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Die Frau des Missionars

Von Hanna Ahrens

Inhalt

1. Missis bilong en - Die Stellung der Frau
2. Hügel und Haus, Menschen und Moskitos - Buschsituation und Kulturschock
3. "Diese faulen Missionarsfrauen" - Zeiteinteilung
4. "Zwanzig toea für ein Kleid" - Aktivitäten und Frustrationen 
5. "Missis, ziehe meinen Zahn raus!" - Krankheiten und medizinische Versorgung  
6. "Was soll ich Jetzt tun?" - Entwicklung und Erziehung der Kinder
7. Der Missionar ist auf bushtrip - Einsamkeit
8. Das Leben in der Stadt - Veränderte Situation und neue Chancen zur Mitarbeit
9. Begegnung zweier Kulturen - Bewältigung von Frustrationen

1. Missis bilong en - Die Stellung der Frau

In Papua New Guinea hat die Frau im allgemeinen eine geringe soziale Stellung. Die Europäerin, die hier lebt, hat teil an der Rolle der neuguineischen Frau. Sie ist - falls ihr Mann Missionar ist - "die Frau des Missionars" oder einfach: seine Frau, in Pidgin: Missis bilong en. Das ist ungewohnt für eine Frau, die vorher ihren eigenen Beruf hatte. Man hatte erwartet, aktiv mitarbeiten zu können. Nun erfährt man, wie eng der einem gesteckte Rahmen ist. Man lebt auf einer Außenstation im Busch. Kontakt mit anderen Europäern gibt es nur über Funk oder wenn man gelegentlich einmal in die Stadt kommt. Natürlich kann man als Frau mit den Frauen und Kindern des Dorfes unterhalb der Station sprechen, aber am Anfang sind die Sprachkenntnisse kümmerlich. Trifft man Neuguineer, so wird nur der Mann begrüßt, die Frau bleibt im Hintergrund. Sie geht hinter dem Mann her. Das sind nur Äußerlichkeiten, neuguineische Sitte, die ich als solche meist akzeptieren und mit Humor hinnehmen konnte, aber manchmal habe ich mich auch geärgert. Und oft fühlte ich mich auf der Station wie ein eingesperrter Vogel.

Kommt einmal ein Besucher auf die Station, nimmt sich die Missionarsfrau Zeit - sie hat ja Zeit - ihm einen Kaffee zu machen. Sie setzt sich zu ihm, man unterhält sich. Der Eindruck des Besuchers ist: "Missionarsfrauen sind faul, sie trinken den ganzen Tag Kaffee!" Nun, den ganzen Tag vielleicht nicht, das wäre in diesem Klima etwas viel für's Herz. Aber es stimmt: Missionarsfrauen haben es leichter als die Frauen Zuhause, die alle Hausarbeit allein tun müssen. Und sie haben es zugleich schwerer. Wie unterscheidet sich ihr Leben von dem einer Frau in Deutschland? Wie erzieht sie ihre Kinder hier? Ist es romantisch und viel interessanter, im Busch zu leben? Ist es gefährlich? Ist es ein großes Opfer, oder macht es Spaß? Wir sind diese Dinge oft gefragt worden. Wie viele Sprachen muss man lernen? Was tut man bei Krankheit? Was tut die Frau an Missionsarbeit? Wie begegnet sie den Werten einer fremden Kultur? Wieweit kann sie sich anpassen, ohne ihre Identität zu verlieren? Wie begegnet sie den Neuguineern? An der letzten Frage wird sich entscheiden, ob ihr Hiersein sinnvoll ist.

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2. Hügel und Haus, Menschen und Moskitos - Buschsituation und Kulturschock

Hanna Ahrens geb. JahnkeIch erinnere mich genau, wie mir damals zumute war, als wir vor sechs Jahren nach Neuguinea kamen und auf unserer ersten Station abgesetzt wurden. Eine Station auf einem Hügel mit Blick über den Pazifik. Wie ein Traum. Aber mit der beklemmenden Frage: Wann werden wir hier wieder abgeholt? Die Stille erschlug einen. Die Hitze erdrückte einen. Die Zeit stand still. Der Mann, der am Morgen vor seinem Haus saß und vor sich hindöste, saß am Abend immer noch da. Das konnte ich nicht fassen. Er wollte eigentlich in seinen Garten gehen, aber dann hatte er keine Lust, und so ging er nicht. Das ist für einen Europäer unbegreiflich. Ich hatte - was ich nicht wusste - bereits meinen Kulturschock.

Nach dem ersten Tag kommt der zweite. Die Zeit hilft einem. Nach einem halben Jahr ist das so andersartige Leben schon fast alltäglich. Man sammelt morgens die ins Gras gefallenen Zitronen auf, sieht nach, ob noch genug Regenwasser im Tank ist. Man heizt den Kessel an für die Wäsche. Die Hausmädchen haben wieder die Zeit verschlafen. Man kauft Ananas und Papaias für ein paar Groschen zum Frühstück - mit Pazifikblick, wie immer.

Ein Leben, das sich nur Millionäre leisten können, und gleichzeitig ein Leben, das nur Missionare aushalten. Woran liegt das? Der Kulturschock geht nach einiger Zeit vorüber, aber der "culture stress" - die ständige Belastung - bleibt. Sie betrifft jeden, der hier arbeitet: Anthropologen, Linguisten, Regierungsbeamte, Geschäftsleute und Entwicklungshelfer. Sie alle empfinden es als Belastung, dauernd den Werten einer fremden Kultur ausgesetzt zu sein. Sie fürchten, ihre Identität zu verlieren. Sie klammern sich an Clubs, Hobbies und Bücher ihrer eigenen Kultur. Sie möchten und müssen sich anpassen, können sich aber neuguineisches Denken und Verhalten nicht zu eigen machen. Ein Beispiel mag das veranschaulichen:

Spät abends wird ein Kind mit hohem Malariafieber auf die Station gebracht. Das Kind bekommt das entsprechende Anti-Malaria-Mittel, und dem Vater wird gesagt, wann er die folgenden Tabletten zu geben habe. Morgens um fünf Uhr kommt der Vater wieder: das Kind sei jetzt noch kranker, es werde sterben. Wir fragten, ob er ihm die folgenden Tabletten gegeben habe. Nein, die Tabletten habe er dem Kind nicht gegeben. - Offenbar konnte er keinen Sinn darin sehen. Vielleicht dachte er, das Kind habe eine neuguineische Krankheit, verursacht durch Zauber, bei der die Medizin der Weißen ohnehin nicht helfe.
 

Am nächsten Tag bringt man eine Frau, die von einer Todesotter gebissen worden war. Da wir die entsprechenden Injektionen auf der Station nicht geben dürfen, musste sie so schnell wie möglich ins Krankenhaus nach Madang. Ein Flugzeug konnte nicht mehr landen, da es bereits dunkel wurde. Eine Straße gibt es nicht. Also baten wir den Mann, der das kleine Motorschiff nach Madang betrieb, die Frau doch ins Hospital zu bringen: drei Stunden Fahrt. Aber er hatte keine Lust, er sagte: "Maski, em i meri tasol!" (Es lohnt sich nicht, sie ist nur eine Frau) Sie kann im Dorf bleiben. Sie hat den Schlangenbiss überlebt.

Je weniger man fremdes Denken übernehmen kann, desto mehr klammert man sich an die eigene Kultur. Man versucht, in Kisten und Paketen Deutschland zu importieren und sich so deutsch wie möglich einzurichten, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass dies Abwehrreaktionen sind, die eine Barriere aufrichten zwischen uns und den Neuguineern. Die Frau empfindet die Bedrohung von seiten der fremden Kultur besonders. Sie macht sich Sorgen um die Entwicklung der Kinder. Wie werden sie ihre Umwelt aufnehmen? Welche Werte werden sie übernehmen? Wie werden einem Erziehung und Unterricht gelingen? Werden sie in ihrer Entwicklung zurückbleiben, wenn sie auf einer Außenstation im Busch aufwachsen? Wird man bei Krankheit schnell genug Hilfe bekommen? Ihre Beine sind von Moskitos zerstochen, aus jedem Mückenstich wird ein kleines Geschwür, das behandelt werden muss. Hitzeausschläge plagen sie. Das gilt besonders für die erste Zeit. Werden sie sich an das feuchtheiße Klima gewöhnen? All diese Dinge belasten besonders die Mutter.

Und wie wird die Frau selbst fertig mit ihrer Einsamkeit? Sie ist allein, wenn der Mann seine bush-trips macht, zu Konferenzen und Tagungen fährt, Dörfer besucht oder Seminare für Gemeindeälteste hält. Er trifft und kennt viele Leute. Viele kennen ihn. Der Lebensraum der Frau ist auf die Station begrenzt, einmal wegen der kleinen Kinder, und weil man eine Station nicht ständig unbesetzt lassen kann. Es gibt immer Leute, die Hilfe wollen, und auch solche, die sie wirklich brauchen. Dieser begrenzte Lebensbereich kann der Frau wie ein immer enger werdender Kragen den Hals zuschnüren. Dieser Druck kann sie krank machen. Es heißt dann manchmal: Der Missionar musste nach Hause gehen. Seine Frau hatte Depressionen.

Eine Frau von einer sehr einsamen Außenstation sagte neulich: "Unsere Station ist landschaftlich sehr schön. Aber es ist eben immer derselbe Berg, auf den ich aus meinem Küchenfenster gucke, und dann denke ich jeden Morgen: Und das noch fünf Jahre! Und dann gehe ich aus dem Haus, weil ich es eben nicht mehr aushalte. Ich gehe hinüber zu den Buschhäusern der Neuguineer und versuche mit meinen kümmerlichen Sprachkenntnissen, ein Gespräch mit den Frauen anzufangen. Aber sie gucken mich nur an und antworten kaum. Sie bitten mich auch nicht in ihr Haus. Dann gehe ich zurück, und es ist noch schlimmer. Manchmal kommt zum Glück jemand und will Kohl und Kartoffeln verkaufen. Das ist dann die einzige Abwechslung. Ich denke manchmal, ich werde wahnsinnig."

Die Eintönigkeit bedrückt; es scheint nichts zu passieren. Man scheint das Leben zu verpassen. Sechs Jahre sind eine lange Zeit. Das Eigentliche passiert offenbar zu Hause. Was bedeutet hier der Satz aus dem Johannesevangelium: "Wer den Sohn hat, der hat das Leben" ?

Das Leben muss hier viel mehr gestaltet werden als zu Hause, wo einem so vieles als Fertigprodukt angeboten wird, wo eigene Initiative fast überflüssig erscheint wegen der vielen Abwechslungen, Ablenkungen, Anregungen und Versuche der Beeinflussung. Es kostet viel Kraft, die Eintönigkeit zu überwinden. Man kann Langeweile nicht so gut überdecken wie zu Hause, wo man dann eben telefoniert oder fernsieht, in Illustrierten blättert oder zum Friseur geht. Die Gestaltung des Tages bleibt einem selbst überlassen. Wenn man es schafft, welch eine Chance! Ich kann mich morgens um acht Uhr mit den Kindern hinsetzen und lesen, schreiben, malen, bauen, kneten und basteln, solange es uns Spaß macht. Ich habe Zeit, wenn sie etwas fragen, ihnen in Ruhe zu antworten. Mein Mann und ich haben Zeit, uns abendelang über das zu unterhalten, was uns beschäftigt.

Beneidenswert? Ja. Wenn man die Kraft zur Gestaltung hat. Aber manchmal hat man auch keine neuen Ideen mehr. Man hat schon alle Spiele mit den Kindern gespielt, alle Bücher gelesen und kann die Station nicht mehr sehen. Wenn wir anfingen, die Katzen und Hunde mit einem Fußtritt nach draußen zu befördern, die Kinder anzubrüllen und jedes harmlose Insekt zu töten, haben wir uns manchmal einen zweitägigen Urlaub genehmigt. Wir sind nach Madang geflogen, um einzukaufen, Post abzuholen, ein Eis zu essen und vielleicht sogar ins Kino zu gehen, ganz gleich, was gespielt wurde. Man traf ein paar Bekannte, konnte wieder einmal reden und sich abreagieren und war nach zwei Tagen wieder ganz normal. Man wollte nichts lieber als auf die Station zurück. Denn: was sollte man schließlich in der Stadt? Man hatte ja nun einmal wieder eine Cocacola getrunken und ein paar Geschäfte und Menschen gesehen.

Wir ärgerten uns, wenn die Leute fragten: "Seid ihr schon wieder in Madang? Ihr musstet wohl zum Hospital oder Zahnarzt?" "Nein, ins Kino!" Einem solchen Missionar und seiner Frau spricht man schnell die rechte Hingabe ab. Aber wir halten uns daran, dass wir ja nicht von Menschen gerichtet werden. Auf die Länge der Zeit sind solche Pausen nur ökonomisch. Die Frau wird sich vielleicht sogar erlauben, zu dem einzig vorhandenen Friseur zu gehen. Sie wird sich vielleicht ein Kleid kaufen und das einzig vorhandene Paar Schuhe in ihrer Größe. Luxus? Ja. Aber ein nötiger. Auf einer Außenstation braucht man all diese Dinge natürlich gar nicht. Die Frau braucht sich nicht "schick" zu machen. Für wen denn? Aber eben darunter leidet sie auch. Sie ist eine Frau, die sich über Komplimente freut, auch als Missionarsfrau.

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3. "Diese faulen Missionarsfrauen" - Zeiteinteilung

Ausgehen, Bekannte besuchen, telefonieren, fernsehen - das alles gibt es auf einer Außenstation nicht. Die Frau des Missionars hat viel Zeit. Sie braucht z.B. nicht einzukaufen, es wird ja alles per Funk bestellt und kommt mit Flugzeug oder Schiff. Allerdings: Bestellungen werden verwechselt. Anstelle der lange bestellten Äpfel kommen Zwiebeln. Eine Frau hatte längere Zeit auf bestimmte Lebensmittel gewartet. Stattdessen kamen hundert Rollen Toilettenpapier. Eine Verwechslung? Aber die Frau heulte. Hysterisch? Man hat nicht immer die Kraft, alle Pannen mit Humor zu nehmen. Man vergeudet seine Zeit auch nicht im Geschwätz mit der Nachbarin: es gibt ja keine. Das Dorf ist eine Meile entfernt. Man kann natürlich stundenlang vor dem Funkgerät sitzen, um so über das Leben auf anderen Stationen informiert zu sein.

Einmal wurde ich während eines Urlaubs im Hochland von einer Missionarsfrau gefragt: "Haben Sie ihre Eier und den Käse bekommen, den Sie bestellt hatten?" Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern. Es war etwa ein halbes Jahr her. Diese Frau saß ständig am Funkgerät und versuchte so, ihre Isoliertheit zu durchbrechen.

Die Missionarsfrau braucht im Haushalt nicht viel zu tun. Sie hat meist ein oder zwei Hausmädchen, die abwaschen, fegen und die Wäsche waschen. Damit ist - wenn sie genügend Gelassenheit in Bezug auf Hausarbeit aufbringt - schon das Wesentliche getan. Natürlich muss sie die Hausmädchen anlernen und beaufsichtigen. Letztes bringt auf beiden Seiten meist Ärger.

Hat Gutoru, unser Hausmädchen, einen guten Tag, sagt sie am Abend: "Mama, drei Gläser und zwei Tassen sind zerbrochen!", und ich sage: "Das ist nicht so schlimm. Wir haben ja noch sieben heile Gläser, pass morgen besser auf." Hat sie einen schlechten Tag oder denkt sie, ich hätte einen schlechten, sagt sie gar nichts, und ich finde die Scherben im Mülleimer und rufe wütend nach ihr. Sie kommt, so langsam sie kann. Ich sage: "Wie ist dass passiert?" Und sie sagt: "Das weiß ich auch nicht." Was mich noch wütender macht. Schließlich sagt sie: "Das heiße Wasser hat sie zerbrochen!" Aha! Habe ich nicht die heilen Gläser, so habe ich doch die Erklärung für die zerbrochenen, was mich schon beruhigt. Wir besprechen also, warum man heißes Wasser nicht auf Gläser gießen darf. Ich nehme mir Zeit zum Erklären. Das erspart uns dann ja den Ärger in Zukunft. So denke ich. Und alles ist wieder im Lot. Am nächsten Morgen zerbricht ein anderes Glas. Ich sage: "Gutoru, hast du wieder ein Glas zerbrochen?" Sie sagt: "Nein, ich nicht, das heiße Wasser hat es gemacht". Manchmal denke ich, es kostet weniger Kräfte, die Gläser selbst abzuwaschen.
 

Neuguineer sehen den Zusammenhang von Ursache und Wirkung anders als wir. So geht es auch mit anderen Dingen: Soll Gutoru Wäsche kochen, so kocht sie sie nicht, weil sie nicht weiß, wann Wasser kocht. Wäscht sie aber bunte Kleider, so kocht sie sie, weil das Feuer gerade schön groß war, so dass am Ende alle ziemlich die gleiche Farbe haben und eingelaufen sind. Unsere Unterwäsche, die aus Versehen dazwischen geriet, ist jetzt rosa oder hellblau, im Grundton bräunlich. Daran kann man sich gewöhnen. Und was macht es aus? Schließlich leben wir ja nicht in Europa. Aber nicht immer hat man die Kraft zur Gelassenheit. Gelassen bleibt nur mein Hausmädchen, die meine Aufregung sehr komisch findet, aber hinnimmt. Das bewundere ich.
 

Gutoru ist, wenn mein Mann auf Reisen ist, mein einziger Gesprächspartner außer den Kindern. Ich kann über manches mit ihr reden, aber sicher nicht darüber, wie mir zumute ist. Das würde sie nicht verstehen. Denn in ihren Augen lebe ich ja wie eine Königin, die alles hat, was sie braucht: ein schönes Haus, genug zu essen, jemanden, der die Arbeit tut. Worüber rede ich mit ihr? Über ihre Familie und über das Wetter. Daran ist eigentlich nur interessant, ob es zuviel oder zuwenig Regen gegeben hat. Die Hitze ist ja immer die gleiche. Wir reden über die Schweine und über die Gärten. Ob es die richtige Zeit ist, nach Schildkröteneiern am Strand zu suchen, ob man noch Tomaten pflanzen kann und warum sie unter Kokospalmen nicht wachsen. Wer zuletzt von einer Schlange gebissen worden ist, wer ins Hospital musste, wo im Dorf ein Baby geboren worden ist. Warum unser Mandarinenbaum nicht trägt u.s.f. Läppische Dinge? Ja. Aber nicht läppischer als unsere Unterhaltungen zu Hause: Wie geht es Ihnen? Kalt heute! Was gibt's Neues? Läuft Ihr Wagen noch? Was macht's Geschäft?

Zeit kann für eine Frau, die auf einer einsamen Station lebt, zum Problem werden, weil es nichts gibt, das Langeweile überdeckt. Sie ist, wenn man es negativ formulieren will, zur Kreativität verurteilt, wenn sie nicht an Langeweile zugrundegehen will. Man kann es auch sehen als die Chance zu einem bewusst gestalteten Leben. Man hat viel mehr Zeit für sich selbst, weil alle Ablenkungen fehlen. Man kann - und soll - sich ein Hobby leisten. Die Freude, die man daraus gewinnt, wird einem helfen. Kocht man gern, so hat man hier viele Möglichkeiten. Man muss ja vieles selbst machen, was man zu Hause fertig kaufen würde: man bäckt Brot und Kuchen, Brötchen und Kekse. Man kocht Marmelade und Gurken ein. Man macht Chutney, Leberwurst, Eis und Joghurt. Näht man gern, so kann man die Kleidung für die Familie Herstellen. Und wenn man es im Anfang nicht gut kann, so lernt man es im Laufe der Zeit. Ich hatte nie ein Schwarzbrot selbst gebacken oder ein Jackett für meinen Mann genäht, bevor wir nach Neuguinea kamen.

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4. "Zwanzig toea für ein Kleid" - Aktivitäten und Frustrationen

So sehr das Leben der Frau auf die Missionsstation beschränkt ist, so dreht es sich doch nicht nur um Haushalt und Familie. Die Frau möchte ihre freie Zeit ja dazu nutzen, mit den Frauen und Mädchen des Dorfes zusammenzusein und mit ihnen zu arbeiten. Sie möchte mit ihrem Wissen und ihren Gaben anderen helfen. Dazu war sie ja nach Papua Neuguinea gekommen und nicht, um ihren Haushalt anstatt z.B. in Hamburg nun hier zu führen.

An den Nachmittagen - nach Mittagsruhe und einer Tasse Tee, die einen wieder zum Leben bringt - weht eine leichte Brise. Man kann mit den Frauen des Dorfes ein wenig arbeiten. Ich habe zwei Nähklassen angefangen, da es auf der Station zwei alte Handradnähmaschinen gibt. Wir üben, wie man eine Schere anfasst, so dass sie auch schneidet. Wir üben, auf einer Linie entlang zu schneiden. Das ist fast unmöglich, und noch schwerer ist es, eine gerade Naht zu nähen. Für jede Frau wird ein Kleid - ohne Knopf und Kragen - zugeschnitten. Einige nähen es fertig, wie vollkommen auch immer. Andere ermüden auf der Hälfte. Sie sagen: "Meine Hand ist zu schwer, sie kennt solche Arbeit nicht." Eine bot mir zwanzig toea an, wenn ich es für sie fertignähen würde. Wieder andere sind zu faul, auf die Station zu kommen und das fertige Kleid abzuholen. Ein paar Wochen später kann man Muster und Farbe der Kleider kaum mehr erkennen. Sie tragen sie täglich bei der Arbeit. Alles hat die grau-braune Farbe des Lehmbodens angenommen. Manche Kleider halten nur noch auf der Schulter zusammen. Es ist unpraktisch, Kleider im Dorf zu tragen. Die rechteckigen Laplaps, die wie ein Wickelrock getragen werden, sind praktischer und lassen sich leichter in den Flüssen waschen. Kleidernähen war meine Idee gewesen. Ich habe dann im Dorf keinen Nähunterricht mehr gegeben.

Stattdessen schlug ich ihnen vor, dass wir Körbe aus Buschmaterial machten und auf dem Markt in Madang verkauften. Es gibt im Busch genug Peddingrohr und Pandanus, was sich gut für Körbe eignet. Sie schienen begeistert zu sein und holten das Material, das wir vorbereiteten. Aber als dann die Arbeit losgehen sollte, kamen nur zwei Frauen - aus Höflichkeit - und sahen zu, wie ich die Körbe wohl machen würde. Beim nächsten Mal kam keiner mehr. Ich fragte Gutoru. Gutoru sagte: "Wir hier in Bongu machen keine Körbe, unsere Vorfahren haben keine gemacht, und wir kennen diese Sitte nicht. Auf Bougainville machen sie Körbe, und in Bilbil machen sie Tontöpfe."

Damit war auch dieses Thema erledigt. Ich gab es auf, mit den Frauen zu arbeiten. Wir haben oft zusammengesessen und geredet. Wir tranken Tee zusammen, es gab auch Kekse und Brot. Beides lieben sie sehr. Das brachte mich auf die Idee, eine kleine Bäckerei anzufangen. Wir nahmen eine Tonne (44-Gallon-drum), die wir an einem Hang waagerecht in die Erde gruben. Wir besorgten zehn Brotformen. Wenn das Holzfeuer in der Tonne bis auf die Glut niedergebrannt war, schoben wir einen Rost hinein, auf den wir die Formen mit dem Brot - das vorher in der Sonne gegangen war - stellten. Mit einem Deckel wurde die Tonne luftdicht verschlossen. Backzeit: eine Stunde. Das war eine sehr einfache und billige Art, Brot zu backen. Und da man Brot im Busch ja nicht kaufen kann, kamen die Neuguineer von weit her, um dies Brot zu kaufen. Inzwischen hatte ich einen Bäcker angelernt, so dass ich mit der Bäckerei kaum mehr etwas zu tun hatte, abgesehen von dem finanziellen Teil und wenn es darum ging, in Madang neues Mehl einzukaufen. Die Bongus haben das Brot so geliebt, dass sie, als wir weggingen, den "Backofen" unten im Dorf installierten und noch heute backen. Das Mehl ist teurer geworden und die Brote sind nun viel kleiner - sie kosten weiterhin zwanzig toea - aber das Geschäft blüht.

Wir haben mit den Christen des Dorfes viele Gottesdienste zusammen gefeiert. Zuerst in der verfallenen alten Buschkirche, dann in der neuen permanenten Kirche, die mein Mann mit ihnen fertigbaute. Sie stand jahrelang halbfertig da, Bäume und Sträucher wuchsen aus dem Boden. Und dann gab es eine große Kircheinweihung. Mit Einladungen an alle Dörfer in der Nähe und Riesenmengen an Essen. Das Feiern und das Zusammensein ist für sie viel wichtiger als erfolgreiches Arbeiten, was bei uns an erster Stelle steht. Wir haben auch oft am Strand zusammengesessen, wenn ihre Kinder badeten und unsere Kinder badeten. dass ich auch badete, fanden sie sehr komisch - sie selbst gehen an den Fluss, um sich zu waschen und Wäsche zu waschen - aber ich tat es trotzdem.

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5. "Missis, ziehe meinen Zahn raus!" - Krankheiten und medizinische Versorgung

Als wir nach Bongu zogen und unsere Kisten noch nicht einmal im Haus hatten, kam als erster ein alter Mann auf die Station, der wollte, dass ich ihm seinen Zahn zog, weil er die Schmerzen nicht mehr aushielt. Die nächsten kamen mit vereiterten Geschwüren.

Ich bin keine Krankenschwester. So ging ich erst einmal für zwei Wochen nach Yagaum (bei Madang) ins Hospital, um zu lernen, wie man die üblichen Krankheiten Malaria, Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfälle und Geschwüre behandelt, wie man Spritzen aufzieht und gibt. Denn wenn wir den Leuten diese Hilfe verweigerten, brauchten wir das Predigen gar nicht erst zu versuchen. Sie wollten ja zunächst gar nicht Gottes Liebe, sondern unsere praktisch angewandte Liebe. Es gab zwar einen sogenannten "doctorboy" - "Barfußdoktor", der für die Kranken zuständig war. Aber wenn er betrunken oder weggelaufen war, wenn er sein freies Wochenende hatte oder die Medizin verbraucht war, dann ging man eben zur Station. Der Weg war kürzer, und die Medizin der Weißen war besser, so meinte man, auch wenn es sich um dieselben Anti-Malaria-Tabletten handelte.

Ein alter Mann kam jeden Morgen, machte sich durch Hüsteln vor der Tür bemerkbar und sagte: "Missis, ich habe Husten!" Solange ich Hustenmedizin hatte, bekam er sie. Als sie aufgebraucht war und ich es ihm sagte, meinte er: "Dann gib mir andere Medizin!" Und so handhabten wir es. Er aß im Laufe unserer Zeit: Vitamintabletten, völlig harmlose Magentabletten, Eisentabletten .... und wenn mein Mann heute gelegentlich das Dorf besucht, nachdem wir vor zwei Jahren dort wegzogen, sagt er: "Hast Du mir Medizin von der Missis mitgebracht?" Ein Missionar hat ja immer ein paar Aspirintabletten bei sich.
 

Oft hatten wir morgens zwischen sechs und acht Uhr bereits zwanzig Patienten, meist mit vereiterten Geschwüren, die gewaschen und verbunden werden sollten, und es hat mich manchmal betrübt, dass die Kranken weder: "Guten Morgen!" noch "Auf Wiedersehen", noch "Danke" sagten. Sie sagten stattdessen: "Ich gehe jetzt!" Und man antwortete: "Gut, gehe nur!" Ich habe damals nicht gewusst, dass Begrüßungen überhaupt erst von Missionaren eingeführt worden sind. Sie erübrigten sich ja in einer face-to-face-Gesellschaft, in der man sich ohnehin immer sah. Das heißt nicht, dass die Kranken nicht dankbar gewesen wären für die Hilfe. Man hängt offenbar doch mehr an Höflichkeitsformen als man denkt.

Braucht man selbst einen Arzt oder Zahnarzt, so verabredet man über Funk einen Termin. Man versucht, ein Flugzeug oder Schiff zu bekommen, und fährt nach Madang. In der Theorie. In der Praxis sieht es oft anders aus: Das Schiff, das fahren soll, hat gerade Kokosnüsse geladen, kann uns also erst morgen mitnehmen. Man geht mit der ganzen Familie wieder zur Station zurück. Man zündet den Petroleumbrenner des Kühlschranks wieder an. Man stellt Wasser und Gas wieder an, packt alles aus und wartet auf den nächsten Tag. Das Schiff ist bereit zu fahren, doch leider hat es einen Motorschaden, der "Kapitän" ist betrunken oder arbeitet in seinem Garten, die Brandung ist zu stark. So könnte man fortfahren. Wir sind später nur noch geflogen. Aber auch auf Flugzeuge wartet man viele Stunden, halbe Tage manchmal. Wir saßen dann unter dem einzigen kleinen Baum am Ende der brütend heißen Graslandebahn und warteten, versuchten uns in Geduld und dachten manchmal: Von den sechs Jahren in Neuguinea hat man sicher ein Jahr mit Warten zugebracht. Man sollte eine Theologie des Wartens schreiben.

Wenn man dann in Madang ankommt, wäscht man sich zunächst den schwarzen Schlamm von den Beinen, denn man musste, um zum Flugplatz zu kommen, zwei kleine Flüsse durchqueren. Kommt man endlich ins Krankenhaus, ist der Arzt nicht mehr da, oder sie haben dem Arzt den Termin nicht ausgerichtet. Aber angenommen, der Arzt ist da, er hat sogar Zeit; dann hat er leider nicht die nötige Medizin. Dem Zahnarzt ist der Bohrer zerbrochen, außerdem hat er gerade kein Betäubungsmittel für die Spritze. Es geht auch ohne. Das ließe sich endlos fortsetzen. Am besten verzichtet man darauf, krank zu sein. So wie man in Deutschland erwartet, dass etwas klappt, kann man hier sicher sein, dass es schiefgeht. Es ist uns nur sehr selten gelungen, einmal ein korrektes Laborergebnis zu bekommen. Entweder wurden die Untersuchungen falsch durchgeführt, blieben zu lange liegen, verdarben in der Hitze oder gingen verloren. Man braucht Humor und eine gute Gesundheit. Und man hat Gelegenheit zu lernen, was es heißt, sein Kreuz auf sich zu nehmen. Man hat auch Gelegenheit, Bewahrung zu erfahren trotz menschlicher Unzulänglichkeiten.

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6. "Was soll ich Jetzt tun?" - Entwicklung und Erziehung der Kinder

Kinder, die auf einer Außenstation aufwachsen, haben viele Vorteile und manche Nachteile, verglichen mit Kindern zuhause. Sie entwickeln sich langsamer und gesunder. Sie wissen weder, was Hektik ist noch Leistungsdruck, sind weder Reklame noch Reizüberflutungen ausgesetzt. Die Mutter ist nicht berufstätig, die Eltern sind nicht nervös. Sie haben keine Ablenkungen. Sie können ungefähr alles tun, was sie möchten. Keiner sagt: "Sei nicht so laut!" "Störe nicht!" "Kleckere nicht auf den Teppich!" Es gibt Ja keinen. Sie werden nicht überhäuft mit Spielzeug oder Bonbons. Die Mutter hat Zeit, mit ihnen zu spielen.

Beneidenswert? Sie können viele Tiere haben: Hunde, Katzen, Papageien, Baumkänguruhs, Meerschweinchen. Wir hatten gelegentlich auch Eulen und andere Vögel, z.B. einen Muruk, das ist ein straußenähnliches Tier. Sie können das ganze Jahr über schwimmen im Pazifik oder in einem Fluß. Sie können, wenn sie größer werden, bushtrips mit dem Vater machen. Unser damals fünfjähriger Sohn lief bereits sechs Meilen durch den Busch, ohne über Müdigkeit zu klagen. Sie werden kleine Strapazen gewohnt. Sie lernen, mit den Eltern zu warten: auf Flugzeuge, Schiffe, auf Lebensmittel und Reparaturen.

Das klingt ideal. Aber die Kehrseite ist, dass Kinder von Außenstationen oft scheu und kontaktarm sind. Sie kommen ja selten mit anderen weißen Kindern zusammen, sie sehen nur selten einmal Geschäfte und Autos. Sie haben Angst vor diesen Dingen, die sie nicht kennen. Werden sie einmal lebenstüchtig sein? Sie sind in einem sehr engen Lebensbereich aufgewachsen und haben so eine sehr enge Bindung an die Eltern. Werden sie sich rechtzeitig wieder davon lösen können?

Natürlich spielen sie gelegentlich mit neuguineischen Kindern. Aber gegen sie müssen sie sich nie durchsetzen. Sie sind ihnen überlegen, nicht wegen ihrer Geschicklichkeit, sondern weil ihr Vater Missionar ist, ein Weißer. Die Verschiedenheit der Lebenswelt der Erwachsenen kommt auch im Spielen der Kinder zum Tragen. Unsere Kinder spielen zielorientiert, ihr Spielzeug ist technisch oder phantastisch. Die neuguineischen Kinder spielen mit Steinen, Stöcken, mit Wasser, Käfern und Schmetterlingen. Sie üben ihre Geschicklichkeit mit Pfeil und Bogen. So sitzen sie oft da und staunen, wenn unsere Kinder mit ihrem Spielzeug spielen. Sie sind unsicher und hilflos, so wie unsere Kinder, wenn sie ins Dorf kommen.

So ist die Mutter mehr oder weniger die Alleinunterhalterin der Kinder. Das ist manchmal anstrengend. Wenn mir nichts mehr einfiel, schickte ich sie mit den Hausmädchen nach draußen zum Ballspielen. Aber da musste man sehr aufpassen, dass sie auf dem kurzgemähten Rasen blieben, denn am Abhang unseres Hügels gab es die Todesottern. Auch auf dem Weg ins Dorf sahen wir sie gelegentlich. So konnten die Kinder nie ohne Aufsicht draußen spielen. Tagsüber war es ohnehin zu heiß , und in den kühleren Stunden vor dem Dunkelwerden (um sechs Uhr) gab es eben auch viele Moskitos. So hält man sich meist im Haus auf, das Ja durch die Fliegendrahtfenster immer frische Luft hat. Man erfindet Spiele und Feste. Es gibt vieles, das man feiern kann: den ersten Zahn des Babys. Hannes kann ein Lego-Auto bauen und ein "A" schreiben. Susanne backt kleine Kekse. Wir tun unser Mittagessen in einen Korb, gehen unter einen Schattenbaum und nennen das Ganze Picknick. Man sitzt auf einer Decke wegen der Ameisen und tut Sprudelpulver in den sonst üblichen Zitronensaft. Man muss sich ein wenig beeilen wegen der Fliegen, die uns sofort gefunden haben. Wenn Vater zu Hause ist, baut er mit den Kindern ein kleines Gehege für die neu erworbenen Vögel. Er schnitzt ein kleines Kanu und ein Flugzeug. Da die Kinder viel weniger sehen und erleben, sind sie mit wenigem zufrieden.

Als Hannes fünf Jahre alt war, begann ich die Vorschule und den Unterricht mit ihm. Manchmal war es mühsam, wenn trotz Hitze - der Arm klebte auf dem Heft - und Kopfschmerzen weitergemacht wurde, manchmal machte es Spaß. Man hat Ja viel Zeit im Einzelunterricht und wird mit dem Lehrstoff leicht fertig. Die Probleme liegen woanders. Das Kind braucht sich im Grunde nicht anzustrengen, es gibt Ja keine Konkurrenz. Man hat .auch nicht den Spaß, den es in einer Schulklasse gibt. Man kann zwar Belohnungen erfinden, aber die Spielgefährten kann man seinem Kind nicht ersetzen. Und vieles können Kinder eben nur im Spielen mit anderen Kindern lernen, nicht zuletzt auch die Sprache. Sie haben Deutsch von den Eltern gelernt, Pidgin von den Hausmädchen und dann später Englisch in der Schule. Das ist für Kinder kein Problem. Hat man die Kinder in den ersten zwei Grundschuljahren unterrichtet, gehen sie auf den deutschen Zweig der Internatsschule in Wau. Sie lernen Jetzt, in einer Gemeinschaft von etwa sechzig Kindern zu leben. Sie sitzen mit acht Jahren zum ersten Mal in einer Klasse. Es gibt Tränen zu Anfang, aber das Zusammensein mit Gleichaltrigen lässt das Heimweh schnell vergessen - ein Kummer, an dem die Eltern schwerer tragen. Sie sind besorgt, wie die Kinder zurechtkommen. Können sie sich durchsetzen? Werden sie akzeptiert? Sind sie fair? Welchen Einflüssen sind sie ausgesetzt? Wie werden sie Enttäuschungen ohne elterliche Hilfe verkraften? Wir waren ganz überrascht, wie höflich unser Sohn war, als er nach dem ersten Vierteljahr zurückkam. "Kann ich dir irgendetwas helfen?" "Darf ich dir das Brot reichen?" "Ich kann das Bett selber machen!" Aber das hielt nur drei Tage vor. Danach war Hannes wieder ein ganz normaler Junge, der sich mit seinen Geschwistern streitet und das Helfen wo möglich, vermeidet. Er hat vieles im Internat gelernt, was wir ihm nie hätten beibringen können. Er ist gern dort. Aber es ist eine Trennung, die einem nicht leicht fällt.

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7. Der Missionar ist auf bushtrip - Einsamkeit

Während der Missionar große Strapazen auf sich nimmt, um entlegene Bergdörfer zu besuchen, während er mit einer Gruppe von Ältesten stundenlang im Geröll des Flussbettes läuft und denselben Fluß bis zu fünfzig Mal durchquert -sitzt die Frau zu Hause. Sie hat in der Zeit nicht viel zu tun. Es gehört sich nicht, auf die Station zu gehen, wenn der Mann nicht zuhause ist. Ein paar Frauen und Kinder kommen. Man kommt, um Gemüse zu verkaufen und ein paar angebrütete Eier. Man kommt, wenn man krank ist.

Wenn der Mann zurückkehrt, ist er müde und erschöpft. Vielleicht tut ihm von der Malaria Jeder Knochen weh, aber seine Arbeit macht ihn auch glücklich. Er hat etwas geschafft und freut sich darüber. Er läßt seine Frau teilhaben an seinen Erlebnissen. Und sobald er zurück ist, füllt sich auch die Station wieder mit Leben. Die Leute kommen mit allen möglichen Anliegen: Die Petroleumlampe brennt nicht. Sie haben Geldprobleme. Sie möchten ein Darlehen für eine Rinderzucht haben. Wie schreibt man den Brief an die Bank? In all den Dingen erwartet man Hilfe vom Missionar. Man sitzt und redet über Gemeindeprobleme: Warum ist niemand bereit, in die Dörfer zu gehen und die Leute zu besuchen? Warum klappt es mit der Kollekte nicht? Die Frau kocht währenddessen für alle ein Essen, gut und vor allem reichlich. Man freut sich und ißt und sagt: "Deine Frau ist eine "meri bilong lo" ", (d.h. eine Frau, die weiß, was sich gehört). Dann ziehen sich die Männer zum Rauchen und Reden zurück. Die Frau kann tun, wozu sie Lust hat: Nähen - abends gibt es ja Generatorenstrom - Musik hören, Lesen, je nach dem.

Ein Gemeindeältester sagte einmal: "Ich verstehe gar nicht, dass du abends mit deiner Frau zusammensitzt und ihr euch unterhaltet! Wir tun das nicht. Wenn es etwas zu reden gibt, sitzen wir Männer zusammen. Bei euch ist das ganz anders." dass die Frau teilhat an der Arbeit des Mannes, ist für Neuguineer ungewöhnlich. Die Frau ist für die Haus- und Gartenarbeit da, für die Kinder und die Schweine. Sie arbeitet etwa sechsmal so viel wie der Mann, aber die großen Entscheidungen werden von den Männern getroffen. Entsprechend begegnen die Neuguineer einer weißen Frau, die sich dadurch manchmal verletzt und einsam fühlt. Darum ist es besonders für alleinstehende Frauen schwer, in Neuguinea zu arbeiten. Ihr größtes Problem ist die Einsamkeit. Mit wem können sie darüber sprechen, wie ihnen zumute ist? Seine Freunde kann man sich hier nicht aussuchen. Man arbeitet mit anderen Missionaren zusammen, Australiern oder Amerikanern meist, man versucht, gut miteinander auszukommen, ohne damit immer gleich wirkliche Freunde zu haben. Man flieht ins Briefeschreiben und wartet täglich auf Post. Dabei wäre die einzige Chance, die Einsamkeit zu durchbrechen, der Schritt nach vorn: den Kontakt mit den Neuguineern zu suchen und zu intensivieren. Aber das gelingt nicht immer. Wenn es gelingt, ist es beglückend. Eine Hilfe in der Einsamkeit ist das Gebet, das den Einsamen gewiss macht, dass er nicht allein gelassen ist.

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8. Das Leben in der Stadt - Veränderte Situation und neue Chancen zur Mitarbeit

Lebt man in der "Stadt", d.h. in Goroka, Madang, Lae oder Port Moresby mit einer Einwohnerzahl zwischen 12 000 und 70 000, so ist die Situation ganz anders: Es gibt Straßen, und man hat ein Auto. Man kann täglich zum Einkaufen fahren, man muss nicht einen Monat im voraus planen. Es gibt eine englische Schule und einen Kindergarten. Es gibt ein Krankenhaus. Man hat Strom und Wasser. Andere Weiße leben in den Städten: Amerikaner, Australier, Deutsche, mit denen man sich treffen kann. Dies alles erleichtert das Leben so sehr, dass man, wenn man aus dem Busch kommt, meint, in Europa zu leben. Auch das Klima, falls man wie wir im Hochland lebt, ist viel erträglicher. Es ist hochsommerliches Wetter das ganze Jahr hindurch. Aber man zahlt als "Stadtmensch" einen hohen Preis: man hat nicht so selbstverständlich den engen Kontakt mit den Neuguineern. Man muss ihn suchen. Man findet ihn, aber es dauert viel länger und ist viel mühsamer. Man sieht im Hochland kaum ein freundliches Gesicht, man sieht kaum jemanden lachen. Ein Hochländer soll nicht offen und freundlich sein. Ein Mann darf seine Emotionen nicht zeigen, so wirkt er verschlossen und aggressiv. Man könnte erschrecken, aber es ist nicht gegen einen persönlich gerichtet. Wenn man einander kennt, ändert sich das.

In der Stadt kann man leicht vergessen, dass man hergekommen war, um mit den Neuguineern zu arbeiten und nicht einfach seine Zeit mit anderen Weißen zuzubringen, was nach der Einsamkeit im Busch sehr verlockend erscheint. Man hat in der Stadt natürlich immer irgendwelche Gäste: Missionare von Außenstationen, durchreisende Leute, Besucher von auswärts und Übersee. Das macht den Tag sehr abwechslungsreich. Bekannte rufen an und besuchen uns, die Zeit vergeht wie im Handumdrehen, die Zeit, die ja überwiegend der Arbeit mit den Neuguineern gehören sollte.

Hat man einmal angefangen, mit den neuguineischen Frauen und Familien in der Stadt zu arbeiten, so gibt es hier Möglichkeiten ohne Ende. Die Art der Arbeit ergibt sich aus der Situation der neuguineischen Familien.

Sie sind von den Dörfern in die Stadt gezogen und siedeln meist in semi-permanenten Häusern am Stadtrand in Compounds oder Squatters. Der Mann hat eine Arbeit gefunden - oder sucht eine - die Familie lebt von seinem Verdienst. Die Frau hat plötzlich nichts zu tun. Sie sitzt im Haus und wartet, dass der Mann von der Arbeit nach Hause kommt. In der traditionellen Gesellschaft war sie es, die mit ihrer Gartenarbeit die Familie ernährte; das verschaffte ihr Achtung und Ansehen. Sie war stolz auf ihre Arbeit, und sie fühlte sich sicher: Sie wusste, wie man einen Garten bestellt, Feuerholz beschafft und Essen kocht. Aber in der Stadt hat sie kein Land und keine Schweine. In der Stadt fühlt sie sich unsicher. Sie kann ja meist weder lesen noch schreiben, sie hat keinen Beruf gelernt, findet also keine Arbeit. Sie sitzt zu Hause und langweilt sich; so spielt sie den ganzen Tag Karten. Der Mann kommt manchmal betrunken nach Hause und ist wütend, dass die Frau nicht einmal das Haus gefegt hat und dass kein Essen da ist. Oft vertrinkt der Mann mehr als die Hälfte seines Lohnes, und die Familie hungert, was es in ländlichen Gebieten nur in Ausnahmen gibt. Denn in der Stadt gibt es kein Land für Gärten, alles muss gekauft werden, selbst Süßkartoffeln und Gemüse. So ist es oft schwer, mit dem Geld auszukommen.

Mann und Frau, beide müssen sich in ihren neuen Rollen erst zurechtfinden. Ihnen dabei zu helfen, ist der Sinn der Frauenarbeit in der Stadt.

Es fing damit an, dass sie mich baten, ihnen beim Zuschneiden und Nähen von Kleidern zu helfen. Wir hatten aber weder einen Raum noch Nähmaschinen. So haben wir auf den wackeligen Bänken der dunklen Kirche in Nord-Goroka zugeschnitten und saßen dann draußen auf dem Rasen und nähten mit der Hand, so gut es ging. Auch eine kleine Leseklasse hatten wir draußen. Der Rasen war während der Regenzeit so nass, dass wir auf alten Plastiktüten saßen, aber jeder Regenguss war das Ende des Unterrichts. Montags trafen wir uns mit den Frauen zu einem Gottesdienst in der Kirche. Inzwischen haben wir einen großen Raum für die Frauenarbeit eingerichtet. Die Frauen haben einen alten Gasherd gekauft. Ihre Männer - einige sind Tischler - haben uns lange Tische und Bänke gemacht. Wir haben eine Wandtafel und sogar Gardinen. Zehn Handradnähmaschinen kamen als Geschenk aus Deutschland, ebenso Scheren, Nähgarn und was sonst dazu gehört.

Wir arbeiten jetzt jeden Tag in der Woche. Es kommen ständig neue Frauen, die von unserer Arbeit hören. Manche alte, die Streit mit der Gruppe haben - etwas sehr Alltägliches - bleiben weg. An zwei Tagen gibt es Lese- und Schreibunterricht, an zwei Tagen schneidern und nähen wir, einmal ist Gottesdienst, den die Frauen meist selbst halten, und einmal werden Kekse gebacken, die dann am Sonntag jeweils an die Gemeinde verkauft werden. dass auch Europäer bei uns Kekse bestellen, macht die Frauen sehr stolz, und es hilft zu einem regelmäßigen kleinen Einkommen, das auf ein gemeinsames Konto gezahlt wird.

Mit dem Geld wird einiges an Sozialarbeit getan: Wir unterstützen Trinkerfamilien, helfen Patienten im Krankenhaus. Sie bezahlen einer Frau den Flug ins Dorf, wenn ein Verwandter gestorben ist. Sie nähen für die Familien der Kirchenältesten. Reisen zu Kursen werden bezahlt, und was es 'sonst so gibt. Die genähten Blusen und Kleider werden auf dem Markt verkauft oder in Dörfern. Einige Geschäftsleute in Goroka helfen uns dabei.

In dieser Arbeit ist man als Frau des Missionars zugleich Lehrerin, Sozialarbeiterin und nicht zuletzt Missionarin. Wir sprechen über Ernährung und Erziehung der Kinder, über Hygiene und Krankheit. Was verursacht Krankheit? Wann muss man ins Hospital gehen? Wir zeigen Bilder aus anderen Ländern und sprechen über Familienplanung. Wir lernen Lieder und feiern zusammen. Es gibt Möglichkeiten ohne Ende. Wer würde einen nicht um solch eine Arbeit beneiden? Aber die Arbeit hat auch eine andere Seite, und die sieht so aus:

In den Nähklassen haben sie die Scheren gestohlen. Ich habe keine neuen gekauft. Nun bringen sie ihre eigenen Scheren mit. Man hat darauf verzichtet herauszufinden, wer die Diebe waren. Das wäre ganz unneuguineisch. Der Eifer ist größer als das Können: Stoffe werden verschnitten. Schnipsel liegen auf dem Zementfußboden herum, Stecknadeln auf den Tischen. Irgendwer hat Betelnuss gekauft, die Schalen liegen herum. Die Hunde kommen immer wieder herein ... das stört keinen außer mir, und so bitte ich sie immer wieder aufzuräumen, bevor sie nach Hause gehen. Einmal pro Stunde geht etwas an der Nähmaschine kaputt, Säume werden krumm und schief genäht oder sehen aus wie Blitze. Die Freude darüber, dass man etwas neues kann: nämlich auf einer Nähmaschine nähen, ist so groß, dass es auf die Genauigkeit nicht ankommt. Als ich ihnen einmal zeigte, wie schief sie ein Kleid genäht hatten, sagten sie: "maski! (macht nichts!) die Ka-nacker (Leute aus dem Busch) werden es schon kaufen." Ich sagte: "Also gut, verkauft es auf dem Markt." Sie haben es dreimal versucht, das Kleid liegt noch heute da.

Auch beim Lese- und Schreibunterricht gibt es Zeiten, wo ich denke: Wir hören auf! Es hat keinen Sinn! Die Lesebücher sind nach kurzer Zeit schmutzig und zerrissen. Seiten fehlen. Sie wurden als Zigarettenpapier benutzt. Die Kinder und Hunde spielen damit. Die Schreibhefte werden vollgekritzelt. Die Frauen bringen Jeweils ein oder zwei kleine Kinder mit, die sie auf dem Schoß halten, stillen und wickeln. Die größeren springen über die Bänke, auch ein paar Hunde nehmen teil. Ich denke: Wie können sie sich konzentrieren dabei? Eine Frau trug sogar ein Küken in ihrem kleinen Netzsack auf der Brust, weil die Glucke es nicht gut wärmte. Gegen ein laut piepsendes Küken versuche ich, zu reden und den Unterschied zwischen "k" und "g" zu erklären. Hat das Sinn? Als ich drauf und dran bin aufzuhören, fragen die Frauen, ob sie nicht am Dienstag eine zweite Lesestunde haben könnten. Sie möchten mehr lernen, um bald selbst lesen und einen Brief schreiben zu können. Ich bin ganz beschämt und bitte eine ehemalige Kindergärtnerin aus Neuseeland mitzuarbeiten. Die Männer sind stolz, dass ihre Frauen jetzt etwas lernen. Es gibt viel Arbeit und viel Freude dabei, aber auch viele Enttäuschungen. Aber wenn man trotzdem versucht, mit ihnen, beim Schlichten ihrer Streitigkeiten zu helfen, dann kommen sie ab und zu mit einer Handvoll Tomaten oder Bohnen, Kartoffeln oder Bananen, die sie selbst auf dem Markt gekauft haben und sagen: "Wir möchten dir auch ein bisschen helfen" oder "Damit du siehst, dass wir an dich denken!"

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9. Begegnung zweier Kulturen - Bewältigung von Frustrationen

Das Arbeiten mit Neuguineern ist oft schwierig. Wir sind enttäuscht, wenn sie unseren Erwartungen nicht entsprechen. Für uns sind Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Fleiß, Ordnung, Sauberkeit und Ehrlichkeit unaufgebbare Werte. All diese Eigenschaften haben für sie nur einen relativen Wert. Ihnen fällt es schwer, zwischen öffentlichen und privaten Geldern zu unterscheiden. Wir sagen: sie sind unehrlich. Ihnen ist es unmöglich, uns die Wahrheit, wenn sie unangenehm ist, ins Gesicht zu sagen. Wir sagen: sie sind nicht aufrichtig, sie sind feige und konfliktscheu. Ihnen fällt es schwer, pünktlich zu sein, selbst wenn sie, eine Uhr haben. Es ist in Neuguinea nicht wichtig, ob man eine Stunde früher oder später kommt. Zeit und Pünktlichkeit haben die Weißen eingeführt. Es ist schwer, immer sauber zu sein, wenn, man bis zum nächsten Fluß eine Meile laufen muss und kein Geld hat, um Seife zu kaufen. Wir sagen: sie sind schmutzig. Ihre Werte sind ganz andere: Es kommt darauf an, "wanbel" zu sein, d.h. wörtlich: ein Herz und eine Seele. Einmütigkeit in einer Gruppe ist eines der höchsten Ziele. Man diskutiert darum eine Sache so lange, bis alle sich einig sind. Weiter möchte man ein "gutpela sindaun" haben. Das heißt vieles: ein gutes Haus, eine Familie ohne Probleme, keine Krankheit oder Not. Und man möchte "amamas" sein und "bei isi",d.h. fröhlich und sorglos. Man müsste einmal zählen, wie oft dieser Ausdruck in ihren Kirchenliedern vorkommt, formuliert in der Bitte, Gott möge das fröhliche Herz geben. Ein Leben ohne akute Bedrohung, ein "gutpela sindaun", wird erreicht, indem man reziproke Beziehungen herstellt zwischen Verwandten: Ich gebe dir - du gibst mir. Sie nennen es "dinau",was wir oberflächlich mit "Schulden" übersetzen, was aber für sie keine negative Bedeutung hat, sondern Grundlage allen Lebens ist. Ich bin vielen Leuten verpflichtet, viele sind mir verpflichtet - das ist Leben. Da sie dieses Prinzip dann auch auf die Geschäftswelt übertragen, geht fast jedes Geschäft, jeder kleine Laden nach ein paar Monaten in Konkurs: Man gibt und leiht umsonst, bis der Laden leer ist.

Da das neuguineische Denken, Fühlen und Verhalten so anders ist als unser eigenes, kommt es oft zu Konflikten. Nichts klappt. Wir messen den Erfolg einer Sache. Sie überlegen, ob dabei die menschlichen Beziehungen auch nicht verletzt werden, und reagieren deshalb ganz anders, als wir es erwarten. Oft missverstehen wir sie und ärgern uns über ihr Verhalten. Man stellt fest, dass man eben deshalb die Neuguineer gar nicht so liebt, wie man es gern möchte oder sollte, und dass man gar nicht so selbstlos ist, wie die Leute zu Hause meinen. Man erschrickt darüber und versucht, Aggressionen beiseite zu schieben und nun gerade besonders freundlich zu sein, was man aber nicht lange durchhält und was durchschaut wird. Unterdrückte Frustrationen werden an anderen Stellen abreagiert. Man kann nur so mit seinen Gefühlen von Enttäuschungen und darum Hass fertig werden, dass man sie sich eingesteht und als Schuld vor Gott anerkennt und bekennt, dass man aber auch zu den Neuguineern, denen man Unrecht getan hat, hingeht und sie um Entschuldigung bittet. Es passiert einem Neuguineer selten, dass ein Weißer sich bei ihm entschuldigt. Er meint, es nicht nötig zu haben, da er ja nur in sehr seltenen Fällen (etwa auf einem bushtrip) von ihm abhängig ist. Aber vielleicht würde ein Neuguineer, wenn ihm das widerführe, eher verstehen, wer Christus ist, als durch viele Predigten. Das Arbeiten mit Neuguineern fordert oft mehr Geduld, als man hat. Man kommt mit seinen Kräften schnell an ein Ende, darum muss man sich eine Pause gönnen, bevor man krank wird. Für mich war es eine große Hilfe, den Aufsatz von Sally Folger Dye über: "Decreasing Fatigue and Illness in Field-work" (in: Missiology, vol. II, Nr. 1, 1974) zu lesen. Es heißt da, dass im Zusammentreffen zweier Kulturen "stress" und "strain" unvermeidbar seien, dass man aber frühzeitig am eigenen Verhalten erkennen müsse, unter einer wie starken Belastung man stehe, und dann entsprechend handeln. Man könne eine bestimmte Belastung und Müdigkeit nicht aufheben, aber so verringern, dass man sinnvolle und gute Arbeit tun könne.

Weil Missionare im allgemeinen auf ein solch hohes Podest geistlicher Überlegenheit gestellt werden, fällt es ihnen am Ende schwer, sich als normale Menschen mit Fehlern zu sehen. Aber eben das ist uns erlaubt und möglich, weil wir keinen vergeltenden, sondern einen barmherzigen Gott haben. 

Theologische Beiträge aus Papua Neuguinea", Verlag der Ev.-luth. Mission Erlangen 1978,  ISBN 3 872140892, Seite 323-345

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