Ökumenischer Jugenddienst seit 1955/1956 – Seniorenkreis
Konvent in Neudietendorf 26. – 30. September 2015
„Anpassen – Beharren – Widerstehen“
ZUM THEMA ANPASSEN – BEHARREN – WIDERSTEHEN
Von Nico Plomp, Neudietendorf 2015
Martin Conradi hat eine Notiz geschrieben zum Vorbereitungstreffen, das im Januar dieses Jahrs stattgefunden hat. Darin zitiert er ausführlich Gretchen Seiffert, die ihm in einem Brief ihre Wünsche für diese Konferenz bekannt gemacht hat.
- Balance zwischen den persönlichen Begegnungen und spontanen Gesprächen in kleinen Gruppen.
- Zu den längeren Beiträgen möchte ich sagen, dass das Aufnahmevermögen von zu vielen guten Gedanken einfach zuviel werden kann. Ich wünsche mir diese Beiträge knapp und von persönlichen Erfahrungen bestimmt.
- Auch wäre ein visuelles Gerüst, wie Stichworte oder Computerprojektion hilfreich.
Gretchen hat keine Themen vorgestellt doch Martin gibt eine Aufzählung.
- Freiheit – Befreiung – Entwurzelung
- Wahrheit – Wahrhaftigkeit
- Recht – Gerechtigkeit
- Frieden – Friedfertigkeit
- Lebensziel
- Fundamentalismen – Graswurzelbewegungen
- Wieso, Warum, Wofür, Wogegen
- Anpassen – Beharren – Widerstehen
Alle großen Themen die passen in unsere Tradition von bewusst und verantwortlich Leben und stehen für Gerechtigkeit aber auch für was Grüblerisches, vielleicht auch etwas Übermütiges.
Elly mit der ich alle Vorbereitungen besprochen habe und ich hatten den klaren Vorzug für das das Thema Anpassen – Beharren – Widerstehen, wozu wir uns schließlich entschieden haben.
Warum?
- Es geht um unser Verhalten und bezieht sich auf jeden von uns. Man braucht auch keine Vorkenntnisse. Es entspricht dem Wunsch von Gretchen. Das Thema soll eine Herausforderung sein für spontane Gespräche!
- Ein zweiter Grund war, dass das Thema Relevanz hat für ein Buch, das ich im letzten Jahr studiert habe:
Die Kunst friedlich zu kämpfen
von Hans Achterhuis und Nico Koning und worüber ich auch eine Vorlesungsreihe von beiden Autoren verfolgt habe.
EINIGE BEMERKUNGEN
- Ausgangspunt dieses Buch ist, dass dass über Jahrhunderte die Zahl der bewaffneten Konflikten, (oder die relative Anzahl von Menschen, die getötet werden in bewaffneten Konflikten) immer geringer wird. Während des Dreißigjährigen Krieges ist ein Drittel der Bevölkerung in den deutschen Gebieten gestorben.
- Einer der Schussfolgerungen ist, dass eine Welt ohne Konflikten oder Kämpfen undenkbar und auch unerwünscht ist.
Die Frage die dieses Buch beantworten will lautet:
Gibt es einen Schlüssel zum friedlichen Leben?
Wir fanden dies eine fesselnde Frage weil wir – jedenfalls ich – gelernt haben, dass man sich anpassen und gehorsam sein soll. Und nach diesen Autoren reicht das nicht mehr als Erziehungziel. Ich erinnere mich, wenn ich meine Mutter als Kind fragte, was sie sich für Muttertag wünschte, hat sie zu meine Großen Enttäuschung gesagt, dass ich einen Tag gehorsam seien soll.
Als ich 14 Jahre alt war (1961) habe ich die Ferien in einem Deutschen Jugendlager der Evangelischen Kirche von Bergkamen verbracht. Nach dem Frühsport stellten wir uns neben unseren Zelten auf und sollten Folgendes nachsprechen:
Wir wollen sein,
eine Jugend mit der Bibel,
leibhaftig und getreu im Eltern-Haus
und gehorsam in der Schule.
Auch in der DDR gab es natürlich solche Beschwörungsformen, dss die Kinder nationale Werte einprägten sollten.
Für die nachfolgenden Gruppengespräche möchte ich einige Gedanken anbieten, die vielleicht hilfreich sein können.
ZIEL
- Erfahrungsaustausch, persönliche Gespräche
- Bewusstmachen der eigenen Verhaltensstile (Anpassen, Beharren, Wiederstehen) und deren Anwendung in verschiedenen Situationen
PROGRAMM:
- Nico Plomp: Anpassen,Beharren, Widerstehen als Einstiegsreferat
- Teil 1 Die Kunst friedlich zu kämpfen
- Teil 2 Verhaltensmöglichkeiten
- Christoph Schnyder: Anpassen, Beharren, Widerstehen bei Bonhoeffer
Pause
- Elly Bakker: Rose von Leary: Einleitung in die Gruppenarbeit
- Gruppenarbeit
TEIL 1 DIE KUNST FRIEDLICH ZU KÄMPFEN
Für die Antwort auf die Frage nach der Ursprung der Gewalt nehmen Hans Achterhuis und Nico Koning ihren Ausgangspunt bei René Girard der behauptet:
1. Ursprung der Gewalt: ist das mimetisches (auf Nachahmung basiertes) Begehren
- Begehren durch Andere (Eifersucht)
- Von Faszination zur Rivalität
2. Kampf und Frieden
- Kampf ist anthropologisch gegebenen
- Ringen ums Überleben: Kämpfen für ihren Platz
- Wetteifern um den Begehrten: Rivalen deinen Nächsten
- Sich einsetzen für das Heilige: Aktivist für die heilige Sache
- Frieden ist eine anthropologische Notwendigkeit, durch Zivilisation (die gesamte Kultur) wird Gewalt reguliert und Gruppen-Kohäsion verstärkt.
3. Sündenböcke: Krieg aller gegen einen; verstärkt die Gruppen- und Stammeskohäsion
- Namensnennung der besonderen Eigenschaften: Sündenbock
-
- Satanisch / Göttliche: z.B. die Juden, Zigeuner),
- Mythenbildung
- Tieropfer (Lamm Gottes)
- Die Begeisterung über die Ursache der Verbrüderung
4. Vertikale Zivilisation: Die traditionelle Ordnung
- Kultur des Gehorsams
- Auf übernatürliche Autorität
- Bei Vätern und Häuptlingen
- Staat
- Ungleichheit Grundlage der Zivilisation
- Die Angst der Gleichheit
- Vermeiden Rivalität, Bruder
5. Zerreißen der vertikalen Ordnung durch Modernisierung
- Entheiligung
- Untergrabung der Autorität
- Enthüllen
- Demontage des Sündenbockmechanismus
- Entbrüdern
- Untergrabung der Verwandtschaftssysteme
- Demontierung (ontmanteling)
- Senkung der Standesgesellschaft
6. Horizontale Zivilisation: Kunst friedlich zu kämpfen
- Wettbewerb, beraten, debattieren
- Rechtspraxis
- Markt
- Sport; wetteifern
- Ausbildung
- demokratische Verfahren
- Verhandlung, Haushalt
- Satire
7. Vertikale und horizontale Zivilisationstypen
Vertikale Ordnung |
Horizontale Ordnung |
Alles ist fest Eine heilige Wahrheit Gehorsam Sie sollten Ihren Platz wissen Ungleichheit ist notwendig Freiheit ist gefährlich Konflikte sind gefährlich Kämpfe vermeiden |
Alles ändert sich Permanente Diskussion Mündigkeit Man muss seinen Platz erobern Im Grunde gleich Wunsch nach mehr Freiheit Konflikte hantieren friedlicher Kampf |
.
8. Die abweichenden Einzelnen
Vertikale Ordnung | Horizontale Ordnung |
Widerwillig, unbewusst, ungewollt Zeigt Schwäche Angst Schöpft Einheit Beitrag um Ruhe wiederherzustellen Zum Schweigen gebracht Literatur der Helden |
Eigenwillig , selbstbewusst, selbstgewählt Zeichen der Stärke Mut Stört Einheit; erzeugt Unruhen Findet mehr Gehör als jeder andere Die Literatur ist von Individuen |
.
9. Schlussfolgerungen
- Menschen haben den Kampf für das Leben im Essenz gewonnen durch ihre sozialen Fähigkeiten.
- Was bleibt ist Wetteifern um Begehren
- Einsatz für das Heilige: eine Welt ohne Konflikte oder Kämpfe ist undenkbar und auch unerwünscht und ist sofort unmenschlich. Friedlich kämpfen müssen wir lernen.
TEIL 2 VERHALTENSMÖGLICHKEITEN
Zweite Teil ist mehr gerichtet auf dem Thema ‚Anpassen, Beharren und Wiederstehen‘ und bezieht sich mehr auf das Alltägliche. Statt nur passend fügsam und gehorsam den Geboten Gottes zu folgen, ist der gute Mensch in der säkularen Gesellschaft aufgerufen, sein gutes Leben zu gestalten.
10. Verhaltensmöglichkeiten
ANPASSEN | BEHARREN | WIDERSTEHEN |
Strategie zum Überleben | Prinzipen | Verzweiflung |
Harmonie, Angehörigkeit | Interessen | Ungehorsam |
Angst an äußerliche Anpassung | Nach Autonomie streben | Ideologie |
Positive Behandlung | Selbstentfaltung | Werte |
Zwang | Heldenhaftigkeit | Passiver Widerstand |
Unterscheidungsdrang |
.
Anpassen ist der normale Reflex und ich denke meistens auch die meist vernünftige Verhaltensweise. Will man zu einem Gruppe gehören, dann muss man sich anpassen. Wir müssen uns anpassen an die sich ändernden Umstände z.B. die Rolle der Computer in dieser Zeit aber auch der unvermeidliche Tod eines Geliebten, Verlust von Arbeit. Anpassung ist auch wichtig zum Überleben bei der Geiselnahme oder im Konzentrationslager
Wir können uns auch nicht anpassen, beharren in alten Verfahren, Sitten und Bräuchen. Aber nicht anpassen hat seinen Preis.
Es gibt auch ein Unvermögen zur Anpassen, was in der Psychiatrie Anpassungsstörung genannt wird.
11. Anpassungsstörung
Fortbestehende identifizierbare psychosoziale Belastung, die die Entwicklung klinisch bedeutsamer emotionaler oder verhaltensmäßiger Symptome zur Folge hat:
- Gefühl von Bedrängnis
- emotionale Beeinträchtigung
- verändertes Sozialverhalten
- Probleme mit Nähe/Distanz
- evtl. sozialer Rückzug
- Gefühle der Leere
- Gedankenkreisen (Grübeln)
- gesteigerte Sorge
- Freudlosigkeit
- Trauer
- Angst
- depressive Verstimmung
Wann leisten Menschen Widerstand?
- Wenn sie sich bewusst machen, dass etwas nicht fair ist oder eine Beschädigung für die Gesellschaft und die Menschenrechte vorliegt.
- Wenn sie treu zu sich selbst sein wollen; bedeutet das, dass man sich befreit von externen Regeln und Zwang (eine romantische Fiktion?)
- Widerstand gegenüber Veränderungen oder einer Situation.
12. Schlussfolgerung
- Bewusstsein ist der Rohstoff für die Widerstand und das verantwortliches Verhalten.
- Ein heiteres Bewusstsein ist, was wir erreichen wollen durch Beispiele
(Christoph Schnyder über Dietrich Bonhoeffer) und Gruppendiskussion.