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Jugend gibt Antwort

Von Dietrich Gutsch

Lebenslauf von Dietrich Gutsch

Dietrich Gutsch 1957Über sich selbst zu berichten, ist nicht leicht. Ich bin nicht objektiver Beobachter "der Jugend", sondern gehöre dazu. Nicht was "man" tut, was "die Jugend" in der Kirche tut, ist Gegenstand dieses Berichtes. Wir sind nur eine kleine Gruppe, von Zahlen und attraktiver Organisation halten wir nicht viel. Dagegen mehr von Verbindlichkeit und persönlichem Engagement. Wir möchten Denken und Tun miteinander verbinden, nicht in der Diskussion stecken bleiben. Für uns gehört beides eng zusammen, das eine muss das andere bestimmen. Wir wollen die Kirche nicht aufschminken durch neue Methoden der Verkündigung; Restaurierung, Wiederherstellung vergangener Positionen, ist nicht unser Ziel. Christus stellt uns durch die Welt, in der wir leben, von Grund auf in Frage. Erneuerung der Kirche kommt aus der Mitte des Evangeliums, und dabei zerbrechen unsere Traditionen und christlichen Grundsätze. Dann fragen wir nach dem Evangelium für unsere Zeit und Situation.

Christus ist für die Welt - "Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. Sie muss an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend. Sie muss den Menschen aller Berufe sagen, was ein Leben mit Christus ist, was es heißt, "für andere dazusein" (Dietrich Bonhoeffer). - Daran versuchen wir in unseren ökumenischen Aufbaulagern, durchgeführt von der Gossner-Mission in der DDR in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Arbeitskreis der Evangelischen Jugend in der DDR, zu lernen. Wir sind vorsichtig geworden im Gebrauch großer Worte und vorbelasteter Begriffe. Schon weil uns die "Väter" damit andere Motiv unterschieben oder uns doch wieder zum Aufschminken vereinnahmen wollen - darum reden wir hier nicht von "Zeichen" und "zeichenhaftem Tun". Die Lager bieten uns aber die Möglichkeit etwas vom Dasein für andere zu lernen und die - von kirchlicher Betriebsamkeit gepaart mit christlichem Individualismus überwucherte - neutestamentliche Begründung der Gemeinde Christi für uns in unserer Zeit wieder zu finden. Sie sind der Ort an dem wir probieren und laborieren für unser tägliches Leben in Gesellschaft und Gemeinde. Entscheidend dabei ist, dass wir nicht unverbindlich theoretisieren, sondern über ein gewisses Maß von persönlichem Einsatz dazu kommen. Die Probe auf da Gelernte und Erkannte muss im Alltag gemacht werden.

In einem Aufbaulager arbeiten wir, ohne dafür bezahlt zu werden. Es ist meist eine Arbeit, die wir nicht gelernt haben und in der wir nicht Fachmann sind. Oft ist es tagelang eine sechsstündige "uninteressante" Beschäftigung: Steine weiterreichen, Sand schippen, Getreidegarben aufstellen. Die Projekte sind verschieden: Anlage eines Kinderspielplatzes oder eines Parks für einen Veteranenklub, Erntearbeit auf einer LPG, Mitarbeit im Wohnungsbau, Enttrümmern einer Kirchenruine für den Wiederaufbau, Hilfe beim Bau eines Gemeindezentrums, Renovierung von Wohnungen alter und hilfsbedürftiger Menschen, Hilfsarbeiten und Urlaubsvertretung in Krankenhäusern.

Jeder arbeitet nach seinen Gaben und Fähigkeiten mit. Für all sind es der Urlaub oder die Semesterferien, die sie auf so ungewohnte Weise verbringen. Darum gehört zu der vierzehntägige oder dreiwöchigen Arbeit auch die Freizeit mit Wandern und Nichtstun dazu. An einer bestimmten, sinnvollen Stelle möchten wir helfen, auf Kosten unserer Gewohnheit und Bequemlichkeit. Dabei lernen wir unsere eigene tägliche Arbeit als verantwortliches Handeln in der Gesellschaft besser verstehen. Wir sehen sie nicht mehr nur als Gelderwerb. Unsere Arbeit ist nichts Selbständiges neben unserem "privaten Leben", sondern gehört zu unserer ganzen Existenz. Gerade hier beginnen wir erst zu verstehen, dass Leben in der Welt und Leben in der Gemeinde keine Alternativen sind. Zu lange haben wir die Trennung des "Draußen" und "Drinnen" praktiziert, darum fällt uns die Integrierung in unsere jetzige Gesellschaft so schwer. Dazu wird uns die Bindung an unsere kirchliche Vergangenheit bewusst und sichtbar, zugleich aber auch die Notwendigkeit, den ausgetretenen Weg zu verlassen, um dem Herrn auf seinem Weg in der Welt zu folgen. So gehören zur gemeinsamen Arbeit im Aufbaulager gemeinsames Bibelstudium, Gebet und Fürbitte, das Nachdenken über unseren Weg und unsere Verantwortung, die intensive und kritische Beschäftigung mit der Geschichte und ihren Forderungen an uns. Wir glauben, dass wir neue Antworten auf die neuen Fragen unserer neuen Gesellschaftsordnung geben müssen, dass wir die uns gestellten Aufgaben redlich ohne Ressentiments und kirchliche Eroberungspläne zu lösen haben. Weil Gott in allen großen Wandlungen, die in unserer Zeit geschehen, am Werk ist, können wir ihn nicht in die Vergangenheit verbannen. Darum genügen uns nicht zeitlose christliche Lebensregeln, sondern wir möchten vom Evangelium her wissen, was wir heute in der DDR zu tun haben. Diese Frage nach dem weltlichen Engagement beschäftigt viele Christen in der ganzen Welt, weil Jesus Christus nicht länger für den kirchlichen oder religiösen Sektor vereinnahmt werden darf. Das gilt, wie die Diskussion während der III. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Neu Delhi gezeigt hat, besonders für die Kirchen in Ländern, in denen die bisherige Gesellschaftsordnung revolutionär umgestaltet wird. "Wer das Evangelium verkünden will, muss deshalb bereit sein, sich am Kampf um soziale Gerechtigkeit und um Erhaltung des Friedens zu beteiligen. Ein solches Zeugnis muss die Gestalt demütigen Dienstes und eines ganz praktischen Amtes der Versöhnung inmitten der herrschenden Konflikte unserer Zeit annehmen. Die Ganzheit des Evangeliums verlangt ganzheitlichen Ausdruck, da das Evangelium jeden Bereich des menschlichen Lebens betrifft. Heilung und Hilfe in Not, Angriff auf gesellschaftliche Missstände und Versöhnung ebenso wie Predigt, christliche Gemeinschaft und Gottesdienst sind in der verkündigten Botschaft miteinander verbunden" (Bericht der Sektion Zeugnis der III. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen). In der Verbindung von gemeinsamer Arbeit für andere und gemeinsamem Studium wollen wir dies für unser Leben verstehen lernen und übersetzen. Dabei möchten wir den Stil des geistlichen Konsums und der introvertierten Erbauung im Bibelstudium und im Leben als Gemeinschaft überwinden. Auch uns hat die herkömmliche Kirchlichkeit anders geprägt. Wir haben nicht gelernt, in der Gemeindeversammlung mitzudenken, verantwortlich zu reden, konkret zu beten und das Wort Gottes für unsere täglichen Aufgaben und Situationen anzunehmen. Allzu gern geben wir uns damit zufrieden, dass der "Amtsträger" für uns denkt, seine Predigt Sololeistung ist, er an unserer Stelle betet und wir ohne Engagement davonkommen. Darum fällt es uns schwer, dieses Versorgungsprinzip zu verlassen. Es ist auch für uns angenehmer, an gedeckten Tischen zu sitzen, als selber die Speise zu bereiten. Darin liegt die große Versuchung zur Resignation und damit zur Rückkehr zur "unmündigen Gemeinde" in Kult und Erbauung. Wenn Leben und Lehre Jesu Christi für uns nicht in organisierter Langeweile und bedeutungsloser Religiosität enden sollen, dann muss uns seine Wirklichkeit in unserer heutigen Situation treffen. In unserer kirchlichen Praxis und unserer Gemeindestruktur begegnen wir weithin traditionellen "christlichen" Grundsätzen und Lebensregeln, sie treffen aber nicht mehr unsere Wirklichkeit und haben kaum Gewicht für unsere Entscheidungen "in der Welt". Hier zeigt sich der theologisch zwar überwundene, aber in der Praxis noch längst nicht verabschiedete Dualismus von "Kirche" und "Welt". Es geht nicht um Kritik, sondern um das Bemühen, unsere Aufgabe besser zu verstehen und dann auch zu erfüllen. Der beschriebene Rhythmus eines Aufbaulagers scheint uns dafür eine gute Möglichkeit zu sein.

Wir können die Kirche nicht mehr statisch verstehen, sondern nur dynamisch, und das Institutionelle an ihr darum auch nur von der Aufgabe her: "Das Evangelium von der Versöhnung durch den gekreuzigten und auferstandenen Herrn mit Wort und Tat zu verkündigen, bis dass er kommt. Die Annahme und das Bekenntnis dessen, was Gott in Christus getan und durch die Kirche in der Geschichte vermittelt hat, wird nicht als Festlegung auf die Überlieferungen der Vergangenheit betrachtet, sondern als Offenheit für die Gegenwart und die Zukunft - eben in Taten des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes hier und jetzt. Aus diesem Grund ist die christliche Jugend und sind die christlichen Studenten an der ökumenischen Bewegung so innerlich beteiligt, denn der ökumenischen Bewegung geht es ja gerade um die fortschreitende Erneuerung der missionarischen Kirche in dieser Richtung (Philipp Potter, Methodistenkirche, Westindien, als Sprecher der Jugend in der III. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen).

Die Erneuerung unserer Kirchen und Gemeinden, nicht ihr geistlicher Tod durch ungläubige Lethargie oder Furcht vor Änderungen, ist das Ziel. Erneuerung ist nicht Sache der Organisation, sondern des Lebens, ist nicht die Frage nach dem "Wie" der Verkündigung, sondern nach dem Inhalt. Das aber ist nicht allein unser Problem, hier stehen wir unter dem gleichen Fragezeichen mit vielen Kirchen in der Welt. Stimmen wie die des anglikanischen Bischofs Wickham von Manchester können wir nicht leichtfertig überhören: "Sollten wir nicht sagen, dass Gott in seiner Barmherzigkeit der Welt nicht erlaubt, in die Kirche zu kommen, wie wir sie augenblicklich haben? Dass es schrecklich wäre, wenn unsere Kirchen in dem Zustand, in dem sie sich befinden, überlaufen würden mit Leuten? Könnte es sein, dass Gott der Kirche nicht ermöglicht, alle Menschen in der ganzen Welt zu bekehren, so lange die Kirche nicht eingerichtet ist, allen Nöten der Welt zu begegnen - dass Gott uns nicht vorwärts kommen lassen will, es sei denn, wir erkennten die richtige Aufgabe. Funktionierender Apparat, sehr ehrliche und darum traurig stimmende Aktivität und kirchliches Bewusstsein können die Leere und Belanglosigkeit nicht mehr verdecken. Wir haben Angst vor unserer gemeinsamen Flucht in die Betriebsamkeit und unserem Rückzug auf den "festen Standpunkt", der uns die Busse für unsere kirchliche Vergangenheit und ein neues Gespräch unmöglich macht. Darum suchen wir den Partner, der mit uns in der Frage unserer Zeit aushält und der mit uns nach der Antwort sucht. "Christen sollten Spürhunde des lieben Gottes sein, die Nase am Boden, um zu schnuppern, wo der Herr hingegangen ist" (Horst Symanowski). Dabei werden wir vielleicht - oder sicher - sehr ungewohnte und gefährliche Wege "hinter ihm her" gehen müssen, zu Menschen und Gruppen, an denen wir bisher bewusst vorbeigegangen sind.

Möglicherweise erschrecken wir auch über die "Irrwege" oder darüber, dass der Weg nicht in der Kirche endet. Aber nur in dieser Bereitschaft, dem lebendigen Herrn zu folgen und ihn in seinem Tun unter den Menschen zu entdecken, kann die Erneuerung der Kirche beginnen, "die sich nicht fürchtet, die Sicherheiten ihrer herkömmlichen Strukturen hinter sich zu lassen, die zufrieden ist, im Zelt ständiger Wandlungsbereitschaft zu wohnen" (III. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen).

Wir glauben, dass uns die ökumenischen Aufbaulager in ihrer Aufgabenstellung und Anlage zu dieser Erneuerung wesentliche Anstöße geben und dass sie selbst die Äußerung eines neuen Bewusstseins darstellen. In der gemeinsamen Arbeit an einer Aufgabe für andere - gerade nicht im innerkirchlichen Betrieb! - entdecken wir mehr und mehr die Bedeutung der Gruppe. In den Erfahrungen der Aufbaulager sehen wir eine Möglichkeit für neue Lebensformen unserer Gemeinden, deren Begründung nicht mehr in der Tradition, sondern in der vorübergehenden, begrenzten und konkreten Aufgabe liegt. Gemeindekreise verlieren den "Selbsterhaltungstrieb", der weithin zur konservierten Langweiligkeit führen müsste, wenn sie nicht durch die Forderung einer bestimmten Situation und die Lösung einer Aufgabe zusammengerufen sind.

Wichtiger aber ist für uns, in der Verbindung von sehr alltäglicher Arbeit und Bibelstudium in einem Aufbaulager für unser Leben zu lernen, auf die Botschaft der Bibel so zu hören, wie sie in unser konkretes Leben und in unsere Arbeitsverhältnisse hineinspricht. Die Gelegenheiten, in denen wir an Wort und Werk Christi die Entscheidungen und Haltungen in unserer Arbeit und Gesellschaft untersuchen können, werden uns unentbehrlich, um im Gewirr unseres täglichen Lebens weniger falsch und ungehorsam zu handeln. Dazu brauchen wir die Gemeinschaft in wirklicher Vielfalt der Berufe, Gaben und Erkenntnisse und das Gespräch, in dem wir mit unserer Person zahlen müssen.

In der Arbeit eines Lagers erfahren wir, dass wir uns nicht von unserer gesellschaftlichen Bindung distanzieren können, ohne zugleich die Ganzheit des Evangeliums aufzugeben. Notwendigerweise ist darum die Gesellschaft, in der wir leben, mit ihren Belangen, Forderungen und Aufgaben das Thema unserer Lagergespräche. Wir können diesen Fragen nicht mehr ausweichen, da wir im Alltag vor Entscheidungen gestellt werden. Die Gemeinschaft eines Aufbaulagers arbeitet und lebt nicht abgeschlossen im "kirchlichen Raum", sondern vielmehr in der Beziehung zu anderen Menschen auf der Baustelle und den täglichen Aufgaben der Umwelt. Sie will nicht der Fluchtort für die "Ferien von der Umwelt" sein, sondern uns helfen, unser Engagement zu entdecken und einzugehen.

Dabei versuchen wir in der gemeinsamen Beratung und dem Bibelstudium die traditionellen Vorurteile gegenüber unserer Zeit zu überwinden und ihre technische und gesellschaftliche Entwicklung sachlich zu sehen und zu verstehen. In der kurzen Zeit eines Lagers kann ein solches Gespräch nur begonnen werden, deshalb treffen wir uns auch weiterhin in kleinen Gruppen am Heimatort, um von unserer Alltagssituation her die konkreten Aufgaben zu finden.

Aufbaulager bestehen in vielen Ländern durch säkulare Organisationen, wie dem Internationalen Arbeitsdienst und der Gesellschaft der Freunde (Quäker), seit vielen Jahrzehnten. Auf den Trümmern des zweiten Weltkrieges bekam diese Idee und Aufgabe neues Leben auch in anderen kirchlichen Gruppen. 1945 wurde für diese Arbeit der säkularen und kirchlichen Gemeinschaften der Koordinierungssausschuss innerhalb der UNESCO gegründet. Die Jugend mehrerer europäischer Kirchen und Denominationen übernahm von 1948 an auch für sich diese Möglichkeit des Dienstes für andere, nachdem 1947 die Kongregationalistische Kirche von Nordamerika ein erstes "ökumenisches Aufbaulager" in Frankreich organisiert hatte. Mit der Beseitigung von Ruinen wollte sie zur Versöhnung unter den Völkern beitragen und ein besseres Zusammenleben ermöglichen. Junge Christen aus Frankreich, Holland, Dänemark kamen trotz allem, was sie durch uns Deutsche erlebt hatten, wieder zu uns, reichten uns die Hand, sprachen mit uns in unserer Sprache, halfen uns, die sichtbaren Folgen unserer Vergangenheit zu beseitigen. Sie luden uns in ihre Länder ein, und wir konnten mit ihnen zusammen wieder aufbauen, was wir Jahre zuvor in Größenwahn und Hybris zerstört hatten. Nicht Wiedergutmachung, sondern Versöhnung war das Ziel dieser Arbeit und des gemeinschaftlichen Lebens. Für viele sind diese Begegnungen unvergesslich geblieben, Begegnungen mit Menschen, die unter uns schwer gelitten hatten und die doch bereit sind zu vergeben, um ein Miteinander der Völker ohne Angst und Hass zu ermöglichen.

Ein Beispiel für viele soll den Antrieb für dieses Tun zeigen. Eine Lagergemeinschaft gestaltet in den ersten Jahren nach dem Krieg den Gottesdienst in einer Gemeinde in Deutschland. Die Predigt wird von mehreren Teilnehmern über das Gebet Jesu vor seiner Hinrichtung aus dem Johannesevangelium gehalten. Ein Deutscher liest den Text vor: "Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns seien, damit die Welt glaube, du habest mich gesandt" (Joh. 17, 20 - 21). Er sagt einige Sätze. Dann steigt ein junger Franzose auf die Kanzel. Sein erster Satz: "Ich kann die Deutschen nicht leiden." Unruhe geht durch die Gemeinde. Er fährt fort: "Ich habe keine Sympathien für die Deutschen." Viele überlegen, ob sie bleiben sollen. "Ich kann noch nicht vergessen, was sie alles bei uns getan haben. Aber das Schlimmste ist, dass in meiner französischen Bibel dasselbe drinsteht wie in eurer deutschen Bibel, dass Jesus für unser Einssein gebetet hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er für mich vergeblich gebetet haben soll. Um zu lernen, was es heißt, eins zu sein hier auch mit euch in Deutschland, bin ich gekommen und schiebe Schubkarren, klopfe Steine und mache Erdarbeiten, um an meiner Stelle zu lernen, was das heißt: auf dass sie alle eins seien und die Welt glaube, Vater, dass du mich gesandt hast."

In der Arbeit für die Versöhnung der Völker ist zugleich die Versöhnung der Konfessionen eingeschlossen. So geht es von Anfang an um die Erneuerung der Kirche und die Mitarbeit an den Aufgaben unserer Gesellschaft, in der wir leben.

Das wollen wir mit der Bezeichnung "ökumenische Aufbaulager" für uns selbst und unsere Kirchen auch hier bei uns ausdrücken. "Es ist wichtig, mit Nachdruck zu sagen, dass dieses von dem griechischen Wort für die ganze bewohnte Erde abgeleitete Wort sachgemäß dazu verwandt wird, um alles das zu kennzeichnen, was sich auf die ganze Aufgabe der ganzen Kirche in der Verkündigung des Evangeliums für die ganze Welt bezieht" (aus der Erklärung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen in Rolle/Schweiz 1951).

Zu diesem Verständnis von "ökumenisch" gehört notwendigerweise für uns auch die Gemeinschaft von Gliedern der Freikirchen und der Landeskirchen, die Hilfe für unsere Gespräche, die uns die Brüder aus den Volksdemokratien bei ihren Besuchen geben, und der gute briefliche Kontakt mit Aufbaulagern in vielen Ländern und Kontinenten.

So sind unsere ökumenischen Aufbaulager schon durch ihre Aufgabe eng mit der Prager Christlichen Friedenskonferenz verbunden. Erneuerung der Kirche und verantwortliche Mitarbeit in unserer Gesellschaft ist mit dem Friedenszeugnis und dem Dienst der Versöhnung verknüpft. Wir möchten uns die Mühe machen und von der allgemeinen Feststellung, dass man für den Frieden ist, weg und aus der Gleichgültigkeit herauskommen zu konkreten Schritten des Friedens. "Christen sind Diener des Friedens, nicht nur in der Kirche, sondern in der Welt und für die Welt. Die anderen, zum Beispiel Juden und Atheisten, sind nicht Objekte unserer Liebe, sondern Brüder. Die Jugend fragt nach verantwortlicher und kritischer Mitarbeit. Sie wünscht sich eine ökumenische, bekennende und verständliche Kirche, eine Kirche, die in ihrer Gestalt und in ihrem Tun dem Frieden zu entsprechen versucht, von dem sie spricht" (aus dem Arbeitsergebnis der Jugendgruppe der I. Allchristlichen Friedensversammlung).

Unsere Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Gemeinschaft eines ökumenischen Aufbaulagers wollen wir in unserem täglichen Leben und in unseren Gemeinden sinnvoll gestalten und verwenden. Die gemeinsamen Bibelarbeiten und Gottesdienste in interkonfessioneller Zusammensetzung (ohne Eroberungsabsichten!), die Möglichkeiten zu einer wirklichen Gemeinschaft, die Absage an die Versorgungsstruktur und damit an die unmündige und verantwortungslose Gemeinde (zu der wir gehören) möchten wir auch für unsere Ortsgemeinden nicht nur als Ausnahme haben. Aus dem Gefälle zur Introvertiertheit wollen wir auch am Ort herauskommen zur Kirche für die mündige Welt. Darin wissen wir uns eins mit vielen Christen in anderen Kirchen, die die gleichen Erfahrungen und Aufgaben in der ökumenischen Bewegung beraten. "Junge Leute unserer Kirchen zeigen sich oft ungeduldig über den langsamen Fortschritt auf dem Weg zur Einheit und zur Änderung der Strukturen unserer Kirchen, damit sie beweglicher werden, die Aufgaben des Zeugnisses und des Dienstes zu erfüllen. Wir sind der Überzeugung, dass diese Ungeduld nicht einfach als jugendlicher Enthusiasmus abgetan werden kann."

Wenn die Jugend so aktiv auf solche Änderungen auf Orts- und auf regionaler Ebene drängt, so häufig deshalb, weil sie alles das ernst nimmt, was auf ökumenischen Versammlungen über die Tatsache gesagt worden ist, dass die Dinge, die uns als Christen zusammenbinden, wichtiger sind als die Dinge, die uns trennen. Es geht aus der Geschichte klar hervor, dass Erneuerungsbewegungen aus Indifferenz und Ungehorsam vereitelt werden können und vereitelt worden sind" (aus dem Bericht des Ausschusses für das Jugendreferat in der III. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen).

Wie sehr die Jugend der Kirchen überall in der Welt durch die Erkenntnisse in der ökumenischen Bewegung an der gleichen Aufgabe arbeitet, zeigt die Botschaft der ersten Gesamtafrikanischen Christlichen Jugendkonferenz (Nairobi 1963). Unser Weg in der Erneuerung unserer Kirchen vom Evangelium her kann auch nicht anders beschrieben werden, als es dort formuliert wurde: "Auf dem Wege zu Jesu Christi folgend, ist es unsere erste Aufgabe, uns mit allen Menschen zu identifizieren, ihnen zu dienen und sie zu lieben. Eine solche Beteiligung am Leben führt uns zum ständigen Erlebnis des Kreuzes, in dem unsere Freiheit ruht. Wir fordern unsere Kirchen mit aller Dringlichkeit auf, die jüngere Generation dafür auszurüsten, Christen in diesem Sinne zu sein und unsere Schritte auf unvertrauten Boden zu lenken. Wir mögen Fehler begehen, aber wir vertrauen auf den Heiligen Geist."

Der Beitrag erschien in "Mut zur Zukunft" von Arndt/Trautmann Hrsg. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1964, Seite 222 ff. Nachgedruckt in "Christ und Kirche in der DDR", Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschlands 2. Auflage 1968, Seite 164 ff.

Lebenslauf

07.09.1931

in Berlin geboren

1937 - 1949

Schulbesuch in Berlin, Göhrsdorf, Koenigs Wusterhausen/Berlin

1945

Vater in Krieg vermisst

1947

Teilnahme an einer Rüstzeit in Stuttgart
Entscheidung für Jesus Christus

Ehrenamtlicher Mitarbeiter in der kirchlichen Jugendarbeit
Aufbau von Jungscharkreisen in Karlshorst
Ökumenische Zusammenarbeit mit Gruppen der Römisch-katholischen Kirche

1948

Konfirmation

1949 - 1950

Ausbildung in Seminar für kirchlichen Dienst in Berlin-Weissensee

1950

Katechetisches Praktikum in Berlin-Oberschöneweide

1951 -1953

Fortsetzung der Ausbildung im Seminar für kirchlichen Dienst in Berlin-Zehlendorf

1953

Eheschließung mit Charlotte geb. Pobloth

1953 - 1955

Katechet beim Erziehungsausschuss in Berlin-Lichtenberg

1954

Sohn Thomas geboren

1955

Mitarbeiter der Gossner Mission in den DDR für ökumenische Aufbaulager
1.  ökumenisches Aufbaulager in Berlin-Karlshorst an der Kirche "Zur Frohen Botschaft"

1956

1. ökumenisches Aufbaulager in den DDR in Zusammenarbeit mit der Jugendabteilung des Ökumenischen Rates den Kirchen und dem Nationalen Aufbauwerk

1959

Sohn Christof geboren

1961

Jugenddelegierter bei den 3. Vollversammlung des Ökumenischen Rates den Kirchen in Neu Delhi
Teilnahme an der I. Allchristlichen Friedensversammlung Mitglied des Regionalausschusses der Christlichen Friedenskonferenz in der DDR (CFK)

1965

Referent für ökumenische Aufbaulager und Nationalkorrespondent zur Jugendabteilung des Ökumenischen Rates den Kirchen bei der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend in den DDR

1966

Sohn Markus geboren

1967

Jugenddelegierter an der V. Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) in Pörtschach (Österreich)

1968

1968 Gründung des Ökumenischen Jugendrates in Europa (EYCE), Mitglied des Exekutivkomitees

1969 - 1975

Vorsitzender der Internationalen Jugendkommission der CFK

seit 1971

Leiter des Ökumenischen Jugenddienstes der Kommission Kirchliche Jugendarbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen in den DDR 

1971

Gründung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugend in den DDR, Mitglied des Ökumenischen Jugendrates in den DDR 

1972 - 1978

Vorsitzender des Ökumenischen Jugendrates in Europa 

1974

Delegierter an den VII. Vollversammlung der KEK in Engelberg/Schweiz 

seit 1975

Internationaler Sekretär der CFK

09.03.1981

in Berlin verstorben

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