Jul 062012
 

Nicht die Technik ist schuld am Burn-out, sondern falsche Führung.

Von Marion Schick

Die Schuldigen sind schon gefunden, die Technik ist es: Handystress und Smartphoneterror bedrohen unser Wohlbefinden, machen uns mürbe und krank. Der Erreichbarkeitswahn führt zu mentaler Erschöpfung – neudeutsch „Burn-out“. Das Rad wird munter weitergedreht: Privatkliniken machen Eigen-PR und geben eigennützige Studien heraus, die Politik ermahnt die Unternehmen, interne Regelungen zur Vermeidung von psychischer Überlastung zu schaffen, und der DGB fordert eine gesetzliche Anti-Stress-Verordnung. .

Ja, unsere modernen Kommunikations-mittel machen die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit durchlässiger. Ja, die Statistik weist einen Anstieg von psychischen Erkrankungen aus. Der Zusammenhang scheint klar. Wirklich?

Unabhängig davon, dass psychische Erkrankungen nicht automatisch mit „Burn-outs“ gleichzusetzen sind, wird es Zeit, den  Kern des Problems in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen: Nicht die Möglichketten der Technik sind das Problem, sondern – wie immer – der Umgang damit in einer verantwortlichen Grundhaltung ist es. Obertragen auf die Beziehungen zwischen Chefs und Mitarbeitern heißt das: Wo Führung versagt, fängt „Burn-out“ (leichter) an.

Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich unterstütze Regelungen im Unternehmen, die dabei helfen, den vernünftigen Umgang mit Mails und Telefonaten zu regeln. Mitarbeiter können sich auf diese Regelungen berufen, und sie helfen dabei, die Diskussion über Sinn und Unsinn von Mails und Telefonaten nach Feierabend zu vertiefen. Ich sage aber auch: Solche Vereinbarungen können nur flankierend wirken. Ohne die entsprechende Führungskultur bleiben sie blutleere Absichtserklärungen, die dann in den tiefen Schubladen verstauben. Was braucht es für Fähigkeiten, Menschen durch die Verführungen der Allzeiterreichbarkeit zu führen? Eine erste Erkenntnis: zu verstehen, dass man es mit erwachsenen Menschen zu tun hat, die man fordern kann und muss – wenn man gleichzeitig für eine Kultur sorgt, in der Überforderung auch gesehen wird, durch den Mitarbeiter angesprochen werden kann und dann Abhilfe geschaffen wird.

Führung nach „Gutsherrenart“ sollte ja längst auf dem Müllhaufen antiquierter Führungsstile vermodern, kommt aber immer wieder vor. Aber Achtung: Aus lauter Angst vor Überforderung in das andere Extrem zu verfallen – also gar nicht viel zu fordern und möglichst wenig zu entscheiden -macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil: Auch das kann krank machen, weil Orientierung und Halt für die Mitarbeiter fehlen. Was ist dann aber der richtige Weg?

Wer Führung beherrscht, weiß, wann er stärker steuernd eingreift und wann er sich zurückziehen muss. Bezogen auf die Diskussion um die schärfere Trennung von Beruf

und Privatleben heißt das: Nicht jede Mail die nach „Feierabend“ geschrieben wird, überfordert die Mitarbeiter. Als klug Führende mache ich mir aber bewusst, was sie eventuell beim Empfänger auslöst. Daher überlege ich mir einmal mehr, ob ich diese Mail nicht auf den nächsten Arbeitstag Verschieben kann. Und das, was die Mall auslöst, hängt ganz wesentlich von der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ab – da ist von Angst bis hin zur hoch inspirierenden Anregung des gemeinsamen Arbeitens an einer Lösung alles drin.

Kann man Führung lernen, die „Burn-outs“ vermeidet? Man(n) und Frau muss. Dabei gilt, bereits bei der Auswahlentscheidung für Führungskräfte anzusetzen. Oftmals steht bei Besetzungsentscheidungen von Führungskräften – insbesondere im mittleren Management – noch viel zu sehr die fachliche Expertise im Vordergrund. Weil die Probleme drängen und inhaltlich gelöst werden müssen. Obwohl wir alle wissen, dass die Sozialkompetenz und die persönliche Kompetenz der Führungskraft mindestens ebenso wichtig sind. Allerdings sind sie oftmals schwerer „nachholbar“.

Eine Unternehmenskultur, die Mitarbeitersouveränität unterstützt und wertschätzt, muss täglich neu geschaffen werden – von jeder und jedem. Eine offene und ehrliche Diskussionskultur ist die Basis dafür. Übrigens, unabhängig davon, ob ein Unternehmen Regelungen zum Umgang mit E-Mails in der Freizeit hat oder nicht, sollte die Führungskraft das Gespräch mit ihrem Team darüber suchen, um sich die Meinung der Mitarbeiter einzuholen. Ich bin sicher, dass bei diesem Gespräch auf Augenhöhe eine für alle vernünftige Lösung erarbeitet und dann auch gelebt wird. Pragmatismus ist nämlich die beste Waffe gegen E-Mail-Terror und Handystress und deren Folgen.

Die Autorin ist Personalvorstand bei der Deutschen Telekom.

Handelsblatt vom 04.07.2012

  One Response to “Verführt und ausgebrannt”

  1. Sehr geehrte Frau Schick,
    inhaltlich kann ich Ihrem Beitrag voll zustimmen. Sie schreiben, dass ein Gespräch auf Augenhöhe eine für alle vernünftige Lösung erarbeitet und dann auch gelebt wird.

    Als Kunde bin ich interessiert, dass diese Unternehmenskultur, die es bei der Telekom geben soll, positive Auswirkungen für mich als Kunde hat. Meine gegenwärtigen Erfahrungen mit Ihrem Unternehmen bestätigen die Warnungen vieler Freunde, dass die Telekom es bis heute noch nicht geschafft hat, kundengerecht zu agieren. Dabei geht es mir nicht so sehr um den Kontakt zu Ihren Mitarbeitern, auch wenn ich in einer Warteschleife, die 10 Minuten dauern soll, dann 24 Minuten warten muss oder mehrere Telefonate führen muss, weil ich nicht bei dem richtigen Ansprechpartner gelandet bin. Es ist die technischen Umsetzung Ihrer Arbeit und die dahinter stehende Organisation.

    Als betroffener Kunde will ich Ihnen da oben im Vorstand dies belegen mit meinem gegenwärtigen Erfahrungen bei der Telekom. Am 22.08.2011 habe ich bei Ihrem Unternehmen als Telefon- und Internetkunde von 1und1 einen Anbieterwechsel zu Ihnen beantragt. Am 22.06.2012 sollte die Umschaltung erfolgen. Die Umschaltung erfolgte nach mehreren Anrufen am Montag, den 25.06.2012, für eine Rufnummer und das Internet. Die beantragte zweite Leitung und die Mitnahme von drei Rufnummern steht bis heute aus. Eine verbindliche Aussage Ihres Unternehmens, wann die weiteren Umschaltungen erfolgen, ist nicht möglich. Nach einem neuerlichen Anruf erhielt ich die Auskunft, dass vielleicht in der kommenden Woche die endgültige Einrichtung erfolgt. Abgesehen von der Unmöglichkeit einer Registrierung im Internet, damit ich via Internet feststellen kann, wann die Restarbeiten durchgeführt werden, können die nicht geschalteten Rufnummern seit zwei Wochen nicht angerufen werden. Im oberen Stockwerk kann nicht telefoniert werden…

    Solange in Ihrem Unternehmen die linke Hand nicht weiß was die rechte Hand tut, sind Gastbeiträge im Handelsblatt nutzlos; wir als Kunden erleben, dass die Schlampereien in Ihrem Unternehmen auch nach Jahren noch nicht abgestellt sind.

    Mit freundlichen Grüßen

    Christoph Gäbler