Frankfurter Römerberggespräche: Geltung der Menschenrechte
Zum Thema Menschenrechte haben
am Samstag im Frankfurter Schauspiel die 34. Römerberggespräche begonnen.
Schriftsteller, Publizisten und Wissenschaftler diskutierten über die "Geltung
der Menschenrechte. Die alte Konfrontation oder ein neuer Dialog?"
Der Schweizer Schriftsteller
Adolf Muschg sieht in dem Streit
um die Mohammed-Karikaturen ein "offensichtliches Symptom, das auf einen
tieferen Defekt der Zivilisation deutet". In seinem Vortrag "Freiheit zur
Karikatur oder Karikatur der Freiheit?" betonte Muschg, dass Takt im Umgang der
Völker miteinander eine wichtige Rolle spiele, wenn ein integrativer Prozess in
Gang gesetzt werden solle. Beginnen müsse dieser Prozess bei der "aktiven
Vorstellungskraft für die Position des anderen".
Auf dem Programm standen auch Diskussionsbeiträge des
Theologen Friedrich Wilhelm Graf sowie des Vorsitzenden des Zentralrats der
Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler.
In einem unter den Zuhörern umstrittenen Vortrag stellte der
Historiker Prof. Egon Flaig aus Greifswald die Frage, warum Menschenrechte nur
in Europa und nicht im islamischen Herrschaftsbereich entstanden seien. Nach
seinen Worten ist die islamische Scharia den Menschenrechten immer übergeordnet.
Generell basierten Menschenrechte auf der Gleichheit aller Menschen, sagte der
Professor. Diese stehe in der islamischen Gemeinschaft jedoch in Frage.
Die Nürnberger Prozesse und die Menschenrechte
Am Sonntag lesen Ensemblemitglieder des Schauspiels Frankfurt
Reportagen und Augenzeugenberichte zu den Nürnberger Prozessen, u.a. von Louis
Aragon, Alfred Döblin, John Dos Passos, Erich Kästner, Erika Mann und John
Steinbeck.
Vor sechzig
Jahren, im Oktober 1946, wurden in Nürnberg die ersten Urteile gegen
nationalsozialistische Kriegsverbrecher gesprochen. Politiker und
Völkerrechtler betonen seitdem die globale Aufgabe, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit zu ahnden und zu bestrafen. Aber haben die Nürnberger
Prozesse den Gedanken, dass es universale, unveräußerliche Menschenrechte
gibt, in der Praxis weitergebracht? In vielen Staaten werden diese
Rechte missachtet, unterdrückt, umgelogen und außer Kraft gesetzt.
Doch die Idee,
dass dem Einzelnen zum Beispiel menschenwürdige Lebensbedingungen, die
freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und der Schutz vor dem Zugriff
der Macht zustehen, lässt sich nicht auslöschen. Die Geltung der
Menschenrechte erscheint kontroverser denn je – angesichts des
politischen Begriffswirrwarrs, der Krisen der UNO, des religiösen
Fanatismus, terroristischer Attentäter und angesichts von Politikern,
die aus dem Bedürfnis nach Sicherheit den Zwang zu einem
Überwachungsstaat ableiten wollen.
Diese Tagung soll
das gegenwärtige Spannungsfeld der Konflikte beleuchten. Gewiss
sondieren die Vorträge und Debatten aber auch Wege zu einem neuen
internationalen Dialog.
(Quelle:
Römerberggespräche e.V.) |
HR vom 28.10.2006
Die Geltung der Menschenrechte - Die alte
Konfrontation oder ein neuer Dialog?
Die "Geltung der Menschenrechte" ist das Thema der 34.
Römerberggespräche, die am Samstag, 28. Oktober, im Chagall-Saal des Schauspiels
Frankfurt stattfinden. Äußerer Anlass für dieses Thema, das in acht Vorträgen
renommierter Fachleute aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird, ist
der 60. Jahrestag der Nürnberger Prozesse gegen führende Köpfe aus Wehrmacht und
NS-Regime.
Seitdem betonen Politiker und Völkerrechtler die globale
Aufgabe, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden und zu bestrafen. Dennoch
werden in vielen Staaten Menschenrechte missachtet, unterdrückt und außer Kraft
gesetzt. Die Geltung der Menschenrechte erscheint kontroverser denn je –
angesichts des politischen Begriffswirrwarrs, der Krisen der UNO, des religiösen
Fanatismus, terroristischer Attentäter und angesichts von Politikern, die aus
dem Bedürfnis nach Sicherheit einen Zwang zum Überwachungsstaat ableiten wollen.
Der Schweizer Schriftsteller
Adolf Muschg, ehemaliger
Präsident der Akademie der Künste in Berlin, sondiert in seinem
Eröffnungsvortrag die verbreitete Verzagtheit gegenüber terroristischen
Bedrohungen, die sich von religiöser "Beleidigung" herleiten.
Annette Weinke,
die als Historikerin über die Verfolgung von NS-Tätern im geteilten Deutschland
gearbeitet hat, spricht über die Nachwirkung und Beispielkraft des Nürnberger
Prozesses für das Völkerstrafrecht.
Aus juristischer Sicht geht
Stefan Oeter, der in
Hamburg lehrende Professor für deutsches und internationales Recht, der Frage
nach, ob die Universalität der Menschenrechte vielleicht gar eine "gedankliche
Falle" darstellt. Tono Eitel, früherer deutscher Botschafter bei den Vereinten
Nationen, legt einen Erfahrungsbericht über die Arbeit der UNO vor, deren
Menschenrechtskommission gegenwärtig auch von ihren Verächtern wie
beispielsweise Kuba besetzt wird.
Der Greifswalder Althistoriker
Egon Flaig, Fellow am
Wissenschaftskolleg in Berlin, eröffnet die Folge der Auseinandersetzungen mit
dem religiös formulierten Fanatismus. Der in München lehrende evangelische
Theologe Friedrich Wilhelm Graf beleuchtet unter dem Titel "Gottesrecht,
Menschenrechte, Wertekrieg" das Thema religiöser Deutungskämpfe.
Ayyub Axel Köhler, heute Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in
Deutschland, wird sich mit dem Verhältnis des Islam zu den Menschenrechten und
der politischen Forderung nach einem "deutschen Islam" befassen. Zum Abschluss
des Nachmittags spricht
Rainer Forst, Politologe und Philosoph an der Frankfurter Universität, über
die Konflikte bei der Durchsetzung von Toleranz als der Grundlage politischen
Zusammenlebens...
Bad Vilbel Online vom 23.10.2006
Römerberggespräche: Am Ende hat entweder Gott Recht
- oder die Regierung
Von Judith von Sternburg
Auch an diesem Nachmittag gab es eine Phase, in der im
Publikum Suren, Hadith- und Bibelverse hin- und herflogen. Jesus in Johannes 8,
1-11 machte der Ehebrecherin gegenüber eine noble Figur im Vergleich zum
Mohammed der Hadith-Überlieferung ("Steinigt Sie"!). Solche Abgleichungen sind
nicht ertragreich, aber psychologisch interessant. Man weiß etwas, aber nicht
genau. Man ist beunruhigt.
So zeigte sich am Wochenende bei den 34. Römerberggesprächen
im Frankfurter Schauspiel, dass "Die Geltung der Menschenrechte" auch heute
(oder heute wieder) ohne Religion kaum zu diskutieren ist. Schade, dass wir uns
alle so schlecht auskennen. Es sei erstaunlich, spottete der Theologe
Friedrich
Wilhelm Graf (Berlin), wie viele Islamexperten nach dem 11. September 2001
aufgetaucht seien. Da musste sich nicht nur mancher Zuhörer angesprochen fühlen.
Wurzeln des Übels?
Vorausgegangen war ein Vortrag des Historikers
Egon Flaig
(Greifswald), kürzlich mit ähnlichen Thesen in einem FAZ-Artikel ("Der Islam
will die Welteroberung") aufgefallen. Er versuchte zu erklären, weshalb es keine
islamischen Menschenrechte geben könne. Nicht nur liege die Wurzel der
Menschenrechte in der europäisch-christlichen Kultur, motiviert durch den Kampf
gegen die Sklaverei. Auch könnten sie sich nicht gegen zwei Grundsätze der
islamischen Scharia (Gesetzgebung) durchsetzen: erstens den Dschihad (Krieg
gegen die Ungläubigen), der nicht zuletzt eine individuelle Pflicht darstelle,
und entsprechend "sind Attentate und Terroranschläge das Richtige. El Kaida ist
keine Verirrung, sondern entspricht dieser Traditionslinie"; zweitens die "Dhimmitude",
die muslimische Diskriminierung Andersgläubiger, in der Flaig das schlimmere
Vorbild für die spätere Entrechtung der Juden im Westen sieht.
Zugegebenermaßen auch in der Kürze des Vortrags blieb das
ebenso in der Luft hängen, wie die kursorisch aufgelisteten Untaten des
islamischen Welt. "Die moslemischen Eroberungen gehören zu den härtesten
Unterwerfungskriegen der Geschichte." Das dachten wir uns, und wer hat wohl die
anderen härtesten Unterwerfungskriege geführt? Eigenartig zudem, dass Flaig wie
von ungefähr mehrfach die Erwähnung totalitärer politischer Systeme einflocht.
Das ist von Stimmungsmache nicht mehr weit entfernt. Scharf war anschließend die
Kritik, groß aber auch der Beifall. Man weiß etwas, aber nicht genau. Man ist
beunruhigt.
Insofern war die Rede von
Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des
Zentralrats der Muslime in Deutschland, vielleicht nicht die glücklichste, eine
Tour de Force durch den Koran mit jenen Suren, die Gutes besagen. Höhnisch klang
das Kichern im Saal, als Köhler die Sure zitierte, aus der hervorgeht, dass
Zwangsheirat im Islam verboten sind. Nicht weiter verfolgen wollen wir hier, was
Köhler mit der "gesunden Gesellschaft" meinte, in der jeder Moslem laut Koran
das Recht habe zu leben, und zwar "moralisch und ethisch" gesund.
Der Schwenk der deutschen Kirchen
Es blieb anderen Rednern vorbehalten, zu klären, dass die
Menschenrechte und die Toleranz, ohne die sie schwerlich zu haben sind, keine
christliche Erfindung darstellen. Alle drei monotheistische Religionen, so der
protestantische Theologe Graf, täten sich schwer mit den universalen
Menschenrechten. Eine Skepsis gegen Verfassungsstaatlichkeit und staatliche
Gesetze, eine systematische Diskriminierung von Frauen, eine scharfe Ablehnung
von Homosexualität liege ihnen näher als "liberaler
Menschenrechtsindividualismus". Noch vor 50 Jahren hätten die deutschen
christlichen Kirchen mit dem Begriff der Menschenrechte wenig anfangen können,
als deren Bewahrer sie sich heute definierten.
Die zunehmend aggressive Sprache - "semantische BigMacs" -
hänge mit dem Konkurrenzkampf auf dem Religionsmarkt zusammen. Graf wies darauf
hin, dass Afrika heute mehrheitlich christlich sei, "da fragen Sie mal, wer hier
aggressiv missioniert". Er warnte zugleich davor, die Aggression von Teilen des
Islams als "mittelalterlich" abzutun. Vielmehr handele es sich um eine moderne,
nicht nur muslimische Tendenz zum "Hardcore-Gläubigen". Auch der Politologe
Rainer Forst (Frankfurt) zeichnete nach, wie Toleranz "gegen die Macht der
Kirchen und der sich religiös legitimierenden Staatsgewalt erkämpft werden"
musste.
Geht es aber den Menschenrechten jenseits der Behinderungen
durch die Religionen besser? Der Jurist
Stefan Oeter (Hamburg) schilderte, wie
es ihnen nach wie vor an Mitteln zu Durchsetzung fehle, wie aber andererseits
Sanktionen nach hinten losgingen (etwa im Irak). Am Beispiel der Nürnberger
Prozesse gegen NS-Verbrecher machte die Historikerin
Annette Weinke auf
"Ungereimtheiten" aufmerksam. So sei es der Anspruch Nürnbergs gewesen, "der
(staatlichen) Macht rechtliche Grenzen zu setzen". In der Rhetorik der UN
hingegen habe nach dem Zweiten Weltkrieg erneut die "Macht des Nationalstaates"
im Vordergrund gestanden. Da die Mitglieder der UN Nationalstaaten sind, nimmt
das nicht Wunder.
Der Schriftsteller
Adolf Muschg prägte mit Blick auf den
Karikaturenstreit in Dänemark und nachfolgende Fälle rund um das Thema
"Verletzung religiöser Gefühle" die schöne Formulierung vom "alsbald präventiv
tätigen Entsetzen", ein anderes Wort dafür, dass der Westen ins Schwimmen
geraten ist. Dabei ist die Lage manchmal ganz übersichtlich. Szenenapplaus gab
es für den von Forst zitierten Kirchenlehrer
Sebastian Castellio, der dem
rigiden Kollegen Calvin im 16. Jahrhundert schrieb: "Einen Menschen töten heißt
nicht, eine Lehre verteidigen, sondern einen Menschen töten."
FR vom 29.10.2006
Es kann keine islamischen
Menschenrechte geben
Menschenrechte
sind universal. Sie lassen sich durch nichts einschränken. Deswegen kann es
keine spezielle islamische Interpretation geben. Denn diese Religion ordnet
alles der Scharia, der
Rechtslehre des Islam, unter und setzt somit die Universalität der
Menschenrechte außer Kraft.
Mich interessiert jetzt nicht die außerordentlich spirituelle
Theologie des Islam, sein radikaler Monotheismus mit der reinsten Transzendenz:
ohne Trinität, ohne Opfertod, ohne Heilige. Das bewundere ich; und es fasziniert
mich. Aber genau darum geht es nicht. Sondern es geht um die Juridifizierung der
sozialen und politischen Ordnung, um die
Scharia.
Dass die
Schariaa selber historischen Modifikationen unterliegt, ist
selbstverständlich. Aber die vier islamischen Rechtsschulen selber bezeichnen
diese Ordnung als Scharia,
als göttliche Ordnung, von Menschen ausgelegt. Dass die Auslegungen sich
verändern, ist eine banale Einsicht. Entscheidend ist die Konstanz der Tradition
um wichtige Kernpunkte, eine Tradition die aufrechterhalten wird durch das, was
Jan Assmann die Textpflege im kulturellen Gedächtnis nennt. Es geht mir auch
nicht um die Scharia
insgesamt, sondern um zwei Dinge:
-
den Auftrag, Krieg gegen die Ungläubigen zu führen, bis
die ganze Welt unter islamischer Herrschaft steht, dieser Krieg heißt
Dschihad,
-
um die Dhimmitude, das ist der französische Begriff für
den Status der Nicht-Muslime unter muslimischer Herrschaft.
Seit Beginn der klassischen Zeit (9. bis 11. Jahrhundert)
teilen die muslimischen Juristen die Welt in zwei Teile, nämlich das "Haus des
Islam" und das "Haus des Krieges". (…) Diese Zweiteilung hängt nicht davon ab,
wo Muslime in großer Anzahl sind oder gar die Mehrheit darstellen, sondern
davon, wo der Islam herrscht - in Gestalt der
Scharia - oder wo er nicht
herrscht. Diese Dichotomie ist also keine religiöse, sondern eine politische.
Zwischen diesen beiden Teilen der Welt herrscht naturgemäß so lange Krieg, bis
das Haus des Krieges nicht mehr existiert und der Islam über die Welt herrscht (Sure
8, 39 u. 9,
41). Daher besteht nach klassischer Lehre für die muslimische Weltgemeinschaft
die Pflicht, gegen die Ungläubigen Krieg zu führen bis diese sich bekehren oder
sich unterwerfen. Dieser Krieg heißt
Dschihad.
Die Gemeinschaft der Muslime (Umma) ist folglich eine
politische Gemeinschaft; das heißt, in ihrem Inneren kann es keinen Krieg geben
- ausgenommen dem gegen Rebellen und gegen Häresien. Einzig der Krieg zur
Unterwerfung der Ungläubigen ist legitim gewesen und obendrein Pflicht. (…) Ist
es eine individuelle Pflicht oder eine kollektive? Wenn es eine kollektive
Pflicht ist, dann muss die muslimische Gemeinschaft in regelmäßigen Abständen
Angriffskriege gegen die Ungläubigen führen. Wenn es eine individuelle Pflicht
ist, dann müssen die Gläubigen auf eigene Faust Krieg gegen die Ungläubigen
führen, falls die Emire zu lange Frieden mit dem Feind halten. Fatalerweise
besteht darüber innerhalb der orthodoxen Tradition seit dem 9. Jahrhundert keine
Einigkeit. Viele Rechtsgelehrte definieren den
Dschihad als individuelle
Pflicht jedes tauglichen Muslim. Konsequenz dieser Lehre: wenn jeder einzelne
Muslim alleine oder gruppenweise auf eigene Faust kriegerisch agieren muss, dann
sind Attentate und Terroranschläge das Richtige. Al Qaida ist keine Verirrung,
sondern entspricht dieser Traditionslinie. (…) Wer das abstreitet, kennt seine
eigene Geschichte nicht. (…)
Der Kriegszustand dauert an, bis das Haus des Krieges
vernichtet und die Welt erobert ist. Folglich sind Angriffskriege
selbstverständlich und theologisch gerechtfertigt gewesen. (…) Friedensverträge,
welche islamische Herrscher mit nicht-islamischen abschlossen, gelten nur als
Waffenstillstände; deshalb wurden sie in der Regel für höchstens zehn Jahre
abgeschlossen; zwei Rechtsschulen erlaubten nur drei bis vier Jahre Frieden. Die
kurzen Fristen ermöglichten es den militärisch überlegenen Muslimen die
Gegenseite unentwegt zu erpressen; auf diese Weise sind im Laufe der
Jahrhunderte riesige Mengen an Geldern und Menschen an die muslimische Seite
geflossen. Als sich die Kräfteverhältnisse verschoben, mussten muslimische
Herrscher die Praxis ändern. So schloss 1535 Suleiman der Prächtige mit dem
französischen König einen Frieden, der so lange gelten sollte, wie der Sultan
lebte - ein Bruch mit der Tradition. (…)
Immer wieder wird bestritten, dass der
Dschihad heute noch aktuell
sei. Doch Peters kam in seiner großen Studie zum Ergebnis, dass auch im 19. und
20. Jahrhundert sehr viele Rechtsgelehrte der klassischen Doktrin anhängen. Er
schreibt in seinem Buch "Islam and Colonialism": "Modernistische Autoren
unterstreichen den defensiven Aspekt des
Dschihad und betonen,
Dschihad außerhalb des
islamischen Territoriums sei nur gestattet, wenn die friedliche Verbreitung des
Islam behindert wird oder wenn Muslime, die unter Ungläubigen leben, unterdrückt
werden. Demgegenüber weichen fundamentalistische Autoren kaum von der
klassischen Doktrin ab und betonen den expanionistischen Aspekt."
Der Haken dabei ist: die Modernisten vertreten in der
Konsequenz genau dieselbe Lehre wie die Fundamentalisten. Denn der
Dschihad ist ja berechtigt,
wenn Muslime unterdrückt werden. Und ob Muslime unterdrückt werden, wer
entscheidet das? Das entscheiden nicht die Gerichte in den säkularen
Verfassungen, das entscheiden nicht die Menschenrechte. Das entscheiden die
Normen der Scharia. (…)
Die dritte Islamische Gipfelkonferenz von 1981 bekräftigte in
ihrer 5. Resolution die Gültigkeit der
Dschihad-Doktrin für die
Gegenwart: "Die islamischen Länder haben in ihrer Resolution klargestellt, dass
das Wort Dschihad in seinem
islamischen Sinn gebraucht wird, der keine Interpretation oder Missverständnis
zulässt, und dass die praktischen Maßnahmen zu seiner Erfüllung zu ergreifen
sind in Übereinstimmung damit und in ständiger Konsulation zwischen den
islamischen Ländern." Das sagten nicht ein paar Spinner. Das sagten offizielle
Vertreter von Staaten. Das war 20 Jahre vor dem 11. September 2001. Wenn das
Leugnen aufhört, beginnt die Selbstbesinnung. Wir dürfen gespannt sein, wie
diese Vergangenheitsbewältigung aussieht.
Der Dschihad
führt zur Konversion, zur Tötung, zur Versklavung oder zur Dhimmitude. Was ist
das? In der Scharia sind die
Muslime die Herren, die Anhänger anderer Buchreligionen (Christen, Juden,
Parsen) die Unterworfenen (Dhimmi);
dabei handelte es sich in der klassischen Zeit des Islam nicht um religiöse
Minderheiten, sondern gewaltige Mehrheiten, vor allem in Syrien, Anatolien,
Nordafrika (Christen):
Die Unterworfenen durften keine Waffen tragen, sie waren
wehrunfähig, somit keine vollwertigen Männer; ihre Schuhe und ihre Kleider
mussten speziell geschnitten sein, um sie kenntlich und lächerlich zu machen;
Christen und Juden mussten besondere Farbmerkmale tragen (aus dieser
Diskriminierung entstand der Judenstern). Ihre Häuser mussten niedriger sein,
ihre Türschwellen abgesenkt. Sie durften nicht auf Pferden reiten, sondern nur
auf Eseln, damit sie ständig an ihre Erniedrigung erinnert wurden. Sie zahlten
einen besonderen Tribut, den sie persönlich entrichten mussten, wobei sie einen
Schlag an den Kopf erhielten. Sie mussten vor Muslimen den Kopf senken und auf
der linken Seite gehen. Sie mussten sich von Muslimen schlagen lassen ohne sich
wehren zu dürfen; schlug ein
Dhimmi zurück, dann wurde ihm die Hand abgehackt oder er wurde hingerichtet.
Die Zeugenaussage eines Dhimmi
galt nicht gegen Muslime. Muslime brauchten für Vergehen an einem
Dhimmi nur halbe Strafe zu
tragen; und wegen eines Dhimmi
konnten sie nie hingerichtet werden; umgekehrt waren grausamste
Hinrichtungsarten überwiegend den
Dhimmi vorbehalten.
Die Dhimmitude ist kein Nebenprodukt der islamischen
Eroberungen, sondern ein offen verkündigtes Ziel des
Dschihad selber. Die
Dhimmitude versetzte die Nicht-Muslime in eine radikale Alterität: Die Menschen
in diesem Zustand als "Bürger zweiter Klasse" zu bezeichnen ist Schönrednerei.
(…) Islamische Toleranz hieß: Duldung der Unterworfenen als Gedemütigte und
Erniedrigte.
Sprechen wir von der Diskriminierung der Juden? 400 Jahre
nach dem Islam schritt die Westkirche auf dem IV. Laterankonzil 1215 zu
Maßnahmen, die uns barbarisch anmuten. Aber sie waren weitgehend eine Kopie der
muslimischen Diskriminierungen. Mit einem Unterschied: wenn man die rechtlichen
Bestimmungen vergleicht, dann ging die Entrechtung und Erniedrigung der Juden im
Spätmittelalter nicht so weit wie in der Dhimmitude. (…)
Kenner der Materie wissen das schon seit langem. Und die
Leugner kommen immer mehr unter Druck und müssen ganze Forschungen diffamieren.
Das passiert immer, wenn Durchbrüche in der Forschung sich anbahnen und wenn
Paradigmenwechsel sich vollziehen. Das neue Paradigma könnte lauten: die
rechtlich fixierte Unterdrückung Andersgläubiger - ausgenommen die Häresien -
war unter dem Halbmond deutliche schwerer als unter dem Kreuz. (…)
Als Unterdrückungszustand hielt sich die Dhimmitude mehr als
tausend Jahre lang, bis der Druck der europäischen Mächte auf das osmanische
Reich und schließlich die direkte Besetzung osmanischer Gebiete zu einer
allmählichen Abmilderung der Dhimmitude führte. Die islamischen Gesellschaften
haben die Dhimmitude nicht freiwillig abgeschafft, ebenso wenig wie die
Sklaverei. Sie sind dazu gezwungen worden vom europäischen Imperialismus. (…)
Die Scharia
beinhaltet die Dhimmitude. Egal wie abgemildert die
Scharia hier und dort ist:
sie ist auf radikalste Weise anti-demokratisch und anti-menschenrechtlich. Die
Dhimmitude lebt wieder auf. Islamische Länder haben als letzte die Sklaverei
abgeschafft; und einige von ihnen führen sie seit 15 Jahren wieder ein, so im
Sudan. Die Scharia lässt das
zu; sie ist eine parafaschistische Ordnung. (…) Der
Scharia-Islam ist einer der
schlimmeren Feinde von Menschenrechten und Demokratie.
Viele Muslime leugnen die Dhimmitude. Aber es nützt genauso
wenig etwas, wie den Genozid an den Armeniern zu leugnen oder den Genozid an den
Juden. Die Leugnung selber muss jeden aufmerken lassen, dem die Menschenrechte
heilig sind. Denn wer leugnet, ist unfähig zu erkennen, wer er kulturell ist und
wie er geschichtlich dazu wurde. Unter der Maske des Antiimperialismus
beschuldigen Muslime und islamophile Intellektuelle den Westen.
Der Unterschied ist freilich, dass der Westen von Anfang an,
seit dem 16. Jahrhundert seine eigene Selbstkritik leistete und darum zu den
Menschenrechten gelangte. Und eben diese kritische Aufarbeitung der eigenen
Geschichte wird durch Leugnungen über die islamische Geschichte systematisch
behindert. Wer die historische Wahrheit einfordert, wird als Kulturkrieger
bezeichnet. Genau umgekehrt verhält es sich, Kulturkrieg führt, wer leugnet und
wer Leugnungen mit Tabus und Sprechverboten zu sichern versucht. Wir erleben im
Moment genau das. Wenn eine Seite diesen Krieg eröffnet, dann kann die andere
Seite diesem Krieg nur ausweichen, indem sie einfach kapituliert. Wollen die
europäischen Intellektuellen diese Kapitulation?
Im August 1990 verabschiedeten die Außenminister der
"Organisation der islamischen Konferenz" in Kairo einen Entwurf einer "Erklärung
der Menschenrecht im Islam". Die Erklärung (…) steht unter dem Vorbehalt, dass
sie mit der Scharia
übereinstimmen müssen. Der Artikel 24 lautet: "Alle Rechten und Freiheiten, die
in dieser Erklärung genannt werden, unterstehen der islamischen
Scharia." Und im Artikel 25
liest man: "Die islamische
Scharia ist die einzige zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung
jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung.". Wenn die
Scharia den Menschenrechten
übergeordnet ist, dann gibt es eben keine Menschenrechte, dann gilt eben die
Scharia. Stellen Sie sich
vor, Franco, Hitler oder Stalin hätten die Menschenrechte ausgerufen; und Stalin
hätte hinzugefügt: Alle diese Rechte unterstehen der kommunistischen Idee; und
Hitler hätte hinzugefügt: Sie unterstehen der nationalsozialistischen Ordnung.
Solche Menschenrecht sind keinen Pfifferling wert, weil die Verfasser sie im
Prinzip leugnen. Anders gesagt: sie leugnen genau den Anspruch auf universale
Menschenrechte, die von keiner Ordnung außer Kraft gesetzt werden dürfen.
In einer Diskussion berief sich in den 90er Jahren ein
iranischer Ayatollah auf die Kairoer Erklärung, um die Ungleichheit zwischen
Muslimen und Nicht-Muslimen zu rechtfertigen: er argumentierte, die Menschen
sind in ihrer Würde nur potentiell gleich, aktuell jedoch nach Graden der Tugend
und der Rechtgläubigkeit verschieden. Da liegt der Hase im Pfeffer. Es gibt also
keine Menschenrechte. Und es wird sie auch niemals als islamische Menschenrechte
geben. Weil es absurd ist, nach islamischen Menschenrechten zu suchen.
Menschenrechte sind weder christlich, noch europäisch, noch islamisch. Sie sind
entweder universal oder sie sind nicht.
Egon Flaig lehrt Altertumswissenschaften an der
Universität Greifswald. Er beschreibt sich selbst als "weit entfernt von der
traditionellen deutschen Althistorie". Er forscht interdisziplinär und
orientiert sein Instrumentarium an dem des Soziologen Pierre Bourdieu.
Die in Auszügen dokumentierte Rede hielt Flaig am
28.10.2006 auf den 34. Römerberggesprächen (Thema: Die Geltung der
Menschenrechte.)
FR vom 30.10.2006
Der Islam will die Welteroberung
"Dann
wollen wir, dass die Fahne des Islam wieder über diesen Landschaften weht, die
das Glück hatten, eine Zeitlang unter der Herrschaft des Islam zu sein und den
Ruf des Muezzins Gott preisen zu hören. Dann starb das Licht des Islam aus und
sie kehrten zum Unglauben zurück. Andalusien, Sizilien, der Balkan, Süditalien
und die griechischen Inseln sind alle islamische Kolonien, die in den Schoß des
Islam zurückkehren müssen. Das Mittelmeer und das Rote Meer müssen wieder
islamische Binnenmeere wie früher werden." Diese Sätze stammen nicht von
Al Qaida; sie finden sich im Programm, das der Gründer der Muslim-Brüderschaft
Hassan Al Banna in einer Rede formulierte. Die Bruderschaft zählt heute
Millionen und hat sich weit über Ägypten hinaus verbreitet. Ihre Intellektuellen
agieren in Europa und in den Vereinigten Staaten; sie gelten als moderat" und
werden von den Medien entsprechend bedient. Planmäßige Rückgewinnung
"verlorener" Gebiete gehört in die Programme von Staaten, welche um territoriale
Machtausübung kämpfen, also von politischen Gemeinschaften. Wie kann sie ins
Programm einer Religion gehören? Ist der Islam eine Religion wie andere?
Seit Beginn der klassischen Zeit zwischen dem neunten und dem
elften Jahrhundert teilen die islamischen Juristen die Welt in zwei Teile,
nämlich das "Haus des Islam" und das "Haus des Krieges". Diese Zweiteilung hängt
nicht davon ab, wo Muslime in großer Anzahl leben oder gar die Mehrheit
darstellen, sondern davon, wo der Islam herrscht - in Gestalt der
Scharia - oder wo er nicht
herrscht. Diese Dichotomie ist also keine religiöse, sondern eine politische.
Zwischen diesen beiden Teilen der Welt herrscht naturgemäß so lange Krieg, bis
das Haus des Krieges nicht mehr existiert und der Islam über die Welt herrscht (Sure
8, 39 und 9,
41). Daher besteht nach klassischer Lehre für die muslimische Weltgemeinschaft
die Pflicht, gegen die Ungläubigen Krieg zu führen, bis diese sich bekehren oder
sich unterwerfen.
Dieser Krieg heißt
Dschihad. Lautete der
Missionsauftrag Jesu, alle Völker zu bekehren, ihnen aber ihre politische
Ordnung zu lassen, so besteht das Ziel des Islam darin, alle Nichtmuslime
politisch zu unterwerfen, ihnen aber ihre Religion zu lassen, falls es
Buchreligionen sind. Der allgemeine Befehl Gottes zum
Dschihad wird entnommen aus
Sure 9, 29.
Gewiss, winzige pazifistische Strömungen im Islam haben diese Interpretation
nicht akzeptiert. Die Schiiten akzeptieren sie zwar, verlangen aber, dass ein
echter Imam die muslimische Gemeinschaft anführt (und auf einen solchen warten
sie schon mehr als dreizehn Jahrhunderte), daher gilt für sie vorläufig nur der
defensive Dschihad, also
falls die muslimische Gemeinschaft angegriffen wird.
Dagegen haben die andere Strömungen, etwa die so genannten
charidschitischen, die Aussage von
Sure 9, 29
radikalisiert: Sie sehen im
Dschihad eine individuelle Pflicht jedes tauglichen Muslim, welche als
sechste Säule neben den anderen fünf kardinalen Pflichten steht. Konsequenz
dieser Lehre: Wenn jeder entweder an der kollektiven Kriegführung gegen die
Ungläubigen teilnehmen muß oder - falls die muslimische Gemeinschaft dafür
momentan zu schwach ist - allein, gruppenweise auf eigene Faust kriegerisch
agieren muss, dann sind Attentate und Terroranschläge das Richtige. Was die
Charidschiten für den offensiven
Dschihad verlangen, gilt bei den meisten Vertretern der orthodoxen Lehre der
Sunna für den defensiven: Wird der Islam angegriffen oder islamisches
Territorium von Ungläubigen besetzt, dann wird der
Dschihad zur individuellen
Pflicht; eine Fatwa des
Großmufti der Al-Azhar-Universität in Kairo von 1948 - gerichtet gegen Israel -
lässt daran keinen Zweifel. Jedwede feindliche Macht, welche sich an die Haager
Landkriegsordnung hält und streng unterscheidet zwischen Kombattanten und
Nichtkombattanten, gerät hierbei in größte Schwierigkeiten.
Der Kriegszustand dauert an, bis das Haus des Krieges
vernichtet und die Welt erobert ist. Darum nennt
Majid Khadduri den Islam eine
"göttliche Nomokratie auf imperialistischer Basis". Friedensverträge, welche
islamische Herrscher mit nichtislamischen abschlossen, gelten nur als
Waffenstillstände; deshalb wurden sie in der Regel für höchstens zehn Jahre
abgeschlossen; zwei Rechtsschulen erlaubten nur drei bis vier Jahre Frieden. Die
kurzen Fristen ermöglichten es den militärisch überlegenen Muslimen, die
Gegenseite unentwegt zu erpressen; auf diese Weise sind im Laufe der
Jahrhunderte riesige Mengen an Geldern und Menschen an die muslimische Seite
geflossen. Als sich die Kräfteverhältnisse verschoben, mussten muslimische
Herrscher die Praxis ändern. So schloss 1535
Suleiman der Prächtige mit dem
französischen König einen Frieden, der so lange gelten sollte, wie der Sultan
lebte - ein Bruch mit der Tradition. Christliche Theologen versuchten -
angesichts einer Pluralität von Staaten - zu definieren, was ein "gerechter"
Krieg war und was nicht; Kriege einzig um des Glaubens willen galten überwiegend
nicht als gerecht. Für muslimische Gelehrte ist hingegen das "Haus des Islam"
eine politische Einheit, welche keinen inneren Krieg duldet; darum ist allein
der Krieg zur Unterwerfung der Ungläubigen legitim gewesen und obendrein
Pflicht, wie der berühmte Gelehrte
Ibn Chaldun im vierzehnten Jahrhundert
kategorisch sagt: "Im Islam ist der
Dschihad gesetzlich
vorgeschrieben, weil er einen universalen Auftrag hat und gehalten ist, die
gesamte Menschheit freiwillig oder gezwungen zur Religion des Islam zu
bekehren."
Die Kriegsregeln des
Dschihad sind flexibel. Von
der Schonung über Massenversklavung bis zur massenhaften Tötung ist nach
Khadduri alles möglich, genau wie bei Griechen und Römern. Das unterscheidet die
heiligen Kriege des Islam fundamental von denjenigen des alttestamentlichen
Israel, welche vorsahen, dass außerhalb Israels alles Männliche zu töten, auf
israelischem Boden hingegen alles Lebendige überhaupt zu vernichten war (Deuteronom.
20, 10-20). Wir pflegen uns darüber zu empören, was die Kreuzfahrer 1099 in
Jerusalem anrichteten. Indes, die Kreuzfahrer handelten nach gängigem
Kriegsrecht; muslimische Eroberer taten derlei unentwegt und überall: 698 traf
es Karthago, 838 Syrakus; der berüchtigte Wesir des Kalifats von Córdoba, Al
Mansur, führte in siebenundzwanzig Jahren fünfundzwanzig Feldzüge gegen die
christlichen Reiche Nordspaniens, versklavend, vernichtend und verwüstend; es
traf Zamora (981), Coimbra (987), León, zweimal Barcelona (985 und 1008), dann
Santiago de Compostela (997).
Am furchtbarsten verwüsteten die
Dschihads das damals noch so
städtereiche byzantinische Anatolien; das Massaker von Amorium (838) ist lange
ein Fanal geblieben; die städtische Kultur Anatoliens hat sich davon nie wieder
erholt.
Der Seldschuke
Alp Arslan ließ ganze armenische Städte
massakrieren, am furchtbarsten 1064 die Hauptstadt Ani. Mehr als berechtigt
darum das Urteil von Bat Ye'or: "Die Maßlosigkeit, die Regelmäßigkeit und der
systematische Charakter der von den islamischen Theologen zur Norm erhobenen
Verwüstungen unterscheiden den
Dschihad von anderen Eroberungskriegen." Gewiss, die Massenversklavung blieb
das beliebteste Kriegsziel. So entstand schon im achten Jahrhundert die größte
Sklavenhaltergesellschaft der Weltgeschichte; sie benötigte eine ständige Zufuhr
immer neuer Sklaven; sie transformierte den afrikanischen Kontinent zum größten
Sklavenlieferanten, ein Schicksal, welchem Europa knapp entkam.
Singulär ist die enorme Geschwindigkeit, mit der binnen
neunzig Jahren ein arabisches Großreich zwischen Südfrankreich und Indien
entstand, ohne dass ein einzelner Eroberer die Expansion gelenkt hätte. Der
erfolgreichste Imperialismus der Weltgeschichte erregte nicht zuletzt die
Bewunderung Hegels: "Nie hat die Begeisterung als solche größere Taten
vollbracht." Wenn "Begeisterung" solches vermochte, worauf beruhte sie? Die
Antwort ist einfach: auf dem Märtyrertum. Ein Ereignis des Jahres 963 in
Konstantinopel illustriert das: Kaiser
Nikephoros Phokas hatte soeben die
arabischen Besatzer aus Kreta vertrieben; nun plante er einen großen Krieg, um
Ostanatolien und Nordsyrien von der muslimischen Herrschaft zu befreien. Ein
Konzil sollte ihm helfen; eindringlich bat er die versammelten Bischöfe, sie
sollten Soldaten, die im bevorstehenden Kampf fielen, zu Märtyrern erheben.
Diesen Soldaten wäre also das Paradies sicher gewesen. Der Patriarch stellte
sich gegen den Kaiser: Kein kirchliches Konzil sei imstande, Gottes Ratschluss zu
antizipieren; allein Gott entscheide über das Heil.
Eine welthistorische Schlüsselszene. Der Kaiser wusste, was
auf dem Spiele stand. Immer wieder hatten die Byzantiner erleben müssen, wie die
muslimischen Truppen mit einer Tapferkeit kämpften, zu der die Christen nicht
imstande waren. Gefallene Muslime gelten als Märtyrer für den Glauben und
marschieren als Gefallene geradewegs ins Paradies. In den beiden Religionen
unterscheidet sich der Begriff des Märtyrers fundamental. Christliche Märtyrer
imitieren das Leiden Jesu, erleiden passiv Folter und Tod; muslimische Märtyrer
sind aktive Kämpfer.
Maßgeblich für die Todesbereitschaft der Krieger ist das
unverbrüchliche Versprechen, dass, wer für seinen Glauben stirbt, das ewige Heil
erhalte (Sure 4,
74-76). Muslime sollten einer zehnfachen Übermacht standhalten (Sure
8, 66-67); spätere Rechtsgelehrte erlaubten, wie Khadduri schreibt, den
Rückzug, falls man einer mindestens doppelten Übermacht des Feindes
gegenüberstand. Da die entscheidende Ressource jedes Krieges der kämpfende
Mensch und seine Opferbereitschaft ist, half es den Byzantinern nichts,
technisch den Arabern und Seldschuken gleichwertig zu sein; langfristig mußten
sie unterliegen, falls ihre Kampfmoral nicht dieselbe Höhe erreichte. Höhere
Todesbereitschaft bringt enorme Vorteile in der Gefechtssituation: so lassen
sich waghalsige Operationen angehen und kühne Manöver, die den Feind überraschen
und verwirren; so lassen sich Siege erzwingen, die technisch und materiell fast
nicht möglich scheinen, und Schlachten gewinnen, die unter üblichen Bedingungen
verloren sind.
Nikephoros wusste um die militärischen Konsequenzen von
Sure 4, 74-76; er
war der erste, der die prinzipielle kriegerische Unterlegenheit der christlichen
Religion zu korrigieren suchte. Doch die Bischöfe der Ostkirche sahen sich
außerstande, ihre Theologie so zu manipulieren, dass ein kriegerisches
Märtyrertum hätte entstehen können. Dabei blieb es. Die byzantinischen Kaiser
mussten ihre schweren Abwehrkriege gegen die ständigen sarazenischen und
seldschukischen Aggressionen führen, ohne dass ihnen die Religion dort half, wo
Hilfe am nötigsten war.
Erst die Westkirche veränderte die theologisch-politische
Situation: als Papst Urban II. 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief, versprach er
den christlichen Kriegern den Erlass der Sünden: Gefallene Kreuzeskrieger
umgingen demnach das göttliche Gericht; sie wurden insofern den Märtyrern
gleichgestellt, obschon ihnen dieser Name verwehrt blieb. Der Papst als
Oberhaupt einer monarchisch organisierten Kirche tat genau das, was ein Konzil
östlicher Bischöfe nicht vermochte: Er verfügte über das Heil. Die Papstkirche
konnte nun ebensolche "Heiligen Kriege" führen, wie der Islam es seit
Jahrhunderten zu tun pflegte. Worin unterscheiden sich dann Kreuzzüge und
Dschihad? Kreuzzüge konnte
allein der Papst ausrufen; daher blieben sie sehr selten - verglichen mit den
unzähligen, unaufhörlichen und ubiquitären
Dschihads der islamischen
Welt.
Und die Ziele von Kreuzzügen blieben genau begrenzt; im
November 1095 nannte Urban II. in Clermont Grund und Ziel des Kreuzzuges: "Es
ist unabweislich, unseren Brüdern im Orient eiligst Hilfe zu bringen. Die Türken
und die Araber haben sie angegriffen und sind in das Gebiet von Romanien
(Konstantinopel) vorgestoßen; und indem sie immer tiefer eindrangen in das Land
dieser Christen, haben sie diese siebenmal in der Schlacht besiegt, haben eine
große Anzahl von ihnen getötet und gefangen genommen. Wenn ihr ihnen jetzt
keinen Widerstand entgegensetzt, so werden die treuen Diener Gottes im Orient
ihrem Ansturm nicht länger gewachsen sein." Die ersten Kreuzzüge bezweckten,
entweder bedrängten Christen zu Hilfe zu kommen oder die Heiligen Stätten in
Palästina zu befreien oder von den Muslimen unterworfene Christen zu befreien.
Dagegen hielten die muslimischen Rechtsgelehrten immer am Endziel fest, das
"Haus des Krieges" zu erobern und alle Ungläubigen zu unterwerfen.
Urban II. sah richtig. Wäre Konstantinopel schon 1100
gefallen, dann hätte die enorme militärische Kraft der türkischen Heere
Mitteleuropa vierhundert Jahre früher heimgesucht. Dann wäre die vielfältige
europäische Kultur wahrscheinlich nicht entstanden: keine freien städtischen
Verfassungen, keine Verfassungsdebatten, keine Kathedralen, keine Renaissance,
kein Aufschwung der Wissenschaften; denn im islamischen Raum entschwand das
freie - griechische! - Denken eben in jener Epoche. Jacob Burckhardts Urteil -
"Ein Glück, dass Europa sich im ganzen des Islams erwehrte" - heißt eben auch,
dass wir den Kreuzzügen ähnlich viel verdanken wie den griechischen Abwehrsiegen
gegen die Perser.
Indes, wurden Kreuzzüge nicht häufig missbraucht? Gewiss.
Kreuzzüge "entgleisten" und wurden "zweckentfremdet", wie etwa jener, der 1204
zur Eroberung des christlichen Konstantinopel führte. Doch das passierte mit
Dschihads weitaus häufiger.
Wenn die Sklaven knapp wurden, führten Emire nicht nur
Dschihads gegen
nichtmuslimische Völker, welche zu versklaven geboten war, sondern immer
häufiger auch gegen islamisierte Völker, unter dem Vorwand, es seien keine
wahren Muslime. Das geschah vorwiegend in Afrika und gegen Schwarzafrikaner, so,
als zuerst Songhay 1468, dann die Marokkaner 1552 Mali überfielen, so auch, als
seit dem achtzehnten Jahrhundert religiöse Reformer im Sahel ihre
Dschihads gegen die
muslimisierten Haussa-Städte führten, woraus das
Kalifat Sokoto entstand - mit
der drittgrößten Sklavenmenge nach Brasilien und den amerikanischen Südstaaten.
An den Folgen dieser immer weiter gehenden
Dschihads mit ihren
Genoziden und Massenversklavungen leidet Afrika bis heute.
Indes, für welche politische Ordnung führten die Muslime ihre
Heiligen Kriege mit dieser Vehemenz und diesem Erfolg? Für die
Scharia. Eine politische
Ordnung, die erstens Herren und Unterworfene streng absondert, zweitens die
politische und soziale Ordnung der menschlichen Verfügung weitgehend entzieht.
Bleiben wir beim ersten Aspekt: In der
Scharia sind die Muslime die
Herren, die Anhänger anderer Buchreligionen - Christen, Juden, Parsen,
Buddhisten - Unterworfene, "Dhimmi";
dabei handelte es sich nicht um religiöse Minderheiten, sondern um gewaltige
Mehrheiten, vor allem in Syrien, in Anatolien, oder um die Christen Nordafrikas.
Die Unterworfenen durften keine Waffen tragen, sie waren
wehrunfähig, somit keine vollwertigen Männer. Christen und Juden mussten
besondere Farben oder Kleidungsstücke tragen (diese Diskriminierung führte zum
Judenstern), um als "Dhimmi"
kenntlich zu sein; sie durften nicht auf Pferden reiten, sondern nur auf Eseln,
damit sie ständig an ihre Erniedrigung erinnert wurden; sie zahlten einen Tribut
(Jizya), den sie persönlich entrichteten, wobei sie einen Schlag an den Kopf
erhielten. Sie mußten sich von Muslimen schlagen lassen, ohne sich wehren zu
dürfen; schlug ein "Dhimmi"
zurück, dann wurde ihm die Hand abgehackt, oder er wurde hingerichtet. Die
Zeugenaussage eines "Dhimmii"
galt nicht gegen Muslime; diese brauchten für Vergehen an einem "Dhimmi"
nur halbe Strafe zu tragen; und wegen eines solchen Unterworfenen konnten sie
nie hingerichtet werden. Umgekehrt waren grausamste Hinrichtungsarten
überwiegend den "Dhimmi"
vorbehalten.
Sogar jene Diskriminierung der Juden, zu der vierhundert
Jahre nach dem Islam die Westkirche auf dem
IV. Laterankonzil von 1215 schritt
und die uns so barbarisch anmutet, bezweckte und erreichte keine Erniedrigung
dieses Ausmaßes. Eine besondere Drangsalierung brachte die türkische Herrschaft:
seit 1360 wurde in unregelmäßigen Abständen bis zu einem Fünftel aller
christlichen Kinder in die Sklaverei abgeführt. Sie wurden zwangsbekehrt.
Diese Sklavenmenge dürfte im Laufe von vier Jahrhunderten in
die Millionen gegangen sein; davon wurden Hunderttausende ausgewählter Knaben zu
fanatischen Muslimen und zu Elitekämpfern erzogen, zu den berüchtigten
Janitscharen: eine Politik zur systematischen Vermehrung der muslimischen
Bevölkerung und zur allmählichen Auslöschung der Christen. Sie hatte Erfolg. Die
"Dhimmitude" versetzte die Nichtmuslime in eine radikale Andersheit: Die
Menschen in diesem Zustand als "Bürger zweiter Klasse" zu bezeichnen ist
Schönrednerei. Wie der Nationalsozialismus die Menschen in Herren- und
Untermenschen auf rassischer Basis spaltete, so hat es die
Scharia auf religiöser Basis
getan. Als erste Weltreligion schuf der Islam eine Apartheid, in der die
christlichen oder auch parsischen Mehrheiten kolonisiert und allmählich
islamisiert wurden. Islamische Toleranz hieß: Duldung der Unterworfenen als
Gedemütigte und Erniedrigte. All das ist durch Studien zur "Dhimmitude" bekannt.
Aber wer will von den millionenfachen Opfern hören?
Der Islam hat riesige Territorien religiös "gesäubert": der
zweite Kalif machte den Hidjaz, also Arabien außer dem Jemen, "christenrein" und
"judenrein"; die Alternative hieß Konversion oder Vertreibung. Das hat - von
alttestamentlichen Fällen abgesehen - niemals zuvor eine Religion gemacht.
Ebenso "reinigten" die Almohaden und Almoraviden ihr Spanien nach dem
Zusammenbruch des Kalifats 1031: Zehntausende Juden wie Christen mussten entweder
konvertieren oder ins christliche Nordspanien oder in die Levante fliehen.
Gewiss,
englische und französische Könige und dann die Könige Spaniens selber taten
später das gleiche; sie wandten dabei ein muslimisches Rezept an.
Und die Pogrome? Seit dem Kalifen
Al-Mutawakkil (847 bis 861)
schwappten immer wieder Verfolgungen über den Orient und Nordafrika, wobei Juden
und Christen zwangsbekehrt, vertrieben oder massakriert wurden. Die ständige
Zerstörung von Kirchen ging bis ins vorletzte Jahrhundert weiter. Allmählich
zerlaufen auf dem verklärten Bild des muslimischen Spanien, welches der
europäische Antiimperialismus im neunzehnten Jahrhundert geschaffen hat, die
blumigen Farben. Sorgfältige Aufarbeitung der Dokumente bringen darunter ein
anderes Bild zum Vorschein. Dort kam es 889 in Elvira und 891 in Sevilla zu
umfassenden Pogromen gegen Christen. Im marokkanischen Fez wurden 1033 über 6000
Juden massakriert. 1058 wurde das christliche Antiochia unter Folter und
Todesdrohungen muslimisch gemacht.
Das erste große Pogrom gegen Juden auf europäischem Boden
fand 1066 im muslimischen Granada statt; dabei kamen 1500 jüdische Familien um.
1135 wurde das Judenviertel Córdobas niedergebrannt, die Zahl der Massakrierten
nicht zu wissen mag heilsam sein. 1159 standen sämtliche Christen von Tunis vor
der Wahl, zu konvertieren oder zu sterben. Um diese Zeit wurde das ehemals so
vitale Christentum Nordafrikas vollends vernichtet. Die Pogrome im christlichen
Herrschaftsgebiet sind kein Ruhmesblatt der europäischen Kultur; aber ihre
Ausmaße bleiben zurück hinter jenen der islamischen Welt. Wir brauchen dringend
eine vergleichende Geschichte religiöser Unterjochung.
Reden wir von Integration der Juden? Nirgendwo unter der
Herrschaft des Islam, und auch nicht im spanischen Kalifat, waren Juden Bürger
ihrer Stadt; sie blieben stets Unterworfene. In manchen deutschen Städten -
Worms, Augsburg und anderen - des Hochmittelalters waren die Juden Stadtbürger
besonderen Rechts, sie hatten das Recht, Waffen zu tragen, und waren
besser gestellt als ärmere christliche Einwohner. Sie waren bis ins vierzehnte
Jahrhundert, als sich ihre Situation verschlechterte, weit besser integriert,
als die Juden im muslimischen Spanien es jemals sein konnten. Wer die politische
Integration für die wichtigste hält, kann nicht umhin, Augsburg über Córdoba zu
stellen. All das ist seit über fünfzehn Jahren wissenschaftlich bekannt. Aber
wer will es hören?
Seine Vergangenheit nicht zu kennen heißt, sie wiederholen zu
müssen. Wer weiterhin das Märchen von der islamischen Toleranz verbreitet,
behindert jene muslimischen Intellektuellen, die ernsthaft an jener Reform des
Islam arbeiten, die im neunzehnten Jahrhundert so Erfolg versprechend begann.
Denn er beraubt sie der Chance, eine Vergangenheit zu überwinden, die ansonsten
zur abscheulichen Gegenwart zu werden droht. Gelänge es den Reformern, den Islam
radikal zu entpolitisieren, dann könnten die Muslime zu wirklichen Bürgern in
ihren Staaten werden. Übrig bliebe jene hochgradig spirituelle Religion, die
nicht nur Goethe fasziniert hat: Hegel nannte den Islam die "Religion der
Erhabenheit". Dazu könnte er werden.
FAZ vom 16.09.2006
Kampf der Kulturbanausen
Von Daniel Bax
"Orhan Pamuk ist der Westen", jubelte Frank Schirrmacher nach
der Verleihung des Literaturnobelpreises an den türkischen Schriftsteller in der
FAZ, denn er markiere "die äußerste Front unseres westlichen Lebensstils und
seiner Überzeugungen" gegenüber dem Islam. Markige Worte, wie sie wohl in einen
Leitartikel gehören. Nur war diese Interpretation gelinde gesagt gewagt, denn
sie widersprach nicht nur dem oft geäußerten Selbstverständnis des Autors wie
auch der Begründung der schwedischen Akademie für ihre Auszeichnung. An dieser
Einordnung wurde auch deutlich, dass Schirrmacher bislang offenbar noch keine
einzige Zeile von Pamuks Werk, in dem sich westliche und östliche Traditionen
aufs Innerste verschränken, gelesen haben konnte, denn sonst hätte er solch eine
kühne Behauptung wohl nicht zu treffen gewagt.
Nun steht es jedem Journalisten frei, Unsinn zu schreiben.
Doch Frank Schirrmacher ist ja nicht irgendwer, sondern steht als Mitherausgeber
einer der einflussreichsten Zeitungen der Republik vor. Das Problem weist also
tiefer und ist symptomatisch, zumal Frank Schirrmacher als eine Leitfigur eines
Feuilletons gilt, in dem auch gesellschaftspolitische Debatten geführt werden.
Dieses Feuilleton gilt vielen als Gegenmodell zum traditionellen, auf Kultur im
engeren Sinne fokussierten "Rezensionsfeuilletons", das auf Literaturkritiken,
Filmbesprechungen und ähnlichem Rezensionswesen basiert.
Die Annahme, dass sich aus der Beschäftigung mit Literatur,
Kunst oder auch Alltagskultur heraus ein anderer, vielleicht genauerer
Blickwinkel auf die Welt finden ließe, hat dazu geführt, dass sich das
Feuilleton heute mit gesellschaftlichen Debatten aller Art beschäftigt, von der
"Unterschicht" bis zur Gentechnik. Wenn aber der frühere FAZ-Feuilletonchef die
Bücher nicht mehr liest, mit denen er argumentiert, wird darin eine
grundsätzliche Fehlentwicklung deutlich: Das Feuilleton hat sich von seinem
Gegenstand gelöst - zu Gunsten einer enthemmten Meinungsfreude, die es sich an
den Ufern aktuell grassierender Ideologien bequem macht.
Deutlich wird das beim Reden über den angeblichen "Kampf der
Kulturen". Als populäres Ideologem wird Samuel Huntingtons notorisch gewordene
Kampfformel hierzulande gern herangezogen, um die Schwierigkeiten bei der
Integration von muslimischen Einwanderern oder die Herausforderung des
islamistisch gefärbten Terrorismus zu einer Art Entscheidungsschlacht zwischen
Morgen- und Abendland zu stilisieren. Auch im Feuilleton wird das Schlagwort
gern aufgegriffen. Frappierend ist nur, mit wie viel Demagogie und wie wenig
Sachkenntnis sich dabei auskommen lässt.
Das Feuilleton der FAZ etwa machte kürzlich, anlässlich der
Diskussion um die Regensburger Papst-Rede, mit einer flammenden Schlagzeile auf.
"Der Islam will die Welteroberung",
schrieb da der Althistoriker
Egon Flaig und rührte auf ganzen zwei Seiten eine
brachiale Interpretation islamischer Geschichte mit einem Lob der Kreuzzüge und
der Reconquista, der
Rückeroberung der iberischen Halbinsel durch die katholischen Könige Spaniens,
zu einem kruden Pamphlet zusammen. Dass er großzügig den Islam als Religion und
die islamistische Ideologie der ägyptischen
Muslimbrüder
gleichsetzte, dass er islamisches Recht mit den
Nürnberger
Rassegesetzen verglich - Letztere schnitten bei ihm übrigens besser ab -,
und dass er bei alledem eine antiislamische Kampfschrift der Autorin
Bat Ye'Or zitierte, hätte
eigentlich genügen müssen, um ihn für eine seriöse Debatte zu disqualifizieren.
Kaum vorstellbar jedenfalls, dass die FAZ auch einen Artikel mit der Überschrift
"Das Judentum will die Weltherrschaft" gedruckt hätte.
Man konnte diesen Beitrag als Beispiel dafür lesen, wie wenig
manche Vertreter der deutschen Geschichtswissenschaft offenbar von der Welt
außerhalb Europas wissen. Man musste diesen Beitrag aber auch als Zeichen dafür
sehen, auf welche Abwege ein Feuilleton geraten kann, dass vor allem auf
Knalleffekte setzt. Denn an der teils hysterischen, teils völlig entgleisten
"Islam-Debatte" lässt sich nur besonders augenfällig ablesen, wie sehr
aufgeregte Stimmungsmache mancherorts an die Stelle fundierter Analyse getreten
ist.
Das ist ein Trend, der sich auch bei anderen Medien erkennen
lässt...
taz vom 31.10.2006
Duldung und Demütigung
Von Siegfried Kohlhammer
Ist der Islam tatsächlich eine so tolerante und friedfertige Religion, wie
nach den Terroranschlägen vom 11. September allerorten behauptet wird?
Geschichte und Gegenwart sprechen dagegen
Nach den Massakern des 11. September 2001 beeilten sich
führende westliche Staatsmänner, ihren verschreckten Bürgern zu versichern, dass
die Terrorakte nichts mit dem Islam zu tun hätten - der Islam sei vielmehr eine
tolerante, friedliebende Religion. Es scheint mir aus aktuellem Anlass sinnvoll,
diese Beteuerungen einer "dogmatischen Islamophilie" auf ihren Wahrheitsgehalt
hin zu prüfen, denn - wie der 11. September gezeigt hat - Illusionen zu hegen,
kann nachteilige Folgen haben. Es ist jedoch auch nicht meine Absicht, gegen
solides Beweismaterial zu behaupten, dass der Islam nie anders als intolerant
war oder sein kann, sondern dass er wie alle nicht vom Gewaltmonopol eines
säkularen Rechtsstaats gebändigten Religionen zu allem fähig ist.
Das Kronjuwel in der Schatzkammer islamischer Toleranz ist
die Institution der Schutzbefohlenen (dhimma). Sie beruht auf
Koranversen, auf
Prophetenworten und -taten (hadith) und weiteren der über Jahrhunderte sich
entwickelnden religiösen Rechtsbestimmungen, die Teil dessen sind, was der
rechtgläubige Muslim zu tun und zu lassen hat. Die Institution der Dhimma wird
als Vertrag interpretiert, der den unterworfenen Andersgläubigen Leben, Eigentum
(einschließlich des Rechts, Handel und Gewerbe zu betreiben) sowie die Ausübung
ihrer Religion und Selbstverwaltung gewährt gegen die Zahlung spezieller Kopf-
und Landsteuern und weiterer Leistungen sowie der Loyalität gegenüber dem
islamischen Staat. Das ist nicht wenig. Aber es ist weder spezifisch islamisch
noch neu, noch besonders tolerant. Und es ist kein Vertrag.
Auch juristischen Laien ist bekannt, dass ein unter
Gewaltandrohung zustande gekommener Vertrag null und nichtig ist - es ist kein
Vertrag, sondern "ein Angebot, das man nicht ablehnen kann", wie Don Corleone es
formuliert hätte. Dass Gewaltandrohung zugrunde liegt, ergibt sich schon daraus,
dass der so genannte Vertrag das Leben gewährt, das bei Nichteingehen auf das
Vertragsangebot verloren ist. Unter anderem gegen die Zahlung von Schutzgeldern.
"Schutzgelderpressung" wäre insofern eine polemische, dem Sachverhalt aber
angemessenere Bezeichnung als "Vertrag".
Dass Gewalt drohte, daran besteht kein Zweifel: "Die Invasion
des Nahen Ostens bedeutete keineswegs eine freudige, befreiende Erfahrung,
sondern ging mit einem hohen Maß an Tod und Zerstörung einher. Die Bewohner
derjenigen Städte, die im Sturm genommen worden waren, wurden entweder getötet
oder in die Gefangenschaft verschleppt und verloren ihr Eigentum", schreibt der
US-amerikanische Professor für jüdische Geschichte Norman A. Stillman. Die
britische Autorin Bat Ye'or stellt fest: "Die arabischen Eroberungen … waren
begleitet von enormen Zerstörungen. Mehr noch als die christlichen Quellen
beschreiben die muslimischen Chroniken die Plünderung und Einäscherung ganzer
Städte und zahlloser Dörfer und die an der Bevölkerung begangenen Massaker, ihre
Versklavung und Deportation."
Bei dem Hamburger Orientalisten Albrecht Noth liest sich das
so: "Nun hat natürlich die Vertragsbereitschaft der muslimischen Eroberer nicht
ausgeschlossen, dass es im Verlauf der futuh (Eroberungen) auch immer wieder zu
Kämpfen mit der jeweils einheimischen Bevölkerung gekommen ist. Die Muslime
hatten ihre militärische Stärke, sei es in Gefechten, sei es bei der Belagerung
von festen Plätzen, des Öfteren erst einmal zu demonstrieren, bevor ihre
nichtmuslimischen Kontrahenten zu der Überzeugung kamen, dass eine vertragliche
Einigung mit den Muslimen für sie die vorteilhafteste Lösung sei."
An solchen Demonstrationen hatte es schon der Prophet bei
zahlreichen Razzien, Belagerungen, Eroberungen und Vertreibungen nicht fehlen
lassen (einschließlich der Folter), am eindringlichsten im Jahre 627 bei der
Massakrierung der Juden vom Stamme Banu Qurayza. Sir William Muir, der
bedeutendste britische Islamwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, schreibt in
The Life of Muhammad: "In der Nacht wurden quer über den Marktplatz der Stadt
Gräben ausgehoben, groß genug, um die Leichen der Männer aufzunehmen. Am Morgen
befahl Mohammed, der selber zu den Zuschauern der Tragödie gehörte, dass die
männlichen Gefangenen in Gruppen von jeweils fünf oder sechs herbeigeführt
werden sollten. Jede Gruppe hieß man dann in einer Reihe am Rande des Grabens
niedersitzen, der bestimmt war, ihr Grab zu werden; dort wurden sie enthauptet
und die Leichen hinabgestoßen. … Die Schlächterei, die am Morgen begonnen hatte,
dauerte den ganzen Tag und wurde bei Fackelschein bis in den Abend hinein
fortgesetzt. Nachdem er so den Marktplatz mit dem Blut von sieben- oder
achthundert Opfern getränkt und den Befehl erteilt hatte, die Erde über den
Leichen zu glätten, ließ Mohammed das furchtbare Schauspiel hinter sich, um bei
den Reizen Rihanas Trost zu finden, deren Ehemann und männliche Verwandten alle
gerade in dem Massaker umgekommen waren." Die anderen Frauen und die Kinder
wurden in die Sklaverei verkauft.
Die Dhimmainstitution ist keine spezifisch islamische
Erfindung, sondern eine Variante zahlreicher vorgegebener Modelle imperialer
Einbindung von religiös und kulturell heterogenen minoritären oder majoritären
Bevölkerungsgruppen, auf deren Wirtschaftskraft, Steuergelder und Expertise man
nicht verzichten wollte und die deshalb vor der Tötung, Ausweisung oder
Zwangsassimilation und -konversion bewahrt wurden. Sie ist die universelle
Praxis der römischen und mittelalterlichen Imperien. Ein Vergleich des
christlichen Europas mit den islamischen Staaten in diesem Zusammenhang zeigt
keineswegs eine Opposition intolerant/tolerant, vielmehr eine weitgehende
Übereinstimmung.
Neben den religiösen Geboten lag dem Dhimmastatus - ebenso
wie dem der nichtchristlichen Minderheiten in Spanien, Sizilien und den
Kreuzfahrerstaaten - das Prinzip der utilitas zugrunde. Die Existenz der
Ungläubigen im Land des Islam, heißt es bei Bernard Lewis, einem der
ausgewiesensten Kenner des Nahen Ostens, erklärt sich dadurch, dass "sie
unterschiedlichen nützlichen Zwecken dienten, vor allem ökonomischen".
Umar, der zweite Kalif, legte den Gläubigen den Schutz der
Dhimma ans Herz, einerseits weil der Prophet es so gewollt habe, andererseits
weil "sie für den Lebensunterhalt eurer Familien sorgen". Mit erfrischender
Offenheit beantwortete einer der Gefährten des Propheten die Frage, was die
Muslime den Tributpflichtigen denn verdankten, mit folgender Auskunft: "Sie
helfen dir, deiner Armut zu entkommen, um dich mit dem Reichtum zu versorgen,
über den du verfügst."
Was der Historiker Joshua Prawer über die Kreuzfahrerstaaten
sagt, lässt sich Wort für Wort auf die islamischen übertragen: Aus der äußerst
geringen Zahl der Eroberer im Verhältnis zu den Eroberten und dem entschiedenen
Unwillen Ersterer, einer produktiven Tätigkeit nachzugehen, ergab sich "ein
deutliches Grundmuster der Koexistenz: Die Kreuzfahrer hatten niemals
beabsichtigt, Produzenten von Grundnahrungsmitteln oder irgendeiner anderen Form
von Reichtum zu sein, da sie sich als Herrscher sahen, die die Einheimischen
ökonomisch ausbeuteten. Diesen wurde durch politischen und militärischen Druck
die Rolle von Lieferanten zugewiesen. Die neue Gesellschaft bestand so von
Anfang an aus Eroberern und Eroberten, Ausbeutern und Ausgebeuteten."
Die Aufnahme der seit 1492 von der Iberischen Halbinsel
vertriebenen Juden durch den Sultan Bayezid II. ist wohl das am häufigsten
angeführte Beispiel islamischer Toleranz (und christlicher Intoleranz). Um das
damit einhergehende Schwarzweißbild ein wenig zu korrigieren - es ist ja
auffällig, dass die habituellen Schwarzweißbild-, Schrecklichevereinfacher- und
Komplexitätsreduzierungskritiker im Fall der Konfrontation von Christentum und
Islam den Mund nicht aufkriegen -, sei daran erinnert, dass keineswegs alle
vertriebenen Juden der Einladung ins Osmanische Reich folgten: Einige gingen in
christliche Länder Europas, Italien vor allem, und dort vor allem in den
Kirchenstaat, oder siedelten sich im Languedoc an, andere zogen in die
portugiesischen Küstenstädte Nordafrikas, wo sie an deren Verteidigung gegen die
Angriffe der Muslime teilnahmen.
Obwohl neben Spanien und Portugal auch England, Frankreich
und deutsche Länder - um nur die wichtigsten zu nennen - die Juden für
Jahrhunderte des Landes verwiesen, gab es doch immer andere europäische Länder,
die sie aufnahmen, von Polen und Litauen über Savoyen bis zur mächtigen Republik
Venedig (später die protestantischen Länder), und aus demselben Grund wie der
Sultan.
Die Juden sind 1492 und in den folgenden Jahren nicht zum
ersten Mal von der Iberischen Halbinsel vertrieben worden: Der Terror der
Almohadenherrschaft (1130 - 1212) machte mit Zwangsvertreibungen und
-konversionen, Verfolgungen und Massakern al-Andalus (und das von ihnen
beherrschte Nordafrika) weitgehend juden- und christenrein. (1159 verschwanden
die letzten christlichen Gemeinden Nordafrikas unter den Verfolgungen Abd
al-Mu'mins. 1126 schon hatten die Almoraviden Christen nach Marokko deportieren
lassen.) 1033 waren in Fez etwas sechstausend Juden einem antijüdischen Massaker
zum Opfer gefallen, 1066 waren es etwa viertausend in Granada. 1232 kam es zu
einem Judenmassaker in Marrakesch. 1465 lebten in Fez wieder genug Juden, um sie
in einem Massaker, das sich auf das gesamte Land ausbreitete, fast vollständig
auslöschen zu können.
Das letzte große Judenpogrom in der arabisch-islamischen Welt
fand 1945 in Tripoli und den umliegenden Gemeinden unter den Augen der
britischen Besatzer statt, dauerte bis zu Gründung des Staates Israel 1948 an
und wurde dann durch die Emigration beziehungsweise Vertreibung der Juden
abgelöst.
Die Juden der Iberischen Halbinsel waren dem türkischen
Sultan auch deshalb willkommen, weil er so Zwangsumsiedlungen von Juden
vermeiden konnte, wie sie schon nach der Eroberung Konstantinopels zur Schaffung
einer ökonomisch aktiven und steuerlich ertragreichen Hauptstadt vorgenommen
worden waren. Lewis: "Der osmanischen Regierung lag viel daran, jüdische
Bevölkerungsgruppen in den neu eroberten christlichen Städten anzusiedeln. Die
Juden wurden manchmal dazu überredet, manchmal dazu gezwungen."
Und im Gegensatz zu den Christen galten die Juden als
politisch verlässlich, da sie keiner Parteinahme für die mit den Türken
verfeindeten christlichen Staaten verdächtig waren. Sie "wurden als nützliche
und produktive Elemente betrachtet und als ein Instrument imperialer Politik
benutzt". Vor allem das von ihnen mitgebrachte Kapital und ihr technologisches
Wissen, ihre sprachlichen, das heißt Übersetzerfähigkeiten und anderes
Expertenwissen bildeten die Grundlage einer "Art symbiotischer Beziehung mit den
Türken, die der Dienste bedurften, die jene zu leisten vermochten". In dem Maße
aber, wie ihre Fähigkeiten und Dienste obsolet wurden und an Wert verloren, ihre
Kontakte zu Europa abbrachen, verschlechterte sich der Status der Juden,
verminderte sich die ihnen gewährte Toleranz.
Mit dem Versiegen der jüdischen Einwanderung gegen Ende des
16. Jahrhunderts versiegte auch der Zustrom europäischen Wissens, europäischer
Technologie: "Die Kenntnisse und Fertigkeiten, die zuvor den Juden und ihren
türkischen Herren von Nutzen gewesen waren, veralteten, und die Juden hatten
nicht länger irgendetwas Besonderes oder Nützliches anzubieten" und wurden durch
Christen ersetzt.
Lewis spricht von "der wachsenden Segregation, der
schwindenden Toleranz, der verminderten Partizipation, der zunehmenden -
materiellen sowohl wie intellektuellen - Armut" der Juden im Osmanischen Reich
in einem Klima allgemein zunehmender sunnitischer Orthodoxie. Für die Juden in
den arabischen Ländern des Reiches stellt Stillman fest: "Das 16. Jahrhundert
war ein kurzes strahlendes Zwischenspiel in der langen Abenddämmerung des späten
islamischen Mittelalters." Der Jude hatte seine Schuldigkeit getan, der Jude
konnte gehen. Nein, als Beispiel für eine dem Islam innewohnende vortreffliche
Toleranz taugt das Schicksal der Juden im Osmanischen Reich nicht.
Die Grenzen einer auf dem Utilitasprinzip beruhenden Toleranz
sollten ihre positiven lebens- und glaubensrettenden Seiten nicht vergessen
machen. Es geht mir nicht um einen moralischen Rigorismus, der das Gute nur
getrennt vom Nützlichen als Gutes anerkennen will, ist jenes doch sicher dessen
zuverlässigster Freund und Helfer, solange beide dasselbe Ziel verfolgen. Aber
die Utilitastoleranz des Dhimmastatus ist nur die eine Seite der islamischen
Toleranz - und nun zu den bad news.
Eine auf absolute Wahrheit Anspruch erhebende universale
Offenbarungsreligion wie der Islam (oder das Christentum) sieht sich mit dem
Problem konfrontiert, wie sie mit den Mitgliedern anderer Religionen verfahren
soll, die sich auf ihrem Herrschaftsgebiet befinden. Will sie sich der mit der
Uneinsichtigkeit der Andersgläubigen gegebenen frechen Provokation ("Glaub ich
nicht!") und Infragestellung des eigenen absoluten Wahrheitsanspruchs nicht
durch Tötung oder Vertreibung entledigen (und dem steht das Utilitasprinzip -
auch in Form religiöser Gebote und Verbote - entgegen), muss ein Modus gefunden
werden, der die überlegene Wahrheit der eigenen mit dem Fortbestehen der anderen
Religion(en) verbindet: der Modus ihrer öffentlichen und sinnfälligen, beiden
Seiten wahrnehmbaren Demütigung und Erniedrigung.
Da beide Religionen nicht gleichzeitig die absolute göttliche
Wahrheit sein können - die moderne Spaltung in den privaten religiösen und den
säkularen gesellschaftlich-staatlichen Bereich, die nur im ersteren den
Absolutheitsanspruch konzediert und so die gleichberechtigte Koexistenz aller
Religionen im letzteren Bereich ermöglicht, ist ja nicht gegeben -, muss die
Überlegenheit der einen durch die Unterlegenheit der anderen ihren sinnfälligen
Ausdruck finden.
Man kann sich das als ein Nullsummenspiel der Anerkennung
vorstellen: Religion A kann nur anerkannt und geehrt sein, wenn Religion B
erniedrigt und gedemütigt ist - je anerkannter Religion A, desto verächtlicher
Religion B; die eigene Religion erhöhen heißt die andere demütigen. "Der Islam
herrscht, er wird nicht beherrscht", lautet ein überliefertes Wort des
Propheten: Es kann nur Erhöhung oder Erniedrigung, Anerkennung / Ehre oder
Verachtung / Ehrlosigkeit geben.
Die Gleichberechtigung der anderen Religion anzuerkennen,
wäre nicht nur ein absurder Widerspruch zum Anspruch der einen absoluten
Wahrheit, sie stellte auch eine sträfliche Vernachlässigung religiösen Ernstes
und Eifers dar. Die Verachtung und Demütigung der anderen Religion(en) ist somit
nicht dem Belieben der einzelnen Gläubigen anheim gestellt und deren Sadismus
oder Gutmütigkeit, sondern religiöse Pflicht. Mit anderen Worten: Der Preis für
die Duldung durch das Utilitasprinzip des Dhimmastatus ist die Demütigung. Das
geht schon aus der grundlegenden Koranstelle
9, 29 hervor, wo
die Tributzahlung (jizya) mit der demütigenden Unterwerfung einhergeht. Beides
nur ermöglicht und gewährt die Duldung der Existenz.
Ihren alltäglichen Ausdruck fand dieses Prinzip der
institutionalisierten Demütigung in Geboten und Verboten, die alle Formen der
Begegnung von Muslimen und Ungläubigen regelten: wie und wann zu grüßen ist (von
freundlichen oder tröstenden Worten wird abgeraten), dass der Ungläubige sich
auf der Straße in bescheiden-unterwürfiger Haltung fortzubewegen und dem Muslim
Platz zu machen hat, dass er nicht auf einem Pferd (einem edlen Tier) reiten
darf, sondern allenfalls auf einem Maultier oder Esel und auch das nur im
Damensitz, und dass er absteigen muss, wenn er einem Muslim begegnet, dass er
diskriminierende Kleidung, Kopfbedeckung, Schuhe (im Extremfall sind ihm diese
sogar verboten) oder dem Judenstern entsprechende Abzeichen zu tragen hat.
Dass er sich mit Steinen bewerfen, am Bart zerren, ins
Gesicht schlagen und prügeln lassen muss, ohne sich wehren zu dürfen; der
Waffenbesitz ist ihm ohnehin untersagt, und einen Muslim zu schlagen, zieht die
Todesstrafe nach sich, dass seine Zeugenaussage vor Gericht geringeren Wert hat
als die eines Muslims und für den Fall, dass es sich bei dem Angeklagten um
einen Muslim handelt, wertlos ist.
Dass ein Ungläubiger keine Autorität irgendwelcher Art über
einen Muslim ausüben darf, dass ihm sexuelle Beziehungen zu Musliminnen und
deren Heirat bei Todesstrafe untersagt sind, dass er keine neuen Gotteshäuser
bauen, allenfalls die bestehenden nach - teuer zu bezahlender - Erlaubnis der
Behörden renovieren darf, dass Kreuze auf den Kirchen und Glocken(läuten) in
deren Türmen verboten sind ebenso wie lautes Klagen bei Trauerzügen und so
weiter und so fort.
Angesichts der endlosen Reihe von Demütigungen, Erpressungen,
Vertreibungen und Pogromen, denen die Andersgläubigen unterm Islam ausgesetzt
waren (und sind), darf man vielleicht auf eine detaillierte und präzise
Widerlegung der einschlägigen kritischen Werke durch jene Islamwissenschaftler
hoffen, die unermüdlich den Gebetsruf von der islamischen Toleranz in den Medien
und von ihren Lehrstühlen erschallen lassen.
Siegfried Kohlhammer, Jahrgang 1944, ist Lektor am Institut
für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Staatlichen Universität Yokohama.
Das von ihm herausgegebene Buch "Die Freunde und Feinde des Islam" (Steidl
Verlag, Göttingen 1996, 223 Seiten) ist leider nur noch antiquarisch erhältlich.
Die Langfassung des Textes findet sich im Merkur. Zeitschrift für europäisches
Denken, Nummer 639
taz vom 21.09.2002
Warum es nicht stimmt, dass die islamische Welt
bloß Opfer westlicher Vorurteile, Irrtümer, Abneigungen ist
Von Siegfried Kohlhammer
Ist unser Verhältnis gegenüber den arabischen Ländern und
ihrer Literatur von Unkenntnis, Vorurteilen und Zerrbildern bestimmt? Keinen
anderen Begriff benutzen die Islamisten häufiger, wenn sie den Westen als Feind
des Islam attackieren, als den des Kreuzzüglers. Mit den Kreuzzügen begann
angeblich der bis heute anhaltende Krieg des Westens zur Schwächung und
Vernichtung des Islam, dem es mit allen Mitteln Einhalt zu gebieten gilt, bevor
es zu spät ist. Auch moderate, zur Verständigung bereite oder säkulare Muslime
sehen in den Kreuzzügen eine wesentliche Ursache für das gespannte und von
Misstrauen bestimmte Verhältnis der islamischen Welt zum Westen.
Und wie denn auch nicht? Waren die Massaker des ersten
Kreuzzuges, zumal bei der Einnahme Jerusalems, nicht Ereignisse, die sich dem
individuellen wie kollektiven Gedächtnis unauslöschlich einbrennen mussten? Und
gab es in der Folge nicht genug weitere Ereignisse, die ein "Feindbild Westen"
immerhin verständlich machten? Aber wenn dem so ist, warum sollte dann
angesichts der jahrhundertelangen islamischen Eroberungen und Razzien, die weit
nach Europa hineinreichten, der Massaker und Versklavungen - noch im Zeitraum
zwischen 1530 und 1780 wurden etwa eine Million europäischer Christen in die
Sklaverei allein in die nordafrikanischen Barbareskenstaaten verschleppt -, ein
jahrhundertealtes "Feindbild Islam" weniger verständlich sein?
Weder in dem einen noch in dem anderen Fall aber stimmt
dieses Bild ganz mit den historischen Fakten überein. Darauf weisen schon die
arabischen Wörter für Kreuzzug hin, nämlich al-hurub al-salibiyya oder harb
al-salib, die Lehnprägungen aus den europäischen Sprachen sind - und zwar des
19. Jahrhunderts. Bis dahin hatten die Kreuzzüge als eine separate historische
Einheit weder in den Geschichtsbüchern oder Chroniken noch im kollektiven
Gedächtnis existiert; das erste Buch in arabischer Sprache zu diesem Thema
(1865) war eine Übersetzung aus dem Französischen, und erst 1899 erschien das
erste eigenständige arabische Werk über die Kreuzzüge. Der ägyptische Gelehrte
Sayyid 'Ali al-Hariri, erkannte darin aber bereits den propagandistischen Wert
des Begriffs und wandte ihn gegen die Engländer. Woraus man lernen kann, dass,
wer die Vergangenheit vergisst, sie später aus dem Ausland importieren muss.
Aber auch im christlichen Europa führte die Konfrontation mit
dem Islam keineswegs nur überall und immer zu einem Feindbild, zu Dämonisierung,
Verteufelung. Schon im Mittelalter finden wir oft erstaunliche Dokumente des
Interesses, der Achtung, ja der Bewunderung im Hinblick auf die islamische Welt.
Während die kirchliche Propaganda einerseits wesentlich zur Verteufelung des
Islam beitrug, war die Kirche doch andererseits die entscheidende Institution,
worüber die ersten genaueren Informationen über die islamischen Religion
eingeholt wurden.
Das Interesse der Kirche am Islam war zunächst defensiv
begründet. Man wollte die islamische Häresie, den islamischen Unglauben
widerlegen, ab dem 13. Jahrhundert hoffte man, die Muslime zu missionieren. In
beiden Fällen mussten dafür genauere Kenntnisse eingeholt werden, denn die
Widerlegung oder Bekehrung sollte qua ratio erfolgen - wie der Islam schloss
auch das Christentum Zwangsbekehrungen aus.
Solche Kenntnisse lassen schon Werke aus den ersten
Jahrzehnten der Kreuzzüge erkennen. So wendet sich 1120 William von Malmesbury
gegen die damals noch verbreiteten Vorstellungen, die Muslime verehrten in
Mohammed ihren Gott (er sei vielmehr sein Prophet, korrigiert William) oder
seien Polytheisten. Vor 1110 hatte Petrus Alfonsi, ein zum Christentum
konvertierter spanischer Jude, die erste annähernd objektive Darstellung
Mohammeds und seiner Religion gegeben. Später wird im Auftrag des Abtes von
Cluny, Petrus Venerabilis, der selber über respektable Islamkenntnisse verfügte,
die erste Fatwaübersetzung
fertig gestellt (1143 von dem Engländer Robert of Ketton).
"Ich greife euch nicht mit Waffen an, wie es viele von uns
häufig tun, sondern mit Worten; nicht mit Gewalt, sondern mit Vernunft; nicht im
Hass, sondern in der Liebe. Ich liebe euch; euch liebend, schreibe ich euch;
euch schreibend, lade ich euch ein zum Heil", so Petrus Venerabilis an die
Adresse der Muslime. Auch im 13. Jahrhundert fand die Idee einer friedlichen
Missionierung - als Alternative zur militärischen Unterwerfung - bedeutende
Fürsprecher in Roger Bacon und Raimundus Lullus, die nicht nur die Notwendigkeit
gründlicher Kenntnisse der fremden Religion, sondern auch der fremden Sprachen
betonten (Lullus lernte selber Arabisch). 1312 unterstützte das Konzil von
Vienne die Aufforderung zum Fremdsprachenerwerb, insbesondere des Arabischen.
Das Interesse am Islam und Orient wurde bald Sache von
Gelehrten. Nicht mehr die Kirche oder der Hof, sondern die Universität war die
Institution, wo diesem - nun missionsunabhängigen - Interesse von Fachgelehrten
nachgegangen wurde. 1539 wird am Collège de France der erste Lehrstuhl für
Arabistik eingerichtet. Etwa 250 Jahre vor der arabischen Welt gründet ein
Medici 1586 die erste Druckerei für arabische Texte. Eine nicht mehr abreißende
Reihe von Grammatiken, Wörterbüchern, Texteditionen beginnt für den Bereich der
orientalischen Sprachen zu erscheinen, kulminierend in der Bibliothèque
orientale von 1697, veröffentlicht von jenem Antoine Galland, der die
"Geschichten aus Tausendundeiner Nacht" dem Vergessen entreißen sollte.
Auch Feindschaft gegenüber dem Islam als Religion führte nie
dazu, die islamische Kultur und ihre geistigen wie materiellen Produkte
abzulehnen. Ein totalitärer Unfug wie der, "islamische Physik" oder "islamische
Kunst" ihrer Herkunft wegen abzulehnen, kam dem Mittelalter nicht in den Sinn.
Aller Islamfeindschaft, allen Kreuzzügen und Türkenkriegen zum Trotz "hat der
Westen nichts als Bewunderung für die Künste des Orients gehabt" (Richard
Ettinghausen). Von entscheidender Bedeutung für die Geschichte Europas aber
wurde die Aneignung der Wissenschaften, der Mathematik und der Philosophie, wie
sie die islamischen Ländern von der Antike, aus Persien, Indien übernommen und
weiterentwickelt hatten.
Die einschlägigen Leistungen der islamischen Welt und ihre
Bedeutung für Europa sind hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist, dass ein
solcher Prozess des interkulturellen Wissenstransfers der empfangenden Seite
enorme Leistungen abverlangt. Es bedarf der Anerkennung der Überlegenheit der
anderen Seite. Das heißt auch: der Unterlegenheit der eigenen, was nicht einfach
ist in einer Gesellschaft, zu deren obersten Werten die Ehre gehört. Die
mühselige Arbeit der Aneignung fremden Wissens beginnt also mit der Anerkennung
der eigenen Ignoranz. Und diese Arbeit fand ausschließlich auf christlichem
Boden statt - in Spanien vor allem und Sizilien zunächst, und dann in den
europäischen Zentren des Lernens und Lehrens. In diesem Sinne waren Christen aus
allen Teilen Europas und spanische Juden die "Lichtbringer Europas". Die
islamische Seite war an diesem Prozess desinteressiert, warum auch hätte sie
sich daran beteiligen sollen?
Dieses Desinteresse der islamischen Seite hielt an, als das
christliche Europa aufgeholt hatte und die islamischen Errungenschaften zu
überbieten begann. Niemand dort interessierte sich für Abaelard oder Hume, für
Galileo oder Newton. Heute beschwört die islamische Welt unermüdlich und
beleidigt, dass der Westen ihr doch alles verdanke, ohne zu fragen, warum sie
ihre Schätze etwa ab dem 13. Jahrhundert in die Rumpelkammer zu stecken begann
und nicht mehr beachtete. Averroeismus gab es nur im Westen, nicht in der
islamischen Welt, und nicht dort, sondern europäischen Philosophen galt Avicenna
als dux et princeps philosophiae.
Die große positive Bedeutung, die das mittelalterliche
Spanien für ein genaueres und objektiveres Islambild in Europa und die Aneignung
arabischer Kultur im weitesten Sinne hatte, wird fast gänzlich überschattet
durch das schreckliche, lange Ende (1492-1609) des Zusammenlebens von Christen,
Muslimen und Juden in den Königreichen Kastilien, Aragon, Navarra und Portugal.
Die rechtlichen und institutionellen Modalitäten dieser jahrhundertelangen
kulturell und ökonomisch sehr produktiven Convivencia dreier
Religionsgemeinschaften entsprachen weitgehend denen des muslimischen al-Andalus,
das generell als leuchtendes Beispiel islamischer Toleranz angeführt wird. Die
Convivencia im mittelalterlichen Spanien verdiente, als analoges Beispiel
christlicher Toleranz besser bekannt zu werden. Die mittelalterliche Literatur
bietet einige erstaunliche Beispiele für eine geradezu neuzeitlich anmutende
Bewunderung der Muslime und Formulierungen des Toleranzgedankens. Wolfram von
Eschenbach mit seinem "Parzival" ist nur das bekannteste Beispiel - dort heißt
es: "Die nie die Botschaft vom Glauben der Taufe empfangen haben - ist das
Sünde, wenn man jene erschlagen hat wie Vieh? Große Sünde nenne ich das! Ganz
und gar von Gottes Hand sind schließlich die zweiundsiebenzig Völker, die er
erschuf." Die berühmte Rede der Gyburg im Kriegsrat, in der sie den Heiden den
Status der Gotteskindschaft zugesteht, wird auch "Toleranzrede" genannt, und
beide Textstellen sind in eine Unesco-Sammlung zum Thema Menschenrechte
aufgenommen worden.
Im Jahrhundert der Aufklärung werden solche Ausnahmen zur
Regel. Die Oriento- und Islamophilie der Aufklärer zeichnet ein idealisiertes
Bild der islamischen Welt - ihrer gleichsam aufgeklärten deistischen Religion
(keine Kirche, keine Kleriker, keine Inquisition, keine Bücherverbrennungen oder
autos da fé ... so glaubte man), ihrer Toleranz, ihrer gerechten Gesetzgebung
und undogmatischen Vernunft. Autoren wie Pierre Bayle oder Edward Gibbon,
Montesquieu, Voltaire, Lessing malten an diesem Bild des edlen Muslim mit,
dessen europakritische Funktion der des edlen Wilden entsprach.
Man könnte annehmen, dass die Romantik in ihrer Wendung gegen
die Aufklärung sich auch gegen deren positives Bild der islamischen Welt, des
Orients wenden würde. Mit der Romantik aber erreichte die Orientbegeisterung
neue Höhen, wenn auch freilich die Gründe und Begründungen dafür andere waren.
Im Orient sei "das höchste Romantische" zu finden, schreibt Friedrich Schlegel
1800. Drei Jahre später empfiehlt er den Weg in den Orient zu den Quellen eines
noch nicht modern zerfaserten, ursprünglich einheitlichen geistigen
Enthusiasmus.
Die Zahl der romantischen Werke orientalischer Thematik,
seien es Epen oder Gemälde, Opern oder Gebäude, ist groß und mit den
bedeutendsten Namen der Zeit verbunden - von Byron bis Delacroix, von Rossini
bis Lamartine, Goethe, Nerval, Meyerbeer, Vernet... All dies wird oft als
Exotismus abgetan: eine Schwärmerei, die Projektion eigener Wünsche und Bilder
auf einen im Grunde unbekannten Orient. Auch wo dies zutraf, wurde dadurch doch
nicht die große produktive Leistung der Romantiker verhindert, nämlich dass sie
durch ihre Begeisterung die wissenschaftliche Sammlung und Erforschung
orientalischer Quellen und Werke, das Studium orientalischer Sprachen und
Kunstwerke vorangetrieben und so - qua Philologie, Geschichtsschreibung und
Archäologie - die objektive Kenntnis gefördert haben.
Eine anachronistische Kritik der Orient- und Islambilder und
der einschlägigen künstlerischen wie wissenschaftlichen Werke, die nicht auch
deren Leistungen anerkennt, sondern nur die betrübliche Tatsache zu konstatieren
vermag, dass jene Menschen nicht so klug und moralisch hochstehend waren, wie es
ihre Kritiker heute sind, ist nicht sehr produktiv. Während jene versuchten, wie
immer unzureichend, etwas Neues zu sehen, zu beschreiben, zu verstehen (oder
auch zu imaginieren), fällt diesen immer nur derselbe geist- und trostlose
Refrain ein: "Tut nichts, der Westler wird verbrannt!"
Es gibt keine vorneuzeitliche Kultur/Zivilisation, die sich
selbst relativiert hätte, keine, die das Ideal der objektiven Selbst- und
Fremdwahrnehmung auch nur aufgestellt hätte. Einen Großteil dessen, was wir über
diese Reiche wissen, verdanken wir aber den modernen westlichen
Wissenschaftlern, ihren Methoden und Techniken, ihrem Interesse, ihrer Hingabe.
Mit Aufklärung und Romantik waren die beiden bis heute
grundlegenden Interpretationsmuster der westlichen Welt orient- und islamophil
konnotiert sowie araberfreundlich. Auch der neuzeitliche Kolonialismus und
Imperialismus waren keine antiislamischen Unternehmen. Soweit dabei Ideologie
neben ökonomischen und realpolitischen Gründen eine Rolle spielte, lautete deren
Schlachtruf "Zivilisation!", nicht "Dieu le veut!" Ein "Feindbild Islam" spielte
längst keine Rolle mehr.
Dass die islamische Welt in ganz besonderer Weise Opfer
westlicher Vorurteile, Irrtümer und Abneigungen sei - das stimmt einfach nicht.
Der Publizist und Übersetzer Siegfried Kohlhammer, geboren
1944, war von 1978 bis 2004 Lektor vorwiegend in Asien. Aufsehen erregte er 1995
mit seinem Essay "Die Freunde und die Feinde des Islam"im Merkur, den die
Zeitschrift nach dem 11. September 2001 noch einmal abdruckte.
Die Welt vom 18.09.2004
Wie friedlich ist der Islam?
Von Hans-B. Maier
Ein britischer Staatsbürger muslimischer Herkunft, seit
seiner Geburt in England zu Hause, fliegt ins Land seiner Eltern und erklärt
einem Fernsehreporter an der afghanischen Grenze am 31.10.2001, er wolle seinen
Glaubensbrüdern im Heiligen Krieg beistehen; er sei auch bereit, auf britische
Soldaten zu schießen. Von dem zwanzigjährigen Amerikaner John Walker Lindh, der
als Talibankämpfer von den US-Streitkräften gefangen genommen wurde, hören wir,
dass er Bin Laden, mit dem er mehrmals direkten Kontakt hatte, auch dann die
Treue gehalten habe, als ihm die Pläne für den Anschlag vom 11. September
bekannt geworden seien.
Islamistische Gewalt und ein mehr oder weniger aktives
Sympathisieren mit terroristischem oder zumindest menschenrechtswidrigem
Verhalten von Muslimen ist ein weltweites Problem. Dabei ist zunächst zu fragen:
Was ist Islamismus und was ist Islam? Und hilft uns eine solche Unterscheidung?
dass es im Fatwan – anders als
jedenfalls im Neuen Testament – programmatische Gewalt-Aufrufe gibt, kann jeder
sehen, der z. B. in der von Annemarie Schimmel kommentierten Reclam-Ausgabe die
unter dem Stichwort "Heiliger Krieg" angegebenen Stellen nachschlägt. Trotzdem
meinen viele, man dürfe keinen Zusammenhang zwischen dem Islamismus und dem
Islam sehen. In der Zeitschrift "Merkur" hat Siegfried Kohlhammer in einem
Aufsatz über "Die Feinde und die Freunde des Islam" bereits 1995 festgestellt,
dass man in Deutschland und anderen westlichen Ländern auf die zunehmenden
Gewalt- und Terrorattacken von Islamisten jedesmal geradezu reflexhaft nach
einem bestimmten Muster reagiere. Dazu gehörten die Appelle, man dürfe nun kein
"Feindbild Islam" aufbauen, und man müsse erkennen, dass es den Islam gar nicht
gäbe und dass der ("der"?) Islam eigentlich sehr tolerant sei. Wie
wirklichkeitsfremd solche psychologisch durchaus erklärbaren Reaktionen sind,
weist Kohlhammer mit Argumenten und Beispielen nach, die so wichtig und so
erschütternd sind, dass sein Essay zur Pflichtlektüre für alle wird, die sich
mit diesen existentiellen Problemen ernsthaft auseinandersetzen wollen. Nach dem
11. September haben die Herausgeber des "Merkur" denselben Text noch einmal
abgedruckt, und zwar im Novemberheft des vergangenen Jahres (S. 958-978).
Auch jetzt erleben wir ja wieder die bekannten
Verdrängungsmuster. Bin Laden und seine "Gotteskrieger" hätten nichts mit dem
Islam zu tun. Dafür einige Beispiele: Hans Magnus Enzensberger spricht in der
FAZ vom 18.09.2001 von einer allgemeinen Paranoia und wirft Drogensüchtige,
HIV-Positive und "narzisstisch gekränkte Schüler", die zum Messer greifen, mit
den Terror-Strategen in einen Topf. Andere glauben, der Terror lasse sich allein
aus politischer Ungerechtigkeit in Palästina und anderswo erklären. Ein Muslim
mit deutschem Namen behauptet im "Rheinischen Merkur" vom 28.09.2001, den Dschihadismus gebe es erst seit knapp hundert Jahren, und bemüht für die
ägyptischen Muslimbrüder die Nazis und die Bolschewiki. Häufig ist auch zu
hören, die Übersetzung "Heiliger Krieg" sei ein (böses?) Missverständnis. "Dschihad"
sei der spirituelle innere Kampf; Krieg sei nur zur Verteidigung des Glaubens
erlaubt. Wieder andere sagen, die Aufrufe im
Koran zur Bekämpfung oder
Vernichtung der Ungläubigen gälten nicht den Juden und Christen; sie ständen
sogar unter einem besonderen Schutz. Und schließlich wird daran erinnert, dass
der Koran auch viele schöne und
friedfertige Stellen enthalte und zu einer wunderbaren Poesie und einer tiefen
Mystik (Sufismus) inspiriert habe. Zu diesen Reflexen gehört auch die
Gleichsetzung muslimischer Terroristen mit "dem Christentum" in Geschichte und
Gegenwart: Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennungen, "christlicher Terror" in
Nordirland. Das kommt nicht etwa nur von Zeitgenossen, die der christlichen
Botschaft fern stehen, sondern gerade auch von Christen, die selbstkritisch und
korrekt sein wollen. Oder es wird umgekehrt an Beispiele vorbildlicher
muslimischer Toleranz in früheren Jahrhunderten erinnert, etwa an die Duldung
von Christen und Juden durch hochkultivierte islamische Herrscher in Spanien.
Wer auf Gewaltsuren im Koran
aufmerksam macht, bekommt oft zu hören, auch von Nichtmuslimen, die den
Koran gar nicht in die Hand
nehmen, diese Stellen gebe es nicht, sie seien falsch übersetzt, ganz anders
gemeint, dürften nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Oder aber, sie
seien zeitbedingt, nur aus der damaligen Situation Mohammeds heraus (als richtig
und berechtigt) zu verstehen. Und die Bibel wimmele schließlich auch von solchen
Stellen; wobei es kaum jemand für nötig hält, zwischen dem Alten und dem Neuen
Testament zu unterscheiden.
Auf einige dieser Gesichtspunkte sei noch ein wenig
eingegangen. Was das Palästina-Problem betrifft, so kann man die derzeitige
Politik Israels kaum gutheißen, zumal unter der derzeitigen Regierung. Die
verständliche Verzweiflung und Verbitterung der Palästinenser sollte uns aber
nicht blind dafür machen, dass es auf ihrer Seite ein Potential an
zerstörerischem Fanatismus gibt, das eindeutig mit dem
Koran zusammenhängt: In welchem
nicht-islamischen Land würden junge Menschen, und seien sie noch so schwer
unterdrückt und gedemütigt und ohne Perspektive, auf die Idee kommen, als
Bewerber für Selbstmordattentate Schlange zu stehen? Wo würden Mütter voll Stolz
und Zustimmung dabeistehen und lächeln, wenn ihre sechsjährigen Kinder vor der
Kamera verkündeten, sie wollten es auch bald dem großen Bruder gleichtun, der
sich bereits als heiliger Märtyrer direkt ins Paradies hinübergebombt habe? Je
mehr Feinde ein Attentäter in den Tod gerissen hat, um so größer ist der Jubel,
weshalb auch die Freudentänze vieler Palästinenser über die Ereignisse in New
York und Washington nicht allzu sehr verwundern sollten. Was beim
Palästinaproblem bezeichnenderweise immer wieder unbeachtet bleibt, ist der
Umstand, dass viele, wenn nicht gar die meisten Muslime in Palästina und
anderswo dazu entschlossen sind, den Staat Israel bis zur Liquidierung zu
bekämpfen, und zwar in jedem Fall, also ganz unabhängig davon, welche Politik
Israel betreibt, einfach deswegen, weil Palästina und Jerusalem von ihnen als
islamischer Boden beansprucht werden – und vielleicht auch, weil der
Koran selbst Vorurteile gegen
Juden (und Christen) schürt. Die Weltgemeinschaft müsste sich endlich dazu
bekennen, dass man von Israel nicht erwarten kann, es solle diesen absoluten
Vernichtungswillen der anderen akzeptieren – es sei denn, man wäre der Meinung,
dass der Staat Israel tatsächlich keine Existenzberechtigung besitze. Wird
dieses Existenzrecht aber von der Völkergemeinschaft grundsätzlich anerkannt,
und sei es nur, weil man die Geschichte seit 1948 nicht rückgängig machen kann,
so gilt: Sobald die Palästinenser in menschenwürdiger Autonomie (und möglichst
bald auch in einem eigenen Staat) leben, haben die "Freiheitskämpfer" auf ihrer
Seite, die dann immer noch mit Attentaten gegen israelische Menschen und
Einrichtungen vorgehen, als das zu gelten, was sie dann wirklich sind: als
islamische Terroristen.
Gewalt im Koran
Über die religiös-politischen Machtansprüche, die ein Moslem
grundsätzlich vertrete, schreibt der aus Algerien stammende Islamwissenschaftler
Mohammed Arkoun am 18.10.01 in der "Welt": "Alles, was im
Koran gesagt wird, hat das
Ziel, die bestehenden Religionssysteme vorerst zu disqualifizieren und dann, auf
längere Sicht, zu eliminieren. Dabei handelt es sich einerseits um den
Polytheismus, andererseits um die 'Völker des Buches', also Juden und Christen."
Wer kann nach einem Blick in die Geschichte und in den
Koran noch glauben, das
Islamismus-Problem sei erst durch den Zionismus oder durch modernes
Globalisierungsunrecht aufgekommen? Auch wenn "Dschihad" an manchen Stellen
symbolisch verstanden werden kann, bleiben Suren wie
2,191: "Und
erschlagt sie, wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wannen sie
euch vertrieben; denn Verführung ist schlimmer als Totschlag ..." (Mit
"Verführung" ist auch das gemeint, was den Mitgliedern von Shelter Now
vorgeworfen wurde. Wo haben in Deutschland oder weltweit Muslime gegen diese –
korangetreuen – Menschenrechtsverstöße protestiert?) In 8,39 heißt es: "Und
kämpft wider sie, bis kein Bürgerkrieg mehr ist und bis alles an Allah glaubt
...", in 47,
4:"Und wenn ihr die Ungläubigen trefft, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein
Gemetzel unter ihnen angerichtet habt; ..." In der neueren Koranübersetzung von
Rudi Paret (1979) lautet diese Stelle: "Und wenn ihr (auf einem Feldzug) mit den
Ungläubigen zusammentrefft, dann haut (ihnen mit dem Schwert) auf den Nacken!"
Hier ist also eine Relativierung und Differenzierung insofern möglich, als man
diese Tötungsbefehle nicht auf jeden Moslem in jeder Situation zu beziehen hat.
dass es aber Mohammed in der damaligen Situation jedenfalls darum geht, dass die
Andersgläubigen im Kampf umgebracht werden sollen, ist keine Frage: Was hätte
ein Schwert sonst am Nacken des Gegners verloren? Man liest, dass diejenigen,
die im Heiligen Krieg töten und getötet werden, besondere Glückseligkeit im
Paradies erwarte (z. B.
9,20; 47,5 und 6)
und dass Allah, wenn die Kämpfer ihr Vermögen (!) für den Sieg spendeten (!),
dieses "Darlehen" verdoppeln werde (57,
10 und 11). Vom "Dschihad im echten Sinn" sagt Annemarie Schimmel (Sch 2, S.
12), er müsse vom Imam ausgerufen werden, "der die Gegner erst einmal auffordern
muss, den Islam anzunehmen" – als würde dieses zuvor erforderliche Ultimatum die
Sache besser machen!
Auf die Frage, ob Juden und Christen als Ungläubige zu gelten
hätten, gibt der Koran
widersprüchliche Antworten. Anfangs hofft Mohammed noch mehr auf deren
Zustimmung, vor allem auf die der Juden. Im Herbst 622 entschließt er sich zur
Emigration (Hedschra) von seiner Heimatstadt Mekka nach Yathrib, dem späteren
Medina. Bis zum 11. Februar 624 bemüht er sich eifrig um die dort lebenden
jüdischen Beduinenstämme, wie den aus dieser Zeit stammenden Suren zu entnehmen
ist, übernimmt auch israelitische Rituale. Zum Bruch kommt es, weil die Juden
ihm nicht folgen wollen, ihm nachweisen, dass er ihre Bibel, auf die er sich
immer wieder bezieht, gar nicht richtig kenne und dass der
Koran voller Irrtümer sei. Von
da an müssen die Muslime ihre Gebete nach Mekka und nicht mehr nach Jerusalem
ausrichten, und Mohammed verkündet nun mit der von ihm beanspruchten göttlichen
Koran-Vollmacht (Sure
2,127), die Ka’ba in Mekka sei von Abraham und seinem Sohn Ismael erbaut
worden (vgl. dazu z. B. Mircea Eliade, "Geschichte der religiösen Ideen",
Freiburg, Herder/Spektrum 1983, S. 78 ff.). Da, wo Juden und Christen später als
"Schutzbefohlene" einen Sonderstatus genießen, geht es um ihre steuerliche
Ausbeutung (Sch 2, S. 116; Gl, S. 312). Es gibt aber auch Stellen, wo sie wie
alle Nichtmuslime zu den Ungläubigen gehören, z. B. in 9,29. Von diesem
Feindbild leben manche Koran-Passagen
geradezu. Man sammelt sich gegen etwas. Interessierte brauchen nur einmal die
zweite Sure
daraufhin zu untersuchen, wie oft "die anderen" mit Begriffen bezeichnet werden
wie: die Ungläubigen, die Ungerechten, die Frevler, die Verlorenen, die
Verführten, die Abtrünnigen; auch von Satanen ist die Rede, und natürlich immer
wieder von den Feinden – weil sie sich nicht der mohammedanischen Gruppe
anschließen wollen. In 9,30 soll Allah die Christen totschlagen, weil sie reden
wie die Ungläubigen: Sie sagen, der Messias sei Allahs Sohn. ("Allah schlag sie
tot!"/ nach Rudi Paret wörtlich: "Gott bekämpfe sie!" Hier ist auch noch zu
fragen: Spricht hier eigentlich Allah, wie ja für den ganzen
Koran behauptet wird, oder
nicht doch der Mensch Mohammed?) Verboten ist die Freundschaft mit Juden und
Christen (5,51): "Oh ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die Juden und
Christen zu Freunden; .... Siehe, Allah leitet nicht die ungerechten Leute."
(Rudi Paret: "Ihr Gläubigen! Nehmt euch nicht die Juden und Christen zu
Freunden. ... Gott leitet das Volk der Frevler nicht recht.") Die auffallend
rasche Islamisierung ursprünglich christlicher Länder – wie in der heutigen
Türkei und in Nordafrika – kam nicht durch freie Entscheidungen für einen
Glauben zustande, der die Konvertiten in ethischer oder spiritueller Hinsicht
mehr überzeugt hätte. Natürlich wurde der Islam teilweise auch mit dem Schwert
ausgebreitet. Und selbst wenn die Buchreligionen ausgenommen wären von der
Gewalt und Feindschaft, was wäre das für eine Beruhigung?
Auch die sanften Stellen im
Koran und die islamische Mystik
sind ein schwacher Trost, unter anderem deshalb, weil diese Strömungen nie
größere gesellschaftliche Bedeutung erreicht haben. Von Glasenapp schreibt, dass
sie "den streng Gläubigen von jeher als eine schlimme Ketzerei" gegolten hätten
(Gl, S. 329).
Zur Gleichsetzung islamischen Terrors mit Gewalttaten, die in
Zusammenhang mit dem Christentum genannt werden, ist zu sagen, dass in
christlichem Namen und im Auftrag der Kirche unfassbare Grausamkeiten verübt
worden sind, abgesegnet und sogar initiiert durch hohe kirchliche Würdenträger
wie einen Bernhard von Clairvaux, was besonders schockierend und letztlich
unbegreiflich für den sein muß, der aus einem Einblick in die Schriften dieses
Mannes eine Ahnung von seiner sonstigen Gesinnung gewonnen hat. Während der
Kreuzzüge waren die Opfer dieser Greueltaten vor allem Muslime. Es gibt dafür
keine Rechtfertigung. Gerade das kann man aber heute von allen Vertretern
christlicher Kirchen hören: dass es sich hier um einen Irrweg handelte, um
zutiefst unchristliche Verfehlungen. Ein Beweis dafür ist das Neue Testament
selbst, das ja nicht nur frei von jeder Gewaltprogrammatik ist, nicht nur
ausdrücklich den Verzicht auf jede Gewalt und sogar Lieblosigkeit fordert,
sondern die Nächstenliebe und selbst die Feindesliebe verlangt. dass es im Alten
Testament anders aussieht, ist bekannt. Aber auch hier müsste man sehr
differenziert nach der Textsorte fragen, wenn es um Gewalt geht. Die
Gewalttaten, von denen hier (oft nur bildlich) gesprochen, berichtet, erzählt,
geträumt, gedichtet, phantasiert wird, auch von klagenden und verzweifelt
fluchenden Psalm-Betern, sind jedenfalls nie Handlungsanweisungen einer
historisch so fassbaren Person wie im Falle Mohammeds, die den Lesern oder
Hörern als prophetische Autorität und zugleich als Feldherr und Machtpolitiker
konkret sagt, was sie jetzt und in der Zukunft zu tun haben: Wenn die und die
Situation eintritt, dann sollt ihr ... Außerdem hat man als Christ auch die
Freiheit, sich auf den zu berufen, der in der Bergpredigt gesagt hat: "Den Alten
wurde gesagt ... Ich aber sage euch ..."
Wenn man unter "christlich" die eigentliche Botschaft
versteht, die man – wenn auch nicht nur – im Neuen Testament finden kann, so
wird klar, wie absurd die Behauptung ist, auch da gäbe es doch Gewalt oder gar
Terrorismus. dass es sich mit dem
Koran anders verhält, ist noch zu zeigen. Schließlich aber ist der Verweis
auf eine gewalttätige christliche Praxis oder gar Lehre insofern nicht hilfreich
und auch irreführend, als wir ja zunächst einmal danach fragen dürfen und sogar
müssen, wie es heute aussieht. Da wird Nordirland genannt. Die Rede von einem
"christlichen Terrorismus" ist aber deswegen völlig unangemessen, weil es in
diesem perversen Bürgerkrieg in keiner Weise um irgendwelche Glaubensinhalte
oder gar um Gebote des Neuen Testaments geht. Die Kontrahenten könnten sich
heute genauso gut auf zwei verschiedene Fußballmannschaften berufen. Man hat
auch noch nie gehört, dass ein IRA-Bombenleger zur Tat seine Heilige Schrift
mitgenommen hätte (wie das etwa bei Mohammed Atta der Fall war) oder dass er in
der Nacht davor inbrünstig darin gelesen und gebetet hätte. Im übrigen ist die
Paranoia in Nordirland derzeit weltweit der einzige Fall, wo Gewalttäter und
Terroristen in politisch-territorialen Auseinandersetzungen mit christlichen
Etiketten versehen werden. Zu fragen bleibt immerhin, warum die beiden Kirchen,
denen in Nordirland so schlimm geschadet wird, sich offiziell nicht mehr von
diesem Wahnsinn distanzieren, nicht deutlicher darauf hinweisen, dass die dort
aktiv Beteiligten keinerlei Recht haben, sich bei ihren Untaten katholische oder
evangelische Christen zu nennen.
Von Muslimen begangene Menschenrechtsverletzungen, Gewalt-
und Terrortaten jedoch lassen sich nicht nur unmittelbar aus dem
Koran ableiten, sondern sie
werden auch tatsächlich millionenfach aus diesem Buch abgeleitet, und zwar in
der Gegenwart, von Regierungen und Einzelpersonen, sogar in zunehmendem Maß. In
dem oben erwähnten Aufsatz betont Siegfried Kohlhammer unter Berufung auf einen
muslimischen Wissenschaftler, dass "die fundamentalistische Weltsicht heute die
vorherrschende unter den Muslimen" sei (S. 977). Der Islamismus nimmt zu, und
laut Amnesty International werden "in keinem einzigen der 46 islamischen Länder
... die in der Deklaration der Menschenrechte von 1948 angeführten Rechte"
respektiert (S. 965). In manchen islamischen Staaten wie z. B. im Sudan werden
unsägliche Greueltaten begangen. Oft sind es Christen, die diskriminiert und
grausam verfolgt werden, etwa in Ägypten, Pakistan, Osttimor – und eben im
Sudan, dessen Staatspräsident vor einer Fernsehkamera Osama Bin Laden als einen
zutiefst religiösen Helden des Islam beschreibt, ebenso wie der Vorsitzende des
Rates der islamischen Geistlichkeit in Mombasa, eine Einschätzung, die auch dem
Selbstverständnis dieses – subjektiv idealistisch gesonnenen – Mannes
entsprechen dürfte. (Diese im September 2001 bei uns in der Sendung "Jagd auf
Bin Laden" ausgestrahlten Fernsehinterviews wurden zwar vor den
September-Anschlägen aufgenommen. Aber auch damals waren schon "kleinere"
Terrorakte Bin Ladens, mit zahlreichen Todesopfern, bekannt gewesen.)
Wie stellen sich prominente Islam-Vertreter in Deutschland zu
solchem Terror? Ein Imam aus Nürnberg namens Jussuf Usa wird im Bayerischen
Fernsehen am 24.9.2001 gefragt: "Sind die Taliban Islam?" Antwort: "Islam ist
das heilige Gesetz, ist Koran.
... Ob sie (die Taliban) tolerant sind, ob sie gut sind, das weiß nur Gott." Das
heißt, vielleicht sind sie gut! Jedenfalls will oder darf er nichts Negatives
über sie sagen, sich nicht von ihnen distanzieren. dass sich führende Muslime in
Deutschland nicht klar genug vom Terrorismus absetzen, ist ein bekanntes
Phänomen. In vielen Fällen hat man den Eindruck, dass sie taktieren. Das gilt z.
B. für den Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland und
Direktor des Islamischen Zentrums in München-Freimann, Ahmet Al-Khalifa. Die
Süddeutsche Zeitung spricht einmal (am 27./28.10.2001) in Frageform von der "Taqiya",
dem islamischen Gebot der Verstellung. Al Khalifa ist Gesprächspartner des
bayerischen Kultusministeriums für islamischen Religionsunterricht und steht
zugleich (laut SZ vom 2./3.10.2001) im Verfassungsschutzbericht. Seinen
Asylantrag hat er damit begründet, dass er in Ägypten als Mitglied der
Muslimbruderschaft (!) (die das Grundgesetz per definitionem nicht anerkennen
kann) verfolgt worden sei. Von einem Mann, der wegen des ersten Anschlags auf
das World Trade Center als Terrorist verurteilt wurde und zuvor im Islamischen
Zentrum in München-Freimann aus- und eingegangen war, sagt Al Khalifa, dass er
in seinem Zentrum "nur ein paar Monate gewohnt" habe, da lebten "viele Leute".
(Auch von den muslimischen Einrichtungen in Deutschland, in denen sich die
Terroristen um Mohammed Atta vor ihrem letzten Einsatz aufgehalten haben, kommen
vor allem Reaktionen der Abwehr, kaum Hinweise auf irgendwelche grundsätzlichen
Einsichten, Distanzierungen, Kursänderungen.) Al Khalifa äußert sich noch über
Muslime, die offensichtlich zum Teil auch bei uns über den 11. September
gejubelt haben, folgendermaßen: "Wenn mich mein Nachbar lange genug ärgert, kann
ich dann meine Schadenfreude unterdrücken, wenn bei ihm zuhause eine
Wasserleitung bricht?" (SZ vom 2./3.10.2001)
Wohlgemerkt, hier geht es nicht um Menschen, die aktiv und
offen gegen unsere Gesetze verstoßen, wie etwa der "Kalif von Köln" Metin
Kaplan, der wegen eines – prompt befolgten – Mordaufrufs verurteilt wurde und
zusammen mit zahlreichen Anhängern vor Gericht "mit einer kaum zu glaubenden
Unverblümtheit" (SZ vom 20.9.2001) verkündete, ihn interessiere das deutsche
Recht überhaupt nicht, sondern nur die Scharia. Aber muss einen bei einem
Partner wie Al Khalifa nicht auch ein Unbehagen beschleichen? Hat man
verstanden, will man verstehen, dass Integration mit Solidarität zu tun hat und
etwas anderes sein muss als die Etablierung von Parallelgesellschaften? Nach den
Anschlägen in New York und Washington äußerten Politiker in Deutschland die
Hoffnung, sie würden aus muslimischen Begegnungszentren zahlreiche sachdienliche
Hinweise auf verdächtige Personen bekommen, welche sich offensichtlich in diesen
Bereichen aufgehalten hatten, Hinweise von Mitbürgern also, die etwas hätten
bemerkt haben müssen und nun bereit sein müssten, mit den Behörden gegen den
Terror zusammenzuarbeiten. Und dann war man sehr enttäuscht darüber, dass man
keinen einzigen Hinweis bekam. Vielleicht eine notwendige Ent-Täuschung? Zu
denken geben muss einem auch Nadeem Elyas, der Vorsitzende des Zentralrats der
Muslime in Deutschland, der zum Ausdruck bringt, man sollte sich als Muslim in
diesem Land eben (vorerst?) damit abfinden, dass man die Scharia "flexibel"
handhaben müsse (SZ vom 27.9.2001).
Wie wichtig es ist, dass wir uns über unsere Maßstäbe im
klaren sind, hat sich an einem kleineren Beispiel auch gezeigt, als deutsche
Gerichte das Problem, ob bei uns in größerem Umfang geschächtet werden dürfe,
davon abhängig machten, wie zwingend die islamische Religion es vorschreibe. Man
sprach von Religions- und Berufsfreiheit. Was aber, wenn sich, wie hier der
Fall, Widersprüche zum hiesigen Tierschutzgesetz ergeben?
Beschwichtigungen
Zum Stichwort "Feindbild Islam" noch einige Überlegungen.
Siegfried Kohlhammer weist darauf hin, dass es eher um das Feindbild in den
Köpfen der Zeitgenossen geht, die überall schlimme Feindbild-Bastler am Werk zu
sehen glauben. Man warnt vor einem Phantom, vor Vorurteilen, die in dieser
suggerierten Form gar nicht existieren. In Wirklichkeit wird eher beschwichtigt,
wobei an die Stelle von Argumenten oft Beteuerungen treten. Warum diejenigen
verharmlosen, die es vielleicht doch nicht so harmlos meinen, ist klar. Was sind
die Motive derer, die auf nicht-muslimischer Seite beschwichtigen? Erstens: Man
will – ganz allgemein – keine Scherereien haben, auch nicht gedanklich.
Zweitens: Man fürchtet den Vorwurf der Intoleranz (oder gar
Fremdenfeindlichkeit), will zeigen dass man keine "dumpfen" Vorurteile, keine
Superioritätsphantasien pflegt. Drittens: Man sieht immer weniger Grund, sich zu
einer eigenen kulturellen Identität zu bekennen. Viertens: Religion spielt in
Westeuropa kaum noch eine Rolle, ist den meisten völlig gleichgültig. Das gilt
insbesondere für das Christentum. Fast alles andere scheint attraktiver,
zumindest akzeptabler zu sein. Fünftens: Manche halten kritische Äußerungen über
den Islam auch im Hinblick auf ihre eigene Sicherheit für riskant. Ein einziger
Fanatiker würde ja genügen. In Deutschland soll es an die dreitausend
gewaltbereite muslimische Extremisten geben, eine Zahl, die von Beschwichtigern
wiederum eifrig in Frage gestellt wird. Festzustellen ist zum Feindbegriff noch,
dass jeder Mensch dann Feinde (und nicht Feindbilder) hat, wenn er von anderen
Menschen bedroht wird. Bin Laden ist unser Feind, ob wir wollen oder nicht. Auch
Jesus hatte Feinde und sah, dass andere Feinde hatten. Sonst hätte er nicht
umgebracht werden und nicht die Feindesliebe aufbringen können. Das Christentum
lehrt, dass man den Feind nicht hassen und ihm verzeihen soll. Es lehrt nicht,
dass man keine Feinde haben, sie nicht sehen, sich nicht vor ihnen in acht
nehmen dürfe.
Wegen dieses hohen Ideals der Nächsten- und Feindesliebe wird
es immer ein leichtes sein, den Christen Versagen vorzuwerfen, auch in einer
Zeit ohne Kreuzzüge. Und doch bewirkt diese Ausrichtung auf ein völlig
unerreichbares Vorbild, dass es zu allen Zeiten auch eine unverfälschte
christliche Tradition gegeben hat, die uns heute dazu veranlassen würde, bei
einem christlichen Geistlichen, der Hass oder gar Mord predigen würde, unter
Protest aus der Kirche zu gehen. Wir würden sagen: Dazu komme ich doch nicht in
die Kirche! Was ist das für ein Pfarrer? Man weiß aber, dass es bei islamischen
Freitagsgebeten und auch in Koranschulen ganz anders zugehen kann.
Zweifel am Propheten
Und das hat offensichtlich mit dem
Koran und mit Mohammed selbst
zu tun. Man müsste zumindest versuchen, Muslimen zu vermitteln, dass es kein
unfreundlicher Akt oder gar ein persönlicher Angriff auf islamische Gläubige und
die ihnen heiligen Werte sein soll, wenn wir offen sagen, dass und warum wir im
"Westen", beispielsweise als Christen, Mohammed natürlich keineswegs für ein
untadeliges Vorbild und gar für sündenfrei halten können, wie das für die
Muslime gilt (Sch 3, S. 48; Sch 2, S. 50). Die unvoreingenommen Autoren stimmen
darin überein, dass er zumindest eine überaus schillernde und rätselhafte
Persönlichkeit war, voll von Widersprüchen, und dass er Taten verübt hat, die
moralisch äußerst fragwürdig und schockierend waren.
Von Glasenapp stellt fest, dass Mohammeds auf Gott
zurückgeführte Eingebungen mit schweren psychophysischen Erschütterungen
verbunden gewesen seien und dass er in späterer Zeit "diese Anfälle dann hatte,
wenn er moralisch höchst anfechtbare Anordnungen erließ oder sogar seinen
sexuellen Wünschen dadurch eine größere Autorität verleihen wollte, indem er sie
als eine göttliche Verkündigung ausgab" (Gl, S. 304). Zu denken ist dabei z. B.
an Sure 33,50, wo
dem Propheten diesbezügliche Privilegien zugestanden werden. Es gibt auch Suren,
bei denen es um persönliche Heimzahlung geht: Nr.
112 z. B. ist die
Abrechnung mit Verwandten, die ihn nicht als Propheten anerkennen. Manche
Forscher sagen deutlich, mit Bezug auf Stellen im
Koran, er habe seine
Offenbarungen nach Bedarf bekommen, um seine Anweisungen im privaten und
politischen Bereich zu legitimieren. Es ist zwar richtig, dass er sich immer nur
als Sprachrohr Allahs ausgegeben hat, insofern also bescheiden war. Aber gerade
dadurch mussten seine Gläubigen natürlich immer Allah und seinem Propheten
gehorchen. Seine "umma", die Gemeinde der Gläubigen, war ja von Anfang an ein
auf Expansion bedachtes politisches Gebilde, das (vor allem ab 622) nur mit
großer Autorität zu organisieren war. Mircea Eliade sagt, Mohammed habe in
seiner Funktion als Koran-Prophet die arabische Nation geschaffen. Immer wieder
liest man, er habe dabei mit List und Verstellung gearbeitet, mit (frommem)
Betrug, mit Gewalt, so z. B. bei Eliade, Glasenapp, Tor Andrae, Gustav Mensching.
In der 17. Sure ist gar von einer nächtlichen Himmelsreise von der Ka’ba nach
Jerusalem die Rede, die dazu gedient habe, seine Anhänger zu beeindrucken.
Bekannt ist auch, dass Mohammed zur Durchsetzung seiner Ziele Friedensgesetze
gebrochen, Gefangene grausam umgebracht, Karawanen zu Beutezwecken überfallen
hat (Sch 2, S. 44 f.; Gl S. 305 ).
Unterschiede zwischen Christentum und Islam
Nun können auch angefochtene Menschen zu Trägern von Segen
und Offenbarung werden. Aber auch die Botschaft selbst ist für den
unvoreingenommenen Beobachter ein Problem: Der
Koran, so heißt es,
unterscheide sich von allen anderen Offenbarungen dadurch, dass er nicht
Gegenstand einer Diskussion sein könne, für jeden Moslem völlig unantastbar sei.
Er stammt nach muslimischer Auffassung nicht von Mohammed
(weshalb Muslime nicht "Mohammedaner" genannt werden wollen), sondern von Gott
selbst, und zwar, weil das – so der Zirkelschluss – im
Koran steht. Dieser
Zirkelschluss ist das eigentliche Problem. Das Buch habe schon immer in der
vorliegenden Form existiert, in arabischer Sprache also. (Mit der Vorstellung
von einer Präexistenz diese Buches verträgt sich eines besonders schlecht: die
Tatsache, dass Mohammed zahlreiche Suren offensichtlich für den politischen
Tagesbedarf herausgebracht bzw. wieder eingezogen hat.) Der
Koran kann nach islamischem
Denken eigentlich auch nicht übersetzt, sondern nur auf arabisch rezitiert
werden, ist im Idealfall auswendig zu lernen, auch wenn man die Worte nicht
versteht. Schon das Vortragen von Koranversen gilt als verdienstvoll. "Koran"
bedeutet "Rezitation". Der Umstand, dass nicht-fundamentalistische Juden und
Christen ihre Offenbarungsschriften als Niederschlag von unterschiedlichen und
historisch bedingten Gotteserfahrungen sehen, bei deren Überlieferung sich auch
Unstimmigkeiten ergeben können, wird als Beweis dafür genommen, dass sie falsch
seien. Das heißt also: Gerade die Tatsache, dass die Aussagen der Bibel nicht
auf einen Menschen zurückgehen, sondern auf viele, während der
Koran eben mit der
Glaubwürdigkeit dieses einen Menschen steht und fällt, spricht für Muslime gegen
die Seriosität der Bibel und für den Anspruch des
Koran. dass Mohammed im Laufe
seiner Verkündigungen viele Verse zurückgezogen und durch andere ersetzt hat,
nach Bedarf, wie kritische Beobachter sagen müssen, gilt als Ausdruck dafür,
dass Allah die Freiheit habe, sich zu widersprechen. Sure 2, 106: "Was Wir auch
an Versen aufheben oder in Vergessenheit bringen, Wir bringen bessere oder
gleiche dafür. Weißt du nicht, dass Allah über alle Dinge Gewalt hat?"
Überall da, wo der
Koran von der Bibel abweicht,
gilt seine Darstellung als Korrektur der jüdischen und christlichen
"Fälschungen" (Sch 1, S. 11). Welche "Fälschungen" korrigiert der
Koran? Jesus wird anerkannt,
aber nur zur Bestätigung mohammedanischer Aussagen und als letzter Vorläufer des
eigentlichen Propheten. Er wurde nie gekreuzigt, das war ein anderer (4,157;
in Kommentaren zu dieser Stelle, so kann man von Muslimen erfahren, stehen
Begründungen wie diese: Es war schon dunkel, als Jesus gefangen genommen wurde.
Deshalb konnten die Schergen nicht sehen, dass sie den Falschen gefasst hatten.
Oder: Wenn der Verhaftete wirklich Jesus der Prophet gewesen wäre, so hätte er
vor Pilatus nicht schweigen können, sondern sich verteidigen müssen. – Hier
spürt man besonders deutlich, wie der Wunsch der Vater des Gedankens ist.) Es
gibt nach islamischer Darstellung keine Erlösungsbedürftigkeit; kein Golgatha,
kein Ostern, kein Pfingsten. Gott kann auch kein Vater sein. Die Trinität ist
Vielgötterei von Ungläubigen. Besonders verwerflich und verächtlich ist die Idee
der Feindesliebe. Allah gebietet nichts anderes als: Auge um Auge ... (5,
44 – 47).
dass sich das Christentum mit dem Islam vergleicht, ist nahe
liegend, wird den Christen durch solche Korrekturansprüche ja geradezu
aufgedrängt – im Unterschied beispielsweise zu dem äußerst differenzierten und
unserer Mentalität schwerer zugänglichen Buddhismus, wo man ja immer unsicher
ist, was da überhaupt zu vergleichen ist, und ob man der anderen Botschaft je
gerecht werden kann. Für den Vergleich zwischen Christentum und Islam gilt aber
nun: Von den wesentlichen christlichen Aussagen bleibt nichts übrig. Ist es
wirklich so intolerant – oder vielleicht einfach realistisch, wenn man dann
feststellt, dass diese Religion, wenn sie die Herzstücke des Christentums
programmatisch und aktiv als Fälschungen abtut, nicht nur unchristlich ist,
sondern auch antichristlich? Und ist es wirklich nur rechthaberische Ideologie,
wenn ein Christ von dem, was uns von Jesus überliefert ist, den Eindruck hat,
dass es da um eine ganz andere Qualität geht? Um eine Lichtgestalt von einer
wohl wirklich einmaligen Offenheit nach oben und zu den Menschen hin. Berichtet
wird, dass Jesus sich gerade denen, die aus der Liebe ganz herausgefallen waren,
zugeneigt hat, ihnen einzeln nachgegangen ist, dass er die Güte in Person war,
frei von jedem Egoismus. Historisch gesichert ist, dass er viele Feinde hatte
und dass keiner seiner Gegner ihm eine einzige Falschheit oder Untat nachsagen
konnte, offensichtlich deshalb, wie er ganz in und aus der Liebe gelebt hat.
Warum sollte man als Christ nicht bekennen, dass ein Prophet Jesus, der dem
eigentlichen Propheten Mohammed und seiner Lehre als Vorläufer dienen soll, mit
dem historischen Jesus nichts zu tun hat – geschweige denn mit dem verkündigten
Christus? Und trotzdem hört man heute häufig, nicht nur von völlig
uninformierten Privatleuten, sondern oft auch von offiziellen Vertretern
christlich-muslimischer Begegnungsstätten, im wesentlichen stimmten Islam und
Christentum doch überein.
Ein besonderes Merkmal islamischer Mentalität scheint zu
sein, dass es (noch?) zu wenig um Dialog, Offenheit, Freiheit, Wahrheitssuche
geht und wohl eher um Festlegung (auch theologisch: Prädestination), um
Gesetzlichkeit (fünf Säulen), um die in einem Kollektiv Identität stiftende
Durchsetzung von Macht- und Besitzansprüchen – selbst noch im Paradies: Man(n)
bekommt "Jungfrauen mit schwellenden Brüsten", die noch keiner besessen hat (78,33;
55,72). Es gibt
Gnade und Vergebung, aber nur nach völliger Unterwerfung (="Islam") unter den
Willen Allahs – und (!) seines Propheten. Dieser Durchsetzungsanspruch scheint
auch anstelle einer Theologie zu herrschen. Historische Tatbestände werden
geleugnet (Kreuzigung; Beeinflussung Mohammeds durch – freilich sehr
oberflächliche – Kontakte mit jüdischer und christlicher Überlieferung, auch im
Umgang mit einem Cousin seiner ersten Frau, der Christ war), ebenso wie
philologische: Nach 61,6 hat Jesus einen Gesandten namens Ahmad vorausgesagt,
was wie "Muhammad" "der Vielgepriesene" bedeutet. In einer Anmerkung dazu
erklärt A. Schimmel, die Muslime behaupteten, dass der versprochene Paraklét im
Johannesevangelium (14,16.26; parákletos=der Beistand, der Heilige Geist) eine
christliche "Fälschung" sei: Es müsse heißen "periklytós" (=der Vielgepriesene),
eine uralte homerische Vokabel, die das Neue Testament nicht kennt.
Schwieriger Dialog
In einer ehrlichen Begegnung mit Muslimen sollten Christen
deutlicher sagen, woran sie glauben und was sie für wahr halten – und warum,
vielleicht etwas deutlicher als Lessing im "Nathan" mit seiner Botschaft von der
Gleichgültigkeit. Wer bei uns das Christentum ablehnt, sollte nicht möglichst
viel Christliches unter "Fundamentalismus"-Verdacht und dann auf eine Stufe mit
dem islamistischen Terror stellen. Es gibt meines Wissens nur einen Bereich, wo
man christliche Fundamentalisten mit Gewalt in Verbindung bringen darf. Gemeint
sind die militant fanatischen Abtreibungsgegner in Amerika, die glauben, die
Tötung ungeborener Kinder gäbe ihnen das Recht, dafür den Abtreibungsarzt zu
töten. Ansonsten sind christliche Fundamentalisten meist sehr friedfertige
Menschen, die nicht in der Lage oder nicht bereit sind, zu verstehen, dass die
Aussagen der Bibel oft nicht wörtlich, sondern in einem symbolischen Sinn zu
verstehen sind. Aus Angst, sie könnten ihren Glaubenshalt verlieren, verlangen
sie, Gott müsse die Welt in sechs Tagen zu 24 Stunden geschaffen haben.
Der Spiegel hat sogar (am 8.10.01) eine biblische
Sagengestalt wie Samson und christliche Jugendsekten, die Jesus-Plakate
herumtrugen, mit Bin Laden verglichen. Auch nicht-christliche Zeitgenossen
sollten daran interessiert sein, dass gewisse christliche Grundwerte, die in
allen islamischen Staaten und zum Teil auch von Muslimen bei uns mehr oder
weniger missachtet werden, Geltung bekommen, auch in Form von Verträgen, schon
im Hinblick auf rechtsstaatliche Normen: Trennung von Religion und Staat (Gebt
dem Kaiser, ...; Mein Reich ist nicht ...); Würde aller Menschen – unter
Verzicht auf jegliche Scharia; die Gleichberechtigung der Frau (in
4,34 z. B. wird
zum Schlagen widerspenstiger Ehefrauen aufgerufen. Nach 4, 11 soll eine Tochter
nur halb so viel erben wie ein Sohn.); Meinungs- und Glaubensfreiheit und das
Recht, friedlich für eine Glaubensüberzeugung zu werben oder sich vom Islam
loszusagen, ohne von der Ermordung (z. B. durch eine "Fatwa",
wie Salman Rushdi) bedroht zu sein.
Ein ernsthafter Dialog wird schwierig sein, sowohl über
politisch-rechtliche als auch (und besonders) über religiöse Vorstellungen, was
ja für den Muslim nicht zu trennen ist. Er wird aber um so eher möglich sein, je
deutlicher beide Seiten, Muslime und Nicht-Muslime, zum Ausdruck bringen, was
sie, auch langfristig, wollen und was sie nicht akzeptieren können, um den
Spielraum für Kompromisse offen auszuloten. Ein friedliches Nebeneinander oder
auch ein Gegenüber in respektvollem Abstand ist besser als ein Miteinander, dem
die ehrlichen Voraussetzungen fehlen. Ehrlicher wäre z. B., dass wir aufhörten,
bei uns mit zweierlei Maß zu messen: So kann es nicht darum gehen, wer eine
Salman-Rushdi-Fatwa verkünden
oder ob Bin Laden einen Heiligen Krieg ausrufen darf, sondern nur darum, dass
solche Handlungen als Straftaten und schwere Menschenrechtsverletzungen in
keinem Fall zu akzeptieren sind. Aus ähnlich prinzipiellen Gründen sollten bei
uns alle Wert darauf legen, dass nur die Muslime im Westen Moscheen bauen
dürfen, die sich glaubhaft dafür einsetzen, dass auch in allen muslimischen
Ländern christliche Kirchen oder buddhistische Tempel errichtet werden können.
Es geht darum, dass wir uns definieren, den Muslimen mit klaren Konturen
gegenübertreten, um für sie ernstzunehmende Partner zu sein. Wenn sie hören,
dass Vertreter des Westens zwar einen Krieg gegen ein islamistisches
Terrorregime (Taliban) beginnen, aber dann allen Ernstes darüber diskutieren, ob
man den Krieg im Fastenmonat Ramadan nicht lieber unterbrechen sollte, so kann
das auf muslimischer Seite nur unerwünschte Reaktionen auslösen, nämlich eher
Verachtung für eine Schwäche des anderen. dass eine solche Inkonsequenz
gewürdigt und umgekehrt auf Bräuche der anderen Religion Rücksicht genommen
würde, das wäre schon ein allzu naive Erwartung.
Sehr wichtig ist bei alledem die Frage, inwiefern
muslimischer Abscheu gegen unsere Gesellschaft berechtigt ist:
Pornographisierung, Ego- und Spaßgesellschaft, hemmungsloser Materialismus,
alles Phänomene, die oft einfach mit Demokratie gleichgesetzt werden. Hier
könnten wir viel von den Muslimen annehmen. Nicht nur, um andere weniger vor den
Kopf zu stoßen, sondern auch im Interesse unserer eigenen gottgewollten
Menschenwürde.
Literatur
-
Der Koran. Übers. von Max Henning, Stuttgart
1991 (Reclam); Einleitung und Anmerkungen von Annemarie Schimmel = Sch 1
-
Annemarie Schimmel, Im Namen Allahs, des
Allbarmherzigen. München 1996 (dtv) = Sch 2
-
Annemarie Schimmel, Die Religion des Islam.
Stuttgart 1990 (Reclam) = Sch 3
-
Helmuth von Glasenapp, Die fünf
Weltreligionen. Düsseldorf/Köln 1963 = Gl
-
Hans-B. Maier ist Gymnasiallehrer in
Vilsbiburg (Niederbayern) und Volkshochschul-Dozent in München.
Die Neue Ordnung 1/2002
Islam Debatte: Historischer Chauvinismus
Eine Kritik der
Thesen von Egon Flaig
"Hätte es
nicht jene mütterliche Liebe der Kirche gegeben, ... auch wenn sie am Ende den
mündig gewordenen Bürger allzu sehr bedrängte ..., wären die europäischen
Völkerscharen in arabische Räuberhaufen ausgeartet." Georg Friedrich Sartorius,
Geschichte des Hanseatischen Bundes, Bd. 1, Göttingen 1802, S. IV.
Von Martin
Behrens - Die Schari’a sei, „egal wie abgemildert, auf radikalste Weise ...
anti-menschenrechtlich”, befindet der Greifswalder Althistoriker Egon Flaig in
der Januar-Ausgabe des Greifswalder Universität-Magazins Moritz in seinem (äussert
scharfsinnigen und in vielen Punkten zutreffenden) Essay „Djihad und Dhimmitude
- Warum der Scharia-Islam gegen die Menschenrechte steht”.
Der Aufsatz ist
eine überarbeitete Version eines Flaig-Artikels aus der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung vom 16. September 2006. Wegen des Vorwurfs der Beleidigung des Islams
hat Ägypten die Ausgaben der FAZ verboten. Die Regierung betonte, sie werde
keine Veröffentlichungen dulden, die den Islam beleidige oder zu Hass oder
Geringschätzung irgendeiner Religion aufriefe. Das ist natürlich kein
demokratischer Schritt. Und vordergründig mag er Flaigs These von der nicht
existenten „Toleranz des Islam“ bestätigen. Doch es zeigt auch, welche Büchse
der Pandora Flaig quasi im Windschatten der Regensburger Papst-Rede geöffnet
hat. Sein Text ist ein Beispiel für jene Tendenz innerhalb der
Geschichtswissenschaften, aber auch anderer Geisteswissenschaften, sich
zunehmend für eine neue „Wertedebatte“ instrumentalisieren zu lassen.
Welches
wissenschaftliche Anliegen liegt seiner Auseinandersetzung mit dem Islam zu
Grunde? Denn neu sind seine Thesen nicht.
Flaig strebt
immer wieder den Vergleich von Dschihad und Kreuzzügen an. Er legt Wert auf
jenes von ihm skizzierte neue Paradigma, wonach „die rechtlich fixierte
Unterdrückung Andersgläubiger ... unter dem Halbmond deutlich schwerer als unter
dem Kreuz” gewesen sei.
Mit akribischer
Sorgfalt will er dies belegen: „Was die Kreuzfahrer 1099 in Jerusalem
anrichteten, das hatten die moslemischen Heerführer schon längst unentwegt
praktiziert: 698 traf es Karthagos, 838 Syrakus; ... es traf Zamora (981),
Coimbra (987)”, usw. Historisch liegt Flaig ja richtig. Dennoch ist seine
Auflistung an Perversion kaum zu überbieten. Christliche und muslimische
Massaker gegeneinander aufzurechnen, halte ich für historisch wie politisch
illegitim, wenngleich eine Dämonisierung der Kreuzzüge sicher auch ahistorisch
wäre. „Was haben wir nun wissenschaftlich gewonnen?”, fragt Flaig selber in
anderem Zusammenhang. Ich möchte diese Frage in den Raum stellen.
Flaigs
Argumentation ist in ihrer Essenz chauvinistisch: Er versucht, eine kulturelle
Überlegenheit des Christentums gegenüber dem Islam zu konstruieren und
historisch zu legitimieren. Ein Beitrag zur Verständigung der Weltreligionen ist
das sicher nicht. Gut: provozieren, polemisieren will er. Das ist auch nötig, um
die Wissenschaft weiter zu entwickeln. Revisionismus ist unabdingbar. Es stellt
sich jedoch bei Flaig die Frage nach der Aufgabe der Geschichte: Was soll, was
kann, was darf sie leisten - und was nicht? „Seine Vergangenheit nicht zu kennen
heisst, sie wiederholen zu müssen. Wer weiterhin das Märchen von der islamischen
Toleranz verbreitet, behindert jene muslimischen Intellektuellen, die ernsthaft
an jener Reform des Islam arbeiten ...“, schrieb Flaig in seinem Essay für die
FAZ. Dem möchte ich widersprechen. Wenn uns die Geschichte eines gezeigt hat,
dann, dass wir nicht aus ihr lernen können. Wir als Historiker sollten sie also
nicht selber schon instrumentalisieren.
Überdies benutzt
er „Scharia-Islam“ als wenig differenzierten Kampfbegfriff. Er sei „das
radikalste Gegenteil der europäischen Bürgergesellschaften“, welche „am
perfektesten realisiert in antiken Stadtstaaten“ gewesen sei, wo „freie Rede
[und] mehrheitliche Abstimmung den Willen der Gemeinschaft herstellten. Nichts
davon im Scharia-Islam“, so Flaig. Mit welchem Recht will Flaig die europäische
Bürgeridee dem Islam aufdrängen? Genau diese imperiale Geisteshaltung wirft er
dem „Scharia-Islam“ doch vor, wenn er (völlig undiferenziert) sagt, der Dschihad
sei „naturgemäss ein Angriffskrieg und als solcher theologisch gerechtfertigt”,
da, „wer Muslime zu bekehren sucht, ... überall wo die Scharia herrscht,
getötet” werde. Nur weil die islamische Gesellschaftsidee anders (kollektiver)
als die europäische ist, muss sie nicht minderwertig sein! So sehr wir auch die
unsere schätzen. Es wurden auch in islamischen Ländern Rechte auf Rede- und
Meinungsfreiheit auf Grundlage der Schari’a gewährt (vgl. Biel, S. 214). Zudem
ist die Schari’a ja kein starres Gebilde, sondern passt sich den jeweiligen
gesellschaftlichen Umständen an.
„Viele Muslime
leugnen die Dhimmitude”, die Ungleichbehandlung von Nicht-Muslimen im Islam, so
Flaig. „Wenn das Leugnen weitergeht und wenn die Wissenschaft selber zum Terrain
wird, auf dem die Leugner nach Belieben ... diffamieren dürfen, dann können nur
noch Anti-Leugnungsgesetze helfen .... [Diese] greifen leider tief ein in den
freien Austausch der Gedanken. Aber sie sind die logische Folge einer Wandlung
des intellektuellen Feldes: nämlich wenn die wissenschaftliche Praxis nicht mehr
universalen Regeln auf Wahrheit verpflichtet ist, sondern wenn ein
multikulturelles Eigenrecht die Intellektuellen jeglicher Kultur auf ‘ihre
eigene’ Wahrheit einschwört.“ Hier zeigt sich die Angst Flaigs vor einer
„Hinrichtung der Geschichte“, die er 2006 bei der Tagung „Wahre Geschichte -
Geschichte als Ware“ vortrug: Auch dabei dreht es sich um die Frage nach dem
„Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ (Nietzsche). Geschichte,
fürchtet Flaig, könne vollständig für das kulturelle Gedächtnis
instrumentalisiert werden. Sein Plädoyer ist daher eines dafür, dass die
Geschichtswissenschaft eine Wahrheit annehmen müsse, die sich auf eine „äussere,
objektive Realität” bezieht. Hier stimme ich ihm zu.
Doch Flaig lässt
sich mit seinem Essay genau vor diesen Wagen spannen, lässt sich
instrumentalisieren. Durch seinen Ansatz versucht er das kulturelle Gedächtnis
des Christentums rein zu waschen, statt nach den tieferliegenden Ursachen des
aufkeimenden Islamismus zu fragen. Zeigt nicht die extreme Reaktion der
(islamischen) ägyptischen Regierung, dass sie bemüht ist, der Radikalen im Lande
Herr zu werden? Beschreibt Flaig nicht gerade die politische
Instrumentalisierung des Islams und Dschihads - denn der ist bekanntlich
Interpretationssache? Dass er ein theologisch gerechtfertigter Angriffskrieg
ist, ist völliger Unsinn, der mich schaudern lässt.
Die Hintergründe
aber, die zur Radikalisierung einiger islamischer Gruppen und Gelehrter führen,
spart Flaig aus; auch, dass es weltweit einen wachsenden religiösen
Fundamentalismus gibt und dass die Perspektivlosigkeit in der „islamischen Welt”
(ein meines Erachtens furchtbarer Begriff, der vor allem der Manifestation einer
fiktiven Opposition zweier Lager dient) ihr Übriges dazu beiträgt. Und woraus
ist diese Perspektivlosigkeit entstanden? Die Tendenzen der Kolonialisierung
islamischer Religionen durch europäische Mächte sind ja nichts Neues. Das
Auftreten der Vereinigten Staaten im Irak steht da in einer historischen
Kontinuität.
Überdies:
Guantánamo und Abu Ghuraib sind nicht eben Beispiele einer zivilisierten Macht,
die in Europa als grösste Demokratie der Welt gefeiert wird. Mögen Kritiker die
Folterskandale in Abu Ghuraib auch als individuelles Fehlverhalten abtun, so
steht Guantánamo auf einem anderen Blatt: hier müssen wir von staatlich
sanktionierter Folter und einem konsequenten Bruch aller Völker-, Kriegs-, und
Menschenrechte sprechen - unter dem Vorwand des Kampfes für eben jene. „Viele
Rechtsgelehrte definieren den Djihad als individuelle Pflicht”, so Flaig. Die
Konsequenz: „dann sind Attentate und Terroranschläge das Richtige ... Al Qaida
ist keine Verirrung, sondern entspricht dieser Traditionslinie.” Aber es ist
eben nur eine Traditionslinie. Flaig selber gesteht ein, dass über diese Linie
„fatalerweise ... innerhalb der orthodoxen Tradition seit dem 9. Jh. keine
Einigkeit” herrsche. Ist das nicht ein positives Zeichen? Hier macht sich Flaig
die Argumentation der Al Qaida zu eigen, statt zu differenzieren.
„Wie der
Nationalsozialismus die Menschen in Herren- und Untermenschen auf rassischer
Basis spaltete, so hat es die Scharia auf religiöser Basis getan“, behauptet
Flaig. Dies ist natürlich völliger Irrsinn. Gleiches lässt sich dann auch über
das Alte Testament der Christen und die Mishneh Torah der Juden sagen: „Heute
wirst du erkennen, dass der Herr, dein Gott, wie ein verzehrendes Feuer selbst
vor dir hinüberzieht. Er wird sie [die im Unrecht sind, MB] vernichten und er
wird sie dir unterwerfen, sodass du sie unverzüglich vertreiben und austilgen
kannst, wie es der Herr dir zugesagt hat.“ (Dtn 9,3 - 5. Buch Mose).
So lässt sich
eben nicht argumentieren. Vielmehr sollte man die Alternativen zur
fundamentalistischen (also: zur politisierten) Interpretation solcher Zitate
aufzeigen, um einer wirklich fruchtbaren Diskussion Hilfestellung zu leisten.
Flaig higegen betreibt übelsten Kulturkampf, der leider immer mehr Akzeptanz im
akademischen Feld gewinnt. In solchen Pamphleten sehe ich eine viel größere
Gefahr einer Faschisierung der Gesellschaft als zum Beispiel im Aufkeimen der
NPD.
Vielleicht ist
Flaigs Paradigma aber auch gar nicht so neu, sondern in einer Kontinuität zu
sehen, die sich schon vor 200 Jahren bei Satorius offenbarte - und die man
eigentlich überwunden glaubte.
Islamisch
Zeitung vom 24.01.2007 und Die Rote Fahne vom 25.
01.2007
Der Autor Martin Behrens lebt als freier Journalist in Pasewalk
und Szczecin und schreibt u.a. regelmäßig für den Nordkurier und Jungle World,
sowie für konkret, das jüdische Wochenmagazin tachles (Schweiz) und Woxx
(Luxemburg) und studierte Geschichtswissenschaften und Anglistik/Amerikanistik
an den Universitäten Bielefeld, Szczecin und derzeit in Greifswald. |