Johannes Paul

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Johannes Paul

Inhalt


Veröffentlichungen

  • Die territoriale Ausbreitung der britischen Herrschaft in Südafrika bis zur Gründung Rhodesiens
    Eine politisch-geographische Studie zur neueren Kolonialgeschichte. Weida/Thüringen 1927
     

  • Deutsche, Buren und Engländer in Südwestafrika
    Begleitwort zu einer Nationalitätenkarte der Europäer in Südwestafrika
    Sonderdruck aus "Koloniale Rundschau" Heft 9/10, 1931
     

  • Wirtschaft und Besiedelung im südlichen Amboland
    Sonderdruck aus "Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Museums für Länderkunde zu Leipzig, N. F. 2, 1933"
     

  • Deutsch-Südwestafrika
    Download als
    Artikel im "Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddeutschtums" Seite 262 bis 278
    Herausgegeben von Carl Petersen, Paul Hermann Ruth, Otto Scheel und Hans Schwalm, Ferdinand Hirt in Breslau, 1936

    Inhalt
    Allgemeine Angaben  Seite 2
    A. Deutsch-Südwestafrika von der Erwerbung bis zum Weltkrieg  Seite 2
        I. Die natürlichen Bedingungen  Seite 2
        II. Die Eingebornen  Seite 3
        III. Erwerbung und Behauptung durch das Deutsche Reich  Seite 4
        IV. Verwaltungsaufbau und Verwaltungspolitik  Seite 5
        V. Europäische Erschließung  Seite 7
            1. Zahl und Verteilung der Weißen  Seite 7
            2. Ansiedlung und Berufsgliederung der Weißen  Seite 7
            3. Wissenschaftliche Erforschung  Seite 8
            4. Farmwirtschaft  Seite 8
            5. Bergbau und Industrie  Seite 9
            6. Verkehrswesen  Seite 9
            7. Handel  Seite 10
        VI. Kulturelles Leben der Weißen  Seite 10
    B. Deutsch-Südwestafrika während des Weltkrieges  Seite 10
     

  • Abenteuerliche Lebensreise. Sieben biographische Essays.
    Minden/Westfalen 1954
     Kurzer Überblick als  
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        Einleitung
        Marco Polo
        Georg Forster
        Johann Gottfried Seume
        Alexander von Humboldt
        Fürst Pückler
        Fridtjof Nansen
        Sven Hedin
     

  • Von Grönland bis Lambarene 
    Stuttgart 1958


Deutsche, Buren und Engländer in Südwestafrika

Begleitwort zu einer Nationalitätenkarte der Europäer in Südwestafrika

Sonderdruck aus "Koloniale Rundschau" Heft 9/10, 1931

Von Dr. Johannes Paul

Inhalt


Für die Beurteilung der Lage des Deutschtums in Südwestafrika ist es häufig als Mangel empfunden worden, dass genaue statistische Unterlagen über die absolute Zahl und das relative Stärkeverhältnis von Deutschen, Buren und Engländern nicht vorliegen. Die amtliche Nationalitätenstatistik beruht auf den Angaben über Staatsangehörigkeit; da aber bei der Europäerbevölkerung Südwestafrikas Nationalität und Staatsangehörigkeit sehr oft nicht übereinstimmen, ist diese sogenannte Nationalitätenstatistik für die Lösung der vorliegenden Frage von recht beschränktem Wert. Zwar lässt sich aus ihr die Gesamtzahl der Deutschen noch mit einiger Genauigkeit ermitteln, da nach der automatischen Naturalisation des größeren Teiles der 1924 im Lande ansässigen Deutschen (Londoner Abkommen 19231) und Naturalisationsgesetz 19242) diese auch weiterhin gesondert als "British by naturalization" aufgeführt werden. Aber die Nationalitätenstatistik gestattet keine klare Unterscheidung von Buren und Engländern; außerdem gibt sie nur die Summen für das ganze Land, so dass eine Untersuchung der Verhältnisse in den einzelnen Landesteilen sowie eine kartographische Darstellung unmöglich ist. Auch die Sprachenstatistik ist für die Ermittlung der Nationalitätenverhältnisse unbrauchbar. Ebenso führt die Geburtsortsstatistik nicht zum Ziel, schon allein darum nicht, weil von der gesamten Europäerbevölkerung Südwestafrikas heute bereits mehr als ein Viertel im Lande selbst geboren ist, also mit den Mitteln dieser Statistik der Nationalität nach nicht erfasst werden kann. Von deutscher Seite in Südwestafrika liegen Schätzungen über die jeweilige Zahl der Deutschen vor, die wohl praktischen Bedürfnissen genügen. Die Schätzungen über die Verteilung der restlichen Bevölkerung auf Buren und Engländer beruhen dagegen schon auf recht unsicheren Grundlagen, und noch unklarer sind die Vorstellungen von der relativen Stärke der einzelnen Nationalitäten in den verschiedenen Teilen des Landes.

Gerade diese Frage ist aber für die Beurteilung der gegenwärtigen und vor allem der zukünftigen Lage des Deutschtums von wesentlicher Bedeutung. Es ist wichtig zu wissen, ob und in welchem Stärkeverhältnis vorwiegend, deutsche Landesteile solchen mit vorherrschend englischer oder Burenbevölkerung gegenüberstehen, bzw. wie weit der tatsächlich bestehende Prozess der räumlichen Durchdringung der Nationalitäten heute bereits fortgeschritten ist. Eine solche Umgestaltung des Bevölkerungsbildes hat nicht nur politische Folgen, z. B. für das Stimmenverhältnis bei den Wahlen, das durch die ungleichen Wahlrechtsbestimmungen für die Deutschen an sich schon ungünstig ist, sondern verändert auch die kulturelle Lage des Deutschtums. Denn es wachsen damit die Möglichkeiten für eine kulturelle Assimilation an das stärkste Bevölkerungselement, die Buren, wenn diese Möglichkeiten auch in einem weiträumigen Lande wie Südwestafrika, das als ländliche Siedlungsform fast nur die Einzelfarm kennt, anders zu beurteilen sind als etwa in Europa. Dabei ist nicht nur das Stärkeverhältnis von Deutschen zu Nichtdeutschen zu berücksichtigen, sondern bei letzteren auch der Anteil von Buren und Engländern, da deren Einstellung zu den Bestrebungen des Deutschtums in manchen wichtigen Punkten wesentlich verschieden ist. Gerade dieses relative Stärkeverhältnis der drei Nationalitäten in den verschiedenen Teilen des Landes konnte aber bisher nicht mit Sicherheit beurteilt werden.

Inhalt


I. Statistische Grundlagen

Es ist nun hier der Versuch gemacht worden, zur Klärung dieser Frage die Konfessionsstatistik heranzuziehen. Die Auswertung der Konfessionsstatistik zur Feststellung von Nationalitätenverhältnissen in völkischen Mischgebieten ist für andere Länder schon mehrfach und mit verschiedenem Erfolg versucht worden. Der Erfolg hängt - abgesehen von der Frage der Zuverlässigkeit der statistischen Erhebung überhaupt wesentlich davon ab, ob wirklich jeder Nationalität eine besondere, nur ihr eigentümliche Konfession (oder Gruppe von solchen) entspricht, bzw. ob für die Konfessionen, die Angehörige verschiedener Nationalitätszugehörigkeit umfassen, eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Verteilungsquote gefunden werden kann. In Südwestafrika kommen praktisch nur drei Nationalitäten in Frage, Deutsche, Buren und Engländer, und für sie sind diese Voraussetzungen tatsächlich soweit erfüllt, dass eine ausreichende Genauigkeit gewährleistet ist. Nur 1,8 Prozent der Gesamtbevölkerung hatte nach der Zählung von 1926 eine Staatsangehörigkeit, die keiner dieser drei Nationalitäten entspricht.

  1. Die Buren gehören mit sehr seltenen Ausnahmen durchweg der Reformierten Kirche an, die in Südwest ganz vorwiegend durch die Nederduits-Gereformeerde Kerk, in geringerem Maße auch durch die Gereformeerde Kerk van Suid Afrika und durch die Hervormde Kerk vertreten ist. Der Anteil der Buren an der Gesamtbevölkerung lässt sich also mit großer Genauigkeit feststellen, da außerhalb des Burentums Reformierte praktisch nicht in Frage kommen.
     

  2. Die Deutschen setzen sich hauptsächlich aus Lutheranern bzw. Protestanten im engeren Sinn zusammen. Weiter gehört zu ihnen der größte Teil der Katholiken. Da jedoch ein kleiner Teil der Katholiken den Engländern zuzuzählen ist, so muss eine prozentuale Verteilung vorgenommen werden. Nach dem gut übereinstimmenden Urteil von mehreren Vertretern der katholischen Kirche in Südwest wurden 80% der Katholiken als deutsch, 20% als englisch gerechnet. Bei der guten Übersicht, die die katholische Kirche in Südwest über ihre Mitglieder hat darf diese Verteilungsquote als recht genau angenommen werden, wenigstens für das Jahr 1926. In ähnlicher Weise wurden die Juden zu 30% den Deutschen, zu 70% den Engländern zugerechnet. Da die von der Konfessionsstatistik als Juden Aufgeführten nur 1,8% der Gesamtbevölkerung ausmachen, so würde auch eine größere Ungenauigkeit dieser aus der Beobachtung gewonnenen Verteilungsquote die Endresultate nur in ganz geringem Maße beeinflussen.
     

  3. Die Engländer schließlich setzen sich ganz vorwiegend aus Anglikanern sowie einer geringen Zahl von Presbyterianern, Kongregationalisten und Methodisten zusammen, denen dann noch 20% der Katholiken und 70% der Juden zugezählt wurden.

Damit sind die großen Konfessionsgruppen, deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nationalität ganz oder nahezu eindeutig festgestellt werden kann, aufgeteilt. Es verbleibt noch ein Rest von einigen ganz kleinen Sekten usw. Sie machen nach der Zahlung vom Jahre 1926 insgesamt nur 2,4% der Gesamtbevölkerung aus. Deren Anhänger wurden gleichmäßig auf Buren, Deutsche und Engländer verteilt. Sollte diese Verteilungsquote nicht ganz zuverlässig sein, so würde also der Fehler bei einer der drei Nationalitäten selbst im ungünstigsten Falle nur 1,8% betragen. Es besteht daher Grund zu der Annahme, dass die mit dieser Methode gewonnenen Ergebnisse innerhalb einer sehr engen Fehlergrenze den Tatfachen entsprechen. Eine Möglichkeit zur Kontrolle gibt der Vergleich des prozentualen Anteiles der Deutschen an der Gesamtbevölkerung nach der Nationalitätenstatistik mit den aus der Konfessionsstatistik gewonnenen Werten. Die Nationalitätenstatistik ergibt den Anteil der Deutschen für 1921 zu 40,4%, für 1926 zu 36,9% (d. h. 1926 "German" plus "British by naturalization"). Die Auswertung der Konfessionsstatistik ergibt für die gleichen Jahre 41,1% und 36,9%. Die Übereinstimmung dieser völlig unabhängig voneinander gewonnenen Endresultate ist so genau, dass damit die Brauchbarkeit der vorliegenden Methode auch für die Untersuchung der Verhältnisse in den einzelnen Landesteilen und für die Trennung von Buren und Engländern erwiesen sein dürfte. Die Berechnung nach der Zählung vom Jahre 1926 ergibt folgendes Bild:

Übersicht nach Distrikten für 1926

Buren

Engländer

Deutsche

Summen

Aroab

616

29

50

695

Bethanien

315

51

91

457

Gibeon

1.421

96

213

1.730

Gobabis

565

65

324

954

Grootfontein

304

208

1.105

1.617

Karibib

357

285

411

1.053

Keetmanshoop

1.982

436

270

2.688

Lüderitzbucht

455

451

1.687

2.593

Maltahöhe

277

20

78

375

Okahandja

378

77

311

766

Omaruru

246

103

401

766

Otjiwarongo

361

114

322

797

Outjo

156

46

109

311

Rehoboth

538

69

143

750

Swakopmund

385

452

1.048

1.885

Warmbad

1.759

143

126

2.028

Windhuk

1.244

1.172

2.186

4.602

Summen

11.359

3.817

8.875

24.051

Inhalt


II. Die Verbreitung der einzelnen Nationalitäten

Nach der oben beschriebenen Methode wurde die Konfessionsstatistik der beiden bisher vorliegenden Zählungen aus den Jahren 1921 und 1926 bearbeitet3). Die Ergebnisse für 1926 kommen in den beiliegenden Karten zur Darstellung, die somit ein Bild von der räumlichen Verbreitung von Deutschen, Buren und Engländern in diesem Jahre geben. Auf Karte 2 sind je 25 weiße Einwohner durch einen Punkt dargestellt, die Nationalität kommt durch Form und Farbe zum Ausdruck. Als kleinste Zählungseinheit gibt die Statistik den Magistratsdistrikt. Die Verbreitung der europäischen Bevölkerung innerhalb der einzelnen Distrikte ist aber sehr ungleichmäßig. Vor allem im Küstengebiet, wo die Bevölkerung an wenigen Punkten konzentriert ist, aber auch in den Distrikten des Binnenlandes, die Teile der Namib oder des Sandfeldes umfassen, war ein Ausscheiden der völlig unbesiedelten Gebiete und eine genaue Festlegung der wirklichen Wohnplätze notwendig, wofür in erster Linie die Farmbesitzstandskarte des gleichen Jahres4) maßgebend war. Die Ortschaften mit mehr als 500 weißen Einwohnern wurden ausgeschieden und durch drei entsprechend größere Kreise dargestellt. - Auf Karte 1 ist die gesamte Bevölkerungszahl jedes einzelnen Distriktes durch einen der Größe dieser Zahl entsprechenden Kreis dargestellt; der Anteil der einzelnen Nationalitäten ist durch Sektoren veranschaulicht.

Karte 1

Als Gesamtbild ergibt sich, dass abgesehen von den Küstenorten Swakopmund, Walfischbai und Lüderitzbucht mit den Diamantfeldern fast die gesamte weiße Bevölkerung innerhalb der Grenzen des Farmlandes im Binnenland ansässig ist. Auch innerhalb des besamten Gebietes, das als ein langer und relativ schmaler Streifen zwischen Namib und Kalahari die eigentlichen Binnenhochländer bis etwa zur Etoschapfanne nach Norden umfasst, ist die Dichte der Europäerbevölkerung, nicht ganz gleichmäßig. Einige kleinere Eingeborenenreservate und vor allem das große Reservat der Rehobother Bastards, in denen Weiße kein Land erwerben können, sind noch ziemlich frei von Europäern. Durch die Errichtung von Missions-, Polizei- oder sogar Eisenbahnstationen, Kaufläden usw. sind aber auch hier bereits einzelne Europäerfamilien ansässig, so dass heute tatsächlich schon ein fast zusammenhängendes, wenn auch außerordentlich dünn bewohntes europäisches Siedlungsgebiet von Oranje bis nahe zur Etoschapfanne und vom Westrand des Sandfeldes bis zur östlichen Namibgrenze besteht.

Sehr auffällig ist die Tatsache, dass die Dichte der ländlichen Europäerbevölkerung in dem klimatisch begünstigten Norden nicht größer, sondern gleich oder stellenweise sogar geringer ist als im trockenen Süden (vgl. z. B. Distrikt Grootfontein und Distrikt Warmbad). Auf Grund der von Nordosten nach Südwesten abnehmenden Regenmengen und der dadurch bedingten dürftigeren Weide ist die Größe einer Durchschnittsfarm im Norden 3 - 5.000 ha, um Windhuk 8 - 10.000 ha, im Süden aber bis 20.000 ha und mehr. Es wäre zu erwarten, dass diese nach Süden zunehmende mittlere Farmgröße durch abnehmende Bevölkerungsdichte zum Ausdruck käme. Tatsächlich ist das, wie Karte II zeigt, nicht der Fall. Der Grund dafür ist in erster Linie darin zu suchen dass im Süden das Burentum in seinem prozentualen Anteil an der Gesamtbevölkerung bei weitem überwiegt (Distrikt Grootfontein 19% Buren, Distrikt Warmbad 87% Buren). Durch seine bescheidene Lebenshaltung kann der Bur auf der gleichen Farmfläche mehr Menschen ernähren, als es - unter sonst gleichen Umständen - dem Deutschen oder Engländer möglich ist. Seinen natürlichen Ausdruck findet das in der großen Kinderzahl der ländlichen Burenfamilien. Auch ist das Systern der "Beiwohner", die südafrikanische Form des ländlichen Arbeitslosenproblems vielfach von den Buren nach Südwest übernommen worden, wodurch ebenfalls die durchschnittliche Zahl der europäischen Bewohner einer Burenfarm erhöht wird.

Karte 2

Wie in den meisten Kolonialländern, so ist auch in Südwest die europäische Bevölkerung stark auf die Städte konzentriert. Die acht größten Ortschaften, die auf Karte II besonders herausgehoben sind, umfassen zusammen nahezu die Hälfte aller Europäer des Landes. Damit ist aber der Anteil der städtischen Bevölkerung noch keineswegs erschöpft. Denn auch viele der kleineren Ortschaften wie Okahandja, Karib, Omaruru usw. sind trotz ihrer geringen Einwohnerzahl nach ihrer Funktion im Wirtschaftsleben und nach dem Einfluss, den sie auf die Lebensführung ihrer Bewohner ausüben, durchaus als Städte zu bezeichnen, so dass die Gesamtzahl der unter städtischen Lebensbedingungen stehenden Bevölkerung tatsächlich noch wesentlich höher ist. Die Hauptstadt Windhuk steht dabei weitaus an erster Stelle; mit über 3.800 weißen Einwohnern (im Jahre 1926) umfasst sie allein fast ein Sechstel aller im Lande lebenden Europäer.

Die drei Nationalitäten sind in allen Teilen des Landes vertreten, aber in so verschiedener Stärke, dass in den einzelnen Landschaften große Unterschiede im nationalen Charakter der Bevölkerung hervortreten. Die Küstenorte und die wenigen Siedlungen in der Namibwüste zeigen ein starkes Vorherrschen der Deutschen. Auf den Diamantfeldern der südlichen Namib und in den von ihnen abhängigen Gewerben waren Arbeiter, Angestellte, Handwerker usw. zum größten Teil Deutsche. Darum ist auch die Stadt Lüderitzbucht ganz vorwiegend deutsch, da ihr Wirtschaftsleben wesentlich mehr von den Diamantfeldern als von ihrem weiteren Hinterland beeinflusst wird. Auch Swakopmund behielt den Charakter einer deutschen Stadt. Nach der Schließung des Hafens konnte es seine alte Einwohnerzahl nur mit Mühe behaupten, für die Zuwanderung von Buren und Engländern war darum außer den Beamtenstellen wenig Gelegenheit. Auch die wachsende deutsche Schule stärkte das deutsche Element, ebenso die Tatsache, dass viele der in dem heißen Höhenklima des Binnenlandes wohnenden Deutschen gern hier in dem kühlen Küstenort jährlich einige Erholungswochen zubringen, während die Engländer und Buren dazu meist eine Reise in die Südafrikanische Union bevorzugen. Dagegen bildet die neue Hafenstadt Walfischbay, die erst in jüngster Zeit auf Kosten von Swakopmund rasch gewachsen ist, im Küstengebiet eine Ausnahme. Da die Beamten der Hafen- und Zollbehörden einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, sind die Deutschen hier in der Minderheit.

Wesentlich anders liegen die Verhältnisse in der südlichen Hälfte des Binnenlandes, also im ganzen Namaland und im südlichen Sandfeld, soweit es heute schon besiedelt ist. Hier ist das Übergewicht des Burentums so stark, wie es keine der drei Nationalitäten in einem anderen Teil des Landes wieder erreicht. Deutsche und Engländer bilden zusammen nur eine kleine Minderheit, die stellenweise (südliches Namaland) bis auf 11% sinkt. Bemerkenswert ist, dass die Buren auch im Ort Keetmanshoop, der einzigen größeren Stadt dieses riesigen Gebietes, bei weitem überwiegen, während sonst das Burentum in allen anderen größeren Ortschaften des Landes nicht die Stärke erreicht, die seinem Anteil an der Gesamtbevölkerung von Südwest entspricht.

Die Landschaften des nördlichen Binnenlandes zeigen kein ganz einheitliches Bild. Im Durchschnitt stellen die Deutschen fast die Hälfte, die Buren ein Drittel der Bevölkerung. Aber es bestehen starke örtliche Unterschiede, die vor allem durch die hier im Norden zahlreicheren Städte bedingt sind. In der Hauptstadt Windhuk, wo sich ebenfalls eine große deutsche Schule und manche Zentralorganisationen des Deutschtums befinden, ist nahezu die Hälfte der Einwohner deutsch, Buren und Engländer kommen einander fast gleich. In Usakos ist der Anteil der Deutschen geringer, weil hier die Eisenbahnwerkstätten mit ihren zum größten Teil nichtdeutschen Arbeitern und Angestellten die Zusammensetzung der Bevölkerung bestimmen. Ganz im Norden zeigt dagegen Tsumeb noch einmal das Bild einer Stadt mit vorwiegend deutschem Charakter, da die dortigen Kupferminen in ihren Betrieben fast nur Deutsche beschäftigen.

Zur Erklärung dieser auffälligen regionalen Unterschiede kann die verschiedene Stellung der drei Nationalitäten im Wirtschaftsleben und in der Verwaltung des Landes beitragen, wie schon bei einzelnen Städten gezeigt wurde. Die zahlreichen Beamtenstellen, zu denen die Deutschen in Südwest bisher nur in ganz seltenen Ausnahmefällen Zugang hatten, sind in der Hand von Buren und Engländern. Darum haben auch diejenigen Städte, deren im freien Erwerbsleben stehende Bevölkerung zum größten Teil Deutsches sind, immer noch eine bestimmte nichtdeutsche Minderheit. Die große Zahl der deutschen Arbeiter usw. auf den Diamentfeldern bei Lüderitzbucht und in den Minenbetrieben von Tsumeb erklärte auch den deutschen Charakter dieser Orte. Weiter liegt die Einfuhr aus Europa vorwiegend, der Kleinhandel und das Hotelwesen zum guten Teil in deutscher Hand. Dadurch erhöht sich der Anteil der Deutschen in Handelszentren wie Windhuk, Swakopmund (das auch der Wohnort für manche der in Walfischbai tätigen Geschäftsleute geworden ist) und in vielen der kleineren Ortschaften. Schließlich müssen auch die deutschen Schulen erwähnt werden. Sie entstanden naturgemäß an den Orten, wo schon die Zahl der ansässigen Deutschen es erforderte. Aber die größeren von ihnen (Swakopmund, Windhuk, Lüderitzbucht) haben unter ihren Schülern auch eine große Zahl von Auswärtigen, vor allem Farmerkinder, die in umfangreichen Schülerheimen untergebracht sind. Dadurch tragen diese Schulen auch wiederum dazu bei, das Deutschtum an dem betreffenden Ort zu stärken. Denn der unmittelbare Umsatz der Schülerheime kommt ganz den ansässigen deutschen Geschäftsleuten zugute, und die Eltern kommen öfter zu Besuch in die Stadt, wobei auch Einkäufe für die Farm usw. gemacht werden.

Die Deutschen in Südwest sind jedoch nicht nur ein städtisches Element, noch immer haben sie einen maßgebenden Anteil an der Farmwirtschaft. Aber der Schwerpunkt des deutschen Farmbesitzes hat sich stark in die nördliche Hälfte des Landes verschoben. Zwar befinden sich auch im Süden noch bedeutende Farmen in deutscher Hand, aber sie liegen hier vereinzelt oder als kleine deutsche Gruppen inselartig inmitten reiner Burenumgebung. Erst nördlich von Windhuk trifft man auf größere Erstreckung vorwiegend deutsche Farmgebiete. Denn der Strom der Buren, die alle auf dem Landweg von Süden her kamen, ergoss sich zunächst über das Namaland. Sehr viele von ihnen stammten aus der westlichen Hälfte des Kaplandes, sie fanden also hier auf den trockenen Karru- und Grassteppen ganz ähnliche Klima- und Wirtschaftsverhältnisse vor. Auch befand sich ja bereits zur deutschen Zeit vor dem Kriege ein beträchtlicher Teil der Farmen des Namalandes im Besitz von Buren, bei denen nun viele der neu Zugewanderten ein erstes Unterkommen fanden. Die Mehrheit dieses Burenzustroms blieb darum zunächst im Namaland, aber schon vor 1926 begannen die Buren auch in den nördlichen Landschaften Farmbesitz in größerem Maße zu erwerben. Die Übernahme der Unionsregierung durch die Nationalisten und die daraufhin erfolgende energische Durchführung des Gesetzes, dass alle Beamten die beiden amtlichen Landessprachen (Englisch und Afrikaans) beherrschen müssen, verschaffte schließlich den Buren auch verstärkte Zugangsmöglichkeit zu den Beamtenstellen. Das wirkte sich auch auf Südwest aus und sicherte den Buren, die sonst in den städtischen Berufen recht schwach vertreten sind, einen gewissen Anteil an der städtischen Bevölkerung im ganzen Lande. Von der Gesamtheit der Buren ist das jedoch nur ein kleiner Teil. In seiner großen Mehrheit ist das Burentum in Südwest das ländliche Bevölkerungselement, das stärker als jede der beiden anderen Nationalitäten seinen Rückhalt in der Farmwirtschaft hat. Das Gegenteil ist der Fall bei den Engländern. Als Kaufleute und Beamte leben sie ganz vorwiegend in den größeren Ortschaften. Ihr Einfluss auf das wirtschaftliche, politische und kulturelle Leben des Landes ist jedoch größer, als nach ihrer an sich geringen Gesamtzahl angenommen werden könnte. Fast ein Drittel aller Engländer ist in Windhuk ansässig. Die Zahl der englischen Farmer ist in allen Landesteilen gering.

Inhalt


III. Bevölkerungsbewegung

Ein Vergleich der Bevölkerungsverhältnisse des Jahres 1921 mit denen von 1926 gestattet einen gewissen Überblick über die Bevölkerungsbewegung in diesem Zeitraum und die Verschiebungen in der Stärke der einzelnen Nationalitäten. Die Gesamtzahl der Europäer in Südwestafrika stieg in diesen fünf Jahren von rund 19.500 auf rund 24.000 an. Die relative Zunahme war jedoch in den verschiedenen Teilen des Landes nicht gleichmäßig. In den beiden Hafenorten und auf den Diamantfeldern war sie stärker als im Binnenland. Vor allem die neue Hafenstadt Walfischbai zeigt einen starken Zuwachs, in fünf Jahren hat sich ihre Einwohnerzahl mehr als verdoppelt, während das benachbarte Swakopmund, durch den Verlust des Hafens schwer geschädigt, trotz aller Anstrengungen seine alte Einwohnerzahl nur ganz wenig vergrößern konnte. Im Binnenlande zeigen bemerkenswerterweise viele der Ortschaften eine geringere relative Zunahme als die meisten ländlichen Gebiete. Der Bevölkerungszuwachs ist also hauptsächlich der Ausbreitung der Farmwirtschaft zu verdanken, die auch durch Regierungsmaßnahmen (Abgabe von Kronland und Krediten zu günstigen Bedingungen) lebhaft gefördert wurde. Naturgemäß mussten schon darum die Buren, die ja am stärksten das Farmerelement verkörpern, den meisten Gewinn daraus ziehen. Der Anteil der Deutschen, Buren und Engländer an der Zunahme der Bevölkerung war deshalb sehr verschieden, wie ein Vergleich der Stärke der drei Nationalitäten und ihres prozentualen Anteils an der Gesamtbevölkerung in den Jahren 1921 und 1926 zeigt. (Bei der Berechnung der folgenden Zahlen wie auch auf den Karten wurde das Amboland außer Betracht gelassen; 1921 lebten dort 30, 1926 aber schon 64 Europäer, fast alle Missionsangehörige finnischer Staatsangehörigkeit).

 

1921

1926

Buren

8.288

43 %

11.359

47 %

Deutsche

7.979

41 %

8.875

37 %

Engländer

3.135

16 %

3.817

16 %

Bei weitem der Hauptteil des Zuwachses kam also den Buren zugute, deren Zahl damit beinahe die Hälfte der Bevölkerung erreichte. Die Zunahme der Engländer war wesentlich geringer; immerhin gelang es ihnen, ihren alten Anteil von etwa einem Sechstel zu behalten. Auch die absolute Zahl der Deutschen zeigt eine Zunahme (um rund 900 Köpfe), die jedoch gegenüber dem gewaltigen Zuwachs der Buren gering ist, so dass der relative Anteil der Deutschen an der Gesamtbevölkerung beträchtlich zurückging. Auch in den einzelnen Landschaften zeigen sich auffällige Unterschiede. Die Zunahme der Engländer erstreckte sich zum größten Teil auf die Hafenstädte, vor allem Walfischbai; im Binnenlande war sie geringer, einzelne Gebiete des Namalandes zeigten sogar eine schwache Abwanderung der Engländer. Die Zahl der Buren stieg fast überall beträchtlich an, auch in den Landesteilen, wo sie bisher noch am schwächsten vertreten waren. Die Deutschen dagegen erhielten nur in den Ortschaften des Küstengebietes und in Windhuk und Tsumeb einen bemerkenswerten Zuwachs, während die reinen Farmgebiete fast überall eine Abnahme zeigen, auch in den nördlichen Binnenlandschaften, wo die Deutschen vorher noch durchweg die Mehrheit der Bevölkerung gebildet hatten.

Als Grundlage für die vorliegende Darstellung der Nationalitätenverhältnisse und für die Karten diente die Volkszählung von 1926, zu Vergleichszwecken auch die von 1921. In der Zwischenzeit haben mancherlei Veränderungen stattgefunden, die sich im einzelnen heute noch nicht übersehen lassen. Die Gesamtzahl der Europäer betrug 1930 bereits rund 31.500, die Zunahme erfolgte also in den letzten Jahren sogar noch rascher als vorher. Auch das Stärkeverhältnis der drei Nationalitäten wurde durch die Entwicklung dieser Jahre weiter verschoben, so dass die auf den beiliegenden Karten dargestellten Verhältnisse heute bereits nicht mehr ganz den Tatsachen entsprechen. Die wichtigsten Einzelereignisse für die weitere Umgestaltung des Bevölkerungsbildes waren die fast völlige Schließung der Diamantenfelder und die Ansiedlung der Angolaburen. Die Arbeitseinstellung auf den Diamantenfeldern führte nicht nur zur Entlassung fast sämtlicher dort beschäftigten Angestellten und Handwerker, sondern hat auch den Ort Lüderitzbucht schwer betroffen. Da Lüderitzbucht und die Felder, wie oben gezeigt wurde, eine der stärksten Stützen des Deutschtums waren, trifft das besonders den deutschen Bevölkerungsteil sehr schwer. Manche der Entlassenen haben anderweitig im Lande ein bescheidenes Unterkommen gefunden, ein großer Teil von ihnen musste aber aus Mangel an jeder Arbeitsmöglichkeit nach Deutschland zurückreisen. War es bei der Schließung der Diamantfelder eine Auswirkung der allgemeinen Wirtschaftskrise, die das Deutschtum gerade dort empfindlich schwächte, wo es bisher' noch eine seiner Hauptstützen gehabt hatte, so erhielten dagegen die Buren nahezu zur gleichen Zeit einen bedeutenden Zuwachs durch ein rein politisches Unternehmen, die Massenansiedlung der Angolaburen. Etwa 380 Familien, im ganzen rund 3.000 Köpfe, wurden durch die Regierung nach Südwest gebracht und zur Hälfte auf neu vermessenen Farmen des Distriktes Gobabis angesiedelt, in kleineren Gruppen auch auf die Distrikte Grootfontein, Otjiwarongo und Gibeon verteilt. Sie bilden also heute eine weitere bedeutende Stärkung des Burentums vorwiegend in der Mitte und im Norden des Binnenlandes.

Daneben werden auch noch manche weitere Verschiebungen eingetreten sein, deren Ergebnisse im einzelnen heute noch nicht klar erkennbar sind. Die Weltwirtschaftskrise hat in Südwest nicht nur die Minen empfindlich getroffen, sondern mindestens ebenso sehr auch die Farmwirtschaft durch stärkste Absatzschwierigkeiten, wozu noch die Wirkungen mehrerer aufeinander folgender Trockenjahre kamen. Gewiss werden davon alle Farmer nahezu gleichmäßig ohne Unterschied der Nationalität betroffen, aber die Folgen dieser schwierigen Wirtschaftslage haben doch den deutschen Bevölkerungsteil schwerer in Mitleidenschaft gezogen als die Buren, die wegen ihrer im allgemeinen geringeren Aufwendungen für kulturelle Bedürfnisse, Erziehungskosten der Kinder usw. in ihrer Lebenshaltung anpassungsfähiger sind, auch an der Regierung und an ihrer nahen Heimat in der Union einen stärkeren wirtschaftlichen Rückhalt haben. Im allgemeinen muss ein weiteres Zurückziehen der Deutschen auf den Norden des Landes angenommen werden, aber unter gleichzeitigem Vordringen auch der Buren. Der relative Anteil der Deutschen an der Bevölkerung wird in den letzten Jahren weiter zurückgegangen sein, die Gesamtzahl der Deutschen steigt aber auch heute noch durch Geburtenzuwachs und Einwanderung langsam an. Erst wenn die Ergebnisse der für 1931 vorgesehenen Volkszählung vorliegen, wird sich die weitere Entwicklung der Bevölkerungsverschiebung nach Richtung, Stärke und Bedeutung für das Deutschtum klarer erkennen lassen.


Anmerkungen

1) Vgl. Koloniale Rundschau 1924, S. 5 - 12.

2) Act to provide for the naturalization of aliens in the mandated Territory of South West Africa. The Laws of South West Africa 1924. Windhoek 1925. S. 82 - 85.

3) Territory of South West Africa: Report on the Census of the Population ... 1921, Pretoria 1923. - Report on the Census of the European Population ... 1926, Pretoria 1927.

4) South West Africa Farm Area Map, 1 : 800.000; 1926.

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