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Film "Dogville" von Lars Trier

Rhein Zeitung

Oscar- Preisträgerin Nicole Kidman spielt eine mysteriöse junge Frau, Grace, die im Jahr 1930 eines Tages in einem kleinen Dorf in den Rocky Mountains Unterschlupf sucht. Die Dorfbewohner begegnen ihr zunächst hilfsbereit und offen, doch dann stellt sich heraus, dass Grace nicht nur von der Polizei gesucht wird, sondern auch von ihrem Vater, einem Mafiaboss. Das ändert die Haltung der Menschen zu Grace grundlegend.

Brigitte

Im Stile eines Theaterstücks hat Lars von Trier seinen neuen Film "Dogville" inszeniert. Auf engstem Raum agieren Stars wie Nicole Kidman, Lauren Bacall und James Caan. Amerika in den 30er Jahren: Auf der Flucht vor einer Gangsterbande findet die schöne Grace (Nicole Kidman) Zuflucht in der isolierten Berggemeinde Dogville in den Rocky Mountains. Unterstützt von Tom (Paul Bettany), dem selbst ernannten Sprecher des Städtchens, wird Grace von der kleinen Gemeinde aufgenommen und erklärt sich dafür bereit, jedem Einzelnen in der Stadt bei der Arbeit zu helfen. Doch als ein Suchtrupp in Dogville nach Grace forscht und von den Bürgern wieder weggeschickt wird, verlangen die guten Menschen von Dogville ein höheres Entgelt für das Risiko, einer Flüchtigen Unterschlupf zu gewähren. Auf die harte Tour muss Grace lernen, dass Gut sein in dieser Gemeinde ein relativer Begriff ist. Aber Grace hat ein gefährliches Geheimnis...

Von Brechts epischem Theater inspiriert, hat Lars von Trier seinen Film "Dogville" mit minimaler, karger Ausstattung inszeniert. Als Kulisse dient eine 50 mal 50 Meter große Bühne, auf der Straßen und Häuser lediglich aufgemalt sind, Tag und Nacht werden durch weiße bzw. schwarze Rahmen um die Bühne gekennzeichnet.

In Cannes ging Lars von Triers Film leer aus. Bleibt abzuwarten, ob "Dogville" hierzulande die Beachtung findet, die der Film verdient. Das Staraufgebot mit Nicole Kidman, Lauren Bacall und James Caan könnte da durchaus hilfreich sein.

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br

Lars von Trier, der dänische Palmengewinner des Jahres 2000 ( Dancer In The Dark), der schon 1996 für Breaking The Waves mit dem Jurypreis in Cannes auszeichnet wurde, hat nichts von seiner Radikalität verloren. Als eine Art Gegenentwurf zu Thornton Wilders Unsere kleine Stadt formuliert, erzählt Dogville in knapp drei Stunden (!) wie die Dreigroschenoper die Moritat von Kampf des Guten gegen das Schlechte, von Verderben und Rigorismus.

Eine Art Brecht'sche Konzeption ohne Songs in neun Akten, umgesetzt mit den Mitteln des konkreten Theaters und mit Verweisen auf die Westernepen eines John Ford. In einem Studio in Stockholm hat sich von Trier sein abstraktes Rocky Mountains Dorf der Depressionszeit erschaffen: eine große, dunkle Bühne mit minimaler Ausstattung: aufgemalte Schriftzüge ersetzen die Dekors. Aus der Story heraus entwickelt der Regisseur dann mit gnadenloser Konsequenz ein im Desaster endendes Finale. Grace wird geschunden, vergewaltigt, verstoßen. Doch am Ende wird die Leidensschwester der von Björk verkörperten Figur in Dancer In The Dark schließlich zur... Nein, das wird nicht verraten.

Vor dem Abspann setzt von Trier dann zum Sound von David Bowies "Young Americans" Fotos aus der amerikanischen Depressionszeit über Richard Nixon bis hin zu aktuellen Bildern über verarmte Ghettos in den USA ein. Wer will, kann dem Regisseur dadurch einen Generalangriff auf gängige Muster amerikanischer Denkarten unterstellen, die von Schuld, Vergebung, und pervertierter political Correctness geprägt sind. Der Däne hat dies in Äußerungen zu seinem Film durchaus unterstrichen, indem er nach der "Free Iraq"-Phase ironisch zur Befreiung Amerikas aufrief und sich in Anspielung auf JFK als Amerikaner bezeichnete…

Fazit: Ein starkes Stück und keine Minute zu lang!

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ndr

50 mal 50 Meter Bühne, auf dem Boden mit weißer Farbe aufgemalte Umrisse von Häusern, Bäumen und Sträuchern und nur die nötigsten Requisiten: Das und kein bisschen mehr ist der Ort Dogville.

Gesprächsstoff in Cannes

In diese künstliche Stadt nimmt Lars von Trier seine Zuschauer mit in einen Film, der so heißt wie der Ort, an dem sich die gesamte Handlung abspielen wird: "Dogville". Mit Nicole Kidman in der Hauptrolle ist dem dänischen Regisseur eine außergewöhnliche Inszenierung gelungen, die dieses Jahr in Cannes für Gesprächsstoff sorgte. Wie ein Theaterstück erzählt von Trier in neun Kapiteln die Geschichte des Ortes Dogville in den Rocky Mountains im Jahre 1930.

Von Freunden zu Feinden

Wie aus dem nichts erscheint eines Nachts die junge Grace (Nicole Kidman) in Dogville. Sie berichtet, auf der Flucht vor Gangstern zu sein. Nach anfänglichem Zögern beschließen die Einwohner von Dogville, Grace Unterschlupf zu gewähren. Durch ihre offene und warmherzige Art erreicht sie schnell die Herzen der Bewohner. Sie hilft, wo sie kann und gewinnt viele Freunde. Doch als die Einwohner erfahren, dass Grace sich in Wirklichkeit vor der Polizei und ihrem Vater versteckt, dreht sich der Wind in Dogville. Als Grace mehr und mehr zur gedemütigten Sklavin der Dorfgemeinschaft wird, eskalliert die Situation.

Aufmerksamkeit ist gefordert

"Dogville" ist anstrengend. Drei Stunden dauert von Triers "Theater auf der Kinoleinwand". Die ungewöhnliche Kulisse fordert vom Zuschauer höchste Aufmerksamkeit. Ständig sind alle Charaktere auf der Bühne, immer passiert irgendwo irgendetwas. Das Unvorhersehbare ist das Wahrscheinliche in "Dogville", und das zerrt an den Nerven der Zuschauer.

Ungeahnte Wende

"Dogville" macht betroffen. Dank der hervorragenden schauspielerischen Leistung von Nicole Kidman kann der Kinozuschauer Graces Demütigungen durch die Dorfbewohner nur schwer ertragen. Und so ist der Betrachter des Films geradezu erlöst, als "Dogville" letzten Endes eine vollkommen ungeahnte, geradezu schockierende Wendung nimmt.

Regie und Drehbuch Lars von Trier
Darsteller Nicole Kidman (Grace)
Harriet Andersson (Gloria)
Paul Bettany (Tom)
Patricia Clarkson (Vera)
Stellan Skarsgard (Chuck)
Jeremy Davies (Bill)

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nzz

Von Christoph Egger

Tag des Zorns, Tag der Rache

"Dogville" - Lars von Triers amerikanische Passion, Teil 1

Lars von Trier, der radikalste Filmemacher der Gegenwart, erfindet nicht nur mit fast jedem neuen Film das Kino neu. Indem er gleicherweise zu den Anfängen des Mediums zurückgehen wie dessen Grenzen ausloten zu wollen scheint, findet er unfehlbar sein eines, grosses Thema wieder, das der Unmöglichkeit des Menschen, in einer verderbten Welt gut zu sein. Seine Filme sind Bekenntnisse, und dies deutlicher als zuvor seit seiner "Wende", seit "Breaking the Waves" (1996) und der Bekehrung zum Katholizismus. Die mit "Idioterne" (1998) und "Dancer in the Dark" (2000) abgeschlossene "Goldenes-Herz-Trilogie" und "Dogville" nicht minder schlagen mit ihren das Unbedingte verkörpernden Frauenfiguren den Bogen weit zurück: zu Carl Theodor Dreyer und dessen zutiefst bewegenden Frauengestalten in "La passion de Jeanne d'Arc" (1928), in "Dies irae" (1943), in "Ordet" (1955) und in "Gertrud" (1964).

I.

An Dreyer erinnern von Triers Filme nicht nur in ihrer Insistenz auf einer Religiosität, die ganz der Einfachheit gewidmet wäre und nur durch die Frau darstellbar zu sein scheint. Sie verweisen auf den grossen Dänen auch durch ihre formale Kühnheit und die Meisterschaft der Inszenierung. "Dogville" ist von einer schwindelerregenden Virtuosität der Einfachheit. Wir kommen nach Dogville, diesem Modell einer kleinen Stadt in den Rocky Mountains in einem armseligen Amerika der dreissiger Jahre, und das Wunder geschieht. Wir treten ein in eine Welt der dörflichen Harmonie und häuslichen Beschäftigung, wir lernen ihre Bewohner kennen mit all ihren liebenswerten Schwächen und menschlichen Unvollkommenheiten, und wir befinden uns dabei in einem fast grenzenlos weiten Raum der Phantasie und der Einbildungskraft. Modelliert wird er durch ein wunderbares Licht in allen Schattierungen, das zwischen strahlender Helle bis zu Dämmerung und schwärzester Nacht einen Horizont bald atmosphärisch hervortreten, bald nüchtern verschwinden lässt. Eine weite, fast leere, spärlich möblierte Bühne wird zur Projektionsfläche für unsere Imagination.

Verzauberung heisst das Stichwort. Und der uns verzaubert, ist der Erzähler. Er zeigt uns Dogville als zu Lebensgrösse angewachsenen Stadtplan, wo alles ganz genau auf dem Boden angeschrieben ist, von der "Bank der alten Damen" bis zu Ma Gingers "Stachelbeersträuchern". John Hurt leiht ihm eine wundervolle Stimme und jenen Ton, der uns unwillkürlich mitnimmt wohin auch immer, wenn er in altertümlich formvollendeter Eleganz und Gewähltheit des Ausdrucks berichtet, was es mit dem Ort und jedem der Leute darin auf sich hat. Barock spricht dazu die Musik. Visuelle Entsprechung des allwissenden Erzählers ist die Kamera von Anthony Dod Mantle, dem seit zwanzig Jahren in Dänemark lebenden englischen Kameramann, dank der wir wie das Auge Gottes über der kleinen irdischen Gemeinschaft schweben und dann wieder mitten unter ihr sind und hineinsehen in die Häuser der Menschen, als ob sie keine Dächer und Wände hätten, und scheinbar bis in ihre Herzen.

II.

Doch jetzt hören wir in der Ferne Schüsse und dann Moses, den Hund, bellen und sehen ihn auch, in grossen Lettern: DOG, wie er da an seinem Platz ist wie alles andere. Und nun erleben wir die Ankunft von Grace mit (Nicole Kidman in ihrer bisher grössten Rolle), die viel zu schön und viel zu elegant ist mit ihrer Pelzboa und doch auf der Flucht und dringend das Versteck braucht, das ihr Tom (Paul Bettany) in der stillgelegten Silbermine zeigt. Tom, der von sich glaubt, er sei Schriftsteller, aber das Wort lieber an die Moralische Aufrüstung seiner Mitmenschen wendet, die beeindruckt seinen schwärmerisch-verlogenen Tiraden lauschen, die sich etwa um "Illustration" und "Annehmen" drehen; Tom, der ständig zu Bill Henson (der phänomenale Jeremy Davies) hinübergeht, um ihn im Schachspiel zu besiegen, vor allem aber, um scheu dessen genervte Schwester Liz (Chloë Sevigny) anzuhimmeln. Dieser Tom, der mutig den Männern im schwarzen Auto vorlügt, nichts Ungewöhnliches gesehen zu haben, und sich doch bereits unsterblich in Grace verliebt hat. Aber er nimmt die Visitenkarte entgegen, mit der Versicherung, Nachricht zu geben, sobald er etwas bemerkt haben würde, diese Karte, von der er Grace sagen wird, dass er sie längst vernichtet habe, und die er doch wieder hervorholen wird.

III.

Aber noch sind wir erst in den Anfangskapiteln der neun Hauptkapitel der Erzählung. Wir sind dabei, wenn Grace, die sagt, dass sie sowieso nichts könne und alles tue, "was die Leute nicht brauchen", Arbeit sucht und zunächst wegen ihrer "Alabasterhände" misstrauisch abgewiesen wird. "She found herself in a heart-searching mood": Lang verweilt die Kamera im Goldlicht ihres Goldhaars, und wie Grace so die verborgensten Kammern ihres Herzens erforscht, merkt sie, dass sie bei den Leuten von Dogville bleiben möchte. Und auch diese beschliessen, sie aufzunehmen. Es findet sich hier eine kleine Arbeit für sie und dort, der 4. Juli kommt und mit ihm etwas, das Tom wohl für eine Liebeserklärung hält, leicht schweben Blütenblätter in der milden Luft, und bald ist Graces Mithilfe allen unentbehrlich geworden. Doch schon zweimal ist die Polizei mit Fahndungsplakaten gekommen, zuletzt sogar das FBI. Grace muss nun länger arbeiten und soll weniger verdienen, aber es gelingt ihr doch, auch noch das letzte der scheusslichen Porzellanfigürchen zu erstehen, die im Schaufenster von Ma Gingers (Lauren Bacall) Laden stehen und an denen ihr Herz hängt.

Senkrecht steht jetzt die Kamera über dem Ort, und im Zeitraffer läuft der Schatten im Kreis. Jason, ein kleiner, dicker Lümmel, provoziert Grace so lange, ihn zu schlagen, bis sie es endlich doch tut. Chuck (Stellan Skarsgrd), sein wortkarger Vater, dem sie im Obstgarten hilft, vergewaltigt sie, und die unerträglich knochig-bigotte Vera (Patricia Clarkson), Mutter beziehungsweise Ehefrau der beiden, erteilt ihr eine "Lektion" in Selbstgerechtigkeit. Es ist Zeit geworden für Grace, Dogville zu verlassen. Doch ihre Passion, fürchten wir, hat erst begonnen. Mit Ben (eljko Ivanek), dem schäbigen Besitzer des klapprigen Lastwagens, heckt sie einen Fluchtplan aus - und wird gleich dreifach betrogen. Von fast unirdischer Schönheit ist dabei das Bild, das Grace durch die Blache hindurch zeigt, unter der sie verborgen liegt, schneewittchengleich zwischen den Äpfeln ruhend, ein kostbarer Gobelin in Rot und Grün und Elfenbein.

Beklemmung heisst jetzt das Stichwort. Beklemmung und wachsendes Entsetzen. Lars von Trier hat nicht nur die Schauspieler gequält, er schickt Grace auf einen fast unerträglichen Leidensweg und uns mit ihr. Entsetzlich die Demütigung, als Grace wieder in Dogville ankommt, schlimmer noch die Verlogenheit, mit der nun das Strafregime gerechtfertigt wird. Bill, der nichtsnutzige Erfinder, hat einen "Fluchtverhinderungsapparat" ersonnen, und fortan schleppt sie, an eiserner Kette und an Moses' massivem Halsband, ein schweres eisernes Schwungrad hinter sich her. Verraten von allen, auch und vor allem von Tom, wird sie nun Nacht für Nacht missbraucht. In der Ferne hört man Rammgeräusche. Vielleicht ein Zuchthaus?, fragt sich der Erzähler, während im offenbar plötzlich boomenden Ort bereits Klarheit zu bestehen scheint, für wen da gebaut wird.

IV.

Es kommt einer Erlösung gleich, als die schwarzen Wagen der Gangster wieder in Dogville erscheinen. Von hündisch wedelnder Beflissenheit, können die Einwohner nicht ahnen, dass die Beute, für die sie eine fette Belohnung erhoffen, die Tochter des "Big Man" (James Caan) ist, der sie als Nachfolgerin inthronisieren will. Von Trier hat verschiedentlich von Brecht als einer Inspirationsquelle (auch in Bezug auf die Inszenierung) gesprochen, insbesondere vom Lied der Seeräuber-Jenny und seinen fünfzig Kanonen in der "Dreigroschenoper". Schwer und tief hängt der Vollmond über Dogville, als "die Stadt wird gemacht dem Erdboden gleich". Ebenso verweist der Film aber auf "Vredens dag", Dreyers "Tag des Zorns" von 1943, der in beklemmenden Interieurs das Schicksal der jungen Pastorsfrau im Dänemark des 17. Jahrhunderts erzählt, die im Namen von Nächstenliebe und Erlösung als Hexe verbrannt wird.

Mit der Brecht'schen Schlusswendung geht von Triers Parabel über Dreyer hinaus - nicht zum Vorteil des Films. Bei aller Stilisierung erhält die Abstraktion nun doch einen störenden Zug ins Naturalistische. Dies vollends durch die Koda, das 10. Kapitel in dieser dreistündigen amerikanischen Passion, eine lange Bildergalerie von Fotografien aus dem Amerika der Armen, von den dreissiger Jahren bis heute. Zwar wird dadurch deutlich, weshalb von Trier stets alle Versuche zurückgewiesen hat, "Dogville" mit Thornton Wilders "Our Town" in Zusammenhang zu bringen. Als intendierte "Amerika-Kritik" bliebe es aber simpel, als Bild von "Amerika ist überall" wäre es falsch. Es wird Aufgabe der folgenden beiden Teile der "Amerika-Trilogie" bleiben, amerikaspezifische Aktualität zu erweisen. (Kino Arthouse Le Paris in Zürich)

Englischer Film mit deutschen Untertiteln, drei Stunden...

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