Jul 192015
 

Unsere Schlacht, Griechenland zu retten  Interview mit Yanis Varoufakis vor der Vereinbarung  Dieses Gespräch fand vor der Vereinbarung statt. Harry Lambert: Und, wie fühlen Sie sich? Yanis Varoufakis: Ich fühle mich an der Spitze der Welt – ich muss nicht mehr nach diesem hektischen Terminkalender leben, der völlig unmenschlich war, einfach unglaublich. Ich hatte fünf Monate lang zwei Stunden Schlaf täglich… Ich bin auch erleichtert, dass ich nicht länger diesen unglaublichen Druck aufrechterhalten muss, um um eine Position zu verhandeln, die zu verteidigen ich schwierig fände, selbst wenn es mir gelänge, die andere Seite zum Nachgeben zu zwingen, wenn [mehr]

Jul 172015
 

Prager Frühling 1968 – Athener Frühling 2015 Frau Vollmer, die Einschätzungen über das geplante dritte Hilfspaket für Griechenland gehen maximal auseinander. Das bürgerliche Lager sagt: Die Griechen können sich noch glücklich schätzen. Die politische Linke spricht von Unterwerfung. Was meinen Sie? Ich sehe viele Leute in Schockstarre. Wir wurden genötigt, Voyeure eines Exzesses der Schwarzen Pädagogik zu sein, in den niemand eingreifen konnte. Die einen versuchen, zu begreifen, was da mit einer frei gewählten Regierung an Exempel statuiert wurde. Die Akteure und die willfährigen Medien gehen zur Tagesordnung über – wohl wissend, dass das ein hässlicher Akt war. Die [mehr]

Jul 122015
 

Die deutsche Schuld am Niedergang Griechenlands Interview mit Joseph Stiglitz DIE ZEIT: Sind Sie in Italien, um die Auflösung der Euro-Zone aus nächster Nähe zu beobachten? Joseph Stiglitz: Nein, ich schreibe an einem Buch, aber ich mache mir durchaus große Sorgen um Europa. Es ist ein Riesenfehler, Griechenland aus der Euro-Zone zu drängen! ZEIT: Ist Griechenland an dem möglichen Grexit nicht selbst schuld? Stiglitz: Nein! Die angeblichen Rettungsprogramme sind völlig falsch angelegt. Das war bereits 2010 so, und auch die jüngste Initiative folgt dem gleichen falschen Ansatz. ZEIT: Inwiefern? Stiglitz: Das sind schlicht Rezessionsprogramme. Egal wie wacker sich die [mehr]

Jul 062015
 

Insel-Erkenntnisse über die Ethik Europas Von Christian Schüle Christian Schüle hat auf Naxos unter der griechischen Sonne über Europas Ethik nachgedacht. Die Griechen haben gegen die Sparauflagen der Geldgeber und für den Kurs der Regierung Tspiras gestimmt. Bedeutet das den Grexit? Der Essayist Christian Schüle war im Urlaub auf Naxos – und kehrte mit vier Erkenntnissen von der Insel zurück. Der stolze Musiker Dimitros verkauft jetzt auch noch selbstgemachten Schmuck und klappert jeden Morgen auf seinem Mofa die Apartment-Studios ab. Das ist neu. Der sonst mürrische Supermarktchef Manolis lächelt neuerdings ab 8 Uhr früh jeden Kunden an, was in acht [mehr]

Jul 052015
 

Die Euroeliten setzen auf den „regime change“ in Athen. Und die Griechen sehen sich mit einer unmöglichen Fragestellung konfrontiert. Kommentar zum Referendum in Griechenland Die Frage war halb als Witz gemeint, die ich vor zwei Wochen in Athen Dimitris Tsanakopoulos stellte: „Und? Macht Regieren Spaß?“ Aber so richtig lachen konnte der Kabinettschef von Alexis Tsipras nicht: „Nein“, so seine Antwort, „der Druck ist enorm, und wir stehen vor Dilemmata, von denen wir nicht einmal ahnten, dass wir ihnen jemals in unserem Leben begegnen würden.“ Die Dilemmata, vor denen die Syriza-Regierung eine Woche später stand: zu Kreuze kriechen und „Ich [mehr]

Jul 032015
 

Regimewechsel Von Seumas Milne   Es geht nicht ums Geld, es geht um Macht. Noch mehr als einen Grexit fürchten die europäischen Eliten, dass der griechische Widerstand im Erfolgsfall Schule macht. Mittlerweile ist offenkundig, dass es Deutschland und den anderen Mächten Europas nicht ausreicht, die griechische Regierung nur in die Knie zu zwingen. Sie wollen einen Regimewechsel, mit weniger geben sie sich nicht zufrieden. Natürlich nicht mit militärischer Gewalt, die Operation wird schließlich von Berlin und Brüssel aus geleitet – und nicht aus Washington. Es kann allerdings kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Angela Merkel und die Troika die demokratisch [mehr]

Jul 022015
 

Der Angriff der Griechen wurde abgewehrt Europa bleibt auf Sparkurs – und damit seiner Idee von der Austerität treu. «Nichts ist gefährlicher als eine Idee, wenn man nur eine hat», schrieb der französische Philosoph Alain. Schon deshalb ist Austerität eine gefährliche Idee. Sie ist das einzige politische Projekt, das ­Europa hat. Selten haben so zahlreiche Regierungschefs quer durch Länder und Parteien so einig auf dieselbe Karte gesetzt. Für die Sparpolitik riskieren sie Milliarden, ihr Gesicht, die Zukunft ihres Landes. Und das ohne Reserve. Als die griechische Regierung über Alternativen sprechen wollte, prallte sie gegen eine Wand. Am Ende stand [mehr]

Jun 282015
 

Für einen respektvollen und solidarischen Umgang mit Griechenland Gegen den Zerfall der politischen Kultur in Deutschland und Europa  Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Tsipras,  die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ zitierte am 13. Juni 2015 den deutschen Politiker Volker Kauder mit diesen Worten:  „Das sollte sich das freche Bürschchen Tsipras mal hinter die Ohren schreiben. Rotzfrech auftreten und dabei die Hausaufgaben nicht machen, das geht gar nicht.“  Herr Kauder ist nicht irgendwer. Er ist der Vorsitzende der Parlamentsfraktion der deutschen christdemokratischen Regierungspartei CDU. Diese Äußerung fiel auf einemLandesparteitag der Berliner CDU, mithin also in aller Öffentlichkeit. Herr Kauder hat sie bis [mehr]

Jun 272015
 

Die Bibel kennt den Schuldenerlass in jedem siebten Jahr. Politische Initiativen knüpfen an diese Tradition an. Die Kirchen aber schweigen. Von Christoph Fleischmann Keine Frage: Schulden muss man zurückzahlen. Da ist jemand eine Verpflichtung eingegangen, wenn er Geld aufgenommen hat; es ist seine Schuldigkeit, die Schuld zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu begleichen. So die verbreitete Vorstellung. Die ökonomischen Schulden werden oft auch mit einer moralischen Schuld verknüpft – vor allem dann, wenn der Schuldner nicht in vollem Umfang oder zur vereinbarten Zeit rückzahlen kann. Genau dies spielt auch in der Debatte um die griechischen Staatsschulden eine Rolle. Keine [mehr]

Mai 212015
 

Ursachen des Niedergangs    Von Karl Heinz Roth Die griechische Volkswirtschaft ist bankrott. Sie ist im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise von 2008/09 in eine schwere Depression geraten, die bis heute anhält. Die Wirtschaftsleistung ist um 28% zurückgegangen, der Kapitalstock ist um 12 bis 14% geschrumpft, und die Industrieproduktion sinkt bis in diese Tage kontinuierlich weiter. Die Arbeitslosenquote verharrt bei einem Prozentsatz von 26%, knapp über die Hälfte der Jugendlichen ist erwerbslos. Aus der wirtschaftlich aktiven Bevölkerungsgruppe haben mehr als 340.000 Menschen, darunter überwiegend hoch qualifizierte Jugendliche, ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Die Reallöhne sind um 26% gefallen, die durchschnittlichen [mehr]