Philipp Melanchthon, 14971560 (63 Jahre alt)

Name
Philipp /Melanchthon/
Nachname
Melanchthon
Vornamen
Philipp
Namens-Präfix
Prof.
Auch bekannt als
Schwarzerdt
Familie mit Eltern
Vater
14591508
Geburt: 1459 19 Deutschland
Tod: 6. November 1508
Mutter
Heirat Heirat1492Speyer, Stadt Speyer, Rheinland-Pfalz, Deutschland
5 Jahre
er selbst
Melanchthon, Philipp
14971560
Geburt: 25. Februar 1497 38 21 Deutschland
Tod: 29. April 1560Deutschland
3 Jahre
jüngere Schwester
14991560
Geburt: 1499 40 23 Deutschland
Tod: 1560Deutschland
2 Jahre
jüngerer Bruder
6 Jahre
jüngere Schwester
15061554
Geburt: 27. März 1506 47 30 Deutschland
Tod: 27. Januar 1554Deutschland
3 Jahre
jüngere Schwester
Familie mit Katharina Krapp
er selbst
Melanchthon, Philipp
14971560
Geburt: 25. Februar 1497 38 21 Deutschland
Tod: 29. April 1560Deutschland
Ehefrau
Heirat Heirat7. Dezember 1520
21 Monate
Tochter
3 Jahre
Sohn
3 Jahre
Sohn
4 Jahre
Tochter
15311576
Geburt: 29. Juli 1531 34 34
Tod: 22. September 1576
Notiz

Verwandtschaft Melanchthon und Luther:
http://gaebler.info/ahnen/luther-melanchthon.pdf

Lebensbeschreibung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Melanchthon

Zitat aus den Lebensbeschreibungen: "M. ist schon zu Lebzeiten »Praeceptor Germaniae« (Lehrer Deutschlands) genannt worden, er war ein selbständiger Reformator, der Humanist blieb und insbesondere durch die Neuorganisation des Kirchen-, Schul- und Hochschulwesens große Verdienste erwarb, der als erster den Religionsunterricht in das allgemeine Schulwesen einführte, der als erster evangelische Katechismen verfaßte und gleichzeitig das Anliegen der Reformation ökumenisch in Europa vertrat."

Reuchlin schenkte Melanchthon ein Exemplar der griechischen Grammatik und verfasste ihm eine Widmung, die auf Deutsch lautet: „Diese griechische Grammatik hat zum Geschenk gemacht Johannes Reuchlin aus Pforzheim, Doktor der Rechte, dem Phillip Melanchthon aus Bretten, im Jahr 1509 an den Iden des März“. Damit verlieh Reuchlin Phillip Schwartzerdt am 15. März 1509 den Humanistennamen Melanchthon, die griechische Umsetzung des Geburtsnamens Schwarz - μέλανος - melanos und erdt - χθών - chthon.

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Gelehrter und Lehrer
Von Heike Schmoll

Ohne Philipp Melanchthon gäbe es den Protestantismus wohl nicht mehr. Er war es, der Martin Luther dazu anregte, auf der Wartburg mit der Übersetzung der Bibel zu beginnen. Denn Melanchthon genügte es nicht, dass in deutscher Sprache gepredigt und Gottesdienst gehalten wurde. Der einfache Christ sollte die Bibel lesen und hören können, um selbst zu entscheiden, was eigentlich schriftgemäß ist. Wochenlang ging Melanchthon nach Luthers Rückkehr von der Wartburg Wort für Wort mit ihm durch, überprüfte das damals noch unvollständige Manuskript auf philologische Richtigkeit und ergänzte es. "Dieser kleine Grieche übertrifft mich sogar in der Theologie", hatte Luther nur vier Monate nach der ersten Begegnung mit dem schmächtigen Gelehrten in Wittenberg gesagt. In der Tat war Melanchthon, der sich zeitlebens weigerte, in die theologische Fakultät zu wechseln, und mit Leib und Seele Philologe und akademischer Lehrer blieb, eine Verkörperung des reformatorischen Prinzips des Priestertums aller Gläubigen.

Melanchthon galt neben Erasmus von Rotterdam, der eine griechisch-lateinische Ausgabe des Neuen Testaments ediert hatte, als einer der besten Gräzisten seiner Zeit. Bildungs- und wissenschaftsgeschichtlich kann seine Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, auch wenn die Theologiegeschichte ihn lange im Schatten Luthers ansiedelte und ihn geradezu als Verderber der lutherischen Rechtfertigungslehre schmähte. Kaum eine Schule oder Universität zur Reformationszeit wurde ohne Melanchthons Mitwirkung gegründet. "Qui Philippum non agnoscit praeceptorem, der muss ein rechter Esel und Bachant sein, den der Dunckel gebissen hat", sagte Luther über den "Praeceptor Germaniae", den Lehrer Deutschlands.

Philipp Melanchthon wurde am 16. Februar 1497 in der badischen Stadt Bretten geboren, damals direkt an einer Handelsstraße vom Rhein bis zum mittleren Neckar gelegen. Der Vater, Georg Schwartzerdt, war ein begabter Waffenschmied. Kurfürst Philipp der Aufrichtige von der Pfalz beförderte ihn als jungen Mann zu seinem Rüstmeister. Es war der Kurfürst selbst, der die Ehe zwischen seinem 35 Jahre alten Rüstmeister und der 16 Jahre alten Barbara Reuter, der Tochter eines wohlhabenden Textilhändlers aus Bretten, vermittelte. Zu Ehren des Kurfürsten nannten die Eltern ihren ersten Sohn Philipp . Der Vater hielt sich - wie viele Gebildete der damaligen Zeit - an die Astrologie. Gleich nach der Geburt seines Sohnes hatte er ein Horoskop anfertigen lassen, in dem es hieß, der Sohn solle sich vor der Ostsee hüten, denn er könne dort Schiffbruch erleiden. Melanchthon hielt sich zeitlebens daran, schlug Einladungen nach England, Kopenhagen oder Riga aus weil er sich nicht auf See begeben wollte.

Weil der Vater oft auf Reisen war, wuchs Philipp mit seiner Mutter und den Geschwistern im Haus des Großvaters auf. Der erkannte bald die enorme Sprachbegabung seines Enkels. Wie Luther kam Melanchthon mit vier Jahren in die Schule. Als der Großvater von der Syphilis-Erkrankung des Schulmeisters erfuhr, behielt er seinen Enkel zu Hause und übergab ihn einem Hauslehrer, der Melanchthon schnell über die Anfangsgründe des Lateinischen hinausführte.

Der Tod des Großvaters und des Vaters binnen weniger Wochen war ein tiefer Einschnitt im Leben des Elfjährigen, der nun die Lateinschule in Pforzheim besuchte und bei der Schwester des Humanisten Johannes Reuchlin wohnte. Wegen seiner Studien zur Textkritik, zu Grammatiken und Lexika sowie zahlreicher Veröffentlichungen über griechische und hebräische Schriften galt Reuchlin als der Humanist, der sich die gesamte geistige Welt der Antike eigenständig anzueignen vermocht hatte. Er wurde Melanchthons Vorbild; Reuchlin verfolgte interessiert die Fortschritte des Zwölfjährigen. Als Anerkennung für einige lateinische Verse schenkte Reuchlin ihm am 15. März 1509 die griechische Grammatik des Konstantin Laskaris mit einer lateinischen Widmung. Die Schenkung kam einer Humanistentaufe gleich. Denn aus Schwartzerdt wurde nun Melanchthon - aus den Genitivformen von "melanos" für schwarz und "chthonos" für Erde.

Vermutlich auf Reuchlins Rat immatrikulierte er sich mit zwölf Jahren an der Universität Heidelberg, wo er bei Reuchlins Freund, dem Theologieprofessor Pallas Spangel, wohnte und diesem als Famulus diente. Wie an der mittelalterlichen Universität üblich, absolvierte Melanchthon zunächst das Grundstudium, also die sieben freien Künste, bestehend aus dem Trivium (Grammatik, Dialektik, Rhetorik) und dem Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik). Der Stoff wurde durch offiziell festgelegte, Lehrbücher vermittelt. Im Sommer 1512, nach dem Tod seines Gönners Spangel, ging Melanchthon nach Tübingen, um dort das Quadrivium zu beginnen und mit dem Magistergrad abzuschließen. Er wohnte und arbeitete in der Burse am Rand der Altstadt. Wichtiger als theologische Vorlesungen, die er als öde empfand waren ihm seine Lektüre, vor allem di< Schriften des Erasmus von Rotterdam die Perfektionierung seiner griechischen Sprachkenntnisse sowie die geistigen Anregungen Reuchlins.
Schon im Mai 1518 veröffentlichte Melanchthon eine eigene griechische Grammatik, die ganz offenkundig aus seihen Lehrveranstaltungen in Tübingen hervor gegangen war. Sie folgt insofern einen neuen pädagogischen Genus, als sich Melanchthon zugleich als Lehrender wie Lernender begreift und ein Lehrbuch aus der Perspektive des Lernenden schreibt.

Trotz seiner pädagogischen Erfolge strebte er fort. Die Tübinger Lehrtätigkeit hinderte ihn an freier Wissenschaft. Reuchlin wusste von der Unzufriedenheit seines Schützlings. Als der sachsische Kurfürst Friedrich der Weise ihn nach einem Gräzisten für den neuen Lehrstuhl der 1502 gegründeten Universität in Wittenberg fragte, verwies er auf Melanchthon, der nächst dem Holländer Erasmus der begabteste Gelehrte sei. Luther und andere hätten lieber den Leipziger Gräzisten Petrus Mosellanus nach Wittenberg berufen, doch der Kurfürst hielt sich an Reuchlins Empfehlung und holte Melanchthon. Schon Ende Juli 1518 trennte er sich von seinem Förderer und brach zu einer vierwöchigen Reise ins das mehr als 700 Kilometer entfernte Wittenberg auf.

Nur wenige Tage nach seiner Ankunft, am Samstag, den 28. August, hielt Melanchthon vor Luther und einem großen Auditorium in der Schlosskirche seine Antrittsvorlesung "Über die Studienreform" ("De corrigendis adulescentiae studiis"). Der schmale und schüchtern wirkende junge Mann mit seiner hängenden Schulter, mit der schnarrenden Stimme und leicht lispelnden Redeweise zeigte sich als Vorkämpfer der Renaissance und versetzte seine Hörer in Begeisterung. Melanchthon kritisierte die scholastische Philosophie, das veräußerlichte Zeremonienwesen der Kirche und geißelte die Unkenntnis der alten Sprachen, die ihm als Unbildung und Barbarei erschien: Die Studenten der Artistenfakultät wollten keine Grammatik und Logik mehr lernen, sondern sofort die brennenden Heilsfragen studieren, die aber einer der obersten Fakultäten - der Theologie - vorbehalten waren und ohne die nötigen Grundkenntnisse geradewegs in die Schwärmerei führten. Wer nichts von der Sprachwissenschaft wissen wolle, "renne wie ein Schwein in die Rosen", sagte Melanchthon später. Und er war davon überzeugt, dass Barbarei und Unglaube einander bedingten. Griechisch zu lernen galt damaligen Studenten als arrogant, das Hebräische als unsicher, überhaupt erschien die Mühe den meisten größer als der Nutzen In den Wirren des Übergangs zur Neuzeit waren mit dem Zerfall der Studiendisziplin auch die akademischen Grade verpönt: "Jetzt sind alle jene Grade zerbrochen, und man treibt es ohne Ordnung. Wie Pilze schießen plötzlich Theologen, Juristen und Mediziner auf, ohne Grammatik, ohne Dialektik, ohne Plan im Lernen", kritisierte Melanchthon. Den Studenten legte er nahe, zu den Quellen zurückzukehren und sich nicht mit Sekundärtexten zu begnügen. Denn die Missachtung des Griechischen, die Unkenntnis der Mathematik und die Verwahrlosung der Theologie gehen Hand in Hand". Diese Erkenntnis war die Grundlage für die Entwicklung des reformatorischen Schriftprinzips.

Leitend für die umfassende Bildung, die er Studenten der Artistenfakultät nahelegte, war das gezielte Studium der Quellen: "Aus den besten Autoren wähle das Beste, sowohl was die Kenntnis der Natur als auch die Bildung der Persönlichkeit betrifft." Melanchthon verdammte das maßlose Hören und Lesen, weil es die Urteilsfähigkeit trübe. Stattdessen legte er den Studenten nahe, ihren Verstand durch einen klaren Stil zu schärfen. Pietas und Eruditio, Glaube und Bildung wurden durch ihn zu einer unaufgebbaren Einheit. Melanchthon machte die Unterscheidung von Glauben und Wissen handhabbar - und das war für die Geschichte der Theologie so wichtig wie die von ihm initiierte akademische Ausbildung der Pfarrer.

An die theologische Fakultät wollte er nicht wechseln, obwohl ihm Luther und andere nahelegten, den untersten theologischen Grad, den Baccalaureus biblicus, zu erwerben, der ihn verpflichtete, biblische Bücher im Überblick zu behandeln. In seinem zu dieser Prüfung formulierten Syllogismus begründete Melanchthon die alleinige Geltung der Bibel für die Lehre der Kirche: "Ein Katholik muss keine anderen Lehrsätze glauben, als die von der Schrift bezeugt werden. Die Autorität der Konzile steht unter der Autorität der Schrift. Also ist es noch keine Ketzerei, wenn man nicht an das unauslöschliche Siegel (der Taufe und der Priesterweihe), an die Wandlung (von Brot und Wein in der Eucharistie) und an dergleichen glaubt." Das sei "kühn, aber wahr", kommentierte Luther, denn sein "Graeculus" hatte damit zwei Grundpfeiler katholischer Frömmigkeit erschüttert: das Priestertum und den Messgottesdienst.
Promoviert wurde Melanchthon nicht. Er zog es vor, als Magister an der Artistenfakultät für eine breite Grundbildung zu sorgen. Spätestens da wurde klar, dass Melanchthon sich ganz der reformatorischen Bewegung Wittenbergs verschrieben hatte. Einem letzten Versuch Reuchlins, ihn dem Zentrum des Protestantismus zu entziehen und für eine Berufung nach Ingolstadt zu gewinnen, begegnete Melanchthon mit den Worten: "Ich muss bei allem mehr ins Auge fassen, wohin mich Christus zieht, als wohin mich mein Verlangen rufen möchte." Als sein humanistischer Lehrer 1522 als treuer Katholik in Stuttgart starb, hatte er Melanchthon, dem ursprünglich seine kostbare Bibliothek zugedacht war, enterbt.

Melanchthons Hauptwerk jener Zeit, "Allgemeine Grundbegriffe theologischer Sachverhalte oder theologische Entwürfe" (Loci communes rerum theologicarum seu hypotyposes theologicae") genannt, bündelte systematisch die reformatorische Verkündigung und Lehre auf biblischer Grundlage. Im Zentrum stand die reformatorische Lehre von der Rechtfertigung Die "Loci" waren ein großer Erfolg. Nach der ersten Drucklegung 1521 folgten 18 Nachdrucke. Melanchthon war damit als theologische Autorität neben Luther getreten, der ihm entsprechenden Respekt entgegenbrachte: "Wer heute Theologe werden will, hat zwei große Vorteile: Zum Ersten hat er die Bibel, die er nun ohne große Hindernisse lesen kann. Daneben hat er die Loci von Philippus. Er lese sie fleißig und gründlich, so dass er sie ganz im Kopf hat. Wenn er die zwei hat dann ist er ein Theologe, dem weder der Teufel noch ein Ketzer etwas abbrechen kann", sagte Luther bei Tisch.

In Wittenberg kümmerte sich Melanchthon allerdings nicht nur um die Theologie, sondern auch um die Förderung der Naturwissenschaften, um Physik, Astronomie, Mathematik und Medizin. Das ging nicht ohne hervorragende Griechischkenntnisse, denn die gesamte Naturwissenschaft war durch griechischsprachige Autoren repräsentiert. Um für die Naturwissenschaften zu werben, ließ Melanchthon einmal im Monat über entsprechende Themen disputieren. Er selbst sammelte Landkarten und pflegte nicht nur historische, sondern auch geographische Interessen - er war es, der Geographie als Schulfach etablierte.

Melanchthons Vorlesungen waren bald besser besucht als die Luthers. Er war ein begabter Pädagoge, der eine Mischform zwischen Vorlesung und Übung in der Lehre einführte, Fragen aufzunehmen versuchte, praktische Hilfen anbot und den Stoff so anschaulich wie möglich vermittelte. Er verfügte, modern ausgedrückt, über eine hohe fachdidaktische Begabung. Fortwährende Forschung befruchtete seine Lehre. Kurz nach seiner Heirat gründete er 1519/20 eine Privatschule. Die oft noch sehr jungen Studenten wohnten, lernten, lebten und aßen im Haus des Lehrers, der für einen fast klösterlich-festgelegten Ablauf des Tages mit Vorlesungen, Übungen und Zeiten zum eigenständigen Lernen sorgte. Weil er sich nicht nur begabte Studenten aussuchen konnte, sondern auch die Kinder angesehener Persönlichkeiten aufnehmen musste, hatte er es mit einer äußerst gemischten Gruppe zu tun. Für die Studenten mit Minimalkenntnissen verfasste er kurzerhand ein Handbuch für den Elementarunterricht ("Enchiridion elementorum puerilium") mit Vaterunser, Glaubensbekenntnis, Bibeltexten und den Aussprüchen der klassischen Antike.

Als Rektor der Wittenberger Universität setzte Melanchthon 1523/24 eine neue Studienordnung für die Artistenfakultät durch, die im Bologna-Zeitalter geradezu neuzeitlich wirkt. Jeder Student bekam einen Tutor, einen Pädagogen, der seinen individuellen Studienplan festlegte, ihm antike Schlüsseltexte für seine intellektuelle und persönliche Entwicklung vorschrieb, die Fortschritte überprüfte, schriftliche Übungen korrigierte und auf die Lebensführung seines Studenten achtete. Zweimal im Monat gab es Deklamationen (Redeübungen).

Während seines Rektorats ordnete Melanchthon die Verwaltung, die Studienorganisation, die Leistungsnachweise und die Berufung von Hochschullehrern neu, wobei er wiederum dafür sorgte, dass die naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer gut vertreten waren. Er selbst las montags Dialektik, dienstags über Ciceros "De officiis", mittwochs und samstags Geschichte, am Donnerstag über den Kolosserbrief, am Freitag über das Konzil von Nikaia. An den Sonn- und Feiertagen legte er das Tagesevangelium vor dem Gottesdienst lateinisch aus. Nach seinem Tod mussten die Vorlesungen auf mehrere Kollegen verteilt werden.

Melanchthon war ein Polyhistor, der die gesamte Bildung seiner Zeit zu bündeln wusste. Bei der Gründung der Universitäten in Marburg 1527, in Königsberg 1544 und den Universitätsreformen in Tübingen (1535), Leipzig (1539), Frankfurt an der Oder (1540) und Heidelberg (1557) wurde der Wittenberger zu Rate gezogen. Melanchthon war kein weltfremder Stubenhocker, sondern ging während und nach dem Bauernkrieg daran, städtische Lateinschulen zu gründen oder neu zu organisieren. Die erste Schule entstand in Eisleben, die nächste in Magdeburg, es folgte eine Stadt nach der anderen, darunter Goslar, Lüneburg und Nürnberg. In Nürnberg sollte die Lateinschule das gesamte Programm der Artistenfakultät vermitteln.

An den übrigen Schulen teilte Melanchthon die Schüler in drei "Haufen" ein. In der ersten Stufe wurden Lesen, Schreiben und Latein gelehrt, in der zweiten Stufe die lateinische Grammatik, einfache lateinische Texte sowie das Schreiben lateinischer Verse und Reden mit viel Auswendiglernen. Auf allen Stufen dienten Musik und Bewegung zur Auflockerung des Unterrichts. In der dritten Gruppe mussten die Schüler lateinische Gedichte und Reden verfassen, Rhetorik und Dialektik wurden gelehrt, Vergil, Ovid, Cicero gelesen und neben Musik auch Mathematik unterrichtet. Wer wollte, konnte auch Griechisch und Hebräisch erlernen. Es ging Melanchthon nicht nur um die Eliten, sondern um die Bildung der breiten Masse, auch um die Bildung der Mädchen - um Bildung und Kultur im umfassenden Sinn.
"Deshalb kann kein Zweifel bestehen, dass der Lebensform des Lehrens und Lernens das größte Wohlgefallen Gottes gilt und dass den Schulen im Blick darauf der Vorrang vor Kirchen und Fürstenhöfen gebührt, weil man in ihnen mit größerem Einsatz nach der Wahrheit strebt", äußerte Melanchthon. Dieser Überzeugung entsprach die Rede Luthers "An die Ratsherren aller Städte deutsches Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen" (1524). Es war nur konsequent, dass Melanchthon nicht nur Leitfragen für schulische Visitationen entwickelte, sondern auch für die Visitation der Pfarrer. Manche unter ihnen waren halbe Analphabeten, die einfach die Messliturgie auswendig gelernt hatten, aber zu keinem theologischen Gedanken fähig waren. Viele Pfarrer lebten im Konkubinat und waren dem Alkohol verfallen.

Als Intellektueller setzte er auf Argumente und litt darunter, in die unvermeidlichen theologischen Dispute der Zeit hineingezogen zu werden. Was er etwa vom ewigen Streit über die richtige Abendmahlsauffassung zwischen Luther und Zwingli im Jahre 1529 hielt, gab er deutlich zu erkennen: "Die beiden Männer, Luther und Zwingli, können nicht übereinstimmen, welches doch mein sehnlichster Wunsch wäre. Da disputieren sie über das Abendmahl, gleich als ob sie in den Himmel gesehen und Jesum gefragt hätten, wie er die Worte 'Das ist mein Leib' verstanden habe. Sie werden es hier auf Erden doch nicht ausmachen, und es gehört auch wohl nicht für uns Schwache, alles ergrübeln und erforschen zu wollen. Genug, wenn wir nur wissen und glauben, was zu unserem Heil nötig ist. Das Übrige macht nur krank, woran der Herr keinen Gefallen hat."

Melanchthon blieb nichts anderes übrig, als bis zu seinem Tod von einem Reichstag zum nächsten Religionsgespräch zu hetzen und zu disputieren. Die von den evangelischen Ständen 1530 auf dem Reichstag in Augsburg vorgelegte Confessio Augustana ist sein Werk. In seinem Ringen um die Einheit der Christenheit ist er am Ende gescheitert. Der Auseinandersetzungen auch im eigenen Lager überdrüssig, sehnte er den Tod herbei.
Um 1540 war er in eine der größten Krisen seines Lebens geraten. Gemeinsam mit Luther hatte er Landgraf Philipp von Hessen die von ihm gewünschte Doppelehe mit einer 17 Jahre alten Hofdame genehmigt, obwohl auf Bigamie nach dem Reichsrecht die Todesstrafe stand. Im Gegensatz zu Luther erkannte Melanchthon, wie unglaubwürdig die Sache der Reformatoren dadurch geworden war. Denn geheim halten ließ sich das nicht. Hinzu kamen die Sorgen um die unglücklich mit seinem ehemaligen Schüler, dem Gründungsrektor der Königsberger Universität, Georg Sabinus, verheiratete Tochter, die mit 24 Jahren nach der Geburt ihres sechsten Kindes starb.

Von der "rabies theologorum", der Wut der Theologen, befreit, "werde ich gern aus diesem Leben scheiden, wenn Gott es will, und wie der nächtliche Wanderer das Morgenrot ersehnt, so erwarte ich begierig das Licht der himmlischen Akademie", schrieb Melanchthon resigniert vor seinem Tod. Doch er musste noch eine Weile weiter streiten. Vor 450 Jahren, am 19. April 1560, starb Melanchthon in Wittenberg.

FAZ vom 17.04.2010, PDF http://www.gaebler.info/melanchthon.pdf

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Zu der verwandtschaftlichen Beziehung von Melanchthon zu Reuchlins

Elisabeth Reuchlin als Großmutter

Von C. Katz

... Ein runderes Bild ergibt sich, wenn man nicht länger daran festhält, dass Melanchthons Großmutter Reuter die oder eine Schwester Reuchlins war. Melanchthon wäre dann kein blutsverwandter Großneffe Reuchlins, sondern ein angeheirateter zweiten Grades. Mit der zeitgenössischen Bezeichnung nepos/neptis veträgt sich diese Annahme. Melanchthons und Reuchlins Redeweise von der "Schwester Reuchlins" statt Melanchthons Großmutter und die nur allgemeine Bezeichnung "gewisse Verwandtschaft" durch Melanchthons engste Umgebung finden damit ihre natürliche Erklärung. Mann müsste auch nicht eine zweite Schwester Reuchlins postulieren, sondern könnte bei Melanchthons Aussage bleiben, daß Reuchlins Eltern zwei Söhne und eine Tochter hatten. Diese hieß Elisabeth und war bisher nur durch ihr Leben in Pforzheim, 1508/09, 1510 bis 1512, 1518 und 1534 dokumentiert. Sie gewinnt nun durch den Brief an Wimpfeling weiteres Profil: 1496 war sie verwitwet und hatte mindestens zwei unmündige Kinder. Da diese später nicht mehr erwähnt werden, insbesondere nicht im Zusammenhang mit Melanchthons Schulbesuch 1508/1509, waren sie damals entweder schon aus dem Hause oder, was wahrscheinlicher ist, bei der großen Epidemie um 1500 gestorben. Da Elisabeth Reuchlin bis kurz vor 1552 lebte, muss sie recht jung Witwe geworden sein, war also 15 bis 20Jahre jünger als ihr berühmter Bruder, etwa gleich alt wie Dionysius. Ihr bislang unbekannter Gatte ist das Bindeglied der Verwandtschaft zwischen Reuchlin und Melanchthon. Dass diese Verwandtschaft über die Brettener Familie Reuter, nicht über die Heidelberger Schwarzerdt zustande kam, bezeugt Micyllus, der Melanchthons Mutter eine Nichte Reuchlins nennt. Auch dies kann nach allen anderen Quellen nur als Nichte zweiten Grades verstanden werden. Und daß die Verwandtschaft über Reuchlins Schwester, nicht über den Bruder, geht, erfahren wir von Chytraeus.

Alle Quellenzeugnisse führen also zu der Annahme, dass der vor dem 13. Dezember 1496 verstorbene Gatte der Elisabeth Reuchlin mit Melanchthon Großeltern Reuter verwandt war. Vermutlich war er ein Bruder entweder des Johannes Reuter oder seiner - nunmehr unbekannten - Frau und damit der blutsverwandte Großonkel Melanchthons, aber nur der Schwager Reuchlins. Anscheinend hat er in Speyer gelebt, jedenfalls dort Finanzgeschäfte getätigt. Der junge Philipp Schwarzerdt hatte noch 1508 Verwandte in Speyer, zu denen er vor dem Tod seines Vaters gebracht wurde.

Quelle: Hans Scheible: Melanchton und die Reformation, Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz, Abteilung Abendländische Religionsgeschichte, Herausgegeben von Gerhard May, Beiheft, 41, 1996

Quellenzitat
Medienobjekt
Melanchthon, Philipp
Melanchthon, Philipp
Notiz: 1497-1560~~Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren~~Quelle: Wikipedia
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Melanchthon, Philipp
Melanchthon, Philipp
Notiz: 1497-1560~~Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren~~Quelle: Wikipedia
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Melanchthon, Philipp
Melanchthon, Philipp
Notiz: 1497-1560~~Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren~~Quelle: Wikipedia
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Melanchthon, Philipp
Melanchthon, Philipp
Notiz: 1497-1560~~Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren~~Quelle: Wikipedia