat auch die Lösung der Arbeiterfrage durch einen dauernden Wanderarbeiterverkehr zwischen reinen Eingeborenenreservaten und europäischen Wirtschaftsgebieten manche Nachteile zur Folge, aber diese sind im ganzen doch wesentlich geringer als die schweren Gefahren, die aus der Bildung eines umfangreichen landlosen Eingeborenenproletariats entstehen.

In der Südafrikanischen Union, in der die Lösung dieser Probleme bereits ernsthafte Schwierigkeiten bietet, ist darum zuerst und am nachdrücklichsten der Gedanke vertreten worden, unter Abkehr von der bisherigen Entwicklung wieder eine gewisse räumliche Trennung der Rassen (Territorial Segregation) anzustreben. Allerdings ist es sehr fraglich, ob in der Union, abgesehen von wenigen Teilgebieten, eine derartige Segregationspolitik überhaupt noch konsequent durchführbar ist, da dort die Aufteilung des Landes in europäischem Besitz, die Zerstörung der Stammesorganisationen der Eingeborenen und die Bildung einer ausschließlich auf städtische und industrielle Berufe angewiesenen Eingeborenenschicht bereits sehr weit fortgeschritten sind (vgl. z.B. Leubuscher, 1931). Im Norden von Südwestafrika aber, wo rund die Hälfte der gesamten Eingeborenenbevölkerung des Mandatsgebiets fern von den Zentren der europäischen Kolonialwirtschaft im Besitz ihrer alten Stammesgebiete geblieben ist und Konflikte mit bestehenden europäischen Landinteressen nicht vorliegen, ist eine solche Politik auch heute noch möglich. Es ist darum zu begrüßen, dass die Mandatsregierung vor kurzem das Amboland offiziell zum Eingeborenenreservat erklärt hat (Ovamboland Affairs Proclamation, Nr. 27, 1929), und es ist zu hoffen, dass sie diesen Entschluss auch in Zukunft gegen kurzsichtige Interessen einzelner europäischer Wirtschaftsunternehmer aufrechterhalten wird. Das Amboland selbst wird demnach zwar wie bisher europäischen Farm- und Pflanzungsbetrieben verschlossen bleiben, aber es wird den europäischen Siedlungsgebieten südlich der Etoscha auch fernerhin und in steigendem Maße das Gut liefern können, das zur weiteren Entwicklung Südwestafrikas unbedingt nötig ist, billige eingeborene Arbeitskräfte. Und den Ovambo wird damit die Möglichkeit gegeben, die unvermeidlichen Umwälzungen, die die engere Berührung mit der europäischen Zivilisation zur Folge hat, nur langsam und nur unter allmählicher Umwandlung ihrer bisherigen Lebensformen im Rahmen der alten Stammesgebiete zu vollziehen, was sowohl im Interesse der Eingeborenen wie auch der Europäer liegt.


Anmerkungen

1) Die folgenden Ausführungen beruhen auf einem zweimaligen Aufenthalt im Amboland (Oktober/Dezember 1928 und Mai/Juni 1929), wobei sämtliche Stammesgebiete südlich der Angolagrenze besucht wurden. Trotz aller Bemühungen konnte von den portugiesischen Behörden nicht die Erlaubnis zum Besuch der bereits zu Südangola gehörenden nördlichen Stammesgebiete erlangt werden. Dagegen habe ich der Mandatsregierung in Windhuk und ihren Beamten für die Erlaubnis zu ungehinderter Bereisung der südlichen Stammesgebiete zu danken, ebenso besonders mehreren finnischen Missionaren im Amboland für Gastfreundschaft und viele wertvolle Auskünfte.

2) Die geographische Literatur über das südliche Amboland ist gering. Die vielseitigen Beobachtungen des Botanikers H. Schinz (Deutsch-Südwestafrika. Forschungsreisen [1884 - 1887] durch die deutschen Schutzgebiete usw., Oldenburg und Leipzig 1891) haben auch heute noch mehr als nur historischen Wert. Von einzelnen finnischen und deutschen Missionaren, die durch langjährigen Umgang mit den Eingeborenen besonders vertraut waren, wurden mehrere wertvolle Arbeiten veröffentlicht, deren Bedeutung naturgemäß hauptsächlich auf sprachwissenschaftlichem und völkerkundlichem Gebiet liegt, so das Werk von Hermann Tönjes (Ovamboland. Land, Leute, Mission. Mit besonderer Berücksichtigung seines größten Stammes Oukuanjama. Berlin 1911), das eine anschauliche Schilderung von Sitten, Religion und Lebensweise dieses Stammes bietet, daneben aber auch viele geographisch wertvolle Beobachtungen enthält. Die Berichte und Routenaufnahmen mehrerer Reisender (F. Galton, H. Hahn, Ch. J. Anderson, F. Green, Duparquet, Franke, Gerber und Laubschat, Streitwolf, G. Hartmann, Schmidt u. a.) vervollständigten die Kenntnis von der Topographie und Natur des Landes sowie seiner Bewohner in manchen Einzelheiten. Kurz vor dem Ende der deutschen Herrschaft in Südwestafrika fasste G. Nitsche die damals über das gesamte abflusslose Gebiet vorliegende Literatur zusammen (Georg Nitsche, Ovamboland. Versuch einer landeskundlichen Darstellung nach dem gegenwärtigen Stand unserer geographischen Kenntnis. Kiel 1913). Die Untersuchung von F. Jaeger über die Etoschapfanne greift zum Teil auch auf die Kulturgebiete des Ambolandes über (Fritz Jaeger, Die Etoschapfanne. Sonderdruck aus "Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten", 34. Band, Heft 1. Berlin 1926). Für das Sammelwerk "The Native Tribes of South West Africa", Cape Town 1928, schrieb C. H. L. Hahn, Eingeborenenkommissar für das Amboland, den Beitrag über die Ovambo, behandelt darin jedoch fast nur die soziale und politische Organisation des Volkes. In den Mandatsberichten (Reports of the Government of the Union of South Africa on South West Africa, Cape Town und Pretoria seit 1919) erscheinen jährlich kurze Berichte über das Amboland, darunter auch manche von geographischem Wert (vgl. u.a. Report for 1929, S. 98 ff.: System of Land Tenure in Ovamboland).

Karten: Karte von Deutsch-Südwestafrika 1:400.000, Blatt 3 und 4, Berlin 1911. Trotz mancher Ungenauigkeiten im einzelnen, die bei der geringen Zahl von Routenaufnahmen begreiflich sind, bietet diese Karte eine ziemlich zutreffende Darstellung der Lage und mit etwas geringerer Genauigkeit auch des Umfanges der einzelnen Stammesgebiete; mit einigen Veränderungen wurde sie als Grundlage für die beiliegende Kartenskizze benutzt. - Karte des Deutsch-portugiesischen Grenzgebietes in Südwestafrika 1:500.000, Blatt 1 in den Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten 1912, Blatt 2 ebenda 1913.

3) Mündliche Auskunft von Landmesser Volkmann.

4) Die Werte für Ondangua wurden (ebenso wie die folgenden Niederschlagsziffern für Ondangua) berechnet aus den im Windhuker Observatorium liegenden Originalbeobachtungen; sie beruhen auf einer Beobachtungsreihe von 5 Jahren und 5 Monaten, zeigen darum noch keine ganz ausgeglichene Kurve. Die aus einer zwölfjährigen Reihe errechneten Werte von Gobabis sind veröffentlicht im Report 1930. Auf beiden Stationen Hüttenbeobachtungen mit Extreminstrumenten.

5) Diese und die oben für die Bewohnerzahl der einzelnen Stammesgebiete gegebenen Zahlen sind Schätzungen des Eingeborenenkommissars (Reports 1928 und 1929).

6) Noch vor wenigen Jahrzehnten war Syphilis im Amboland fast unbekannt; heute sollen dagegen schon rund 80% der verheirateten Bevölkerung geschlechtskrank sein (Reports 1923 und 1930). Auch die Verbreitung von Tuberkulose nimmt neuerdings infolge des Wanderarbeiterverkehrs zu, wie die Krankheitsberichte der Missionshospitäler im Amboland zeigen.


Literatur

  • Dinter, K., Deutsch-Südwestafrika. Flora, forst- und landwirtschaftliche Fragmente, Leipzig 1909.
     

  • Fourie, L., Preliminary notes on certain customs of the Hei//om Bushmen. Veröffentlichungen der wissenschaftlichen Vereinigung in Südwestafrika, Band I, Windhuk 1927.
     

  • Gessert, F., Über Rentabilität und Baukosten einer Kuneneableitung, Globus, Band 8j, 1904.
    Grenzvertrag zwischen der Südafrikanischen Union und Portugal betr. die Grenze zwischen dem Mandatsgebiet Südwestafrika und der portugiesischen Kolonie Angola, 1926, Text in G. Fr. de Martens: Nouveau Recueil General de Traites... Tome XXIII, Nr. 61 und 6z. Leipzig 1930.
     

  • Heidke, P., Die Niederschlagsverhältnisse von Deutsch-Südwestafrika. Mitt. a. d. dt. Schutzgebieten, Band 32, Berlin 1919.
     

  • Jaeger, F., Die Etoschapfanne. Mitt. a. d. dt. Schutzgebieten, Band 34, Berlin 1926.
     

  • Jaeger, F., und Waibel, L., Beiträge zur Landeskunde von Südwestafrika, Band I und II. Mitt. a. d. dt. Schutzgebieten, Erg.-H. 14 und 15, Berlin 1920 und 1921.
     

  • Leubuscher, Ch., Der südafrikanische Eingeborene als Industriearbeiter und als Stadtbewohner, Jena 1931.
     

  • Marquardsen-Stahl, Angola, Berlin 1928.
     

  • Nitsche, G., Ovamboland. Versuch einer länderkundlichen Darstellung nach dem gegenwärtigen Stand unserer geographischen Kenntnis, Kiel 1913. - Der Ursprung der jährlichen Überschwemmungen im Amboland. Mitt. a. d. dt. Schutzgebieten, Band 26, Berlin 1913.
     

  • Oelhafen von Schöllenbach, H., Die Besiedlung Deutsch-Südwestafrikas bis zum Weltkriege, Berlin 1926.
     

  • Passarge, S., Die Kalahari. Versuch einer physisch-geographischen Darstellung der Sandfelder des südafrikanischen Beckens, Berlin 1904.
    Reports presented by the Government of the Union of South Africa to the Council of the League of Nations concerning the Administration of South West Africa. Cape Town und Pretoria 1919 ff., jährlich.
     

  • Schachtzabel, A., Im Hochland von Angola, Dresden 1923.
     

  • Schinz, H., Deutsch-Südwestafrika. Forschungsreisen (1884 - 1887) durch die deutschen Schutzgebiete ..., Oldenburg und Leipzig 1891.
     

  • Schultze-Jena, L., Südwestafrika. In: Das Deutsche Kolonialreich, herausgegeben von Hans Meyer, Band II, Leipzig und Wien 1910.
     

  • Schwarz , E. H. L., The Kalahari or thirstland redemption, Cape Town 1918.
     

  • Tönjes, H., Ovamboland. Land, Leute, Mission. Mit besonderer Berücksichtigung seines größten Stammes Oukuanjama, Berlin 1911.
    The Native Tribes of South West Africa. (Mehrere Autoren. Darin u. a. Hahn, C. H., The Ovambo; Vedder, H., The Herero; Fourie, L., The Bushmen of South West Africa.) Cape Town 1928.


Karten

  1. Karte von Deutsch-Südwestafrika 1:400.000, Blatt 3 und 4, Berlin 1911.
     

  2. Karte des deutsch-portugiesischen Grenzgebietes in Südwestafrika 1:500.000, Blatt 1 Mitt. a. d. dt. Schutzgebieten 1912, Blatt 2 ebenda 1913.
     

  3. Mittelafrika 1:2000000, herausgegeben vom Reichskolonialamt, Belgisch-Kongo und Angola, Blatt 3, Berlin 1922.
     

  4. Karte der Etoschapfanne 1:400.000. Nach Aufnahmen von F. Jaeger und L. Waibel.
    (S. o. Jaeger 1926.)
     

  5. Regenkarte von Deutsch-Südwestafrika 1:2.000.000 nach P. Heidke. (S. o. Heidke 1919.)
     

  6. Regenkarte von Angola 1:10.000.000 nach H. Marquardsen. Mitt. a. d. dt. Schutzgebieten,
    Band 30, Berlin 1917.

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