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Hirschluch 2002

Die Fragen Woher und Wohin?
Was hat uns damals bewegt und was hat es bedeutet?

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Reinhard Sasse

Reinhard Sasse1962 oder 63 fuhr ich als Student in den Ferien im ein Aufbaulager nach Sülstorf in Mecklenburg. Irgendjemand hatte in unserer Jungen Gemeinde von den Aufbaulagern berichtet, und mir gefiel dieser Gedanke von Gemeinschaft von körperlicher nützlicher Arbeit und Bibelarbeit und Diskussion. Meine Erwartungen wurden erfüllt: Das war eine begeisternde Gemeinschaft und Atmosphäre: Neue Menschen, Ansichten und Erkenntnisse. (Anders als in unseren christlichen Rüstzeiten). Im Lager besuchte uns Dietrich Gutsch. Mir wurde später klar, dass er wusste, dass er uns (mich) aus unserer reaktionären christlichen Ecke herausholen musste. Und er tat es auf radikale Weise: Er sagte sinngemäß: "An der jetzigen Situation (kalter Krieg, Wettrüsten, Eiserne Vorhang, Eingeschlossensein hinter der Mauer) sind unsere Eltern Schuld; sie haben in allgemeinen, geheimen, freien Wahlen (die es für uns seitdem nicht mehr gibt), Adolf Hitler an die Macht gebracht!". Das schockierte mich; bisher hatte ich Stalin, Ulbricht und ihre Genossen dafür verantwortlich gemacht, aber ich musste nicht allzu lange darüber nachdenken, um diese Zusammenhänge zu begreifen. Ich blieb also mit Interesse und Vergnügen in dieser Gemeinschaft und habe weitere wichtige Erkenntnisse erhalten. Ich erfuhr, dass dieses unserer ganzes Leben und Denken beherrschende (bestimmende) Konflikt zwischen Kapitalismus und Sozialismus zweitrangig sei, und dass es wichtiger sei, sich mit den Nord-Süd Konflikt zu befassen, dass unser nördlicher kapitalistischer und sozialistischer Reichtum hauptsächlich auf Kosten des größten Teils der Menschen in der 3.Welt bestehen kann, dass der nicht gerade friedliche Wettkampf zwischen den beiden Machtblöcken auch Chancen für die 3. Welt eröffnet.

Das alles hat mir geholfen, meine Konfrontationshaltung abzubauen, und meine Einstellung zu politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten während meines Studiums und im Arbeitsalltag zu relativieren. Es hat mir geholfen, die Schizophrenie zu überwinden, ein "nützliches Mitglied" einer Gesellschaft zu sein, deren Praktiken ich nicht akzeptierte.

Wir haben versucht, die Notwendigkeit der Mauer für eine normale wirtschaftliche Entwicklung zu begreifen und sogar zu verteidigen. Wir haben nach den positiven "Errungenschaften des Sozialismus" gesucht: Arbeit für alle, Bildung und Ausbildung für jeden und jede, soziale Sicherung bei Krankheit und im Alter, Solidarität mit der Ditten Welt. Das haben wir herausgehoben und propagiert in den Gesprächen mit Euch; nicht öffentlich geredet haben wir über unsere Bevormundung in Informationsangelegenheiten, unsere Entmündigung in der Volkswahlen, unsere Entmündigung, wenn wir mit gespaltener Zunge redeten. Für die öffentlichen Gespräche in Plenum und den Gruppen habe ich ein Instrument der persönlichen inneren Zensur entrichtet mit Weglassen unliebsamer Tatsachen und Hervorheben "begrüßenswerter Maßnahmen". Ich war mir nicht sicher, ob es neben den offiziellen Berichten über unser Treffen nicht auch zusätzlich inoffizielle geben könnte. Es war mir bewusst und ist mir klargemacht worden, dass die gleiche Haltung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit in der DDR bei einem kirchlichen Mitarbeiter positiv wertet wurde, während sie bei mir als staatlichem Angestellten als (bestenfalls) noch nicht ausreichendes politisches Bewusstsein eingestuft wurde. Alles ist relativ! Das hatte allerdings auch einen großen Vorteil: Wegen meiner "kirchlichen Bindungen" blieben mir Annäherungs- und Wertungsversuche der Partei und weiterer Institutionen weitgehend erspart.

Jetzt noch etwas zu zwei Ereignissen, die in meinem Leben und sicher auch für viele von Euch (uns) große Bedeutungen haben:

  • An einem Augustmorgen im Jahr 1968 - unsere Tochter war noch kein Vierteljahr alt; wir waren eine glückliche Familie - kam ich ahnungslos zur Arbeit und sah in die betretenen, traurigen, wütenden Gesichter meiner Kollegen: Die Sowjetarmee hatte gemeinsam mit den Bundesarmeen in Prag den Dritten Weltkrieg verhindert. Ich war erschrocken und empört, als das so auch auf unserem Ostertreffen 1969 referiert und diskutiert wurde. Meine Empörung habe ich nicht laut gesagt. Wir gingen zur Tagesordnung über. Unsere Gruppe blieb zusammen und beschäftigte sich mit den Problemen unserer Gesellschaften.

  • Dann kam der Herbst 1989 mit seinen von uns allen nicht erwarteten Ereignissen und Ergebnissen, mit hoffnungsfrohen Erwartungen, zaghaften Befürchtungen, enttäuschten Illusionen: Ein bedeutender Einsicht in das Leben von uns DDR-Bürgern. Unsere Gruppe blieb zusammen und beschäftigte sich weiter mit den Problemen unserer Gesellschaften. Und das wünsche ich mich auch für die Zukunft von dieser Gruppe in ihrer Vielschichtigkeit mit unterschiedlichen Ansichten in Detailfragen - von dieser Gruppe, die für meine Entwicklung viel bedeutet hat und immer noch bedeutet.

Inhaltsverzeichnis


Nico Plomp

Das Unverständnis der Gegenwart gegenüber entsteht zwangsläufig aus der Unkenntnis der Vergangenheit. Doch bemüht man sich vielleicht nicht minder vergeblich um das Verständnis der Vergangenheit, wenn man von der Gegenwart nichts weiß. Ich möchte einige Vorfälle aus meinem Leben memorieren, die das 'Woher' und die Bedeutung meiner Beziehung zu der OEJD-Kreis illustrieren.

WOHER?

1947

Nico Plomp 2002In 1947 bin ich geboren als fünftes Kind in einer Pfarrerfamilie. Ein Jahr früher, in 1946 waren meine Eltern, nach einem Umweg von fast einem Jahr, zurück gekommen von einem dreijährigen Verbleib in einem japanischen Konzentrationslager in Indonesien (es gab damals eine n zweiten Weltkrieg). Mein Vater hat drei Monate im Gefängnis verbracht und zwei und halb Jahr in einem Konzentrationslager in Bandung, wo er sinnlose Zwangarbeit verrichtete musste; meine Mutter war mit den Kindern von ihm getrennt und verblieb in verschiedene Lager auf Java. und in einem Lager war man fast völlig abhängig von den feindlichen Behörden, mit denen man wegen unterschiedlicher Sprache kaum kommunizieren konnte. Oft war man das Opfer von Willkür und Sadismus. Aber fast ebenso drohend und unbequem waren die andere Internierten in Streit um Essen, Kleider, Wasser, Privatleben und Würde. Mit 40 Zentimeter pro Person auf Holzbrettern zum Schlafen in Räume mit 25 bis 50 Personen wurde der gegenseitige Streit zwischen den Häftlingen angeregt z.B. die ganze Gruppe wurde bestraft wegen des Vergehens von einem.

Es war eine Zeit von unvorstellbare Angst, Erniedrigung und Kummer, worüber meine Eltern nicht reden konnten. Nur einmal hat mein Vater gesprochen über Materungen im Gefängnis als ich selbst in 1969 zwei Wochen in einem holländischen Gefängnis verbracht hatte, weil ich eine Geldstrafe nicht bezahlen mochte. Auf dieser Weise hat mein Vater mir, seine rebellierenden Sohn, versucht zu überbieten. Zweimal hat er in einer Kicherzeitung etwas mit großer Mühe geschrieben über seine Zeit im Lager als Zeichnen von Hoffnung. Meine Mutter war schwanger als sie interniert wurde, und Ihr vierte Sohn, Hans, hat das Lager nicht überlebt. Sie schrieb für meinen Vater, ihren Mann, die Erlebnisse mit den Kindern in einem Heft mit Bleistift; in 1975, ihren 40-jaehrige Hochzeit, haben wir, Kinder eine Kopie dieses Heftes bekommen mit den Titel 'Auch dies war unseres Leben'. Es hat mir damals kaum beschäftigt; 1975 war meine Hochzeit.

Ich war damals das Produkt desWiederaufbaus der Familie und der Hoffnung meiner Eltern. Meine Mutter war 35 Jahre alt, als ich geboren wurde, mein Vater 36. Eine Tante schrieb uns kürzlich wegen des Todes meiner Mutter in November 2001, dass meine Mutter bitterlich geweint hat während ihres Wochenbettbesuches für meine Geburt weil sie fürchtete, dass jetzt wegen mir, Hans vergessen wurde. Und das geschah; bis vor zehn Jahre hat meine Mutter niemals erzählt über ihrer Kummer um Hans; ich sprach von 'das Kind meiner Mutter' bis zu dem Moment als ich selbst an seinem Grab in Indonesien gestanden und geweint habe. Erst dann hatte ich erfahren, dass der Kummer und Kampf meiner Eltern auch meine Kummer und Kampf war.

Meine Eltern waren dankbar für mich, aber mehr im allgemeinen für alles dankbar, weil sie das Lager überlebt hatten. Sie waren in besonderem Gott dankbar, dass er sie gespart hatte. Überlebensschuld wird es jetzt genannt von Psychologen, was für mich damals nicht unergründbar war. In 1946 hat die Familie nichts anderes als ihr Leben, kein Haus, Kleider, kein Tischgeschirr, kein Geld. Sie wohnten im Haus von meinen Grosseltern. Die ewige Dankbarkeit meiner Eltern ist eine Art von Überleben, das Bewältigen von Angst und Elend. Es hat mir aber immer geärgert. Das Überleben und die Dankbarkeit waren auch sehr verknüpft mit ihrem Glauben. Für sie war es kaum theologisch begründet, sondern psychologisch. Darüber wurde nicht gesprochen, sondern wir könnten das fühlen. Es war eine wortlose Frömmigkeit mit viel Emotionalität. Es war ein Geheimnis, das eine große Loyalität und Gemeinsamkeit in der Familie gab. Für mich aber auch ein Gefühl von großer, fast unerträglicher Beklemmung, grüblerisch sein.

Ich wurde in der Familie der Rebell; ungehorsam, schwierig, so sagt man, ich kritisierte öffentlich meine verletzbare und verletze Eltern, aber ich bin auch stark kritisiert bei meinem Geschwister die die Eltern immer schonen möchten. Auf der Mittelschule hatte ich als Redakteur in der Schulzeitung eine Rubrik 'Opposition' genannt worin ich Missstände an den Pranger stellte. Ich habe meinen Vater auch stark herausgefordert, aber er hat immer die Angriffe vermeidet. Für mich war Kritisieren ein Art von Engagement, von Wahrheitssuchen, aber der tiefgläubige Vater blieb sprachlos.

1961

Wegen sehr ungenügender Schulleistungen in der Deutschen Sprache verbrachte ich als 14-jaehriger Schüler durch Vermittlung meines Vater einen Urlaub in einem Zeltlager der Evangelische Jugend von Bekannten in Travemünde an der Ostsee. Das Zeltlager lag gerade an der 'Zonegrenze' und jede Nacht schwang ein helles Licht von 'drüben' über das Meer in unser Lager. Der Strand drüben war ganz leer; vier Buerger von drüben hätten erfolgreich die Grenze passiert, zwei sin erschossen worden, sagte man. Die Grenze war gefährlich. Hinter dem Stachelrad an westlicher Seite standen große Bretten mit dem Text: "Deutschland dreigeteilt? Niemals!" In Berlin hatte man angefangen die Mauer zu bauen. Wir hatten Mitleid mit den Bürgern jenseits der Zonen-Grenze. . Die Atmosphäre war sehr drohend und fühlbar. Meine politische Interesse war geweckt.

1967

Als junger Erwachsene hatte ich ein starke Sehnsucht nach Kenntnis, Erfahrungen aber auch nach Geborgenheit und Sicherheit, die ich als Kind erfahren hätte in meiner christlichen Familie, aber die mir allmählich unerträglich geworden war. Der NCSV (Niederländische Christen Studenten Verein, mit seine Osteuropa Beziehungen) war ein geeigneter Platz für einen religionsbedürftigen Rebell, einer der gerne das Gute sucht. Als Intellektueller wollte ich wenigsten so gut sein wie mein Vater, aber mehr Welt und Gegenwart bezogen. Grenzen überschreiten, buchstäblich und metaphorisch wurde eine Leidenschaft, die Universität mein idealer Arbeitsplatz für Kritisieren und Dauerreflexion. So war und blieb ich ein Suchender.

Bei meinem erstes Besuch bei der Osternkonferenz in Berlin war ich sehr beeindruckt durch die geteilte Stadt; es war, als ob man die politische Spannung des Kalten Krieg hier anschauen und erfahren konnte. Am Bahnhof Friedrichstrasse auf dem westlichen Bahnsteig wurde ein Mechaniker, der die Rolltreppe reparierte, bewacht von zwei bewaffneten Polizisten. Unter der Überdachung patrouillierten auch mehrere VOPO's.

Das Hauptreferat kam von dem Holländer AJ Nijk, über Säkularisierung, Seine Botschaft wird nicht geschätzt. Auffallend war das unterschiedliche Sprechen von der Konferenzführung (Dietrich u.a.) und die anderen DDR-Bürger. Eindrucksvoll war Julius Tomin, die als Marxist an Religion interessiert war.

1968

Angriff der Tschechoslowakei; zum erste Mal nach dem 2-ten Geschichten über DDR-Soldaten (Brüder und Neffen) die waren beschimpft, total überrascht, weil sie dachten, dass sie als Befreier kamen. Auch Lehrerinnen sollten die 'Befreiungsstory' in der Schule erzählen; wenn nicht, so folgte Suspendierung oder unbekannte Strafen.

Dietrich sprach über die Notwendigkeit des Angriffes von ein Realpolitischer Sicht, gegenüber der Idealismus die auch unter die Westliche Intellektuellen so stark verbreitet war. Realismus war kein Blödsinn meinte ich.

Aber Tomin verlor seine Arbeit an der Universität. Er fing an mit Vorlesungen in seinem Haus, wofür er Hausarrest bekam; jeder Besucher sollte sich mit Pass legitimieren; ich werde beim Besuch verhört und zurück geschickt. DDR-Bürger könnten nur noch mit einem Visum in der CSSR reisen. Wenn ich mit dem Zug von Berlin nach Prag fuhr, war ich der einzige der die Grenze passieren durfte.

1970

Für das Examen in Philosophie las ich das Buch 'L'Humanisme et Terreur, essay sur le problème communiste' von Merleau Ponty. Es handelt über einen politischen Kommissar aus dem gleichnamigen Buch von Arthur Koestler, der als Agitator mit Terror dem Kommunismus durchsetzt beider kleinen Russische Bauern und mit Gewalt im Namen des Volkes ihnen das Land abnimmt. Ponty ist der Meinung dass im Gründe systematische Gewalt nicht zur Verbreitung humanistischen Zusammenlebens angewendet werden darf. Es ist eine Stellungnahme JP Satre gegenüber die der Meinung ist dass gerade wie die Verelendung von der Sicht Karl Marx, Gewalt unvermeidlich ist für den gesellschaftlichen Fortschritt. Damit erschaffte Sartre dem französischen Kommunismus ein Art von Legitimität. Später besuchen wir eine LPG in Brandenburg und begegneten einem politischen Sekretär, der über die agitatorische Arbeit bei die Gründung der LPG den private Bauern gegenüber erzählt. Und ich muss unvermeidlich an Koestler denken.

1989

In meiner Wohnung in Amsterdam sehe ich zusammen mit Willibald Jacob und seinem Kollegen wie DDR-Bürger massenhaft die Mauer passieren weil die VOPO's zuschauen. Willibald ist besorgt; die Zeit ist nicht reif für ein solches Verschwinden der Grenzen; die Masse wird Spielball von recht Politiker. Dies ist kein vernünftige Sache.

Ich habe es als ein fantastisch euphorisches Moment erlebt wenn ein Zug von Trabanten in West Berlin einfuhr und mit großem Applaus von den West-Berlinern empfangen wird.

1991

Ich war Gastprofessor an der Bremer Universität, die damals, wie alle Universitäten in West-Deutschland ein Beziehung mit einem Uni in der neuen Bundesländer angefangen hatte. Deshalb besuchten wir die Fakultät 'Umweltmedizin und Hygiene' in Rostock. Wir werden erkundigt über den Geschäftsgang in DDR-Zeit: Gesundheitsdaten über Umweltschutz werden verdreht oder zurück gehalten. Dasselbe war den Fall mit Daten über Alkoholismus. Es gab ein sehr unsichere und nervöse Klima and Rostocker Uni damals: alle Wissenschaftler sollte "wissenschaftlich und politisch überprüft" werden.

In Bremen wurde ich ernsthaft angesprochen dass mein Land ein Minensucher nach dem 'Golfkrieg' geschickt hat. Es gab da ein stark anti-amerikanische Klima, viel starker als ich es in den Niederlanden kennte; ich habe dies erfahren als eine Art von negative Nationalismus.

2002

Ich bin mir bewusst geworden, dass ich, wie wahrscheinlich alle in unserem Kreis, stark von dem zweiten Weltkrieg, worin meine Eltern Opfer waren, geprägt bin; ich bin geprägt bei ihren Überlebensstrategien. Moralisierung, moralistische Überlegenheit, asketische Lebensweise, Aktivismus, Rationalisierung sind solche Strategien für sie. Für mich kommt sicherlich dazu Kritisieren und Distanz halten. Jetzt will ich mir mehr abwenden von der Moralischen Macho Urteilen, und von das Sammeln von Unrecht was uns das gute Gefühl von Wohltäter gibt. Solche Haltungen gehören zur Zeiten von Krisen und Krieg. Kritisieren und Moralisierung sind nicht immer solche effektiven Weise von Engagement; ich sehe es jetzt mehr als ein Antivotum gegen meine versteckte Unsicherheit und Ohnmacht, eine Kompensation für mein Gefühl von Verleugnung.

Ich bin noch ein Suchender und ein Grenzüberschreiter, aber jetzt mehr auf der psychologischen Ebene. Ich suche nach meiner persönlichen Geschichte, meine Triebfeder, die verneinte Verhältnis zu meinen Eltern.

WOHIN?

Schlussfolgerungen

Ich habe immer die DDR als eine historische Realität betrachtet, ein Produkt des zweiten Weltkrieges, unfreiwillig der Bevölkerung aufgelegt. Ich sehe es als ein Schicksal, wenn man dort leben muss, gerade als wir Glück gehabt haben, dass wir auf der anderen Seite des eisernen Vorhanges geboren sind. Trotzdem, hatte ich den Eindruck dass die Menschen von 'drüben' intensiver lebten, man sollte sich wehren gegen Einschüchterungen, Angst, finanzielle Schwierigkeiten. In ihrem Leben muss man große und prinzipielle Wahlen zwischen eine Art von gesellschaftlicher Anpassung und gesellschaftlicher Deprivation machen. Für diese Wahlen, welche man auch wählte, habe ich immer großen Respekt gefühlt. Mit Ostbürger verglichen, waren wir, von Westen, erweicht. Unser Engagement war viel unverbindlicher, unsere Wahl im Leben hatten nicht solche Konsequenzen, als wir allerdings nicht die Rote Armee Fraktion zugehörten.

Ich möchte nicht urteilen und ich kann Verständnis haben für viele Stellungnahmen, aber nicht für derjenigen, die die Realität verneinen. Das System der DDR war basiert auf Misstrauen und die individuelle Bürgerrechten wie Freiheit von Meinungsäußerung, waren nicht anerkennt. Man wusste niemals, ob Informationen übermittelt werden, bei wem und ob es gegen dich angewendet wird. Ich habe Verständnis für derjenigen, die Informationen überliefert haben, aber auch für derjenigen die vermuten, dass sie dadurch Opfer geworden sind.

Die politische Entspannung in Europa ist größer als jemals, aber wir sind geprägt von Spannung und Kriegsdrohung. Es wäre ein Zeichen von Vitalität und Mut, wenn wir unsere Prägung überwinden könnten.

Die OEJD-Kreis ist eine vertrauter Makrokosmos worin sehr verschiedene Menschen mitmachen, die persönlich und bewusst leben möchten, sich offen stellen. Das ist für mich wertvoll.

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Jana Slámova

Ich fühle mich nicht bereits es verallgemeinern, so nehme ich meinen Lebensschicksal als ein Typ möglicher Antwort.

WOHER?

Jana Slámova 2002Am Anfang ein Paar Fakten, die mich in meinem Leben geprägt haben. Ich bin geboren in Prag als dritte Tochter meines fast 50 jährigen Vater von Beruf Jurist. Weil ich an der Schule zu den fleißigen Schülern gehörte, wollten mich die Lehrer oft zu verschiedenen Wettbewerben delegieren. Zuhause hörte ich etwas ganz anderes. Mein Vater wurde in 50er Jahren degradiert und dadurch bisschen verbittert. Dank seiner russischen Kenntnissen die sein primitiver Chef um Übersetzung stupiden russischen Zeitungsartikel brauchten, wurde er gerettet vom "Drang in die Produktion" wie damals ein Slogan war, nachdem etwa 50 tausend Intellektuellen zu manueller Arbeit geschickt wurden. Depressive Atmosphäre dieser Jahre hat noch Tod meiner Mutter vergrößert. Verwitweter Vater amüsierte sich durch täglichen Hören der Radiosendungen Station "Freie Europa", BBC oder die Stimme Amerika, je nach dem welche durch strenge Stören hörbar waren.

Die Studentenjahre verbrachte ich meistens in der Turmhalle aber dann immer mehr in der evangelischen Gemeinde. Unser Pfarrer ist für uns damals ein Symbol der richtigen Tscheche geworden. Er informierte uns über die Politik und eigentlich war er derjenige, der mich im Jahr 64 zu meinem ersten Aufbaulager nach Drense bei Prenzlau geschickt hat. Er lud oft zu unseren christlichen Jugendtreffen in der Gemeinde Gäste vom Ausland, was beidseitig bereichernd war. Bei so einer Gelegenheit haben wir Paul Oestreicher kennergelernt. Alles war damals so interessant und reizend das ich als normal angenommen habe, dass ich nicht wusste wozu ich Lust hatte, konnte. Statt dessen ging ich wo viele angenommen wurden und zwar an die technische Hochschule, Fakultät Hochbau. Dort habe ich meinen Mann kannengelernt und später geheiratet . Wie junge Ehepaare lebten wir damals in einem Zimmer, das uns mein Vater zur Verfügung stellte. In zweitem Zimmer wohnte meine älteste Schwester, frische Ärztin mit ihrem Mann. Dort wurde unser erste und zweite Sohn geboren.

Es kam "Pragerfrühling" im Jahr 1968 und wir dank wenig strengen Vorschriften genossen die Einladung von Oesterreichers und besuchten sie in August 68 erst in London und dann auf der Insel Iona. Paul sollte dort Vorträge über Sozialismus mit menschlichen Angesicht halten. Sein Enthusiasmus erhielt einen Schock als er in der Nacht 20.August beim zufälligen Einschalten des Fernsehens die sowjetische Panzer fahrende vom Flughafen Ruzyne Richtung Prag Mitte sah. Weiter schon nur telegrafisch:

  • 1969: Wegen Unmöglichkeit eigene Wohnung in Prag zu gewinnen, Umzug nach Jesenik.

  • 1973: Adoption des 5jährigen Zigeuner Jungen, Umzug nach Rýmarov wo wir Familienhaus Okal als Dienstwohnung bekamen. Mein Fernstudium der Pädagogik.

  • 1974: Tochter Marta ist geboren.

  • 1977: Meine pädagogische Tätigkeit an dem Gymnasium, aktives und engagiertes Leben in der evangelischen Gemeinde, die ersten Schwierigkeiten mit tschechischen "Stasi".

  • 1985: Unser Sohn sollte Abitur ablegen und äußerte sich dass er Theologie studieren will.

  • 1986: Nach vielen Problemen musste ich die Schule verlassen. Ich arbeitete danach als Bauingenieurin in derselben Firma wo mein Mann arbeitete. Die Arbeit war wenig intensiv, ich hatte viele Zeit zum privaten Lesen und Überlegen. Übrigens waren wir in Kontakt mit einigen Christen und ich gehörte zu einer Gruppe die Havels Buch "Die Macht der Ohnmächtigen" an der Schreibmaschine 13 Kopien an dem dünnen Papier während der Arbeitszeit abgeschrieben hat.

  • 1988: Umzug nach Brno, ich entschied mich bewusst eine "Karriere nach unten " einzutreten und fand die Arbeitsstelle als Alterspflegerin.

  • 1989: Wende: Ich bekam schriftliche Rehabilitationsdokument und begann mit einem "Revival in Pädagogik" mich zu beschäftigen. Wir erkundigten dass es möglich ist kirchliche Schulen zu gründen. Dazu spielte sehr stark der Umstand, dass eine evangelische Gemeinde in Restitution ein Haus zurückbekommen hat, was früher eine Schule war. Ein Team von den Mitarbeitern entstand, das Haus wurde binnen halb Jahr renoviert und nach mehreren "Peripetien" am 1.September 1991 setzte sich die kirchliche Schule in Bewegung . Man vorbereitet hier Pflegerinnen, Krankenschwester und Sozialarbeiterinnen. Ich bin dieser Zeit Leiterin der Evangelischen Akademie in Brno genannt. Falls nichts geschieht, moechte ich im Juli 2003 pensionier werden.

WOHIN?

Ich selbst plane die zweite Etappe der freiwillig angenommene "Karriere nach unten" anzunehmen d.h. ohne Ambitionen für etwas belobt oder belohnt zu werden etwas sinnvolles nicht nur für mich selbst zu tun. Es ist nicht leicht zu wissen dass an viele von uns die Jahre mit verschiedenen Beschwerden, Leiden und Schmerzen warten. Wie verkraften wir das alles und letzen Endes eigene Tod? Werden wir zu denen gehören, die nach schnellem Tod rufen? Ich habe gehört, dass in Mittelalter sahen die Leute als Tragödie, wenn jemand plötzlich starb, ohne sich zu verabschieden und die Sachen in Ordnung bringen zu können. Heute fürchten sich die Leute vor dem Sterben so sehr, dass viele einen schnellen, plötzlichen Tod bevorzugen. Einige Gedanken was ich als wichtig finde: - sinnvoll mit der Grenze unseres Lebens rechnen und desto mehr intensiv alltägliche Realität durchzuleben. - Lebensprobleme akzeptieren und hoffen dass falls wir sie positiv ansehen wollen, können sie uns nur deprimieren sondern auch bereichern. - Die Weisheit Lebenserfahrungen auszunützen, so lange es geht durch Tat, später durch unterstützendes Wort, Gedanke oder Gebet. - Je weniger man sich bewegt desto mehr Details des Lebens bedenken und daran neue Anregungen gewinnen. - In großer Dankbarkeit für enorm reiches Leben in Erdteil wo wir leben können, streben etwa Freude, Frieden, Versöhnung und Vergebung in Radius unserer Tätigkeit zu bringen. - und .... ich bin gespannt wozu allem wir beim gemeinsamen Gespräch kommen.

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Britta Lissner Nicholson

Es ist wohl ein Zeichen unseres Lebensabschnittes, dass wir uns mit diesen Fragen beschäftigen - und noch dazu in diesem Kreis und auf dieser Stelle - altem DDR Boden.

Britta Lissner Nicholson 2002Eine alte Freundin sagte mir neulich: "Ich werde nie mit dem zweiten Weltkrieg fertig". Viele von uns haben ihn erlebt und wurden von ihm und seinen Folgen tief geprägt. Eine der Ursachen der Wahl, an einem Aufbaulager in DDR teilzunehmen war ohne Zweifel der Wunsch einen Beitrag zu dem Wiederaufbau Europas zu leisten, und irgendwo auch den Hass und Feindlichkeit der Kriegszeit - und für uns in Dänemark der deutschen Besatzung - zu bearbeiten. Ich war von meinem Vater sehr stark beeinflusst, und in diesem Zusammenhang von seiner starken Ablehnung der Zusammenarbeitspolitik gewisser dänischen Politikern. Er - und andere mit ihm - hat die Zusammenarbeit als Verrat angesehen; und er war für den Widerstand - eine Haltung, die zu einem schmerzlichen Bruch mit dem Bruder meiner Mutter führte.

Später in 1955 auf einer dänischen Volkshochschule hörte ich einen Vortrag, wo ein sehr intelligenter und sympathischer Vortragshalter die Beweggründe der Zusammenarbeitspolitik intelligent und sympathisch beschrieb - ohne sie zu entschuldigen oder zu verteidigen. Ich habe nie das Gefühl vergessen, ich hätte dabei einen Schwindelanfall bekommen. Der Boden schwankte unter mir - mein Weltbild schwankte, weil ich seine Argumente als eine Möglichkeit für einen ordentlichen Menschen nicht abweisen konnte.

Warum erzähle ich darüber? Ich habe mehrmals in dem letzten Jahr daran denken müssen, wenn ich von den vielen Debatten in Berlin und Umgebung und in Holland und sonst wo über die Initiative von Monika sich bei der Stasi zu erkundigen gehört habe. Ich habe viel über die menschlichen Aufregungen, Zorn, Trauer, Urteil, Einigkeit und Uneinigkeit und Schmerz gedacht und versucht sie zu verstehen. Und nach und nach ist mir der Gedanke gekommen, dass es gar nicht sonderbar ist, dass es ganz verständlich und wohl auch notwendig ist, weil es sich um einen Teil der Vergangenheitsbewältigung handelt. Natürlich spielen auch personbestimmte Reaktionen hinein, über die jeder einzelne reflektieren muss. Aber ich bin der Meinung, dass es nützlich ist, diese Reaktionen auch in der größeren Sicht als Vergangenheitsbearbeitung anzusehen So wie wir uns in Dänemark in dem einen Buch nach dem anderen immer wieder damit beschäftigten und es immer noch tun, was in den Jahren 1940 - 45 eigentlich geschah, und wie wir es verstehen sollen. Das war fast 60 Jahre her. Hier ist 1989 nur 12 Jahre her. Für einige ist es jetzt die Zeit für die Vergangenheitsbewältigung, und es drängt. Für andere ist es vielleicht zu früh und zu schmerzlich, daran zu kommen. Wir müssen auf Versöhnung hoffen, hoffen, dass wir am Anfang eines Versöhnungsprozesses sind.

Die DDR war eine sehr zweideutige Sache (nicht dass ich sie ohne weiteres mit der nazistischen Besatzung vergleichen will  in dem Sinne, dass sie ein Resultat einer Kriegsniederlage war und von einer ausländischen Großmacht in vielen Hinsichten aufgezwungen war.

Die zugrunde liegende Philosophie war ganz anders - der Sozialismus hatte vieles für sich und hat es noch - aber das gezwungene, die sowjetische Übermacht usw. bedeutete, dass sie viele verschiedene Reaktionen hervorrief. Viele mussten Wahl treffen, die schmerzlich waren und sehr viel gekostet haben, andere trafen andere Wahl mit anderen Konsequenzen. Eine klare Pro-Haltung oder eine klare Gegenhaltung war vielleicht einfacher zu verstehen, aber die vielen mehr gemischten Haltungen und Kompromissen schufen Schwierigkeiten für die menschlichen Relationen. Deshalb ist es keine Überraschung, wo die DDR jetzt aufgelöst worden ist, dass die Nachbewältigung schwierig und schmerzhaft ist. Dass Dietrich, der für unser Treffen so ganz ganz zentral und wesentlich war, nicht mehr unter uns lebt, macht es in vielen Hinsichten schwieriger. Schon in Ratzeburg gab es unter einigen kleine Gespräche, ob er einen oder zwei Stasiakten hatte oder nicht, und wie man sich dazu verhalten sollte. Als ich das zum ersten Mal hörte, schwankte der Boden wieder unter meinen Füßen. Möglicherweise hat er auch Fehlentscheidungen gemacht - wer von uns hat das nicht ? Ich bin aber von seiner Integrität 200 % überzeugt. Die Tatsache, dass andere in der DDR - und vielleicht sonst wo - unsere Gruppe im Laufe der Jahre verlassen oder sich entfernt hatten, zeigte auch Widersprüche unter uns. Wir Ausländer, die herkamen, wurden damals und heute wieder noch als naiv und töricht beschrieben. Wir wurden vorgeworfen, dass wir eine üble Sache legitimierten.

Nach meiner Meinung würde es aber eine große Schade sein, wenn wir unser Gespräch auf eine DDR Debatte begrenzen würden. Wir sollten eher unser Leben im Allgemeinen und unsere Gruppe hier ins Besondere in größere Perspektiven hineinsetzen. Wir sind nicht nur von der Vergangenheit bestimmt, sondern wir wollen der Gegenwart und der Zukunft zugewendet sein, so wie es für eine ehemalige Jugendgruppe richtig ist. Es gibt besonders zwei große und wesentliche Themen, die uns in alle Jahren bewegt haben, und die uns vielleicht noch teilen, trennen können: erstens die Frage: wie arbeiten wir für eine gerechte Gesellschaft, eine gerechte Welt ? Damit werden wir und sollen wir nie fertig werden. Der Sozialismus har eine offizielle Niederlage erlitten, aber wie Willibald in Oktober zum Gedenktreffen für Dietrich sagte: mir ist es noch nicht nachgewiesen, dass der Kapitalismus eine bessere Antwort auf die Probleme der Menschen bietet. Die heutigen politischen Parteien schwanken von links nach rechts - hoffentlich bald zurück - und werden mehr und mehr unglaubwürdig. Die privilegierten drei Viertel/vier Fünftel der Bevölkerungen in unseren Ländern brauchen ihre demokratische Mehrheit darum, ihre Vorteile zu konsolidieren, während der letzte unprivilegierte Teil im Stich gelassen wird und den Belastungen einer ungezähmten Globalisierung ausgesetzt wird. In ihrer Marginalisierung werden einige von diesen Menschen gewaltsam und üben Gewalt Ausländern und anderen Rassen gegenüber. Die Rede von einem dritten Weg hat diesen Weg doch noch nicht gefunden: wie schaffen wir eine solidarische Gesellschaft, die die Schöpferkraft der Menschen und des Einzelnen zugleich fördert? Die Frage gilt innerhalb der Nationen und zwischen den Nationen und zwischen den Erdteilen.

Das zweite wesentliche Thema unserer Gemeinschaft ist das, was unsere Gemeinschaft zuerst gründete, nämlich der christliche Glaube. Ich habe ja einen ökumenischen Aufbaulager gewählt, und ein Hauptgrund dafür viele Jahre in dieser Gemeinschaft fortzusetzen war, dass wir hier damit arbeiteten, was unser Christentum für unser gesellschaftliches Engagement bedeutete. "Jesus Christus ist der Herr der Welt" lautete es damals, und mein Herz wurde groß und warm. Später wurde diese Herrschersprache, diese Vorstellung von Macht und Sieg mehr und mehr schmerzhaft und schwierig und zweifelhaft. Durch einige Jahren hindurch war sie für mich ein großer Betrug und ein schmerzlicher Verrat der Wirklichkeit. Später habe ich einen anderen und tieferen Glauben bekommen. Aber die alte christliche Grundlage ist nicht mehr eine gemeinsame Grundlage für uns, und das ist so schmerzhaft und schwierig gewesen, dass - abgesehen von einen Ansatz in dem Treffen in Holland 1992 - es eigentlich nach meinem Gefühl nur andeutungsweise unter uns besprochen worden ist.

Diese ganz besondere Gruppe ist 45-46 Jahre her entstanden. Wir haben einander mehr oder weniger auf dem Lebensweg ein Stückchen gefolgt. Wir sind ein Stück mitteleuropäischer Geschichte des 20. Jahrhunderts. Wir sind verschiedenen Wegen gefolgt und haben verschiedene Wahlen getroffen, haben verschiedene Möglichkeiten und Belastungen gehabt. Ich schlage keinen ethischen Relativismus vor - dass alles o.k. wäre - sondern eine echte und offene Auswechslung. Wir sind nicht hier, um einander Rechenschaft abzuverlangen, einander zu beurteilen. Das sollte eindeutig klar sein. Wir sind nicht hier, um "Die Wahrheit" festzulegen, wer Recht oder Unrecht hat. Wir sind auch nicht hier um notwendigerweise Einigkeit zu finden. Das ist wichtig zu betonen.

Aber wir sind hier wegen der Teilnahme an dem Lebensweg mit einander, die stattgefunden hat und stattfindet. Diese Teilnahme kann in zwei Richtungen gehen: die Frage ist, ob wir unter einander eine Gemeinschaft mit genügend gemeinsamen Werten haben, oder ob wir uns in mehr oder weniger verschiedenen Richtungen von einander wegentwickelt haben? Ob die Unterschiede so groß geworden sind, dass unsere Toleranz und unsere Freundschaft sie nicht überbrücken können, oder ob die gemeinsamen 45 Jahren stärker sind und unser Wunsch und Wille besteht, einander weiterhin zu begleiten, zu stützen und zu bereichern? Was hat uns damals bewegt, und was hat es bedeutet, an diese Gemeinschaft teilzunehmen? Wie reden wir hier über das Gemeinsame, über die Unterschiede, über das Zweideutige, über das Schmerzhafte, so dass ein echtes, gutes menschliches Gespräch entstehen kann? Es bedeutet eine Einladung dazu, dass wir Stücke unserer Lebensgeschichte mit einander teilen - so viel oder so wenig wir wollen oder können: das ist eine freie Wahl. Die Themen, die wir teilen wollen, können wir erzählen mit Überlegungen und mit Zweifeln, mit Stolz, Reue, Trauer, oder Lachen - wie es nun jedem recht ist.

Vielleicht ist es der Sinn unserer Unterschiedlichkeit, dass wir Türe des Lebens für einander offen halten, die wir sonst zumachen würden. Dann wird es der Sinn der Verbindlichkeit sein, dass wir respektvoll, offen, kritisch fragend mit der Andersartigkeit der Anderen umgehen. Auf diese Weise ist echte Freundschaft die Teilnahmen am Leben der Anderen.

Inhaltsverzeichnis


Reine Hände

Ich ließ das Böse geschehen
und weinte für die, die starben.
Ich sah meinen Bruder verbluten
doch wagte nichts zu sehen.

Meine Trauer war hell und sanft.
Mein Weinen wurde leicht zu tragen.
Ich lernte das Schwelgen
in der eigenen milden Qual.

Das Böse rührte mich an.
Ich wollte nur das Beste.
So ließ ich meinen Nächsten
den Schwert des Kampfes heben.

Mir war die Hand rein und schwach,
von Trauer und Schrecken gelähmt,
Dir war die Hand rau und zerkratzt
von Sieg und Niederlage.

Ich ging den leichteren Weg.
Sie litten. Und ich war ja hinter ihnen.
Sie weinten. Und ich beweinte sie....
Das Böse das bin ich !

Halfdan Rasmussen 1944 (Dänischer Schriftsteller)

Inhaltsverzeichnis


Johannes Evangelium Kap. 8

Und jeder ging heim: Jesus ging aber zum Ölberg. Und frühmorgens kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie.

Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten eine Frau zu ihm, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte und sprachen zu ihm: Meister , diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Moses aber hat uns im Gesetz geboten , solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Das sagten sie aber, ihn zu versuchen, damit sie ihn verklagen könnten. Aber Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nun fortfuhren , ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie aber das hörten, gingen sie weg, einer nach dem anderen, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. Jesus aber richtete sich auf und fragte sie: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.

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Musik

  • Parce mihi Domine (6´42´´) from the "Officium defunchtorum" by Christobal de Morales (1500-1553) Track 1 from Officium win the Milliard Ensemple ECM Records Postfach 600 331 81203 München. ECM New Series 1525 AA5 369-2.

  • The Lark Ascending (14´42") Ralph Vaughan Wilhaus (1872-1958) EMI Classiccs 0777 7 67884 2 5.

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