Aug 012014
 

Meditation 1. Petrus 4, 1–11

Von Dietrich Gutsch

Mir ist dieser Text lange sehr fremd geblieben. Das sind nicht meine Erfahrungen mit „der Welt“, mit meinen Nachbarn, Freunden, Kollegen und auch nicht mit mir selbst. Darum kann ich die Urteile des Petrus nicht übernehmen. Sicher werden er und die christlichen Gemeinden, die diesen Brief in das Neue Testament aufnahmen, gute Gründe für ihre Sicht und die getroffenen Konsequenzen gehabt haben. Sie kann ich aber nicht übertragen auf meine Situation und meine Denkweise heute. Also wäre dieser Briefteil einfach zu übergehen?

Im Mittelpunkt steht der Satz „es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge“ (V.7). Hat Petrus sich geirrt, denn dieses Ende kam ja nicht wie erwartet und erhofft? Weil auf diese bezweifelbare Aussage alle Ermahnungen bezogen sind, sollte sie von uns bedacht werden.

Gott hat der von ihm geliebten Welt – uns eingeschlossen – ein Ende gesetzt. Es wird nicht die Zerstörung aller Ordnung, sondern im Gegenteil die Errichtung einer ganz neuen Ordnung sein. Am Ende werden alle Dinge, die jetzt gesetzmäβig, unveränderbar und fest gefügt erscheinen, ihre Bedeutung verlieren. Dann wird Christus und seine neue Welt unüberhörbar: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein“ (Offenbarung 21,4); die Völker werden „ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieβe zu Sicheln machen, denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen“ (Jes. 2,4). Dies ist das Ende, nicht der „Weltuntergang“! Wer von diesem Ende her denkt, wird sein Leben so gestalten, dass es diesem Ziel Gottes dient. Auf dieses Ziel hin mahnt Petrus die Gemeinde und uns heute: sachlich (nüchtern) zu beten, aber ohne Voreingenommenheit und Ressentiments, aber mit Wissen um die Probleme und ihre Ursache und mit engagierter Hoffnung; beten um Liebe, die Enttäuschungen und Widerstand aushält, die die Sünde bedeckt, um den anderen Menschen in der Gemeinschaft lebensfähig zu erhalten, die mit allen Gaben und Besitztümern den anderen dient. „Das Ende aller Dinge“ ernst zu nehmen kann uns helfen, sachlich (nüchtern) in der Gegenwart auf die Zukunft und das Reich Gottes hin zu leben, zu denken und zu arbeiten.

Wir beten: Herr Jesus Christus, unsere Gegenwart mit den Freuden, Aufgaben und Problemen nimmt uns so in Anspruch, dass wir die Zukunft, Dein Kommen, aus dem Blick verlieren. Damit wird die Orientierung für unser Reden und Handeln schwierig. Lass uns den Zusammenhang von Morgen und Heute erkennen, um jetzt das Richtige und Hilfreiche zu tun. Amen.

In „Halt uns bei festem Glauben“, Meditation zum 17. Juli 1980


Meditation 1. Petrus 4, 12-19

Von Dietrich Gutsch

„… ich schäme mich manchmal fast, wie viel wir von unserem eigenen Leiden gesprochen haben. Nein, leiden muss etwas ganz anderes sein, eine ganz andere Dimension haben, als was ich bisher erlebt habe“, schreibt Dietrich Bonhoeffer nach elf Monaten Haft aus dem Gefängnis an seinen Freund. Seine Bindung an das Evangelium und seine Erkenntnisse machten ihn zum politischen Gegner des deutschen Faschismus. Nach zweijähriger Leidenszeit in Gefängnis und Konzentrationslager wird er erhängt. Und er lehnt es ab, von seinem Leiden zu sprechen! 

Auch Petrus schreibt hier nicht von schlechten persönlichen Erlebnissen. Er stellt die Erfahrungen der Gemeinde in unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem Glauben an Christus. Sie sind weder außergewöhnlich noch gesucht. Glauben heißt, beteiligt sein am Kreuztragen, teilnehmen am Leiden Jesu. „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir“ (Matth. 16,24). 

Die Evangelien zeigen uns Gott, der sich in Christus auf die Seite der Gedemütigten, der Missachteten und Geringsten gestellt hat. Er teilt ihr Leiden. Ihnen gilt das Heil. Der Glaubende wird aufgefordert, mit Christus für sie dazusein, mit ihm unter der Unordnung dieser Welt zu leiden. Dietrich Bonhoeffer hat uns darauf aufmerksam gemacht und in seiner Gefangenschaft durchgehalten, nicht auf uns selbst zu achten, sondern Gottes Leiden in der Welt ernst zu nehmen. Gerade jene, die das Leiden einbeziehen in ihr Leben, sind da für die anderen, die ungefragt leiden unter Unrecht und Angst, Verfolgung und Folter, unter Hunger und aufgezwungener Armut. 

Mit Gott leiden kann zum Konflikt führen mit denen, die Leid verursachen oder verharmlosen. Dies sucht die Gemeinde nicht, aber sie kann sich auch nicht davor drücken…“  

Menschen gehen zu Gott in Seiner Not, finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot, sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod. Christen stehen bei Gott in Seinem Leiden.

(Dietrich Bonhoeffer) 

In „Halt uns bei festem Glauben“, Meditation zum 18. Juli 1980 


Ökumene nahe gebracht  Von Friedericke Schulze

Am 7. September 2001 wäre Dietrich Gutsch 70 geworden. Er gehörte zu der Generation, deren Denken und Handeln von den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und dem Erschrecken über das Versagen eines Großteils der deutschen protestantischen Kirche gegenüber dem Faschismus und Krieg geprägt waren. Bei einer Rüstzeit 1947 in Stuttgart hat er sich bewusst zu Jesus Christus bekannt, erst danach ließ er sich konfirmieren. Von 1949 bis 1953 hat er sich im Seminar für kirchlichen Dienst in Berlin zum Katecheten ausbilden lassen.

Von 1955 bis 1965 war er Mitarbeiter der Gossner-Mission in der DDR. Durch ihn sind damals viele junge Leute zu Gossner-Freunden geworden. Er hat Erkenntnisse und Einsichten der Gossner-Mission in die kirchliche Jugendarbeit der evangelischen Kirchen in der DDR eingebracht.

Dietrich Gutsch organisierte Ökumenische Aufbaulager, in denen sich junge Leute aus Ost und West bei praktischer Arbeit, bei Bibelarbeiten und in der thematischen Auseinandersetzung kennen lernen konnten. Er baute Brücken während heißer Phasen des Kalten Krieges. Er brachte die Ökumene zu Christen und Nichtchristen in der DDR und zeigte der Ökumene, dass es in der DDR Christen gab, die sich an der Gestaltung ihrer Gesellschaft beteiligten.

Ökumene, Frieden, soziale Gerechtigkeit, Überwindung von Rassismus und Gewalt blieben seine Themen bis zu seinem frühen Tod am 9. März 1981. Als Referent für Ökumenische Aufbaulager und als Nationalkorrespondent der Jugendabteilung des ÖRK, als Gründungsmitglied des Ökumenischen Jugendrates in Europa und dessen Vorsitzender von 1972 bis 1978, als Leiter des Ökumenischen Jugenddienstes und Initiator des Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugend sowie des Ökumenischen Jugendrates in der DDR hat er vielen von uns, die wir damals in der kirchlichen Jugendarbeit engagiert waren, die Ökumene nahe gebracht, unseren Horizont erweitert und uns mit viel Humor über Durststrecken hinweggeholfen.