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Perspektiven
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Welche finanziellen und politischen Perspektiven hat Bremen noch?

Prof. Gisela Färber
Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer
anlässlich einer Tagung der Heinrich Böll Stiftung

  • Hilfen hätten ausgereicht, um die Verschuldung auf das Niveau von Schleswig-Holstein zurückzuführen
     

  • Bund gab Erlaubnis, einen Teil der Zinsersparnisse für investive Ausgaben zu verwenden
     

  • Statt wirksam sinkender Kreditaufnahme erneuter Anstieg ab 1999 (trotz Tilgungshilfen!)
     

  • Bremen hat extrem hohe Primärdefizite 
     

  • Bremen leistet sich die höchsten Primärausgaben je Einwohner unter allen Bundesländern
     

  • Bremen lebt - jenseits seiner Haushatsnotlage - in extremem Ausmaß über seine Verhältnisse und trägt allein Verantwortung für die fehlgeschlagene Sanierung

Ich stehe heute hier ausdrücklich nicht als Partei, sondern als Wissenschaftlerin, und wenn Sie so wollen, auch noch als Bürgerin eines anderen Landes, denn es sind die Bürgerinnen und Bürger der anderen Länder, die das mitfinanzieren, was hier in Bremen fehlgeschlagen ist. Insofern ist im Grunde jeder hier im Raum, egal wo er herkommt, mit involviert. Die deutsche Finanzverfassung lässt uns überhaupt keine andere Wahl, als uns endlich mit den Problemen der Haushaltsnotlage zu beschäftigen. Ich habe außerdem eben noch mal nachgerechnet: ich beschäftige mich inzwischen seit 17 Jahren mit dem Thema Haushaltsnotlage, denn ich habe mit meinem damaligen Chef Konrad Littmann an dem erfolgreichen Gutachten arbeiten dürfen, was zunächst im Saarland, aber indirekt auch Bremen die milliardenschweren Haushaltsnotlagendotationen gebracht hat. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich ausgerechnet habe, wie viel Geld das Saarland und Bremen brauchen, um saniert zu werden. Die Summen sind hier auch angekommen. Es ist exakt der ausgerechnete Barwert des Betrages für das Jahr 1992 gezahlt worden. Es hätte auch im Rückblick reichen müssen, um den Bremer Haushalt zu sanieren. Es ist deshalb zu fragen, warum dies nicht geschah.

Ich will deshalb bei aller gebotenen Kürze ganz knapp noch einmal auf die Historie eingehen, weil man ohne die das Problem nicht verstehen kann, eine Diagnose auch anhand von einigen Grafiken ziehen - was ist hier passiert, was sind die Kernprobleme. Manches ist sogar noch schlimmer, als die offiziellen Zahlen aussagen. Am Schluss will ich Ihnen einige Therapievorschläge präsentieren, wobei ich hoffe, dass Sie sich provoziert fühlen. Dies soll Dialoge und Gespräche in Gang bringen, denn manchmal hilft die Provokation dabei politische Handlungskraft zu bündeln, um die Änderungen, die hier stattfinden müssen, auch umzusetzen. Ich muss Ihnen nämlich jetzt schon sagen, Sparen reicht nicht mehr. Bremen ist ein Sanierungsfall. Und Sanieren ist etwas anderes als Sparen. Wenn Sie wollen, dass hinter dem Horizont noch etwas stattfindet, dann muss Bremen mit diesen weitergehenden Sanierungsmaßnahmen jetzt anfangen.

Ganz kurz zur Historie der Bremer Haushaltsnotlage: Die Klage, ebenso wie die des Saarlands, wurde im Jahr 1988 erhoben, das Urteil erging 1992, die Haushaltsnotlage wurde für die beiden Länder festgestellt, ab 1994 wurden zunächst für fünf Jahre Haushaltsnotlagendotationen als Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen gezahlt, für 1999 bis 2004 wurden die Summen nachgezahlt, die erforderlich wurden, weil die erste Tranche erst 1994 bezahlt wurde und anstelle einer Einmalzahlung das Modell der "Ratenzahlung" gewählt wurde. 2003 hat das Land Berlin seine Klage auf Sanierungshilfe eingereicht, das heißt, zu den zwei Haushaltsnotlageländern ist in der Historie der Bundesrepublik ein drittes hinzugekommen. Nach Einstellung der Zahlungen des Bundes musste zugestanden werden, dass die Sanierung Bremens eindeutig fehlgeschlagen ist. Das Saarland plant eine weitere Klage. Es ist in meinen Augen aber knapp saniert; in einer Haushaltsnotlage ist dieses Land jedenfalls nicht mehr.

Zur Diagnose

Die erhaltenen Hilfen hätten in der Tat zur Sanierung ausgereicht, wenn sie komplett zur Tilgung verwendet worden wären. Bremen könnte heute, bezogen auch auf seine Finanzkraft, die ja über der Schleswig-Holsteins liegt, eine Zinssteuerquote wie das Land Schleswig-Holstein haben. Das Problem ist jedoch, dass nach zwei Jahren Sanierungsanstrengungen der Bund den beiden Haushaltsnotlagenländern die Erlaubnis eingeräumt hat, einen Teil der Tilgungshilfen für Investitionen zu verwenden. Dahinter stand der irrige Glaube, dass man dadurch das regionale Wirtschaftswachstum ankurbeln und auch hierdurch einen Beitrag zur Sanierung der Haushalte leisten kann. Dieser Ansatz ist schon von der theoretischen Seite her nicht fundiert, und für meine Begriffe auch von der empirischen Seite her inzwischen als fehlgeschlagen anzusehen. Intellektuell fand ich ihn nie überzeugend. Ich habe irgendwann 1997 oder 1998 zum ersten Mal im Saarland von dieser Aberration gehört. Ich war entsetzt darüber, denn alles, was nicht für die Tilgung verwendet wurde, senkt die Zinsbelastung - auch in der Zinseszins-Perspektive - nicht, während die Steuereinnahmen nach Finanzausgleich nur sehr langsam steigen. In einer Haushaltsnotlage gibt es für ein Land ohnehin nur eine einzige Alternative, um sowohl den Haushalt als auch die Wirtschaftssituation eines Landes zu sanieren: die "Reparatur" des Haushalts. Statt wirksam sinkender Kreditaufnahme ist zudem, insbesondere ab 1999, festzustellen, dass trotz Tilgungsbeihilfen die Kreditfinanzierungsquoten, also die Summe der Nettokreditaufnahme in Kalkulation zu den bereinigten Ausgaben, in Bremen wieder ansteigt.

... In Bremen ging 1994 die Kreditfinanzierungsquote mit Einsetzen der Tilgungsbeihilfen sofort zurück. Sie blieb wenige Jahre unter Null, steigt aber ab 1999 sogar wieder dramatisch an. Sie liegt deutlich über dem Länderdurchschnitt, obwohl jährlich Tilgungsbeihilfen gezahlt wurden. Die Kreditfinanzierungsquote verdeckt die wahre Verschuldungssituation, d.h. das Ausmaß, in dem die Bremer Bürgerschaft über ihre Verhältnisse gelebt hat.

Der Schuldenstand sollte durch die Tilgungshilfen zunächst stagnieren, bald nach Einsetzen der Sanierungshilfen aber zurückgehen. Im Fall des Saarlandes ist dies auch bis zum Jahr 2001 gut erkennbar. Seitdem steigt der Schuldenstand trotz festgesetzter Hilfen wieder. Bei Bremen stagniert der Schuldenstand bis 1999, um seitdem kontinuierlich und "auf einsame Höhen" anzusteigen.

Noch deutlicher indizieren Zins-Steuer-Quoten, die vor dem Bundesverfassungsgericht als "harte" Indikatoren gegolten haben, das Problem. Das Saarland hat seine Zins-Steuer-Quote bis 2001 in den Kontext der übrigen Länder zurückgeführt und war schon fast auf dem Niveau von Schleswig-Holstein. Es steht allerdings in Erklärungsnot im Hinblick auf die Verschlechterung des Indikators in der Zeit danach. Seine Zins-Steuer-Quote ist mittlerweile in etwa gleich hoch wie die Sachsen-Anhalts, aber näher bei der Gruppe aller Länder als bei Bremen und Berlin. Bremen hat zwar seine Zins-Steuer-Quote ebenfalls etwas abgesenkt, der Effekt ist aber im wesentlichen auf das Sinken der Zinssätze zurückzuführen, nicht aber auf die Tilgung von Schulden. Insbesondere nach 2000 vergrößern sich die Abstände zu den anderen Ländern wieder. Im Jahr 2004 hatte Bremen immer noch eine Zins-Steuer-Quote in Höhe von 193 % des Länderdurchschnitts, was im Rahmen der deutschen Finanzverfassung bedeutet, dass eine Sanierung aus eigener Kraft nicht möglich ist. Mittlerweile hat Berlin im übrigen bei der Zins-Steuer-Quote fast Bremen erreicht. Auch dieser Stadtstaat befindet sich seit 2002 in einer extremen Haushaltsnotlage.

Es ist also zu konstatieren, dass Bremen sich immer noch in einer Haushaltsnotlage befindet, Berlin seit wenigen Jahren in diese äußerst unangenehmen Lage gekommen ist, das Saarland aber als saniert anzusehen ist. Von Interesse ist nun die Frage nach den Ursachen vor allem des ungleichen Schicksals der beiden "alten" Haushaltsnotlagenländer, deren Zins-Steuer-Quoten durch die Tilgungshilfen eigentlich bei der von Schleswig-Holstein liegen müssten, wenn diese intentionsgemäß zur Tilgung verwendet worden wären.

Die Ursachen der Sanierungsprobleme bzw. des Fehlschlags im Fall von Bremen lassen sich mit Hilfe von Indikatoren aus der neueren Finanzwissenschaft abbilden. Hier geht es nämlich nicht mehr nur um Finanzierungsdefizite, sondern es werden sog. Primärsalden errechnet. Dieser Indikator setzt die Ausgaben einer Gebietskörperschaft ohne Zinsausgaben, damit also die Ausgaben für öffentliche Leistungen, in Relation zu den "regulären" Einnahmen. Ausgeblendet werden dabei die Einnahmen, die aus Veräußerungserlösen stammen, die also entstehen, wenn Länder und Kommunen Tafelsilber verscherbeln, um die Löcher in ihren Haushalten zu stopfen. Werden dort deformierte Primärausgaben und Primäreinnahmen einander gegenüber gestellt und der Saldo daraus gebildet, kann errechnet werden, ob ein Land seine Leistungsausgaben mit Hilfe regulärer Einnahmen finanzieren kann. Ein Primärdefizit zeigt an - und dies je länger dies besteht, um so stärker - dass ein Land über seine Verhältnisse lebt. Die Nulllinie würde bedeuten, dass die Leistungsausgaben durch regelmäßige Einnahmen finanziert wären.

Bremen hat das einmal geschafft, nämlich im Jahr 1992. Danach indizieren die Daten wachsende Primärdefizite, wie sie sich mit Abstand kein anderes Land leistet. Erkennbar wird im übrigen auch der Weg Berlins in die Haushaltnotlage - die im wesentlichen auf die unzureichende Finanzierungssituation nach der Wiedervereinigung der Stadt, nicht ausreichend schnell einsetzende und wirksam werdende Konsolidierungsmaßnahmen in den 90er Jahren sowie die Krise der Berliner Bankgesellschaft 2001 zurückzuführen ist - und die energischen eigenen Sanierungsanstrengungen nach 2001: für das Jahr 2007 wird erstmals wieder im Berliner Haushalt ein Primärüberschuss erwartet. Die Primärsalden decken aber auch auf, dass das Saarland seit dem Regierungswechsel seinen zuvor durchaus ausreichenden Sanierungskurs verlassen hat, deutlich überdurchschnittliche und sich unter Sanierungsaspekten unvertretbare Primärdefizite leistet. Denn die in Relation zum Länderdurchschnitt sehr hohen Primärdefizite sind auf politische Entscheidungen des Saarlands zurückzuführen. Der Bund und die Geberländer hätten von Bremen und dem Saarland erwarten können, dass sie einen Eigenbeitrag zur Sanierung in Form von Primärüberschüssen erwirtschaften.

Bremen ist mittlerweile sogar Rekordhalter bei den Primärdefiziten. Die Ursache hierfür ist im übrigen nicht, dass die Einnahmen stark zurückgegangen sind. Ursache ist ganz eindeutig die Höhe der Primärausgaben. Bremen leistet sich, seitdem es Sanierungshilfen erhält, höhere Zuwachsraten bei den Primärausgaben als alle anderen Länder. Inzwischen weist Berlin niedrigere Leistungsausgaben als Bremen aus, die Erfolge seiner Sanierungsanstrengungen sind deutlich sichtbar. Auch das Saarland liegt bei seinen Primärausgaben je Einwohner nicht mehr unter dem Referenzland Schleswig-Holstein. Es drängt sich doch gerade der Gedanke auf, warum der Bund und die anderen Länder eine Sanierung von Landeshaushalten finanzieren sollen, in denen den Bürgerinnen höhere Leistungen gewährt werden, als sich dies die Geberhaushalte leisten können.

Das Verhalten der beiden Landesregierungen ist demnach nicht in Ordnung. Vor allem Bremen leistet sich die höchsten Primärausgaben je Einwohner unter allen Ländern. Bremen lebt unter dem Schleier seiner Haushaltsnotlage in extremem Ausmaß über seine Verhältnisse und trägt deshalb alleine die Verantwortung für die fehlgeschlagene Sanierung. Als möglicherweise etwas entlastend gilt es zu bedenken, dass dieser absurde "Sanierungskurs" Bremens unter den Augen und mit ausdrücklicher alljährlicher Genehmigung des Bundes und - über den Finanzplanungsrat - auch der anderen Länder stattfand. Es fällt schwer zu glauben, dass der Sachverhalt intellektuell nicht zu bewältigen gewesen wäre. Die vor allem in Bremen ungünstige Entwicklung war auch ohne das Konzept der Primärsalden erkennbar, wenngleich nicht so deutlich. Mithin muss nach politisch "Mitschuldigen" auf der Seite der Geberjurisdiktionen gesucht werden.

Zur Therapie

Der Fortbestand der Bremer Haushaltsnotlage wirft ernste Fragen nach ihren Folgen auf. Was kann man eigentlich in der Situation überhaupt noch machen? Denn Bremens Haushaltsnotlage bedeutet, dass das Land sich ohne fremde Hilfe nicht mehr aus dieser Situation befreien kann. Es ist überdies eine finanzpolitische Katastrophe, dass die Politik von Bremen das Instrument der Sanierungshilfen, das 1992 durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in die Realität der deutschen Finanzverfassung hineinkam, diskreditiert hat, ohne dass dies konzeptionell gerechtfertigt wäre.

Verschiedene Vorschläge "geistern" zur Zeit durchs Land: In einem Gutachten hat der wissenschaftliche Beirat beim BMF die Möglichkeit des Landeskonkurses vorgeschlagen. Staatsrechtlich geht das in der Bundesrepublik aber wohl nicht.

Staaten können wegen ihrer Schulden keinen Konkurs anmelden. Staaten sind in diesem Sinn "unsterblich". So haftet der französische Staat noch für Schulden, die vor ein paar Jahren entdeckt worden sind, die Napoleon beim Durchzug durch die Schweiz zum Italienfeldzug gemacht hat. In dem Moment, wo Staaten aufhören, ihre Schulden zu begleichen, hat das Folgen für die Konditionen der Finanzierung im ganzen Land und damit auch für die private Wirtschaft. Deswegen ist ein formaler Landeskonkurs meines Erachtens auch keine Lösung.

Überlegenswert erscheint aber die Idee Sanierungsbeiträge bei den Kreditgebern einzusammeln. Bei einem privaten Unternehmen ist es Aufgabe der Gläubiger, die Bonität des Schuldners zu überprüfen und das Risiko zu minimieren. Kreditgeschäfte mit Ländern sind bis dato wenigstens risikolos, weil das Land die Schuld immer bedienen muss. Fragen Sie aber doch hier in Bremen einmal Ihre Gläubiger, inwieweit sie bereit sind, auch einen Sanierungsbeitrag für das Land zu leisten!

Zwangsfusionierung mit Niedersachsen! Die Schweizer Finanzverfassung sieht in einigen Kantonen vor, dass überschuldete Gemeinden mit ihren Nachbarn fusioniert werden. Das mag niemand. Das ist auch in der Tat etwas schwierig, denn im Ergebnis würde dies den niedersächsischen Bürgerinnen und Bürgern zumuten, dass sie jetzt auch noch die Schulden von Bremen bei einer Fusion mittragen müssen. In Ableitung von der Grundidee könnte man aber darüber nachdenken, wie der niedersächsische Teil der Metropolregionen Bremen Finanzierungsbeiträge für die Sanierung erbringen kann. Ein Teil der überbleibenden Defizite ist nämlich von der Nutzerseite der öffentlichen Güter vom näheren Umland verursacht worden.

Von der Gemeindeebene her ist das Institut eines Haushaltskommissars bekannt, der vom Land in überschuldeten Gemeinden eingesetzt wird. Die Gemeinde gibt damit praktisch ihre finanzpolitische Eigenständigkeit auf. Manche Verfassungsrechtler sagen, dass Artikel 37 GG (Bundestreue, Bundeszwang) hier gewisse Möglichkeiten einräumt. Das würde aber bedeuten, dass man in Bremen den Regierenden Bürgermeister absetzt, denn der Haushaltskommissar ersetzt die "Regierung". Das Parlament würde damit seine ausgabenpolitische Selbstständigkeit nach Artikel 104a Abs. 1 GG verlieren, bis die Sanierung erfolgt ist.

Die Fragezeichen hinter all diesen Lösungen haben gute Gründe, weil im Grunde auch die ganze Wissenschaft nicht weiß, wie es weitergehen soll und was die ökonomischen, finanzpolitischen und rechtlichen Folgen fehlgeschlagener Haushaltssanierungen sein sollen.

Bleibt der Weg einer Fortsetzung von Hilfen des Bundes und der anderen Länder. Diese sind aber rechtlich und politisch nur zumutbar, wenn die Bremer Bürgerinnen und die lokale Wirtschaft ein besonderes Opfer bringen. Denn sie bedeuten für alle Bürgerinnen der Bundesrepublik entweder höhere Steuern, weniger öffentliche Güter oder neue Schulden für die nächsten Generationen. D.h., Bremen muss durch eigene Sanierungsanstrengungen nachweisen, dass es die Hilfe der anderen "verdient". Das bedeutet einen weiteren fühlbaren Verzicht auf öffentliche Leistungen und/oder höhere Gebühren für den Bezug von diesen in Bremen.

Von der Politik erwarte ich deshalb, dass ein tragfähiges Sanierungskonzept mit langfristigen Primärüberschüssen erarbeitet und umgesetzt wird. Denn die "Sünden" der Vergangenheit müssen in Form von Verzicht auf öffentliche Leistungen "zurückgezahlt" werden. Es ist nicht einzusehen, dass die übermäßige Zinslast in Bremen nach dem ersten Fehlschlag der Sanierung von den Bürgerinnen und Bürgern der anderen Länder bezahlt wird. Bremen muss hier einen Primärüberschuss erwirtschaften, der größer ist als der, der Berlin abverlangt wird. Instrumente hierfür sind u.a. ein Gehaltsverzicht im öffentlichen Dienst - Berlin hat den Tarifvertrag auch in Frage gestellt -, Streichung von Subventionen auch an Vereine, im sozialen Wohnungsbau, Anhebung der Theaterpreise und andere "lieb gewordene" Einrichtungen. Die Sanierungspolitik Bremens muss dieses Mal wirklich glaubhaft sein, das heißt also auch inhaltlich tragfähig und nicht, wie beim letzten Mal, inhaltlich ohne Sanierungssubstanz. Bremen hat zudem durch Uminterpretation seine Verschuldungsgrenze manipuliert. Für die Zukunft würde ich von Bremen erwarten, dass in seine Verfassung eine Verschuldungsgrenze eingeführt wird, die garantiert, dass keinerlei Lasten durch Verschuldung mehr auf zukünftige Generationen verschoben werden. Auch dieses Instrument der Glaubwürdigkeit hat die Enquete-Kommission in Berlin zumindest in Form eines Minderheiten-Votums gerade verabschiedet.

Wenn Bremen weitere Sanierungsbeihilfen bekommen will, dann sollte man vielleicht auch mal überlegen, ob das Land Bremen mangels eigener autonomer Besteuerungskompetenzen Sanierungsbeiträge auf freiwilliger Basis einwirbt. Fragen Sie doch mal Ihre Bürgerinnen und Bürger, die murren werden, dass man ihnen Kindergärten schließt oder Angebote in der Kulturszene kürzt, ob und wie sie Eigenbeiträge erbringen wollen. Veranstalten Sie doch eine Tombola zugunsten der Sanierung von Bremen, die solche Gegenfinanzierungsbeiträge einwirbt. Lassen Sie Ihre Phantasie springen, die das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, das ja bei all diesen Sanierungsprozessen arg strapaziert wird, ins Gegenteil umschlagen lässt, um zu zeigen, dass es sich lohnt, für die Sanierung zu kämpfen.

An der Grenze des geltenden Rechts wäre außerdem noch zu überlegen, ob es so etwas wie "zivilen Ungehorsam" geben könnte, indem bundesrechtlich vorgeschriebene Leistungen nicht mehr erbracht werden. Derzeit sind Kürzungen nur zu Lasten der freiwilligen Aufgaben möglich, denn die anderen erweisen sich zumindest de lege als resistent dagegen. Es ist aber doch gar nicht einzusehen, dass es immer nur einseitig zu Lasten dessen geht, was wirklich vor Ort entschieden werden kann. Ich schlage demokratische Beschlüsse vor, welche Bundesgesetze Bremen zukünftig nicht mehr erfüllen will! Das wäre zumindest politisch ein wunderschöner Weg, um in die Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland endlich mal Bewegung zu bekommen. Setzen Sie sich für Steuerautonomie und für eine Reform der Finanzverfassung ein, die Ihnen tatsächlich auch eine Sanierung aus eigenen Kräften erlaubt. Was anderes bleibt Ihnen nicht übrig. Sie stehen hinter der Wand, und wenn der Horizont aufgehen soll, dann müssen Sie sich mindestens ein großes, großes Loch in der Mitte herausschneiden, um Bewegungsfreiheit zu bekommen. Finanzpolitisch ist das hart, aber ich sehe noch eine Chance, allerdings je schneller sie wahrgenommen wird, umso wirksamer wird sie sein.

 

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